Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neustruk-
– Drucksache 15/743 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundes-
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minister der Finanzen, Hans Eichel, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Das Thema Neuordnung der Förderbanken be-schäftigt uns, wie Sie wissen, schon geraume Zeit. Ichbin sicher, dass der vorliegende Gesetzentwurf einegute Lösung zur weiteren Verbesserung der Förderungvon Existenzgründungen und des Mittelstandes dar-stellt.Mit dem Gesetz verfolgen wir zwei Zielsetzungen:zum einen die Verwirklichung der im Koalitionsvertragvereinbarten Zusammenführung der KreditWiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsanderen die Umsetzung der Entscheidung deschen Kommission vom 27. März vergange
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Das Gesetz müsste bis zur Sommerpause im Bundes-gesetzblatt veröffentlicht sein, damit es rückwirkendzum 1. Januar in Kraft treten kann. Ich bitte Sie, die in-haltlichen und zeitlichen Ambitionen dieses Gesetzes-vorhabens zu unterstützen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile Kollegen Otto Bernhardt, CDU/CSU-Frak-
tion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittel-punkt des vorliegenden Gesetzentwurfes steht der Zu-sammenschluss der Kreditanstalt für Wiederaufbau undder Deutschen Ausgleichsbank. Bevor ich auf diesesThema im Einzelnen eingehe und die Positionen derCDU/CSU-Fraktion vortrage, gestatten Sie mir zweiVorbemerkungen.h5WAtagdSbdggWZstsDGgEmskrdbDdGDwDepSmwhKDsbkW
Die zweite Vorbemerkung: Ein wichtiges Instrumenter Wirtschaftsförderung ist nach wie vor das ERP-ondervermögen, für das wir bekanntlich sogar einenesonderen Unterausschuss haben. Ich glaube, gerade beier heutigen allgemeinen politischen Diskussion ist esut, einmal darauf hinzuweisen, wie dieses ERP-Vermö-en entstanden ist. Die Vereinigten Staaten haben derirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland nach demweiten Weltkrieg erhebliche Mittel zur Verfügung ge-tellt, um den Wiederaufbau zu ermöglichen. Das viel zi-ierte Wirtschaftswunder hat hier eine entscheidende Ur-ache. Die Amerikaner haben dann auf die Tilgung derarlehen, die sie damals gewährt haben, verzichtet. Daseld durfte hier bleiben und daraus ist das ERP-Vermö-en entstanden. Es umfasst heute rund 12 Milliardenuro und ist damit nach wie vor – ich betone es noch ein-al – ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung.
Ich komme jetzt zu dem geplanten Zusammen-chluss der beiden Institute. Ich sage sehr deutlich: Zweionkurrierende Institute haben, auch im öffentlichen Be-eich, nicht nur Nachteile. Das Nebeneinander hat auchazu geführt, dass sich beide Institute sehr bemüht ha-en, gut zu sein.
ennoch glaube ich – da stimme ich dem Minister undem vorliegenden Gesetzentwurf zu –, dass mehrründe dafür sprechen, die Institute zusammenzuführen.ie Synergieeffekte kann man eigentlich nur nutzen,enn man die beiden Institute zu einem Haus vereinigt.ie Konzentration der Programme ist nämlich nur unterinem Dach möglich.Wir haben über diese Fragen in der letzten Legislatur-eriode schon einmal diskutiert. Da habe ich von diesertelle aus deutlich erklärt: So nicht, Herr Minister. – Da-als haben Sie folgende Lösung vorgeschlagen – dieseäre für Sie die bessere gewesen; als Finanzministerätte ich mich auch für diese Lösung eingesetzt –: DiefW sollte die Deutsche Ausgleichsbank kaufen. In deriskussion war ein Preis von 2,7 Milliarden DM. Davonollten Sie als Hauptanteilseigner 1,5 Milliarden DMekommen. Dieses Geld hätten Sie gut gebrauchenönnen. Aber wir waren dagegen, weil dieses Geld derirtschaftsförderung entzogen worden wäre. Der heute
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Otto Bernhardtvorgeschlagene Weg ist aus unserer Sicht der richtigeWeg. Es gibt keinen Kauf, sondern eine Fusion. In die-sem Punkt stimmen wir überein.Es gibt aber vier Punkte, bei denen wir noch Diskus-sionsbedarf sehen. Der erste Punkt ist die Bezeichnung„Mittelstandsbank“. Ich gestehe zu, dass dieser Namesehr plakativ ist. Aber er könnte und wird vielleicht ei-nen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen.
Letztlich ist die Mittelstandsbank keine Bank.
Sie ist vielmehr eine Abteilung der KfW, und zwar dieAbteilung, in der alle öffentlichen Förderungen für denMittelstand zusammengefasst werden sollen. Wir wolleneinmal abwarten, wie sich die Verbände der Kreditinsti-tute zu diesem Namen stellen. Für mich und für alleFachleute steht fest: Die eigentlichen Mittelstandsban-ken in Deutschland sind nun einmal die Sparkassen undGenossenschaftsbanken. Das weiß jeder, der vor Ort tä-tig ist.
Warten wir einmal das Anhörungsverfahren ab.Nun zum zweiten Punkt, der für uns sehr wichtig ist.Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, Herr Minister, dass esgrundsätzlich beim Hausbankenprinzip bleibt. AlsNichtjurist mache ich mir immer Sorgen, wenn der Be-griff „grundsätzlich“ fällt; jeder Jurist weiß, dass das einEinfalltstor ist. In dem Gesetzentwurf heißt es, dass mitZustimmung des Verwaltungsrates von diesem Grund-satz abgewichen werden kann. Nun stellt die EU sicher,dass man das aufgrund der Wettbewerbsproblematiknicht im großen Umfang machen kann. Aber einige ver-suchen, das Hausbankenprinzip aufzuweichen, weil dieMittel von KfW und Deutscher Ausgleichsbank in denletzten Jahren deutlich weniger in Anspruch genommensind. Allein bei den Existenzgründungen ist die Inan-spruchnahme in zwei Jahren um knapp 40 Prozent zu-rückgegangen. Wir bedauern das gemeinsam.Die Ursachen liegen allerdings nicht darin, dass dieGeschäftsbanken nicht vernünftig handeln würden. Fürden Rückgang der Förderung gibt es unterschiedlicheGründe. Natürlich leben wir nicht in einer Zeit, in der essehr verlockend ist, sich selbstständig zu machen. Natür-lich leben wir auch nicht in einer Zeit, in der die Firmenviele Investitionen tätigen und entsprechend viele KfW-Mittel benötigen. Wir haben außerdem ein so niedrigesZinsniveau, dass es sich oft gar nicht lohnt, diese Mitteleinzusetzen.Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, über den wirnachdenken müssen. Für die Kreditinstitute rechnet sichoft die Inanspruchnahme dieser Mittel nicht. Wir müssenudvsnztehdmdWatrtüdwsSSvlDdBtsoedtßtutgshtWdvAdGh
ir können zwar noch nicht genau übersehen, wen Sielles vorschlagen werden. Ich glaube aber, dass es wich-ig ist – vielleicht kann nachher ein Mitglied der Regie-ungsfraktionen etwas dazu sagen –, dass in diesem Mit-elstandsrat die Kreditinstitute vertreten sind.Aber was vielleicht noch wichtiger ist: Wenn manber Mittelstandspolitik in einem Gremium einer Bankiskutiert, dann muss man sich den Sachverstand ausichtigen Bereichen des Mittelstandes – ich denke bei-pielsweise an das Handwerk – hereinholen.
ie haben dazu nichts gesagt. Es hat überhaupt keineninn, ein Gremium zu schaffen, in dem die Regierungs-ertreter die Mehrheit haben, und dann zu glauben, esaufe alles in geordneten Bahnen. Das ist keine Lösung.er letzte Punkt, bei dem wir noch einen Diskussionsbe-arf sehen, ist der Verwaltungsrat der erweiterten KfW.isher sind in den Gremien der KfW keine Abgeordne-en. Bei der Deutschen Ausgleichsbank sind in den ent-cheidenden Gremien sechs Abgeordnete. Die KfW hatft mit Neid darauf geschaut, dass diese Abgeordneteniniges bewirken konnten.Deshalb ist jetzt vorgesehen, in den Verwaltungsrater KfW drei Abgeordnete aufzunehmen. Nur, wir soll-en überlegen, ob die Zahl drei wirklich die richtige Grö-enordnung ist. Wir sollten diese Frage auch einmal un-er dem Gesichtspunkt der Beteiligung aller betrachtennd über die genaue Größe vielleicht noch einmal disku-ieren.Lassen Sie mich abschließend für meine Fraktion Fol-endes bemerken: Der vorgesehene Weg, die beiden In-titute zu fusionieren, ist aus unserer Sicht richtig. Dasohe Anspruchsniveau, das mit dem Gedanken der Mit-elstandsbank verbunden wird, scheint uns über dieseneg nicht erfüllbar zu sein. Wir werden unseren Beitragazu leisten, dass der vorliegende Gesetzentwurf zügigerabschiedet wird, natürlich nach einem ordentlichennhörungsverfahren und nach ordentlichen Beratungen.Ich habe einmal in die früheren Protokolle des Bun-estages geschaut: Wichtige Entscheidungen über dieestaltung der öffentlichen Förderinstitute wurdenier im Hause fast immer mit einer großen Mehrheit
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Otto Bernhardtgetroffen. Ich glaube, das ist gut so für den wichtigenBereich der Wirtschaftsförderung. Die Signale stehenbei uns auf Zustimmung. Dennoch haben wir weiterenDiskussionsbedarf.Danke schön.
Ich erteile Kollegin Christine Scheel, Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Bernhardt, es ist wirklich sehr zu begrüßen, dasssich die Union unserem Ansinnen anschließt. Es istselbstverständlich, dass wir darüber in geordneten parla-mentarischen Verfahren, wie wir das immer tun,
diskutieren werden. Natürlich ist auch sichergestellt,dass wir in diesem Zusammenhang eine Sachverständi-genanhörung durchführen werden und man sich über deneinen oder anderen Punkt, den Sie angesprochen haben,verständigen wird.
Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer in die-sem Land ist es in den letzten Jahren zunehmend schwie-riger geworden,
an Kredite zu kommen. Das hat verschiedene Ursachen;wir haben schon oft darüber diskutiert. Ganz ursächlichdafür ist der Wandel der Finanzmärkte. Er stellt neueAnforderungen an die Finanzierung der kleinen und mit-telständischen Unternehmen.Hinzu kommt – das darf man nicht unterschätzen –,dass die Banken selbst mit strukturellen Problemen zukämpfen haben, die ihnen – teilweise selbst verschuldet,teilweise aufgrund der weltwirtschaftlichen Situation –
die Bilanzen verhageln. Nicht zuletzt besteht zumindestim internationalen Vergleich im deutschen Mittelstandeine sehr niedrige Eigenkapitalausstattung.Auch die Globalisierung der Finanzmärkte darf nichtdazu führen, dass kleine und mittlere Unternehmen aufder Strecke bleiben. Hier ist es die Aufgabe der Politik,ihnen einen ausreichenden Zugang zu Krediten offen zuhalten und Möglichkeiten zur Schaffung von Eigenkapi-tal anzubieten.Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinwei-sen – denn es gehört in gewisser Weise zusammen –,debiEMiMfmknkdAehlsBknlttdbnFWrikFAbbpsDtHbdEidwnd
Nicht zuletzt stellen die sehr schwierigen Finanzie-ungsbedingungen höhere Anforderungen an die Förder-nstitutionen. Deswegen wollen wir den Zugang vonleinen und mittleren Unternehmen zu geeigneteninanzierungsquellen fördern. Ganz oben auf dergenda stehen zielgruppenspezifische Beratungsange-ote, die ein sehr klares und übersichtliches Förderange-ot beinhalten.Deshalb bin ich sehr froh, dass wir jetzt die lang ge-lante Fusion – oder wie man es auch immer nennenoll – von Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, undeutscher Ausgleichsbank, DtA, umsetzen. Nach außenreten KfW und DtA – das bitte ich zu berücksichtigen,err Bernhardt – schon jetzt zusammen als Mittelstands-ank auf. Die Internetplattform, die Telefonberatung undie Antragsformulare sind einheitlich.
s ist gut, dass das endlich beschleunigt vorangegangenst.Mit dem Förderbankenneustrukturierungsgesetz wer-en die beiden Häuser – der Minister hat darauf hinge-iesen – formell verschmelzen. Die beiden Banken kön-en ihr Wissen jetzt bündeln. Als neue Mittelstandsbankes Bundes innerhalb der KfW-Gruppe können sie ihre
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Christine ScheelRessourcen zu einem einheitlichen Förderangebot zu-sammenführen. Das ist auch gut so.Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Das Förder-angebot des Bundes für den Mittelstand wird effizienterund transparenter. Gründer und mittelständische Unter-nehmen haben es leichter, sich zu orientieren. Außerdem– auch das muss man sehen – wird die neue Mittel-standsbank kompetenter Ansprechpartner für alle Finan-zierungsfragen sein können. Hier kann sie nahtlos an dassehr umfassende Beratungs- und Betreuungswissen derDeutschen Ausgleichsbank anknüpfen. Sie kann dasSpektrum dieser Beratungsleistungen von der Gründungbis zum Generationenwechsel dementsprechend gut aus-füllen.Künftig gibt es eben nur noch einen Ansprechpartnerauf dieser Ebene der zwei Banken für die Mittelstands-förderung. Das ermöglicht auch – das darf man nicht un-terschätzen – ein einfacheres und kostengünstigeres An-tragsverfahren. Die Bearbeitungskosten der Bankensinken, sodass sie in Zukunft mehr Interesse an derDurchleitung von Förderkrediten haben.Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit dieskeine leeren Versprechungen bleiben, durchforsten der-zeit Arbeitsgruppen innerhalb dieser Banken die För-derprogramme beider Institutionen und strukturierensie neu. Überschneidungen sollen damit beseitigt, Pro-zesse gestrafft werden. Die Kreditprogramme werdenübersichtlicher. Die Vielzahl der Fördermöglichkeiten inDeutschland ist heute selbst für die Hausbanken oftmalsunüberschaubar. Die Informationen kommen nicht an,die Leute sind in der Beratung überfordert. All dies sollbesser werden, sowohl für die vermittelnden Banken alsauch für die Kreditnehmer.
Es wird in der neuen KfW einen Mittelstandsrat ge-ben. Dieser wird künftig über Vorschläge des Vorstandeszur Förderung des Mittelstandes beraten und auch be-schließen. Herr Bernhardt hat auf die Zusammensetzunghingewiesen. Darüber können wir natürlich diskutieren.Für uns Grüne war es zum Beispiel wichtig, dass es indem Mittelstandsrat einen Vertreter der Umweltseitegibt, sodass sichergestellt wird, dass bei dessen Ent-scheidungen auch die nationale Nachhaltigkeitsstrategieausreichende Berücksichtigung findet. Wir setzen unsdafür ein, dass sich die neue KfW verpflichtet, bei ihrergesamten Geschäftstätigkeit die nationale Nachhaltig-keitsstrategie zu berücksichtigen.
Ich komme zum Schluss. Neben der Einrichtung derneuen Mittelstandsbank wollen wir, sozusagen flankie-rend, das Förderinstrumentarium des Bundes stärken.Neben dem Angebot innovativer Instrumente wie Glo-baldarlehen und Verbriefungen müssen die etabliertenInstrumente wie zinsverbilligte Programmkredite undEigenkapitalfinanzierungen weiterentwickelt werden.Die wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der mittel-ständischen Unternehmen wird in erster Linie nämlichsddtidmÜwzFHBzkhmHsMAnsDDiFkdggiAzdzgLnisum
Ich erteile das Wort Kollegen Hermann Otto Solms,
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Eine Konzentration der Fördermaßnahmen desundes unter einem Dach und eine Entzerrung der ein-elnen Programme sind seit langem überfällig. Die Dis-ussion darüber führen wir mittlerweile über zehn Jahreinweg.Der vorgeschlagene Weg ist aber nicht der einzigögliche.
err Bundesfinanzminister, Sie wissen, dass die FDPchon in der alten Koalition den Weg bevorzugt hat, dieittelstandsförderung unter dem Dach der Deutschenusgleichsbank zu konzentrieren und die anderen Maß-ahmen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu belas-en. Dies hätte eine klare Aufgabentrennung bedeutet.adurch hätte man das gewachsene Vertrauen, das dieeutsche Ausgleichsbank im Mittelstand auch durchhre Tätigkeit vor Ort gewonnen hat, bei der weiterenörderung des klein strukturierten Mittelstands nutzenönnen. Sie haben nun einen anderen Weg gewählt, derurchaus gangbar ist; das will ich ohne weiteres bestäti-en. Wir als FDP-Fraktion werden am Ende der Beratun-en entscheiden, ob wir dem zustimmen oder nicht.
Verbunden mit diesem Weg ist die Entscheidung – dasst bei Ihnen zu lesen –, unter dem Dach der KfW einebteilung einzurichten, die als Mittelstandsbank be-eichnet wird. Ich habe dabei ein wenig Bedenken; dennas führt, wie der Kollege Bernhardt schon gesagt hat,u einem Ablenken von den eigentlichen Fragestellun-en und Aufgaben der Mittelstandsbanken, die in ersterinie im Bereich der Sparkassen- und Volksbankenorga-isationen beheimatet sind. Die Förderbank des Bundest keine Mittelstandsbank im Sinne einer Hausbank; sienterstützt vielmehr die Tätigkeit der Hausbanken. Dasuss deutlich werden.
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Dr. Hermann Otto SolmsBeim Erfinden von Etiketten und Bezeichnungen hatdie Bundesregierung schon die Qualität einer Werbe-agentur angenommen.
Ich erinnere nur an ihre Bezeichnungen Small-Business-Act, Ich-AG, Personal-Service-Agenturen, Ökosteuer,JUMP usw. Ich könnte diese Aufzählung noch weiter-führen. Es kommt aber nicht auf die Bezeichnungen an,sondern auf den Inhalt; darauf möchte ich hier hinwei-sen.
So schön die Bezeichnungen auch sind, wenn der Inhaltnichts taugt, dann ist das Ganze nichts wert.
Also wollen wir uns auf den Inhalt konzentrieren. Wenndieser Vorschlag zu etwas Besserem führt als zu dem,was wir heute haben, dann wird er unsere Unterstützungfinden.Zum Mittelstandsrat will ich noch eine Bemerkungmachen. Es ist interessant, dass wieder ein neues Gre-mium geschaffen werden soll, das Sachkompetenz ver-mitteln soll, wobei aber nicht garantiert ist, dass es wirk-lich sachkompetent ist. In Ihrer Begründung steht:Einen zentralen Stellenwert in der Mittelstandsför-derung erhält der Mittelstandsrat als neues gesetz-liches Gremium.Der letzte Satz lautet:Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeitwird in diesem Gremium die Mehrheit der Mitglie-der stellen.Wenn ich das so lese, dann stellen sich mir einige Fra-gen, zum Beispiel, ob die Behandlung von Problemendes Mittelstandes, deren Lösung wirklich Kompetenz er-fordert, im Hause des Wirtschaftsministeriums richtigangesiedelt ist. Dort gibt es natürlich kompetente Leute.
Die Praktiker im Mittelstand und bei den Mittelstands-banken, nämlich bei den Sparkassen, sowie den Bankeninsgesamt verstehen von den praktischen Problemen undauch von den Finanzierungsproblemen des Mittelstandesweit mehr als die Angehörigen eines Ministeriums,
die ihre Informationen immer nur gefiltert aufnehmenkönnen und deswegen keine eigenen persönlichen Ein-drücke von den Problemen haben.gsksmwwPFaEoSumsiswhnFP
Deswegen sollten wir im Finanzausschuss – ich weißar nicht, wo die Frau Vorsitzende des Finanzausschus-es jetzt hingegangen ist – darüber beraten, ob das eineluge Lösung ist oder ob es nicht, wenn man schon einenolchen Rat einsetzt, besser wäre, ihn im Wesentlichenit Praktikern zu besetzen. Ich hätte nichts dagegen,enn der Bundeswirtschaftsminister den Vorsitz führenürde, dann könnte er nämlich auch noch etwas über dierobleme des Mittelstandes lernen. Ich hielte es für eineehlentwicklung, ihn einseitig mit Beamten zu besetzen.
Es ist interessant, dass zwar der Bundesfinanzministernwesend ist, der Bundeswirtschaftsminister aber nicht.
s scheint in dieser Frage eben doch eine gewisse Rang-rdnung zu geben.
olange der Bundeswirtschaftsminister „Müller“ hießnd nicht der SPD angehört hat, war eine Einigung nichtöglich. Sie ist erst möglich, seitdem Herr Clement die-es Amt ausübt. Das sind aber keine wichtigen Fragen.
Herr Bundesfinanzminister, wir werden dieses Gesetzm Detail beraten und möglicherweise Änderungsvor-chläge einbringen. Danach werden wir entscheiden, obir dem Gesetz insgesamt zustimmen oder nicht. Ichalte den Weg einer Konzentration der Förderungsmaß-ahmen des Bundes im Prinzip aber für richtig.Vielen Dank.
Ich erteile dem Kollegen Stephan Hilsberg, SPD-
raktion, das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herrräsident!
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Stephan Hilsberg– Ich werde es hier ganz staatstragend gestalten. Manfreut sich sehr, dass ein solches Projekt von zentraler Be-deutung diese einhellige Zustimmung nicht nur bei derKoalition, sondern letztlich auch bei der Opposition fin-det. Es muss also wirklich richtig sein.
Herr Solms, Ihre Bemerkung – Sie begrüßten diesesAnliegen prinzipiell und sagten, Sie hätten sich schonvor zehn Jahren darum bemüht – provoziert mich danndoch zu einer kleinen Reflexion. Genau das ist nämlichder Unterschied zwischen der alten Kohl-Regierung undder Schröder-Regierung: Sie haben sich bemüht und wirhaben es gestemmt. Wir führen die Reform, die Sie nurversucht und angestrebt haben, durch.
Die Vorteile dieser Mittelstandsbank liegen auf derHand. Dazu ist bereits eine Menge gesagt worden. Ichnenne nur die Stichworte Entbürokratisierung undFörderung aus einer Hand. Die Bundesförderbankenmachen sich zukünftig keine Konkurrenz mehr. Dasspielt eine große Rolle. Es gibt so etwas wie eineFusionsrendite. Für den Mittelstand ist es ausgesprochenzu begrüßen, dass kein Kaufpreis gezahlt wird, sonderndass die Deutsche Ausgleichsbank mit der Kreditanstaltfür Wiederaufbau unmittelbar verschmolzen wird. Die-ser Verschmelzungsvorgang führt nämlich dazu, dass daszur Verfügung stehende Eigenkapital nicht vermindertwird, sodass die Synergieeffekte größer werden. Ob manangesichts der Bankenentwicklung in den letzten Jahrennoch von einem Kaufpreis hätte reden können, wie dasin der letzten Legislaturperiode noch der Fall war, warohnehin mit einem Fragezeichen zu versehen.Das war der eine Teil des Förderbankenneustrukturie-rungsgesetzes. Der andere Teil ist nicht weniger wichtig,vielleicht sogar von größerer Tragweite. Dabei geht esnämlich um die Erfüllung einer Verpflichtung des Bun-des gegenüber der Europäischen Kommission, die sichaus einer Verständigung über die öffentlich-rechtlichenBanken in der Bundesrepublik ergibt. Wie Sie wissen,war eine Beschwerde gegen die Landeszentralbankenund die Sparkassen Anlass dieser langwierigen und nichtganz einfachen Verhandlungen. Es ging also nicht gegendie Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Landwirt-schaftliche Rentenbank, die das alles betrifft. Die Euro-päische Kommission hat diesen Vorgang zum Anlassgenommen, das gesamte öffentlich-rechtliche Banken-wesen in Deutschland einer Überprüfung zu unterziehen.Dieses Thema, obwohl es im Text knochentrocken be-handelt wird, hat doch erheblichen Konfliktstoff in sichgeborgen. Es ist von erheblicher Auswirkung für dieweitere Förderung, für die Wirtschaftstätigkeit und alldas, was öffentlich gefördert werden muss und mit demBegriff der Daseinsvorsorge umschrieben wird.Im Wesentlichen geht es um einen Hauptinteressen-konflikt: die Förderung des Wettbewerbs als den VaterdeFtnukD–HKtKdLchdrnDwsddsdpbtAmDGtpVawzdwFwtddgbs
Die Frage ist positiv beantwortet. Ich möchte mich beierrn Minister Eichel, aber auch Herrn Staatssekretäroch-Weser bedanken, dass sie hier einen sehr vernünf-igen Kompromiss zustande gebracht haben. Dieserompromiss ist insbesondere für den Bund vorteilhaft;enn für die Kreditanstalt für Wiederaufbau und auch dieandwirtschaftliche Rentenbank bleibt es bei der staatli-hen Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung. Daseißt, dass diese Banken weiterhin in der Lage sein wer-en, zu absolut günstigen Bedingungen Refinanzie-ungsmittel auf dem öffentlichen Kapitalmarkt aufzu-ehmen.
as bedeutet, dass sie weiterhin mit AAA gewertet seinerden, dass für sie die Förderbedingungen generellehr günstig sein werden und sie für die staatlichen För-eraufgaben nach wie vor höchst effizient bleiben wer-en.Der andere Punkt – Herr Schauerte, Sie schauen micho ungläubig an – besteht darin, dass die Aktivitäten beier Kreditanstalt für Wiederaufbau, beispielsweise Ex-ortfinanzierung, die nicht unmittelbar in diesen Förder-ereich hineingehören, also reine Wettbewerbsaktivitä-en, ausgegliedert werden müssen. Hier besteht keinenstaltslast mehr. Dies ist der Unterschied. Ich glaube,it diesem Kompromiss kann man gut leben, vor alleningen, weil wir für die anderen Bereiche die staatlichenarantien beibehalten haben.Der Vorwurf lautete – das wird sich bei der Beobach-ung des weiteren Gangs der Dinge herausstellen –, dierivaten Geschäftsbanken seien aufgrund von welchenorgängen auch immer – Quersubventionierungen undnderes – nicht in der Lage, im Wettbewerb, beispiels-eise bei der Export- oder Wohnungsfinanzierung, mit-uhalten, weil die öffentliche Hand zu stark fördere. Obieser Vorwurf stimmt, wird sich erst dann herausstellen,enn sich die Geschäftsbanken tatsächlich auf dieseseld begeben. Bei der Exportfinanzierung beispielsweiseage ich das zu bezweifeln.Im Übrigen ist es so, dass die Ausgangslage der künf-igen Bank, die eine Exportfinanzierung zu leisten hat,ermaßen exzellent ist, dass sie sich vor Wettbewerb anieser Stelle überhaupt nicht zu fürchten braucht. Sie istut aufgestellt und auch die Kreditanstalt für Wiederauf-au kann beste Zahlen vorweisen. Damit können wirehr zufrieden sein.
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Stephan HilsbergHerr Bernhardt hat im Zusammenhang mit der neuenMittelstandsbank und dem Mittelstandsrat ein Problemaufgeworfen. Wir sehen die Probleme in dieser Art nicht.Für uns stellen sie sich nicht, aber wir können selbstver-ständlich im Ausschuss miteinander darüber reden. Wasmir sehr gut gefallen hat, obwohl ich aus dem Ostenkomme, ist der Hinweis auf das ERP und die histori-schen Wurzeln der Kreditanstalt für Wiederaufbau, diemit den USA eng verbunden ist; das ist gar keine Frage.
Kollege Hilsberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Hinsken?
Ja, bitte.
Herr Kollege Hilsberg, Sie reden dieser Fusion das
Wort. Ihre Meinung wird fraktionsübergreifend geteilt.
Sie haben vor allen Dingen auf verschiedene Verbesse-
rungen verwiesen. Nun ist in Zukunft der bisher bekannte
Wettbewerb zwischen KfW einerseits und Deutscher
Ausgleichsbank andererseits nicht mehr vorhanden. Das
muss sich irgendwo positiv niederschlagen.
Wo, meinen Sie, liegen für die mittelständischen Un-
ternehmer durch diese Fusion die Vergünstigungen?
Können sie davon ausgehen, dass die Zinsen gesenkt
werden, nachdem es nur noch einen Anbieter und somit
weniger Bürokratie gibt, und dass es in Zukunft seitens
dieser neuen Bank mehr Verständnis für den Mittelstand
geben wird, als das in der Vergangenheit bislang der Fall
war?
Herr Hinsken, das war der Teil der Rede, den ich be-
reits vor fünf Minuten abgehandelt hatte. Aber Sie kön-
nen die Frage selbstverständlich auch jetzt stellen. Sie
hängt mit den Stichworten Entbürokratisierung, Syner-
gieeffekte und Fusionsrendite zusammen. Die „Financial
Times Deutschland“ spricht von Synergieeffekten in
Höhe von 75 Millionen Euro, allein was die Tätigkeit
der Bank betrifft. Das alles sind Vorteile, die sich unmit-
telbar auf den Mittelstand auswirken.
Alles andere wird eine Frage der unmittelbar konkreten
Tätigkeit der künftigen Mittelstandsbank selber sein, und
es wird auch unsere Aufgabe sein,
so wie es immer die Aufgabe des Parlaments ist, zu se-
hen, ob sich die Erwartungen, die man an diese neue In-
stitution hat, auch tatsächlich erfüllen.
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Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was ich zu
en USA gesagt habe.
ch als ehemaliger DDR-Bürger hätte es sehr gern gese-
en, wenn das Angebot der Marshall-Programme sei-
erzeit auch für Ostbetriebe gegolten hätte. Dass das
icht der Fall war, ist der Politik im Kalten Krieg ge-
chuldet. Das ist etwas, worauf man gemeinsam auf-
auen kann. Auf der anderen Seite gilt auch das, was der
anzler in einem anderen Zusammenhang gestern ge-
agt hat. Für die künftige Finanzpolitik im Interesse
eutschlands kann gegenüber den USA nicht die Devise
elten: Hand an die Hosennaht! Das ist die falsche De-
ise. Ich nehme nicht an, dass Sie das als Folge implizie-
en wollten.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die gravie-
enderen Auswirkungen, wenn sie überhaupt vorhanden
ind, treffen nach meiner Einschätzung eher die Sparkas-
en und die Genossenschaftsbanken. Auch dies wird ein
unkt sein, über den man im Ausschuss zu reden hat.
ber immerhin ist doch in vielen Kleinigkeiten ein Fort-
chritt zu bemerken.
Dieses jetzt vorliegende Gesetz schafft beispielsweise
en Begriff der Körperschaft für die Kreditanstalt für
iederaufbau ab. Der ist 1948 eingeführt worden und
ar schon damals falsch. Die Kreditanstalt für Wieder-
ufbau war niemals eine Körperschaft, sondern sie war
mer eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Re-
orm dieses Begriffs hat 55 Jahre gedauert. Die gemein-
ame Mittelstandsbank zu schaffen hat, soweit ich das
ehen kann, seit dem Kabinettsbeschluss in der letzten
egislaturperiode zwei Jahre gedauert. Das zeugt von ei-
er erheblichen Dynamik der Reform, die wir vorhaben.
ch lade Sie alle ein, auch die Damen und Herren von der
pposition, an dieser Reform mitzuwirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Frau Kollegin Dagmar Wöhrl,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!enn man an die euphorischen Worte von Rot-Grün inen letzten Wochen denkt, als von der Integration dereutschen Ausgleichsbank in die KfW gesprochen
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Dagmar Wöhrlwurde, dann hat man manchmal das Gefühl, hier sei dasberühmte Ei des Kolumbus gefunden worden. Aber demist mitnichten so. Wir freuen uns zwar, dass es endlichnach „nur“ drei Jahren gelungen ist,
einen internen Kompetenzstreit zwischen Wirtschaftsmi-nister und Finanzminister aus dem Weg zu räumen, da-mit jetzt endlich an der DtA ein neues Schild mit derAufschrift Mittelstandsbank angebracht werden kann.Das hat nämlich so lange gedauert, weil sich der Finanz-minister und der Wirtschaftsminister nicht einigen konn-ten, wer Vorsitzender des Verwaltungsrates wird. Daswar der Grund, warum die notwendige Fusion so langeverschleppt worden ist.Wir wünschen uns alle unisono hier im Saal, dasswirklich die Synergieeffekte, die man sich verspricht,und eine bessere Verzahnung der Förderpolitik eintretenwerden. Wir erhoffen uns auch, dass endlich viele büro-kratische Förderprogramme hier konzentriert und zu-künftig einfacher und transparenter an den Bürger ver-mittelt werden.Aber das Grundproblem, das wir bei der Mittelstands-finanzierung haben, wird mit diesem Schritt in keinerArt und Weise gelöst. Es heißt so schön: Eine tolle Lö-sung, schade dass sie nicht zum Problem passt.
Um das zu begreifen, meine Damen und Herren, mussman einen Blick auf die Lage unseres Mittelstands wer-fen und die Gründe für die Finanzklemme diskutieren.Für 45 Prozent der Unternehmen in unserem Land ha-ben sich die Finanzierungsbedingungen in den letztenJahren vehement verschlechtert.
Rund ein Drittel hat Probleme, überhaupt noch einenKredit aufnehmen zu können. Gleichzeitig verzeichnenwir einen immensen Einbruch bei der Umsatzrentabili-tät, und zwar auf breiter Front. Allein 30 Prozent derUnternehmen haben im Bilanzjahr 2001 fast überhauptkeinen Gewinn mehr gemacht, man kann wirklich sagen,dass unsere mittelständischen Unternehmen arm dransind; das gilt auch im europäischen Vergleich.Wenn Sie die Umsatzrenditezahlen, die uns aus demJahr 2000 vorliegen, international vergleichen, zeigt sichfolgendes Bild: Der Jahresüberschuss nach Steuern be-trug in Spanien im Jahr 2000 7,2 Prozent, in der Schweiz7 Prozent, in Dänemark 5,7 Prozent, in den USA5,4 Prozent und in Deutschland magere 3,4 Prozent. Ichglaube, diese Zahl spricht für sich.Wenn Sie dann auch noch die magere Eigenkapital-quote berücksichtigen, mit der wir im internationalenVergleich wirklich am unteren Ende liegen – sie liegtteilweise bei 0 bis 2,9 Prozent –,zmkFsSlcpdmhßstkdd1nnttMeddtgem–jwv1gun
eigt sich, dass 97 Prozent mit Fremdkapital arbeitenüssen, weil sie sonst überhaupt nicht über die Rundenämen.
Wir haben es auf der einen Seite mit einem steigendeninanzierungsbedarf und auf der anderen Seite mit einerinkenden Eigenkapitalbasis zu tun. Hier öffnet sich einechere, die für die Zukunft unserer Betriebe ganz gefähr-ich werden kann. Hier müssen eigentlich die Alarmglo-ken läuten.
Was tun Sie gegen dieses Manko? 38 000 Firmen-leiten gab es im letzten Jahr. Diese Zahl umfasst nuriejenigen, die einen Insolvenzantrag gestellt haben, dasuss man in diesem Zusammenhang immer im Auge be-alten. Diejenigen, die still und leise ihre Tür zuschlie-en, weil sie einfach nicht mehr existieren können, weilie keine Aufträge mehr erhalten, werden in keiner Sta-istik erfasst. Allein die Zahl von 38 000 ist ein Nach-riegsrekord. Betrachten wir die Zahlen, die jetzt voner Kreditreform herausgegeben worden sind, dann istavon auszugehen, dass noch einmal mit 10 bis5 Prozent Insolvenzen mehr als im letzten Jahr zu rech-en ist.Man muss sich auch fragen: Was ist mit den Unter-ehmen, die am Markt geblieben sind? Ihre Investi-ionsbereitschaft ist auf breiter Ebene auf einem his-orischen Tiefstand. Nur knapp ein Viertel allerittelständler ist noch bereit zu investieren. Über Neu-instellungen will ich überhaupt nicht reden.
Wenn man sich die Zahl der Unternehmensgrün-ungen ansieht, fällt auf, dass der Unternehmenssaldoramatisch zusammengebrochen ist. Seit dem Amtsan-ritt von Rot-Grün hat sich die Zahl der Nettogründun-en sage und schreibe halbiert. Mittlerweile gibt es nochinen Positivgründungssaldo von gut 33 000 Unterneh-en, das sind fast 35 000 weniger als vor vier Jahren.
Wenn Sie, Frau Skarpelis-Sperk, davon ausgehen, dassedes dieser Unternehmen Arbeitsplätze schafft, auchenn es nur ein bis drei Arbeitsplätze sind – gehen wiron einem Minimum aus –, dann fehlen noch einmal20 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich.
Jetzt haben Sie den neuen Namen „Mittelstandsbank“eprägt. Wir sind für den Zusammenschluss von KfWnd DtA, es ist gut, dass er stattgefunden hat. Ich kannur Lobenswertes über die DtA und die KfW sagen.
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3146 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003
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Dagmar WöhrlBeide Banken haben aber schon existiert, es handelt sichalso um nichts Neues, wie hier suggeriert wird. Die neueMittelstandsbank hilft uns bei den Finanzierungsproble-men der mittelständischen Betriebe nicht weiter.Sicher sind Staatskredite wichtig und sie helfen auch,aber sie helfen nicht dabei, die wirklichen Probleme inunserem Land anzugehen. Die Vergabe von Staatskredi-ten darf nicht der einzige Weg sein, den Sie einschlagen.Sie müssen auch den Mut haben, andere Wege zu gehen.Gehen wir davon aus – das erhoffen Sie sich –, dassdie kleinen und mittelständischen Betriebe zukünftigSchlange stehen, um von der Mittelstandsbank Fremd-kapital, das sie zu geben bereit ist, zu bekommen. Den-ken Sie aber auch an die Hausbanken, dort stehen dieMittelständler nämlich vor der Tür. Die Hausbanken sinddiejenigen, die den Kreditwunsch prüfen und durchlei-ten. Hier liegt das Problem, bei den Hausbanken musszukünftig angesetzt werden.
Man muss sich auch die Frage stellen, warum die pri-vaten Banken in letzter Zeit so zurückhaltend bei derKreditvergabe vorgehen. Gehen wir dem doch auf denGrund! Die Ursachen dafür sind die schlechte wirt-schaftliche Ausgangslage in unserem Land und das da-mit verbundene hohe Ausfallrisiko, das die Banken zutragen haben. Wir wissen schließlich, was in letzter Zeitdurch die vielen Insolvenzen von sehr vielen kleinen undmittelständischen Kreditnehmern auf die Banken zuge-kommen ist.
Es wird immer wieder sehr leichtfertig Bankenscheltebetrieben. Man muss aber auch nach den Gründen fürdie restriktive Haltung fragen, die die Banken sehr ofteinnehmen. Ich glaube nicht, dass man jedem Managereine böse Absicht unterstellen kann.
Vielmehr beruht diese Haltung sehr oft auf handfestenbetriebswirtschaftlichen Kostenkalkulationen der Kre-ditinstitute, die auch notwendig sind.
Ich glaube, es ist durchaus verständlich, dass die Pri-vatbanken angesichts der gegenwärtigen wirtschaft-lichen Lage, die Sie mit zu verantworten haben, meineDamen und Herren von der Regierung,
genau prüfen, ob sie einen Kredit gewähren können. Indieser Situation nützt ein einfaches Logo, wie es mit derneuen Bezeichnung „Mittelstandsbank“ eingeführtwurde, überhaupt nichts.Wir sind für den Zusammenschluss. Das haben wirbereits festgestellt. Wir sind aber dagegen, dass etwassuggeriert wird, was gar nicht eintreten wird.SRFddrsdtHbdnwsnrsZvAVngdbDESwnMfgssvaR
ie schüren bei den Mittelständlern Hoffnungen auf eineeform, durch die sie schneller Kredite und bessereinanzierungsmöglichkeiten bekommen als früher. Aberas ist nicht der Fall. Wir erwarten von Ihnen, dass Sieie Wahrheit sagen.
Wenn es Ihnen wirklich darum geht, bessere Finanzie-ungsmöglichkeiten für den deutschen Mittelstand zuchaffen, dann müssen Sie die Rahmenbedingungen än-ern. Wir müssen erreichen, dass die geringe Eigenkapi-alausstattung der Betriebe überwunden wird. Denn dieauptfinanzierungsquelle der Mittelständler ist die Ein-ehaltung der Gewinne im Unternehmen. Deswegen istie Stärkung der Innenfinanzierung bzw. der Selbstfi-anzierung der Unternehmen notwendig. Das erfordertiederum eine bessere Eigenkapitalausstattung und bes-ere Möglichkeiten, kostengünstig Fremdkapital aufzu-ehmen.Sie müssen damit aufhören, alternative Finanzie-ungsformen stiefmütterlich zu behandeln. Auch in die-em Bereich müssen Sie neue Wege gehen.Wir brauchen einen starken Finanzplatz. In diesemusammenhang haben wir einen entsprechenden Antragorgelegt, der über 50 Punkte enthält. Lesen Sie unserenntrag! Unser Weg ist richtig und gut. Ideen wie dieersendung von Kontrollmitteilungen über 300 Millio-en Konten werden Sie darin vergeblich suchen.
Die Umsätze und die Binnennachfrage müssen gestei-ert werden. Das ist nur möglich, wenn Sie es zulassen,ass die Menschen wieder mehr Geld in der Tasche ha-en.
ie von Ihnen vorgenommenen Maßnahmen wie dierhöhung der Sozialbeiträge und die Rücknahme vonteuersenkungen, die bereits im Gesetzesblatt aufgeführtaren, sind nicht der richtige Weg.Damit es klar wird: Eine Ankurbelung der Binnen-achfrage kann meiner Meinung nach nicht nach demuster à la Müntefering „Mehr für den Staat – wenigerür den privaten Verbrauch“ erfolgen. Das ist so grundle-end falsch, dass mich diese Aussage noch immer er-chüttert.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass die Ge-undheitsministerin im Dezember vergangenen Jahresersichert hat: Nach der Anhebung der Rentenbeiträgeuf 19,5 Prozent ist erst einmal Ruhe. Sie hat in der Tatecht gehabt, aber in Bezug auf einen anderen Bereich.
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Dagmar WöhrlIn vielen Tausend Unternehmen ist Ruhe. Die Kundenbleiben weg; die Produktionsräder stehen still und dieMitarbeiter bleiben nach betriebsbedingten Kündigun-gen zu Hause. Diese Ruhe werden Sie noch verstärken,wenn Sie die Sozialbeiträge weiter erhöhen.
Ein Mittelständler muss inzwischen knapp 23 Prozentdes Unternehmensumsatzes für Personalkosten – fürLöhne, Gehälter und Lohnnebenkosten – ausgeben. FürGroßunternehmen beträgt der Personalaufwand hinge-gen nur 17,5 Prozent. Das heißt, Sie müssen die struktu-rellen Reformen angehen, um dem Mittelstand zu helfen.Wir brauchen eine größere Flexibilität im Arbeits-recht. Darauf muss ich nicht näher eingehen; unsereVorschläge liegen bereits vor.Wenn man heutzutage viel herumkommt, dann hörtman oft die Frage: Wo geht es zum Aufschwung? Ant-wort: Immer den Bach runter! Damit muss endlichSchluss sein.
Wir brauchen endlich weniger Belastung, weniger Steu-ern, weniger Bürokratie und stattdessen mehr Flexibi-lität. Wenn Sie das umsetzen, dann lösen Sie auch dieFinanzierungsprobleme der Mittelständler.
Wir müssen die Unternehmer mehr motivieren, wiederunternehmerisch tätig zu werden. Wenn Sie § 17 des Ein-kommensteuergesetzes dahin gehend ändern, dass derPrivatmann durch steuerliche Erleichterungen zu Investi-tionen in kleine und mittlere Unternehmen animiert wird,dann sind wir wieder einen Schritt vorangekommen.
Wenn das private Chancenkapital noch durch eine effi-zient arbeitende Mittelstandsbank unterstützt wird, umsobesser.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Dr. Sigrid Skarpelis-
Sperk, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dererste Teil der heutigen Debatte war ruhig, sachlich undder Lösung der Probleme der aus der Fusion von KfWund Deutscher Ausgleichsbank hervorgehenden neuenFörderbank verpflichtet. Die letzte Rede war leider nurnoch blanke Polemik und hatte mit den eigentlichen In-halten nur wenig zu tun.
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Statt nackter Polemik wäre es angemessener gewesen,arüber zu diskutieren, wie wir einen Strukturwandelerbeiführen können und was wir angesichts der interna-ionalen Veränderungen, der Entwicklung auf den Kapi-lmärkten und des verschärften Bankenwettbewerbsber die Förderbanken gezielt für den Mittelstand tunönnen. In der Tat haben wir hier genügend Probleme,odass wir der Polemik nicht bedürfen. Es ist nicht hilf-eich – ich sage das nachdrücklich –, Horrorszenarien zuntwerfen und den Untergang des Abendlandes zu be-chwören. Es wird auch nicht besser, wenn Sie das stän-ig wiederholen.
ch glaube, die Mittelstandsbank steht vor großen,euartigen Herausforderungen. Wir alle setzen unserertrauen darin, dass sie in der jetzigen schwierigenhase dem Mittelstand hilft. Sie haben ja Recht, Frauollegin Wöhrl, wenn Sie darauf hinweisen, dass sichie wirtschaftliche Lage in der Welt, auch in Europa undnsbesondere in Deutschland, in den letzten Monatenoch einmal deutlich eingetrübt habe. Es hat in der Tatravierende Verschlechterungen in der Weltwirtschaftegeben. Der Krieg im Irak ist dabei nur eine, aller-ings wichtige Ursache. Dieser Krieg verstärkt die Unsi-herheit auf den weltweiten Kapitalmärkten, bei denerbrauchern und bei den Unternehmen. Investitionenie große Neuanschaffungen werden zurückgestellt.
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Dr. Sigrid Skarpelis-SperkDie Unternehmensfinanzierung ist für viele Firmenseit dem Jahr 2002 noch einmal schwieriger geworden.Darauf weist auch eine neuere Untersuchung der Kredit-anstalt für Wiederaufbau hin: Für 45 Prozent der Unter-nehmen ist die Kreditaufnahme schwieriger; rund einDrittel der Unternehmen hat Probleme, überhaupt nocheinen Kredit zu erhalten. Das bedeutet, die meisten deut-schen Unternehmen stecken in deutlichen Schwierigkei-ten, schon ihre ganz normale wirtschaftliche Tätigkeit zufinanzieren, geschweige denn, dass sie bereit sind, unter-nehmerische Wagnisse einzugehen. Wachstumspoten-ziale werden dadurch verschenkt, viele Arbeitsplätzenicht geschaffen, Innovationen und Dynamik behindert.Es ist dringend notwendig – diesen Appell habe ichbei der Opposition und übrigens auch bei Ihnen, HerrSolms, vermisst; offensichtlich kann man in diesemHaus über die anstehenden Probleme nicht mehr reden –,dass sich die Kreditinstitute, allen voran die deutschenGroßbanken, auf ihre volkswirtschaftliche Verantwor-tung besinnen und daran denken, dass Kundenpflegenicht nur in guten Zeiten wichtig ist, sondern sich einesolide Geschäftsbeziehung gerade in stürmischen Zeitenbewähren muss.
Ich sage nachdrücklich: Wir werden das, was sich hieran Verschlechterungen im deutschen Bankensystemvollzieht, durch noch so große Subventionen im öffent-lichen Bereich nicht konterkarieren können. Die Bankenmüssen überlegen, ob sie ihrer Verantwortung für diedeutsche Wirtschaft noch gerecht werden.
Dabei ist uns sehr wohl klar, dass die Ursachen diesernegativen Entwicklung nicht allein bei der Risikoscheuinsbesondere der großen Banken zu finden sind. Es gibtnoch andere wesentliche, wirklich dramatische Entwick-lungen auf dem Bankensektor; auch das sehen wir.Zunächst ist der internationale Wettbewerb imBankensektor zu nennen. Dieser hat stark zugenom-men; die deutschen Banken befinden sich unter erheb-lichem Konkurrenzdruck. Gott sei Dank ist die Banken-struktur – Privatbanken, Genossenschaftsbanken undSparkassen – noch sehr gesund. Das ist hilfreich und hatin der Vergangenheit eine gute Kreditversorgung ge-währleistet. Wir müssen aufpassen, dass diese gute Kre-ditversorgung zugunsten der kleinen und mittleren Un-ternehmen allen Regionen erhalten bleibt.
Ich glaube, dass die Finanzaufsicht und der Bundes-finanzminister diesen Prozess mit großer Geduld undAufmerksamkeit beobachten und alles tun werden, umdieses Bankensystem im Interesse der deutschen Wirt-schaft so zu erhalten.Auch die Sparkassen, die typischerweise die kleinenund mittleren Unternehmen bedienen, sind vor allemdurch den von der EU erzwungenen Wegfall der Ge-währträgerhaftung angeschlagen. Dies ist übrigens – dasmuss man einmal deutlich sagen – nicht von der politi-snbrmihtewesNsduunzFUftonMuSwnndmsn1rdmSgliwmdfintebSdsaUdd
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und wir in der Politik verlassen uns auf ihre Unterstüt-zung.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 15/743 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 15 a und
15 b auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Horst
Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-
Mauz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef Parr, Dr. Dieter
Thomae und der Fraktion der FDP eingebrachten
Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung
des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze
in der gesetzlichen Krankenversicherung und
in der gesetzlichen Rentenversicherung
– Drucksache 15/542 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-
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Das ist bereits ein historischer Rekord. Hinzu kommt,ass die ersten Krankenkassen schon zum 1. April dieeitragssätze erhöht haben. Frau Kollegin Schaich-alch, zuständige stellvertretende Vorsitzende der SPD-raktion, hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dereitragssatz noch in diesem Jahr auf mindestens4,8 Prozent ansteigen wird.
amit ist Frau Ministerin Schmidt mit ihrer Notstands-esetzgebung grandios gescheitert.
ie ist auf dem besten Weg zu einem traurigen Rekord;enn in nicht einmal drei Jahren Amtszeit hat sie es ge-chafft, dass die Krankenversicherungsbeiträge bis zumnde dieses Jahres um rund 1,5 Prozentpunkte gestiegenein werden.Das Beitragssatzsicherungsgesetz ist nunmehr dreionate in Kraft. Die fatalen Folgen, vor denen wir vonnfang an gewarnt haben, sind nun für jedermann er-ichtlich.
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Andreas StormKrankenhäuser, Arztpraxen, Zahnärzte leiden unter denerzwungenen Nullrunden. Gerade in den Krankenhäu-sern sind Tausende von Arbeitsplätzen gefährdet. DasGanze geht am Ende zulasten der medizinischen Versor-gung der Patienten.Noch schlimmer hat es die Zahntechniker getroffen.Hier sind mittelständische Existenzen gefährdet, weildas Gesetz in die Substanz eingreift: eine Preisabsen-kung um 5 Prozent.So richtig ans Eingemachte geht es bei den Apothe-ken. Die Abrechnungen der ersten drei Monate diesesJahres bestätigen unsere wiederholten Warnungen. DerGewinn der Apotheken vor Steuern ist im Durchschnittum 35 bis 40 Prozent eingebrochen. Das ist auch keinWunder; denn die Apotheken werden durch das Bei-tragssatzsicherungsgesetz in einer Dimension von insge-samt mindestens 900 Millionen Euro in diesem Jahr be-lastet.Da hilft es auch nichts, wenn man darauf hinweist– wie dies die Staatssekretärin vorhin im Fernsehen ge-tan hat –, dass die Umsätze zuletzt wieder gestiegensind. Meine Damen und Herren von der Regierung, Sieverwechseln immer noch Umsatz und Gewinn.
Sie bringen das Kunststück fertig, dass Sie mit Ihrer Po-litik die Apotheken in weiten Teilen unseres Landes anden Rand des Ruins treiben, obwohl die Umsätze in denersten Wochen dieses Jahres leicht gestiegen sind.12 000 Arbeitsplätze sind im Apothekenbereich alleinim ersten Quartal verloren gegangen.
Mit den im Gesetz verordneten Zwangsrabatten grei-fen Sie tief in die Einkommen der Apotheken ein. Dasbetrifft nicht nur die Apotheker, sondern auch die Be-schäftigten. Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie man indiesem Land Arbeitslosigkeit produziert.Was dahinter steht, muss klar sein: Dieses Vorschalt-gesetz ist nur die Ouvertüre zu dem, was Sie mit der Ge-sundheitsreform planen, nämlich den Einstieg in dievollständige Zerschlagung unserer bewährten Apothe-kenlandschaft.
Das Beitragssatzsicherungsgesetz war nur der ersteStreich. Wenn es nach Ihnen geht, folgt der zweite so-gleich, nämlich die Freigabe des Versandhandels undinsbesondere die Aufgabe des Mehrbesitzverbots. Dieswürde bedeuten, dass die flächendeckende, wohnortnaheVersorgung unserer Bevölkerung mit Arzneimitteln ge-fährdet ist. Unser Apothekensystem, um das man uns imAusland beneidet, ist durch eine qualitativ hochwertigeund sichere Beratung gekennzeichnet. Das würden Sieaufs Spiel setzen, wenn Sie den Weg für ein System öff-nmNNsAAmWwdugwGvddokdKddgWSgdgSoGSTussct3
Dies ist nicht graue Theorie. Die Erfahrungen ausorwegen sollten uns ein warnendes Beispiel sein.achdem dort vor zwei Jahren das Fremd- und Mehrbe-itzverbot aufgehoben wurde, sind heute drei von vierpotheken in Norwegen im Besitz von zwei großenpothekenketten, hinter denen Großhandelsunterneh-en stehen.Wer unter dem Deckmantel von Liberalisierung undettbewerb ein Umpflügen der Apothekenlandschaftill, der muss dies klar aussprechen. Ich sage hier eineseutlich: Mit der Union wird es Apothekendiscounternd einen ungehemmten Versandhandel definitiv nichteben.
Zurück zum Beitragssatzsicherungsgesetz. Sie habeneitere Maßnahmen durchgesetzt, die die Situation imesundheitswesen nicht verbessern, sondern dramatischerschärfen. Ein Beispiel ist die willkürliche Anhebunger Versicherungspflichtgrenze. Sie führt dazu, dassen privaten Kassen der Nachwuchs abgeschnitten wird,hne dass die Strukturprobleme der gesetzlichen Kran-enversicherung auch nur näherungsweise gelöst wer-en. Wenn man Ihrem Berater, Professor Lauterbach ausöln, folgt, der eine Bürgerversicherung im Blick hat,ann mag das ja sogar Sinn machen. Ich hoffe nur, dassas Wort des Bundeskanzlers, er wolle diesen Weg nichtehen, am Ende eingehalten wird.
enn man dieses Wort ernst nimmt, kommt man zu demchluss, dass die Anhebung der Versicherungspflicht-renze im Beitragssatzsicherungsgesetz im Gegensatz zuem steht, was der Bundeskanzler selber vor einigen Ta-en verkündet hat.
ie haben mit Ihren willkürlichen und völlig konzepti-nslosen Maßnahmen das Vertrauen der Menschen in dieesundheitspolitik nachhaltig erschüttert.Die Frage ist aber, warum die Therapie falsch ist, dieie uns hier in den letzten Monaten verordnet haben. Dieherapie ist deswegen falsch, weil Ihre Diagnose hintennd vorne nicht stimmt. Wir haben im Gesundheitswe-en nicht in erster Linie ein Problem auf der Ausgaben-eite, sondern ein Problem auf der Einnahmeseite.
Im vergangenen Jahr sind die Ausgaben der gesetzli-hen Krankenversicherung – ich lasse jetzt die Verwal-ungsausgaben einmal außen vor – im Durchschnitt umProzent gestiegen. Wenn man eine qualitativ hochwer-
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Andreas Stormtige Versorgung der Menschen mit dem medizinischNotwendigen möchte – das zeichnet ja ein leistungsfähi-ges Gesundheitssystem aus –, dann muss man dafür sor-gen, dass dieses System auch einen Ausgabenanstiegvon 3 Prozent verkraften kann. Problematisch ist deshalbder Einbruch bei den Einnahmen. Die sind lediglich um0,5 Prozent gestiegen.Das hat zwei Ursachen: zum einen die dramatischeEntwicklung auf dem Arbeitsmarkt – nehmen Sie dieZahlen von gestern –: Wiederum fast eine halbe Mil-lion Arbeitslose mehr als im Jahr zuvor entspricht spie-gelbildlich einem dramatischen Einbruch bei der Be-schäftigung. Da nimmt es nicht wunder, dass dieBeitragsbasis nicht nur der Krankenversicherung, son-dern aller Sozialversicherungszweige wegbricht. ZumZweiten ein politisch bedingter Verschiebebahnhof zu-lasten der Krankenkassen. Der Sachverständigenrat hates im vergangenen November in seinem Jahresgutach-ten nachgewiesen: Allein 0,4 Beitragssatzpunkte sindauf Maßnahmen im Zuge dieses Verschiebebahnhofszurückzuführen.Beenden Sie deswegen den Irrweg, mit unbrauchba-ren Instrumenten auf der Ausgabenseite etwas bewirkenzu wollen!
Die Finanzierungsbasis muss neu geordnet werden.Die Unionsfraktion hat im Februar einen Plan vorgelegt,wie die Beiträge um 2 Prozentpunkte abgesenkt werdenkönnen, nämlich indem die Finanzierungsbasis derKrankenkassen neu geordnet wird.
Versicherungsfremde Leistungen sollen mit Steuermit-teln finanziert werden, die Eigenbeteiligung der Versi-cherten soll erhöht und ein Leistungsbereich soll übereine Zusatzversicherung und nicht mehr über lohnbezo-gene Beiträge finanziert werden.Auf der Ausgabenseite muss man durch marktwirt-schaftliche Instrumente Effizienzreserven erschließen,also indem man durch mehr Transparenz und Wettbe-werb dafür sorgt, dass die Reserven freigelegt werden,die auch tatsächlich freigelegt werden können. Wir brau-chen aber keine ungeordneten Eingriffe in die Substanzder Leistungserbringer; das zieht ein Arbeitsplatzfiaskoim Gesundheitswesen nach sich und gefährdet gleichzei-tig die Versorgung der Menschen.Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, in diesemSinne folgendermaßen schließen: Wenn Sie wollen, dassin diesem Jahr der Weg für eine grundlegende Gesund-heitsreform frei wird, dann nehmen Sie dieses unsägli-che Beitragssatzsicherungsgesetz so schnell wie möglichzurück!
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Sehr geehrter Herr Storm, das, was Sie hierbgeliefert haben, ist schon ein Stück aus dem Tollhaus.
ie legen zwei Anträge vor, die mit Sicherheit eine Wir-ung haben: Sie führen zu steigenden Beiträgen.
Das Einzige, was wir geschafft haben – das war müh-am genug –,
ar, bei den Leistungserbringern Geld in einer Größen-rdnung von 3 Milliarden Euro einzusammeln. Manann in diesem Haus gegen alles sein, aber die Gesetzeon Adam Riese kann man nicht außer Kraft setzen. Esst völlig klar, dass uns dann, wenn wir jetzt die beidenesetze aufheben würden, 3 Milliarden Euro fehlenürden. Das hieße, die Beitragssätze müssten um,3 Prozentpunkte angehoben werden.
eswegen müssen Sie den Menschen sagen, dass Ihreobbypolitik
nd Ihre populistische Forderung nach Rücknahme die-er beiden Gesetze automatisch höhere Beiträge für sieach sich ziehen. Das gebietet die Redlichkeit.
as ist nämlich das, was Sie im Moment verlangen. Inte-essanterweise haben Sie ja auch in beiden Anträgeneine Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht.
Interessanterweise haben Sie eben schon selbst ge-agt, dass ein Großhändler, nämlich die Firma GEHE,erzeit auf Einkaufstour in Norwegen ist, wo sie Apo-heken einkauft. In Ihrem Antrag fordern Sie, den Groß-andelsrabatt aufzuheben. Wenn Sie der Firma GEHEnd anderen 600 Millionen Euro geben,
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Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
führt das dazu, dass die noch mehr auf „Shoppingtour“im Ausland gehen, und zwar bei steigenden Beiträgenfür die Menschen im Lande. Das ist Ihr Konzept.
Sie reden und handeln widersprüchlich. Sie reden da-von, die Beitragssätze bei 13 Prozentpunkten einfrierenzu wollen. Aber wo ist Ihr Konzept, wie Sie da hinkom-men? Sie sagen sehr allgemein, Sie wollen die versiche-rungsfremden Leistungen steuerfinanzieren.
Aber auf Druck Ihrer eigenen Fraktion haben Sie dieForderung einer Erhöhung der Tabaksteuer wieder zu-rückgezogen. Wo sollen denn die Steuermittel für dieversicherungsfremden Leistungen herkommen?
Gleichzeitig haben Sie in Ihren Reihen einen internenStreit: Stoiber gegen Seehofer,
Storm gegen den Rest der Welt. Sie sind sich nicht einig,welche Bereiche Sie aus dem Leistungskatalog heraus-nehmen wollen. Der eine sagt, den gesamten Zahnersatz,der andere schlägt etwas anderes vor. Sorgen Sie docherst einmal in Ihren Reihen für ein klares Konzept, bevorSie uns Ratschläge erteilen!
Ich sage Ihnen noch etwas, was ich besonders beein-druckend finde, Herr Storm. Bei Apotheken bedeutetmehr Umsatz auch deshalb mehr Gewinn, weil es in die-sem Bereich keine freien Marktpreise gibt, sondern dieArzneimittelpreisverordnung. Diese legt genau fest, wasbei wem landet. Ich habe Zahlen vom Dezember, vomJanuar und vom Februar, für die Bundesrepublik und fürBaden-Württemberg.
Diese Zahlen zeigen, dass der Apothekenmarkt zu Her-stellerabgabepreisen bundesweit im Januar ein Umsatz-plus von 5,5 Prozent und im Februar ein Umsatzplus von9,4 Prozent hatte.
Die baden-württembergischen Zahlen der AOK und derIKK weisen ein Umsatzplus von 14,4 Prozent aus. Dasheißt, dass die Apotheken trotz der Rabattstrukturen, diewir neu eingeführt haben – aus gutem Grund, weil dieAusgaben in diesem Bereich explodiert sind –, bundes-weit noch immer ein Plus von 2,6 Prozent haben. Dashaben Sie verschwiegen.mcsMAdsdUmssMzGluwEbngiSHmSebDmdgzwS
nsere Konzeption ist die einzige, die im Moment Sinnacht. Wir wissen, dass die Umsetzung des Beitrags-atzsicherungsgesetzes für alle Leistungserbringerchwierig ist. Das ist gar keine Frage. Wir setzen dieaßnahmen auch nicht gern durch. Aber es ist die ein-ige Chance, die Beiträge einigermaßen stabil zu halten.arantieren können wir es angesichts der konjunkturel-en Lage alle miteinander nicht.Wir werden ein Weiteres tun. Wir haben Ihnen bereitsnsere Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheits-esen vorgelegt.
in Gesetzentwurf ist in Vorbereitung. Wir werden darü-er im Ausschuss diskutieren. Wir werden auch zur Ein-ahmeseite Vorschläge machen. Herr Storm, da ist mehrefordert als Ihre Verweigerungshaltung, mit der Sie unsm Moment gegenübertreten.
ie hätten es gestern im Vermittlungsausschuss in derand gehabt. Sie hätten im Bereich der Fallpauschalenehr tun können für die Krankenhäuser, die optieren.ie hätten auch mehr tun können, indem Sie den Kassenine Nullrunde abfordern, damit die Verwaltungsausga-en nicht steigen.
as haben Sie beides nicht gemacht. Neinsagen im Ver-ittlungsausschuss, alles blockieren,
en Leistungserbringern nach dem Munde reden undleichzeitig niedrige Beiträge verlangen, das ist Ihr Kon-ept. Das ist ein unehrliches Konzept und deswegenird es nicht aufgehen.
Ich vermisse bei den Rednerinnen und Rednern, dieie heute hier aufbieten, den Kollegen Seehofer.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3153
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Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk– Die Ministerin ist anwesend. Es ist ganz interessant,dass Sie so getroffen sind. Immer mit der Ruhe, HerrZöller; ich will nicht, dass Ihnen etwas passiert.
Gestern erklärte Herr Seehofer in der „FrankfurterRundschau“, dass er aufgrund der konjunkturellen Lageeinen Beitragssatzanstieg um 0,3 Prozent befürchte. Siebewirken mit Ihrem heute vorgelegten Gesetzentwurfaber genau das, was er befürchtet. Wenn wir Ihrem Ge-setz zustimmen würden, dann würden die Beitragssätzesicherlich um 0,3 Prozentpunkte steigen. Es ist schonseltsam: Herr Seehofer befürchtet einen Beitragssatzan-stieg und gleichzeitig würden Sie mit Ihrem Gesetzent-wurf genau das bewirken.Seien Sie ehrlich! Sagen Sie den Menschen, wie manzu niedrigeren Beitragssätzen kommen kann! Dies wirdnur gelingen, wenn wir den Leistungserbringern einigesabverlangen, wenn wir die Einnahmeseite in Ordnungbringen und wenn wir uns auch trauen, bei den Struktu-ren im Gesundheitswesen endlich aufzuräumen. Dasheißt für uns: mehr Transparenz, mehr Wettbewerb undauch mehr Qualität.Sie sind herzlich eingeladen, auf diesem Weg mitzu-gehen. Wir erwarten von Ihnen mehr, als nur Nein zu sa-gen, und mehr als nur populistische Anträge.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Detlef Parr, FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ddp mel-det heute Morgen, dass die BKK für Heilberufe den Bei-tragssatz von 13,9 auf 14,8 Prozent und dass Ford-BKKden Beitragssatz von 13,8 Prozent auf 14,5 Prozent an-gehoben haben. Allein der Begriff Beitragssatzsicherunggaukelt uns etwas vor, was wir schon lange in der Ge-sundheitspolitik vermissen: Verlässlichkeit, Sicherheitund Vertrauen.Die Menschen spüren längst, dass in den letzten Wo-chen nichts mehr sicher ist und dass auf immer wenigerVerlass ist. Das Vertrauen in die Bundesregierung gehtmehr und mehr verloren.
– Ich sage Ihnen gleich, was die FDP macht. – Das istausgerechnet in Zeiten der Fall, in denen die Motivati-onslage der Beschäftigten im Gesundheitswesen ohnehingegen null tendiert. Immer wieder müssen die Akteureim Gesundheitswesen und die Patienten für Ihre ver-fehlte Politik den Kopf hinhalten.ZMMGgbzfsAgstDvcdsdegAtErguNFFnssw–hWwdwwZnk
Diese Ergebnisse sind Gift für den notwendigen Um-au des Gesundheitssystems. Es muss endlich mit Geset-en Schluss sein, die eben nicht in eine mittel- und lang-ristig konsequente ordnungspolitische Linie eingebettetind.
uf der Grundlage freiheitlicher Strukturen müssen Ei-enverantwortung, Wettbewerb und Transparenz die ent-cheidende Rolle spielen. Von diesen Zielen, Frau Minis-erin, ist Ihr Beitragssatzsicherungsgesetz weit entfernt.eswegen fordere ich Sie auf: Ziehen Sie es zurück!Insbesondere diejenigen Kolleginnen und Kollegenon der SPD, die hier bereits im Dezember in persönli-hen Erklärungen mehr als nur ihr Unbehagen zum Aus-ruck gebracht haben,
ollten einmal über die heutige Situation nachdenken;enn die Folgen dieses Gesetzes sind schon nach denrsten drei Monaten klar erkennbar: Die Umwälzung dereringeren Spannen bei den Großhandelsrabatten auf diepotheken findet so statt, wie vorausgesagt. Die Apo-heken beklagen dramatische Einkommensverluste.rste Entlassungen sind erfolgt.Dies ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Freibe-uflichkeit – heute die Apotheker und morgen die nieder-elassene Ärzteschaft. Dieser Eindruck verstärkt sichmso mehr, wenn man dem Glauben schenkt, was alsächstes seitens der Bundesregierung geplant ist: diereigabe des Versandhandels und die Aufhebung desremd- und Mehrbesitzverbots. Diese Schritte habenoch einmal gravierende Folgen für die Apotheker-chaft. Hier wird ein ganzer mittelständischer Berufs-tand in seiner Existenz bedroht, ohne dass plausibelird, was Sie mit Ihren Änderungen verbessern wollen.
Je mehr Sie schreien, desto mehr zeigen Sie, wie dünn-äutig Sie geworden sind. Sie wissen doch nicht, welcheege die richtigen sind.Zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion – den Gesetzent-urf haben wir gemeinsam eingebracht –: Sie fordernie Zurücknahme des gesamten Gesetzes. Dem stimmenir natürlich zu. Nullrunden in den Krankenhäusern so-ie bei Vergütungen von Ärzten und Zahnärzten,wangsrabatte und Preisabsenkungen bei den Zahntech-ikern lehnen wir natürlich genauso wie Sie ab. Wir den-en jedoch, dass die Rückführung in den Zustand vom
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Detlef Parr31. Dezember 2002 allein nicht die Lösung sein kann.Wir brauchen eine grundlegende Reform vor allem aufder Finanzierungsseite des Gesundheitssystems. Nur da-durch können wir willkürliche und arbeitsplatzgefähr-dende Kostendämpfungsmaßnahmen aufheben.Die FDP nimmt natürlich mit Freude zur Kenntnis,dass sich mittlerweile Begriffe wie mehr Eigenverant-wortung, höhere Transparenz und mehr Wettbewerb alsliberale Zielvorgaben überall wiederfinden. Letztlichbleibt aber die spannende Frage, was sich hinter diesemReformkonzept tatsächlich verbirgt.Was sind wir in der Vergangenheit gescholten wor-den, als wir eine stärkere Eigenverantwortung durchhöhere Selbstbehalte gefordert haben! Nun spricht sichsogar der Kanzler für Anreize im Hinblick auf die Versi-cherten aus, die zu einem eigenverantwortlichen Um-gang mit der Gesundheit und den Ressourcen führen sol-len. Er gibt sich hart in der Sache: Die Linie seibeschlossen; nur über Details könne noch gesprochenwerden. Nach solchen Sprüchen kennen wir bisher ei-gentlich nur ein Ergebnis: Die viel versprechendenÜberschriften bleiben; der Inhalt wird verunklart undverwässert; die Ursprungslinie geht verloren. Das ist zuwenig.Wir können uns um die Beantwortung der Kernfragenicht länger drücken: Wer steuert zukünftig das System:der Versicherte bzw. der Patient oder der Staat?
Die FDP hat sich klar positioniert. Wir wollen die Ent-scheidung, was über die eigentliche Grundversorgunghinaus wie finanziert werden soll, den Versicherten undden Krankenkassen im Wettbewerb überlassen. Ledig-lich der Arbeitgeberanteil wird eine festgeschriebeneGröße. Dann ist es Sache der Krankenkassen, unter demDach eines Beitragssatzes von 13 Prozent zu entschei-den, welche Leistungen sie anbieten, ob und wie sieLeistungen ausgliedern oder ob sie Zusatzleistungen zu-lasten der Arbeitnehmer finanzieren wollen. Warum sollhier die Politik entscheiden, was Angebot und Nachfragebesser regulieren können?Es wird Leistungen geben, die die Versicherung imRahmen einer Pflicht zur Versicherung gewährleistenmuss, zum Beispiel beim Krankengeld, beim Schutz vorUnfällen und bei der Zahnbehandlung. Es wird Leistun-gen geben, deren Streichung eine Krankenkasse erwägenkann, um die Beiträge stabil zu halten, zum Beispiel dieErstattung von Fahrtkosten. Die Versicherten – wir soll-ten ihnen einfach mehr zutrauen – werden schon das fürsie günstigste Paket aussuchen. Das tun sie ja auch in an-deren Versicherungsbranchen.Mit Bedauern stellen wir fest, dass die Gesundheits-ministerin ihre Reformüberlegungen im Ausgaben-bereich anscheinend bereits abgeschlossen hat. Damitwürden natürlich notwendige Kompromisse – FrauCaspers-Merk, Sie haben den Vermittlungsausschuss an-gesprochen – schwieriger bis unmöglich werden. DieFDP kann zum Beispiel der Schaffung eines völlig über-flüssigen Zentrums für Qualität in der Medizin – derBundesärztekammerpräsident spricht von einer Bundes-aiAgDGdMbsnmS–rfhBdCWhedsebDea
ie Freiberuflichkeit ist ein wichtiges Element unsererrundordnung. Sie dürfen sie nicht antasten.
Es gibt zu unseren Reformvorschlägen, die ich Ihnenargestellt habe, nur die Alternative, wie sie heute in dereldung von ddp angedeutet wird: steigende Beiträgeei rationierten Leistungen. Das müssen wir den Men-chen erklären. Dann können wir sie auf neue Wege mit-ehmen. Ich denke, wir sollten dem Einzelnen sehr vielehr zutrauen, als Sie das hier tun. Der Weg über dentaat ist keine Lösung.
Sie sprechen von Zumutungen und damit diskreditie-en Sie alle vernünftigen Vorschläge zur Gesundheitsre-orm. Diese werden damit totgeschlagen und damit ge-en Sie den falschen Weg.
Nun hat Kollegin Birgitt Bender, Fraktion des
ündnisses 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Lä-en kann man Osterhasen kaufen; aber bei der CDU/SU ist Weihnachten. Der Kollege Storm kommt alseihnachtsmann mit einem Sack voller Geschenke da-er und packt sie aus.
Zunächst einmal haben wir innerhalb der Oppositionine Koalition, was die Entlastung des Pharmagroßhan-els angeht. Wenn Sie Wohltaten für die Apotheker aus-chütten wollen, dann sollten Sie den Apothekern einmalrklären, wieso die Aufhebung des Großhandelsrabattesei den Apotheken ankommen soll.
er Großhandel wird Ihnen etwas anderes erzählen.Im Übrigen hat die Frau Staatssekretärin zur Umsatz-ntwicklung bei den Apotheken unter Berücksichtigungller Rabatte bereits Ausführungen gemacht.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3155
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Birgitt BenderAber die CDU/CSU hat noch mehr im Sack – wie ichhöre, Herr Parr, ist die FDP Seit an Seit –: Sie wollen dieNullrunde bei den Krankenhäusern aufheben.
Sie wollen die Nullrunde bei den Ärzten und bei denZahnärzten aufheben. Sie wollen die Anhebung der Ver-sicherungspflichtgrenze, die Halbierung des Sterbegeldesund die Preisnachlässe bei Zahntechnikern und Apothe-ken, beim Pharmagroßhandel und bei der Pharmaindus-trie rückgängig machen.Nun ist die Bescherung immer schön für die Be-schenkten; die freuen sich darüber. Der Applaus ist Ih-nen auf vielen Veranstaltungen, die wir zum Teil ge-meinsam abhalten, sicher; möge es denn so sein. Aber,Herr Kollege Storm, was ist der Preis dafür? Der Preisfür Ihre Politik ist auf der einen Seite schneller Beifall– gewiss –, aber auf der anderen Seite, dass der Kran-kenkassenbeitrag Ende des Jahres nicht bei knapp15 Prozent liegen, sondern noch einmal um 0,3 Prozenthöher ausfallen wird.Sie aber machen noch weitere Versprechungen. DenKrankenhäusern versprechen Sie nicht nur die Aufhe-bung der Nullrunde, sondern zusätzliche 1,7 Milliar-den Euro für zusätzliche Stellen. Da kann ich nur fragen:Wie in aller Welt wollen Sie es erreichen, dass die Kran-kenversicherungsbeiträge auf 13 Prozent sinken? Das istmir völlig schleierhaft.
Es gibt zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entwederblenden Sie dieses Ziel einfach aus und betreiben Popu-lismus – dann muss man den Leuten aber sagen, dass dieRechnung dafür hinterher kommt; Sie glauben wohl, Siekönnten dann auf die böse Regierung verweisen, aber sodumm sind die Leute nicht –
oder, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Siewollen tatsächlich einen Beitragssatz in Höhe von13 Prozent erreichen. Dann aber müssen Sie zur Kom-pensation Ihrer Zusatzversprechen zumindest die Leis-tungen für Zahnersatz privatisieren.
Damit sind die Beiträge jedoch noch nicht einmal um einzehntel Prozent gesunken, aber Sie haben den Versicher-ten schon die zusätzlichen Kosten für die private Absi-cherung des Zahnersatzes aufgebrummt. Sie müssen denLeuten klar sagen,
dass dieser zusätzlichen Belastung überhaupt keine Ent-lastung gegenübersteht.
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Der Kanzler hat angekündigt,
as Krankengeld allein durch die Versicherten finanzie-en zu lassen.
azu möchte ich gern wissen: Sind Sie dafür
der bleibt es beim Mäkeln? Es handelt sich um eine klarbgrenzbare Leistung. Das Krankengeld eignet sich gutür eine Leistungsausgrenzung im Interesse einer kurz-ristigen Senkung der Beiträge. Aber ich habe nochichts dazu gehört, ob Sie da eigentlich mitmachen, Frauidmann-Mauz.
m Gegenteil, es wird immer daran herumgemäkelt.Jetzt nehmen wir einmal an, wir machen das alles. Sierauchen für die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnah-en doch insgesamt ein sehr viel größeres Finanzie-ungsvolumen.
oher wollen Sie das Geld denn nehmen oder sieht Ihreaktik vielleicht so aus: Es wird nicht nur das Kranken-eld, sondern außerdem noch der Zahnersatz aus derrankenversicherung herausgenommen? Oder gilt dasielleicht sogar für die gesamte Zahnbehandlung, undas Ganze noch mit deutlich erhöhten Zuzahlungen?
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3156 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003
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Birgitt BenderDas Ganze nennt man dann Eigenverantwortung. Ist dasIhr Kurs? Dazu sage ich: Das ist eine Kampfansage andas Solidarsystem. Das werden Sie mit uns nicht errei-chen.
Die Leistungsanbieter schonen und ihnen nicht ein-mal Wettbewerb zumuten, aber alle Finanzierungsnot-wendigkeiten über zusätzliche Belastungen der Versi-cherten und Kranken lösen, meine Damen und Herrenvon der CDU/CSU und der FDP,
kann nicht der Weg sein. Das sage ich Ihnen sehr deut-lich.Herr Parr, Sie sagen, man brauche eine ordnungspoli-tische Linie. Dazu kann ich nur sagen: in der Tat. Unsereordnungspolitische Linie ist
der Wettbewerb im Solidarsystem.
Herr Dr. Thomae, wie ist es denn mit dem Wettbe-werb? Ich meine immer gehört zu haben, die FDP sei fürWettbewerb, für Deregulierung. Sie wolle, dass sich alleentfalten können. Aber bei den Apothekern verteidigenSie ein mittelalterliches Zunftsystem. Das ist doch er-staunlich.
Sie müssen etwas mehr Konsistenz in Ihre Politik hi-neinbringen. Ich hoffe, dass wir dann wirklich zu einerReform kommen.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Zöller,
CDU/CSU-Fraktion.
Grüß Gott, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wenn man gehört hat, was die Staatssekretä-rin und Frau Bender von den Grünen gesagt haben, kannman nur zu dem Schluss kommen: Entweder haben SieWahrnehmungsstörungen oder Sie sind arrogant. Ichfürchte, beides trifft auf Sie zu.
Denn Sie wollen nicht mehr zur Kenntnis nehmen, wiedie Situation bei den Zahntechnikern und den Apothe-kmwShkcoSwgEgGBzrdsw–DhdavhaüWAflFuvdIdHLbssu
Aber zurück zu Ihrem Gesetz, über das wir heute dis-utieren. Sie haben eben über alles Mögliche gespro-hen, nur nicht über das Thema, das heute auf der Tages-rdnung steht.
ie wissen genau, dass Ihr Beitragssatzsicherungsgesetz,ie es so schön heißt, zu schnell und unüberlegt durch-epeitscht wurde.
s ist hochinteressant, daran zu erinnern, welche Be-ründung Sie damals angeführt haben, warum diesesesetz notwendig ist. Sie haben gesagt, man brauche daseitragssatzsicherungsgesetz, um angesichts der Defi-ite der Krankenkassen die Beitragssätze zu stabilisie-en. Aber das Defizit haben doch nicht die Pflegekräfte,ie Apotheker oder die Zahntechniker zu vertreten; aus-chließlich das Gesundheitsministerium ist dafür verant-ortlich.
Diesen Zwischenruf hätten Sie sich sparen können.as werde ich Ihnen nämlich beweisen: Die Gesund-eitsministerin hat durch politische Fehlentscheidungen,ie zu Verschiebebahnhöfen und zur Verschlechterunguf der Einnahmeseite geführt haben, dieses Defizit zuerantworten. Die Spitzenverbände der Krankenkassenaben darauf hingewiesen, dass sich allein im Jahr 2001us politischen Entscheidungen Mehrbelastungen vonber 5 Milliarden DM – damals gab es noch die alteährung – ergeben haben. Hierzu zählt zum Beispiel diebsenkung der KV-Beiträge für Arbeitslosenhilfeemp-änger und vieles mehr. Das Defizit ist also allein auf po-itische Fehlentscheidungen zurückzuführen.Können Sie mir einen Grund nennen, warum für dieseehlentscheidungen die Apotheker, die Zahntechnikernd die Pflegekräfte in Haftung genommen werden? Be-or man solche neuen Sparrunden verordnet, muss manoch seine politischen Hausaufgaben machen. Wenn Siehre Hausaufgaben gemacht hätten, dann wüssten Sie,ass andere Maßnahmen vorgezogen werden müssten.ierzu zählt zum Beispiel, die versicherungsfremdeneistungen aus der GKV herauszunehmen, die Verschie-ebahnhöfe, die in den letzten paar Jahren entstandenind, rückgängig zu machen, die Verwaltungskosten zuenken oder die Mehrwertsteuersätze auf Arzneimittelnd im zahntechnischen Bereich zurückzunehmen. Erst
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Wolfgang Zöllerwenn Sie diese Schritte getan haben, kann man glaubhaftüber neue Sparrunden reden.Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Beitrags-satzsicherungsgesetz ist leider ein Paradebeispiel fürwillkürliche Sparrunden.
Verschlechterung der Versorgungsqualität, Gefährdungder wirtschaftlichen Grundlage der Leistungserbringersowie Vernichtung zahlreicher Arbeitsplätze sind Folgendieses Gesetzes. Am 11. November des letzten Jahreshaben auch etliche Kollegen von der rot-grünen Koali-tion erkannt,
dass es nicht der richtige Weg ist.Sie aber haben darauf bestanden, das, was Sie vorge-schlagen haben, sei wirtschaftlich vernünftig und sozialgerecht. Was an diesem Gesetz wirtschaftlich vernünftigund sozial gerecht sein soll, müssen Sie mir einmal er-klären. Ich vermute, es wird wohl ewig Ihr Geheimnisbleiben. Ein Beispiel mag das belegen: An der Preisge-staltung im Arzneimittelbereich sind die Apotheken mitrund 17 Prozent beteiligt. Die Einsparmaßnahmen beiden Apothekern betragen aber 80 Prozent. Ist das wirt-schaftlich vernünftig? Ist das sozial gerecht? Ich habeden Verdacht, dass hier eine Strafaktion gegen die Apo-theker läuft, weil sie 7,7 Millionen Unterschriften gegenIhr Gesetz zusammengetragen haben.
Es ist klar, dass Gesetzesänderungen in einer parla-mentarischen Demokratie an der Tagesordnung sind,weil eben auch auf gesellschaftliche EntwicklungenRücksicht genommen werden muss. In diesem Fallhaben wir es aber mit einem Gesetz zu tun, dessenScheitern und Sinnlosigkeit selbst zahlreiche Abgeord-nete Ihrer Koalition frühzeitig vor der Abstimmung imBundestag erkannt haben,
was sich in persönlichen Erklärungen widerspiegelt. Ichdarf auszugsweise zitieren: „Wir bedauern, dass es nichtmehr gelungen ist, eine Alternative für die jetzt festge-schriebene Lösung zu finden.“ – „Wir stimmen dem Ge-setzentwurf ... nur mit Bedenken zu.“ – „Ich ... stimmedem vorliegenden Gesetzentwurf nur schweren Herzenszu ...“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns allen istbekannt, dass es in der Verantwortung der Bundesregie-rung liegt, die bedrohlichen Folgen dieses Gesetzes be-sonders für Apotheker, Krankenhäuser, Vertragsärzteund auch Zahntechniker wahrheitsgemäß darzustellenund die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieerste Konsequenz wäre zum Beispiel, die Regelungenzum Großhandelsrabatt zu korrigieren. Sie sagen, dassdHtehdsd3sote–dvntedDMSsrnmwnDRdszleh
Es geht um Existenzen von Freiberuflern. Wie kannie Koalition über die Bedenken, die in diesem Hauseorgetragen werden, lachen?
Darüber hinaus haben Sie in planwirtschaftlicher Ma-ier zahlreiche Zahntechniker an den Rand des Exis-nzminimums getrieben und auch in diesem Bereichen Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen verursacht.as ging bei Ihnen nach dem Motto: Eichel erhöht dieehrwertsteuer, dafür bittet die Gesundheitsministerinchmidt die Zahntechniker zur Kasse. Was ist hier wirt-chaftlich vernünftig? Was ist hier sozial gerecht?Auch hierzu darf ich einen Kollegen von Ihnen zitie-en, der gesagt hat:Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, obwohl wir inder überproportionalen Belastung des Zahntechni-kerhandwerks ernsthafte Probleme sehen. Wenndieser Handwerkszweig zum einen durch die Mehr-wertsteuererhöhung und zum anderen durch diegesetzliche Absenkung der Preise um 5 Prozent be-lastet wird, werden zahlreiche Arbeits- und Ausbil-dungsplätze, ganz besonders in den neuen Bundes-ländern, auf diese Weise infrage gestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, schade istur, dass Sie nicht bereits damals Ihrer Erkenntnis ge-äß gehandelt haben. Hätten Sie Ihre Erkenntnis damalsirklich ernst gemeint, hätten Sie dieses Gesetz ableh-en müssen.
ie zwischenzeitliche Entwicklung der sozialpolitischenealität hat unsere Argumente und leider auch Ihre Be-enken bestätigt. Deshalb wäre es eigentlich eine logi-che Konsequenz, wenn Sie diesem Gesetzentwurf in derweiten und dritten Lesung zustimmen würden.Lassen Sie mich mit einem Satz schließen: Einen Feh-r zu machen ist menschlich, aber auf Fehlern zu beste-en ist töricht.
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3158 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003
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Ich erteile der Kollegin Marlies Volkmer, SPD-Frak-
tion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl
am Gesetzentwurf als auch am Antrag der Opposition
fällt mir vor allem eines auf: Sämtliche Interessengrup-
pen im Gesundheitswesen haben sich offensichtlich mit
Erfolg auch an Sie gewandt. Aber, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, an so viel Lobbyarbeit
werden Sie sich verheben.
Das würde dann genauso wie während Ihrer Regierungs-
zeit aussehen: Die Umsätze und die Gewinne – ich weiß
sehr wohl den Unterschied zwischen Umsatz und Ge-
winn –
stiegen und stiegen, aber für den Zahnersatz bei den Ver-
sicherten reichte es nicht mehr.
Herr Kollege Zöller, der weitaus größte Teil der in der
Tat zu beklagenden Verschiebebahnhöfe zulasten der ge-
setzlichen Krankenversicherung von mehr als 30 Milli-
arden Euro ist in Ihre Regierungszeit gefallen. Das ver-
gessen Sie immer zu sagen.
Sie sollten Ihren Antrag zurückziehen. Sie verlangen
die Rücknahme sämtlicher Maßnahmen des Beitrags-
satzsicherungsgesetzes. Aber Sie sagen nicht, wie Sie
das gegenfinanzieren wollen.
Dabei beklagen Sie auf der anderen Seite die steigenden
Beitragssätze. Das ist eine völlig unseriöse Vorgehens-
weise.
Ich will die Aufforderung, Ihre Vorschläge zurückzuzie-
hen, an zwei Beispielen deutlich machen.
Erstens. Sie behaupten, die Apotheken hätten erheb-
liche Einkommenseinbußen infolge des Beitragssatz-
sicherungsgesetzes.
Tatsächlich lagen bis zum 2. April keine einigermaßen
verwertbaren Zahlen über die konkreten Auswirkungen
des Gesetzes vor.
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ie formulierten Ihren Gesetzentwurf und Ihren Antrag
lso aufgrund von Hörensagen. Das nenne ich man-
elnde Ernsthaftigkeit.
Kollegin Volkmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage
er Kollegin Widmann-Mauz?
Nein, danke schön. – Angesichts der Auswirkungen,ie Ihr Antrag im Erfolgsfalle für die Finanzen der ge-etzlichen Krankenversicherung hätte, ist Ihr Handelnnverantwortlich. Schon die langfristigen Erhebungenes Statistischen Bundesamtes zur Einkommensentwick-ung der Berufsgruppen im Gesundheitswesen weisenarauf hin: Die Beschwerden der Apotheken sind zumin-est im Durchschnitt Jammern auf hohem Niveau.Die Apotheken haben nicht nur in der Vergangenheiton den steigenden Arzneimittelausgaben in der gesetz-ichen Krankenversicherung kräftig profitiert. Auch ganzktuell steigen trotz Erhöhung des Apothekenrabatts diemsätze.
eit vorgestern wissen wir: Im Vergleich zum Vorjahres-onat stieg der Gesamtumsatz des deutschen Apothe-enmarktes nach Angaben von IMS Health im Januar003 um 5,5 Prozent, im Februar sogar um 9,4 Prozent.elbstverständlich hat der Umsatz auch etwas mit demewinn zu tun.
ie Abrechnung je Apotheke mit der gesetzlichen Kran-enversicherung stieg noch bis zu 2,3 Prozent. Dieseahlen geben keinen Anlass, das Beitragssatzsiche-ungsgesetz zurückzunehmen.
Der Versuch des Arzneimittelgroßhandels, seinen An-eil an der Stabilisierung der Arzneimittelausgaben aufie Apotheken abzuwälzen, ist zumindest gebremst wor-en. Die Bundesregierung hat in nachdrücklichen Ge-prächen die Zusage erhalten, dass der Großhandel ei-ene substanzielle Sparbeiträge erbringt.
er Großhandelsabschlag lag nach Angaben des Apo-hekenverbandes vom 2. April in den Monaten Januarnd Februar 2003 bei 489 Millionen Euro.
ie Apotheken wurden also nicht mit dem gesamtenroßhandelsrabatt von 600 Millionen Euro belastet, wieie Opposition in ihrem Gesetzentwurf behauptet.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3159
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Dr. Marlies VolkmerZur Frage der Auswirkungen auf die freiwillig ge-währten Rabatte des Großhandels möchte ich anmer-ken: Vor dem Beitragssatzsicherungsgesetz wurde dieExistenz von Rabatten zum Teil bestritten oder derenBedeutung als marginal hingestellt. Plötzlich sollen andiesem Phantom zahllose Existenzen hängen. Dabeiwird nicht redlich argumentiert; das bringt uns nicht wei-ter. Marktlich ausgehandelte Rabatte können und sollennicht Gegenstand der Abführung an die gesetzlicheKrankenversicherung sein. Die Apotheken haben jetztdie Chance, ihre Marktmacht zu nutzen und neue Ra-batte auszuhandeln.Wir alle wissen, dass die jetzige Regelung mit demBeitragssatzsicherungsgesetz nur vorübergehender Naturist.
Mit einer Neuordnung der Vertriebsstrukturen und derPreisbildung bei Arzneimitteln einschließlich der Rabat-tierungen muss eine zukunftsweisende verlässliche Lö-sung gefunden werden.
– Das wissen Sie doch; das ist nicht neu. Das ist schonbei der Einbringung des Beitragssatzsicherungsgesetzesvon der Ministerin gesagt worden.
Zweitens. Was Sie den einen vorauseilend nach demMunde reden, das wollen Sie von den anderen gar nichthören: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat dieUnion mehrfach gebeten, die Verlängerung des Options-modells zu ermöglichen und dem 12. SGB-V-Ände-rungsgesetz zuzustimmen.Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union,Sie sind gegen die Nullrunde in allen Bereichen. Siekönnten den Krankenhäusern, die vorzeitig bereit sind,auf das neue Vergütungssystem umzustellen, also auf dieDRGs, zu der Ausnahme von der Nullrunde verhelfen.
Gleichzeitig könnten Sie zur Beschleunigung der über-fälligen Änderung der Krankenhausfinanzierung beitra-gen. Sie haben vorhin selbst gesagt, Sie seien für mehrTransparenz im Gesundheitswesen. Gerade die Einfüh-rung der DRGs ist ein ganz wesentlicher Schritt dahin.
Aber auch diese sinnvolle Regelung fällt Ihrem Gesamt-kalkül zum Opfer. Sie wollen einfach blockieren, Siewollen nicht mitmachen; sonst würden Sie sich im Ver-mittlungsausschuss anders verhalten.
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it dem Beitragssatzsicherungsgesetz haben wir einenvermeidliche Ausgabenbremse in die gesetzlicherankenversicherung eingebaut. Mit unserem neuen Ge-etz zur Modernisierung des Gesundheitssystems wer-en wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass zu-ünftig die Gesundheitsversorgung mit mehr Qualitätnd Effizienz erbracht wird. Die Eckpunkte machenlar, dass es mit lieb gewonnenen Besitzständen einnde haben wird. Es ist schon klar, dass die Interessen-ruppen versuchen, in die günstigste Ausgangspositionu kommen. Das bestätigt aber nur unseren Ansatz.Unser Gesundheitswesen muss effizient und von ho-er Qualität, also nachhaltig sein. Nur so kann allennabhängig vom Einkommen auch das medizinischotwendige zur Verfügung stehen. Wir wollen die Mit-irkungsrechte der Versicherten stärken und gesund-eitsbewusstes und kostenbewusstes Verhalten beloh-en. Das ist etwas ganz anderes als Ihre Vorstellung vonigenverantwortung des Patienten, Herr Parr. Ihre Vor-tellung von Eigenverantwortung ist der Griff ins Porte-onnaie.
Herr Schröder hat nichts anderes gesagt.
Meine Damen und Herren von der Opposition, sparenie Ihre Kräfte und wirken Sie bei der Modernisierungit!
Lassen Sie diese Rückzugsgefechte und den Quatschit der Staatsmedizin.
ch habe Staatsmedizin erlebt. Das ist etwas völlig ande-es als das, was im Gesundheitsstrukturgesetz vorgese-en ist.
egen Sie sich nicht so auf! Schon nächste Woche habenie im Vermittlungsausschuss Gelegenheit, konkrete Än-erungen vorzuschlagen. Nutzen Sie sie und bringen Sieoch bitte zur Abwechslung einmal einen Finanzie-ungsvorschlag mit!
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3160 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003
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Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
gin Annette Widmann-Mauz, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Kollegin Volkmer, nachdem Sie
meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, sehe ich
mich veranlasst, einige Aussagen richtig zu stellen. Zu-
nächst einmal behaupten Sie, es gebe keine verlässlichen
Daten, um eine Bewertung, was die Auswirkungen auf
die deutsche Apothekerschaft durch das Beitragssatz-
sicherungsgesetz anbelangt, vorzunehmen. Wenige Sätze
später aber bringen Sie dann Daten. Es kann nur eines
stimmen.
Aber im Grunde braucht man diese Daten gar nicht,
denn die Auswirkungen vor Ort sind ganz eklatant. Ich
möchte Ihnen einmal ein Beispiel aus einer Stadt und ei-
nem Landkreis in unserem Land nennen.
Ich frage Sie einfach einmal von Frau zu Frau, wie
Sie Folgendes bewerten: In der Stadt Bonn sind allein
seit Januar dieses Jahres 130 Entlassungen in den Apo-
theken vorgenommen worden.
Bis zur Jahresmitte wird es 220 Entlassungen, insbeson-
dere bei den PTAs – das sind in erster Linie Frauen –, ge-
ben.
Im gesamten Rhein-Sieg-Kreis, und zwar links- und
rechtsrheinisch, gab es in den ersten zwei Monaten 160
Entlassungen. Davon waren vor allem Frauenarbeits-
plätze betroffen, liebe Frau Volkmer. Das sind die ganz
konkreten Auswirkungen Ihres Gesetzes. In den neuen
Bundesländern, aus denen Sie kommen, ist es mindes-
tens genauso dramatisch.
Es kann doch nicht sein, dass Sie sagen, zunächst ein-
mal machen wir eine Struktur, die sich bewährt hat, ka-
putt und nehmen die Entlassungen und weiter steigende
Arbeitslosenzahlen in Kauf, um dann eine Neuordnung
vorzunehmen. So kann es nicht funktionieren.
Außerdem sind Sie uns eine Antwort auf die drängen-
den Fragen, die die Bevölkerung an die Kolleginnen und
Kollegen in Ihrer Fraktion richtet, schuldig geblieben.
Über 150 Kolleginnen und Kollegen der Regierungs-
fraktionen haben sich in konkreten Schreiben an die
deutschen Apotheker gewandt und zum Ausdruck ge-
bracht, dass sie mit diesem Gesetz und seinen Auswir-
kungen auf die Apothekerschaft nicht leben können.
Diese Kollegen haben einen Grund für ihre Anschrei-
ben und Sie tun hier so, als sei nichts davon richtig. Klä-
ren Sie also diesen Dissens erst einmal in Ihrer eigenen
Fraktion; denn es ist dringend notwendig, dass wir zu ei-
ner Veränderung kommen.
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Gut, dann komme ich auch zum Ende.
Frau Kollegin Volkmer, bitte, Sie haben Gelegenheit
u antworten.
Frau Widmann-Mauz, wenn Sie mir richtig zugehörtätten, hätten Sie bemerkt, dass ich gesagt habe, dass bisum 2. April keine einigermaßen verwendbaren Datenorlagen. Sie haben Ihren Gesetzentwurf und Ihren An-rag bereits im März eingebracht, da lagen uns die Datenn der Tat noch nicht vor.Damals konnten Sie nur vom Hörensagen oder voninzelbeispielen ausgehen, aber ich kann Ihnen auch an-ers lautende Einzelbeispiele vortragen. Betrachten Sieeispielsweise die effektiven Arzneimittelausgabener GKV in Koblenz, hier gab es eine Steigerung zumorjahr in Höhe von 3,92 Prozent.
enn Sie die effektiven Arzneimittelausgaben der GKVn Rheinhessen zur Grundlage nehmen, dann sehen Sie,ass diese eine Steigerung von 1,73 Prozent verzeich-en. Ich könnte Ihnen noch viele Beispiele nennen.
Natürlich ist das eine Aussage. Sie werden doch nichtehaupten wollen, dass das keine Auswirkungen auf dieewinne in den Apotheken hat.
Zu dem Thema Kündigungen will ich Ihnen sagen:s ist in der Tat so – das haben auch die Angestellten inen Apotheken beklagt –, dass die Arbeitgeber voraus-ilend Kündigungen vorgenommen haben. Wir müssenber bedenken: Das Gesetz gilt erst seit dem 1. Januar,ffensichtlich gelten in den Apotheken überhaupt keineündigungsfristen. Auch darüber ist vielleicht einmalachzudenken.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3161
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Das Bundesverfassungsgericht lehnte gestern einen
Eilantrag von vier Pharmaunternehmen ab, die das Glei-
che wollten wie Sie in Ihrem Antrag, über den wir heute
sprechen, nämlich das rot-grüne Beitragssatzsicherungs-
gesetz aufheben.
Wir als PDS im Bundestag haben auch gegen dieses
Gesetz gestimmt, allerdings nicht, weil wir uns um die
Profite der großen Pharmakonzerne Sorgen machen,
sondern weil wir einen sozialen Staat wollen, einen
Staat, der nicht die Krankenkassen aussaugt und nicht
die Gesundheitslasten auf die Patientinnen und Patienten
und die Beschäftigten im Gesundheitswesen abwälzt.
Wir haben schon damals gesagt, dass sich die für
2003 vorgesehene Nullrunde bei der Finanzierung der
ambulanten und stationären Versorgung in jedem Fall
negativ auf die Behandlung kranker Menschen auswir-
ken wird. Vor allen Dingen in den Krankenhäusern, in
denen es schon heute für Ärzte und Schwestern oft uner-
trägliche Arbeitsbelastungen gibt, werden Personalab-
bau, Arbeitsverdichtung und Tarifdruck weiter zuneh-
men. Das betrifft besonders jene Ärzte, die – das ist in
Ostdeutschland häufiger der Fall – seit längerem kein
angemessenes Einkommen erzielen. Die Frustration
wächst. Das kann für die Patientinnen und Patienten
nicht gut sein.
Die Behauptung, dass das bestehende Gesundheits-
system nicht länger finanzierbar sei, ist oft wiederholt
worden. Im Wochenbericht Nr. 7 dieses Jahres des Deut-
schen Instituts für Wirtschaftsforschung wird jedoch
nachgewiesen, dass der Anteil der Gesundheitsausga-
ben am Bruttoinlandsprodukt seit vielen Jahren relativ
konstant sei. Das heißt, selbst das von vielen kritisierte
System wäre unter den gegebenen Bedingungen finan-
zierbar.
Das auffällige Steigen der Beitragssätze in der ge-
setzlichen Krankenversicherung hat andere Ursachen.
Es ist auf das Zurückbleiben der gegenwärtigen Bemes-
sungsgrundlagen der Beiträge, nämlich der Bruttolohn-
und -gehaltssumme, zurückzuführen. Dieser Rückgang
ist nicht gottgegeben, sondern teilweise von der Bundes-
regierung selbst verursacht. Ich nenne als Beispiele nur
die Auswirkungen der Umsetzung des Hartz-Konzepts,
Minijobs und Leiharbeit. Das hat negative Auswirkun-
gen auf die Einnahmen der Krankenkassen. Jeder kann
sich an fünf Fingern abzählen, dass billige Leiharbeiter
weniger in die Krankenkassen einzahlen als die „teure“
Stammbelegschaft.
Mein Kollege Zöller von der CDU hat schon andere
politische Entscheidungen angeführt, die zu Einnahme-
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wollen Sie denn der Firma GEHE noch weitere
600 Millionen Euro zukommen lassen?, dann ist das
reine Polemik. Das geht nicht an.
Ich wiederhole: Bei einem Gewinn von 237 Millio-
nen Euro können nicht 600 Millionen Euro eingespart
werden. Was bleibt dem Großhandel denn anderes übrig,
als diesen Betrag an die Apotheken weiterzugeben? Es
geht nicht anders. Man kann zwar lange darüber streiten,
ob das so vorgesehen ist oder nicht, aber eines steht fest:
Die Aufstellung aller Aussagen vonseiten des Ministeri-
ums bzw. der Staatssekretärin ist erschreckend. Ich habe
mir Folgendes notiert – die erste Aussage stammt von
Oktober –: Der Großhandel gibt die Belastung weiter.
Dann hieß es: Er gibt die Belastung nicht weiter. Nach
der Abstimmung hieß es wiederum: Er gibt sie teilweise
weiter. Dann wurde berichtet, dass er sie doch vollstän-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dasgeht so nicht. Am 11. März dieses Jahres stellt sie dannfest – das ist die Krönung –, dass sie dafür gar nicht zu-ständig sei, weil die Verträge zwischen Großhandel undApotheken privatrechtlicher Natur seien.
Angesichts dessen erklären Sie hier trotzdem, wie gutdas Ganze vorbereitet sei und wie hervorragend es laufe.Des Weiteren wird ständig darauf herumgehackt, wel-che gewaltigen Einkünfte die Apotheken hätten; schließ-lich seien die Arzneimittelausgaben stark gestiegen. BeiAusgaben von 22 Milliarden Euro im Arzneimittelbe-reich hat sich der Gewinn der Apotheken – ich betonedas – um gerade einmal 19 Millionen Euro erhöht. Dassind 0,085 Prozent. Angesichts dessen können Sie dochnicht behaupten, die Apotheken seien an der Erhöhungder Kosten im Arzneimittelsektor schuld. Wenn Sie dasbehaupten, dann wollen Sie entweder die Wahrheit nichtwissen oder Sie kapieren es in der Tat nicht.
So geht es jedenfalls nicht.
Ich sage noch einmal: Es gibt keine andere Möglich-keit für den Großhandel, als es weiterzugeben. Die da-raus resultierenden Folgen sind bereits aufgezeigt wor-den: Die Zahl der Arbeitsplätze wird reduziert. Ich weißnicht, wie sich der für den Mittelstand zuständige Staats-sekretär der Regierung dazu verhält. Ich habe ihn zwarangeschrieben, habe aber bis heute keine Antwort be-kommen.
Warten wir es ab.Ich habe eben die unterschiedlichen Aussagen zu demGesetzesvorhaben aufgelistet. Unter anderem war voneinem Tollhaus die Rede. Das trifft auch auf die Aus-kimsrtbammBdwwTc–WfRziAzedeAbVDdwßgkkGbDasFsvddmhbzktIa
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Ihre Pläne zur Aufgabe des Mehrbesitzverbotes undzum Versandhandel gehen in die gleiche Richtung. Wol-len Sie denn, dass es eines Tages statt „Fragen Sie IhrenArzt oder Apotheker!“ bei der Werbung im Fernsehenheißt: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Postboten“? Offen-sichtlich verstehen Sie das unter einem Mehr anArzneimittelsicherheit. Es ist ein Trauerspiel.
Auch was die finanzielle Belastung im Zusammen-hang mit dem Versandhandel angeht, können Sie nach-fragen, so oft Sie wollen, Sie werden stets die Antwortbekommen: Das wissen wir nicht genau. – Warum tutman so etwas denn, wenn man nicht die finanziellenAuswirkungen auf das System kennt?
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, werdensich eines Tages fragen müssen, ob Sie das alles bewusstbetrieben haben.
Wir haben Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Siesich auf dem Weg in die Staatsmedizin befinden; daskönnen Sie abstreiten, so viel Sie wollen.
Bei den vielen anderen Punkten ist es doch nicht anders:Sie bekämpfen die Facharztpraxen, Sie wollen eine Re-glementierung über die Positivliste.
– Lesen Sie es doch nach!
Herr Kollege Bauer, kommen Sie bitte zum Schluss!
Das tut mir aber sehr Leid, dass ich jetzt Schluss ma-
chen muss.
Meine Damen und Herren, vielen Dank für das Zuhö-
ren.
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m Übrigen hätten Sie, wenn Sie schon die Frau Staats-ekretärin zitieren, den Brief von Frau Caspers-Merk zunde lesen sollen. Es ist nämlich sehr wohl berichtetorden, dass solche Briefe vorliegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim ersten Lesenes CDU/CSU-Antrages dachte ich mir: Das meinen dieoch nicht ernst.
enn das Vorschaltgesetz entlastet die Krankenkassen;as ist doch nicht zu bestreiten. Ich dachte, wenigstensn dieser Stelle seien wir uns einig.
ber das scheint so nicht der Fall zu sein. Zugegeben:rzte, Zahnärzte, Apotheken, Pharmagroßhändler understeller werden etwas belastet.
afür aber werden die Patienten nicht belastet.Dann erinnerte ich mich an die Zeit, als Schwarz-elb regierte – und da wusste ich: Der Antrag ist tat-ächlich ernst gemeint.
Wie hat man denn damals, in der guten alten Zeit, Herrolb, versucht, die Beiträge stabil zu halten?
amals – insofern gibt es schon einen Unterschied, undas müssen die Leute auch wissen – wurden die Patien-en und Patientinnen belastet,
nter anderem mit Medikamentenzuzahlungen, bei de-en einem schwindelig werden konnte.
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Erika LotzDas war christdemokratische und christsoziale Gesund-heitspolitik. Die Zuzahlungen betrugen Ende 1996 – jenach Packungsgröße – 3, 5 oder 7 DM,
1997 waren es schon 4, 6 und 8 DM. Mit dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz haben Sie die Zuzahlungen noch-mals erhöht, auf 9, 11 und 13 DM.Mit dem 1. GKV-Neuordnungsgesetz hatten Sie eineganz perfide Regelung verabschiedet: Die Zuzahlungensollten für die Versicherten, deren Krankenkassen ihreBeiträge erhöhen, automatisch steigen. Die Patientenwären gleich doppelt belastet worden, über höhere Bei-träge und über höhere Zuzahlungen – als ob der Einzelneetwas für seine Krankheit könnte!
Aber diesem Spuk haben wir ein Ende bereitet.Der „Frankfurter Rundschau“ von gestern konnte ichentnehmen, dass Herr Seehofer diesem Gedanken offen-sichtlich immer noch anhängt.Die härteste Ihrer damaligen Maßnahmen, die Strei-chung des Zahnersatzes für nach 1979 Geborene,scheint in Ihren Reihen noch immer Anhänger zu haben.
Die Streichung des Zahnersatzes wäre aus meiner Sichtfalsch.
Ich bin in diesem Fall gegen einen „Mut zur Lücke“. Esdarf nicht so sein, dass man am Lächeln eines Menschenseinen sozialen Status erkennen kann.
Was die von Ihnen geforderten Maßnahmen mit Genera-tionengerechtigkeit zu tun haben, wird mir unergründ-lich bleiben.
Wir zahlen heute die Zeche dafür, dass Sie zu IhrerRegierungszeit Versicherte nach dem Motto „Haste mal‘ne Mark?“ belastet haben, statt die nötigen Struktur-reformen anzugehen.
Wir haben uns doch schon einmal auf einen Kompromissgeeinigt. Als Beispiel nenne ich die Positivliste, die Sieschlicht „versenkt“ haben.DdvrsIrrDsaddmhdwunwlsnLvbumt
abei haben Sie aus meiner Sicht Wortbruch begangen;enn diese Liste war Teil der Kompromissvereinbarungon Lahnstein.
Heute wollen Sie das Beitragssatzsicherungsgesetzückgängig machen. Vor dem Bundesverfassungsgerichtind Sie mit diesem Anliegen schon gescheitert.
ch prophezeie Ihnen: Sie werden wieder scheitern.Dass Sie nicht nur der gesetzlichen Krankenversiche-ung, sondern auch der gesetzlichen Rentenversiche-ung Einnahmen verweigern wollen, ist schon schlimm.ie Beitragsbemessungsgrenze wollen Sie wieder herab-etzen. Ich ahne schon, dass Ihre nächste Aktion die Be-ntragung einer Aktuellen Stunde zur Finanzsituationer Rentenversicherung sein wird. Oder wollen Sie dannen Vorschlag von Frau Merkel, kinderlose Versicherteit höheren Beiträgen zu belasten oder ihnen nur diealbe Rente zuzugestehen, auf den Weg bringen?
Frau Kollegin Lotz, erlauben Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Zöller?
Nein.Die Umsetzung dieses Vorschlags von Frau Merkelürde alle verfassungsrechtlichen Grundsätze sprengennd ist mit uns nicht zu machen.Sie werden verstehen, dass wir Ihren Antrag ableh-en. Herr Kollege Zöller, Sie wollten ja wissen, was wirollen. Ich sage es Ihnen: Wir wollen Ihren Antrag ab-ehnen.
Sie wissen, dass wir eine Reform des Gesundheitswe-ens auf den Weg bringen müssen. Wir müssen für dieotwendigen Strukturveränderungen sorgen.
assen Sie uns hier einen gemeinsamen Weg zum Wohleon Patientinnen und Patienten finden! Sie wissen, wirrauchen mehr Wettbewerb, mehr Qualität
nd Transparenz für die Patientinnen und Patienten. Wirüssen Fehl- und Überversorgungen abbauen und Un-erversorgungen beseitigen. Wir haben Eckpunkte auf
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Erika Lotzden Weg gebracht. Lassen Sie uns, was die Umsetzungder weiteren Vorschläge angeht, zu einem guten Ergeb-nis kommen! Wir laden Sie an dieser Stelle ein, mit unszusammenzuarbeiten.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 15/542 und 15/652 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Abweichend von der Tagesordnung soll die Vorlage
auf Drucksache 15/652 nicht an den Ausschuss für
Tourismus überwiesen werden. Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisun-
gen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
– Drucksache 15/88 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
– Drucksache 15/738 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Haupt
Jutta Dümpe-Krüger
Andreas Scheuer
Sabine Bätzing
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die
Kollegin Kerstin Griese von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirdebattieren heute abschließend einen Entwurf zur Ände-rung des Jugendschutzgesetzes, der vom Bundesrat ein-gebracht worden ist. Wir haben über das Thema Jugend-schutz schon häufiger debattiert. Dieses Thema ist indieser Woche ganz besonders aktuell; denn am 1. Aprilist das neue Jugendschutzgesetz in Kraft getreten. Es istkein Aprilscherz. Es ist ein sehr gutes Gesetz, das amDienstag in Kraft getreten ist: unser neues Jugendschutz-gesetz, das viele Fortschritte für den Schutz von Kindernund Jugendlichen bietet und das auf die neuen Heraus-forderungen durch das Internet und durch die Medien-vielfalt adäquat reagiert.ZKwwMssldfDtsbwmsvgngrücdkgbOnsfvMTwtidtnptE
Wir sprechen über das Thema Jugendschutz in einereit, in der sich viele Kinder und Jugendliche gegen denrieg im Irak engagieren. Es ist auch eine Zeit, in derir uns intensiver mit der Frage beschäftigen müssen,ie gerade Kinder mit dem umgehen, was sie in denedien an Gewalt, an Krieg und an Terror sehen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht Ihnen wahr-cheinlich so wie mir: Ich bin von der Intensität, mit derich Kinder und Jugendliche mit der aktuellen Entwick-ung beschäftigen, tief beeindruckt. Ich bin auch vonem großen Engagement beeindruckt, mit dem sie sichür friedliche Lösungen und gegen Gewalt einsetzen.as ist übrigens – das sei nur nebenbei bemerkt – ein gu-es Argument gegen das Geschwätz von der unpoliti-chen Jugend.
Nach vielen Gesprächen, die ich dazu geführt habe,in ich sehr nachdenklich geworden in der Frage, wasir Kindern in den täglichen Nachrichten eigentlich zu-uten, zumal sie häufig auch allein vor dem Fernseheritzen.Besonders beeindruckt hat mich der Besuch in einerierten Grundschulklasse in meinem Wahlkreis in Heili-enhaus. Dort haben Kinder – Viertklässler! – aus eige-er Initiative fast 700 Unterschriften gegen den Kriegesammelt und mir überreicht. Sie wollten sehr viel da-über sprechen. Sie hatten ein ganz großes Bedürfnis,ber das, was sie an Gewalt im Krieg sehen, zu spre-hen. Sie alle gucken fast täglich Nachrichten, viele lei-er ohne Eltern oder ältere Geschwister, die ihnen helfenönnten, das Geschehene zu verarbeiten. Kinder und Ju-endliche sind außerordentlich gut informiert und sehrewegt von dem, was sie über den Krieg und über diepfer von Gewalt erfahren. Es geht in diesem Fall leidericht um fiktive Gewalt, über die wir im Jugendmedien-chutz so häufig sprechen, sondern um reale Gewalt, dieür Kinder und Jugendliche häufig noch viel schwerer zuerarbeiten ist.Angesichts eines Teils der Berichterstattung in denedien frage ich mich – das sollte man bei diesemhema auch einmal ansprechen –, ob es wirklich not-endig ist, in so reißerischer Form und mit so auf Sensa-ion bedachten Live-Reportagen den Krieg quasi direktns Wohnzimmer zu senden. Deshalb appelliere ich anie Verantwortlichen der Medien, nicht nur in dieser ak-uellen Situation, sondern auch grundsätzlich darüberachzudenken, wann was im Fernsehen gesendet wird.
Diese aktuellen Entwicklungen, die ich als Ausgangs-unkt gewählt habe, zeigen mir noch einmal, wie wich-ig es ist, dass Kinder sowie Eltern, Erzieherinnen undrzieher, Lehrerinnen und Lehrer Medienkompetenz
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Kerstin Grieseentwickeln können. Es ist wichtig, dass Kinder lernen,Fiktion und Realität zu unterscheiden, kritisch mit Me-dieninhalten umzugehen, dass Sie lernen, dass Medienmanipuliert werden können und dass das, was im Fern-sehen gezeigt wird, nicht immer die Wahrheit ist. Es istsehr nötig, qualitativ gute, pädagogisch sinnvolle undkindgerechte Angebote bereitzuhalten. Es gibt ein hohesMaß an Mitempfinden und an Einfühlungsvermögen beijungen Menschen und wir sollten darauf setzen, Kinderund Jugendliche zu schützen und zu stärken.
„Gute Seiten, schlechte Seiten“, so könnte man in An-lehnung an eine beliebte Fernsehserie zusammenfassendüber das Internet sagen. Im Internet gibt es gute Seitenund schlechte Seiten. Wir brauchen mehr gute Seiten fürKinder und Jugendliche. Ich will hier einmal ein sehr gu-tes Beispiel nennen, ausdrücklich auch deshalb, weil esehrenamtlich betrieben wird und meines Erachtens einerFörderung bedarf. Die Kindersuchmaschine mit der In-ternetadresse www.blinde-kuh.de bietet kindgerechte In-formationen und hat sehr schnell auch auf den Irakkriegreagiert. Kinder können dort nach Themen suchen, diesie interessieren. Wenn sie ein Thema eingeben, zu demes keine Informationen gibt, geschieht direkt interaktiveine Bearbeitung durch die Menschen, die diese Such-maschine betreiben; sie stellen neue Informationen dazuein. Man findet dort auch einen Zusammenschluss unterder Internetadresse www.seitenstark.de. Das ist eine Ko-operation von Kinderseiten im Internet.Dieses Engagement will ich ausdrücklich würdigen;denn ich halte das für einen sinnvollen Beitrag zum Kin-der- und Jugendmedienschutz. Das hilft den Kindern,den Umgang mit dem Internet zu lernen. Auf dieseWeise haben Eltern und Erziehende die Gewissheit, dassihre Kinder dort gute Seiten finden und nicht mit Gewaltoder Pornographie konfrontiert werden.
Noch etwas ist in dieser Woche in Kraft getreten,nämlich das neue Waffenrecht. Da wir hier auch insge-samt über das Thema „Gewalt und Jugendliche“ disku-tieren, muss man es erwähnen. In diesem Zusammen-hang muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen – damit kommeich auch auf Ihren Bundesratsentwurf zu sprechen –,dass ich mich in der Debatte sehr gewundert habe. Sievon der Opposition setzen im Bereich Jugendschutz aus-schließlich auf Verbote, haben aber in der Debatte umdas Waffenrecht unser Anliegen, Kinder und Jugendli-che stärker von Waffen fernzuhalten, abgelehnt, weil Siedas für eine Einschränkung der Freiheit und für den hal-ben Weltuntergang halten.
Ich finde es gut und richtig, dass seit dieser Wocheauch der Besitz von Pumpguns, Wurfsternen und gefähr-lichen Messern verboten ist; denn auch das ist für denJugendschutz sicherlich wichtig. Ich finde es ebenfallsrichtig, dass die Altersgrenzen für den Erwerb und denBkRdvjEKsdhdRmZdteAgGdczBLmwgaJVrnZafe1bkrraDcg1doSgsh
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Kerstin GrieseInteressant ist auch – der Jugendschutz ist ja ein Be-reich, bei dem wir alle gefordert sind, darauf zu achten,dass er umgesetzt wird, und auch einmal Händler, Wirteoder Kellner darauf anzusprechen, ob sie es denn tat-sächlich richtig handhaben –, dass DVDs oder CD-ROMs, die Fachzeitschriften beiliegen, entweder keinjugendgefährdendes Material enthalten dürfen oder al-tersgekennzeichnet sein müssen.Sehr wichtig ist, obwohl das immer wieder anders be-hauptet wird, dass jetzt die Regelungen für schwer ju-gendgefährdende Medien verschärft worden sind: Trä-germedien, also Videos, DVDs und Spiele, die den Kriegverherrlichen oder Menschen in einer Weise darstellen,die die Menschenwürde verletzt, oder die Jugendliche ineiner unnatürlichen, geschlechtsbetonten Körperhaltungzeigen, sind mit Indizierungsfolgen belegt. Das heißtpraktisch: Durch Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbotewerden sie aus dem Verkehr gezogen. Das haben wirdurch das neue Jugendschutzgesetz bereits geregelt.Wichtig ist, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefähr-dende Medien alle neuen Medien indizieren und auchdann tätig werden kann, wenn kein Antrag gestellt wird.Wir haben es ja in den letzten Wochen schon erlebt, dasssie bei der Indizierung von Spielen sehr viel schneller tä-tig werden konnte.Der 1. April dieses Jahres, der Tag des In-Kraft-Tre-tens des neuen Jugendschutzgesetzes, war ein guter Tagfür den Kinder- und Jugendschutz in Deutschland. Las-sen Sie uns gemeinsam die Umsetzung des neuen Geset-zes beobachten! Lassen Sie uns Kinder und Jugendlicheschützen und stärken, statt sie immer nur mit Verbotenzu belegen! Wir nehmen nämlich Kinder und Jugendli-che ernst und haben einen modernen und zeitgerechtenJugendschutz geschaffen, um die Situation zu verbes-sern. Der Bundesratsentwurf führt allein dazu, dass nochmehr Verbote ausgesprochen werden, und ist in einigenPunkten übrigens auch nicht sachgerecht, zum Beispielin Bezug auf die Indizierung und das Verbot von schwerjugendgefährdenden Medien. Deshalb bitte ich Sie, un-ser neues Jugendschutzgesetz zu begrüßen und den Bun-desratsentwurf abzulehnen.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Andreas Scheuer von
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undKollegen! Frau Kollegin Griese, einige Punkte des Ju-gendschutzgesetzes vom Juni 2002 tragen wir selbstver-ständlich mit. Sie missachten jedoch unsere Anliegenund das ist schade. Ein Entgegenkommen von Ihrer Seitehaben wir trotz des Appells zu einem parteiübergreifen-den Konsens bei unseren Vorschlägen nicht erfahren.Deswegen bringen wir nun eine eigene Initiative ein.lVgidPSrlBWsnnsHdGadwBlslsgusmilAvIgEe
ch habe da andere, zum Beispiel von der Bundesarbeits-emeinschaft Kinder- und Jugendschutz, BAJ:Das am 14. Juni 2002 im Deutschen Bundestag mitden Regierungsfraktionen verabschiedete Jugend-schutzgesetz erfüllt die von den Jugendschutzorga-nisationen vorgetragenen Erwartungen an eine kon-zeptionelle und systematische Modernisierung desKinder- und Jugendschutzes im Bereich des Ju-gendschutzes in der Öffentlichkeit nicht, im Be-reich des Jugendmedienschutzes nur teilweise.in vernichtendes Urteil über ein Gesetz, das eigentlichine Verbesserung darstellen sollte.Weiter heißt es:
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Andreas ScheuerDie Veränderungen im Freizeitverhalten jungerMenschen wurden dagegen für das neue Gesetznicht weiter reflektiert.Es entstand kein integriertes neues Gesetz und schongar nicht wurde dem von Fachleuten geäußerten Wunschnach Zusammenführung sämtlicher Jugendschutzvor-schriften entsprochen. Auch hat das Jugendschutzgesetzentgegen dem Anspruch des Titels nicht die Funktion ei-nes zentralen Gesamtgesetzes für den Jugendschutz, vondem aus man den Weg in verstreute Einzelvorschriftengewiesen bekommt.Ein Beispiel: In Untervorschriften und -gesetzen sindzwar einzelne Themenbereiche geregelt, aber verstreutund verteilt. Das erfüllt vielleicht die Erwartungen undAnsprüche von Juristen, aber es ist nicht praxis- undhandlungsorientiert für Otto Normalbürger.Meine Damen und Herren von Rot-Grün, wir müssenals Deutscher Bundestag Zeichen setzen, zum Beispielbei der medialen Darstellung von Kindern und Jugendli-chen in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhal-tung.
Kinder und Jugendliche sind keine Sexualobjekte fürSpinner mit pädophiler Neigung.
Wenn wir da nicht eindeutig einen Riegel vorschieben,entstehen solche Angebote, gegen die, wie zum Beispielkürzlich in Leipzig, die Staatsanwaltschaft nicht in vollerHärte eingreifen kann. Zuwiderhandlungen gegenSchutzvorschriften müssen hart bestraft werden. Es darfkeine Jugendschutzvergehen zum Sonderpreis geben.
Deshalb ist in unserem Vorschlag die deutliche Erhö-hung des Bußgeldrahmens enthalten.Damit es ein sinnvolles und kompaktes Schutzpaketwird, wollen wir ferner unter anderem ein Verbot vonVideoverleihautomaten – der zuständige Verband desVideofachhandels will ebenfalls dagegen vorgehen; die-ses Zeichen sollte die Politik erkennen – und ein Verbotvon Killerspielen sowie die Rückkehr zum Begriff dererziehungsberechtigten Person.Meine Damen und Herren von Rot-Grün, es ist unsschon schleierhaft, warum Sie eher den Schutz lockernwollen und sich mit sehr wackligen Argumenten gegenVerbesserungen wehren, anstatt unseren jungen Men-schen ein kompaktes Schutzsystem zu bieten.Frau Kollegin Humme, Sie haben am Mittwoch imAusschuss bei dem Gedankenaustausch mit unseren pol-nischen Gästen in Ihrem Statement das Thema Jugend-schutz mit derartig hanebüchenen Argumenten ange-sprochen. Sie wollen die Medienkompetenz stärken.Das wollen auch wir – nur auf komplett andere Weise.Sie haben gesagt, dass die jungen Menschen selbstbe-wusst mit Medien umgehen sollen. Okay, das ist wün-schenswert; das wollen auch wir. Aber Sie haben auchgGDSDwWhwVsdHewekwbTFMdhSEFddgnIlssbthdgB
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrScheuer, uns trennen bisweilen wirklich Welten. Manch-mal kann man eben nicht zusammenkommen. Aber ichdenke, es wird langsam Zeit, dass Sie aus Ihrer Nörgel-ecke herauskommen.
Wir begrüßen ausdrücklich das neue Jugendschutzge-setz, das am 1. April in Kraft getreten ist. Es ist ein gutesund umfangreiches Gesetz, das Kinder und Jugendlichedort schützt, wo es nötig ist, das ihnen aber auch Raumfür eigenverantwortliches Handeln lässt. Erziehendengibt es verlässliche Rahmenbedingungen und stärktgleichzeitig die Elternkompetenz. Für Vollzugsbehörden,Anbieter und Gewerbetreibende stellt es ein transparen-tes und einheitliches gesetzliches Regelwerk dar.Die Zusammenführung des Gesetzes zum Schutz derJugend in der Öffentlichkeit mit dem Jugendmedien-schutz-Staatsvertrag ist auch von der breiten Öffentlich-keit positiv aufgenommen worden. Dass die Aufsichtüber Fernsehen und Internet erstmalig in einer Handliegt und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdendeSchriften künftig neben Büchern und CDs auch Compu-terspiele, Kassetten und DVDs kontrolliert, ist eine zen-trale Neuerung.In der größten lippischen Tageszeitung hieß es amvergangenen Dienstag im überregionalen Teil zum In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes:Wenn Joachim von Gottberg bislang an Hochschulenüber Jugendmedienschutz referierte, legten die Stu-dierenden spätestens nach dem fünften Gesetz stöh-nend den Griffel aus der Hand. Der Geschäftsführerder „Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen“ …empfand die Aufsicht über jugendgefährdende Me-dien in Deutschland stets als „heillos zersplittert“.Landesmediengesetze, Telekommunikationsgesetz,Mediendienste-Staatsvertrag: Die Zahl der Bestim-mungen ist ebenso groß wie die Zahl der Einrich-tungen, die über Jugendschutz in den Medien wa-chen. Das soll jetzt anders werden.Es wird jetzt anders werden, weil zum ersten Mal derJugendschutz im Internet angepackt wurde und weil ge-rade im Bereich der neuen Medien ein wirksamer Kin-der- und Jugendmedienschutz gewährleistet sein muss.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sieempfinden das neue Jugendschutzgesetz als lückenhaftund werfen Rot-Grün verpasste Chancen vor – das habeich gestern gelesen –, zum Beispiel im Hinblick auf dasVermiet- und Verleihverbot von gewalt- und kriegsver-herrlichenden Spielen, für die Sie ein generelles Verbotfordern. Dabei verkennen Sie komplett, dass durch dasneue Jugendschutzgesetz der Schutz von Kindern undJugendlichen gerade im Hinblick auf kriegs- und gewalt-vvdadvgdacdstalnsagDhdlOduiealammlEbsdb
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Die Zustän-igkeit der Bundesprüfstelle ist auf den Onlinebereichusgedehnt worden. Damit kann jetzt einer Gefährdung,ie von gewaltverherrlichenden Spielen ausgeht, effekti-er entgegengetreten werden. Die Verbote von schwer ju-endgefährdenden Medien, insbesondere die mit Gewalt-arstellungen, wurden erweitert und verschärft. So sinduch ohne Indizierung durch die Bundesprüfstelle Bü-her, Videos, CDs, CD-ROMs und DVDs verboten, dieen Krieg verherrlichen. Computerspiele und Bild-chirmspielgeräte müssen seit dem 1. April mit einer Al-ersfreigabe gekennzeichnet sein. Videospiele dürfen nurn Kinder und Jugendliche abgegeben werden, die das er-aubte Alter haben. Diese altersgerechte Kennzeich-ungspflicht gibt zum Beispiel Eltern – ich habe es ebenchon einmal gesagt – eine wichtige Einschätzungshilfen die Hand und stärkt ihre Kompetenz. Ich finde dasanz wichtig.
Der Jugendschutz ist eindeutig verbessert worden.ieses Gesetz ist im Gegensatz zu anders lautenden Be-auptungen hinreichend und ausreichend diskutiert wor-en, nämlich über zwei Jahre. Es ist intensiv mit Fach-euten beraten worden. Ich sage das bewusst in Richtungpposition, weil es Ihnen immer je nach Bedarf entwe-er zu schnell oder zu langsam geht. Zwischen Ländernnd Bund besteht Einvernehmen, die neuen Vorschriftennnerhalb der nächsten fünf Jahre zu evaluieren.Was den auf Initiative Bayerns eingebrachten Entwurfines Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzesngeht, den wir heute ablehnen werden,
ässt sich getrost sagen: Er ist längst überholt, enthält vorllem eine Unmenge an Verboten, stellt das Verhältnis-äßigkeitsgebot durch unterschiedliche Bußgeldrah-en auf den Kopf und widerspricht dem Gleichbehand-ungsgrundsatz.
r trägt auch nicht zur Verbesserung des Jugendschutzesei. Vermutlich hat er darum nicht einmal im Fachaus-chuss des Bundesrates eine Mehrheit gefunden.Kurzum, Herr Scheuer, aus meiner grünen Sicht wäreieses Papier am besten als Baum im Wald stehen ge-lieben.Danke schön.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Haupt von der
FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Das in diesen Tagen in Kraft getre-tene reformierte Jugendschutzgesetz hat begrüßens-werte Neuerungen gebracht. Aber es hat – das sage ichhier ganz deutlich; ich gebe dem Kollegen ScheuerRecht – noch viele Wünsche offen gelassen.Frau Dümpe-Krüger, Sie haben die Geschwindigkeitder Beratungen angesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen:Das Gesetzgebungsverfahren hatte eine Geschwindig-keit, die ich nur mit der des Transrapid vergleichen kann.
Der vorgelegte Gesetzentwurf des Bundesrates ist des-halb aus dieser Sicht grundsätzlich verständlich. Damitwird auf einige problematische Punkte des novelliertenJugendschutzgesetzes hingewiesen. Es enthält unterstüt-zenswerte Elemente, ist aber nach Auffassung der FDPin seiner Gesamtheit nicht zielführend.Lassen Sie mich in der Kürze der mir zur Verfügungstehenden Zeit auf einige Punkte sachlich eingehen. DasVerbot der Darstellung von Kindern in unnatürlicher, ge-schlechtsbetonter Körperhaltung zum Beispiel sehe ichmit Sympathie.
Hier nähern wir uns zu sehr der Grauzone zum sexuellenMissbrauch von Kindern und Jugendlichen. Der Gesetz-geber kann gar nicht deutlich genug machen, dass auchdie Informations- und die Kunstfreiheit nicht einmal an-satzweise als Vorwand dafür dienen dürfen, Kinder undJugendliche auch nur in die Nähe dieser Grauzone zubringen.
Das generelle Verleihverbot von jugendgefährden-den Medien trägt nach unserer Sicht nichts zum Jugend-schutz bei. Dieses Verbot beträfe auch Erwachsene undist aus unserer Sicht weder zweckmäßig noch verhältnis-mäßig. Es kann doch nicht sein, dass jugendgefährdendeTrägermedien zwar verkauft werden und im Internet zu-gänglich sein können, der Verleih – auch an Erwachse-ne – aber verboten ist. Hierbei handelt es sich lediglichum die Diskriminierung eines Wirtschaftszweiges, nichtaber um eine Förderung des Jugendschutzes.Das Gleiche gilt für das Automatenverbot für Bildträ-ger. Das novellierte Jugendschutzgesetz schreibt techni-sche Vorrichtungen vor, die verhindern sollen, dass dieentsprechenden Automaten von Kindern und Jugend-lichen falschen Alters bedient werden können. Konse-quent wäre hier ein generelles Automatenverkaufsverbotetwa auch für Zigaretten gewesen. Aber das will derBundesrat aus guten Gründen nicht.cEt-dszlwasamdsnis1szdegudggmEphsitJszaKfnFdiKkw
Allerdings – ich sagte ja, dass ich mich sachlich damituseinander setzen möchte, Kollege Scheuer – themati-iert der Antrag damit einen echten Schwachpunkt derlten sowie der neuen, novellierten Jugendschutzbestim-ungen. Die Altersgruppendifferenzierung im Rahmener FSK ist den tatsächlichen kindlichen Entwicklungs-chritten überhaupt nicht angepasst.Die FDP ist der vermutlich auch bei anderen Fraktio-en zustimmungsfähigen Auffassung, dass sich Kinderm Alter zwischen sechs und zwölf Jahren erheblichtärker verändern als Jugendliche zwischen 16 und8 Jahren. Dementsprechend wäre zumindest eine zu-ätzliche Altersgrenze zwischen sechs und zwölf Jahrenu erwägen. Im Übrigen erscheinen mir die Problemeer Rückwirkung einer solchen Neuklassifizierung beitwas gutem Willen der Beteiligten durchaus lösbar.
Der Bundesrat schlägt in Bezug auf Bildschirmspiel-eräte die Rückkehr zur alten Regelung vor, die Kindernnd Jugendlichen das entgeltliche Spielen verbot und soer Gefahr des Verspielens größerer Geldsummen be-egnete. Die Neuregelung des Jugendschutzgesetzes da-egen setzt an einer Alterskennzeichnung an. Dies er-öglicht eine differenzierte Freigabe, lässt aber dientgeltproblematik offen. In der Abwägung beider As-ekte bevorzugen wir die Alterskennzeichnung, daseißt die Bewertung von Inhalten. Allerdings ist aus un-erer Sicht überlegenswert, auch die Entgeltproblematikm Jugendschutzgesetz neu zu regeln.Wir können aber nur dazu mahnen, bei allen berech-igten Schutzvorschlägen immer daran zu denken, dassugendliche irgendwann, spätestens mit 18, selbst reifein müssen, verantwortungsbewusste Entscheidungenu treffen. Jugendschutz muss deshalb immer noch einendere Dimension ins Blickfeld nehmen: Er muss dieinder und Jugendlichen in die Lage versetzen, mit Ge-ahren umzugehen und sie selbst zu meiden.Der Jugendschutz muss in einem produktiven Span-ungsverhältnis zu der aus unserer Sicht notwendigenreiheit der Kinder und Jugendlichen gesehen wer-en, die für ihre Kompetenzentwicklung so unabdingbarst. In diesem Zusammenhang muss auch das Recht derinder und Jugendlichen auf ihre eigene Kultur, aufindgerechte Medien und Medieninhalte hervorgehobenerden.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3171
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Klaus HauptLiebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorschläge desBundesrates zur Novellierung des Jugendschutzes ma-chen deutlich, dass es auf diesem Gebiet weiterhin gro-ßen Handlungsbedarf gibt. Insgesamt scheint es ausSicht der FDP aber besser, erst einmal Erfahrungen mitdem reformierten Gesetz zu sammeln, bevor neue Ände-rungen vorgeschlagen werden.Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Wieczorek von
der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Eine positive Entwicklung unserer Kin-der und Jugendlichen zu erreichen und für den notwendi-gen Schutz vor negativen Einflüssen zu sorgen ist eineSchwerpunktaufgabe. Ich spreche niemandem in diesemHause ab, nach bestem Gewissen an dieser Aufgabe mit-zuwirken.Ein Hauptziel bei der Erarbeitung des neuen Jugend-schutzgesetzes, das am Dienstag dieser Woche in Kraftgetreten ist, war, Regelungen zu finden, die der rasantenEntwicklung der neuen Medien Rechnung tragen undeinerseits dem berechtigten Informationsbedürfnis sowieandererseits der Minimierung der daraus resultierendenGefährdungen und Beeinflussungen für Kinder und Ju-gendliche gerecht werden.
Dieses Ziel wurde mit dem neuen Jugendschutzgesetzerreicht. Zusammen mit den Regelungen zum Jugend-medienschutz wird das Gesetz den neuen Erfordernissengerecht. Zum Inhalt des Gesetzes bestand zwischen Bun-desregierung, Bundestag und – wie ich mich erinnere –den Bundesländern gerade nach den tragischen Ereignis-sen von Erfurt Konsens. Völlig unverständlich ist des-halb, dass noch vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzesdurch den Bundesrat ein neuer Gesetzentwurf auf denparlamentarischen Weg gebracht wird und dieser die Un-terstützung von CDU und CSU hier im Hause findet.Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugend-schutz, die heute schon angesprochen wurde, bemerkt zudiesem offensichtlichen Widerspruch – ich zitiere –:Die Entschließung des Bundesrates vom vergange-nen Juni, die die Grundlage des neuerlichen Ände-rungsantrages ist, trägt für uns noch Wahlkampf-züge.
Auch wenn ich Ihnen, wie eingangs erwähnt, grundsätz-lich redliche Absichten zugestehe, glaube ich, dass dieseThese nicht völlig aus der Luft gegriffen ist;
dnsenlunSmrRsdsFasnkedgTEdkHmKgDwmlbdGvtMkvs
Der Verdacht, dass bei der Einbringung des bayeri-chen Entwurfs sachliche Aspekte nicht die entschei-ende Rolle gespielt haben, wird für mich durch die Tat-ache unterstrichen, dass sich die entsprechendenachausschüsse im Bundesrat nicht für diesen Entwurfusgesprochen haben.
Die konkreten Änderungsvorschläge sind in den Aus-chussberatungen, während der ersten Lesung im Ple-um und auch am heutigen Tage ausführlich beraten undommentiert worden. Deshalb möchte ich mich nun aufinige Widersprüche konzentrieren und auf die Ansätzees Gesetzes und des Gesetzentwurfes eingehen, die sichrundsätzlich unterscheiden:Es macht zum Beispiel wenig Sinn, den Verleih vonrägermedien mit jugendgefährdendem Inhalt auch anrwachsene grundsätzlich zu verbieten, für den Verkaufiese Einschränkung aber nicht zu fordern. Gerade ge-aufte DVDs oder Videos verbleiben viel länger in denaushalten und unterliegen somit einer geringeren Auf-erksamkeit durch die Erwachsenen. Die Gefahr, dassinder und Jugendliche den Inhalt konsumieren oder so-ar kopieren könnten, dürfte viel größer sein.
as Verbot der Weitergabe an Kinder und Jugendlicheird dem Jugendschutz gerecht und schränkt die Infor-ationsfreiheit für Erwachsene nicht ein.Lassen Sie mich noch etwas zu Ihrer Forderung, Kil-erspiele wie Gotcha, Paintball und Laserdome zu ver-ieten, sagen. Dieses Beispiel zeigt die Überflüssigkeites Gesetzentwurfs sehr anschaulich; denn durch einerundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtsom 24. Oktober 2001 wurde klargestellt, dass der Be-rieb derartiger Spiele wegen des Verstoßes gegen dieenschenwürde bereits nach der polizeilichen General-lausel unzulässig ist.
Was wollen Sie also noch? Diese Spiele sind bereitserboten. So lassen sich auch andere Punkte, in denenich der Gesetzentwurf des Bundesrates vom bestehen-
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Jürgen Wieczorek
den Jugendschutzgesetz unterscheidet, entkräften. VielePunkte sind schlicht und einfach überflüssig, weil dieSachverhalte bereits durch das Jugendschutzgesetz oder,wie soeben erwähnt, durch andere Klauseln abgedecktwerden.
Eigentlich fordern Sie doch immer den Abbau vonÜberregulierungen.
Sie wollen aber stärkere Restriktionen einbauen. Hierbeisei nur an die heute angesprochene Erweiterung desBußgeldrahmens von 50 000 Euro auf 500 000 Euro er-innert. Ich denke, hier muss die Verhältnismäßigkeit ge-wahrt bleiben. Wir haben den Bußgeldrahmen bereitsvon 15 000 Euro auf die besagten 50 000 Euro erweitert.Das ist mehr als eine Verdreifachung. Ich denke, das istangemessen und führt zu einer guten Abschreckung.
Das Gesetz und der zu beratende Entwurf unterschei-den sich schon im Ansatz grundsätzlich. Mit dem Ge-setzentwurf legt die Union das Gewicht eindeutig aufneue Regelungen und Verbote. Das ist aus meiner Sichtin keiner Weise dazu geeignet, die Medienkompetenzvon Kindern und Jugendlichen zu stärken.
Auch wenn der Entwurf in dieser Hinsicht lückenhaftist, bleibt doch erkennbar, dass man aufseiten der CDU/CSU meint, man könne die Probleme lösen, indem mangewissermaßen eine Glocke über die jungen Menschenstülpt. Man traut weder den Eltern noch anderen an derErziehung beteiligten Personen zu, erfolgreich Einflussauf die Kinder zu nehmen. Mit diesem Gesetzentwurfzeigt die Union ihr Misstrauen gegenüber den Eltern.
Ich frage Sie: Wer, wenn nicht die Eltern des Kindes,kann am besten entscheiden, was für das Kind verant-wortbar ist, ob es zum Beispiel einen Film emotionaloder intellektuell verarbeiten kann oder nicht? Natürlichkann nie ausgeschlossen werden, dass es eine kleineZahl von Eltern gibt, die dieser Verantwortung nicht ge-recht werden.Die Kollegen von der Union vergessen bei ihrer Be-gründung für die Gesetzesänderung außerdem, dass Kin-der gleichen Alters – gerade im Alter zwischen sechsund zwölf Jahren – sowohl geistig als auch körperlichsehr unterschiedlich entwickelt sind.
Herr Haupt hat das schon angesprochen; dem ist zuzu-stimmen.AiezIdWousEiggÜsvuveufluvnVdErEnndzuds
uch deshalb ist es sinnvoll, den Eltern zuzutrauen, denndividuellen Entwicklungsstand ihrer Kinder richtiginschätzen und entsprechende Entscheidungen treffenu können.
nteressant ist die Tatsache, dass die Familie gerade beier Union immer eine große Rolle als Leitbild spielt.arum sind Sie dann aber an dieser Stelle misstrauisch?Beim Jugendschutz kann man nicht nur mit Verbotenperieren. Abgesehen davon, dass Verbotenes für Kindernd Jugendliche immer eine besondere Verlockung dar-tellt, besteht die große Gefahr, dass die Kontrolle derinhaltung der Verbote kaum konsequent durchführbarst. Auch deshalb verfolgen wir im neuen Jugendschutz-esetz einen anderen Ansatz: Dort, wo Verbote und Re-ulierungen unumgänglich sind, wurden sie eingebaut.berall dort, wo Bürgerrechte unverhältnismäßig einge-chränkt worden wären und wo wir Beratung und eineertrauensvolle positive Einflussnahme als geeigneteresnd ausreichendes Mittel ansehen, haben wir auf Verboteerzichtet.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich glaube, es ist heute weitgehend bewiesen, dass
ine Erziehung, die nahezu ausschließlich auf Verboten
nd Restriktionen beruht, wenn überhaupt, nur von kurz-
ristigem Erfolg ist. Zudem wird dadurch die Entwick-
ng und Förderung der Talente der jungen Menschen
erhindert.
Viel wichtiger ist es, dass Eltern, Lehrer und weitere
ahe stehende Personen ein auf Vertrauen gegründetes
erhältnis zu den Kindern aufbauen und pflegen. Nur
adurch wird eine nachhaltige positive Erziehung und
ntwicklung zu vielseitigen und offenen Menschen er-
eicht, die auch über das Jugendalter hinaus negativen
inflüssen und Anfechtungen besser widerstehen kön-
en.
Ich bin gleich fertig. – Deshalb ist es im Bereich der
euen Medien wichtig, den Kindern und Jugendlichen
ie Möglichkeit zu geben, sich damit umfassend vertraut
u machen, sie vertrauensvoll auf Gefahren hinzuweisen
nd nur dort, wo wirklich notwendig, Einschränkungen
urch Verbote vorzunehmen.
Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit weit über-chritten.
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Okay.
Die CDU/CSU steht mit der Unterstützung des Bundes-
ratsentwurfs weitgehend isoliert da. Ich fordere Sie auf:
Besinnen Sie sich!
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Dörflinger
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Siemich mit Blick auf das, was Kollegin Griese zu Beginnihres Beitrages gesagt hat, eine Vorbemerkung machen:Ich glaube, es lohnt sich, einmal kritisch zu hinterfragen,was sich vor dem Hintergrund des Irakkrieges gegen-wärtig in den bundesdeutschen Medien abspielt.
Ich möchte hinzufügen: Nicht nur hinsichtlich der Wir-kung auf Kinder und Heranwachsende, sondern auchhinsichtlich der Wirkung auf Erwachsene sollten wir unskritisch die Frage stellen, ob – ich will es in einen klei-nen und einfachen Satz fassen – nicht weniger oftmalsmehr wäre.
Auch wenn wir wenige Tage nach In-Kraft-Treten desJugendschutzänderungsgesetzes aufgrund einer Bundes-ratsinitiative über eine erneute Änderung diskutieren,was vielleicht auf den ersten Blick anachronistisch er-scheinen mag, ist es doch so – Herr Kollege, wenn Siedie Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Kin-der- und Jugendschutz in ihrer Gänze zitiert hätten, dannwären auch Sie auf diesen Punkt gestoßen –, dass auchdie BAG trotz der erfolgten Änderung und der Novellie-rung des Jugendschutzgesetzes beim Thema Jugend-schutz durchaus Diskussionsbedarf einräumt.Ich füge aber hinzu, dass die BAG die Auffassungender Union nicht in allen Punkten teilt. Auch wenn dieserGesetzentwurf – ich bin kein Prophet, aber davon geheich aus – durch die Mehrheit der Koalition heute abge-lehnt wird, sollte er doch Anlass sein, im Sinne der BAGüber den einen oder anderen Punkt noch einmal nachzu-denken. Dabei muss nicht so sehr der Frage nachgegan-gen werden, ob der eine mit mehr oder der andere mitweniger Verboten zum Erfolg kommt, sondern es mussum die Frage gehen, ob das, was in der Novelle zum Ju-gendschutzgesetz vorgesehen ist, in der Praxis tauglichiJvgsdbIntEgwgbnmZshlTsifsilewd–vvEsavsliFtewd
Erstens geht es um den Begriff der erziehungsbeauf-ragten Person. Bisher war im Jugendschutzgesetz vomrziehungsberechtigten die Rede. Das war klar. Der Be-riff der erziehungsbeauftragten Person ist so klar nicht,enn Sie ihn nicht aus der Sicht desjenigen oder derjeni-en sehen, der oder die sich damit beschäftigt, sonderneispielsweise aus der Sicht eines Veranstalters oder ei-es Gewerbetreibenden. Auch diese Menschen müssenit diesem Rechtsbegriff im Gesetz umgehen und imweifelsfall dafür geradestehen, wenn es zu einem Ver-toß gegen das Jugendschutzgesetzt kommt, wofür sieaftbar gemacht werden können.Ich habe meine Zweifel – auch das steht in der Stel-ungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft zu diesemhema –, ob der Begriff der erziehungsbeauftragten Per-on tatsächlich praxistauglich ist. Meiner Meinung nachst er es selbst dann nicht, wenn, wie von Juristen ange-ührt wird, nicht nur eine mündliche, sondern einechriftliche Beauftragung vorliegt. Auch dann sehe ichm Vollzug deutliche Defizite. Ich sage ganz klar: So-ange wir keine bessere Lösung haben – ich wäre fürine bessere Lösung, die sich tatsächlich als solche er-iese, durchaus offen –, müssen wir zunächst im Sinneer Praxistauglichkeit bei der alten Lösung bleiben.
Herr Kollege Tauss, ich weiß nicht, wovon Sie etwaserstehen, aber ich weiß, dass Sie von dem Thema nichtserstehen.
s wäre für Sie, Ihre Fraktion und das Plenum des Deut-chen Bundestags besser, wenn Ihre Unkenntnis nichtuch noch im Protokoll dokumentiert würde.Ich will einen zweiten Punkt nennen: das Elternpri-ileg. Wir haben in der Anhörung deutlich gemacht, dassich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht grundsätz-ich gegen die Parental Guidance stellt. Aber die Fragest auch hier: Ist es in der Praxis tauglich oder nicht? Sie,rau Griese, haben selber in Ihrem Beitrag die FSK-Al-ersklassifizierung angesprochen. Wir sind uns durchausinig, dass es sinnvoll wäre, die unterschiedlichen Ent-icklungsstufen eines Kindes zwischen 6 und 12 Jahren,ie es zweifelsohne gibt, auch in der Altersdifferenzie-
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Thomas Dörflingerrung der FSK abzubilden, um so tatsächlich den Elternanschließend eine Handhabe für die Entscheidung zu ge-ben, ob ein Film für ihren Sohn oder ihre Tochter geeig-net ist oder nicht.Wenn beispielsweise ein Sechsjähriger oder ein Sie-benjähriger mit der Bitte zu seinen Eltern kommt, denzweiten Teil des „Herrn der Ringe“ anschauen zu wol-len, FSK ab 12, dann wäre ich als Vater in dieser Frageüberfordert,
weil ich den Film nicht kenne. Mit einer Altersdifferen-zierung, die den Entwicklungsstufen des Kindes gerechtwird, würde mir die Entscheidung wesentlich einfacherfallen. Deswegen geht es auch in diesem Punkt um diePraxistauglichkeit.
Beim dritten Punkt geht es auch um ein Problem, dassich möglicherweise anschließend im Vollzug erweisenwird. Wir wollen ein Verbot von Videoverleihautoma-ten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Ju-gendschutz unterstützt in ihrer Stellungnahme diese For-derung aus der einfachen Überlegung heraus, dass derJugendschutz und die Kontrolle der Abgabe von Videosan Jugendliche natürlich innerhalb eines Ladengeschäf-tes wesentlich einfacher zu regeln ist als an einem Auto-maten, zu dem jeder anonym Zugang hat. Auch da stelltsich die Frage: Wie sieht es anschließend mit der Haf-tung aus? Ist der Betreiber des Videoverleihautomatenanschließend haftbar? Bei der Abgabe innerhalb einesgeschlossenen Ladengeschäftes ist die Frage eindeutigzu beantworten. Es stellt sich also auch hier die Fragenach der Praxistauglichkeit. Solange wir das nicht ge-klärt haben, plädieren wir für ein Verbot der Videover-leihautomaten.
– Herr Kollege Haupt, danke für den Zwischenruf.Auf Initiative der Drogenbeauftragten der Bundesre-gierung ist das bereits diskutiert worden. Es gab durch-aus Unterstützung in den einzelnen Fraktionen für diesenVorschlag. Wir müssen dann beides tun. Wenn wir zu derÜberzeugung kommen, dass Zigarettenautomaten im In-teresse von Kindern und Jugendlichen verboten werdensollten, dann müssen wir das gleichfalls bei Videover-leihautomaten tun. Man kann nicht das eine tun und dasandere lassen.
Ein letzter Punkt: Ich habe erstaunlicherweise bei denverschiedenen Beiträgen festgestellt, dass wir fraktions-übergreifend in diesem Punkt einen Konsens haben. Esgeht um die Darstellung von Kindern in unnatürli-cher geschlechtsbetonter Körperhaltung. Es gibt eindeutliches Defizit im vorliegenden Gesetzentwurf, demwir durch die Bundesratsinitiative entgegenwirken wol-lefeLGudsddlenwwspzsrgseamEdstZZ
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, weiterer Abgeordneter und der Frak-
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich be-rüße es ausdrücklich, dass Sie die Haltung und das Vor-ehen der Bundesregierung mit Ihrem Entschließungs-ntrag unterstützen wollen. Das spricht übrigens für Ihreernfähigkeit; denn zu Ihrer Regierungszeit haben Sieich herzlich wenig um die Belange der süddeutschenevölkerung gekümmert.
Aber Ihr guter Wille allein reicht nicht; denn dem An-ag der CDU/CSU-Fraktion fehlt das gebotene Augen-aß in puncto Realisierbarkeit. Die darin gefordertenaßnahmen sind zum Teil auch technisch in sich wider-prüchlich. Sie fordern zum Beispiel, dass Wartever-ahren nur über schweizerischem Gebiet erfolgen dürf-n, aus ihnen heraus aber nicht über deutsches Gebietngeflogen werden dürfte. Es gibt jedoch keine dement-prechenden Anflugverfahren auf die Pisten 14 und 16,ie den Kriterien der Internationalen Zivilluftfahrt-Orga-isation entsprechen würden. Gleiches gilt für die Forde-ungen der Landräte der Landkreise Waldshut, Schwarz-ald-Baar und Konstanz, auf die die FDP in ihremntrag verweist.Der Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis-es 90/Die Grünen – wie sollte es auch anders sein? – istemgegenüber auch im Hinblick auf die tatsächlicheurchsetzbarkeit der Maßnahmen sauber formuliert.
udem enthält er wichtige Elemente wie Genehmi-ungsverfahren für die viel diskutierten Ausnahmen vonen Flugbeschränkungen und die Überwachung der Ein-altung der Flugbeschränkungen, die ich in den anderennträgen schmerzlich vermisse.Die Bundesregierung handelt, sie wird die Interessener süddeutschen Bevölkerung wirksam schützen undür eine angemessene Verteilung der Belastungen sor-en. Damit die im Sinne einer weit reichenden Reduzie-ung zwingend notwendigen technischen Voraussetzun-en am Flughafen Zürich geschaffen werden können,erden der Schweizer Seite kurze Übergangsfristen ein-eräumt.Die Umsetzung erfolgt deshalb in zwei Stufen: In ei-er ersten Stufe wollen wir die Flugbewegungen zu-ächst auf unter 110 000 reduzieren. Die Verordnung,ie wir dazu erlassen, tritt am 17. April in Kraft. Mit die-er Verordnung werden folgende Maßnahmen sofortirksam: Die Nachtflugbeschränkungen werden wo-hentags abends und morgens um jeweils eine Stundeuf 21 bis 7 Uhr Ortszeit ausgedehnt. Die Überflughö-en und Wartehöhen werden von 21 bis 7 Uhr auflugfläche 120 – das sind circa 3 600 Meter über Nor-
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Parl. Staatssekretärin Iris Gleickemalnull – bzw. Flugfläche 180 – das sind circa5 400 Meter über Normalnull – angehoben. Um den Be-trieb am Flughafen nicht einschränken zu müssen, wirdsich der Flughafen für Landeanflüge von Osten und Sü-den öffnen müssen.Wir wollen auch die derzeit gültigen Ausnahmerege-lungen weiter einschränken. Die entsprechenden Maß-nahmen sind bereits in der Verordnung enthalten und tre-ten zum 10. Juli dieses Jahres in Kraft.Die zweite Stufe greift nach einem Jahr mit einerneuen Verordnung und reduziert die Flugbewegungendann weiter auf unter 80 000. Mit diesen konkretenMaßnahmen werden die Interessen der süddeutschen Be-völkerung wirkungsvoll geschützt.
Lassen Sie mich noch etwas zu der Wahrnehmung derFlugsicherung im Grenzgebiet anmerken. Aus flugsi-cherungsfachlicher Sicht ist dort die gegenwärtige Auf-gabenteilung zwischen der deutschen und der schweize-rischen Flugsicherung optimal. Aber ohne einenStaatsvertrag fehlt hierfür die Rechtsgrundlage. Einefachlich gleichwertige Lösung wäre gegeben, wenn jetztdie deutsche Flugsicherung 50 Jahre lang den schweize-rischen Luftraum kontrollieren würde.
An diese Lösung will aber die Schweiz aus Gründen derSouveränität nicht herangehen. Sie misst auch hierbeimit zweierlei Maß. Wenn wir das Lärmproblem im Griffhaben, werden wir aber auch zu diesem Komplex geeig-nete Lösungen finden. Wir sind es der süddeutschen Be-völkerung schuldig, dass wir schnell wirkende Maßnah-men ergreifen, die zu einer gerechten Verteilung derLasten führen.
Ich betone noch einmal: Uns wäre ein Staatsvertrag sehrviel lieber gewesen. Dass er nicht zustande gekommenist, hat nicht an uns gelegen. Jetzt müssen wir aber han-deln.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Dörflinger
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Siemir eine kleine Bemerkung zu den auch eben wieder un-ternommenen Ausflügen in die politische Geschichte,Frau Staatssekretärin.EMkmHwänvadnuahülSdtzgqKmgdtaKSvwudgcrBserdsEOPam
s wäre sinnvoll, bei Ihrer Suche in den Archiven derinisterien auch einen Blick in das Archiv des Bundes-anzleramts zu werfen und nachzulesen, wie sich der da-alige Staatsminister im Bundeskanzleramt, Gunteruonker, zwischen 1980 und 1982 zu der geplanten Er-eiterung der Pisten beim Flughafen Zürich-Kloten ge-ußert hat. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Stei-en werfen!
Die heute vorliegenden Anträge unterscheiden sich inier zentralen Punkten, die aus unserer Sicht auch in derngekündigten Rechtsverordnung nicht im ausreichen-en Maße geregelt sind und auf die ich an dieser Stelleäher eingehen möchte.Erstens. Wir plädieren für eine sehr strenge Definitionnd Regelung der Ausnahmetatbestände. Es geht nichtn, dass die Festlegung, ob schlechtes oder gutes Wettererrscht, der Definitionshoheit der Flughafenbetreiberinberlassen wird. Die im Staatsvertrag getroffenen Rege-ungen, die im Vorgriff auf das In-Kraft-Treten destaatsvertrages bereits zur Anwendung kamen, hatten zuem Zeitpunkt, als die Ausnahmetatbestände in Kraftraten, einen schlagartigen Anstieg von Flugbewegungenur Folge, die sich auf die Ausnahmen beriefen. Dieseht aus einer Übersicht hervor, die aus Quellen des Uni-ue Airport Zürich und der Bürgerinitiative aus demreis Konstanz stammt. Das heißt, so stringent, wie Sieeinen, können die im Staatsvertrag vorgesehenen Re-elungen nicht gewesen sein. Deswegen sollten die iner Rechtsverordnung festgelegten Regelungen effizien-er sein als bisher.Zweitens. Sie haben es zum Ende Ihrer Rede bereitsngesprochen, Frau Staatssekretärin. Nach meinerenntnis bezieht sich die Rechtsverordnung an keinertelle auf die Frage der Luftverkehrskontrolle. Auserfassungsrechtlichen Gründen ist es zwingend not-endig – darauf haben Sie hingewiesen; darin sind wirns auch einig –, in dieser Frage eine Regelung zu fin-en. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Gelegenheitenutzt hätten, per Rechtsverordnung eine entspre-hende Regelung zu treffen, statt in einer verfassungs-echtlich bedenklichen Situation die Dinge auf die langeank zu schieben. Dahinter steht nicht nur die verfas-ungsrechtliche Diskussion, sondern angesichts der Er-ignisse im Raum Überlingen und des einen oder ande-en Fastzusammenstoßes geht es auch um die Sicherheiter Bevölkerung in diesem Landstrich wie auch der Pas-agiere in den Flugzeugen, die Zürich-Kloten anfliegen.s hat mich sehr befremdet – das sage ich Ihnen in allerffenheit, Frau Staatssekretärin –, dass Sie vorhin dieraxis der Flugsicherung in Südwestdeutschlandls – ich werde das im Protokoll genau nachlesen – opti-al bezeichnet haben. Aus meiner Sicht und aus der der
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Thomas Dörflingerbetroffenen Bevölkerung ist die Praxis alles andere alsoptimal.
Ich möchte noch einen dritten Punkt ansprechen. Lei-der wird in der Rechtsverordnung auch keine Aussage zuden Warteräumen getroffen. Natürlich ist uns klar, dassein Flughafen wie Zürich-Kloten, der beispielsweiseauch von Norden angeflogen wird, logischerweise einenWarteraum im Norden haben muss. Es kann nicht sein,dass aus vier Himmelsrichtungen angeflogen wird, dassdie Flugzeuge aber alle notwendigen Warteschleifenüber Donaueschingen drehen, also im Norden des Flug-hafens Zürich-Kloten. Deswegen sagen wir: Die Flugha-fenbetreiberin ist in der Pflicht, eine Regelung betreffenddie Verlegung von Warteräumen in den Umkreis von Zü-rich-Kloten zu treffen, die erstens den Südanflug mög-lich macht und die zweitens sicherstellt, dass die not-wendigen Warteräume im Süden des Flughafens genutztund betrieben werden können.Ich möchte einen vierten Punkt ansprechen, auf denSie leider überhaupt nicht eingegangen sind. Es gehtnicht nur um die Anflüge auf Zürich-Kloten, sondernauch um die Abflüge. Wenn Sie sich einmal vor Augenführen, dass die Flugzeuge, die nach Norden abfliegen,drei nautische Meilen vor der Grenze abdrehen und dassder Lärm und die sonstigen Emissionen anschließend anden Hängen des Südschwarzwaldes abprallen, wo eseine der prädestiniertesten Ferienregionen in Deutsch-land gibt, dann werden Sie mir sicherlich zustimmen,dass es nicht in unserem Interesse sein kann, dass wirdiese Praxis durch Nichtberücksichtigung in der Rechts-verordnung zwar nicht fortschreiben, aber quasi sanktio-nieren. Hier herrscht eindeutig Nachholbedarf.
– Herr Kollege, unser Antrag auf Drucksache 15/651liegt vor. Dort können Sie alle unsere Positionen nachle-sen, die wir in Bezug auf die angekündigte Rechtsver-ordnung vertreten.Wir wissen uns in dem, was wir in unserem Antragformuliert haben, einig mit den Landkreisen Waldshut,Schwarzwald-Baar und Konstanz, mit den Mehrheiten inden dortigen Kreistagen und mit den fast einstimmig ge-fassten Beschlüssen der betroffenen Gemeinden wie bei-spielsweise denen der in meinem Wahlkreis liegendenGemeinden Hohentengen und Klettgau.
Frau Kollegin, nur als Hinweis: Die Gemeinde Klettgauhat einen Bürgermeister, der der SPD angehört. Wir wis-sen uns auch mit den Bürgerinitiativen in diesen dreiLandkreisen einig.Wir halten unseren Antrag für zielführender und wei-tergehender. Demzufolge bitten wir um Zustimmung.Herzlichen Dank.
BspdsovswsdhbaV1NsOSkStmmdShDwgfBGHwbugsdiLd
Wir müssen uns heute auch ein bisschen mit der Ge-chichte der Bekämpfung des Fluglärms im südwest-eutschen Raum befassen. Ich kann Ihnen – Sie selberaben auf die Geschichte zurückgegriffen; auch wir ha-en nachgeschaut – das nicht ersparen. Sie haben 1984,ls die CDU an der Regierung war, eine unverbindlicheerwaltungsvereinbarung in Kraft gesetzt und sie4 Jahre lang gegen alle stürmischen Proteste als dasonplusultra des Fluglärmschutzes im südwestdeut-chen Raum verteidigt. Als Sie 1998 sozusagen auf derppositionslandebahn 30 plus x gelandet sind, habenie, nachdem wir das gefordert haben, die Notwendig-eit eines Staatsvertrages festgestellt. Als wir einentaatsvertrag ins Spiel gebracht haben, hat der Minis-erpräsident von Baden-Württemberg die Verfassungs-äßigkeit eines solchen Vertrages angezweifelt und hatit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ge-roht. Mithilfe von Hessen haben Sie im Bundesrat dentaatsvertrag, der zweifellos eine Verbesserung gebrachtätte – für alle Beteiligten in dieser Region, vor alleningen auch für die Bürgerinnen und Bürger im süd-estdeutschen Raum –, in den Vermittlungsausschusseschoben und damit gewissermaßen abgewiesen. Manragt sich: Warum muss Hessen eigentlich Interessen derürger in Südwestdeutschland vertreten?
ibt es etwa Konkurrenzinteressen mit Flughäfen inessen? Wie ich finde – dieser Eindruck drängt sich auf,enn man die Geschichte Ihres Protestes anschaut –, ha-en Sie ständig nach wechselnden Notenblättern getutetnd eigentlich keine klare Linie gehabt.
Rot-Grün hat dieses Problem ab 1999 konsequent an-epackt. Wir haben gesagt: Wir wollen eine faire Lö-ung mit der Schweiz finden, weil wir anerkennen, dassieser Flughafen auch für die Bürgerinnen und Bürgerm südwestdeutschen Raum eine Funktion hat. Aber dieasten müssen fair verteilt werden. Es kann nicht sein,ass der Fluglärm auf Deutschland abgeladen wird, wäh-
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Winfried Hermannrend das Geschäft in der Schweiz gemacht wird. Weilwir die Schweiz lieben und sie als Partner schätzen,wollten wir diese faire Lösung. Aber klar musste sein:weniger Fluglärm für die deutschen Anwohner, klareRegeln – damit nicht immer zuungunsten der Deutschenentschieden wird – und eine faire Lastenverteilung.Wir haben von Anfang an gesagt: Wenn es diesenStaatsvertrag gibt, dann wollen wir auch eine deutlicheAbsenkung der Zahl der Flugbewegungen festschreiben.All dies haben wir vorgetragen und in den Staatsvertrageingebracht. Wie ich finde, hatten wir mit der Schweizeinen außerordentlich fairen Kompromiss ausgehandelt.Ich sage Ihnen ganz offen: Für uns Grüne war es hart, zudiesem Kompromiss zu stehen, weil er den SchweizerBedürfnissen eigentlich weit entgegengekommen ist.
Wir haben zugestimmt, im Interesse einer gutenNachbarschaft. Die Schweiz dagegen hat das in ihrenParlamenten, im Ständerat und im Nationalrat, mit ge-wisser Arroganz einfach abgelehnt – obwohl es ein mehrals faires Angebot war. Als im letzten Sommer erkenn-bar war, dass eine Vereinbarung scheitert, haben wirGrünen sofort gesagt: Lasst uns einen anderen Weg be-schreiten. Wir können das im Wege einer Rechtsverord-nung machen. Dann ist das dort klar und eindeutig gere-gelt, wenn auch vielleicht etwas mehr zugunsten derdeutschen Anwohner und etwas mehr zulasten derSchweizer Bevölkerung.
Diese Regelung war zweifellos notwendig. Dazuhätte es aber nicht kommen müssen, wenn die Schweizkulanter gewesen wäre. Wie schon zu Recht gesagtwurde, hat sich die Schweiz aber schon in der Über-gangsphase, als das eine oder andere Neue ausprobiertwurde, an keine Absprachen gehalten. Das hat das Ver-trauen der deutschen Bevölkerung in eine solche Re-gelung nachhaltig erschüttert. Von daher war uns klar:Irgendwann müssen wir handeln. – Jetzt haben wir ge-handelt: Wir haben einen Antrag eingebracht, der dieRechtsverordnung klar umreißt und deutlich macht, umwas es uns geht.Unsere Ziele: Wir wollen eine wirkungsvolle Rege-lung, insbesondere eine deutliche Absenkung der Zahlder Flugbewegungen, eine Ausweitung der Ruhezeiten– abends, am Wochenende und an Feiertagen – und einesukzessive Überführung der Warteräume auf dasSchweizer Gebiet. All diese Regelungen sollen nicht nurauf dem Papier stehen – um dann unterlaufen zu wer-den –, sondern müssen nachvollziehbar sein, überprüftwerden können und gegebenenfalls auch sanktioniertwerden, wenn gegen sie verstoßen wird.Wir werden heute sicherlich auch noch einen Vertre-ter der FDP hören, der sich eindeutig für den Lärm-schutz ausspricht. Ich bin froh, dass wir im Hause beidiesem Thema einen großen Konsens haben, dass wir et-was gegen den Fluglärm von diesem Schweizer Flugha-fwdwgukgrFuWdangzVZedeniaaIKdfgbvzldeurmd
Das Wort hat der Kollege Ernst Burgbacher von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Lieber Herr Hermann, manche Ihrerorte höre ich mit Staunen. Angesichts Ihrer Rederängt sich mir schon die Frage auf: Was ist eigentlichus den Grünen geworden?
Für all jene, die die Debatte verfolgen und die Materieicht so genau kennen, möchte ich noch einmal klar sa-en: Es geht hier nicht darum, dem Sankt-Florian-Prin-ip zur Durchsetzung zu verhelfen, überhaupt nicht!ielmehr geht es darum, dass die Lasten des Flughafensürich, der für diesen Raum – wie Sie richtig sagen –ine wirtschaftliche Bedeutung hat, gerecht verteilt wer-en. Mit der Lösung dieses Problems setzen wir unsbenso wie die Betroffenen auseinander.Ich möchte an dieser Stelle den zahlreichen Kommu-alpolitikern, den Bürgermeistern und auch den Bürger-nitiativen ausdrücklich danken. Sie haben äußerst ver-ntwortlich gehandelt und nicht nur abgeblockt, sondernuch konstruktive Verbesserungsvorschläge gemacht.nsbesondere möchte ich den Landräten der betroffenenreise, Waldshut, Schwarzwald-Baar und Konstanz,anken. Sie haben uns Abgeordnete immer auf dem Lau-enden gehalten und mit guten Vorschlägen unterstützt.Zwei Bereiche sind wichtig.Erstens: die Flugsicherungskontrolle. Liebe Kolle-innen und Kollegen, auch von der Union, ich warne einisschen vor der Umsetzung Ihrer Forderung, die Flug-erkehrskontrolle in die deutsche Verantwortung zurück-uführen. Wir bevorzugen einen anderen Weg. Wir wol-en alles tun, damit sich die Flugsicherungskontrolle aner Vorstellung eines Single European Sky, also einesuropäischen Luftraums, orientiert. Dabei geht es nichtm nationale Grenzen, sondern um Flugströme, die be-ücksichtigt werden müssen. Wir sollten ganz schnell da-it anfangen, die Flugsicherungskontrolle stärker aufie Sicherheit unserer Passagiere auszurichten.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3179
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Ernst Burgbacher
Zweitens. Liebe Kolleginnen und Kollegen von denRegierungsfraktionen, liebe Frau Staatssekretärin, wirbrauchen umgehend eine Rechtsverordnung.
Der derzeitige Zustand darf nicht anhalten. Ich betone:Es geht uns einzig und allein um eine gerechte Vertei-lung.
Mir stehen nur etwa drei Minuten Redezeit zur Verfü-gung. Das entspricht etwa der Ruhezeit, die viele Men-schen im süddeutschen Raum zwischen zwei Flügen ha-ben. Viel länger ist es oft nicht. Ich will mich auf dreiPunkte beschränken.Erstens. Angesichts der Topographie im süddeutschenRaum – es gibt Berge, die sind über 1 000 Meter hoch –darf die Flugfläche für Anflüge nicht 100, sondern siemuss 150 betragen. Insbesondere der Raum, wo der Tou-rismus Wirtschaftsfaktor Nummer eins ist, leidet unterdiesem Lärm ganz besonders. Das können wir nicht hin-nehmen.
Zweitens. Das Warteverfahren für den FlughafenZürich – Kollege Dörflinger hat es schon gesagt – darfkünftig nur über Schweizer Gebiet stattfinden. Von die-ser Forderung werden wir nicht abrücken. Die Regelungdieses Warteverfahrens muss so im Staatsvertrag stehen.
Drittens. Landeanflüge über deutschem Hoheitsge-biet dürfen wochentags zwischen 21 Uhr und 7 Uhr, vonFreitag 21 Uhr bis Montag 7 Uhr, und an deutschen Fei-ertagen von 7 Uhr bis 21 Uhr nicht stattfinden.Diese drei Punkte müssen wir zum Wohle der betrof-fenen Bevölkerung im Staatsvertrag regeln.
Wenn Sie das nicht umsetzen, dann werden Sie unsereUnterstützung nicht bekommen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
dHsrrL–SdwhBhseSlMznIFmSmPod8tgmnSghrd
Herr Burgbacher, das tun wir. Diese Verordnung ist einchritt nach vorne.Hier muss einmal gesagt werden, warum wir heute aniesem Punkt stehen. Es wäre vielleicht besser gewesen,enn wir vor zehn Jahren an diesem Punkt gestandenätten.
is zum Jahr 1998 ist in diesem Bereich nichts gesche-en. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die sich die-es Problems angenommen hat und die versucht hat, eineinvernehmliche Lösung mit der Schweiz in Form einestaatsvertrages zu finden. Diesen hat das Schweizer Par-ament abgelehnt.
omentan stellt sich die Situation so dar, dass die Nut-ung dieses Luftraumes durch eine einseitige Verord-ung geregelt wird.Ich möchte Ihnen, Herr Burgbacher, noch einmal dienhalte der Verordnung und die Vorstellungen der SPD-raktion zur Entlastung der Region darstellen. Ich stelleit Vergnügen fest, dass auch Sie das fordern, was dietaatssekretärin vorhin genannt hat. Insofern gibt es inanchen Punkten einen Konsens. Was manch andereunkte angeht, kann ich mich bloß wundern.Ich möchte Ihnen die wichtigsten Eckwerte der Ver-rdnung darstellen:Es geht um eine substanzielle Reduzierung der Zahler Überflüge. In Schritten soll eine Zahl von unter0 000 erreicht werden. Wenn weiteres Reduzierungspo-enzial vorhanden ist, werden wir auch das einfordern.Wir haben eine gerichtsfeste Lösung im Staatsvertragehabt. Herr Dörflinger, angesichts dessen wundere ichich, dass Sie jetzt fordern, die Zahl der Überflüge in ei-er anderen Größenordnung zu reduzieren und völligeonntagsruhe durchzusetzen. Das geht zulasten der Re-ion. Die Forderung nach völliger Sonntagsruhe, die Sieier einbringen, ist sicherlich keine Forderung, die ge-ichtsfest werden kann, sondern eine populistische For-erung.
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3180 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003
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Karin Rehbock-Zureich
Sie gefährden damit die Gerichtsfestigkeit der Verord-nung. Sie wissen, dass der Flughafen Kloten auf jedenFall die Gerichte bemühen wird.
– Das betraf den Staatsvertrag; die jetzt vorgesehene Re-gelung ist gerichtsfest.
Wenn man sich weit von dieser Grundlage entfernt, ge-fährdet man die Entlastung der Region, Herr Kauder.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausnahmerege-lung. Da sind wir mit der Entwicklung in der Region inden letzten Monaten in keiner Weise zufrieden gewesen.
Hier muss und wird es eine Veränderung geben. Ausnah-men müssen vorher angemeldet werden. Sie werdendann anders kontrolliert. Ganz wichtig ist – der KollegeHermann hat schon darauf hingewiesen –: Es wird auchSanktionen geben. Wir fordern ein, dass das in die Ver-ordnung aufgenommen wird, damit die Ausnahmerege-lungen auch eingehalten werden.
Die Anhebung der Mindestwartehöhen wird dazu füh-ren, dass Warteräume in die Schweiz verlegt werdenmüssen, und das ist richtig. Infolgedessen werden auchdie Anflugverfahren der Schweiz verändert werden müs-sen, und zwar so, dass Warteräume – sie sind dringendnotwendig – über Schweizer Gebiet sind. Der Weg gehtalso dahin, Warteräume auf das Gebiet der Schweiz zuverlegen.Ein wichtiger Punkt in der Verordnung muss dieFlugsicherung sein. Herr Burgbacher, wir freuen uns,dass auch Sie die Flugsicherheit als oberstes Prinzip se-hen. Da haben Sie unsere Unterstützung. Die Flugsicher-heit muss in der Tat bei allen Entwicklungen der Flugsi-cherung oberstes Prinzip sein. Ich stelle mir das so vor,dass man entweder gemeinsame Lösungen findet oderdie Deutschen die Flugsicherung übernehmen. Sollte esaber dazu kommen, dass die Schweizer die Flugsiche-rung weiterführen, dann geht das aus unserer Sicht nurbei deutscher Kontrolle, Sicherung der Flugverfahrenund Einhaltung der Flugwarteräume.Ich muss die FDP fragen, was nun eigentlich Sacheist. Sie von FDP und CDU/CSU sprechen hier mit völligunterschiedlichen Stimmen. Der FDP-Wirtschaftsminis-ter Döring verkündet vor Ort: Nun müssen wir weitereGoD–CEdWk–DvHmrlvADStßvpsgvdhdwnws
as kann es ja wohl nicht sein.
Der Bundeskanzler hat das nicht gesagt. Der Herrouchepin hat das in der Schweiz verkündet.
r hätte das gern. Da ist der Wunsch der Vater des Ge-ankens, Herr Kauder. Wir wollen hier mal bei derahrheit bleiben und nicht immer Halbwahrheiten ver-ünden.
Genau! Es war der Herr Couchepin, der das gern hätte.er Bundeskanzler hat das ans Fachministerium zurück-erwiesen.
err Couchepin hat sich vor der Presse nicht gemeinsamit dem Bundeskanzler geäußert und das ist ja ganz inte-essant.Auch Sie in der CDU/CSU sprechen mit unterschied-ichen Stimmen. So spricht der Ministerpräsident Teufelon 80 000 Anflügen pro Jahr, während Sie in Ihremntrag eine Begrenzung auf 60 000 fordern.
a lobt die FDP die Landräte. Es ist ja wunderbar, dassie die Landräte loben, aber der Vorsitzende Ihrer Land-agsfraktion, der Herr Pfister, äußert sich folgenderma-en: Diese Probleme können auf Landkreisebene undon den Landräten überhaupt nicht gelöst werden.
Die Ansätze von CDU/CSU und FDP sind einfachopulistisch und haben mit einer sachorientierten Lö-ung wenig zu tun; daran hatten Sie ja auch die vergan-enen 16 Jahre wenig Interesse. Sie haben hier Chancenerstreichen lassen und sind Ihrer Verantwortung auch iner Vergangenheit nicht gerecht geworden. Auch jetztandeln Sie, Herr Dörflinger, nicht verantwortlich, in-em Sie Werte in Ihren Antrag schreiben, die möglicher-eise einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten kön-en. Ich möchte wissen, wie dies in der Region bewertetird.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Sieind schon weit über der Zeit.)
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003 3181
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Ich komme zum letzten Satz. – Ich bitte Sie: Stimmen
Sie unserem Antrag zu, dann sind wir auf der sicheren
Seite und erreichen eine Entlastung für die Region.
Vielen Dank.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
und am heutigen Tage gebe ich das Wort dem Kollegen
Siegfried Kauder von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Ich sage es einer Dame ungern,
aber ich muss es heute tun: Frau Staatssekretärin, mit
borniertem Gerede werden Sie den Menschen im süd-
deutschen Raum nicht helfen können.
Es war nichts anderes als borniert, zu sagen, wir von der
CDU/CSU hätten keine konkreten Vorschläge gebracht.
Anscheinend haben Sie unseren Antrag nicht gelesen.
Sie von SPD und Grünen versuchen in der Tat, ein Vor-
haben gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen;
das wird sie sich nicht gefallen lassen.
– Erzählen Sie mir nichts von diesen 16 Jahren, Frau
Kollegin Rehbock-Zureich. Sie wissen genauso gut wie
ich, dass es den Warteraum RILAX erst seit dem 18. Mai
2000 gibt.
Man muss mit Ihnen, Frau Kollegin Rehbock-
Zureich, Deutsch reden, damit die Bevölkerung im süd-
deutschen Raum begreift, was Sie möchten. Sie haben
sich in einem Zeitungsartikel folgendermaßen geäußert:
Man wolle, dass die Warteräume SAFFA und EKRIT in
die Schweiz verlegt werden. Sie wissen ganz genau, dass
es dann nur noch einen Warteraum RILAX über dem
Schwarzwald-Baar-Kreis gibt.
Wenn Sie es so gesagt haben, wie es in der Presse steht,
dann wiederholen Sie das doch heute auch hier. Das be-
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Meine Damen und Herren, man muss auch über den
mgang der Bundesregierung mit den vom Fluglärm be-
roffenen Bürgern reden. Die Bürger haben gegen die
inrichtung des Warteraums RILAX vor dem Verwal-
ungsgerichtshof Mannheim geklagt. Die Bundesregie-
ung hat vortragen lassen, dass diese Klage unzulässig
ei, weil die Bürger im Schwarzwald-Baar-Kreis keine
ngrenzer an den Kanton Zürich seien und deswegen in
hren Rechten nicht betroffen sein könnten. Diesen Pro-
ess hat die Bundesregierung mit Pauken und Trompeten
erloren, und zwar nicht nur deshalb, weil die Bürger
icht angehört wurden, sondern auch, weil öffentliche
elange gegen private nicht hinreichend abgewogen
orden sind. Auch das muss man den Menschen noch
agen: Die Bundesregierung hat auf diesen verlorenen
rozess mit der Einlegung von Rechtsmitteln reagiert,
tatt zu erklären, dass es ihr Leid tue, betroffene Bürger
icht angehört zu haben.
In der gleichen Situation befinden wir uns heute wie-
er. Die SPD bringt einen wachsweichen Antrag. Wie
achher die Rechtsverordnung aussehen soll, wissen wir
is heute nicht, ebenso wenig wann Sie die Bürger in
iesem Verfahren, das zu einer Rechtsverordnung führen
oll, anhören wollen, um deren Interessen zu berücksich-
igen.
Herr Kollege Kauder, erlauben Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Rehbock-Zureich?
Bitte schön.
Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Kollege Kauder, ich komme auf den Rechts-pruch für den Warteraum RILAX zurück. Wissen Sieigentlich, dass es darum ging, zwei verschiedene Ur-eile zu bewerten – ein Urteil im Norden Deutschlands,o dasselbe Verfahren angewandt wurde und ein
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3182 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2003
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Karin Rehbock-ZureichGerichtsurteil bestätigt hat, dass das rechtens sei, unddas Urteil zum Warteraum RILAX im Süden Deutsch-lands, wo das Verfahren der Einbindung der Kommunebemängelt wurde –, damit in Deutschland Rechtssicher-heit besteht?
Frau Kollegin Rehbock-Zureich, ich verstehe Ihre
Frage nicht. Sie weichen dem Problem aus,
dass die Bundesregierung in einem Rechtsstreit, in dem
sich Bürger ihr Recht erkämpfen mussten, vortragen
lässt, sie hätten nicht einmal ein Rechtsschutzbedürfnis.
Das ist der Umgang der Bundesregierung mit den Bür-
gern; das ist die Informationspolitik, wie Sie sie auch
jetzt wieder pflegen.
Meine Damen und Herren, man braucht sich nur die
Argumente zu Eigen zu machen, die aus der Schweiz
kommen. Andreas Heiter – vielen nicht bekannt –, der
Flugsicherungsleiter im Tower in Zürich, hat bei einem
Besuch der Bürgerinitiative am 19. Juni 2001 erklärt, er
brauche RILAX nicht; er sei froh, wenn es RILAX nicht
gegeben hätte, denn dann hätte man die Probleme nicht.
Das sagt ein zuständiger Beamter in der Schweiz. Das
unterstützt unsere Forderung, Warteräume in die
Schweiz zu verlegen und sie nicht auf deutschem Gebiet
zu lassen.
Ebenso kann man den Verkehrsminister aus der
Schweiz, Herrn Moritz Leuenberger, zitieren, der am
18. Juni 2001 in der Sitzung des Ständerates Folgendes
zu den Warteräumen über Deutschland gesagt hat: Wäre
ich in Deutschland, hätte ich die Warteräume abge-
schafft. Sie haben sie jetzt noch.
Sie sehen also, dass Schweizer Vertreter die Interes-
sen der Deutschen besser artikulieren können, als die
deutsche Bundesregierung es tut.
Ich darf auch zitieren, was der damalige Staatssekre-
tär Stephan Hilsberg in einem Brief an Kollegen
Dörflinger geschrieben hat: Für den Fall, dass der Stän-
derat den Staatsvertrag ebenfalls ablehnt, ist die DFS,
die Deutsche Flugsicherung, bereits angewiesen, eine
Rechtsverordnung vorzubereiten, die binnen sechs Mo-
naten in Kraft treten sollte.
– Sie sind im Verzug, Frau Kollegin Rehbock-Zureich.
Jetzt haben wir den 4. April 2003.
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m 17. April soll die Rechtsverordnung in Kraft treten
nd der Bürger weiß heute noch nicht, mit welchem In-
alt sie ergehen soll. Das ist Ihre U-Boot-Politik, die die
ürger sich nicht gefallen lassen.
Lesen Sie sich bitte einmal Ihren völlig unkonkreten
ntrag durch, mit dem Sie die Bedürfnisse der Bürger
m Schwarzwald-Baar-Kreis zu befriedigen glauben. Da
agen Sie beispielsweise, in den Ruhezeiten sollen die
berflughöhen angehoben werden. Die Schweizer ha-
en bisher erklärt, solche Überflughöhen seien nicht
öglich, weil dann der Landewinkel zu groß werde.
ber wenn diese größeren Überflughöhen in Ruhezeiten
öglich sind, warum sollen sie dann nicht auch in den
brigen Zeiten gelten? Das heißt, Sie werfen Nebelker-
en in die Bevölkerung, während Sie genau wissen, dass
ie den Menschen im Schwarzwald-Baar-Kreis und im
üddeutschen Raum damit nicht dienen.
Die Menschen haben einen Anspruch auf Ruhe.
chauen Sie sich einmal die Einflugskizzen an. Es kann
och nicht sein, dass Maschinen aus dem Süden, aus
eapel, Rom oder Mailand, die Zürich anfliegen, an Zü-
ich vorbeifliegen, in 75 Kilometer Entfernung einen
roßen Bogen drehen und an der schweizerisch-deut-
chen Grenze unser Gebiet überfliegen. Das ist technisch
uch nicht notwendig – auch das muss man Ihnen einmal
agen, Frau Kollegin Rehbock-Zureich –, denn es gibt
och einen weiteren Warteraum: RAPEX. RAPEX ist
er Warteraum über Rapperswil. Warum ist dieser
arteraum ausgedünnt? – Weil es inzwischen den War-
eraum RILAX über dem süddeutschen Raum gibt. Das
eißt, die Schweizer entlasten ihre Goldküste am Zürich-
ee. Den Begriff „Goldküste“ dürfen wir Deutschen ver-
enden, weil er nicht von uns stammt, sondern von der
Neuen Zürcher Zeitung“.
Deswegen müssen wir die Schweiz mit einer Rechts-
erordnung in die Pflicht nehmen, die Hand und Fuß hat
nd nicht so wachsweich ist, wie Sie es wieder versu-
hen.
Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 15/651, 15/744 sowie 15/755 an die in
er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
en. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
ann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
ages auf Mittwoch, den 9. April 2003, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.