Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichbegrüße Sie alle herzlich.Ganz besonders herzlich begrüße ich den KollegenLeo Dautzenberg, der vor wenigen Tagen seinen60. Geburtstag gefeiert hat und dem ich im Namen desganzen Hauses herzlich gratulieren und alle guten Wün-sche übermitteln möchte.
Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, ist nocheine Wahl zum Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Ver-treibung, Versöhnung durchzuführen. Die Fraktion derCDU/CSU schlägt vor, den Kollegen Klaus Brähmigals Nachfolger des ehemaligen Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme als ordentliches Mitglied zu wählen.Die SPD-Fraktion schlägt vor, den KollegenDr. Wolfgang Thierse als Nachfolger des früheren Ab-geordneten Steffen Reiche als stellvertretendes Mitgliedzu wählen. Sind Sie damit jeweils einverstanden? – Dasist offensichtlich der Fall. Dann sind die Kollegen Bräh-mig und Thierse als Mitglied bzw. als stellvertretendesMitglied in diesen Stiftungsrat gewählt.ZZRedetInterfraktionell ist vereinbart worden, die verbun-dene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste auf-geführten Punkte zu erweitern:ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIELINKEWas folgt aus dem Urteil des Bundesver-fassungsgerichts zu den Regelsätzen beiHartz IV?
ZP 2 Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung bewaffnscher Streitkräfte an dem Einsatznationalen Sicherheitsunterstützung
auf Grundlage der Resolutionen 1386
und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution1890 des Sicherheitsrats der VereintenNationen– Drucksache 17/654 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss Rechtsausschuss VerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GOP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der FraktionenSPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENRettungsschirm für die Kommunen vor demHintergrund von Haushaltslage und schwarz-gelben SteuersenkungsplänenP 4 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-fahren
exta) Beratung des Antrags der Abgeordneten UweBeckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der SPDGewährleistung der Sicherheit im Schienen-verkehr muss Priorität haben– Drucksache 17/655 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit für Tourismus des Antrags der Abgeordneten Uwe, Ute Koczy, Thilo Hoppe, weiterer Ab-eter deut-der Inter-struppe inity Assis-Ausschussb) BeratungKekeritz
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1894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Präsident Dr. Norbert Lammertgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENBeschlagnahmung von Generika in Europastoppen – Versorgung von Entwicklungslän-dern mit Generika sichern– Drucksache 17/448 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus-sprache
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Rechtsausschusses zuder Unterrichtung der BundesregierungGrünbuchErlangung verwertbarer Beweise in Straf-sachen aus einem anderen Mitgliedstaat– Drucksachen 17/504 Nr. A 15, 17/660 –Berichterstattung:
Dr. Eva Högl Jörg van Essen Wolfgang NeškovićJerzy Montagb) Beratung des Antrags der BundesregierungAusnahme von dem Verbot der Zugehörigkeitzu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bun-desregierung– Drucksache 17/600 –Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-weit erforderlich, abgewichen werden.Außerdem mache ich auf zwei nachträgliche Aus-schussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktlisteaufmerksam:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-zung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Än-derung steuerlicher Vorschriften– Drucksache 17/506 –überwiesen:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss gemäß § 96 GOBeratung des Antrags der Abgeordneten JosefPhilip Winkler, Viola von Cramon-Taubadel,Marieluise Beck , weiterer Abgeordne-ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NENDKDsugihdZAeDdW
nd dass an seiner Stelle Frau Yvonne Ploetz die Mit-liedschaft im Deutschen Bundestag erworben hat, diech mit allen guten Wünschen für die Zusammenarbeitier im Hause herzlich begrüße.
Ich rufe nun unseren Tagesordnungspunkt 3 sowieen Zusatzpunkt 2 auf:3 Abgabe einer Regierungserklärung durch denBundesminister des AuswärtigenAuf dem Weg zur Übergabe in Verantwor-tung: Das deutsche Afghanistan-Engagementnach der Londoner KonferenzP 2 Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna-tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in
auf Grundlage der Resolutionen 1386
und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution1890 des Sicherheitsrats der VereintenNationen– Drucksache 17/654 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss Rechtsausschuss VerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache im Anschluss an die Regierungserklärungine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch.ann ist das so beschlossen.Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hater Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guidoesterwelle.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1895
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Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Kolleginnen und Kollegen! Die verheerenden An-schläge des 11. September im Jahre 2001 waren nicht al-lein ein Angriff auf die Vereinigten Staaten vonAmerika; sie waren ein Angriff auf die Grundlagen unddie freiheitlichen Werte der Völkergemeinschaft. Die in-ternationale Gemeinschaft hat mit beispielloser Ge-schlossenheit auf diese Herausforderung reagiert. AuchDeutschland folgte dem Aufruf des Sicherheitsrates derVereinten Nationen, der die Situation in Afghanistan alsBedrohung für den Weltfrieden einstufte. Heute beteili-gen sich mehr als 40 Nationen unter dem Mandat derVereinten Nationen am Einsatz in Afghanistan.Wie die internationale Gemeinschaft hat auchDeutschland in der Frage, ob wir dort, in Afghanistan,Verantwortung übernehmen, Geschlossenheit bewiesen.Es war die Regierung von Gerhard Schröder und JosephFischer, die die Bundeswehr erstmals nach Afghanistanentsandte. Die Regierung von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier hat diesen Einsatz fortgeführt. Heutebitte ich Sie für die amtierende Bundesregierung um IhreZustimmung zur Fortsetzung der Beteiligung der Bun-deswehr an dem NATO-geführten Einsatz in Afgha-nistan. Dieser Einsatz im Rahmen von ISAF dient vorallem dem Ziel, unsere eigene Sicherheit zu schützen.Afghanistan darf nie wieder Rückzugsort des Terrorswerden. Wir sind aber auch dort, um unserer mitmensch-lichen Verpflichtung nachzukommen. Millionen Frauenund Männer setzen ihre Hoffnungen in uns.
In den acht Jahren unseres Engagements in Afghanis-tan haben wir einiges erreicht. Wir haben dazu beigetra-gen, dass die Menschen in Afghanistan Zugang zu Ärz-ten und Krankenhäusern haben wie seit Jahrzehntennicht mehr. Wir haben dazu beigetragen, dass neueSchulen gebaut worden sind. Heute können in Afghanis-tan 7 Millionen Kinder regelmäßig unterrichtet werden,fünfmal mehr als zu Zeiten der Schreckensherrschaft derTaliban.Mit Wassertanks, Saatgut und Bewässerungsprojek-ten haben wir dazu beigetragen, dass über 250 000 Haus-halte in Nordafghanistan die Chance haben, in der Land-wirtschaft eine Lebensperspektive zu finden. Nichtzuletzt haben die Soldatinnen und Soldaten der Bundes-wehr einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Lan-des geleistet. Das sieht auch die übergroße Mehrheit derafghanischen Bevölkerung so.Meine Damen und Herren, eine ehrliche Bestandsauf-nahme ergibt aber eine gemischte Bilanz unserer bisheri-gen Anstrengungen. Im letzten Jahr hat sich die Sicher-heitslage erneut verschlechtert. Afghanistan versorgtnoch immer rund 90 Prozent des Weltmarktes mitOpium. Längst nicht alles in Afghanistan ist heute so,wie wir es uns vor acht Jahren erhofft hatten. Deshalbhat Frank-Walter Steinmeier recht, wenn er sagt, ein ein-faches Weiter-so werde nicht reichen, um Afghanistandauerhaft zu stabilisieren. Diese Bundesregierung hatdeshalb von Beginn an für einen Neuanfang in Afgha-nugL7rsDtiLk–rbtzZktAßceddeWddzAnGfs1farDdpMwiwns
Bei der Umsetzung dieses Programms und der Ver-endung der entsprechenden Gelder werden die afgha-ische Regierung und die internationale Staatengemein-chaft eng zusammenwirken. Noch in diesem Frühjahr
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1896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Bundesminister Dr. Guido Westerwellewird eine Konferenz in Kabul über das weitere Vorgehenbeschließen.Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen fürden wirtschaftlichen und sozialen Aufbau im Nordenverstärken und hat sich dafür konkrete, nachprüfbareZiele gesetzt:Wir werden die Programme zur ländlichen Entwick-lung ausweiten, damit bis 2013 3 Millionen Afghanin-nen und Afghanen Arbeit und Einkommen haben.Wir werden unsere Anstrengungen für die Gesund-heitsversorgung erheblich ausweiten. In allen vier Pro-vinzen, die im deutschen Verantwortungsbereich liegen,werden wir Krankenhäuser aufbauen und besser ausstat-ten.Wir werden die Verkehrsinfrastruktur verbessern undso die Basis für wirtschaftliches Wachstum und mehr Si-cherheit legen. Zusätzliche 700 Kilometer ganzjährignutzbare Straßen sollen ländliche Gebiete erschließenund sie mit den Städten und Märkten ihrer Distrikte ver-binden.Wir werden mehr Lehrerinnen und Lehrer ausbildenund Schulen bauen, damit weitere 500 000 Kinder unter-richtet werden. Mittlerweile sind ein Drittel der Schul-kinder Mädchen.
Insgesamt will die Bundesregierung die zivilen Mittelfür Afghanistan verdoppeln. Ausdrücklich danke ichBundesminister Niebel, der sich für den zivilen Aufbaubesonders engagiert.
Selbsttragende Sicherheitsstrukturen sind dieVoraussetzung für eine Abzugsperspektive für unsereSoldatinnen und Soldaten. Darum tun wir in Zukunftdeutlich mehr für die Ausbildung afghanischer Sicher-heitskräfte.Zwischen Afghanen und internationaler Gemein-schaft ist eine Zielgröße von 300 000 afghanischenSicherheitskräften vereinbart. Dies ist nötig, damit Präsi-dent Karzai sein Ziel erreichen kann, bis zum Jahr 2014die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistanvollständig zu übernehmen.Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, in den kom-menden Jahren jährlich rund 5 000 afghanische Polizis-ten aus- und fortzubilden. Dafür wollen wir die Zahl un-serer Polizeitrainer auf insgesamt 260 erhöhen. Ich binzuversichtlich, dass wir in Abstimmung mit den Bundes-ländern unser Ziel erreichen, diesen Aufwuchs schon bisMitte des Jahres abzuschließen. Ausdrücklich danke ichBundesminister de Maizière und den Bundesländern fürdiesen wichtigen Beitrag.
Deutschland wird den Schwerpunkt seines militäri-schen Engagements noch stärker auf die Ausbildung deravKuAstkxDnsvürgdedbÜBtMKkAengnt2wwdgDbAgdsDpiA
ie Bundesregierung hat sehr sorgfältig die Frage ge-rüft, wie die Lage im Norden Afghanistans zu bewertenst. Die Intensität der mit Waffengewalt ausgetragenenuseinandersetzung mit Aufständischen und deren mili-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1897
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelletärischer Organisation führt uns zu der Bewertung, dieEinsatzsituation von ISAF auch im Norden Afghanistansals bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völ-kerrechts zu qualifizieren. Ob uns das politisch gefälltoder nicht, so ist die Lage. Ob wir es so nennen odernicht, so ist die Lage. Die Lage beim Namen zu nennen,sind wir all denen schuldig, die sich vor Ort den Gefah-ren aussetzen.
Diese rechtliche Qualifizierung der objektiven Ein-satzsituation von ISAF hat Konsequenzen für die Hand-lungsbefugnisse der Soldaten, für die Befehlsgebungund für die Beurteilung des Verhaltens von Soldaten instrafrechtlicher Hinsicht. Sie hat keine Auswirkungenauf das Mandat, für das wir um Zustimmung bitten. Siehat auch keine Auswirkungen auf den Einsatz unsererPolizisten. Unsere Polizisten wurden und werden aus-schließlich im Norden Afghanistans und ausschließlichzu Ausbildungszwecken eingesetzt. Für ihren Einsatz istentscheidend, dass wir ihn angesichts der tatsächlichenSicherheitslage verantworten können. Fürsorge hathöchste Priorität. Unsere Polizisten arbeiten nur dort, wodie Bundeswehr für Sicherheit eintritt. Darauf haben wiruns auch mit den Ländern einvernehmlich verständigt.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, die Bundesregierung hat vor der LondonerKonferenz ein umfassendes Konzept für Afghanistanvorgelegt. Die Kernelemente unseres Konzepts findensich in den Ergebnissen von London wieder. Wenn Sieunvoreingenommen prüfen, was wir in London erreichthaben, werden Sie vieles wiedererkennen, was auf Anre-gungen und kritische Fragen aus diesem Hohen Haus zu-rückgeht. Die enge Einbindung des Parlamentes ist mirsehr wichtig. Die Ergebnisse der Konferenz sind nichtnur ein Erfolg der Teilnehmerstaaten, sie sind gewissnicht nur ein Erfolg der Bundesregierung; es handelt sichum einen Erfolg für alle, die in diesem Hause zur Neu-ausrichtung unseres Engagements beigetragen haben,aus allen Fraktionen. Es ist also auch Ihr Erfolg. Ich bitteSie daher, dass Sie der Versuchung widerstehen, dasNotwendige und Richtige zu unterlassen. Das wäre derGröße unserer Aufgabe und auch der Ernsthaftigkeit un-seres Engagements nicht angemessen.Lassen Sie mich zum Abschluss den mutigen Män-nern und Frauen danken, die in Afghanistan sich auchvon hohen Risiken nicht schrecken lassen und mit gro-ßem Einsatz tätig sind. Den zivilen Aufbauhelfern, denPolizisten aus Bund und Ländern, den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes und den tapfe-ren Frauen und Männern der Bundeswehr gebührt unseraller Respekt.
Ihnen und ihren Familien möchte ich von Herzen dan-ken. Sie verdienen das Vertrauen der Bundesregierungund des ganzen Bundestages. Ich bitte Sie daher um Zu-stimmung zum Antrag der Bundesregierung.
KtHiAKeDwuzmsuÖibeAtrsvzGmhizdnsndswmEIideelw
Ich weiß, dass viele in Deutschland am Sinn diesesinsatzes zweifeln.
ch habe erfahren, dass dieser Einsatz noch schwierigerst, als wir ihn uns 2001 vorgestellt haben. Aber geradeeshalb bin ich der Meinung, dass wir es uns nicht zuinfach machen dürfen.Wir haben mit der Entscheidung 2001 und den Folge-ntscheidungen Verantwortung für uns selbst und vor al-en Dingen für Afghanistan übernommen. Wir haben Er-artungen geschaffen, und wir haben auch Fehler
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1898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Dr. Frank-Walter Steinmeiergemacht. Zu den Fehlern gehört nach meiner Meinung,dass wir mit Blick auf den politischen Wiederaufbau inAfghanistan die Ziele am Anfang vielleicht zu hoch ge-steckt haben. Sie kennen meinen Satz, dass wir nicht da-mit rechnen können, dass sich Afghanistan nach demMuster einer Westminister-Demokratie entwickeln wird.Zu den Fehlern, die gemacht wurden, gehört aus mei-ner Sicht auch, dass wir uns am Anfang vielleicht nichtgenügend auf Afghanistan konzentriert haben. Das giltjedenfalls für einige, insbesondere für diejenigen, diealle Kräfte und ihre ganze Konzentration viel zu langeauf den Irak und die Suche nach politischen Lösungenim Irak konzentriert und Afghanistan immer nur als einSicherheitsproblem behandelt haben, das man mögli-cherweise mit Waffengewalt bekämpfen kann. Das wareine Unterschätzung der Probleme in Afghanistan undhat andere Verbündete, die mit einer anderen Philoso-phie an die Lösung dieser Probleme herangegangen sind,überfordert. Ja, es hat falsche Prioritäten gegeben. Es hatviel zu lange gedauert, bis wir andere davon überzeugthaben, dass wir dem zivilen Wiederaufbau und demSchutz der Zivilbevölkerung in Afghanistan oberstePriorität einräumen müssen.Aus dieser Bilanz – zu der auch die Erfolge gehören,über die Herr Westerwelle eben berichtet hat – müssenwir die richtigen Konsequenzen ziehen. Die richtigenKonsequenzen ziehen, das heißt aus meiner Sicht, dassdies kein Einsatz für die Ewigkeit sein kann. Wir sindmittlerweile acht Jahre dort. Wir müssen auf der letztenWegstrecke – ich würde sagen: im letzten Drittel unseresEinsatzes – versuchen, den Erfolg nachhaltig zu sichern.Das heißt, realistische Ziele setzen, mehr Engagementbeim zivilen Aufbau und vor allen Dingen mehr Tempo.Außerdem brauchen wir aus meiner Sicht – wir redenheute nicht nur über dieses Mandat – eine klare Perspek-tive für die Beendigung unseres Einsatzes dort, jeden-falls des militärischen Teils. Das ist die Aufgabe derStunde. Es ist nicht nur die Aufgabe der Regierung, son-dern auch des Parlaments, dafür zu sorgen, dass dasfunktioniert.
Wir Sozialdemokraten haben diesen Einsatz in Regie-rungsverantwortung beschlossen. Wir haben ihn mit un-terschiedlichen Koalitionspartnern mitgetragen. Wir ha-ben ihn über Jahre hinweg gestaltet, und wir stehen zudieser Verantwortung. Weil wir dazu stehen, haben wiruns in die öffentliche Debatte eingemischt, auch aus derOpposition heraus. Wir haben mit der Bevölkerung dis-kutiert, wir haben öffentliche Debatten geführt, wir ha-ben Konferenzen veranstaltet, und wir haben uns mitVorschlägen nicht zurückgehalten. Wenn ich das richtigbilanziere, dann hat sich die Bundesregierung lange zu-rückgehalten. Wenn ich richtig informiert bin, hat sie biszwei Tage vor der Londoner Konferenz nichts geliefert.Das war fahrlässig.Die Bundesregierung hat – das zeigt das vorliegendeMandat – auf Vorarbeiten auch aus unserer Feder zu-rückgegriffen, indem sie Elemente unserer Vorschlägeaufgegriffen hat. Das ist gut und richtig.AkvsAsibdbvtdKoLRztkSedg–RBzbsDSÜSwiunedudzOwhels
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1899
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Dr. Frank-Walter SteinmeierHerr Westerwelle, wenn ich Ausführungen, die ausdem Hause Ihres Kollegen zu Guttenberg stammen,zitieren darf: Er hat auf die Frage des Kollegen Arnoldgeantwortet:Ob in Nordafghanistan ein nichtinternationaler be-waffneter Konflikt anzunehmen ist, steht nicht inder Entscheidungskompetenz der Bundesregierung.Ich nehme an, das ist nach wie vor die Auffassung derBundesregierung. Ich nehme an, dass Sie sich bei dieserFrage nicht schon wieder korrigieren wollen.
Zurück zum Mandat. Das dritte unverzichtbare Ele-ment ist aus meiner Sicht: Wir müssen jetzt beginnen,nach und nach Teile der Nordregion in afghanischeHände zu übergeben. Teile des Nordens sind nach wievor ruhig und stabil. Dort können und müssen aus mei-ner Sicht die Afghanen jetzt selbst für Sicherheit sorgen.Ich selbst habe schon vor einem halben Jahr – das wis-sen Sie – im Zehn-Punkte-Papier dafür plädiert, solcheRegionen in afghanische Hände zu übergeben. Es hat einbisschen gedauert, aber es ist gut, dass diese Positionjetzt auch im Papier der Bundesregierung eingenommenwird.Wir brauchen viertens – jetzt kommen wir zu den we-sentlichen Dingen – eine klare Perspektive für den Be-ginn des Rückzugs aus Afghanistan.
Präsident Obama – Sie wissen das – will seine Truppenab 2011 reduzieren. Die SPD will den Rückzug der Bun-deswehr ebenfalls 2011 beginnen lassen. Ich habe fest-gestellt, dass die Bundesregierung diesen Vorschlag inihr Konzept, in den Mandatsentwurf übernommen hat.Das ist gut. Wir werden Sie beim Wort nehmen. Dernächste Mandatsentwurf der Bundesregierung wird dieÜbergabe der Verantwortung in den Teilregionen ebensowie die ersten Schritte eines beginnenden Rückzugs ab2011 definieren und beschreiben müssen. Das wird indem nächsten Mandat konkret enthalten sein müssen.Wir gehen in der SPD einen Schritt weiter. Wir sindfünftens der Meinung: Wenn die internationale Staaten-gemeinschaft erstens, wie gerade in London geschehen,einen verbindlichen Zeitplan und Obergrenzen für Ar-mee und Polizei festschreibt und die für die Ausbildungnotwendigen Kräfte bereitgestellt werden, wenn zwei-tens die Übergabe der Sicherheitsverantwortung inafghanische Hände tatsächlich beginnt und wenn drittensHerr Karzai es sich selbst zum Ziel setzt, innerhalb dernächsten fünf Jahre die Sicherheitsverantwortung in dieeigene Hand zu nehmen, dann ist es in der Tat Zeit, nichtnur über den Beginn des Rückzugs zu reden, sondernauch das Ende unseres Einsatzes in Afghanistan in denBlick zu nehmen.Sie wissen, aus Sicht der SPD sollte das in dem Zeit-raum zwischen 2013 und 2015 stattfinden. Entgegenmanchen Behauptungen, Herr Westerwelle, ist das natür-lich kein willkürlich gewählter Zeitraum. Dieser Zeit-raum orientiert sich an den Zielen der internationalenSghblAlurNSd–derhipd2dg2drkmEhEstghamkdwdsnRfBtDzg
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1900 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Herr Kollege Steinmeier.
Ich habe nur noch einen Satz, Herr Präsident. Gerade
mit Blick auf die eben angesprochenen Soldaten lautet
dieser letzte Satz: Vertrauen Sie darauf, wir sehen das
sehr richtig: Nicht die Soldaten haben die Glaubwürdig-
keit dieses Einsatzes in den letzten Monaten beschädigt,
sondern, wenn überhaupt, dann waren es ein Hin und
Her bei der Bewertung einzelner Einsatzfragen, ins-
besondere des Einsatzes am Kunduz-Fluss, und die
ungeklärten Hintergründe um die Entlassung von Füh-
rungspersonen im Verteidigungsministerium. Das hat
Glaubwürdigkeit bei dem Einsatz gekostet, nicht das
Tun der Soldaten selbst.
Vertrauen Sie darauf: Die SPD-Fraktion wird den An-
trag, den Sie vorgelegt haben, gründlich und verantwor-
tungsvoll prüfen und anschließend bewerten.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck
für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Das deutsche Engagement in Afghanistan be-deutet eine tiefe Zäsur in der deutschen Außen-, Sicher-heits- und Entwicklungspolitik. Der Einsatz bedeutet einvölliges Umdenken unseres außenpolitischen Handelns.Er ist gefährlich und teuer. Er ist unpopulär und daheranfällig für Populisten. Aber er ist ohne verantwortbareAlternative.
Wir engagieren uns in Afghanistan natürlich auch, umdie Menschen dort vor einem Rückfall in Bürgerkrieg,Schreckensherrschaft oder eine beispiellose Diskrimi-nierung der Frauen zu bewahren. Aber wir sind – nachdem 11. September 2001, nach den Anschlägen vonLondon, Madrid und Bali und mit einem ausdrücklichenUN-Mandat – auch in Afghanistan engagiert, um Leibund Leben unserer eigenen Bürger zu schützen. Wiegroß die Gefahr des Terrorismus auch bei uns im eige-nen Land ist, zeigt der aktuelle Prozess gegen die Sauer-land-Gruppe. Es geht konkret darum, auch bei uns, inunseren Hauptbahnhöfen Massaker mit sterbenden Men-schen, mit sterbenden Frauen und Kindern zu verhin-dern. Wir haben uns den Einsatzort Afghanistan nichtausgesucht; aber wir müssen auch dort, wo die Bedro-hung entsteht, agieren, um unsere Bürger hier zu schüt-zen.dvwDdlcwtwved2mggfIHgbwE8kebvzdhsFvGcewtVNUhctsdhActEs
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1901
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Eine Reintegration der Teilzeit-Taliban kann nur ge-lingen, wenn es für die im Prinzip Friedenswilligen einMindestmaß an ökonomischen Perspektiven gibt.Umgekehrt ist es eine Illusion, zu glauben, dass dieBereitschaft zur Abgabe von Waffen und zur Reintegra-tion wächst, wenn wir in unseren militärischen und poli-zeilichen Anstrengungen nachlassen. Herr Steinmeier,ich bin nicht Ihrer Meinung, dass man ein konkretes Ab-zugsdatum verbindlich hier öffentlich nennen soll. Ichhalte es da mit Außenminister Westerwelle: dass wir denZeitpunkt, zu dem wir abgezogen sein werden, in der Öf-fentlichkeit niemals sagen dürfen, ja gar nicht sagenkönnen.
Vernetzte Sicherheit ist nicht gegeben, wenn85 Prozent der mühsam ausgebildeten Polizisten Analpha-beten sind. Vernetzte Sicherheit haben wir auch nicht,wenn Entwicklungshelfer mancher Organisationen Kon-takt mit Bundeswehrsoldaten oder anderen Sicherheits-kräften ablehnen. Ein Gegeneinander ist das Gegenteilvon vernetzter Sicherheit. Oder wie es Präsident Karzaiausgedrückt hat: Alle Organisationen der Entwicklungs-hilfe sollen die afghanische Regierung unterstützen undnicht gegen sie arbeiten. – Ich glaube, das kann man ver-langen. Es gibt noch viel zu tun bei der vernetzten Si-cherheit, auch im eigenen Land. Ich bin aber zuversicht-lich, dass wir in der neuen, christlich-liberalenRegierung auch hier weiter vorankommen. Dies ist dasGebot der Stunde.Die Konferenz in London hat einen wichtigen Gedan-ken von uns aufgegriffen, nämlich die Berücksichtigungder regionalen Interdependenz, in der sich die Afgha-nistan-Mission befindet. Es geht vor allem um die RollePakistans und um die komplizierte Beziehung Afghanis-tans zu seinen Nachbarn China und Indien. Auch in Pa-kistan sind politische und rechtsstaatliche Reformen so-wepdmucdSdaiRtttkamDlRPAddwwszsus2gdmwtw
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1902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Jan van AkenEine Botschaft, die uns die Hinterbliebenen mit auf denWeg gegeben haben, lautet, dass es ihnen sehr viel be-deuten würde, wenn es hier in Deutschland eine Gedenk-veranstaltung geben würde.In Afghanistan habe ich gemerkt, dass die Diskussiondort eine völlig andere ist als hier im Raumschiff Berlin.Ein Beispiel ist die Frage der Versöhnung und derWiedereingliederung. Sie, Herr Westerwelle, redenausschließlich über die Frage der Wiedereingliederungder Taliban. Das ist im Prinzip richtig. Aber wo bleibtdie Versöhnung? Wo bleiben die Verhandlungen? InAfghanistan ist es genau umgekehrt: Dort redet man aus-schließlich über die laufenden Verhandlungen mit denTaliban; das ist auch gut so. Herr Westerwelle, wenn Siediesen Krieg beenden wollen – ich glaube, Sie wollenihn beenden –, dann tun Sie alles, was in Ihrer Machtsteht, um diese Verhandlungen zu unterstützen, damit esendlich zu einem Frieden in Afghanistan kommt.
Ein zweites Beispiel, wo Ihr Wunschdenken und dieRealität in Afghanistan völlig auseinandergehen, ist derzivile Wiederaufbau. Sie haben im Prinzip zwei Optio-nen. Die eine Option ist der reine zivile Wiederaufbau,die klassische Entwicklungshilfe. Ich habe in Kabul miteinem deutschen Entwicklungshelfer gesprochen. Er hateine interessante Geschichte erzählt.Vor einigen Jahren ist er gebeten worden, in einerschwer umkämpften Provinz im Süden Afghanistans einAufbauprojekt durchzuführen. Von allen Seiten ist er ge-warnt worden, dort hinzugehen, sie würden sonst „sofortvom Acker geschossen“. Der Aufbauhelfer ist den müh-samen Weg gegangen. Er hat sich mit afghanischen Ex-perten auf den Weg gemacht und analysiert: Wer schießtin dieser Provinz auf wen? Wer hat in dieser Provinz, imDistrikt, im Dorf das Sagen? Mit diesem Wissen konntensie mit den richtigen Leuten reden und mit ihnen dasProjekt anfangen. Weil alle Seiten dabei waren und dieBedürfnisse von allen Seiten berücksichtigt worden sind,ist am Ende niemand vom Acker geschossen worden.Eine Bedingung für diesen Erfolg war auch, dass keinMilitär mit auf den Acker gegangen ist. Das ist der zivileAufbau.
Das andere Modell ist Ihre zivil-militärische Zusam-menarbeit. Ich konnte in Kunduz mit eigenen Augen se-hen, wie sie funktioniert. Da fährt eine Panzerkolonnemit mehreren Dutzend schwer bewaffneten Soldaten los,um einen oder zwei Aufbauhelfer ins nächste Dorf zubringen. Sie fahren in die Provinz, werden beschossen,und dann gibt es Feuergefechte. Wenn die Taliban geflo-hen sind, dann kann man vielleicht mit den Dorfältestensprechen. So befrieden Sie doch keinen einzigen Dis-trikt. So schaffen Sie keinen Frieden in der Fläche.
Hören Sie endlich auf, den zivilen Aufbau mit den mili-tärischen Einsätzen zu verknüpfen. Gehen Sie endlichden intelligenten und mutigen Weg des rein zivilen Auf-baus. Lassen Sie das Militär außen vor!
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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschlandeine Waffen mehr exportieren sollte. Wir wollen Frie-en überall in der Welt. Mehr Waffen helfen dabei nicht,ehr Soldaten auch nicht.Ich danke Ihnen.
Der Kollege Hellmut Königshaus ist der nächste Red-
er für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichöchte zunächst dem Bundesaußenminister sehr herz-ich dafür danken,
ass er die Situation in Afghanistan ohne Illusion undhne Beschönigung klar beschrieben und die rechtlichenonsequenzen, die sich daraus ergeben, klargestellt hat.ebenbei bemerkt, Herr Steinmeier, Sie brauchen keineorge zu haben, dass es eine unterschiedliche Position
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1903
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Hellmut Königshausgibt. Herr Dr. Westerwelle hat für die gesamte Bundes-regierung gesprochen.
Das war früher vielleicht anders; aber heute ist das so,wie man weiß.Ich bin froh, dass die Soldaten nun eine wesentlichgrößere Klarheit haben. Natürlich weiß man nie, wasGerichte, Staatsanwaltschaften usw. daraus machen.Aber was die Bundesregierung tun kann, ist, eine eigeneBewertung abzugeben. Das hat sie getan; dafür gebührtihr Dank.
Die Ergebnisse der Konferenz in London markiereneinen Paradigmenwechsel in der Afghanistan-Politik, ei-nen Paradigmenwechsel, der nicht nur unsere nationalePolitik betrifft, sondern auch die unserer Partner. Dennnoch deutlicher, als das bisher der Fall war, steht nun derAufbau im Mittelpunkt des Engagements. Viel klarer, alsdas bisher der Fall war, orientiert er sich dabei auch anden traditionellen Wertvorstellungen und gewachsenenStrukturen der Afghanen selbst.Das war bisher nicht so. Deshalb ist die FDP-Fraktionder Bundesregierung wirklich sehr dankbar, dass sie aufdiese Neuausrichtung geduldig, aber auch mit der not-wendigen Überzeugungskraft hingewirkt hat. Denn eswar ja ein doppelter Kraftakt, nicht nur in der deutschenPolitik die notwendigen Weichenstellungen vorzuneh-men, sondern zugleich die Afghanen selbst und unserePartner darin einzubinden. Der Bundesaußenminister hatdiese Neuausrichtung hier überzeugend dargestellt. Wirkönnen jetzt mit Genugtuung feststellen, dass es endlicheine nicht nur formal abgestimmte, sondern auch inhalt-lich von allen beteiligten Ressorts getragene Afghanis-tan-Politik gibt.
Das war bisher nicht die Regel, im Gegenteil. Die Ergeb-nisse waren dann in vielen Teilen entsprechend.Ich teile aber – das will ich hier sagen – nicht die Auf-fassung, nichts sei in Afghanistan gut geworden. Wersich die Mühe macht, sich dort einmal umzusehen, siehtsehr wohl Fortschritte. Es sind nicht genug; das istwahr. Sie sind leider nicht so groß, wie sie sein könnten.Gerade in den ruhigen Anfangsjahren, als die Afghanenvoller Dank für die wiedergewonnenen Freiheiten warenund den Deutschen größte Sympathien entgegengebrachthaben, hat die damalige Bundesregierung den Aufbauvernachlässigt. Bis vor kurzem haben wir einen großenTeil des Aufwandes nur für die militärische Sicherungausgegeben und nicht für den Aufbau selbst. Die Men-schen dort haben deshalb keine wirklich spürbaren Fort-schritte und kaum Verbesserungen ihrer eigenen wirt-schaftlichen Situation gemerkt. Das hat die ursprünglichfreundliche Grundstimmung gegenüber den Deutscheneingetrübt und den rückwärts gewandten Kräften Zulaufverschafft. So konnten die Feinde des Aufbaus auch imdeutschen Verantwortungsbereich wieder Fuß fassen unddifdi–SIvWHMwdeuLduWBptsdddgsdüdktllkzlWeB
Man muss es leider immer wieder ins Gedächtnis ru-en: Wir sind in Afghanistan militärisch engagiert, umen Aufbau zu sichern, und nicht umgekehrt. Das giltnsbesondere für den Schutz der Bevölkerung.
Ich habe sehr gut zugehört. – Dieser Aufbau dient dertabilisierung der Region. Dies liegt in unserem eigenennteresse.
Der Koalitionsvertrag von FDP und CDU/CSU hatorgezeichnet, was nun endlich umgesetzt werden kann.ir werden die Mittel für den Aufbau glatt verdoppeln,err van Aken, und die Projekte besser am Bedarf derenschen dort orientieren, damit die Armut behobenird. Wir werden mehr in die Infrastruktur investieren;er Außenminister hat die Details genannt. Wir werdenin funktionierendes Bankwesen in der Fläche aufbauennd Mikrokredite ermöglichen – und das auch auf demand und nicht nur in den Städten. Wir werden natürlichie Projekte zur Entwicklung von Rechtsstaatlichkeitnd zur Sicherung von Frauenrechten fortführen.
ir werden aber eben noch mehr auch in die Grund- underufsausbildung investieren und die künftigen Schul-rojekte noch mehr in die lokalen und regionalen Struk-uren einbinden, wie das übrigens Rupert Neudeck miteinen Grünhelmen vorbildlich vorgemacht hat.Der zivile Aufbau ist übrigens auch der Schlüssel fürie nachhaltige Beendigung der Drogenwirtschaft,urch die der Terror in Afghanistan mitfinanziert wird,ie ländliche Entwicklung blockiert wird und derenrausame Folgen auch wir hier bei uns in Deutschlandpüren. Also: Wir sehen in dem Afghanistan-Konzepter Bundesregierung eine klare Perspektive; es ist einberzeugendes Konzept.Eines werden wir in diesem Zusammenhang aller-ings sicherlich nicht tun können, Herr Steinmeier: Wirönnen keine festen Termine nennen. Wir können na-ürlich Ziele beschreiben und eine bestimmte Vorstel-ung davon entwickeln, wann wir sie erreicht haben wol-en. Wenn wir sie dann aber noch nicht erreicht haben,önnen wir nicht sagen: Jetzt ist aber der Termin des Ab-ugs erreicht. Vielmehr müssen wir das von den tatsäch-ichen Ereignissen abhängig machen.
ir tun alles dafür, dass wir das so schnell wie möglichrreichen.Es ist klar: Wir knüpfen unser Engagement auch anedingungen – gerade auch gegenüber den afghani-)
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Hellmut Königshausschen Partnern. Auch sie müssen ihre Schularbeitenmachen, und Herr Karzai muss all seine Zusagen hin-sichtlich Good Governance, der Menschenrechte, derBekämpfung der Korruption usw. endlich auch tatsäch-lich umsetzen. Auch das werden wir überprüfen. HerrSteinmeier, völlig zu Recht fordern Sie ein, dass wir unsvor dem nächsten Mandat auch darüber Rechenschaftablegen.Natürlich ist es aber auch erforderlich – das ist derGrund, warum wir hier noch einmal auch über ein Mili-tärmandat entscheiden müssen –, diese Aufbauanstren-gungen vor jenen zu schützen, die diesen Fortschritt stö-ren oder sogar zerstören wollen. Hier hilft eben keinBeten und auch kein Lamentieren, Herr van Aken.
Deshalb bin ich bei aller grundsätzlichen Sympathieschon froh darüber, dass nicht Frau Käßmann und auchnicht Sie, sondern diese Bundesregierung und unsereMinister Westerwelle und Niebel die Afghanistan-Poli-tik gestalten.
Die wissen nämlich, dass Sicherheit zwar keine hinrei-chende, aber ganz gewiss eine notwendige Bedingungfür nachhaltige Entwicklung ist.Auch hier zeigt die Bundesregierung Augenmaß. Wirkönnen mit Genugtuung feststellen, dass den überzoge-nen Erwartungen mancher Partner mit großer Überzeu-gungskraft entgegengewirkt werden konnte. Das, HerrBundesaußenminister, ist ein großer Erfolg, der vorallem Ihrer stillen Diplomatie zu verdanken ist. Auch da-für gebührt Ihnen unsere Anerkennung.
Durch das neue Mandat und die neue internationaleAusrichtung werden auch hohe Anforderungen gestellt,bei der Herstellung der Sicherheit, beim Polizeiaufbauund beim Aufbau eines funktionierenden Justizsystems.Hier haben wir eine ganz besondere Verantwortung, derwir bisher nicht in dem Umfang nachgekommen sind,wie es erforderlich gewesen wäre. Deshalb kommen wir,wenn wir den Aufbau voranbringen wollen, heute nichtumhin, vorübergehend mehr Soldaten dorthin zu schi-cken. Dadurch wird es uns ermöglicht, mehr Ausbildungzu gewährleisten und einen größeren Schutz der Bevöl-kerung sicherzustellen.Weil das oft gesagt wurde: Das hat nichts mit Beset-zung oder Besatzung zu tun, wie manche glauben ma-chen wollen. In dem Mandatsantrag der Bundesregie-rung werden die Rechtsgrundlagen des Einsatzesgenannt. Das zeigt, dass es um die Unterstützung der Af-ghanen und der Regierung Afghanistans und nicht umihre Bevormundung oder gar Unterwerfung geht. SolcheVorwürfe sind nichts als bösartiges Gerede. DeshalbgtüdseSNKrtSmgwldggLgsrfnsnJtPgsngwrdwgf
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Frithjofchmidt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Außenminister, Sie haben viel Mühe da-auf verwandt, die Strategie der Regierung für Afghanis-an vorzustellen. Sie haben mich nicht überzeugt. Lassenie mich aber erst herausstellen, wo wir übereinstim-en.Sie handeln richtig, wenn Sie die zivilen Anstrengun-en verstärken. Es ist gut, dass die Mittel für die Ent-icklungszusammenarbeit massiv erhöht werden sol-en. Diese Erhöhung kommt spät. Lassen Sie uns hoffen,ass sie nicht zu spät kommt.Jetzt müssen Ihren Ankündigungen auch Taten fol-en. Wir erwarten, dass diese Mittel neu in den vorlie-enden Haushaltsentwurf eingestellt werden. Das ist derackmustest für die Wahrhaftigkeit Ihrer Erklärungen.
Herr Außenminister, richtig ist auch die Verständi-ung auf eine konkrete Abzugsperspektive. Ende 2011oll mit dem Abzug begonnen werden, und in fünf Jah-en soll die afghanische Regierung die Verantwortungür die äußere und innere Sicherheit Afghanistans über-ehmen. Dabei vermissen wir allerdings präzise Zwi-chenziele für die Umsetzung dieses Plans.Ich teile ausdrücklich Ihre Auffassung, dass es bei ei-em solch komplizierten Prozess, der sich über mehrereahre erstreckt, nichts bringt, sich auf ein ganz bestimm-es Enddatum festzulegen. Damit haben Sie recht. Einelanung muss aber mehr sein als eine schlichte Ankündi-ung, und da bleiben Ihre Vorstellungen leider nebulös.
Was den militärischen Einsatz betrifft, kann ich nuragen, dass Sie die Dinge beschönigen. Sie sagen uns ei-en Teil der Wahrheit. Aber sagen Sie uns auch dieanze Wahrheit? Sie behaupten, es gebe jetzt eine Hin-endung zu einer defensiven Strategie. Sie argumentie-en, es gehe sozusagen allein um die verstärkte Ausbil-ung der afghanischen Truppen. Dieses Argument habenir übrigens auch bei der letzten Truppenaufstockungehört, mit dem Ergebnis, dass bisher nur 280 Soldatenür die Ausbildung eingesetzt werden.
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Dr. Frithjof SchmidtFür die überfällige Intensivierung der Ausbildungs-aufgaben gibt es also noch große Spielräume im beste-henden Kontingent. Sie haben daher nicht überzeugendbegründet, warum Sie das Kontingent erneut erhöhenwollen. Ziehen Sie doch erst einmal die militärisch un-nötigen Tornados ab!
Äußerungen von Herrn zu Guttenberg und hoher Bun-deswehroffiziere lassen aber auch noch anderes ver-muten: Gemeinsam mit der afghanischen Armee undunterstützt von amerikanischen Soldaten soll die Auf-standsbekämpfung in den nächsten Monaten intensi-viert werden. Im deutschen Verantwortungsbereich wer-den nun bis zu 850 deutsche Soldaten zusätzlicheingesetzt. Hinzu kommen noch bis zu 5 000 amerikani-sche Soldaten. Damit verdoppelt sich die Anzahl der in-ternationalen Truppen im Norden. Der Einsatz der US-Truppen wird die militärische Lage prägen. Dabei gehtes vor allem um offensive Einsätze. Das ist Counter-In-surgency-Ausbildung in der Praxis. Dies ist alles andereals defensiv; machen wir uns oder – besser – machen Sieuns doch nichts vor!
Durch Ihren Umgang mit den Vorfällen in Kunduz ha-ben Sie bei meiner Fraktion in den vergangenen Mona-ten viel Vertrauen in die Transparenz der militärischenPlanungen verspielt.
Kunduz steht hier für ein Vertuschen und Verschweigen.Sie haben bis heute keinen ehrlichen Versuch unternom-men, die Hintergründe wirklich aufzuklären.Jetzt kommen Sie wieder nur mit der halben Wahr-heit. So können Sie kein Vertrauen zurückgewinnen.
Schwammig argumentieren Sie auch bei den politi-schen Zielen. Herr Karzai hat offen erklärt, er will mitallen bewaffneten Gegnern im Land, die Afghanen sind,auf höchster politischer Ebene verhandeln. In Londonwurde beschlossen, dies mit dem Aussteigerfonds fürTaliban zu begleiten. Das Wort „Reintegration“ ist dafürein Euphemismus.Worum geht es in Afghanistan? Geht es um einen mi-litärischen Sieg über die Taliban? Geht es noch um un-verzichtbare Menschen- und Frauenrechte oder nur nochum Stabilität um fast jeden Preis? Geht es also darum,die Taliban, und zwar jeder Couleur, im Rahmen einerpolitischen Lösung an der Regierung zu beteiligen? Gehtes jetzt um den militärischen Versuch, die Taliban an denVerhandlungstisch zu bomben? Schenken Sie der Öf-fentlichkeit reinen Wein über die Ziele der Bundesregie-rung ein!zirgDawgvdsFnCudgAewldipgVfrfgDzdvtwF
Lassen Sie mich für meine Fraktion sagen: Wir stehenu einem Engagement der internationalen Gemeinschaftn Afghanistan, und wir unterstützen ISAF als Stabilisie-ungseinsatz im Rahmen der Vereinten Nationen. Dasilt auch weiterhin.
as sollen die Soldatinnen und Soldaten in Afghanistanuch wissen. Aber das bedeutet nicht, dass wir in sichidersprüchlichen Konzepten und Mandatsformulierun-en der Bundesregierung automatisch zustimmen.Ihre heutige Regierungserklärung hat für mich undiele andere in meiner Fraktion nicht dazu beigetragen,ie Zweifel an Ihrem neuen Konzept nach London zu be-eitigen. Auf dieser Grundlage kann und will ich meinerraktion nicht empfehlen, die Verantwortung für Ihreues Konzept mit zu übernehmen.Danke.
Philipp Mißfelder ist der nächste Redner für die
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Ich stimme Ihnen, Herr Schmidt, aus-rücklich zu, wenn es um die Beschreibung der Abläufeeht. Sie haben es richtig beschrieben: Es gibt keinenutomatismus, dass das Parlament, wenn die Regierungtwas vorschlägt, zustimmt. Gerade bei diesem Mandatird sehr deutlich, dass das Parlament sehr stark betei-igt worden ist. Herr Steinmeier hat vorhin ausdrücklicharauf hingewiesen, dass sehr viele Vorschläge, über dien den letzten Wochen – auch in Gesprächen mit der Op-osition – diskutiert worden ist, Eingang in die Überle-ungen und die Strategie für das Mandat und das weitereorgehen in Afghanistan gefunden haben. Ich kommeür meine Fraktion allerdings – das wird Sie wenig über-aschen – zu einer anderen Empfehlung als Sie. Ich emp-ehle meiner Fraktion ausdrücklich, dem Mandat auf-rund der Einbindung des Parlaments und derarstellung des Bundesaußenministers am heutigen Taguzustimmen.
Herr Bundesaußenminister, ich bin Ihnen außeror-entlich dankbar, nicht nur für die Beratungen in denergangenen Wochen. Das ist auch durch die Redebei-räge der anderen Fraktionen größtenteils deutlich ge-orden. Bei Herrn van Aken war das nicht so sehr derall. Aber wir beraten gemeinsam über solch wichtige
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Philipp MißfelderFragen. Daran ist auch die Linkspartei beteiligt. Siestimmt zwar anders ab als wir. Aber bei den Gesprächenist sie immer dabei, und das ist auch gut so. Wir bietenweiterhin an, an solchen Gesprächen teilzunehmen; dennes handelt sich um eine gemeinsame Verantwortung allerFraktionen im Deutschen Bundestag. Zumindest was dasZustandekommen des Mandates angeht, ist es wichtig,dass wir weiterhin im Gespräch bleiben.Die Einordnung als bewaffneter Konflikt gibt Hoff-nung, dass wir bei der Rechtssicherheit große Fort-schritte machen. Das ist noch nicht abgeschlossen. Esstehen noch gerichtliche Entscheidungen aus. Vor die-sem Hintergrund ist es wichtig, dass hier Klarheit ge-schaffen worden ist und mit großer Verlässlichkeit Aus-sagen getroffen worden sind.Schon vor der Afghanistan-Konferenz in London sind– darüber haben wir hier im Deutschen Bundestag inten-siv beraten – wichtige Signale ausgegangen. Die Ergeb-nisse von London können sich tatsächlich sehen lassen;denn gerade das, worüber wir hier im Deutschen Bun-destag beraten haben, hat Eingang in das gefunden, wasdie Zukunft Afghanistans in den nächsten Jahren mit-bestimmen wird. Die Übernahme der Verantwortungdurch die Afghanen selber ist das richtige Konzept. Ge-rade das, was Präsident Karzai bei seinen Besuchen inMünchen und im Auswärtigen Ausschuss des DeutschenBundestages deutlich gemacht hat, ist der richtige Weg.Wir müssen uns in der Polizeiausbildung mehr engagie-ren. Es ist nicht vordringliche Aufgabe der Deutschen, inAfghanistan offensiv tätig zu sein. Das hat der Bundes-außenminister hier sehr deutlich gesagt. Unser Haupt-engagement richtet sich auf die Ausbildung. Das ist derrichtige Weg; denn nur so kann die Übernahme der Ver-antwortung in den nächsten Jahren stattfinden. Deshalbwerden wir unser Engagement in diesem Bereich massivausweiten. Ich danke vor allem denjenigen, die sich dortbesonders engagieren, den Soldatinnen und Soldaten,aber vor allem auch den Polizisten, die in den nächstenJahren einen sehr großen Beitrag leisten werden. Ihnengilt der Dank des ganzen Hauses. Herzlichen Dank!
Innerhalb des Mandats finden Umschichtungen statt.Das ist der größte Beitrag dazu, in Zukunft eine höhereAusbildungsleistung zu erbringen. Weil sich einiges imNorden Afghanistans verändert hat, sind wir zu demErgebnis gekommen, der Lage angemessen, weitereTruppen dorthin zu entsenden. Alles andere hielte ichfür unverantwortlich; denn die Soldatinnen und Soldatenin eine Situation zu bringen, in der ihr eigener Schutznicht gewährleistet werden könnte, wäre falsch.Wenn man dort verantwortungsbewusst Politik ma-chen und die Zukunft Afghanistans mitgestalten will, istes notwendig, dass man das militärische Engagement indiesem Bereich adäquat erhöht. Deshalb hat die Bundes-regierung den Vorschlag gemacht, die Mandatsober-grenze zu erhöhen. Gerade weil die Situation in Afgha-nistan sich in diesem Jahr verändern wird, und zwardurch die Wahlen, die im Herbst stattfinden werden,muss man sicherheitspolitisch und militärisch adäquatrtdzitwrSiuUsGüsedesldwWwaOSuismwDhrMiidlusOkml–mzb
Ich vertraue Herrn Karzai an dieser Stelle sehr wohl,nd zwar aufgrund seiner persönlichen Familienge-chichte. Sein Vater hat frühzeitig versucht, mit Mullahmar und seinen Leuten Gespräche zu führen. Er hatonkrete Angebote gemacht. Die Antwort dieser Funda-entalisten war ein Mordanschlag auf seinen Vater, dereider erfolgreich war.Aus diesem Grund glaube ich, dass bei Herrn Karzai das konnten wir auch in den persönlichen Gesprächenit ihm feststellen – eine sehr große Ernsthaftigkeit be-üglich der zukünftigen Dialoge vorhanden ist. Deshalbin ich da ganz optimistisch.
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Philipp Mißfelder
– Herr Präsident, ich glaube, es besteht der Wunsch nacheiner Zwischenfrage.
Das ist in der Tat so. Da Sie offenkundig ein Interesse
an der Zulassung dieser Frage haben, erteile ich hiermit
dem Kollegen Ströbele das Wort zu einer Zwischen-
frage.
Herr Kollege, Sie sprechen hier über die Verhandlun-
gen und die damit verbundenen Probleme und benennen
zu Recht richtige Punkte. Aber wir befinden uns heute
nicht in einer entwicklungspolitischen Debatte, sondern
wir sprechen darüber, ob der Deutsche Bundestag zu-
sätzliche Soldaten nach Afghanistan schickt, 850 bzw.
500 und 350, je nachdem, wie man das rechnet. Darüber
hinaus soll zusätzliches Kriegsgerät nach Afghanistan
geschickt werden. Wie erklären Sie und wie erklärt die
Bundesregierung – dazu hat Herr Westerwelle kein Wort
gesagt –, wie auf der einen Seite Aufbau, Ausbildung
und Verhandlungen stehen sollen, wenn auf der anderen
Seite eine erhebliche Intensivierung der Kriegsführung
stattfindet? Darüber sprechen Sie nicht.
Halten Sie es nicht ebenso wie ich für kontraproduk-
tiv, wenn auf der einen Seite Verhandlungen angeboten
werden, auf der anderen Seite dieselben Leute, mit de-
nen verhandelt werden soll, möglicherweise von Ziel-
fahndungskommandos der Bundeswehr, vor allen Din-
gen aber der US-Amerikaner, die jetzt 5 000 zusätzliche
Soldaten in den Norden schicken, gejagt werden? Wie
sollen Verhandlungen mit denen stattfinden, die gleich-
zeitig auf der Abschussliste mindestens der Amerikaner,
möglicherweise auch der Bundeswehr stehen? Ist das
nicht ein Widerspruch, und macht das eine das andere
nicht unmöglich? Das heißt, die Art der Kriegsführung
muss auf den Tisch. Die Bundesregierung muss hier sa-
gen, in welcher Weise die Bundeswehr dort eingesetzt
wird. Gehört zu dem Einsatz der Bundeswehr auch, ge-
rade nach den Ereignissen in Kunduz am 4. September,
weiterhin Menschen zu vernichten, und zwar gezielt zu
vernichten, wie Oberst Klein es damals verlangt hat?
Wie lösen Sie diesen Widerspruch?
Die letzte Frage ist die einzige Frage, auf die ich nicht
mit Nein antworten werde. Sie haben mir drei, vier Fra-
gen gestellt. Auf alle Fragen kann ich nur mit Nein ant-
worten. Ich teile Ihre Haltung nicht; das wird Sie aber
auch nicht überraschen. Ich möchte Ihnen deutlich sa-
gen, warum sich die Bundesregierung zu dem entschlos-
sen hat, was wir hier unterbreiten und was die Fraktion
der CDU/CSU unterstützt. Wir unterstreichen mit der
Erhöhung der Obergrenze und mit der Entsendung von
mehr Soldaten im Rahmen dieses Mandats die Ernst-
haftigkeit unseres Engagements. In der Debatte ist
sehr deutlich herausgekommen, dass es sich bei der An-
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Ich glaube, dass wir damit gerade die Arbeit der Ent-
icklungshelfer unterstützen. Über die Arbeit der Ent-
icklungshelfer ist einiges zu sagen. Es gibt Stimmen in
en Organisationen, die davor warnen, mit dem Militär
emeinsam aufzutreten. Aber ich glaube, dass nach wie
or die Voraussetzung für den zivilen Aufbau militäri-
che Präsenz ist. Das ist schade, aber es ist leider so. Das
oll nicht auf Dauer so bleiben. Ich übernehme nicht die
erantwortung dafür, dass Entwicklungshelfer mit ihrem
eben für ihre mutige Arbeit bezahlen müssten, wenn
ir hier falsche Entscheidungen treffen und, wie es in
hrem Sinne wäre, aus Afghanistan abziehen würden.
Herzlichen Dank.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Armin Schuster für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich habe die dankbare Aufgabe, in den nächstenut sechs Minuten Ihre geschätzte Aufmerksamkeit aufen Polizeieinsatz in Afghanistan zu lenken. Das istir natürlich eine Herzenssache. Sie können im Kürschnerachlesen, warum.Wir haben das deutsche Engagement beim Polizeiauf-au in Afghanistan seit dem Jahr 2008 – da hat auch dasarlament eine Rolle gespielt – deutlich intensiviert. Innserem bilateralen Projekt setzen wir aktuell18 deutsche Polizeibeamte in Kabul, Masar-i-Scharif,unduz und Faizabad ein, innerhalb der EUPOL-Mis-ion sind es 41 deutsche Experten. Das sind summa sum-arum 160 Polizisten und zivile Experten, handverlesennd gut vorbereitet; das möchte ich an der Stelle beto-en. Aber die Diskussion über die Anzahl der Stiefel-pitzen wäre angesichts des polizeilichen Auftrags infghanistan nur von begrenztem Wert. Der eigentlicherfolgskritische Faktor unserer Mission ist das Konzept.Genau da sind wir mit unserem bilateralen Projektichtig aufgestellt. Das Konzept besteht aus drei Säulen.amit gewährleisten wir bis zum Jahr 2012 erstens dieusbildung von circa 15 000 neuen Polizeikräften derNP. Das bedeutet, dass Deutschland für die Ausbildunger Hälfte der neu rekrutierten Polizisten und Grenzpoli-isten verantwortlich ist.
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Armin Schuster
Zweitens – das ist für mich der Schwerpunkt –: dieEvaluierung, das Training und die begleitende Betreu-ung der ANP-Polizisten aus 40 Distrikten in sechs Pro-vinzen im Norden Afghanistans. In diesem Programmbegleiten wir die afghanischen Kursteilnehmer nach ih-rem Training mit polizeilichen Mentoring-Teams aktivin der Praxis vor Ort. Was heißt das? Wir werden nichthoheitlich tätig, aber wir coachen. Wir sind dabei, wenndiese Polizisten draußen arbeiten. Das Gesamtprogrammerstreckt sich übrigens über elf Monate, und wir werdenbis 2012 in Zusammenarbeit mit deutschen Feldjägern50 solcher Teams eingesetzt haben.Die dritte Säule unseres Konzepts besteht darin, mitder Ausbildung von 500 afghanischen Trainern eine ak-tive Hilfe zur Übernahme der Ausbildung in afghani-scher Eigenverantwortung zu leisten. Die ausgebildetenafghanischen Trainer setzen wir heute schon sukzessivein deutschen Ausbildungsstätten zum Training der eige-nen Kollegen ein.Ich möchte ganz klar betonen: Das deutsche Konzepthat sich bereits vor London dadurch vom bisherigenamerikanischen Ansatz unterschieden, dass wir die poli-zeiliche Praxis vor Ort begleiten, und zwar nicht nurauf der Ebene des Distriktpolizeichefs, sondern auf allennachgelagerten Ebenen bis hin zur untersten Verwal-tungsebene der Polizei. Ich halte das – es ist ja vor Lon-don passiert – für eine beachtliche Leistung. Der Strate-giewechsel ist in diesem Sinne vollzogen worden. Mankönnte auch sagen: Wir haben vorgedacht.Mit diesem dreistufigen Konzept haben wir unserehohe Akzeptanz und Resonanz bei den Ausbildungsteil-nehmern und bei den Polizeikräften vor Ort noch verbes-sert. Viel wichtiger ist: Von der afghanischen Bevölke-rung werden wir äußerst positiv wahrgenommen, weilwir vor Ort, zusammen mit den Afghanen, erlebbar sind.
Die ebenenübergreifende Nachhaltigkeit, von der ichsprach, vermissen wir übrigens in der EUPOL-Mission.Deshalb fordern wir dringend eine Weiterentwicklungdes Mandats. Die Projektmittel müssen aufgestockt wer-den, und die Sicherheitsvorschriften, die die eingesetztenBerater betreffen, müssen so angepasst werden, dassdiese mit ihrer Ausbildung auch in der Fläche wirksamwerden können. Sollte uns diese Anpassung nicht gelin-gen, empfehle ich, die Zahl der deutschen Experten inder EUPOL-Mission auf ein Minimum zu reduzierenund stattdessen in das wesentlich gewinnbringendere ei-gene bilaterale Projekt zu investieren.Wie sieht die Ausweitung des deutschen Engage-ments nach den Ergebnissen der Londoner Konferenzaus? Wir werden erstens das Personal bis Mitte 2010 auf200 Polizisten im bilateralen Projekt und gegebenenfallsbis auf 60 Experten in der EUPOL-Mission aufstocken.Das ist eine Verdreifachung des Potenzials von 2008.Wir werden zweitens die Ausbildungszentren in Kabulund Kunduz, die Grenzpolizeifakultät in Kabul sowiedie Außenstelle der Polizeiakademie in Masar-i-Scharifbis 2010 fertigstellen und drittens bis 2011 die Haupt-qBdgzABWdfuvbgkkivanhsvfnbcWzndmracdglkd
Wir haben das gemeinsame Ziel, ein erfolgverspre-hendes Konzept und die Kraft, im Norden Afghanistanser polizeilichen Sicherheit ein afghanisches Gesicht zueben. Deshalb stimme ich dem Mandat zu.Danke schön.
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kol-
ege Gehrcke für die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichann Zwischenrufe wie „Schön!“ und „Jetzt kommt wie-er das Friedenszeug!“ durchaus genießen. Ich finde
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Wolfgang Gehrckemeine Reden auch schön. Dass wir immer über den Frie-den reden, halte ich für höchst vernünftig.
Hin und wieder habe ich die Anwandlung, in der De-batte fair zu sein. Das ist also nicht immer der Fall, aberbei dieser Debatte ist es mir wichtig gewesen. Deswegenhabe ich auch den letzten Redner der Koalitionsfraktio-nen abgewartet.Ich habe die ganze Zeit gedacht, ja gehofft, dass zweiPunkte genannt werden – ich habe sie schon beim HerrnAußenminister erwartet –:Erstens. Warum bringt keiner hier die Kraft auf, dafürzu sprechen, dass dieses Haus sich bei den Anverwand-ten der in Kunduz Umgekommenen für den Befehl einesdeutschen Obersten, den wir jetzt gar nicht rechtlich be-urteilen, entschuldigt und dafür Verantwortung über-nimmt?
Ein solches Signal wäre in dieser Debatte notwendig ge-wesen. Herr Schuster, ich bin mir sicher: Sie haben esnicht vorgehabt. Aber Sie hätten die Chance gehabt, einsolches Signal abzugeben.Zweitens. Es ist doch notwendig, dass man sich Fol-gendes klarmacht – vom Außenminister bis zu jedemEinzelnen, der sich an dieser Debatte beteiligt –: Es langtoffensichtlich nicht, zu glauben, dass man einzelne Tali-ban herauskaufen kann. Ich möchte jetzt nicht zynischsein und mich nach dem Preis für Taliban erkundigen. Indieser Debatte hätte ein Zeichen der Ermutigung nachAfghanistan gehen sollen, nämlich mit den realen Fein-den, also zwischen den Kriegsparteien, über Versöhnungzu verhandeln. Frieden muss man mit seinen Feindenschließen; mit seinen Freunden braucht man es nicht zutun.Beides ist ausgeblieben. Lediglich unsere Fraktion hates immer wieder betont. Ich bitte Sie wirklich: GehenSie noch einmal in sich! Wäre es nicht ein Zeichen desDeutschen Bundestages – das war das, was ich noch ein-mal deutlich machen wollte –, wenn wir uns bei den An-verwandten der Umgekommenen in Afghanistan hier of-fiziell auch für unser Land entschuldigen würden?
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
der Drucksache 17/654 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gregor Gysi, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel
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Zum anderen profitierte die Deutsche Bank aber auchnoch von der Rettung der HRE. Neben Bürgschaftensind dafür auch direkt 12 Milliarden Euro zur Verfügunggestellt worden. Wieso profitierte die Deutsche Bank da-von? Weil sie bei der HRE Geld geparkt hatte. Wenn dieHRE in Insolvenz gegangen wäre, wäre die DeutscheBank ihr Geld losgewesen.
Futsch wäre es gewesen. Nun kommt der Staat und rettetnetterweise die HRE; die Deutsche Bank bekommt ihrGeld von der HRE wieder und macht nun einen riesigenProfit. Aber Sie kommen nicht einmal auf die Idee, zusagen, dass die Banken dafür zusätzlich eine Steuer oderGebühr an die Bundesrepublik Deutschland bezahlenmüssen, damit nicht die anderen Steuerpflichtigen in derBundesrepublik Deutschland belastet werden. So etwasist von Ihnen leider nicht zu erwarten.
Die Deutsche Bank hat übrigens auch in den USA einRiesengeschäft gemacht. Aus dem Rettungspaket derUSA hat die Deutsche Bank 9,1 Milliarden Euro kas-siert. Sie können uns zwar vieles vorwerfen, zum Bei-spiel, dass wir sozialistische Geplänkel veranstalten;aber Sie können es uns doch nun wirklich nicht als einelinksextreme Auffassung vorhalten, dass wir jetzt vor-schlagen, dem Weg zu folgen, den die USA eingeschla-gen haben.
Obama hat das Ganze erkannt und schlägt einen anderenWeg ein als die Bundesrepublik Deutschland. Er will je-den Cent eintreiben, den die Banken der amerikanischenBevölkerung schulden, und zwar egal, ob sie direkt oderindirekt Gelder erhalten haben. Deshalb muss zum Bei-spiel die Deutsche Bank in den USA künftig jährlich500 Millionen Dollar zusätzlich bezahlen. Das verlangtObama. Nichts dergleichen verlangt unsere Regierungvon der Deutschen Bank, und von den anderen Bankenerst recht nicht.rAms–SSaB–gisH–gvwjdMaAkwb
Man darf auch nicht vergessen: Die Banken spekulie-en nicht mit ihrem Geld, sondern mit dem Geld ihrernleger und gehen damit immer fahrlässiger um. Dasüssen wir unbedingt korrigieren. Obama will insge-amt 117 Milliarden Dollar zurückverlangen.
Setzen Sie sich doch mit Herrn Obama auseinander!
ie bekommen ihn vielleicht leichter als ich ans Telefon. –ie kündigen nicht einmal irgendetwas an; Obama istber schon dabei, etwas umzusetzen.
Sie haben einen solchen Respekt vor der Deutschenank. Ich habe mir das in Davos angesehen.
Hören Sie einmal zu! – Ich habe mir das in Davos an-esehen. Frau Merkel war zwar dort, aber man hat vonhr überhaupt nichts gehört. Der Einzige, der dort sozu-agen eine Regierungserklärung abgegeben hat, warerr Ackermann. Das ist das Problem Ihrer Koalition.
Fantastisch haben wir das gemacht. Wir haben dieanze Pleitebank letztlich an den Sparkassen- und Giro-erband verkauft. Das war sehr sinnvoll. Sie hätten sieahrscheinlich an eine Bank in den USA verkauft, dieetzt pleite wäre. Das ist der Unterschied zwischen uns.
Einen Moment, Herr Kollege Gysi. – Ich möchte nur
arauf hinweisen, dass der Kollege Gysi noch gut eine
inute Redezeit hat. Danach folgen Redner von allen
nderen Fraktionen. Vielleicht können wir uns auf diese
bfolge verständigen.
Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Präsident. Ichann die Zurufe verstehen. Es gibt Schwierigkeiten,enn ich nur sieben Minuten rede. Das ist nachvollzieh-ar.
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Dr. Gregor GysiIm Übrigen haben sich die G-7-Finanzminister ge-troffen. Sie finden die Idee von Obama gut und wollensie auch umsetzen. Allerdings gibt es schon die erstenGegenstimmen, die sagen: Wenn wir das machen, dannbrauchen wir keine Finanztransaktionssteuer bzw. Börsen-umsatzsteuer, wie wir sagen, oder Tobin-Steuer, wieAttac sagt. Aber das ist völlig daneben. Wir brauchenbeides; denn die Tobin-Steuer soll Spekulationen be-grenzen und endlich zu Steuergerechtigkeit führen. Da-von sind wir meilenweit entfernt. Ich sage Ihnen: Es istgesellschaftszerstörerisch, wenn das Bundesverfas-sungsgericht Ihnen allen sagt, dass Sie die Menschen-würde der Ärmsten in unserer Gesellschaft verletzt unddas Sozialstaatsprinzip gebeugt haben,
und der Ackermann am gleichen Tag stolz darauf ver-weist, dass er 5 Milliarden Euro verteilt, und das, nach-dem wir solche Geschenke an die Banken gemacht hat-ten.
Stellen Sie endlich Steuergerechtigkeit her! Obamahat gesagt: Wenn diese Leute einen Kampf wollen, kön-nen sie ihn haben. – Es ist bedauerlich, dass wir keinenin der Regierung haben, der den Mut hat, den Kampf mitden Banken aufzunehmen.
Das Wort erhält nun der Kollege Leo Dautzenberg für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Kollege Gysi, ich habe we-nig Verständnis dafür, wie Sie hier in klassenkämpferi-scher Manier
ein ernstzunehmendes Thema begleiten.
Anscheinend lesen Sie wenig in der Wirtschaftspresseund in der sonstigen Presse. Ansonsten hätten Sie längstzur Kenntnis nehmen können, dass auch wir, die CDU/CSU-Fraktion, gemeinsam mit dem Finanzminister derAuffassung sind, dass wir – das haben wir in den ent-sprechenden Debattenbeiträgen schon mehrfach betont –selbstverständlich dafür sind, auch den Banken- und denFinanzsektor
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Wir erleben hier aber teilweise Anträge, die sichelbst widersprechen.
enn Sie Ihren Antrag einmal genau lesen, dann erken-en Sie, dass die Begründung in Ihrem Antrag – die Ur-ache dafür könnte die Verwendung eines Textbausteinsein – zur Finanztransaktionssteuer passt. Über dieseshema hatten wir schon in der letzten Sitzungswocheebattiert. Die Begründung passt aber nicht zu Ihremorschlag einer Abgabe. Legen Sie mir einmal dar, wasie unter dem Begriff „konsolidierte Aktiva“ verstehen,enn Sie als Bemessungsgrundlage für diese Abgabe dieerbindlichkeiten zugrunde legen. Was wollen Sie? Sieollen im Grunde genommen eine Größenordnung fest-egen, angesichts derer man sich fragen muss: Wen wol-en Sie an dieser Finanzierung beteiligen? Die Wort-chöpfungen in Ihrem Antrag erinnern an DDR-erbalität, wo – aus einem antichristlichen Ansatz he-aus – Engel als Jahresendzeitfiguren bezeichnet wur-en.
n Ihrem Antrag steht das Wort „Finanzkrisen-Verant-ortungsgebühr“. Das ist eine sehr kreative Wortschöp-ung für etwas, von dem Sie selbst nicht wissen, was Sieamit wollen.
Ich möchte für meine Fraktion drei Punkte anspre-hen, die wir schon oft betont haben: Als Schlussfolge-ung aus der Krise wollen wir eine härtere Regulierungnd die Banken an den Kosten beteiligen. Außerdemarf der Staat, und damit der Steuerzahler, künftig nichtehr erpressbar sein, wenn es darum geht, Hilfe füranken zu gewährleisten, die „too big to fail“ bzw. zuernetzt sind, um in die Insolvenz zu gehen. – Diese dreiichtigen Grundlagen sind als Gesamtpaket zu sehennd können nicht isoliert betrachtet werden.Herr Kollege Gysi, in diesem Punkt sind wir nichteit auseinander. Aber es macht keinen Sinn, wenn Sieich in klassenkämpferischer Manier eine Großbank he-ausnehmen und sie zur Zielscheibe machen, um Ihrensätze zu begründen. Das müsste schon breiter ange-egt sein.)
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1912 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Leo DautzenbergIch stimme Ihnen zu – das ist auch bei uns Konsens –,dass weltweit, vor allem im angelsächsischen und im eu-ropäischen Bereich, Teile von Banken und Bankmanagerimmer noch nicht verstanden haben, worum es ging bzw.was sie verursacht haben. Das müssen wir zur Kenntnisnehmen. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dasswir selbst in der Vergangenheit oft Finanzmarktpro-dukte, deren Namen man oft kaum aussprechen konnte,undifferenziert und leichtfertig übernommen haben. Da-raus müssen nun die Konsequenzen gezogen werden.Eine Konsequenz ist eine härtere Regulierung. Dafürbrauchen wir ein Aufsichtssystem, das effizienter ist, alses zurzeit der Fall ist. Außerdem muss eine Koordinie-rung auf europäischer Ebene erfolgen. Wir müssen alsodarauf achten, was auf europäischer Ebene an Aufsichts-strukturen beschlossen wird, und dann überlegen, waswir auf nationaler Ebene dazu beitragen wollen. Dazuhaben wir Vorschläge unterbreitet. Wir wollen die BaFinin ihrer derzeitigen Struktur an die Bundesbank an-docken, gleichzeitig aber die Unabhängigkeit der Bun-desbank in ihrem geldpolitischen Engagement nicht be-einflussen. Das lässt sich durch Organisationsstrukturengewährleisten. Damit hätten wir eine dreigliedrige Auf-sicht aus einer Hand und damit eine Aufsicht, die effek-tiver ist als das, was wir jetzt haben.Was die Beteiligung der Banken angeht, so müssenwir neben der Aufsicht Strukturen schaffen, die es er-möglichen, dass auch Banken in die Insolvenz gehenkönnen.
Dafür brauchen wir ein Insolvenzrecht für Finanzinsti-tute. Dies muss über das Insolvenzrecht der gewerbli-chen und industriellen Wirtschaft hinausgehen, weil wirim Banken- und Finanzsektor Zahlungsströme sicher-stellen müssen; das ist hier der Unterschied zur gewerb-lichen Wirtschaft. Beide Häuser, sowohl das Justiz- alsauch das Finanzministerium, arbeiten daran, uns imFrühjahr erste Entwürfe vorzulegen, damit wir den Pro-zess Mitte des Jahres zum Abschluss bringen können.
Herr Kollege Dautzenberg, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Schlecht?
Ja, gern.
Herr Kollege Dautzenberg, es ist schön, dass Sie ver-
künden, dass Sie auch für Deregulierungsmaßnahmen
sind.
Nein, für Regulierungsmaßnahmen, nicht Deregulie-
rungsmaßnahmen.
Dann eben Regulierungsmaßnahmen. Das wäre auch
schon mal gut.
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Wir werden noch im Frühjahr die Kapitaladäquanz-ichtlinie, die von der europäischen Ebene ausgeht, um-etzen. In Basel wird auch über eine Verschärfung derriterien bezüglich des Eigenkapitals geredet. Das wer-en wir demnächst ebenfalls umsetzen müssen. Wirüssen hier aufpassen, dass neben der angelsächsischenultur auch unsere nationalen und europäischen Interes-en einfließen, damit unsere Banken keinen Schaden er-eiden, wenn nur noch bestimmte Formen von Eigenka-ital und Kernkapital anerkannt werden.
Viele Dinge sind also schon auf dem Weg. Sie wissenuch, dass ein Gesetzentwurf in der Mache ist, der Ver-ütungssysteme regeln soll. Sie sollen nachhaltig ange-egt werden. All das sind Punkte, die wir bereits auf deneg gebracht haben bzw. die wir auf den Weg bringenerden, um unser Ziel zu erreichen.
Wir können froh sein – das müssen wir zugestehen –nd unterstützen es, dass Herr Obama einen Vorschlagemacht hat, und zwar einen für die USA vielleicht ziel-ührenden. Das bietet uns die Möglichkeit – das Zeit-enster ist offen –, zu internationalen Abstimmungen zuommen. Nur, nicht alle Punkte, die vorgeschlagen wer-en, passen zu unserem europäischen Bankensystem, zunserer Bankenstruktur. Wollen Sie in Deutschland zu-ück zu einem Trennbankensystem?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1913
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Leo DautzenbergEs kann nicht sein, dass Sie sich nur die Rosinen heraus-picken. Sie müssen das, was wir durchführen wollen,immer in der Gesamtschau betrachten. Von daher ist das,was wir wollen, schlüssiger.Neben dem Insolvenzrecht – Abwicklung undNeustrukturierung von Finanzinstituten – brauchen wirbegleitend eine bestimmte Fondslösung, die die Sicher-stellung von Zahlungsströmen gewährleistet. Ich habeeben darauf hingewiesen, dass das der gravierende Un-terschied zur gewerblichen Wirtschaft ist. In diesem Zu-sammenhang könnte unser SoFFin eine zusätzliche Auf-gabe erfüllen, und zwar in Kombination mit einerAufsicht, die durchaus auch auf Geschäftsmodelle Ein-fluss nehmen kann. Sie sollte eingreifen können, ehe eszum Crash kommt, wodurch wiederum Rettungsaktio-nen erforderlich würden. Wir stellen uns vor, dass dieAbgabe der gesamten Finanzwirtschaft in diesen Fondsfließt, damit wir zukünftig Potenzial für die Abfederungvon Restrukturierungsmaßnahmen und Abwicklungs-maßnahmen haben.Sie müssen alle Maßnahmen immer im Gesamtpaketsehen. Damit müssen wir in diesem Jahr auf nationalerEbene rüberkommen, damit wir auch auf europäischerund internationaler Ebene unseren Beitrag leisten kön-nen. Wir sollten selbstbewusst genug sein, gerade imVerhältnis zum angelsächsischen Raum, unser Potenzialund unsere Lösungskompetenz, die auf europäischerEbene angeboten werden kann, in die Waagschale zuwerfen, damit wir, was zusätzliche Regulierung anbe-langt, auch international zu vernünftigen Abschlüssenund Vereinbarungen kommen, zum anderen aber auch,um die Finanzarchitektur in der Welt insgesamt zu stabi-lisieren.Vielen Dank.
Carsten Sieling hat nun das Wort für die SPD-Frak-
tion.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Wir diskutieren in der Tat schon fastwöchentlich in diesem Hause über Maßnahmen zur Re-gulierung der Finanzmärkte und zur Bekämpfung derAuswirkungen, mit denen wir uns herumzuschlagen ha-ben. Ich teile die Auffassung – Herr Dautzenberg, Siehaben das angesprochen –, dass es ein Problem ist, wennman von Woche zu Woche andere Einzelaspekte beredet.Man muss aber einmal über die Ursache reden. Die Ur-sache der Tatsache, dass dieses Parlament immer nurEinzelfragen bereden kann, liegt darin, dass die Bundes-regierung kein Konzept vorlegt, dass es keine Hand-lungsvorschläge gibt.
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Ich muss allerdings sagen, dass ich nicht zufriedenin über ein Zitat des Bundesfinanzministers, das ichnfang dieses Monats gelesen habe. Ich zitiere wörtlichit Genehmigung des Präsidenten:Er verwende so Herr Schäuble –deshalb nicht zu viel Engagement auf die Debatte,ob eine Finanztransaktionssteuer, Sonderabgabe oderFondslösung besser sei. „Wichtiger ist, dass wir in-ternational einen gemeinsamen Weg finden“ …as beruhigt mich nicht. Denn was heißt das? Dass dieundesregierung sich keine Gedanken macht, keinenorschlag entwickelt, keinen Plan hat und auf internatio-ale Konferenzen laufen will. Das reicht nicht. Legenie etwas vor! Darum geht es ja.
Jetzt bin ich aber etwas verwundert. Herrautzenberg, vielleicht sind Sie selber auch enttäuschtber das, was das Kabinett gestern zu dem wichtigenhema Bankenboni beschlossen hat. Das war ja nur ich will es einmal so nennen – ein Handlungsversuch;enn das, was dort zur Einschränkung der Vergütung iminanzbereich vorgelegt und beschlossen worden ist, istin zahnloser Tiger. Es ist nicht mehr gemacht wordenls das, was in der Großen Koalition auf unseren Vor-chlag hin schon durchgesetzt worden ist, auf die untereanagementebene von Banken auszuweiten. Aber denesentlichen Punkt sind Sie gestern mit dem Beschlusser Bundesregierung nicht angegangen: Die steuerlichebzugsfähigkeit für Vorstandsvergütungen und Abfin-ungen muss deutlich verändert werden.
ls Tiger gestartet, und als Bettvorleger gelandet – mehrann ich dazu nicht sagen.Ich will es gerne aufnehmen: Wir brauchen ein Hand-ungspaket. Ich will aber deutlich an den Anfang stellen Kollege Gysi hat dies hier angesprochen –: Wir brau-
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1914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Dr. Carsten Sielingchen nicht nur nachsorgende Vorschläge, wie zum Bei-spiel Regelungen zum Insolvenzrecht oder ein meinesErachtens ausgesprochen zweifelhaftes Organisationsge-huber,
indem man die BaFin jetzt der Bundesbank angliedernwill, was zu einer Reihe von verfassungsrechtlichen Pro-blemen führen wird. Das reicht nicht.
Ich halte für wichtig, dass wir uns in Deutschland dazubekennen, dass wir eine Finanztransaktionssteuer in-ternational einführen wollen. So etwas brauchen wir.Das steht nicht im Widerspruch zu den Themen, über diewir hier diskutieren.
Ich will alle diese Punkte benennen, damit klar wird,dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokratenzwar einzelne Themen ansprechen und nach vorne brin-gen, dass wir aber ein Gesamtkonzept haben: Die Fi-nanzmarktaufsicht muss angegangen werden. Der Ei-genhandel der Banken muss eingeschränkt und verbotenwerden. Eigenkapitalvorschriften für Banken müssenverschärft werden. Steuerhinterziehung in Steueroasenmuss wirkungsvoll bekämpft werden. Wir brauchen aberentsprechende Gesetze, damit wir nicht solche Debattenführen müssen wie zurzeit. Das muss auch in diesem Zu-sammenhang geschehen.
Heute haben wir einen Antrag der Fraktion Die Linkevorliegen. Es ist völlig richtig, dass vor dem Hintergrundder Entwicklungen der letzten Monate bezüglich der Re-kordboni auch angesprochen worden ist, welche Ge-winne die Deutsche Bank wieder macht und wie HerrAckermann damit umgeht, mit welcher Überheblichkeitund Unverschämtheit darauf reagiert wird. Das verlangtpolitische Reaktionen. Darum ist es richtig, dass wir unshier in diesem Hause dem Vorschlag aus den USA zu-wenden,
darüber reden und ihn weiterdenken.Ich frage mich aber angesichts der Debatten, die ichbereits erlebt habe – ich bin ja noch nicht so lange imBundestag –, was die Fraktion Die Linke eigentlich will.Im Dezember 2009 lag im Rahmen der Debatte über dieKreditklemme ein Antrag von Ihnen vor, in dem Sie vor-geschlagen haben, die Banken zu verstaatlichen.
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lären Sie erst einmal diese Punkte, bevor Sie hier An-räge vorlegen! Ich finde, das ist ein Widerspruch in Ih-er Politik, den Sie in Ihren Anträgen sogar verschriftli-hen.Wir müssen darüber hinaus natürlich zur Kenntnisehmen, dass es einen Unterschied zwischen dem Ban-ensystem in den USA und dem in Deutschland gibt.uch dieser Unterschied wird meiner Meinung nach zuenig berücksichtigt.
ir sind für das Dreisäulenmodell. Wir sind dafür, dassas Bankensystem in Deutschland so bleibt, wie es ist.
Ich frage Sie: Was soll die in Ihrem Antrag formu-ierte Grenze von 30 Milliarden Euro? Wie begründenie die? Woher kommt die? Als ich mich informiertabe, wurde mir deutlich gemacht, dass in Deutschland das kann man nachlesen – auch zwei Sparkassen unterie von Ihnen geforderte 30-Milliarden-Euro-Grenze fal-en. Wollen wir, dass die Sparkassen und vielleicht auchndere Akteure, die ein Stabilitätsfaktor sind, hier einbe-ogen werden? Wollen wir, dass auch die Finanzkon-erne, die über den SoFFin Unterstützung bekommen, zuiner solchen Abgabe herangezogen werden? Das allesind Fragen, die Sie in Ihrem Antrag nicht beantworten.Als letzte Bemerkung will ich zu diesem Punkt sagen,ass aus unserer Sicht der Vorschlag, über den in Schwe-en diskutiert wird, sehr bedenkenswert ist. Dort wirdarüber nachgedacht, ganz in diesem Sinne eine Abgabeinzuführen.
ie dadurch erzielten Einnahmen sollen allerdings nichtn den staatlichen Haushalt, sondern in einen besonderenonds fließen.
Wie ich sehe, stimmt mir Herr Dautzenberg zu.
Das muss man allerdings deshalb tun, weil das schönerisengipfelchen, das die Kanzlerin vor einigen Mona-en im Kanzleramt durchgeführt hat, nicht ausgereichtat. Herr Ackermann hat warme Worte abgeliefert, aberr liefert kein Geld ab. Darum braucht man einen sol-
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Dr. Carsten Sielingchen Vorschlag. Wie gesagt, vielleicht ist der schwedi-sche Weg sinnvoll.Ich empfehle für meine Fraktion, dass wir über dieseThemen weiterhin diskutieren und sie ordentlich beratensollten. Die Richtung Ihres Antrags ist sicherlich in Ord-nung; das hat selbst Herr Dautzenberg gesagt. Aber wirmüssen noch darüber reden, welche genaue Ausprägungeine entsprechende Regelung haben sollte. Das, was dieFraktion Die Linke uns hier vorgelegt hat, ist so nichtzustimmungsfähig.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frank
Schäffler das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wenn man über dieses Thema spricht, ist es ent-scheidend, dass man erst einmal eine vernünftige Ana-lyse durchführt. Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue,dann muss ich feststellen, dass Sie schon an der Analysescheitern. Denn in Ihrer Analyse sprechen Sie nur vonden privaten Banken, die nach Ihrem Duktus Verursa-cher der Krise sind. Tatsächlich vergessen Sie einen ganzentscheidenden Teil des deutschen Bankensystems, derebenfalls zur Schieflage beigetragen hat,
nämlich den öffentlichen Bankensektor.
Ich will Ihnen ins Stammbuch schreiben: Allein inden letzten Jahren sind Steuergelder in Höhe von37 Milliarden Euro für die öffentlichen Landesbankenin Deutschland ausgegeben worden.
198 Milliarden Euro sind für Garantien für die öffentli-chen Landesbanken in Deutschland ausgegeben worden.An dieser Stelle kann man lange über Schuldzuweisun-gen sprechen.
Aber die Sozialdemokraten in diesem Hause sind für dieSchieflage der Landesbanken in Deutschland ganz ent-scheidend mitverantwortlich. Denn seit dem Wegfall vonAnstaltslast und Gewährträgerhaftung hat Ihr ehemaligerFinanzminister in Brüssel die Übergangsregelungen ver-handelt, die dazu geführt haben, dass sich die Landes-bsGFlgSdmBdtRawBwrVfzuSwgkilKincdmitbuwirhazkS
ie behaupten, wir würden hier nichts machen. Aber wiriskutieren hier im Parlament fast täglich über Maßnah-en, mit denen wir regulierend eingreifen. Ich will daseispiel der Eigenkapitalanforderungen im Bereicher Verbriefungsmärkte nennen; hier werden wir etwasun. Wir werden auch bei den Ratingagenturen stärkereegulierungen vornehmen;
uch hierzu liegt schon ein Kabinettsentwurf vor. Wirerden – Herr Dautzenberg hat darauf hingewiesen – imereich des Insolvenzrechts etwas tun. Auch das istichtig im Bankenbereich. Wir werden im Bankenbe-eich auch etwas tun im Hinblick auf die Haftung, damiterantwortung und Haftung am Ende wieder zusammen-allen. Das ist einer der wesentlichen Bausteine der so-ialen Marktwirtschaft. Das werden wir in Deutschlandmsetzen.
Klar ist: Wir brauchen eine Fortentwicklung desoFFin und der Einlagensicherung. Es geht darum, wieir auch die Banken und die Institute, die kein Einlagen-eschäft haben, an der Finanzierung der Krise beteiligenönnen. Es gibt nämlich eine ganze Reihe von Instituten,nsbesondere die Landesbanken, die überhaupt kein Ein-agengeschäft haben. Sie tragen zur Bewältigung derrise derzeit nichts bei. Deshalb müssen wir – auch dasst eine Lehre aus dieser Krise, und da liegen wir garicht so weit auseinander – den SoFFin weiterentwi-keln. Der SoFFin muss die Basis für die Finanzierungessen sein, was bislang der Steuerzahler ausgelegt hat.Das geht aber nicht mit einem Schnellschuss. Daüssen Sie uns mehr Zeit geben als 100 Tage; denn dasst ein sehr komplexes Thema. Wir müssen auch interna-ional die richtigen Verabredungen treffen. Insofern ha-en wir im Bereich der Regulierung sehr viel gemachtnd sehr viel auf den Weg gebracht.Ich will noch einen anderen Aspekt ansprechen, et-as, was uns dieser Tage leider um die Ohren fliegt. Dasst das, was wir mit billigem Geld auf dieser Welt ange-ichtet haben. Das Beispiel Griechenland zeigt doch, wo-in die Verschuldungspolitik letztendlich führt: Sie führtm Ende dazu, dass auch auf staatlicher Ebene Bail-outsumindest in den Bereich des Möglichen rücken.Aus meiner Sicht ist die entscheidende Frage: Wieommen wir wieder zu stabilem Geld, wie können wirparen und Geldproduktion wieder in Einklang bringen?
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Frank SchäfflerDie Voraussetzung dafür ist, dass wir zu einer markt-wirtschaftlichen Geldordnung kommen. Einem Alko-holiker hilft man auch nicht dadurch, dass man ihm eineneue Flasche Schnaps hinstellt. Als Antwort auf dieKrise, die wir derzeit erleben, muss es strukturelle Ände-rungen geben, auch in der Haushaltspolitik beispiels-weise von Griechenland. Alles andere lassen die euro-päischen Verträge aus meiner Sicht nicht zu. Deshalbmüssen wir in diesem Haus auch über eine Fortentwick-lung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspak-tes diskutieren. Wer hat denn den Stabilitäts- undWachstumspakt 2005 aufgeweicht? Das war HansEichel. Aus einer haushaltspolitischen Situation heraus,die national geprägt war, hat er den Stabilitäts- undWachstumspakt aufgeweicht. Das führt am Ende dazu,dass die Stabilität des Euro aufgeweicht wird. Dafür tra-gen die Sozialdemokraten die Verantwortung.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Gerhard Schick für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich glaube, es ergibt wenig Sinn und ist eher ein Ablen-kungsmanöver, wenn immer alle Maßnahmen zu einerDebatte zusammengefügt werden; dann kann man näm-lich schön vom einen zum anderen gehen.Natürlich setzen Sie in Bezug auf die Ratingagentu-ren ein bisschen, was von der europäischen Ebenekommt, um. Die Frage ist aber: Was bedeutet der Satzdes Finanzministers, der Finanzsektor soll für dieseKrise zahlen? Steht etwas dahinter, oder steht wiedereinmal nichts dahinter?
Vor der Bundestagswahl wurde plötzlich der Eindruckerweckt, auch die Union sei für eine Finanzumsatz-steuer. Sie haben dies nie wirklich betrieben; aber daswar schön, um im Wahlkampf die Empörung der Bevöl-kerung, dass nichts passiert, abzufedern. Jetzt erklärt derBundesfinanzminister, diese Steuer sei tot. Ich befürchte,dass es Ihrer Sonderabgabe für die Banken nach derNRW-Wahl genauso ergeht. Jetzt versucht man, der Em-pörung entgegenzukommen; nach der Wahl wird abernichts passieren. Legen Sie einmal ein Konzept auf denTisch!
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Was Sie bisher gesagt haben, passt aber nicht zusam-en. Sie sagen: Wenn Maßnahmen ergriffen werden,üssen sie international vergleichbar sein. Wenn Sieas, was Obama angekündigt hat, auf Deutschland umle-en, bedeutet das jährlich nicht mehr als etwa Milliarde Euro an Einnahmen. Dann sagen Sie: Damitollen die Lasten der alten Krise gezahlt werden. Sieollen damit auch den Fonds auffüllen, mit dem zukünf-ig Banken gerettet werden sollen. Wie das rein rechne-isch zusammenpassen soll, müssen Sie erst einmal er-lären. Sie fordern zwar hier, dass die Belastungen derrise von den Banken gezahlt werden sollen, aber dasasst de facto nicht zu dem, was Sie sonst sagen.
Es gibt aber einen noch viel wichtigeren Punkt. Dierundlage dafür, dass der Finanzsektor wirklich an denosten dieser Krise beteiligt wird, ist doch, dass erst ein-al die Kosten dieser Krise offengelegt werden undass so in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommenerden kann, wer profitiert hat und wem Vorteile ent-tanden sind. Das heißt, wir müssen erst einmal transpa-ent machen, was in dieser Krise wirklich passiert ist.Die Kernforderung an dieser Stelle ist: Legen Sie end-ich offen, wer von den Rettungsmaßnahmen profitiertat! Es ist ein Unding, dass der deutsche Steuerzahlernd die deutsche Steuerzahlerin bis heute nicht wissen,as bei der Bankenrettung genau passiert.
as ist die Kernaufgabe. Dazu möchte ich von Ihnenerne etwas sehen. Von jedem Hartz-IV-Empfänger wer-en die 20 Euro Kindergeld, die zu viel gezahlt wordenind, zurückgefordert. Da ist man ganz rigoros. Was aberut der deutsche Staat, wenn es um Milliarden geht? Al-es bleibt hinter verschlossenen Türen. Nur über eineeröffentlichung in den Medien wissen wir, wer von derettung der HRE profitiert hat. Ich fordere Sie auf, dasu machen, was teilweise in den USA im Zusammen-ang mit der AIG passiert ist und was andere Staaten ge-acht haben: Legen Sie endlich die Konditionen derankenrettung offen, damit wir wissen, wie die Kostenieser Krise sind und wer von ihr profitiert hat! Dadurchönnen wir ermessen, ob Ihre geplante Abgabe so ge-taltet ist, dass die Kosten der Krise wirklich von denerursachern und Profiteuren getragen werden.
Wichtig ist auch, dass wir jetzt nicht die verschiede-en Maßnahmen gegeneinander ausspielen. Sie habenine Abgabe in der Größenordnung von 1 Milliardeuro jährlich angedeutet.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1917
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Dr. Gerhard Schick– Rechnen Sie doch einmal um, was eine mit den USAvergleichbare Abgabe bei uns bringen würde, HerrDautzenberg!
Dort sind es 120 Milliarden Dollar. Wenn Sie das auf dieGröße des Finanzsektors umrechnen – Sie argumentie-ren ja, das müsse im Wettbewerb vergleichbar sein –,dann kommen Sie wegen des kleineren Finanzsektors inDeutschland auf eine sehr bescheidene Größenordnungvon – das ist meine Schätzung – 1 Milliarde Euro. Siekönnen gerne eine andere Zahl vorlegen, anstatt nurLuftblasen zu produzieren.
Nennen Sie doch einmal eine zielgerichtete Maß-nahme, mit der die Lasten dieser Krise getragen und ver-ursachergerecht zugeordnet werden können! Sie könnendie Idee einer Finanzumsatzsteuer, die wir brauchen, umviele andere globale Aufgaben, zum Beispiel in der Ent-wicklungshilfe, zu finanzieren, nicht einfach beiseite-schieben. Sie versuchen, hier etwas zu vermengen, wasnicht zusammengehört und was von den Größenordnun-gen überhaupt nicht zusammenpasst. Es bleibt bei derForderung von Bündnis 90/Die Grünen, die von der Be-völkerung übrigens in weiten Teilen unterstützt wird:Wir brauchen eine Besteuerung von Finanzumsätzen. Esist niemandem vermittelbar, dass für jedes Brötchen undfür jeden Schrank eine Umsatzsteuer zu zahlen ist, aberfür Derivate nicht.
Jetzt kommt natürlich das altbekannte Argument derFDP, was durch Wiederholung leider nicht richtigerwird, dass durch solche Maßnahmen der Kleinanlegerbelastet würde. Nun müssen Sie einmal erklären, wiediese Abgabe auf die Kreditvergabe umgelegt wird undwie da die Belastungen sind. Ich bin sehr gespannt, obSie uns hierzu etwas vorlegen. Darüber hinaus solltenSie uns die Studie, die Sie letztes Mal zitiert haben, ein-mal zur Kenntnis geben. Zumindest meine Recherchenhaben ergeben, dass es diese Studie gar nicht gibt.
Tatsache ist, dass Sie mit dem Verweis auf die Belas-tungen des Kleinanlegers erreichen wollen, dass diewirklich großen Profiteure dieser Krise nicht zahlen sol-len. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans Michelbach für
die Unionsfraktion.
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ir müssen uns auf dem Boden, auf den Grundsätzener sozialen Marktwirtschaft bewegen und auf nichts an-erem.
Wir brauchen natürlich, ganzheitlich betrachtet, ei-ige Maßnahmen, aber nicht unbedingt Maßnahmen, dieie Regulierung überziehen, sondern die eine bessereegulierung bewirken. Wir müssen jetzt folgenden Drei-atz auf den Weg bringen: eine verbesserte Aufsicht,ine verbesserte Regulierung und natürlich – das gehörtazu – eine Kostenbeteiligung der Banken.
as ist notwendig. Wir müssen ganz klar sagen: Es gehticht, dass im Finanzsektor Gewinne privatisiert, Ver-uste sozialisiert und Risiken und Haftung immer weiterntkoppelt werden. Das passt in unserer Marktwirtschafticht zusammen.
eswegen werden wir in diesem Dreiklang handeln.Der Bundesfinanzminister hat auf der G-7-Tagung inanada deutlich gemacht, wohin es gehen kann. Aber esst festzustellen: Die USA machen bei der Einführunger Tobin-Steuer nicht mit. Damit ist die Tobin-Steuert;
as sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Da bringt es nichts,errn Obama sozusagen zu umarmen. Das ist für ihn mitlick auf seine ernsthaften Vorschläge eher eine Beleidi-ung. Die Bankenabgabe, die er vorschlägt, ist eine
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1918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Dr. h. c. Hans MichelbachMaßnahme, die in die richtige Richtung führt und diewir als Europäer mit ihm umsetzen wollen.
Dabei geht es natürlich auch darum, wie hoch die sichdaraus ergebende Belastung ist und ob das zu Wettbe-werbsverzerrungen und zu Problemen am Wirtschafts-standort und im Hinblick auf die Sicherung von Arbeits-plätzen führen kann.Herr Dr. Schick, Sie sind zwar auf der richtigen Linie,aber Sie rechnen falsch. Die von Ihnen genannte1 Milliarde Euro jährlich wäre ja wunderbar, HerrDr. Schick,
aber das Ergebnis der Berechnungen, die auf der Grund-lage des Obama-Vorschlages durchgeführt wurden, liegtnicht unter 9 Milliarden Euro. Sie sollten einmal sehen,welche Größenordnung in Deutschland im Bankenge-schäft aufgebracht werden muss. Das bedeutet natürlich,dass man eine ganzheitliche Analyse dahin gehend vor-nimmt, ob das verkraftbar und zielführend ist und ob dasunseren Unternehmen und der Sicherung der Arbeits-plätze schadet oder nützt.
Neben diesem Dreiklang – Aufsicht, Regulierung,Kostenbeteiligung – geht es um die Wirtschaftsethikder sozialen Marktwirtschaft. Das Bankgeschäft mussfür unsere Gesellschaft insgesamt wieder verständlicherund akzeptabel werden. Es benötigt eine neue Vertrau-ensbasis in der sozialen Marktwirtschaft. Das geht nichtmit Hetztiraden, sondern nur mit ganz konkreten, soli-den, verantwortungsbewussten Vorschlägen und Maß-nahmen und insbesondere mit einer Erklärung zur Erhal-tung unseres Dreisäulenmodells. Ich wende mich ganzmassiv dagegen, dass hier undifferenziert irgendetwasreguliert und das Dreisäulenmodell letzten Endes be-schädigt wird.
Herr Kollege.
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen können
nichts dafür, dass die Finanzmärkte außer Kontrolle ge-
raten sind. Deswegen können wir sie jetzt nicht dafür in
Haftung nehmen.
Kollege Michelbach, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Schick?
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Herr Kollege, würden Sie noch einmal genau präzi-
ieren, wie Sie auf die 9 Milliarden Euro kommen, und
önnen Sie sagen, dass die Bankenabgabe, die Ihre Re-
ierung vorschlagen wird, in Deutschland ein Aufkom-
en von mindestens 9 Milliarden Euro pro Jahr haben
ollte, und wie hoch beziffern Sie derzeit die Kosten der
rise? Ich frage das, damit man sehen kann, ob dieses
ufkommen bezogen auf die Kosten der Krise einen re-
evanten Anteil hat. Oder messen Sie das vielleicht an
en Vorteilen, die die Banken und Versicherungen durch
ie Rettungsmaßnahmen gehabt haben?
Herr Kollege Dr. Schick, ich bitte um Verständnis da-ür, dass wir
n einer solchen Situation natürlich interne Gesprächeühren und im Ausschuss Aufklärung betreiben und In-ormationen zur Verfügung stellen. Wir werden diese in-ernen Überlegungen und Berechnungen mit Ihnen, derie sehr fachkundig sind, im Detail besprechen.
ch kann eine solche Berechnung in meiner Rede jetzt si-herlich nicht darstellen.
ch werde dies mit Ihnen aber fachlich erörtern, und ichehe davon aus, dass auch Sie daran interessiert sind,ass wir hier Maß und Mitte treffen. So habe ich Sie beihrer Facharbeit im Ausschuss immer kennengelernt: Sieollen Maß und Mitte finden, insbesondere auch iminblick auf die Zukunftsfähigkeit der deutschen Kredit-irtschaft. Ich gehe davon aus, dass wir hier dann auchu Lösungen kommen.Wichtig ist zunächst einmal, dass wir die Kosten-bernahme durch die Banken als Grundsatz und eu-opa- und weltweit als durchsetzungsfähige Grundlagenerkennen. Meiner Meinung nach müssen wir sehen:lle anderen Dinge, die hier sonst immer wieder durchnträge eingebracht werden, sind nur Ausdruck von na-ionalem Geplänkel. Das können wir uns nicht leisten.ir brauchen eine internationale Lösung. Diese interna-ionale Lösung funktioniert nur mit einer Bankenabgabe.
Meine Damen und Herren, ich möchte das noch ein-al sagen: Klar ist, dass eine Bank einen gewissen Preis
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1919
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Dr. h. c. Hans Michelbachzahlen muss, wenn der Staat ihre Risiken übernimmt.Alles andere wäre dem Staat nicht zuzumuten und außer-dem natürlich auch eine Wettbewerbsverzerrung. Des-wegen halte ich es für wichtig, dass wir jetzt Vorberei-tungen für die hochrangige internationale Konferenz imMai in Berlin treffen, zu der der Bundesfinanzminister,Dr. Wolfgang Schäuble, eingeladen hat. Hier werden wirnatürlich auch ganz konkret Entscheidungen der G 20vorbereiten müssen. Der G-20-Gipfel ist die richtigeVeranstaltung dafür, Lösungen auf den Weg zu bringen,durch die der Globalisierung Rechnung getragen wird,um die Kreditwirtschaft und die Finanzindustrie letztenEndes für die Zukunft solide aufzustellen und ein klaresZukunftskonzept für sie zu erhalten.Wir müssen immer wieder verdeutlichen, dass dasBankgeschäft im Kern letzten Endes eine der Wirtschaftdienende Funktion hat. Der Staat rettet die Banken nichtum ihrer selbst willen, sondern mit Blick auf diese fürdie Gesellschaft und ihren Wohlstand wichtige Aufgabe.Das muss das Maß aller Dinge sein.Ich darf verdeutlichen, dass wir auch bisher schon dierichtigen Maßnahmen getroffen haben.
Ich denke dabei an die Stärkung der Finanzmarkt- undVersicherungsaufsicht, an das Gesetz zur Angemessen-heit der Vorstandsvergütung und an das Bilanzierungs-modernisierungsgesetz.Die Maßnahmenkataloge müssen jetzt weiterentwi-ckelt werden, aber es ist nicht so, dass wir noch nicht ge-handelt haben. Wir haben bereits Maßnahmen getroffen,die insgesamt weiterentwickelt werden müssen. Dieswird in den nächsten Wochen geschehen. Dabei ist,glaube ich, wichtig: Nationale Lösungen greifen zu kurz;internationale Abstimmung ist erforderlich. DeutscheAlleingänge wird es mit uns nicht geben, weil dies zuWettbewerbsverzerrung und Umgehungstatbeständendurch Verlagerung ins Ausland führt.Wir wollen, dass der Finanzplatz Deutschland erhal-ten wird, weil wir diese dienende Funktion für unserenWirtschaftsstandort und unsere Arbeitsplätze auch in derZukunft benötigen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Finanzmarktjongleure haben uns dieschwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit beschert.Wir müssen uns noch einmal vor Augen führen, dass imSpätsommer 2008 das internationale Finanzsystem kurzvor dem Zusammenbruch stand.mMdwdbaddUngsKsbedgaaigta–gmSßhri–n
nsere Aufgabe ist es jetzt, vom Pumpkapitalismus zurachhaltigen Marktwirtschaft zu kommen. Es muss allesetan werden, um zu verhindern, dass solch eine Kata-trophe noch einmal passiert.
Dabei ist es ganz entscheidend, dass die Lasten derrise fair verteilt werden. Das heißt, wir müssen in be-onderem Maße die Verursacher dieser Krise zur Kasseitten, und wir müssen Leitplanken für die Finanzmärkteinziehen. Denn es ist ein Skandal, dass zwar der Bau je-er Kleingartenlaube in Deutschland festen Bestimmun-en unterliegt und klar geregelt ist, die Finanzmärkteber unreguliert funktionieren sollen.
Inzwischen ist das Finanzmarktsystem stabilisiert,ber nicht reformiert. Wir müssen fragen, warum das sost. Frankreichs Präsident Sarkozy hat gerade in Davoselobt, die Perversion des Finanzkapitalismus auszurot-en. Ich habe jetzt erfahren, dass die Bundeskanzlerinuch dort war. Nun gut, gehört haben wir von ihr nichts.
Ja, so ist es. Das ist eben typisch für diese Bundesre-ierung.Was macht diese Bundesregierung? Diese Frage stelltan sich ja.
ie redet. Sie findet Vorschläge bedenkenswert. Sie äu-ert Sympathie für dieses und jenes. Charmante Idee,örte man. Immer gibt es auch jemanden aus der Regie-ung, der genau die gegenteilige Meinung äußert. Nichtsst geschehen.
Ich will noch einmal deutlich sagen: Ohne unseren Fi-anzminister hätten wir ein riesiges Problem. Sie leben
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1920 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Manfred Zöllmerdoch heute noch von dem, was Peer Steinbrück damalsin die Wege geleitet hat.
Im Koalitionsvertrag finden sich die üblichen Wi-dersprüche. Unter der Überschrift „Der Weg aus derKrise“ folgen dann Maßnahmen von der steuerlichenKlientelbeglückung von Hoteliers bis zu einer Escape-Klausel, mit der die Unternehmen beglückt werden.Nach der Kreativwirtschaft auf Seite 53 des Koalitions-vertrages kommen einige allgemeine Aussagen zu denFinanzmärkten. Das war es dann.Genau so ist auch die Politik dieser Bundesregierung:Reden ja, Handeln nein. Man versteckt sich hinter denanderen G-20-Ländern; man läuft hinter ihnen her.Wir Sozialdemokraten haben konkrete Vorschlägegemacht. Ergebnis war: Diese Vorschläge wurden abge-lehnt. Es wurde im Übrigen bei der Debatte hier deut-lich, dass die Koalitionspartner sehr unterschiedlicheVorstellungen haben, was zu tun und was zu lassen ist.Es überwiegt die Strategie, Handeln an internationaleGremien zu delegieren.
Es gibt genügend Vorschläge, was zu tun wäre. Es sindeinige genannt worden, zum Beispiel der Vorschlag, denRisikopuffer durch eine größere Eigenkapitalunterle-gung der Banken zu vergrößern und damit die Verant-wortung der Kapitaleigner zu stärken. Aber Sie dürfennicht nur allgemeine, sondern müssen auch konkreteVorschläge machen. Sie müssen die Zahl der Eigenge-schäfte der Banken reduzieren, klare gesetzliche Be-schränkungen bei Boni und Gehaltszahlungen vorneh-men und dürfen nicht nur allgemeine Regelungenerlassen. Über Rettungsfonds haben wir bereits disku-tiert.Leider muss man feststellen, dass bei diesen Fragender Regulierung der Finanzmärkte und den notwendigenMaßnahmen zur Beteiligung der Banken an den Kostender Krise die Liste der Themen, bei denen die Bundes-regierung Chaos und Vielstimmigkeit verbreitet, um ei-nen weiteren Punkt ergänzt wird. Da verkündet derCSU-Generalsekretär, man sei für eine Spekulations-steuer. Die Bundesjustizministerin von der FDP plädiertfür verschärfte Haftungsregelungen für Manager undBanker im Zivilrecht, will aber von der CSU-Forderungnach Einführung einer Spekulationssteuer nichts wissen.CSU-Chef Seehofer spricht sich für eine internationaleTransaktionsteuer aus. Die Bundeskanzlerin sagt, das seieine charmante Idee.
Finanzminister Schäuble sagt: Die Tobin-Steuer ist tot.Der bayerische Finanzminister Fahrenschon sagt, einesolche Bankenabgabe sei prinzipiell auch in Deutschlandvorstellbar. Die Justizministerin will von diesem Vor-schlag nichts wissen. Der Kollege Schäffler will von all-dem nichts wissen; das haben wir inzwischen mehrfacherlebt. Dann kommt der Finanzminister und verkündet,eSDmCnG1uDkgasessfzFHwHPUTkolPhthenEnm
Von der Bundesregierung ist nur dieser vielstimmigehor, dieses Chaos zu vernehmen. Wir müssen bereitsach 100 Tagen dieser Wunschkoalition leider einenrad an Lähmung und Stillstand konstatieren, wie er in6 Jahren schwarz-gelber Kohl-Ära festzustellen war,
nd all das in der größten Krise der Nachkriegszeit.iese Regierung hat kein Konzept. Diese Regierung hateine Strategie. Man wünscht sich, dass diese Bundesre-ierung nicht nur auf bereits fahrende Züge nach Bedarfufspringt, sondern selbst den internationalen Diskus-ionsprozess mitgestaltet. Hierzu ist leider kein Ansatzrkennbar.Obamas Stabschef, Rahm Emanuel, hat einmal ge-agt: „Regel Nummer eins: Verschwende nie eine Krise;ie gibt uns Gelegenheit, große Dinge zu tun.“ Ich musseststellen: Diese Bundesregierung ist dabei, die Kriseu verschwenden.
Das Wort hat der Kollege Björn Sänger für die FDP-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Die Banken sollen für die Krise zahlen. Werürde das nicht unterschreiben? Ich denke, in diesemaus dürfte das jeder tun. Der Antrag der Linken ist vomrinzip her richtig. Er geht in die richtige Richtung.mso wichtiger ist, dass man mit Sorgfalt an dieseshema herangeht und nicht schon nach 100 Tagen einomplett ausgereiftes Konzept erwartet. Ich weiß nicht,b diese murmeltiertagähnlichen, ständigen Wiederho-ungen des immer Gleichen im Wochenrhythmus derlenarsitzungen hilfreich sind. Der vorliegende andert-alb DIN-A4-Seiten umfassende, relativ schnell herun-ergeschriebene Antrag sollte – der Kollege Dautzenbergat schon darauf hingewiesen – eigentlich, wenn manhrlich ist, nur dem Ziel dienen, dem Kollegen Gysi ei-en Auftritt zu verschaffen.
r sei Ihnen gegönnt. Der Antrag orientiert sich abericht an der Sache und ist schlussendlich nicht sinnvoll.
Bei der Frage nach dem Verursacher der Krise kannan darüber nachdenken, ob das die Banken in Deutsch-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1921
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Björn Sängerland waren oder ob der Verursacher nicht vielmehr imAusland zu suchen ist. Die Diskussion führt uns an die-ser Stelle nicht weiter; die Argumente sind ausgetauscht.Das Problem ist auch: Was sind überhaupt die Kostender Krise? Auch da sind Sie sehr vage. Das kann manzum heutigen Zeitpunkt auch noch nicht feststellen, weilein großer Teil in Form von Bürgschaften hinterlegt ist,bei denen wir noch gar nicht wissen, ob sie überhauptzum Einsatz kommen. Wir hoffen natürlich, dass dasnicht der Fall sein wird. Sie listen etwa 400 MilliardenEuro auf. Ob das die Summe ist, die am Ende gezahltwerden muss, ist fraglich.Man könnte natürlich auch noch darüber nachdenken– auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen –, obman nicht vielleicht die 5 Prozent Rückgang des Brutto-inlandsprodukts als Kosten der Krise ansieht, wobei ichsagen würde, dass das möglicherweise etwas zu weitgeht.Ihre Antwort ist eine Art Banken-Bashing. Auch dasführt uns an dieser Stelle nicht weiter.
Kollege Sänger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schick?
Bitte.
Herr Kollege, während unserer Arbeit im Untersu-
chungsausschuss zur Hypo Real Estate war es auch die
Position der FDP, dass wir eine größere Transparenz in
Bezug auf die Art der Bankenrettung, auf die Konditio-
nen und darauf, wer von dem Ganzen profitiert, brau-
chen. Sie haben gerade gesagt, wir könnten die Kosten
der Krise noch nicht richtig einschätzen. Ist es die Posi-
tion Ihrer Fraktion, dass die Bürgerinnen und Bürger ei-
nen Anspruch darauf haben, die Konditionen der Ban-
kenrettung zu erfahren und durch eine Auflistung
nachvollziehen zu können, wer von den einzelnen Maß-
nahmen in welcher Höhe profitiert, oder ist das nicht die
Position Ihrer Fraktion?
Ich denke schon, dass es sinnvoll ist, am Ende des Ta-
ges einen Strich zu ziehen,
um zu sehen, welche Mittel wohin geflossen sind. Das
Problem ist nur: Das sehe ich in dem Antrag, um den es
hier geht, schlichtweg nicht. Da werden nur vage Sum-
men genannt. Wir wissen ja auch zum heutigen Zeit-
punkt – ich kann mich da nur wiederholen – noch gar
nicht, welche Mittel schlussendlich zum Einsatz kom-
men. Am Ende des Tages müssen wir – da gebe ich Ih-
nen recht – einen Strich ziehen und schauen, welche
Steuermittel wohin geflossen sind.
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Der nächste Punkt, der hier seitens der Linken und in-
eressanterweise auch von der Sozialdemokratischen
artei angesprochen wurde, waren die Gewinne. Diese
urden gegeißelt.
ber Gewinne sind gerade im Bankenbereich in einer
ozialen Marktwirtschaft notwendig, wenn es darum
eht, das Eigenkapital zu stärken. Ich kann die Banken-
ranche an dieser Stelle nur sehr herzlich auffordern,
iese Gewinne tatsächlich dem Eigenkapital zuzuführen;
enn sonst geraten wir möglicherweise in eine Kredit-
lemme.
er Gewinne in einer sozialen Marktwirtschaft in dieser
rt und Weise geißelt, hat ein gestörtes Verhältnis zur
ozialen Marktwirtschaft.
ch finde es außerordentlich interessant, dass die Sozial-
emokratische Partei in diesen Chor einstimmt.
Die Lösung der Probleme soll eine Abgabe sein. Ich
age Ihnen: Diese Abgabe ist sicherlich nicht links-
xtrem, Herr Kollege Gysi, aber sie ist an dieser Stelle
omplett untauglich, weil sie die Risiken der unter-
chiedlichen Institute nicht in vernünftiger Art und
eise berücksichtigt. Wir brauchen ein Mehr an Regu-
ierung und eine verbesserte Aufsicht. Wir müssen uns
ie Ratingagenturen ansehen und dahin kommen, eine
rt Versicherungssystem – so nenne ich es einmal – für
ie Branche einzuführen, das passgenau arbeitet und die
ranche angemessen an den Kosten dieser Krise betei-
igt.
Zusammenfassend will ich sagen: Der Antrag, den
ie hier vorgelegt haben, ist nichts anderes als unausge-
orener Populismus; dieser kann keine Zustimmung fin-
en.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Ralph Brinkhaus für dienionsfraktion.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und
Herren! Ich möchte die heutige Debatte dazu nutzen, um
auf einen Aspekt hinzuweisen, der in der bisherigen Dis-
kussion meines Erachtens viel zu kurz gekommen ist. Ihr
Antrag auf Einführung einer Sonderabgabe für Banken
ist dafür ein guter Aufhänger. Denn diese Sonderabgabe
ist von mehreren Seiten mit unterschiedlichen Zielset-
zungen vorgeschlagen worden: zur Finanzierung der
Kosten der Krise, zur Finanzierung einer Einlagensiche-
rung, zur Lenkung von erwünschtem und unerwünsch-
tem Verhalten. Jeder Vorschlag ist isoliert gesehen erwä-
genswert. Aber die Zielsetzungen widersprechen sich
zum Teil und lassen andere wichtige Felder offen, zum
Beispiel die Frage nach Regulierung der Derivate-
märkte, nach der Rolle der Ratingagenturen oder nach
der Organisation der Finanzaufsicht.
Damit wird auch das Problem der gegenwärtigen Dis-
kussion deutlich. Viele Ideen – oder besser: viele Instru-
mente – machen leider noch kein Orchester. Ich möchte
deswegen dafür werben, dass wir uns in Zukunft mehr
darauf konzentrieren, aus den vielen Einzelvorschlägen
ein geschlossenes System zu entwickeln, und weniger
darauf, immer neue Ideen ins Spiel zu bringen.
Ich glaube, wir haben hinsichtlich der Grundstruktur
dieses Systems, das wir uns wünschen, bereits einen sehr
großen gemeinsamen Nenner.
Erstens. Wir wollen einen Mechanismus zur Früh-
erkennung von Systemrisiken. Es soll uns nie wieder
passieren, dass wir Risiken wie die des amerikanischen
Immobilienmarkts nicht richtig einschätzen und nicht
richtig gewichten. Ich denke, wir sind uns einig, dass die
europäische Systemaufsicht dafür ein guter Anfang ist –
ich betone: Anfang.
Zweitens. Wir wollen verhindern, dass einzelne Fi-
nanzinstitute Risiken eingehen, die das gesamte System
gefährden können. Wir sind uns einig, dass wir dafür
mehr Transparenz schaffen müssen.
Wir müssen wissen und verstehen, was in den Büchern
der einzelnen Banken steht. Die Vorschläge zur Regulie-
rung des Derivatemarktes, aber auch zur Standardisie-
rung der Verbriefung sind gut und richtig dafür.
Wir sind uns auch einig, dass wir eine engere Verbin-
dung zwischen Haftung und Risiko herstellen wollen.
Viele Vorschläge im Hinblick auf eine bessere Eigen-
kapitalausstattung gehen in diese Richtung. Wir disku-
tieren darüber, ob wir durch Lenkungssteuern risiko-
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Wir wissen, dass die internen Anreizsysteme von Fi-anzinstituten nicht immer risikogerecht ausgelegt sind,nd deswegen besteht Konsens über weiteren Rege-ungsbedarf hinsichtlich der Vergütungsstrukturen.Wir wissen aber auch, dass selbst die besten Kontroll-nd Regulierungsmechanismen Krisen nicht verhindernönnen. Deswegen ist es wichtig, dass wir, drittens,echanismen zum Krisenmanagement und zur Krisen-inanzierung erarbeiten. Wir sind uns darüber einig, dassn diesem Zusammenhang besonders das Insolvenz- undbwicklungsrecht für Banken wichtig ist. Wir wolleneistungsfähige Fonds aufbauen, die zumindest eineneil der potenziellen Krisenkosten abdecken. Es sprichtiel dafür, dies durch eine Sonderabgabe für Banken zurganisieren.
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Ralph BrinkhausInsofern besteht a) hinsichtlich vieler Einzelmaßnah-men fraktionsübergreifend durchaus Einigkeit – es solltedoch einmal betont werden, dass die Differenzen in derSache im Grunde genommen gar nicht so groß sind –,und können wir b) feststellen, dass an der Umsetzungvon vielen Maßnahmen bereits gearbeitet wird. Alleinauf EU-Ebene wird momentan an 20 Maßnahmen-paketen gearbeitet, die wir im Rahmen unserer täglichenArbeit im Finanzausschuss vorgelegt bekommen. Darumist jetzt die Zeit, die einzelnen Maßnahmen nicht isoliertstehen zu lassen, sondern aufeinander abzustimmen undmiteinander zu verknüpfen.Ich möchte dies an einem Beispiel erläutern. Wenn imRahmen der Risikofrüherkennung auf Systemebene fest-gestellt wird, dass die Rohstoffmärkte spekulativ über-hitzt sind, dann muss sichergestellt werden, dass dies aufder Ebene der systemrelevanten Banken zu Verhal-tensänderungen führt, zum Beispiel durch verschärfteEigenkapitalunterlegungen bei Rohstoffgeschäften. Dazubrauchen wir Automatismen. Wie wichtig diese Auto-matismen sind, sehen wir momentan am Beispiel vonGriechenland. Das Problem ist erkannt. Eigentlichmüsste jetzt eine vordefinierte Reaktion erfolgen. DieEU hat keine Reaktion vordefiniert, und deswegen müs-sen wir nun mühsam überlegen, was zu tun ist.Ich fasse zusammen: Wir kennen die wesentlichenElemente eines neuen Systems, nämlich erstens die früh-zeitige Überwachung von Systemrisiken, zweitens einenstringenten Regulierungsrahmen für einzelne Finanz-institute und drittens standardisierte Verfahren zum Kri-senmanagement.Wir wollen darüber hinaus die Banken an den Kostender Krisenbewältigung beteiligen. Ich glaube, es ist auchKonsens in diesem Haus, die Banken an den Kosten desKrisenmanagements zu beteiligen; von der FDP bis zuden Linken. Über viele Einzelmaßnahmen lässt sichfraktionsübergreifend ein Konsens erzielen. Vielleichtsollten wir damit anfangen.Jetzt aber geht es um eine Aufgabe, die ich auchdurch die Vorschläge der Opposition nicht gelöst gefun-den habe. Jetzt geht es darum, aus den vielen Einzelmaß-nahmen ein abgestimmtes vernetztes Gesamtsystem zumodellieren. Dazu ist die von der Bundesregierung ein-berufene Finanzkonferenz eine gute Gelegenheit. HerrStaatssekretär Koschyk, ich habe es beim letzten Malschon gesagt: Wir hegen diesbezüglich sehr hohe Erwar-tungen an den nächsten G-20-Gipfel in Kanada. Wir he-gen deshalb sehr hohe Erwartungen, weil die Wirkungaller Mechanismen umso höher ist, je mehr Staaten mit-machen.
Ich sage auch ganz ausdrücklich: Wenn uns auf derG-20-Ebene keine Einigung gelingt, dann müssen wirversuchen, einen europäisch-amerikanischen Weg zufinden. Wenn auch das scheitert, dann müssen wir eineeuropäische Lösung organisieren. Wenn wir das nichthinbekommen, dann müssen wir über isolierte nationaleMaßnahmen nachdenken.ZzrSdmmGVWsvkkDfvsd
um gegenwärtigen Zeitpunkt halte ich es aber nicht fürielführend, isoliert nationale Maßnahmen zu organisie-en.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, zumchluss noch die Wiederholung einer Bemerkung auser letzten Debatte vor zwei Wochen. Sie ist sozusagenein Mantra in dieser Diskussion. Wir als Politik stoßenit allen Aufsichts- und Regulierungsmaßnahmen anrenzen, wenn sie nicht mit einer neuen Kultur dererantwortung in den Banken einhergehen.
Das ist die gleiche Feststellung, wie ich sie vor zweiochen gemacht habe. Diese ist noch viel zu wenig er-ichtlich. Es wäre vielleicht ein erstes gutes Signal, wennon Bankenseite ein ernsthafter Vorschlag dahin gehendommen würde, wie man sich an den Kosten der Finanz-rise beteiligen will.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufrucksache 17/471 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungo beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b sowieie Zusatzpunkte 4 a und 4 b auf:8 a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann,Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENUmstellung der Finanzierung von Neu- undAusbauprojekten in Bundesschienenwege– Drucksache 17/543 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschussb) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, FritzKuhn, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENEisenbahnsicherheit verbessern– Drucksache 17/544 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus
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1924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Vizepräsidentin Petra PauZP 4 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten UweBeckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der SPDGewährleistung der Sicherheit im Schienen-verkehr muss Priorität haben– Drucksache 17/655 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Tourismusb) Beratung des Antrags der Abgeordneten UweKekeritz, Ute Koczy, Thilo Hoppe, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENBeschlagnahmung von Generika in Europastoppen – Versorgung von Entwicklungslän-dern mit Generika sichern– Drucksache 17/448 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die folgenden Ta-gesordnungspunkte verlangen uns erfahrungsgemäß einegewisse Konzentration ab. Ich bitte also diejenigen, dienicht daran teilhaben können, den anderen zu ermögli-chen, jetzt dem Aufruf der Tagesordnungspunkte undden Abstimmungen zu folgen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 l sowiedie Zusatzpunkte 5 a und 5 b auf. Es handelt sich um dieBeschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aus-sprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 9 a:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-nologie zu der Verordnung derBundesregierungSiebenundachtzigste Verordnung zur Ände-rung der Außenwirtschaftsverordnung– Drucksachen 17/42, 17/85 Nr. 2.1, 17/489 –Berichterstattung:Abgeordneter Rolf HempelmannDer Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-lung auf Drucksache 17/489, die Aufhebung der Verord-nsdlthghshmFEnhmFd
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1925
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Dr. Eva Högl Jörg van Essen Wolfgang NeškovićJerzy MontagDer Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrich-ung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt füriese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –er enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist ein-timmig angenommen.Zusatzpunkt 5 b:Beratung des Antrags der BundesregierungAusnahme von dem Verbot der Zugehörigkeitzu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bun-desregierung– Drucksache 17/600 –Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-en? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist einstimmig an-enommen.
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Vizepräsidentin Petra PauIch rufe jetzt den Zusatzpunkt 3 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENRettungsschirm für die Kommunen vor demHintergrund von Haushaltslage und schwarz-gelben SteuersenkungsplänenIch eröffne die Aussprache.Das Wort hat der Kollege Dr. Frank-WalterSteinmeier für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Lage der Kommunen ist dramatisch. Dra-matischer könnte sie nicht sein. Letztes Jahr fehlten4,5 Milliarden Euro in den Kassen von Städten und Ge-meinden. In diesem Jahr werden es bereits 12 MilliardenEuro sein.Ich habe mich am vergangenen Freitag mit 140 Bür-germeistern, Oberbürgermeistern und Landräten getrof-fen. Das Fazit unserer Gespräche war relativ eindeutig:Wenn das so weitergeht und keine Abhilfe kommt, dannwerden die Pfeiler, die die Qualität des Zusammenlebensvon 82 Millionen Menschen in Deutschland ausmachen,in den Städten und Gemeinden zusammenstürzen. Ichwill Ihnen nur ein Beispiel nennen: Wuppertal, eineGemeinde im Bergischen Land, bereitet gerade einHaushaltssicherungskonzept vor, um das Schlimmste ab-zuwenden. Darin steht, dass fünf städtische Schwimm-bäder geschlossen werden sollen, dass das Schauspiel-haus geschlossen werden soll, Zuschüsse für Sozial- undJugendarbeit gekürzt werden sollen, höhere Beiträge fürKitas und Ganztagsschulen erhoben werden sollen. Siewissen es genau, meine Damen und Herren – Wuppertalist da kein Einzelfall –, in manchen Städten und Gemein-den gehen im Augenblick buchstäblich die Lichter aus.Die Laternen bleiben dunkel, weil das Geld für dieStromrechnungen ganz offenbar fehlt.Natürlich ist daran auch die Wirtschafts- und Finanz-krise schuld, was denn sonst.
Die Steuereinnahmen sind letztes Jahr um 10 Prozent zu-rückgegangen, die Gewerbesteuer um 18 Prozent. Ichdarf aber daran erinnern: Wir haben geholfen, damitfrühzeitig gegengesteuert werden konnte, unter anderemauch mit dem Konjunkturpaket, in dem viele Vorschlä-gen von uns aufgenommen wurden, die dazu beitrugen,dass die Fähigkeit der Kommunen zu Investitionen er-halten blieb.
Das lindert, hilft aber nicht gegen alle Folgen dieserKrise, vor allen Dingen, wenn die Arbeitslosigkeit wei-ter steigt. Daraus ergäbe sich nämlich zwangsläufig, dassdie Sozialausgaben der Kommunen weiter stiegen.rdSrD–KWdSjSz–eadWEdgvWashiRwmedevoSDnk
as, was Sie Wachstumsbeschleunigungsgesetz nennen klientelpolitisches Gesellenstück sagen wir –, wird dieommunen jedes Jahr allein 1,6 Milliarden Euro kosten.enn man das, was Sie für das laufende Jahr angekün-igt haben, noch hinzunimmt, dann kommt man zu demchluss, dass das nur ein böser Vorgeschmack ist.Frau Merkel und Herr Westerwelle bemühen sich jaedes Wochenende auf Krisengipfeln, noch einmal dieegnungen der bürgerlichen Koalition der Mitte hervor-uheben.
Sie sagen dazu: „Sehr gut!“ Ich entgegne Ihnen: Werine bürgerliche Politik der Mitte machen will, der mussuch Verantwortung für die 82 Millionen Menschen inen Städten und Gemeinden tragen.
er das will, der darf keine Politik machen, bei der amnde alle, vom Kleinkind bis zum Rentner, die Kostenafür tragen, dass Sie für ein paar Leute, von denen Sielauben, dass sie Sie gewählt haben, einige Kunststückeollbringen.
enn Sie glauben, dass das eine bürgerliche Regierungusmacht, dann kann ich Ihnen nur entgegenhalten, dassich die Bürgerinnen und Bürger das anders vorgestelltaben.
Wir brauchen in dieser Situation, die wirklich ernstst, um jetzt zu unserem Vorschlag zu kommen, einenettungsschirm für die Kommunen. Deshalb fordernir, dass die Einnahmeausfälle, die den Städten und Ge-einden durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetzntstehen, ausgeglichen werden. Es ist doch ein Unding,ass Sie auf der einen Seite sagen: „Die Hotels könnenndlich wieder investieren“ – da wird dann also reno-iert, und bei den Mövenpick-Hotels entsteht der eineder andere neue Swimmingpool –, aber auf der andereneite städtische Schwimmbäder geschlossen werden.as kann doch keine sinnvolle Politik sein.
Wenn wir uns darin einig sind, dass wir die Kriseoch nicht überwunden haben und dass die Arbeitslosig-eit und damit die Kosten auf kommunaler Ebene weiter
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1927
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Dr. Frank-Walter Steinmeiersteigen, dann können wir das nicht einfach laufen lassen,sondern müssen etwas dagegen tun. Wir sagen zweitens:Es ist richtig, den Städten und Gemeinden zwei Jahrelang bei den Kosten der Unterkunft zu helfen und bun-desseitig drei Prozentpunkte mehr zu übernehmen.
Drittens sagen wir Ihnen: Sie müssen auf die ange-kündigte schwarz-gelbe Einkommensteuerreform ver-zichten. Warum? Weil das noch einmal 4 MilliardenEuro Miese in den kommunalen Kassen bedeuten würde.Das kann und will sich keiner leisten.
– Krakeelen Sie nicht herum!Unsere schlichte Aufforderung – das wird in Deutsch-land gehört werden, auch von Ihren Bürgermeistern –lautet: Treiben Sie mit Ihrer Politik die Städte und Ge-meinden nicht weiter in den Ruin!
Lassen Sie die Finger weg von dem alten Traum, den vorallen Dingen Sie von der FDP hatten, nämlich der Besei-tigung der kommunalen Gewerbesteuer.
Sonst wird am Ende die kommunale Selbstverwaltungnicht einmal mehr für Sonntagsreden taugen.
Das Wort hat die Kollegin Antje Tillmann für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Ich bin froh, dass der Titel dieser AktuellenStunde verändert worden ist. Das gibt mir Gelegenheit,die Steuervorstellungen der CDU/CSU-Fraktion in die-ser Koalition darzustellen. Im Gegensatz zu Ihnen, HerrKollege Steinmeier, haben wir nicht vergessen, dass wirauch schon vor dem September in der Regierungsverant-wortung waren. Wir sind sogar stolz darauf.
Weil wir in der Regierungsverantwortung standen,hatten wir Gelegenheit, das Jahr 2010 zu einem Jahr dergroßen steuerlichen Erleichterungen, der Steuersenkun-gen schlechthin zu machen. Ich will einen kurzen Über-bwgEAvuWawiFSSSDemHWbFssDWM–wmSkmbgmv
ls Teil des Konjunkturpakets haben wir über die Tarif-erschiebung und über den Grundfreibetrag Bürgerinnennd Bürger um 4 Milliarden Euro in 2010 entlastet. Dasachstumsbeschleunigungsgesetz, das Sie leider immeruf Hotelbegünstigungen reduzieren, hat Familien umeitere 4,6 Milliarden Euro entlastet.
Um insgesamt 18 Milliarden Euro entlasten wir alsom Jahr 2010 die Bürgerinnen und Bürger, insbesondereamilien, die auch in Kommunen leben, Herrteinmeier. Dieses Geld geben wir den Bürgern zurück.o viel zu den Steuerplänen. Wir sind mittendrin imteuersenkungsprogramm.
as sollte nicht vergessen werden.Wir werden damit fortfahren. Interessanterweise wars mit Ihnen von der SPD als Koalitionspartner nichtöglich, den Facharbeiter und die Krankenschwester iminblick auf die kalte Progression zu entlasten.
ir haben eine Entlastung in einem kleinen Bereich undei der Unternehmensteuer hinbekommen. Aber deracharbeiter und der kleine Handwerker, die ganz we-entlich diese Gesellschaft mit ihren Steuern mittragen,ind nicht entlastet worden.
as werden wir in dieser Legislaturperiode nachholen.
ir werden die kalte Progression vermindern und denittelstandsbauch abflachen.
Finanzierung ist ein gutes Stichwort. Eine Sache – dasill ich anerkennend sagen – haben wir gut hinbekom-en: Wir haben in der letzten Legislaturperiode diechuldenbremse gemeinsam in der Verfassung veran-ert. Ich will nicht verhehlen, dass aufgrund der Zustim-ungssituation im Zusammenhang mit der Schulden-remse die CDU/CSU in dieser neuen Koalition in eineranz besonderen Verantwortung steht und dafür sorgenuss, dass diese Schuldenbremse greift und die damiterbundenen Maßnahmen eingehalten werden.
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Antje TillmannIch bin froh, dass der Finanzminister und der Staatsse-kretär Koschyk bei den Haushaltsberatungen auf dieFeststellung Wert gelegt haben, dass wir bis 2016 diekünftige Generation mit den Schulden nicht allein lassendürfen, sondern schon jetzt beginnen müssen, den Haus-halt zu konsolidieren.
Nun zum Rettungsschirm für die Kommunen. Bei alldiesen Leistungen haben wir sehr wohl die Kommunenim Auge gehabt.
– Aufgrund dieses ständigen Dazwischenredens kann ichmein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Wenn Sie einbisschen leiser sind, dann können mich alle hören.Danke schön.
Wir haben bei diesen Maßnahmen die Kommunen na-türlich nicht vergessen. Auch da wundere ich mich, dassSie nicht stolz darauf hinweisen, dass Sie teilweise daranbeteiligt waren. Wir haben im Rahmen des Konjunktur-paketes den Kommunen 10 Milliarden Euro für Investi-tionen vor Ort zur Verfügung gestellt. Wir haben für dieKinderbetreuung und das Ganztagsschulprogramm8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
Wir haben die Einnahmesituation der Kommunen ver-bessert,
indem wir bei der Gewerbesteuer Hinzurechnungen vor-genommen haben,
die die Kommunen von Konjunkturschwankungen weni-ger abhängig machen.
Wir werden das auch weiterhin tun.
Finanzminister Schäuble hat angekündigt, eine Kommis-sion einzurichten, um die finanzielle Situation der Kom-munen genau zu betrachten. Wir werden weiterhin dafürsorgen, dass die wirtschaftliche Situation nicht nur fürden Bund, sondern auch für die Kommunen erträglichbwtmTEAdaDFT–dEbTRDvasmgcms
ie Kommunen können sich auf uns verlassen.Danke.
Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die
raktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauillmann, das war schon ein starkes Stück.
Ja, manche verstehen nicht mal Ironie, aber das wun-ert mich nicht.
lf Jahre Werbung um Schwarz-Gelb, sozusagen Verlo-ung, dann hundert Tage Probezeit, und Sie, Frauillmann, schmücken sich hier mit Federn aus rot-grüneregierungszeit. Das ist zu wenig.
iese Zeit ist abgelaufen. Sie müssen endlich Konzepteorlegen, Frau Tillmann.
In der Diskussion über das Thema Tagesbetreuungs-usbau haben Sie noch behauptet, wir würden die deut-chen Mütter aus dem Haus treiben. Sie haben nicht ge-erkt, dass die Frauen in Deutschland – gerade dieeringer Ausgebildeten – endlich Arbeitsplätze brau-hen, um nicht in die Armut abzurutschen, und dass Fa-ilien in Deutschland auf beide Einkommen angewiesenind. Dagegen haben Sie angekämpft.
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Renate KünastBeim Thema Schule war das genauso. Sie waren ge-gen alle Vorschläge. Nun sprechen Sie sich nach elf Jah-ren Verlobung und hundert Tagen Probezeit dafür aus.Wir wollen vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen genauwissen – nicht irgendwann nach einer Steuerschätzung,die Herr Solms und andere sowieso für obsolet halten –,wohin die Reise gehen soll. Wen wollen Sie in diesemLand unterstützen und absichern?
Ich würde mir noch mehr klare Worte von der CDU/CSU über ihr Verhältnis zur FDP wünschen. Die ist auf-grund ihres freien Falls in den Umfragewerten am Wo-chenende zu einem Krisentreffen zusammengekommen.Am Ende des Treffens wurde gesagt: Ja, wir haben Feh-ler gemacht, und die wollen wir jetzt noch schneller ma-chen.
Das ist ein putziger Ansatz. Aber ich finde es gut – ichsage ausnahmsweise etwas Nettes zu Ihnen –, dass Sienun vor der NRW-Wahl Ihre Pläne vorlegen wollen.
Das führt immerhin zu mehr Transparenz, auch wennwir inhaltlich nicht damit übereinstimmen werden, wennich allein an die ewige Mövenpickerei denke oder daran,dass Sie per Kopfpauschale die Sekretärin mit demsel-ben Beitrag zur Kasse bitten wollen wie ihren Chef usw.
– Guten Morgen, schön, dass Sie hier sind und nicht inSchleswig-Holstein vom Winde verweht.
Sie tun so, als hätten wir so viel Geld im ohnehin ver-schuldeten Bundeshaushalt übrig, dass wir die Kopf-pauschale sozial ausgleichen könnten.
Frau Merkel, der Bundesfinanzminister und andere ha-ben es nicht einmal nötig, bei dieser Aktuellen Stunde zuerscheinen. Das spricht Bände.
Ich will nicht nach hundert Tagen erfahren, dass FrauTillmann schon wieder eine Kommission einrichtet, umzu betrachten, wie es den Kommunen in Zukunft geht.Da gibt es nichts mehr zu betrachten! Wir wissen esschon! Wir befinden uns in einer Finanz- und Wirt-schaftskrise. Wir haben mit steigenden Arbeitslosenzah-len und horrender Staatsverschuldung zu kämpfen, wirhdvGzsbGlrukahRbELPbDsdIHunembgmRBEbDwsK
Hillary Clinton hat einmal geschrieben: It takes aillage to raise a child. Man braucht wirklich eine ganzeemeinschaft, ein Dorf, einen Ort, um ein Kind großzu-iehen. Die Kinder in diesem Land sind darauf angewie-en, dass sie ein funktionierendes soziales Umfeld ha-en, dass sie mit sechs, sieben Jahren allein den Weg zurrundschule gehen können, was nicht möglich ist, wennauter Grundschulen geschlossen werden. Sie sind da-auf angewiesen, dass es Jugendsport gibt, Kinderbetreu-ng am Nachmittag, Jugendarbeit, Kultur, ob Fußball-lub, Ballett- oder Musikschule. Darauf sind siengewiesen. Deshalb brauchen wir Kommunen, die Geldaben, und nicht eine Kommission, die prüft, ob wir dieealität schon wahrnehmen.
Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen ins Aufga-enheft geschrieben: Es geht um soziale Gerechtigkeit.s geht nicht nur um die angeblich besserverdienendeneistungsträger. Das Bundesverfassungsgericht hat derolitik ins Aufgabenheft geschrieben: Die Regelsätzeei Hartz IV sind neu zu berechnen. Wir alle wissen:as wird mehr Geld kosten, weil die Sicherung des phy-ischen und psychischen Existenzminimums, die Bil-ung der Kinder und die kulturelle Teilhabe Geld kosten.ch sage Ihnen: Es geht nicht nur um die 1,8 Millionenartz IV beziehenden Kinder. An dieser Stelle geht esm alle Kinder. Das Bundesverfassungsgericht lässt Ih-en Zeit bis zum 31. Dezember. Ich sage Ihnen: Ich wills vor dem 9. Mai wissen, vor den NRW-Wahlen, damitan dann eine Antwort auf Ihre Regierungstätigkeitringen kann.
Wer soll diese Lasten auf seinen Schultern tragen? Eseht um ein Entweder-oder. Entweder Kopfpauschaleit Steuergeld ausgleichen und Steuersenkungen füreiche oder auf der anderen Seite Existenzsicherung undildungsinfrastruktur. Das ist die Frage. Das fragen sichltern in Magdeburg, die 20 Euro mehr Kindergeld ha-en, aber 30 Euro mehr Kita-Gebühren zahlen müssen.
as fragen sich Eltern in Essen, der Kulturhauptstadt,o jetzt Grundschulen geschlossen werden. Das fragenich in Duisburg die Familien, die für Geschwister imindergarten jetzt plötzlich den vollen Satz zahlen müs-
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Renate Künastsen. Das fragen sich Menschen, die sehen, dass bei derPolizei gespart wird.
Meine Damen und Herren, Sie können es nicht. ElfJahre Verlobung, hundert Tage Probezeit: Sie habennicht für Gerechtigkeit gesorgt. Deshalb wird es dazu am9. Mai Entscheidungen geben.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Otto Solms
für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Frau Künast, Sie haben sich im Tag geirrt: Wei-berfasching ist morgen.
An Weiberfasching werden die Rathäuser von denFrauen gestürmt. Da hätten Sie sich betätigen können,aber Sie haben ja noch Zeit. Sie können das morgennoch tun.
Ich habe selten erlebt, dass man in fünf Minuten einenQuerschnitt der ganzen Innenpolitik liefert, ohne eineneinzigen konkreten Vorschlag zu machen.
Wenn Sie sich hier über Hartz IV beschweren, frage ichmich, ob Sie vergessen haben, dass Sie Hartz IV mit ausder Taufe gehoben haben. Das ist doch Ihre Verantwor-tung.
Die SPD hat elf Jahre lang den Finanzminister gestelltund beklagt jetzt die desolate Situation der Gemeinden.
Und wir, die wir seit hundert Tagen im Amt sind, sindnatürlich die Schuldigen. Wir sind daran schuld. Dasglaubt Ihnen keiner.anWb16vDdmzwdtswaAVIlgAsrg
Hinzu kommt, dass gerade die FDP seit Jahrzehntennmahnt, dass die Finanzierung der Gemeinden auf eineeue Grundlage gestellt werden muss.
arum? Herr Steinmeier hat es ja gesagt: Das Hauptpro-lem der Gemeinden ist die Gewerbesteuer. Sie ist um8 Prozent eingebrochen, in manchen Gemeinden um0 Prozent. Manche haben diese Einnahmen sogar totalerloren.
as hängt natürlich mit der Wirtschaftsentwicklung undem fehlenden Wachstum zusammen. Das wird aber im-er wieder vorkommen. Wenn Sie die Gemeindefinan-en in erster Linie an die Gewerbesteuer binden, dannerden Sie diese zyklischen Entwicklungen immer wie-er erleben.
Deswegen wollen wir untersuchen – übrigens mit Be-eiligung der Länder –, ob wir nicht ein stabiles Finanz-ystem für die Gemeinden entwickeln können.Die FDP hat konkrete Vorschläge gemacht, die Ge-erbesteuer durch die Umsatzsteuer und einen Zuschlaguf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu ersetzen.
ber auch die Stiftung Marktwirtschaft, Herr Poß, hatorschläge gemacht.
hr früherer Finanzminister aus Rheinland-Pfalz, Kol-ege Deubel, der sehr sachverständig ist, hat daran mit-ewirkt.
uch das sind vernünftige Vorschläge. Denn in der ge-amten Wissenschaft ist klar, dass die Gewerbesteuer ge-ade für die Gemeinden keine stabile Finanzierungs-rundlage ist und dass hier korrigiert werden muss.
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Dr. Hermann Otto SolmsDas hat sogar Ihr Finanzminister Hans Eichel gewusst.Er hat schon einmal einen Anlauf gemacht, um das zuändern, ist aber dann mit den Ländern nicht zu Randegekommen.
Wir wollen einmal ehrlich bleiben und sagen: Die Er-kenntnis ist in allen Fraktionen und Parteien vorhanden,
nur haben Sie bisher nicht den Mut und die Durchset-zungskraft gehabt, dies zu realisieren.
Nun wird unterstellt, wegen der Steuerentlastungen,die sich die Koalition vorgenommen hat, würden die Ge-meinden noch mehr in die Bredouille geraten. Das istdoch purer Unsinn.
Worum geht es denn eigentlich? Das will ich der SPD alsArbeitnehmerpartei zeigen.
Es geht um eine Ungerechtigkeit im deutschen Steuer-tarif, bei dem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkom-men durch den sogenannten Mittelstandsbauch
– ja, ich weiß das – überproportional belastet werden.
Was wollen wir in dieser Legislaturperiode machen? Wirwollen lediglich diese Ungerechtigkeit mithilfe vonSteuerentlastungen so weit als möglich beseitigen. Dasist das Ziel dieser Koalition.
Es geht um Steuergerechtigkeit für die Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer und die kleinen Selbstständigen,die von dieser Ungerechtigkeit betroffen sind. Die wol-len wir beseitigen.
Das hätten Sie in Ihrer Regierungszeit tun müssen. DassSie selbst es für notwendig erachten, hat sich ja bei denKonjunkturpaketen gezeigt.
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m nichts anderes geht es.Ansonsten wollen wir das Steuersystem vereinfachen.
ir wollen die Steuerverwaltung, die Steuerveranlagungereinfachen. Wir wollen ein einfaches, gerechtes undiedrig belastendes Steuerrecht schaffen.
as wird auch ein Beitrag für eine stabile Finanzierunger Gemeinden sein. Von dieser Politik lassen wir unsuch durch Ihre Interventionen und Ihre Schreierei nichtbbringen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Katrin Kunert für die Frak-
ion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!agen Sie, Herr Solms, war das eben das Diagramm derinnahmen Ihrer Partei durch Spenden? Das wäre zu-indest einmal sehr interessant.
Als kommunale Mandatsträgerin muss ich Ihnen sa-en, dass man den Eindruck hat, dass Sie überhaupticht wissen, worüber Sie reden.
aben Sie sich einmal die Frage gestellt, warum dieahlbeteiligung gerade bei Kommunalwahlen sinkt?ie Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass aufgrunder Finanznot der Kommunen kaum noch Aufgaben er-edigt werden können. Darüber sollten Sie einmal nach-enken.
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Katrin KunertKommunen brauchen keinen Schutzschirm; Kommu-nen brauchen mehr. Kommunen brauchen gefüllte Kas-sen, das heißt, sie brauchen eine solide Finanzausstat-tung, damit sie Kindertagesstätten, Sportstätten, dasTheater, die Bibliothek und alles andere ordentlich aus-statten und unterhalten können. Kommunen brauchenauch endlich ein verbindliches Mitwirkungsrecht imDeutschen Bundestag, damit hier keine Entscheidungmehr getroffen wird, die zulasten der Kommunen und so-mit zulasten der Bürgerinnen und Bürger geht. Da könnenSie sich ordentlich aufregen.
– Schreien Sie doch nicht so.
Sie haben diese Aktuelle Stunde beantragt, und mankönnte den Eindruck haben, dass alle vier Fraktionenbisher eine sehr kommunalfreundliche Politik gemachthaben. Aber dem ist mitnichten so. Herr Steinmeier, ichhabe mich gefragt, wo Sie bis September 2009 in diesemHaus waren.
Sie nehmen hier zwar eine ordentliche Situationsbe-schreibung vor, nennen aber weder die Ursachen nochmachen Sie konkrete Vorschläge.
Sie scheinen völlig vergessen zu haben, Herr Poß,
dass Sie, als Sie in der Regierung waren, unter Rot-Grünund Rot-Schwarz, ständig Steuersenkungen vorgenom-men haben, die bis zum heutigen Tage anhalten. Durchdiese Umverteilung von unten nach oben machen Sieden Staat arm.
An dieser Stelle möchte ich zwei Beispiele nennen.Die Steuerreform, die 1999 unter Rot-Grün verabschie-det wurde, brachte den Kommunen Einbrüche bei denEinnahmen aus der Gewerbesteuer. Allein im Zeitraumvon November 2008 bis Sommer 2009 sind in diesemHause zehn Gesetzentwürfe verabschiedet worden, diefür die Kommunen bis zum Jahre 2013 Mindereinnah-men in Höhe von bis zu 19 Milliarden Euro zur Folgehaben werden. Wenn wir hier über Wahrheiten reden,dann bitte über volle Wahrheiten.
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or diesem Hintergrund müssen Sie wirklich einmal er-lären, wo Sie bisher eine kommunalfreundliche Politiketrieben haben.
Liest man Ihren Koalitionsvertrag und schaut manich die Vorhaben der FDP an, muss man feststellen: Fürie Kommunen wird es sehr dunkel. Sie stellen die Ge-erbesteuer infrage
ja, Sie wollen sie abschaffen; das ist noch viel schlim-er –, Sie wollen die öffentlich-privaten Partnerschafteneiterführen, Private sollen von der Umsatzsteuer be-reit sein, und Sie wollen Rekommunalisierungen er-chweren. Ich frage mich: Wo ist Ihr kommunaler Sach-erstand? Frau Piltz hat in einer früheren Debatte einmalesagt: Städte sind das Fundament des Staates. – Dieseussage haben Sie aber überhaupt nicht verinnerlicht.
Weniger Einnahmen stehen steigenden Sozialkostenegenüber. Die Kosten der Unterkunft habe ich bereitsenannt. Hinzu kommt, dass die Kosten für die Grund-icherung im Alter und die Höhe der Eingliederungsleis-ungen stetig steigen. Aber der Bund beteiligt sich aniesen Kosten nicht angemessen.Ein Beispiel ist der Kommunal-Kombi. Dieses Bun-esprogramm wurde von den Kommunen schlecht ange-ommen. Fragt man die Bundesregierung nach den Ur-achen, erhält man folgende Antwort:Aus Sicht der Bundesregierung liegt ein maßgebli-cher Grund für die geringe Inanspruchnahme desProgramms in der mangelnden Bereitschaft vielerBundesländer und Kommunen, eigene Kofinanzie-rungsmittel bereitzustellen.issen Sie, entweder hat der Parlamentarische Staatsse-retär Brauksiepe keine Ahnung von den Kommunal-inanzen, oder er ist einfach nur arrogant.
ch finde, das ist überhaupt nicht hinnehmbar.
ie haben keine Kenntnis, warum das Bundesprogrammommunal-Kombi nicht in Anspruch genommen wurde.s lag nicht an der mangelnden Bereitschaft, sondern amehlenden Geld.
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Katrin KunertIn Ihren andauernden Steuerentlastungsdebatten ha-ben Sie nur die Gutbetuchten im Fokus. Die Folgen fürdie Städte, Gemeinden und Landkreise sind geringereEinnahmen. Es steht schlicht und einfach ihre Hand-lungsfähigkeit auf dem Spiel.Selbst Herr Rüttgers hat inzwischen erkannt, dass IhreLogik Unsinn ist und dass immer mehr Steuerentlastun-gen zu immer mehr Ausfällen im Staatssäckel führen.Natürlich muss man seine Aussagen vor dem Hinter-grund sehen, dass er seine Mehrheit in NRW behaltenmöchte. Zumindest hat er aber die falsche Logik er-kannt; das muss man zur Kenntnis nehmen.
Wenn Sie in der schwarz-gelben Koalition Lobbypolitikmachen – Lobbypolitik liegt Ihnen ja sehr am Herzen –,rate ich Ihnen: Vertreten Sie doch auch einmal die Lobbyder Kommunalpolitik.
Die Linke fordert – diese Forderung werden wir na-türlich auch mit Anträgen untersetzen – ein verbindli-ches Mitwirkungsrecht für die Kommunen, die Einset-zung eines Kommunalausschusses und eine verbindlicheund solide Finanzausstattung der Kommunen, zum Bei-spiel eine Investitionspauschale. Würde man in Deutsch-land die Vermögensteuer einführen und ihre Höhe aufder Grundlage des Durchschnitts der OECD-Staatenfestlegen, würde dies 25 Milliarden Euro einbringen. Er-zählen Sie also nicht immer, wir hätten zu wenig Geld.Außerdem fordern wir, dass die Aufgaben, die vor derFöderalismusreform vom Bund auf die Kommunenübertragen wurden, weiterfinanziert werden.Wenn die Städte und Gemeinden das Fundament die-ser Gesellschaft sind, dann müssen wir es jetzt festigenund dürfen es nicht immer spröder werden lassen.Schönen Dank.
Für die Unionsfraktion hat der schon am Redepult be-
findliche Kollege Dr. Hans Michelbach das Wort.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Sehrgeehrte Damen und Herren! Die Krise hat die Kommu-nalhaushalte zweifellos ins Defizit getrieben. Die Siche-rung der Kommunalfinanzen ist der CDU/CSU-Fraktionein wichtiges Anliegen; denn die Kommunen haben imBereich der Investitionen für das Gemeinwohl einewichtige Funktion.
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Hierbei muss man natürlich eine klare ökonomischeonzeption verfolgen.
unächst einmal haben wir das Konjunkturpaket II mit0 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Ich gehe da-on aus, dass auch die von Ihnen regierten Kommunenie Möglichkeiten, durch energetische Sanierung vonchulen und Kindergärten die Betriebskosten zu senken,enutzt haben.
as sind hervorragende Investitionen, die den Kommu-en dienen und genutzt werden. Letzten Endes habeniese Investitionen zu erheblichen Auftragszuwächsenei den Handwerkern geführt und zur Sicherung von Ar-eitsplätzen beigetragen.Wir müssen immer wieder deutlich machen, dass un-ere Konzeption zum einen dadurch, dass unsere Haus-altspolitik antizyklisch ist, zum anderen dadurch, dassir ganz klar Wachstumspolitik betreiben, die Wir-ungskraft entfalten wird, die wir brauchen, um dieserise zu bewältigen.
as passt zusammen. Wachstum ist in dieser Situationas einzige Ziel, das man anstreben kann. Die ökonomi-che Grundwahrheit heißt nun einmal: ohne Wachstumeine Belebung der Nachfrage, ohne Wachstum keineeuen Arbeitsplätze, ohne Wachstum keine Mehrung deraufkraft, ohne Wachstum keine neuen Investitionen.eshalb müssen wir deutlich machen: An Steuerentlas-ungen – Wachstumsanreizen – führt kein Weg vorbei.Mit der Erhöhung des Kindergeldes, mit der Verbesse-ung der Familienförderung haben wir genau das getan:ür die Mehrung der Kaufkraft gesorgt, die notwendig ist.it den Korrekturen bei der Besteuerung der Unterneh-en haben wir die Finanzierung der Unternehmen ver-essert und damit dazu beigetragen, Arbeitsplätze zuichern. Das waren die Ziele des Wachstumsbeschleuni-ungsgesetzes. Diese Maßnahmen haben zielführend zurrisenbewältigung beigetragen und werden auch in Zu-unft dazu beitragen.
Wenn sich Herr Steinmeier hier in einem Niveau dar-tellt, das ich ihm nicht hätte unterstellen können, undom Hotelpopanz spricht,
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Dr. h. c. Hans Michelbachwill ich ihm einmal sagen, was die Hotels bei den Kom-munen zuletzt an Einnahmeausfällen hervorgerufen ha-ben. Über die Umsatzsteuerbeteiligung betrug der Ver-lust insgesamt 19 Millionen Euro. In meiner Heimatstadtist auf den Kämmerer ein Einnahmeverlust von20 000 Euro zugekommen. Das bekommt er nun durchdie Gewerbesteuer der Hoteliers mehrfach wieder her-ein.
Was Sie hier aufführen, ist also ein absoluter Popanz.
Es muss jetzt darum gehen, unsere klare Konzeptionfür Wachstumsbeschleunigung und Wachstumsanreizefortzuführen. Dazu ist es sicherlich notwendig, dass wirSteuerentlastungen vornehmen. Der Steuerzahler leideteinfach unter der kalten Progression, die dazu führt, dassihm immer mehr abgenommen wird, je mehr er leistet.Das ist leistungsfeindlich. So etwas können wir uns ge-rade in der Krise nicht leisten, meine Damen und Herren.
Wir dürfen die Menschen nicht überfordern. Wir müs-sen den Betrieben Freiraum geben. Dadurch wird letztenEndes die konjunkturelle Basis wieder gestärkt, sodassBund, Länder und Kommunen – sie sitzen finanziell imgleichen Boot – aus dieser Krise wieder herauskommenund das Finanzierungsdefizit beenden können.Die linke Seite dieses Hauses geht immer davon aus,dass das Geld automatisch dem Staat gehört. Zunächst,meine Damen und Herren, gehört es dem Bürger!
Davon müssen wir ausgehen, das ist der richtige Ansatz,um Leistungsanreize zu schaffen und dadurch die Leis-tung zu erzeugen, die wir brauchen, um aus dieser Kriseherauszukommen.
Die Krise müssen wir bewältigen; das muss die Zielfüh-rung sein. Die Polemik dieser Stunde hilft dabei nicht.Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Bernd
Scheelen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Verehrter Kollege Michelbach, was Sie hier zugunstendrWDbHgcOkktemldahlzbstwtbDfteu–sJ1wurstu
Frau Tillmann, Sie haben hier zwar ein Bekenntnisur Gewerbesteuer abgegeben und all das hervorgeho-en, was wir in der Großen Koalition gemeinsam be-chlossen haben. Das, was wir gemacht haben, war größ-enteils richtig und wichtig. Auch unter Rot-Grün habenir Dinge gemacht, die Sie später in der Großen Koali-ion für sich vereinnahmt haben. Aber jetzt sind Sie da-ei, all das zurückzudrehen. Das ist der Skandal.
as Johannesevangelium beginnt mit dem Satz: „Im An-ang war das Wort.“ In Ihrem Evangelium, dem Koali-ionsvertrag mit 132 Seiten, fehlt der erste Satz. Derrste Satz muss lauten: Im Anfang war der Wortbruch,nd zwar der Wortbruch gegenüber den Kommunen.
Sie waren nicht dabei, reden Sie nicht immer dazwi-chen. Es geht darum, dass die Kanzlerin im Mai letztenahres vor dem Deutschen Städtetag in Bochum am3. Mai – einige von Ihnen waren vielleicht dabei undissen das noch – gesagt hat: Die Gewerbesteuer bleibtnangetastet. Was machen Sie jetzt? Sie machen all dasückgängig, was wir zugunsten der Kommunen be-chlossen haben. Sie schaffen die Gewerbesteuer ab.Herr Solms hat das hier ausdrücklich gesagt. Sie soll-en sich in der Koalition einmal einigen, was Sie wollennd ob das gilt, was im Koalitionsvertrag steht.
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Bernd Scheelen
Im Koalitionsvertrag jedenfalls steht nicht, dass sich dieRegierungskommission mit der Lage der Kommunen be-schäftigen soll, sondern die Kommission hat den Auftrag– Frau Kollegin Tillmann, Sie haben versucht, das zuverschleiern –, insbesondere die Abschaffung der Ge-werbesteuer zu prüfen. Das ist der eigentliche Skandal.Dagegen werden wir entschiedenen Widerstand leisten.
– Ersatz der Gewerbesteuer heißt die Abschaffung derGewerbesteuer, Herr Kollege. Sie wissen doch genau,welche Modelle es gibt. All das ist schon hundertmalüberprüft worden. Es gab unter Hans Eichel eine Kom-mission, an der alle beteiligt waren. Sie hat alle Modelle,die auf dem Tisch lagen, überprüft und ist zu der Über-zeugung gekommen: Das einzig Sinnvolle ist, die Ge-werbesteuer zu festigen. Das ist der Auftrag, den wirunter Rot-Grün angegangen sind und in der GroßenKoalition fortgesetzt haben.
Lassen Sie die Finger von der Gewerbesteuer. Sie istzwar noch immer konjunkturreagibel, aber nicht mehr sostark wie früher.Die Schlussfolgerung, die Herr Solms zieht, lautet:Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind schon durchdie Krise eingebrochen. Dann macht es nichts, wenn wirden Kommunen durch gesetzgeberische Maßnahmenweitere 2, 3 oder 4 Milliarden Euro an Belastungen auf-bürden. Das ist ein Skandal. So funktioniert Politiknicht.
Wir hatten gestern eine Anhörung zu einem Gesetz-entwurf, der mit einem sehr verwaltungstechnischen Ti-tel daherkommt. Dieser lautet: „Entwurf eines Gesetzeszur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Än-derung steuerlicher Vorschriften“. Darin enthalten sindweitere Maßnahmen, durch die die Kommunen wie-derum mit 1,8 Milliarden Euro zusätzlich belastet wer-den.
Diese Maßnahmen führen die Kommunen endgültigin die Krise. Der Kollege Koschyk wird auf seinen Bei-trag in der Bayernzeitung eingehen und behaupten, esgäbe bei der Müllentsorgung keine Probleme. Wir sindsehr gespannt, ob nicht demnächst die Müllgebührensteigen; denn die Maßnahmen, die Sie in Ihrem Koali-tionsvertrag niedergelegt haben, bedeuten, dass auch dieKdbwMmssdkcztgsbSRdKbIazhirDE
it diesem Gesetzentwurf soll genau das rückgängig ge-acht werden, Frau Kollegin Tillmann, was wir gemein-am beschlossen haben, um die Gemeindefinanzen zutabilisieren. Sie destabilisieren die Einnahmesituationer Kommunen. Sie sind auf dem falschen Weg. Ichann Ihnen nur raten: Kehren Sie um! Das, was Sie ma-hen, bedeutet: Sie nehmen den Kommunen die Luftum Atmen. Sie verschärfen die Krise.Eine Überschrift in Ihrer Koalitionsvereinbarung lau-et zwar: „Der Weg aus der Krise“. Aber dort muss ei-entlich stehen: Wie verschärfen wir die Krise? Im An-chluss folgen die Maßnahmen, die zur Verschärfungeitragen.
ie befinden sich auf einem Irrweg. Kehren Sie um!euigen Sündern wird ab und zu auch vergeben.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Birgit Reinemund für
ie FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herrollege von der SPD, dass gerade Sie das Wort „Wort-ruch“ in den Mund nehmen, ist schon dreist und mutig.
ch erinnere Sie nur an die Mehrwertsteuererhöhung undn das Wort „Merkel-Steuer“ im Wahlkampf. – So vielum Gedächtnisschwund der SPD.Lassen Sie mich auf die Lage der Kommunen einge-en. Die Lage vor Ort ist ernst. Das ist mir als Stadträtinn Mannheim, mitten in den kommunalen Haushaltsbe-atungen, schmerzlich bewusst.
och die aktuelle Finanzlage kann noch nichts mit denntlastungen zu tun haben, die im Januar 2010 in Kraft
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1936 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Dr. Birgit Reinemundgetreten sind. Die katastrophale Haushaltslage der Kom-munen ist zum einen krisenbedingt. Zum anderen tretenjetzt die strukturellen Defizite der Gemeindefinanzie-rung besonders deutlich hervor.
Diese Strukturprobleme waren auch Ihnen, meine Da-men und Herren von der SPD und von den Grünen,schon lange bewusst, spätestens seit den Steuereinbrü-chen in der Krise 2002.
Da waren Sie an der Regierung.
Doch welche Konsequenzen haben Sie gezogen?Keine. Im Gegenteil: Ob Kosten der Unterkunft fürHartz-IV-Empfänger oder der Krippenausbau im Rah-men des Tagesbetreuungsausbaugesetzes, in den vergan-genen Jahren haben Sie den Gemeinden immer mehrAufgaben übertragen, ohne gleichzeitig für einen Kos-tenausgleich zu sorgen.
Der Anteil der Gewerbesteuer an den Gemeinde-steuern betrug 2009 in Deutschland 48 Prozent bruttound 41 Prozent netto, das heißt nach Abführung der Ge-werbesteuerumlage an Land und Bund. Damit ist derGewerbesteueranteil für viele Kommunen immer nochein wesentlicher finanzieller Grundstock. Leider ist die-ser Grundstock auf keinem soliden Fundament gebaut,sondern auf einem sehr schwammigen Boden. Soschwankte das Gewerbesteueraufkommen im Zeitraumvon 1999 bis 2008 zwischen 27 Milliarden und 41 Mil-liarden Euro – mit einem Einbruch auf 23,5 MilliardenEuro im Jahr 2002. Planungssicherheit sieht anders aus.
2009 erlebten wir einen Konjunktureinbruch von5 Prozent. Der Deutsche Städtetag schätzt gleichzeitigden Rückgang des Aufkommens aus der Gewerbesteuer2009 auf circa 18,3 Prozent brutto, wobei die einzelnenKommunen sehr unterschiedlich betroffen sind – teil-weise mit einem Einbruch von über 40 Prozent.Diese Zahlen belegen eindeutig die extreme Konjunk-turabhängigkeit gerade der Gewerbesteuer.
Wir brauchen eine Alternative, eine stabilere und ver-lässlichere Finanzierungsgrundlage für die Kommunen.
Ich darf daran erinnern, dass gerade die FDP seit Jah-ren fordert, die Gewerbesteuer durch einen höherenAnteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zu-sem–brslEE2FacdrKHzduwduelizdwnwnrDmS
it einem eigenen Hebesatzrecht für die Kommunen.
Ich freue mich sehr über Ihre Freude. Aber diese De-atte werden wir in den nächsten Monaten eindeutig füh-en.
Ein Mix aus Einkommen-, Körperschaft- und Um-atzsteueranteilen ist einfacher, transparenter und deut-ich weniger konjunkturabhängig. Zum Beispiel sind dieinnahmen aus der Umsatzsteuer im Gegensatz zu deninnahmen aus allen anderen Steuerarten im Krisenjahr009 sogar leicht gestiegen. Hätten Sie früher auf dieDP gehört, sähe es heute bei den Gemeindefinanzennders aus.
Voraussetzung für Steuereinnahmen sind wirtschaftli-her Erfolg, Arbeitsplätze und Wachstum. Jede verhin-erte Insolvenz, jeder erhaltene Arbeitsplatz kommt di-ekt auch den Kommunen zugute. Das vergessen unsereritiker sehr oft.Prognosen sind keine statischen Zahlen, sondernochrechnungen. Wirtschaft ist ein dynamischer Pro-ess. Mein Kollege Carl-Ludwig Thiele hat vor der Wahlas damalige SPD-geführte Finanzministerium gefragt,m wie viel die Steuereinnahmen bei einem Wirtschafts-achstum von 1 Prozent steigen. Die Antwort lautete,ass dies den Finanzierungssaldo der öffentlichen Handm 0,5 Prozent verbessert. Ein halbes Prozent entsprichttwa 5,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen, 3,5 Mil-arden Euro höhere Sozialbeiträge sowie weniger So-ialausgaben, summa summarum circa 12 bis 13 Milliar-en Euro. Das ist der Weg zur Konsolidierung.
Durch den von der SPD geforderten Rettungsschirmürde den Kommunen mittel- und langfristig keine Pla-ungssicherheit gegeben,
eil Flickschusterei niemandem hilft. Wir wollen eineachhaltige Gemeindefinanzreform und eine Struktur-eform, durch die Fehlentwicklungen beseitigt werden.as Konnexitätsprinzip muss wieder zur Geltung kom-en, damit wieder gilt: Wer bestellt, bezahlt. Das habenie ausgehebelt.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1937
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Dr. Birgit Reinemund
Das werden wir auf den Weg bringen. Die Vorberei-tungen dazu sind bereits in vollem Gange.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde,diese Aktuelle Stunde hat etwas gebracht, und zwar injeder Hinsicht.
Wir wissen nämlich erstens, dass kein Ende desschwarz-gelben Chaos in Sicht ist. Das wurde durch dieunterschiedlichen Redebeiträge von Union und FDPganz eindeutig gezeigt.
Das Zweite ist wirklich fast ein Geschenk – das sageich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen ausNRW –: Reden Sie weiter so offen darüber, was Sie vor-haben. Die CDU sagt: „Wir bleiben bei Steuersenkun-gen“ – hört, hört –, und das, obwohl Jürgen Rüttgersüberall in Nordrhein-Westfalen verkündet, dass es mitIhnen im Bundesrat keine Zustimmung für weitere Steu-ersenkungen zulasten der Kommunen geben wird.
Ich finde das interessant. Herr Oettinger schließt sichdem an.Mein Fazit für heute ist also:Erstens. Die CDU bereitet weitere Steuersenkungenvor, die zulasten der Kommunen gehen.
Das sollten alle Bürgerinnen und Bürger wissen.
Zweitens. Die FDP schafft die Gewerbesteuer ab.Auch diese Nachricht ist in den Städten in NRW sowieipbddGSzdRigSssngWpWrefJHgnsKdnee
Es ist nicht so, dass man die Abschaffung der Gewer-esteuer einfach nur so beschließt und die Unternehmenann sagen: Ja, toll. – Frau Reinemund hat uns geradeen Gefallen getan, zu sagen, wie man versucht, dasanze irgendwie ein bisschen zu kompensieren. Wissenie, wer bei dem Modell der FDP am Ende die Zecheahlt? Aufgrund der höheren Umsatzsteuerpunkte zahlenie Bürgerinnen und Bürger nach diesem Modell dieechnung.
Sie werden das Ganze nicht kompensieren. Das findech interessant. Ich finde es gut, dass Sie das so offen sa-en.
ie sind also für weitere Steuersenkungen und die Ab-chaffung der Gewerbesteuer.Ich sage Ihnen: Ich freue mich auf diese Auseinander-etzung; denn Sie zeigen damit, dass Sie keinerlei Ah-ung davon haben, wie es den Städten und Gemeindeneht und wie die Situation vor Ort wirklich ist.
Jetzt kommen wir einmal zum vielbeschworenenachstum. Herr Michelbach und andere Wirtschafts-olitiker beschreien das ja so gerne.
issen Sie, wie die Steuerbeschlüsse in den letzten Jah-en auf die Kommunen gewirkt haben? Ich nenne Ihneninmal ein paar Zahlen:Die Konjunkturpakete I und II, die Sie hier gerade ab-eiern – 10 Milliarden Euro für die Kommunen für zweiahre –, haben für die Kommunen Mindereinnahmen inöhe von 2,5 Milliarden Euro bedeutet, durch das Bür-erentlastungsgesetz haben die Kommunen Minderein-ahmen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro, und durch dasogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben dieommunen Mindereinnahmen in Höhe von 1,6 Milliar-en Euro. Falls Sie nicht so schnell mitgerechnet haben,enne ich Ihnen die Summe insgesamt: Durch Ihre Steu-rbeschlüsse haben die Kommunen zusätzliche Minder-innahmen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro.
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Britta HaßelmannDer Nächste steht schon im Raum. Sie lassen denRüttgers in Spiegel Online so etwas erklären, während Siehier gleichzeitig mit Ihrer Funktionsverlagerung durch ei-nen kleinen Umdruck für ein Minus von 650 MillionenEuro bei den Kommunen sorgen.
Ich finde, darüber muss man mit den Leuten vor Ort re-den, weil Sie den Bürgerinnen und Bürgern dadurch dieMittel für die Daseinsvorsorge im Gemeinwesen entzie-hen. Das heißt an diesem Punkt: höhere Beiträge für Ki-tas, Schließung von Theatern, die Frage, ob man sichnoch ein Schwimmbad leisten kann oder nicht.Deshalb kommt hoffentlich der Zeitpunkt, an dem Sienicht nur auf Neujahrs- oder Frühlingsempfänge vor Ortin Ihrem Wahlkreis gehen, sondern für die Politik, dieSie hier machen, von Ihren Kommunalos vor Ort gena-gelt werden.
Vom Wachstumsmotor Kommunen kann doch keineRede sein. Reden Sie sich doch nicht schwindelig durchdie Theorie „Wir senken die Steuern, und dann kommtdas Wachstum schon vom Himmel heruntergefallen“.Sie haben dramatische Beschlüsse gefasst, die gravie-rende negative Auswirkungen auf die Kommunen ha-ben. Das sagt Ihnen nicht nur die Grüne Haßelmann,sondern das sagen mittlerweile auch Petra Roth vomDeutschen Städtetag und jeder kommunale Spitzenver-band.
Was die verrückten Ankündigungen gerade vonseitender FDP angeht, kann ich nicht verstehen, dass Sie mitdiesem Credo weitermachen. Sie sind doch im freienFall. Besinnen Sie sich doch einmal ein bisschen! Sieliegen heute bei 8 Prozent.
Sie haben doch gar keine Zustimmung mehr.
Sie haben doch ein Riesenproblem. In NRW liegen Siebei 6 Prozent. Sie machen aber einfach weiter mit demCredo von Steuersenkungen.
Sie wissen doch, was das für die Bürgerinnen und Bür-ger in den Städten und Gemeinden bedeutet.assgkdeFgvAssm–ubfuifw–prrWLpnd
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, ein
leiner Hinweis: Ich denke, es ist gut für das Haus und
iejenigen, die zuhören und sich ein Bild machen, wenn
ine Debatte lebhaft und mit Leidenschaft geführt wird.
ür die Aktuelle Stunde haben wir uns selbst die Regel
egeben, dass es weder Zwischenfragen noch Kurzinter-
entionen oder Reaktionen auf eventuelle persönliche
ngriffe geben soll. Ich bitte alle, ob sie sich per Zwi-
chenruf an der Debatte beteiligen oder am Rednerpult
tehen, auf Bezichtigungen wie Arroganz oder Falsch-
ünzerei zu verzichten.
Ich denke, „Sie Falschmünzerin“ ist nichts, was wir
ns gegenseitig vorwerfen müssten. Wir können die De-
atte auch anders führen.
Ich bitte für die kommenden Redebeiträge wie auch
ür die weitere Teilhabe an der Debatte darum, dass wir
ns auf die Argumentation und die Auseinandersetzung
n der Sache beschränken.
Dazu hat jetzt der Kollege Peter Götz für die Unions-
raktion das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, auch für den Hinweis,ieder zur Sachlichkeit zurückzukehren.
Frau Haßelmann, man hat das Gefühl, viele in der Op-osition haben noch nicht verschmerzt, dass die Wähle-innen und Wähler den Regierungsauftrag jemand ande-em erteilt haben.Es ist unstrittig: Die weltweite Finanzmarkt- undirtschaftskrise trifft alle politischen Ebenen – Bund,änder und Kommunen. Länder wie Griechenland sindleite. Das zeigt: Die internationale Krise ist noch langeicht überwunden. Daran gibt es nichts zu beschönigen.Richtig ist auch, dass die Gewerbesteuereinnahmen inen Kommunen von 34,3 Milliarden Euro in 2008 auf
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1939
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Peter Götz28,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gesunkensind. Das sind 17,4 Prozent weniger. Damit bewegen wiruns bei den Gewerbesteuereinnahmen allerdings immernoch auf einem höheren Niveau als 2005. Von den Vor-jahren will ich gar nicht reden.
2007 und 2008 waren gute Jahre für die Kommunen.Es waren die besten seit Bestehen der Bundesrepublik.
Die meisten Kommunen haben diese Zeit genutzt, um zuinvestieren, Schulden abzubauen und Rücklagen zu bil-den.
In Zeiten rot-grüner Regierungsverantwortung war darannicht zu denken.
Damals lag der kommunale Saldo jahrelang im Minus.Der Investitionsstau wurde immer größer. Die kommu-nale Verschuldung stieg. Das war das Ergebnis einer ka-tastrophalen rot-grünen Politik für die Kommunen.
Nur zur Erinnerung: 2003 betrug der Negativsaldoder kommunalen Haushalte 8,4 Milliarden Euro. DerSaldo lag also im Minus. Darunter, Herr Steinmeier, ha-ben Wuppertal und viele andere große Städte in Nord-rhein-Westfalen bis heute zu leiden. Das war Ihre Poli-tik. Dafür tragen Sie die Verantwortung.
Wir wollen nicht daran denken, was es für die Städteund Gemeinden bedeutet hätte, wenn in Zeiten von Rot-Grün die internationale Finanzmarktkrise gekommenwäre, Herr Poß. Nicht auszuhalten wäre das gewesen!
Noch kurz vor Torschluss im Oktober haben Sie im Ka-binett Schröder beschlossen, den Bundesanteil an denKosten der Unterkunft rückwirkend auf null zu senken.Auf null!
Ich erinnere Sie an Ihre Erhöhung der Gewerbesteuer-umlage. Frau Künast und Herr Steinmeier, Sie saßen da-mals im Kabinett einer rot-grünen Regierung und tragendafür die Verantwortung.WnmwadEZJHjtvfDgdzefAzdndkvWdThDdtsstrAeM
enn das alles, was Sie damals gemacht haben, kommu-alfreundlich gewesen sein soll, dann weiß ich nichtehr.
Wenn Sie immer wieder die Korrekturen an der Ge-erbesteuer im Wachstumsbeschleunigungsgesetz quasils Kronzeuge für das Schließen von sechs Schwimmbä-ern in Wuppertal anführen, dann ist das unredlich.
rstens. Das Gesetz ist gerade sechs Wochen in Kraft.weitens. Es führt laut Deutschem Städtetag in diesemahr bei der Gewerbesteuer zu Mindereinnahmen inöhe von 0,3 Prozent. Lesen Sie die Presseerklärung derüngsten Konferenz des Deutschen Städtetags! Oder hal-en Sie sogar die Erhöhung des Kindergeldes und dieerfassungsgemäße Ausgestaltung in vielen Bereichenür falsch?
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen.ie meisten Unternehmen in Deutschland haben auf-rund des restriktiven Verhaltens der Banken ein Liqui-itätsproblem. Das Kürzen von Gewerbesteuervoraus-ahlungen stellt für viele Firmen zugegebenermaßenine sehr kostengünstige Liquiditätshilfe dar. Das Geldehlt nun in den Kassen der Kommunen.
ber eine anziehende Konjunktur führt schnell wiederu Gewerbesteuernachzahlungen und verbessert damitie Einnahmesituation vor Ort. Wir haben auf kommu-aler Ebene strukturelle Probleme. Deshalb wollen wirie Gemeindefinanzen neu ordnen. Unser Ziel ist, dieommunale Zusammenarbeit zu erleichtern, aber auchor allem die kommunale Selbstverwaltung zu stärken.ir müssen den Mut haben – das wurde bereits gesagt;azu lade ich alle ein –, unvoreingenommen und ohneabus an eine Reform der Gemeindefinanzen heranzuge-en.
azu gehören nicht nur die Einnahmen, sondern auchie Ausgaben.Vor allem müssen wir die Aufgaben in unsere Be-rachtungen einbeziehen. Zum Konjunkturpaket istchon viel gesagt worden. Investitionen in die energeti-che Sanierung von Schulen, Kindergärten und Kinder-agesstätten tragen zum Klimaschutz und zur Verbesse-ung der Bildungsinfrastruktur bei. Sie sichern wertvollerbeitsplätze im Handwerk. Vor allen Dingen spart einenergetisch sanierte Schule in Zukunft in erheblichemaß Betriebskosten.
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1940 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Peter Götz
Die staatlichen Investitionen führen nicht zu Belastun-gen, sondern entlasten in wenigen Jahren die kommuna-len Haushalte.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Wenn Sie sichunsere Koalitionsvereinbarung genau anschauen, wer-den Sie feststellen, dass dort auf vielen PolitikfeldernWeichen für die Stärkung der kommunalen Ebene ge-stellt sind, um gemeinsam gestärkt aus der Krise heraus-zukommen. Das geht nicht mit Jammern, sondern nurmit Anpacken. Deshalb sollten wir es anpacken.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Hinz für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Manchmal frage ich mich – gerade angesichts der letzten106 Tage –, in welchem Raumschiff Sie unterwegs sind.Zumindest sind Sie nicht in den Kommunen vor Ort;denn diese sind gerade dabei, ihre Haushalte aufzustel-len.
Herr Götz, wenn Sie mir jetzt zuhören, werden Sieverstehen, warum das, was Sie in den letzten Tagen undWochen beschlossen haben, für die Kommunen sehrwohl wichtig ist. Die Kommunen achten sehr genau da-rauf, was Sie mit dem sogenannten Wachstumsbeschleu-nigungsgesetz auf den Weg gebracht haben; denn dieKommunen sind diejenigen, die nun die Haushalte auf-stellen und den Genehmigungsbehörden darlegen müs-sen, wie sie mittelfristig aus der Verschuldung heraus-kommen wollen. Aber Sie sagen – quasi wie auf einerrosafarbenen Wolke schwebend –: Wer will, der kannauch. – Die Kommunen können nicht mehr.
Wenn Sie uns nicht glauben, dann glauben Sie we-nigstens dem Handelsblatt, das dargelegt hat:Kommunen lehnen Steuersenkungen ab. … VieleBürgermeister sehen sich durch Regierungspläne zuGebührenerhöhungen und Leistungskürzungen ge-zwungen.
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Der Sachverständigenrat hat Ihnen in seinem Gutach-en zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ins Stamm-uch geschrieben, der Koalitionsvertrag sei „vage und ineder Hinsicht enttäuschend“. Weiter schreibt er, dassandlungsziele und Handlungsvorschläge absolut fehlennd dass der Koalitionsvertrag an dieser Stelle nichts mitaushaltskonsolidierung zu tun hat.Ich frage mich in diesem Zusammenhang: Kennenie sich eigentlich mit dem föderalen Staat aus? Wo blei-en denn die Länder bei der ganzen Angelegenheit? Wasachen Sie, wenn Sie mit den Ländern zusammensit-en? Appellieren Sie dann an sie, dass sie ihren Ver-flichtungen nachkommen?
as heißt das zum Beispiel für Nordrhein-Westfalen?üttgers redet von „unseren Kommunen“. Mit Blick aufeine Kommunen und seine Stadtsäckel kann man nureststellen: Er hat den Kommunen in den vergangenenahren 3 Milliarden Euro weggenommen.
eine Kommunen? In Sonntagsreden sagt er, dass wirie kommunale Selbstverwaltung unterstützen sollen.ber sein Handeln spricht eine andere Sprache.
Herr Dautzenberg, dazwischenrufen nützt nichts; dasören die Leute am Fernseher nicht. Zuhören kommt im-er vor dem Verstehen.
Sie haben gerade einige Beschlüsse aus der Zeit deroalition mit den Grünen angesprochen. Ich will Ihneninmal sagen, was die Krise für meine Stadt, die Stadtssen, bedeutet: Alleine die Zinsen, die für die Kassen-redite aufzuwenden sind, belaufen sich für die Stadtssen auf 1,47 Millionen Euro. Das sind doch keine Pea-uts! Die Stadt ist gar nicht mehr handlungsfähig.
Wenn Sie hier über Familienpolitik oder Bildungs-olitik sprechen, dann ist das alles nur Makulatur, weilie in einem Raumschiff unterwegs sind und letzten En-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1941
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Petra Hinz
des nicht die Familien unterstützen. Allein das Wachs-tumsbeschleunigungsgesetz bedeutet für die Kommunenin Nordrhein-Westfalen 400 Millionen Euro Minderein-nahmen. Wissen Sie, was diese damit machen könnten?Tatsächliche Familienpolitik! Damit könnte die StadtEssen allen Kindern, die eine Kita besuchen wollen, dieMöglichkeit geben, das gebührenfrei zu tun. Ihre Steuer-geschenke gehen in eine andere Richtung: Sie erfolgenauf Pump und gehen auf Kosten der Kommunen und aufKosten der Menschen in den Kommunen.
All das, was wir hier beschließen, betrifft letzten En-des auch die Kommunen. Der 4. Dezember 2009 war de-ren schwärzester Tag.
An einem einzigen Sitzungstag, an einem Freitag, habenSie hier zuerst das Wachstumsbeschleunigungsgesetzbeschlossen. Dann lassen Sie sich dafür abfeiern, dassSie Klientelpolitik betreiben. Zwei Tagesordnungs-punkte später ging es um die Kosten für die Unterkunft.Allein für meine Stadt, die Stadt Essen, bedeutet der Be-schluss bezüglich der Beteiligung des Bundes weitereKosten in Höhe von 4 Millionen Euro.
Da reden Sie davon, dass man sparen könne? Die Kom-munen sind handlungsunfähig; sie können nicht mehr.Wir müssen über Entschuldung reden. Es gibt zwei Bun-desländer in unserer Republik, Rheinland-Pfalz undSachsen-Anhalt, die anpacken, die etwas für ihre Kom-munen tun. Sie versuchen im Rahmen einer Entschul-dung, den Kommunen tatsächlich zu helfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Reden ist das eine,Handeln das andere. Wenn Sie uns nicht glauben wollen,dann glauben Sie Ihren Sachverständigen in den Anhö-rungen. Im Finanzausschuss gab es zwei Anhörungen,und beide waren eine Pleite für Sie.
Zweimal haben Ihre eigenen Sachverständigen Ihnendeutlich gemacht, dass Sie die Kommunen schröpfen.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Hartmut Koschyk.
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Es ist gut, dass wir heute über die Lage der KommunenidwaWDtsFdddsdaBrdstujeeSstMzdadDdkbEtSd
eiden Herausforderungen stellt sich diese Bundesregie-ung.Ich bin Frau Kollegin Tillmann sehr dankbar, dass sieeutlich gemacht hat, welche Impulse die Volkswirt-chaft unseres Landes durch Wachstums- und Entlas-ngsmaßnahmen der Vorgängerregierung, aber auch dertzigen Regierung – denken Sie allein an das Jahr 2010 –rhalten hat. Ich bedaure wirklich sehr, dass sich diePD so schnell von den Maßnahmen verabschiedet, dieie selber mit auf den Weg gebracht hat.
Wenn man das Bürgerentlastungsgesetz, die Konjunk-urpakete I und II, das Familienleistungsgesetz und dieaßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzesusammennimmt,
ann beträgt der Wachstumsimpuls in Deutschland, derllein im Jahr 2010 haushaltswirksam wird, 30 Milliar-en Euro.
as sollte man nicht kleinreden.Wir wissen doch: Wir haben 2005, als Angela Merkelie Regierungsverantwortung übernommen hat, dieommunalfeindliche Politik von sieben Jahren Rot-Grüneendet.
s ist hier deutlich gesagt worden, dass Sie noch im letz-en Jahr der Regierungsverantwortung von Gerhardchröder die Beteiligung des Bundes an den Kosten fürie Unterkunft auf null gesenkt haben.
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1942 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Parl. Staatssekretär Hartmut KoschykWir haben die Beteiligung des Bundes, als wir in Regie-rungsverantwortung gekommen sind, wieder erhöht.
– Gegenüber Ihrem letzten Ansatz von 2005 haben wirsie erhöht. Sie wollten sie auf null senken.Eines haben wir in den letzten Jahren gespürt – daransollte sich vor allem die SPD erinnern –: Die Maßnah-men, die wir gemeinsam in der Großen Koalition 2005eingeleitet haben, haben bis zum Hereinbrechen derKrise im Jahr 2008/2009 zu Wachstumsimpulsen ge-führt. Peter Götz hat zu Recht darauf hingewiesen, dassdiese Maßnahmen in den Jahren 2006, 2007 und 2008bis in das Jahr 2009 hinein zu einer einmaligen Finanz-situation der Kommunen geführt haben.
Es ist richtig, dass mit den Maßnahmen der Vorgän-gerregierung und den Maßnahmen, die die christlich-liberale Regierung im Anschluss ergriffen hat, eineRückkehr zum Wachstum in Deutschland erfolgt. Dieswird zu einer verbesserten Einnahmesituation der Kom-munen führen.
Wachstumsimpulse sind richtig und wichtig.Wir werden uns mit großer Entschiedenheit aber auchden strukturellen Problemen in den kommunalen Haus-halten stellen.
Noch im Februar wird das Kabinett den Beschluss fas-sen, dass eine Kommission eingesetzt wird, der Vertreterder Bundesregierung, der Länder und der kommunalenSpitzenverbände angehören.
Das haben Sie in der Zeit Ihrer Regierungsverantwor-tung versäumt. Sie haben sich nie grundsätzlich um sta-bile Kommunalfinanzen gekümmert.
Liebe Kollegen von der SPD, wir gehen ergebnis-offen und ohne Tabuisierung an die Themen heran. Ichkenne eine Reihe von Kommunalpolitikern, auch ausden Reihen der SPD, die sich längst vom Dogma desFesthaltens an der Gewerbesteuer verabschiedet haben.
Über die Ersetzung der Gewerbesteuer müssen wir mitden kommunalen Spitzenverbänden ohne Tabu sprechen.Eines ist klar: Auch innerhalb des Deutschen Städte-tages gibt es längst eine andere Sicht. Ich glaube schon,dass die Großstädte nach wie vor ohne Wenn und Aberan der Gewerbesteuer festhalten wollen. In kleinerenund mittleren Städten ist eine Debatte darüber entbrannt,oBnsIamKImpSisgnhIenRsdsSUSwWKGngFdM
Selbstverständlich müssen wir in dieser krisenhaftenituation der Kommunalfinanzen auch die Länder anhre Pflicht erinnern. Ich bin dem Kollegen Brauksiepeehr dankbar dafür, dass er mir auf der Regierungsbankerade gesagt hat, dass es in Nordrhein-Westfalen nochie eine so hohe Zuweisung an die Kommunen gegebenat wie in den letzten Jahren:
m Jahr 2009 waren es 8 Milliarden Euro; 2010 werdens 7,6 Milliarden Euro sein. Davon konnten die Kommu-en in Nordrhein-Westfalen nur träumen, als Sie dortegierungsverantwortung getragen haben.
Angesichts dessen rate ich Ihnen: Hören Sie mit die-en Fastnachtsmätzchen auf. Arbeiten Sie über Ihre Lan-esminister in der Regierungskommission, die wir ein-etzen, mit. Hören Sie auf, die Dinge zu tabuisieren.tehlen Sie sich nicht aus Ihrer Mitverantwortung für dienwucht bei den Kommunalfinanzen; schließlich warenie viele Jahre in Regierungsverantwortung. Durch das,as diese Regierung auf den Weg gebracht hat, werdenachstumsimpulse gesetzt. Mehr Wachstum wird denommunen mehr Einnahmen bescheren. Wir wollen dierundfrage der kommunalen Finanzierung auf der Ein-ahme- und auf der Ausgabenseite endlich einmalrundsätzlich angehen, und wir wollen nicht so einlickwerk produzieren, wie Sie es getan haben, als Sie iner Regierungsverantwortung gewesen sind.Herzlichen Dank.
Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollegeichael Groschek.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1943
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibtdoch noch Sternstunden im Parlament. Ich behaupte das,obwohl so gut wie nichts gesagt wurde. Das, was gesagtwurde, war allerdings bezeichnend. Wenn der Staats-sekretär aus dem Wahlkreis Bayreuth Bayreuther Fest-spiele nach dem Motto „Tarnen, Tricksen, Täuschen“aufführt und sich bei den Themen „Gewerbesteuer“ und„Konjunkturpaket“ mit fremden Federn schmückt, dannist das das eine.
Wenn er aber Herrn Brauksiepe zitiert und sagt, denStädten in NRW sei es noch nie so gut gegangen, dannkann man nur lachen. Fragen Sie einmal Ihre schwarzenOberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister! FragenSie Ihre schwarzen Landräte! Diese Personen demon-strieren nicht mit Rüttgers, sondern gegen Rüttgers. Siesehnen den 9. Mai herbei, wenn in Nordrhein-Westfalengewählt wird.
Wenn Herr Solms hier erzählt, die FDP, die „Möven-pick-Partei“, stehe nach wie vor fest zur Steuergerechtig-keit, dann kann man nur den Kopf schütteln; schließlichbekennt er im gleichen Atemzug wie alle anderen Mit-glieder dieser Partei: Ja, wir stehen zur Abschaffung derGewerbesteuer.
Was heißt das denn im Hinblick auf Steuergerechtigkeit?Sie schonen die einen und belasten die anderen. Die klei-nen Leute sollen die Abschaffung der Gewerbesteuerzahlen. Das ist keine Steuergerechtigkeit, das ist Klien-telpolitik. Dafür kriegen Sie die Klatsche. Das ist so si-cher wie das Amen in der Kirche.
Jetzt kommen wir zu dem eigentlichen Thema; dazuhaben Sie wenig gesagt. Mich würde interessieren, wiedie Union dazu steht, dass sowohl die Regierung alsauch die „Mövenpick-Partei“ die fauchende Katze ausdem Sack gelassen haben, als sie klipp und klar gesagthaben: Unser Kampfauftrag ist klar; die Gewerbesteuermuss abgeschafft werden. Ist das auch Ihre Denkart? Be-kennen Sie sich doch gleich hier. Ein Abgeordneter IhrerFraktion wird noch zu diesem Tagesordnungspunkt spre-chen. Nutzen Sie die Chance und schenken Sie den Men-schen reinen Wein ein! Das haben sie nämlich verdient.
Die Bertelsmann-Stiftung – sie ist kein Institut der so-zialen Demokratie – hat eindeutig gesagt: Die Finanz-entwicklung in strukturschwachen Städten ist drama-tisch. Gerade denjenigen Kommunen, die mit denAuswirkungen des demografischen Wandels und derStrukturschwäche der Wirtschaft sowie mit sozialen Las-tbwDknSsWwlrkvewhRahMgsbdlkJmdDdgnsnetukfw
as ist nicht Einsicht in die Notwendigkeit, sondern nurer Panik angesichts der aktuellen Umfrageergebnisseeschuldet, und Panik ist ein falscher Ratgeber.
Wir erwarten von verantwortlicher Politik, sich ebenicht durch miserable Umfrageergebnisse treiben zu las-en und panikartig zu reagieren. Es geht um die Über-ahme von politischer Verantwortung. Sie beweisen nurines, nämlich dass Sie kommunalpolitisch verantwor-ungslos sind. Wir erwarten von Ihnen, meine Damennd Herren der Union, dass Sie hier klipp und klar be-ennen – auch Ihren eigenen Leuten gegenüber –, ob Sieür oder gegen die Gewerbesteuer sind.Ich freue mich auf ein Wiedersehen im Landtags-ahlkampf Nordrhein-Westfalen.
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1944 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Manfred Kolbe hat das Wort für die CDU/CSU-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich zum Schluss der Aktuellen Stunde einpaar Punkte zusammenfassen:
Erstens. Wir als CDU/CSU-Fraktion sind die kommu-nal, also vor Ort, verankerte Fraktion.
Sie brauchen sich doch nur das Ergebnis der letzten Bun-destagswahl anzuschauen. Unsere Fraktion umfasst239 Abgeordnete. Davon sind 218 direkt gewählt.
Man wird in Deutschland nicht direkt gewählt, wennman keinen Kontakt zur kommunalen Basis hat.
Wenn man nicht die Interessen der Kommunen vertritt,dann gewinnt man keine Wahlkreise. Weil wir das tun,haben wir so viele Wahlkreise gewonnen. In Sachsen ha-ben wir alle 16 Bundestagswahlkreise gewonnen. Wirhaben alle zehn Landratsämter gewonnen. Wir stellendie Oberbürgermeisterin in Dresden. Das wäre dochnicht der Fall, wenn wir eine kommunalfeindliche Poli-tik betreiben würden. Das müssen Sie zur Kenntnis neh-men.
Nun zu den Grünen. Frau Künast sehe ich gar nichtmehr. Sie muss sich offenbar von Ihrem eigenen Rede-beitrag erholen.
Sie, Frau Haßelmann, haben sich hier aufgeplustert. IhrePartei ist kommunal überhaupt nicht verankert.
Ich kann die Anzahl der kommunalen Vertreter IhrerPartei in meinem Wahlkreis an einer Hand aufzählen.Das ist fast bedauerlich.tDlIMDJsKFDnsnEligsKgFKGW2grLdskmdW–Hkg
Schauen wir uns doch einmal die kommunale Leis-ungsbilanz seit 2005 an.
as Jahr 2005 ist geradezu eine Zäsur für die kommuna-en Finanzen.
m Jahr 2005 – das nur zur Erinnerung – wurde Angelaerkel Bundeskanzlerin.
ie Steuereinnahmen der Gemeinden sind seitdem vierahre lang kontinuierlich gestiegen. Der Finanzierungs-aldo der Kommunen war letztmals 2005 negativ. Dieommunen hatten 2006, 2007 und 2008, einen positiveninanzierungssaldo erwirtschaftet.
ie kommunalen Investitionen betrugen im Jahr 2005ur18,6 Milliarden Euro und hatten somit einen Tiefst-tand erreicht. Sie sind seitdem kontinuierlich gestiegen,ämlich auf 19,1 Milliarden Euro in 2006, 20 Milliardenuro in 2007, 21,5 Milliarden Euro in 2008 und 22,5 Mil-arden Euro im letzten Jahr. Das sind die Zahlen. Sie sa-en mehr aus als manches hysterische Wort hier in die-em Saal.
Dann kam die internationale Finanzkrise. Sie ist denommunen nicht von der Bundesregierung aufgezwun-en worden und hat uns alle getroffen. Da haben wir alleehler gemacht, der Bund, die Länder und auch mancheommune. Ich denke zum Beispiel an die Cross-Border-eschäfte der Stadt Leipzig, die für die Kommunalenasserwerke ein finanzielles Risiko in Höhe von90 Millionen Euro mit sich brachten. Da wir alle Fehleremacht haben, sind wir alle gefordert.Die Kommunen haben jetzt in der Tat ein Finanzie-ungsdefizit:
etztes Jahr lag es bei 4,5 Milliarden Euro; dieses Jahrroht eines in Höhe von bis zu 12,0 Milliarden Euro. Ichage ganz klar für meine Fraktion – das hat der Staatsse-retär schon ausgeführt –: Wir alle sind gefordert. Wirüssen darüber nachdenken, und wir müssen auch han-eln.
enn man ehrlich ist, dann kommt man zu dem Schluss das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen –, dass dieauptursache für den augenblicklichen Rückgang derommunalen Einnahmen die starke Konjunkturabhän-igkeit der Gewerbesteuereinnahmen ist.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1945
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Manfred Kolbe
Angesichts dessen sollte man nicht immer gleich mitdem Totschlagargument kommen: Ihr wollt die Gewer-besteuer abschaffen. Das will doch keiner.
Wir wollen die kommunalen Einnahmen verstetigen undweniger konjunkturanfällig gestalten.
Diese Bundesregierung unter Angela Merkel hat übri-gens sofort gehandelt – Sie von der SPD, Frau Kresslund andere könnten da ruhig klatschen, waren noch da-bei: Wir haben ein erstes Konjunkturpaket aufgelegt; wirhaben ein zweites Konjunkturpaket aufgelegt; wir habendie Straßenbaumittel des Bundes um 4 Milliarden Euroerhöht.
Als Ausblick auf diese Legislaturperiode sei gesagt: Wirwerden auch in dieser Legislaturperiode handeln. Daskönnen Sie in der Koalitionsvereinbarung nachlesen. Dasteht, dass wir die kommunale Selbstverwaltung stärken,
die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern undKommunen überprüfen und
die Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebungverbessern wollen,
damit die Kommunen nicht immer die Suppe auslöffelnmüssen, wenn Bund und Länder etwas zulasten Dritterbeschlossen haben. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt,der einmal angegangen werden muss. Das werden wir indieser Legislaturperiode tun.
– Danke schön.Die CDU/CSU-Fraktion steht zu den Kommunen undwird auch zugunsten der Kommunen handeln.
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
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Beck , Ingrid Hönlinger, Memet Kilic,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Parteispenden begrenzen
– Drucksache 17/547 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Halina
Wawzyniak, Jan Korte, Dr. Gesine Lötzsch, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Parteispenden von Unternehmen und Wirt-
schaftsverbänden verbieten
– Drucksache 17/651 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
Wir wollen hierzu verabredungsgemäß eine halbe
tunde debattieren. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch.
ann ist das so beschlossen.
Als Erstem gebe ich das Wort dem Kollegen Volker
eck für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir re-en heute hier über die Reform des Parteiengesetzes,eil die Mövenpick-Spende des Barons von Finck an dieDP im Zusammenhang mit der auch von Herrninkwart kritisierten Mehrwertsteuersenkung für dieotellerie den Eindruck erweckt hat, man könne politi-che Entscheidungen in Deutschland durch Spenden be-influssen.Friedrich Nowottny schreibt im Berliner Kurier etwasugespitzt:Alles ist gesetzlich geregelt. Mehrfach hat das Bun-desverfassungsgericht beraten und entschieden.Trotzdem: Um Parteispenden weht der üble Geruchvon Korruption.er Spiegel schreibt:Die „Mövenpick“-Spende ist so legal wie anrüchig.Meine Damen und Herren, die FDP erweckt den Ein-ruck, es sei legal verbucht, legal vermeldet, und des-alb sei auch alles in Ordnung.
arin zeigt sich, dass Sie, meine Damen und Herren voner FDP, die Grundlagen des jetzigen Parteiengesetzesicht verstanden haben. Es geht um Transparenz zur Er-öglichung von Kritik. Deshalb kann einem einepende bei Umfragen und Wahlen unter Umständeneuer zu stehen kommen, wie man aktuell sieht.
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1946 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Volker Beck
Im eher konservativen Grundgesetzkommentar vonMaunz/Dürig wird die Logik des Parteiengesetzes darge-legt. Klein schreibt darin:Die Pflicht zur Offenlegung der finanziellen Ver-hältnisse dient dem Zweck, einerseits die Bürger,andererseits aber auch die um deren Stimme kon-kurrierenden Wettbewerber über die Ressourcen zuinformieren, über welche die Parteien verfügen,aber auch darüber, woher sie kommen, weil es sichdabei um einen wesentlichen Indikator der von ih-nen verfolgten Ziele handeln kann. ...Weiterhin formuliert das auf der Grundlage desArt. 21 Abs. 3 des Grundgesetzes ergangene Partei-engesetz Veröffentlichungspflichten, denen wie-derum der Gedanke zugrunde liegt, der Öffentlich-keit und jedem Bürger die Beurteilungsgrundlagenzur Verfügung zu stellen, deren sie für die sinnvolleAusübung ihrer Kontrollfunktionen bedürfen.Dass Sie jetzt argumentieren: „Was legal ist, ist auchin Ordnung“, zeigt, dass die Grundlagen unseres Parteien-gesetzes so nicht mehr von allen geteilt werden. Ich fanddie Mövenpick-Spende im Zusammenhang mit demWachstumsbeschleunigungsgesetz nicht in Ordnung.Das sieht die Mehrheit der Bevölkerung auch so.
Wenn Sie diese Grundlagen nicht mehr akzeptieren,dann brauchen wir ganz offensichtlich eine Reform desParteiengesetzes, die mehr Transparenz schafft und diedie Möglichkeiten der Spenden so begrenzt, dass dieSchwächsten im Parteiensystem durch Spenden in ihrerpolitischen Entscheidungspraxis, in ihrer Regierungs-tätigkeit nicht beeinflusst werden können. Deshalbschlagen wir vor, auf Grundlage des GRECO-Berichts,des Berichts der Staatengruppe gegen Korruption imEuroparat, eine jährliche Obergrenze von Spenden durchnatürliche und juristische Personen in Höhe von100 000 Euro einzuführen. Das ist eine angemesseneSumme. Das ist moderat; dies gestehe ich Ihnen zu. Mankönnte da auch radikaler sein. Aber wir wollen Ihnen einehrliches Angebot zur Reform des Parteiengesetzes ma-chen, damit wir hier einen Schritt weiterkommen.
Wir wollen sicherstellen, dass in Zukunft noch trans-parenter gehandelt wird. Es ist gut, dass der Bundestags-präsident jetzt sagt, er werde immer unverzüglich undnicht nur einmal im Monat veröffentlichen. Wir wollenaußerdem die Transparenzgrenze von 50 000 Euro auf25 000 Euro herabsetzen, damit noch klarer wird, ob esunmittelbare Zusammenhänge von Spenden und politi-schen Entscheidungen gibt. 25 000 Euro mögen auf derBundesebene keine große Summe sein. Aber wenn eineSpende in dieser Höhe bei einem Ortsverband oder beieinem Kreisverband im Rahmen eines Kommunalwahl-kampfs eingeht, dann sollte dies den Wählerinnen undWählern bekannt sein, damit sie ihre Entscheidung fürdftgsGDsüAdvPStgsdfndsDisdHwsKlNT1bgG
arauf haben die Eigentümer, die Aktionäre, einen An-pruch; denn es kann durchaus eine Divergenz geben,ber die demokratisch diskutiert werden sollte.Wir wollen auf Grundlage des GRECO-Berichts einenhörung im Innenausschuss zur Unabhängigkeit beier Kontrolle, zu Spenden an MdBs, zur Finanzierungon Wählervereinigungen durchführen. Der zentraleunkt sind die Transparenz und die Begrenzung vonpenden. Die Reform des Parteienrechtes ist in den letz-en Jahrzehnten immer wieder vom Bundesverfassungs-ericht oder von der Empörung aufgrund von Partei-pendenskandalen – ich nenne nur die Flick-Affäre undie Kohl-Spende – angestoßen worden.
Herr Kollege!
Lassen Sie uns die aktuellen Vorgänge für eine Re-
orm nutzen! Das dient dem Ansehen der Parteien als ei-
es Trägers der politischen Willensbildung, und es dient
er Legitimität der parlamentarischen Demokratie. Las-
en Sie uns den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass in
eutschland politische Willensbildung nicht käuflich
t!
Der Kollege Ingo Wellenreuther hat jetzt das Wort für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Korruptionsbekämpfung ist grundsätzlich eineichtige Sache, und Transparenz bei politischen Ent-cheidungen ist für eine Demokratie unverzichtbar. Wasorruptionsbekämpfung angeht, liegen wir in Deutsch-and richtig und befinden wir uns auf einem guten Weg.ach der aktuell veröffentlichten Korruptionsliste vonransparency International belegt Deutschland unter80 Staaten weltweit einen der vordersten Plätze. Ichegrüße, dass wir bereits 1999 der beim Europarat ein-esetzten Staatengruppe zur Korruptionsbekämpfung,RECO genannt, beigetreten sind.
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Ingo WellenreutherDie Anträge der Grünen und der Linken, die unsheute jedoch vorliegen, zielen darauf ab, das Parteien-gesetz zu ändern. Das Ärgerliche daran ist, dass sie sicheines Etikettenschwindels bedienen, indem sie diese An-träge durch Verweis auf den GRECO-Bericht des Euro-parates in einen Zusammenhang mit Korruptionsbe-kämpfung stellen bzw. eine unzulässige Einflussnahmeauf politische Entscheidungen durch Spenden unterstel-len.Ich sage es ganz offen: Ich halte es für unverantwort-lich, dass Sie damit das eminent wichtige Thema derKorruptionsbekämpfung in geradezu populistischerWeise missbrauchen,
nur des parteipolitischen Vorteils wegen. In Wahrheitgeht es Ihnen überhaupt nicht um die Empfehlung desEuroparates. Nein, der GRECO-Bericht muss als Fei-genblatt herhalten, um aus Kalkül heraus den politischenGegner und die Spender zu kriminalisieren und in Verrufzu bringen.
Herr Wellenreuther, Herr Kollege Beck hat eine Zwi-
schenfrage.
Nein, Herr Beck hat genug gesprochen.
Ehrlicher wäre es gewesen, wenn Sie gleich gesagt
hätten, worum es Ihnen wirklich geht. Sie wollen den
politischen Gegner treffen, Sie wollen die politischen
Parteien mit wesentlich größeren Spendenaufkommen
diskreditieren, und Sie wollen die Spender verunsichern.
Dieses Ansinnen ist nur allzu durchsichtig, und deshalb
ist Ihr Vorhaben in hohem Maße unehrlich.
Herr Kollege, der Kollege Montag würde Ihnen gerne
eine Zwischenfrage stellen.
Nein, ich würde gerne im Zusammenhang vortragen.Wir können uns später austauschen. – Wie gesagt: Eswäre ehrlicher gewesen, wenn Sie gleich gesagt hätten,worum es Ihnen geht. Ich halte es für unerträglich, dassSie in der Öffentlichkeit bewusst den Eindruck erwe-cken, man könne in unserem Land Entscheidungen kau-fen.
Für unerträglich halte ich auch, dass Sie so tun, als obeine Beschränkung der Parteispenden auf eine be-stimmte Höhe bzw. ein Verbot von Parteispenden durchjuristische Personen dazu beitragen könnte, Korruptionzu bekämpfen.d–H2g1mdwssisevioVbghDmsPSNwsSBFtadPttdedi
Sie müssen zuhören, dann begreifen Sie es vielleicht,err Poß. – Das Parteiengesetz in der Fassung vom Juni002 hat sich insofern bewährt. Sie wissen genau, dassemäß § 25 des Parteiengesetzes Spenden über0 000 Euro im Rechenschaftsbericht angegeben werdenüssen. Spenden über 50 000 Euro müssen dem Bun-estagspräsidenten direkt angezeigt werden. Das Ganzeird in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Dasind vernünftige Regelungen voller Transparenz, dieich – auch nach Auskunft der Bundestagsverwaltung –m Laufe der Jahre hervorragend bewährt haben.Darüber hinaus begrüße ich, dass der Bundestagsprä-ident angekündigt hat – Herr Kollege Beck, Sie habens angesprochen –, dass er Spenden zeitnah im Interneteröffentlichen wird. Damit wird dem Transparenzgebotn ganz besonderer Weise Rechnung getragen.
Bei der Frage, wie sich Parteien als Verfassungs-rgane im weiteren Sinne, das heißt als Faktoren deserfassungslebens und damit des politischen Wettbewer-es, finanzieren, darf man die Stichworte „Chancen-leichheit“, „Staatsunabhängigkeit“ und „Meinungsfrei-eit“ nicht außer Acht lassen. Wir haben uns ineutschland ganz bewusst gegen eine rein staatliche Ali-entierung der Parteien entschieden und die gesell-chaftliche Verankerung als Wesenselement politischerarteien definiert.Die Parteienfinanzierung hat – das wissen Sie – dreiäulen:
eben den Mitgliedsbeiträgen und den staatlichen Zu-endungen erhalten sie Spenden natürlicher und juristi-cher Personen.
penden zu leisten, ist eine private Entscheidung derürger in unserem Land, die dies gegenüber sich, ihreramilie, ihrem Vorstand, ihrem Aufsichtsrat, ihren Ak-ionären und der Öffentlichkeit zu rechtfertigen haben,ber sicherlich nicht gegenüber dem politischen Gegner.Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Spen-enrechts entspricht der grundgesetzlich verankertenarteienfreiheit. Dies drückt sich im Recht aus, dass na-ürliche oder juristische Personen den Parteien als legi-ime Formen der Teilhabe an der politischen Willensbil-ung Spenden zukommen lassen. Berechtigterweise darfs den Spendern darauf ankommen, die politischen Zieleer entsprechenden Parteien zu unterstützen. Genau dasst nach dem Grundgesetz, dem Parteiengesetz und der
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1948 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Ingo WellenreutherRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so vor-gesehen. Das Verfassungsgericht sieht Parteispendenausdrücklich als eine Form zulässiger Interessenwahr-nehmung und politischer Teilhabe an.Bei der vorigen Debatte wurde angesprochen, dassSpenden auch ein Indikator für den Erfolg einer Parteisind.
Oft spiegelt sich darin die Verankerung der Mandatsträ-ger in den Wahlkreisen wider. Damit haben speziell dieGrünen und die Linken Probleme. Genau das ist es, wasSie stört und worauf Ihre Anträge abzielen. Durch diebeantragte Begrenzung der Spendenhöhe oder gar durchdas von den Linken beantragte Verbot von Unterneh-mensspenden verspricht man sich Vorteile im politischenWettbewerb. Wie heuchlerisch Ihre Argumentation ist,zeigt sich schon daran, dass beispielsweise Sie von denGrünen sich in den letzten Jahren sehr gerne durch Groß-spenden aus der Solar- und Windenergiebranche habenunterstützen lassen.
Wenn Sie mögen, kann ich die einzelnen Beträge nen-nen.Um in Ihrem Gedankengebäude zu bleiben, müsstenSie Ihre eigene Integrität wegen Ihres Einsatzes für dieFörderung regenerativer Energien infrage stellen.
Die politischen Ziele Ihrer Spender deckten sich schließ-lich mit denen Ihrer Partei.
Sie sehen daran, wie scheinheilig Ihre Argumentationist.
– Ja, genau, aber im Unterschied zu Ihnen mit Verstand,Herr Poß.Ihnen von der Linken müsste eigentlich die Schames-röte ins Gesicht steigen, da das Verwaltungsgericht inBerlin vor einigen Wochen, im Januar 2010, festgestellthat, dass die Partei Die Linke gegen das Transparenzge-bot des Parteiengesetzes verstoßen hat, weil sie eineSpende in Höhe von 146 000 Euro, die im Zusammen-hang mit dem Landtagswahlkampf Rheinland-Pfalz imJahre 2006 geflossen ist, nicht im Rechenschaftsberichtangegeben hat.Es fällt uns schwer, Ihre Anträge ernst zu nehmen.Deswegen lehnen wir sie ab.tgudfSdbSaiüwSsbmdwuandFZEddz
r führt aus – ich zitiere –:Der Gesetzgeber hat den bösen Schein von Spendengeahnt. Im Parteiengesetz verbietet er die Annahmevon „Spenden, die der Partei erkennbar in Erwar-tung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirt-schaftlichen oder politischen Vorteils gewährt wer-den“. Diese gutgemeinte Bestimmung hat keinepraktische Bedeutung erlangt.In dem Artikel macht Burkhard Hirsch Vorschläge,ie wir von der SPD zwar nicht alle teilen, das Ziel je-och, die Gefahr des bösen Scheins von Parteispendenu bannen, teilen wir ausdrücklich.
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Gabriele FograscherDeshalb brauchen wir mehr öffentliche Kontrolle undmehr Transparenz. Bürgerinnen und Bürger müssen dieMöglichkeit haben, nachzuvollziehen, von wem und inwelcher Höhe politische Parteien finanzielle oder auchmaterielle Zuwendungen erhalten.
Deshalb halten wir Änderungen im Parteiengesetz fürnotwendig. Wir sind für die Einführung einer jährlichenSpendenobergrenze in Höhe von 100 000 Euro. Wir un-terstützen die Forderung, dass Spenden ab einer Höhevon 25 000 Euro statt bisher 50 000 Euro unverzüglichdem Bundestagspräsidenten gemeldet werden müssen.Wir begrüßen, dass diese Spenden in Zukunft unverzüg-lich veröffentlicht werden.
Ein Spendenverbot für juristische Personen, das dieLinke vorschlägt, und eine Spendenobergrenze von jähr-lich 25 000 Euro halten wir für nicht sinnvoll. Spendenwürden gestückelt und von natürlichen Personen, zumBeispiel Führungskräften des Unternehmens, getätigt.Interessant für die Öffentlichkeit ist nicht, ob eine Per-son X an eine Partei Y spendet, sondern ob Unterneh-mensinteressen mit dieser Spende verbunden sind.
Allerdings halten wir das Verbot von Verbandsspendenfür notwendig.
Die Berliner Zeitung vom 9. Februar 2010 greift dieSpendenpraxis des Verbands der Bayerischen Metall-und Elektroindustrie auf. Dieser Verband gehört zu dengrößten Parteispendern der Republik. Seit 2002 gingenmehr als 3,5 Millionen Euro an CSU und FDP.
Die Zuwendungen an andere Parteien fielen entschiedengeringer aus.
In dem Artikel in der Berliner Zeitung „Das teureSchweigen der Bayerischen Metallindustrie“ ist zu le-sen, dass nicht einmal alle Mitglieder des VBM von die-ser Spendenpraxis wissen.
Audi-Unternehmenssprecher Jürgen de Graeve wird indiesem Artikel wie folgt zitiert:Wir sind im VBM, damit der Verband Tarifpolitikfür uns macht, nicht damit er an Parteien spendet.udtdfzgtkVrmFulsMLwktVtz–bNDsw
Der Kollege Dr. Stefan Ruppert hat das Wort für die
DP-Fraktion.
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damennd Herren! Die Finanzierung von Parteien in Deutsch-and ist eng verbunden mit einem demokratischen Ver-tändnis, das in diesem Lande geprägt wird.
it den vorliegenden Anträgen verlassen Grüne undinke die gute Tradition, dass wir uns über die Frage,ie wir uns als Parteien finanzieren und wie wir Demo-ratie gestalten, im Konsens der Demokraten unterhal-en. Sie gehen auf Kosten eines kleinen parteipolitischenorteils einseitig vor. Das ist eine sehr kleine parteipoli-ische Münze, die Sie hier ausspielen.
Ein genauerer Blick auf die deutsche Parteienfinan-ierung lohnt sich.
Ich bin relativ neu in diesem Haus, Herr Poß, aber ichin auf kommunaler Ebene von Ihrer Partei ein höheresiveau gewohnt, als Sie es hier darstellen.
as Infame an Ihrer Kampagne ist doch, so zu tun, alseien die Vorgänge der Vergangenheit intransparent ge-esen. Keinesfalls waren sie das.
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1950 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Dr. Stefan Ruppert
Alles wurde rechtzeitig veröffentlicht. Die Spenden sindordnungsgemäß verbucht und eingegangen. Auch unserParteiensystem ist keinesfalls so intransparent, wie Siees darstellen. 1 000 Euro dürfen Sie in bar nicht anneh-men, 10 000 Euro müssen im Rechenschaftsbericht ver-zeichnet werden und 50 000 Euro müssen dem Bundes-tagspräsidenten gemeldet und veröffentlicht werden. Alldas ist geschehen.Was wollen nun Ihre Anträge? Die Grünen wolleneine Höchstgrenze für Spenden von juristischen Perso-nen festlegen. Die Linken wollen Spenden von juristi-schen Personen gleich ganz verbieten,
weil sie keine bekommen haben, nicht aber die von na-türlichen Personen. Diese Unterscheidung wird nicht be-gründet.Wir müssen uns fragen, welche demokratische Kulturwir in diesem Land eigentlich fördern wollen.
– Genau, ich stelle diese Frage. – Wollen wir ein stärkerauf Personen ausgerichtetes System wie etwa in denUSA, wo der Einzelne dafür sorgen muss, dass er seinenWahlkampf finanziert? Dies kann er, wenn er zu denreichsten 1 bis 2 Prozent Menschen seines Landes gehörtoder wenn er die medialen Möglichkeiten hat, sich selbstzu inszenieren, weil er die Medien, die das tun können,besitzt, wie es in manchen Ländern der Fall ist.
Wir wollen Parteien, die Politik organisieren, die de-mokratische Auswahl ermöglichen, ein Forum für denpolitischen Diskurs liefern. Dazu brauchen sie Geld.Dieses Geld – das sage ich ausdrücklich – soll nicht al-lein vom Staat kommen, sondern es soll aus der Mitteder Gesellschaft stammen.
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festge-stellt: Die Selbstfinanzierung von Parteien hat Vorrangvor der Staatsfinanzierung.
Außerdem hat es festgestellt, dass Spenden von juristi-schen Personen erwünscht seien. Was wäre das für eineDvß–nIrAaaz–hDLWbPAt–McD
Sie können sich gleich in Ihrer Rede dazu äußern.Im Antrag der Linken wird dieses Modell im Ergeb-is propagiert.
m Gegenzug kritisieren Sie aber die Parteienfinanzie-ung der NPD nach den selbst aufgestellten Kriterien.ls Liberaler, der politischen Extremismus, übrigensuch den auf Ihrer Seite, bekämpft, hoffe ich, dass ichls Parteipolitiker nie von der staatlichen Parteienfinan-ierung, die Sie politisch wollen, abhängig sein werde.
Herr Poß, Sie können gerne noch lauter schreien oderier reden. Aber das ändert nichts.Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Parteien ineutschland unterschiedlich finanzieren. Sie von deninken beispielsweise profitieren vom SED-Vermögen.
o wir Miete für eine Kreisgeschäftsstelle zahlen, warei Ihnen der Weg vom volkseigenen Vermögen in Ihrearteikasse nicht weit.
ndere profitieren von massiver gewerkschaftlicher Un-erstützung.
Ich kenne das aus meinem Wahlkampf, Herr Poß.
ein Gegenkandidat war von einer Gewerkschaft wo-henlang freigestellt.
as ist eine Möglichkeit, die ich nicht hatte.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1951
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Der Kollege Poß würde Ihnen gerne eine Zwischen-
frage stellen. Möchten Sie sie zulassen?
Ich führe meinen nächsten Satz zu Ende, dann gerne. –
Bei der letzten Bundestagswahl hat zum Glück der Satz
gegolten: Geld allein schießt keine Tore. – Das gilt auch
für das Geld, über das Sie aufgrund Ihrer Medienbeteili-
gungen verfügen und das deutlich mehr ist als unsere
Parteispenden.
Jetzt können Sie gerne Ihre Zwischenfrage stellen.
Herr Poß, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Kollege, können Sie einen Fall
nennen, einen aktuellen oder einen aus den letzten Jahr-
zehnten, in dem es eine Gewerkschaftsspende für die So-
zialdemokratie gab?
Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie den Satz, denich gesagt habe, gehört. Mein Gegenkandidat im Wahl-kampf profitierte davon, dass er für diesen Wahlkampfwochenlang von einer Gewerkschaft freigestellt war,während ich am Max-Planck-Institut Grundlagenfor-schung betreiben musste.
Diese Freistellung hat ihm sehr wohl einen Wettbe-werbsvorteil verschafft.
Es geht nämlich nicht nur um direkte Finanzierung.
Die Grünen bekommen viele Spenden von Wind- undSolarenergieunternehmen. Es ist bemerkenswert, dassSie die Kappungsgrenze genau oberhalb der Zahl festle-gen wollen, die Sie regelmäßig als Spenden bekommen.
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Die FDP hat den kleinsten Parteiapparat. Auf die Un-erstützung großer Institutionen hoffen wir vergeblich.
Herr Poß, was Sie vielleicht besonders ärgert, ist, dass0 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder uns sogar ge-ählt haben.
ie können das vielleicht nicht verstehen, aber es ist so.
Wir sind da gelassener als Sie und warten ab, was dieukunft bringt.Wir wollen die Demokratie in Deutschland im Kon-ens mit Ihnen weiterentwickeln. Wir wollen nichtleine parteipolitische Münze quasi eine halbe Stundeor Karneval, sondern wir wollen, dass alle Menschenus der Mitte der Gesellschaft,
uch Unternehmer, die jeden Tag hart arbeiten müssennd keine Zeit haben, sich politisch zu engagieren,
n diesem Parlament repräsentiert sind und nicht nur Ge-erkschaftssekretäre und Linke. Wir wollen, wie gesagt,ass hier alle Menschen aus der Mitte der Gesellschaftepräsentiert sind.
eshalb fordere ich Sie auf: Kehren Sie zur ernsthaftenebatte zurück! Wir können in Ruhe über dieses Themaiskutieren. Die vorliegenden Anträge lehnen wir ab.Danke.
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1952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Für die Fraktion Die Linke spricht die Kollegin
Halina Wawzyniak.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ich habe selten eine Debatte verfolgt, die von sowenig Problembewusstsein geprägt war.
Wenn Sie die SED-Millionen suchen,
rate ich Ihnen: Fragen Sie einmal beim Nachfolger derTreuhandanstalt und bei der Unabhängigen Kommissionzur Überprüfung des Parteienvermögens nach.
Sie können allerdings auch einen Stift zur Hand nehmenund mitschreiben, was ich Ihnen jetzt sage. Sie könnennämlich auch unter http://www.die-linke.de/partei/geschichte/und dort unter Punkt acht nachlesen, dass wirseit dem 1. September 1991 auf dieses Geld verzichtethaben. Aber dafür muss man natürlich lesen können.
Die FDP schreibt:Spenden sind ein wichtiger und sehr persönlicherBeitrag des einzelnen Bürgers für die Politik seinerWahl und Ausdruck persönlicher Willensbekun-dung.Wenn die FDP auch noch zu der Erkenntnis kommenkönnte, dass dies auch für Bürgerinnen gilt, könnte ichdem sogar zustimmen.
Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Damit nichtWirtschaftsverbände und Unternehmen die Politik be-stimmen, fordern wir ein Verbot von Parteispenden juris-tischer Personen.Auch Spenden von Bürgerinnen und Bürgern sollenbegrenzt werden, weil andernfalls diejenigen, die vielGeld haben, Politik kaufen, während diejenigen, dieTransferleistungen empfangen, nur alle vier Jahre ihreStimme abgeben dürfen. Das ist uns zu wenig.
Bleiben wir bei dem Zitat der FDP. Wenn eine SpendeAusdruck persönlicher Willensbekundung ist, wie müs-sen wir uns das dann bei der Spende eines Unternehmensvorstellen?WzdbImWhsnMsseSswsgegvfddsniElmEBwBdueddhdni
elche höchstpersönliche Willensbekundung soll hierum Ausdruck kommen? Wird zur Entscheidungsfin-ung, welche Partei in welcher Höhe mit einer Spendeedacht wird, eine Mitarbeiterversammlung einberufen?st der Betriebsrat beteiligt? Findet gar eine Urabstim-ung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern statt?elches Quorum ist notwendig, um die Entscheidungerbeizuführen? Und wie sieht es aus, wenn die Ge-chäftsführung andere Präferenzen als die Mitarbeiterin-en und Mitarbeiter hat? Wir alle wissen doch, dass dieitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen beiolchen Entscheidungen außen vor bleiben. Insofernind Spenden von Unternehmen gerade nicht Ausdruckiner höchstpersönlichen Entscheidung. Wir sagen: Mitpenden von Unternehmen und Wirtschaftsverbändenoll Politik im Interesse der juristischen Personen erkaufterden.Juristische Personen, also Unternehmen, sind rechen-chaftspflichtig, eine Aktiengesellschaft vor allen Din-en gegenüber den Aktionären. Die Aktionäre müsstenigentlich sauer sein, wenn der Vorstand mit Genehmi-ung des Aufsichtsrates enorme Summen an Parteienerschenkt. Diese Spenden sind allerdings Geschenke,ür die Gegenleistungen erwartet werden. Worin solliese Gegenleistung bestehen, wenn nicht in Politik, dieem Unternehmen genehm ist?Ich glaube nicht, dass ich bei Ihnen auf offene Ohrentoße; aber vielleicht können die Grünen einmal darüberachdenken, ob sie sich unserem Antrag anschließen –m Sinne der Demokratie.Die FDP hat nicht nur jüngst von Spenden profitiert.ine Richterin am Verwaltungsgericht Berlin kam neu-ich zu dem Schluss, dass die FDP infolge der Mölle-ann-Affäre eigentlich eine Strafe von 11 Millionenuro hätte zahlen müssen. Das hat sie nicht, weil derundestagspräsident als Vertreter der Bundestagsver-altung – sagen wir einmal – großzügig war.
Allianz, Deutsche Vermögensberatung, Deutscheank und Arbeitgeberverbände wie Südwestmetall under Verband der Chemischen Industrie spendieren Unionnd FDP seit Jahren Unmengen von Geld. Unternehmenntsenden Mitarbeiter in Ministerien. Deutschland istamit eine Wirtschaftsdemokratie. Die Politik sollte aberemokratisch sein: getragen von dem Willen der Mehr-eit der Bürgerinnen und Bürger.
Die Wahl ist eine höchstpersönliche Willensbekun-ung. Da nur die Bürgerinnen und Bürger wählen kön-en, nicht aber Unternehmen und Wirtschaftsverbände,st es nur konsequent, dass sich die FDP rasant dem er-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1953
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Halina Wawzyniakmäßigten politischen Mehrwertstimmensatz von 7 Pro-zent nähert. Vielleicht lernen Sie dann, dass Geld undSpenden allein nicht glücklich machen.
Stephan Mayer erhält das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Kol-
leginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir erleben heute wie-
derholt den vollkommen plumpen und durchsichtigen
Versuch der Opposition, sich parteipolitisch zu profilie-
ren.
Es wird versucht, aus einem Vorgang politischen Profit
zu schlagen, indem man ihn skandalisiert.
Dafür fehlt jegliche Grundlage; denn eines ist klar
– das ist intensiv geprüft worden –: Alle Spenden, die
die Opposition zum Gegenstand ihrer Anträge gemacht
hat, sind vollkommen rechtmäßig gewesen, ordentlich
verbucht und entsprechend den geltenden Regelungen
des Parteiengesetzes öffentlich gemacht worden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, ich bitte Sie, insoweit nur etwas weiter
zu denken. Ich habe die große Befürchtung, dass durch
die Diskussion, die Sie vom Zaun gebrochen haben,
die gesamte politische Klasse in Deutschland diskredi-
tiert wird. Sie schädigen damit, dass Sie wie ein Agent
Provocateur fungieren, uns alle.
Sie versuchen dadurch, dass Sie den Vorgang skandali-
sieren – dies entbehrt, wie gesagt, jeglicher Grundlage –,
den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland zu sugge-
rieren, die gesamte politische Klasse in Deutschland sei
käuflich. Das ist – Gott sei Dank – nicht der Fall.
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Es gibt einen überfraktionellen Kompromiss zur No-
ellierung des Parteiengesetzes aus dem Jahr 2002, der
eiterhin Bestand hat. Er hat meines Erachtens die
pendenpraxis in Deutschland sehr wegweisend und
ehr zukunftsgerichtet neu gestaltet. Der wesentliche
unkt der Novellierung aus dem Jahr 2002 war, dass die
penden von juristischen Personen, von Kapitalgesell-
chaften nicht mehr als Betriebsausgaben steuerlich ab-
ugsfähig sind.
Herr Kollege, Frau Hendricks möchte Ihnen gerne
ine Zwischenfrage stellen.
Selbstverständlich, sehr gerne.
Bitte schön.
Es ist völlig richtig, dass Spenden von Unternehmenicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können.ber gerade der Vorschlag der SPD-Fraktion, der daraufbzielt, dass Unternehmensverbände oder andere Ver-ände zukünftig nicht mehr spendenberechtigt sein sol-en, beinhaltet zum einen den Aspekt der Transparenz,eil man bei Spenden eines Verbandes gar nicht so rechteiß, wer dahintersteckt. Er beinhaltet zum anderenuch den Aspekt der steuerlichen Gleichbehandlung,enn einen Mitgliedsbeitrag in einem Unternehmensver-and kann man selbstverständlich als Betriebsausgabeeltend machen. Auf diese Weise werden Unterneh-ensspenden auf einmal doch wieder steuerlich begüns-igt. Wollen Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?
Ja, genau dazu komme ich jetzt. Wollen Sie bitte imbrigen zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesverfas-ungsgericht in einem Urteil vom März des Jahres 2008ie Beteiligungen der SPD an Medienunternehmen wiebrigens die Beteiligungen von Parteien an Unterneh-en für in Ordnung und für völlig unproblematisch ge-alten hat?
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1954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010
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Dr. Barbara Hendricks
– Das ist ein höchstrichterliches Urteil des Bundesver-fassungsgerichts vom März 2008. Nehmen Sie das bittezur Kenntnis. Ich empfehle es Ihnen zur Lektüre.
Wollen Sie im Übrigen bitte zur Kenntnis nehmen,dass wir bei unseren Beteiligungen mit einer Ausnahmeimmer Minderheitengesellschafter sind?
– Eine Ausnahme: Bei einem Verlag sind wir mehrheits-beteiligt, bei allen anderen sind wir minderheitsbeteiligt.
Wollen Sie darüber hinaus zur Kenntnis nehmen, dassSie immer dann, wenn Sie versuchen, unsere ordentlicheGeschäftstätigkeit zu diskreditieren, zugleich mittelbardie Mehrheitsgesellschafter aus dem mittelständischenBereich treffen?
Meine liebe Frau Kollegin, ich nehme zur Kenntnis,dass das Bundesverfassungsgericht dezidiert darauf hin-gewiesen hat, dass die Eigenfinanzierung der Parteien zueinem gewissen Teil sogar ein erhebliches Wesensmerk-mal unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnungist und dass die Novellierung des Parteiengesetzes ausdem Jahr 2002, die ich erwähnt habe, meines Erachtens– diese Entscheidung ist interfraktionell gefällt worden –wirklich sehr austariert und ausgewogen ist. Dadurchwurde das Finanzierungssystem der Parteien auf ein sehrverlässliches Fundament gestellt.Ich möchte darauf hinweisen, dass ich die wirtschaft-liche Betätigung der SPD in keiner Weise diskreditierthabe. Ich habe nur darauf aufmerksam gemacht, dass esmich verwundert, dass Frau Fograscher sehr weitrei-chende Vorschläge zur Novellierung des Parteiengeset-zes gemacht hat, aber diesen einen Punkt, aus welchenGründen auch immer, vergessen oder übersehen hat.
Ich sage dazu ganz offen, meine liebe Frau Kollegin: EinSchelm, wer Böses dabei denkt.Genauso verwundert es mich auch, dass die Grüneneinen Antrag gestellt haben, in dem für Spenden eineHöchstgrenze von 100 000 Euro vorgesehen ist. DieGrünen haben in den letzten Jahren durchaus namhafteGroßspenden bekommen, aber zufälligerweise keineEinzelspende über 100 000 Euro.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.tBUShgasptkkADavmWuItsakpdGDrnmnDlzlbFaGIlösW
as ist die große Gefahr, die in diesen Anträgen unduch in dieser Debatte steckt.Es ist doch vollkommen klar: Spenden, auch Spendenon Unternehmen, sind in einer Demokratie, die nun ein-al zur Grundlage hat, dass Parteien zur politischenillensbildung beitragen, überhaupt nichts Anrüchigesnd Verwerfliches.
n § 25 Abs. 2 des Parteiengesetzes steht ganz genau, un-er welchen Parametern Spenden unzulässig sind. Diesind insgesamt acht Ziffern. In Ziffer 7 wird dezidiertufgeführt, dass Spenden unzulässig sind, wenn sie er-ennbar als Gegenleistung oder in Erwartung für einenolitischen oder wirtschaftlichen Vorteil gewährt wer-en.
enau das, was Sie anprangern, steht schon im Gesetz.eswegen bedarf es der von Ihnen angestoßenen Ände-ungen überhaupt nicht.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grü-en, Sie haben auf den GRECO-Bericht abgehoben. Ichöchte Sie darauf hinweisen, dass im GRECO-Berichticht die Empfehlung ausgesprochen wird, dass wir ineutschland Höchstgrenzen für Spenden festlegen sol-en. Ganz im Gegenteil: Der GRECO-Bericht hat sogarum Inhalt, dass Großspenden wesentlich weniger anfäl-ig dafür sind, dass damit die politische Willensbildungeeinflusst wird, als dies bei zahllosen Kleinspenden derall wäre.Im GRECO-Bericht wird schwerpunktmäßig dazuufgefordert, dass kein zeitlicher Verzug zwischen derewährung und der Veröffentlichung der Spende eintritt.m Parteiengesetz existiert zwar schon jetzt die Rege-ung, dass Einzelspenden über 50 000 Euro zeitnah ver-ffentlicht werden müssen. Ich bin dem Bundestagsprä-identen aber sehr dankbar dafür, dass er in seinereisung vom 27. Januar 2010 unmissverständlich und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Februar 2010 1955
(C)
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Stephan Mayer
eindeutig festgelegt hat, dass zeitnah sofort bedeutet. In-soweit kann man sagen: Der Bundestagspräsident hatsofort nach diesen Vorgängen gehandelt und präzisiert,was ohnehin schon jetzt gültiges Recht im Parteien-gesetz ist.Ich möchte auf Ihren Vorschlag eingehen, dass eineHöchstgrenze festgelegt wird. Sie von den Grünen for-dern eine Grenze von 100 000 Euro. Meine lieben Kolle-gen von der Linkspartei,
Sie fordern 25 000 Euro. Man macht sich falsche Vor-stellungen davon, welche Auswirkung es hat, wenn manHöchstgrenzen festlegt. Hier besteht Aufklärungsbedarf.Ich finde es interessant, dass die Linkspartei explizit aufdas Beispiel USA verweist; das an sich halte ich schonfür einen bemerkenswerten Vorgang. Ich bitte, den Blickwirklich einmal in die USA zu richten. Wie wird diesdenn dort gehandhabt? Es ist richtig, dass es in den USAHöchstgrenzen für Parteispenden gibt. Nur, wie wird inder Praxis vorgegangen? Es werden zahlreiche, teilweiseHunderte von Mitarbeitern aufgefordert, Kleinspendenzu leisten. Eine Festlegung von Höchstgrenzen kannsehr leicht durch die Stückelung von Spenden umgangenwerden, ist also kein probates und geeignetes Mittel, umden Umstand, den Sie zu suggerieren versuchen, näm-lich dass Großspenden dazu anhalten, politische Ent-scheidungen zu beeinflussen, auszuräumen.schließen wir uns von der Unionsfraktion in keinerWeise. Wie gesagt, schon heute gibt es meines Erachtensein sehr verlässliches und sehr strapazierfähiges Par-teiengesetz, das genau festlegt, unter welchen Regelun-gen bzw. Kautelen Parteispenden veröffentlicht werdenmüssen. Daran gilt es festzuhalten. Deswegen kann manden Anträgen der Oppositionsfraktionen aus guten Grün-den und mit guten Argumenten die Ablehnung erteilen.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/547 und 17/651 an die Ausschüsse
vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung finden. – Ich
sehe, dass Sie damit einverstanden sind. Dann ist so be-
schlossen.
Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 24. Februar 2010, 13 Uhr,
ein.
Genießen Sie die gewonnenen Einsichten und den
restlichen Tag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der
GRECO-Bericht ist insoweit bemerkenswert, als in ihm
klargemacht wird: Transparenz ist wichtig. Dem ver-
(D
Die Sitzung ist geschlossen.