Gesamtes Protokol
Guten Morgen, meine Damen und Herren. Die Sitzung ist eröffnet.
Ich sehe, Sie freuen sich.
Dazu sage ich Ihnen: Es muß feste Bräuche geben, auch in der Demokratie.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
1. Beratung des Antrags der Gruppe der PDS: Einladung von Repräsentanten aller Länder, die Opfer des von Nazi-Deutschland ausgegangenen Aggressionskrieges wurden - Drucksache 13/965 -
2. Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Scheel, Andrea Fischer , Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Soziale und gerechte Einkommenssteuerreform 1996 - Drucksache 13/936 -
3. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Nichtbewilligung von Krediten für den Weiterbau des Atomkraftwerks Mochovce in der Slowakischen Republik - Drucksache 13/975 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ursula Schönberger, Helmut Lippelt, Halo Saibold, Michaele Hustedt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nichtbewilligung des EBRD-Kredites für den Weiterbau des Atomkraftwerkes Mochovce/Slowakei - Drucksache 13/738 -
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf Köhne, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gregor Gysi und der weiteren Abgeordneten der PDS: Kreditbewilligung für die Fertigstellung des Atomkraftwerkes Mochovce - Drucksache 13/656 -
4. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rechtsvereinheitlichung bei der Sicherungsverwahrung - Drucksachen 13/116, 13/757 -
b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 23 zu Petitionen - Drucksache 13/1002 -
c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 25 zu Petitionen - Drucksache 13/1004 -
5. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Initiative zum Karabach-Konflikt - Drucksache 13/1029 -
Zugleich soll von der Frist für den Beginn der Beratung, soweit dies erforderlich ist, abgewichen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte III und I. 8 auf:
III. Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995
- Drucksachen 13/50, 13/414, 13/501 bis 13/ 517, 13/519 bis 13/527, 13/528, 13/529, 13/966, 13/1030 -
I. 8. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates vom 31. Oktober 1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften
- Drucksache 13/382 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses
- Drucksache 13/828 - Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Georg Wagner Wilfried Seibel
Interfraktionell ist vereinbart worden, heute in die dritte Beratung des Haushaltsgesetzes einzutreten, obwohl dazu erst gestern und vorgestern Änderungen angenommen wurden. Sind Sie damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Dann ist das mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Zum Haushaltsgesetz liegen drei Entschließungsanträge der Fraktion der SPD, drei Entschließungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vier Entschließungsanträge der Gruppe der PDS vor.
Zum Gesetzentwurf über die Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften liegen ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. sowie einer der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Ich weise schon jetzt darauf hin, daß wir nach der Aussprache über das Haushaltsgesetz namentlich abstimmen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Helmut Wieczorek .
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst dem Präsidenten herzlich gratulieren. Wir haben gesehen, daß er ein neues Outfit hat. Der Cut steht Ihnen hervorragend, Herr Präsident. Wir sind sehr stolz auf Sie.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist seit Jahren Tradition, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Rahmen der dritten Lesung hier im Plenum spricht. Ich halte das für eine gute und sachgerechte Tradition.
Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen einige Besonderheiten der Beratungen der letzten Monate herausstellen: Für viele Ausschußmitglieder war dies ein Haushalt zum Lernen. Immerhin setzt sich der Haushaltsausschuß seit Beginn dieser Legislaturperiode zu einem Drittel aus neuen Mitgliedern zusammen. Diese neuen Mitglieder haben sich mit großem Engagement und Arbeitsaufwand erst einmal in die schwierige Materie einarbeiten müssen. Das war schon eine Bravourleistung.
Die Beratungen verliefen wie in der Vergangenheit konstruktiv und sachlich, obwohl rund 450 schriftliche Anträge zu beraten waren, Anträge nicht etwa von den kleinen Parteien, sondern im wesentlichen von den großen Fraktionen: von der Koalition und der SPD.
Lassen Sie mich zu dieser Antragsflut einige kritische Anmerkungen machen. Ich denke, das Berichterstattersystem, das wir seit Jahren praktizieren, hat
sich bei den Haushaltsberatungen sehr bewährt. Anders könnte dieser Bundeshaushalt mit immerhin 10 800 Ausgabetiteln und über 9 000 Einnahmetiteln nicht sachgerecht beraten werden.
Daher, meine Kolleginnen und Kollegen, ist es sicherlich kein gutes Verfahren, wenn über Arbeitsgruppen oder Fraktionen dieses System durch eine stark steigende Zahl nachgeschobener Anträge überholt wird.
Das macht die Beratungen unübersichtlich und ist der Sache nicht dienlich.
Gestatten Sie mir auch noch eine Anmerkung am Rande in Richtung Koalition. Die Beratungen wurden immer dann völlig unübersichtlich, wenn man Spannungen in der Koalition fühlte. Über diesen Tatbestand könnte man nun länger philosophieren, da er nicht nur einmal vorkam. Ich will mir dies ersparen, weil es den ordnenden Händen der Obleute zu verdanken war, daß die Linie dann doch wieder beachtet wurde.
Ich möchte den Obleuten Adolf Roth, Karl Diller, Wolfgang Weng und Oswald Metzger herzlich für ihre Mitarbeit danken.
Ich möchte in diesen Dank auch Barthel Kalb für die CSU und Frau Dr. Luft für die PDS einschließen. Sie haben konstruktive Arbeit geleistet.
Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern des BMF und insbesondere bei der Parlamentarischen Staatssekretärin, Frau Karwatzki, bedanken, die uns immer zur Verfügung gestanden hat.
Meine Damen und Herren, wenn ich einmal dabei bin zu danken, möchte ich dem Ausschußsekretariat herzlich danken.
Die Sekretariatsmitarbeiter haben seit Januar Tag und Nacht - das meine ich im wörtlichen Sinne - zur Verfügung gestanden. Die Arbeitsleistung wird an einer einzigen Zahl deutlich. Vom 1. Februar an bis heute sind über 100 000 Blatt Papier nur für den Haushaltsausschuß gedruckt worden, die alle von Ihnen gelesen und verarbeitet wurden, aber zunächst einmal von den Mitarbeitern zu erstellen waren.
Meine Damen und Herren, in den Ausschußberatungen habe ich sehr bedauert, daß die Starrheit der Koalition selbst bei kleineren Änderungsanträgen nicht zu überwinden war. Vorschläge, die von den Oppositionsparteien kamen - egal, von welcher Gruppierung -, selbst wenn sie in der Sache von dem einzelnen Kollegen für richtig gehalten wurden, wurden nicht beachtet. Die Beratungen haben deutlich
Helmut Wieczorek
darunter gelitten, daß die Koalition in ihren Vorberatungen wohl sehr mühevoll zu Einigungen gekommen ist. Handlungsspielräume waren für den einzelnen nicht mehr gegeben.
Ich denke, wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir die Kollegen aus den einzelnen Bereichen durch Vorberatungen und Vorfestlegungen so in ein Korsett zwängen, daß wir gelegentlich die Grenze der Unabhängigkeit der einzelnen Kollegen sicherlich angekratzt haben.
Erinnern wir uns daran, daß das Parlament der Haushaltsgesetzgeber ist und nicht die Koalitionskungelkreise. Das möchte ich hier ganz ausdrücklich und deutlich ansprechen
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen noch einmal: Das Parlament legt die Ansätze fest und darf es nicht der Exekutive überlassen, wo Erhöhungen und Einsparungen vorgenommen werden. Das ist in diesem Jahr wesentlich deutlicher gewesen als in den Vorjahren.
Der Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, lieber Detlev, gebietet es aber, daß auch bei den Erhöhungsanträgen Farbe bekannt wird. Erhöhungsanträge, die damit begründet werden, daß aus allgemeinen Finanzmitteln die Dekkung kommen kann, darf es nicht geben. Von einer verantwortungsbewußten Koalition darf so ein Wort überhaupt nicht in den Mund genommen werden. Wenn eine Finanzierung nur über neue Schulden möglich ist, dann sagen Sie es bitte deutlich, und dann sollten wir das auch so zur Kenntnis nehmen.
Mit großer Sorge verfolge ich, daß in den vergangenen Jahren in immer stärkerem Maße politisch Verantwortliche keinen Versuch mehr unternehmen, Politik zu gestalten, sondern sich darauf zurückziehen, daß kein Geld da sei. Ich erinnere an die Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre, in denen immer wieder Vertreter der Regierung, aber auch der Fraktionen den Haushaltsausschuß oder den Finanzminister dafür verantwortlich machten, daß sie keine Politik mehr gestalten könnten. Man macht es sich zu einfach, durch den bloßen Hinweis auf allgemeine Sparzwänge auf die eigene gestalterische Rolle in der Politik zu verzichten.
Meine Damen und Herren, ist es nicht gerade in Zeiten knapper Haushaltsmittel so, daß wir alle gezwungen sind, die Ausgaben grundlegend zu überprüfen? Kann man oder müßte man dies nicht zum Anlaß nehmen, die tatsächlichen und besonders ausgabewirksamen Problembereiche eher verstärkt anzugehen?
Diese Erkenntnis setzt sich in der Bevölkerung immer mehr durch, obwohl leider der Bundeskanzler im Zusammenhang mit der deutschen Einheit den gravierenden historischen Fehler begangen hat, die vorhandene Opferbereitschaft in der Bevölkerung nicht abzurufen, sondern statt dessen die Staatsverschuldung bewußt in Kauf genommen hat.
Durch die von der Staatsschuld verursachte Zinsbelastung ergibt sich, daß im Gesamtvolumen des Bundeshaushalts nur wenige disponible Größen enthalten sind. 90 oder gar 95 % der Ausgaben sind gebunden. Besonders deutlich wird das Ausmaß, wenn man sich vor Augen hält, daß der Etat des Bundesarbeitsministers und die Bundesschuld gemeinsam mehr als 50 % des Gesamtvolumens des Haushalts binden. Es bleibt in der Tat nur wenig Gestaltungsspielraum.
In diesem Zusammenhang stellt sich mir auch die Frage, ob nicht das aus gutem Grund in unserer Geschäftsordnung vorgesehene Instrument des § 96, wonach die Vereinbarkeit mit der Haushaltslage Grundvoraussetzung für die Verabschiedung eines jeden kostenwirksamen Gesetzes ist, zu einer stumpfen Waffe verkommen ist.
- Gelegentlich werde ich das Gefühl nicht los, Herr Kollege Weng, daß das Selbstbewußtsein - oder sollte man sagen: die Konfliktbereitschaft - der Haushälter der Koalition dem Druck der Regierung nicht standhält, und das ist ein Armutszeugnis.
Meine Damen und Herren, die Möglichkeiten linearer und titelweiser Kürzungen sind zunehmend ausgereizt. Nur durch strukturelle Veränderungen des Haushalts, d. h. in der langfristigen Neuorganisation von Politikbereichen, können neue Lösungen gesucht werden. Dies ist unsere vornehmste Pflicht, denn die Aufgabe der heutigen Politik ist nicht nur die Bewältigung der Gegenwart, sondern die Gestaltung der Zukunft.
Das gebietet einfach unsere Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Die Finanzpolitik und insbesondere die Haushaltspolitik müssen sich darauf besinnen, daß sie eine dienende Funktion haben, um Politik für die Menschen zu ermöglichen. Die gestalterische Rolle der Politik müssen sie den Fachbereichen überlassen.
Ich möchte noch einmal dringend daran appellieren, sich nicht ständig hinter dem Argument knapper Finanzen zu verstecken, sondern endlich auch strukturell neue Lösungen zu entwickeln, um den Staat
Helmut Wieczorek
wieder handlungsfähig zu machen. Die Kommunen haben den Bund, was Innovationen angeht, längst überholt und sind in der Gestaltung des Lebens ihrer Bürger weitaus kreativer.
Meine Damen und Herren, nach wie vor fehlt es der Politik aber an Mut. Hierzu rechne ich den Mut, den Bürgern unangenehme Wahrheiten zu sagen. Das gilt auch für den Bereich der Subventionen und der Steuervergünstigen, deren mögliche Abschaffung in jedem Jahr erneut diskutiert wird, um diese dann doch fortzuschreiben.
Dabei bin ich mir natürlich darüber im klaren, daß es zu kurz gedacht ist, wollte man dem radikalen Vorschlag folgen, Subventionen von heute auf morgen zu streichen. Wenn man das tut, wird man nur einen Verschiebebahnhof haben; denn binnen kurzem wird man die gleichen Ansätze in Zuschüssen bei der Bundesanstalt für Arbeit wiederfinden.
Subventionen, meine Damen und Herren, die vom Staat gegeben werden, müssen der Branche eine Anpassung an nicht selbst verschuldete Absatz- oder Herstellungsprobleme ermöglichen. Sie dürfen nur auf Zeit gegeben werden und müssen immer, Frau Albowitz, den Charakter einer Anpassungshilfe haben.
- Ich sage Ihnen, das beste Beispiel dafür ist die Werfthilfe, die jetzt ausläuft und bei der diese wichtige Strukturveränderung nur mit einer Hilfe des Staates bewältigt werden konnte.
- Weil Sie gerade von der Kohle sprechen, Frau Albowitz: Es gibt einen zweiten Bereich der Subventionen, den ich gern nun noch ansprechen würde. Dann ist das Bild rund, und dann können Sie sich wieder auslassen. Ich meine die Subventionen, die aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen heraus gegeben werden - wie dies bei der Landwirtschaft und bisher bei der Energieversorgung der Fall war - und die zur Daseinsvorsorge der Menschen in unserem Lande gehören. Aber auch in diesem Bereich - das gebe ich gerne zu - müssen wir regelmäßig überprüfen, ob die Grundlagen für die Hergabe von Subventionsmitteln noch gegeben sind.
Aber, Frau Albowitz, Subventionsmittel müssen kalkulierbar und ihr Abbau muß planbar sein. Wir können nicht von heute auf morgen hinein- und wieder herausspringen.
Diejenigen, die Forderungen nach sofortigen Subventionsstreichungen stellen, müssen sich vorhalten lassen, daß sie dabei etwas Entscheidendes übersehen; ich meine das schlimmste Übel unserer Gesellschaft, die Arbeitslosigkeit und das damit verbundene persönliche Schicksal.
Lassen Sie mich bei diesem Aspekt einen Moment verweilen. Verschärft wird die Problematik dadurch, daß derjenige, der bei uns arbeitslos wird und nicht innerhalb kurzer Zeit einen neuen Arbeitsplatz findet, befürchten muß, Langzeitarbeitsloser zu werden. Noch größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Abhängigkeit von der Sozialhilfe zum Schicksal wird, das in vielen Fällen auch die Lebensläufe kommender Generationen beeinträchtigt. Ich begrüße daher ausdrücklich die erneute Aufnahme des Wiedereingliederungsprogrammes für Langzeitarbeitslose zumindest bis Ende 1998.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Hinweis auf das schwierigste Kapitel des Haushaltes, und zwar das Kapitel, das im Einzelplan 32 geregelt wird: die Bundesschuld. Wenn man die Nachrichten der letzten Wochen verfolgt hat, weiß man, daß dies immer wieder ein beherrschendes Thema ist. Es ist schon frappierend, wie wir mit der deutschen Sprache umgehen. Wir sprechen einerseits von einem „Sparhaushalt" und leisten uns andererseits eine Nettokreditaufnahme, also eine Neuverschuldung, von 50 Milliarden DM. Die Gesamtkreditaufnahme des Bundes - das wird oft übersehen, wenn die Wirkung des Bundes auf die allgemeinen Kapitalmärkte beurteilt wird - beträgt in diesem Jahr 200 Milliarden DM, auch wenn diese Bruttokreditaufnahme natürlich auch die Rückzahlung von Schulden der vergangenen Jahre beinhaltet. Aber man muß sich einmal über die Marktmacht der Bundesnachfrage nach Geld klar werden.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen kaum etwas Neues, wenn ich darauf hinweise, daß der Umfang der Verschuldung des Staates das zentrale finanzpolitische Thema ist und zu den ältesten und aktuellsten Themen der Finanzwirtschaft gehört. Öffentliche Verschuldung - das sage ich, Herr Kollege Roth, hier ganz klar und deutlich - ist sicher dann vertretbar, wenn wichtige öffentliche Investitionen, die längerfristig eine optimale Entfaltung des Wachstumspotentials der Volkswirtschaft erlauben, zügig bereitgestellt werden müssen. Voraussetzung dafür ist, daß die Schuldenfinanzierung gegenüber der Steuerfinanzierung die Leistungsbereitschaft der Bürger weniger beeinträchtigt. Daneben ist die Schuldenfinanzierung wohl notwendig und auch zu rechtfertigen, wenn hierdurch kommenden Generationen eine hinreichende Infrastruktur überliefert wird,
sie dann aber auch an der Finanzierung dieser Einrichtungen beteiligt werden.
Im Augenblick ist es aber so, daß das stabilisierungspolitische Ziel der staatlichen Verschuldung stärker in den Mittelpunkt gerückt wird und in den
Helmut Wieczorek
letzten Jahren ein großer Teil unseres Schuldenniveaus hierauf beruht. Daß jede Regierung bestrebt ist, mit einer wohlfahrtsstaatlich ausgerichteten Politik ein Maximum an Wählerstimmen zu erreichen, liegt auf der Hand. Wenn Politik, wie in den letzten Jahren, auf Pump finanziert wird, dann wird der Anschein erweckt, das Angebot an öffentlichen Gütern könne quasi zum Nulltarif bereitgestellt werden. Dadurch hat die Bundesregierung das von ihr beklagte Anspruchsdenken in der Gesellschaft selbst erzeugt. Die Geister, die Sie selbst riefen, werden Sie nun, wie es im „Zauberlehrling" heißt, nicht mehr so recht los.
Die Bürger reagieren verdrossen, politikverdrossen.
Die Neuverschuldung muß auf eine Größenordnung heruntergefahren werden, die weder die Menschen heute noch künftige Generationen knebelt. Davon aber sind wir mit der von der Bundesregierung für dieses Jahr vorgelegten Kreditermächtigung noch sehr weit entfernt.
Meine Damen und Herren, wir sind uns hier im Hause doch völlig einig darüber, daß es unakzeptabel ist, das gegenwärtige Verschuldungsniveau ohne Besserungsperspektive auf längere Sicht andauern zu lassen. Das Problem einer für Deutschland beispiellosen Abgabenquote mit einer beispiellos hohen Neuverschuldung ist so groß, daß es nicht rein fiskalisch gewertet oder gelöst werden kann. Diese Problematik verbietet es, Lösungen in ständigen Abgabenerhöhungen und unsystematischen Einsparungen zu suchen. Vielmehr sollten die Finanzpläne der öffentlichen Haushalte in Deutschland gedanklich und sachlich im Zusammenhang mit einer kritischen Betrachtung unseres Steuersystems, mit der Struktur und den Kosten unseres Sozialsystems, mit der nachlassenden Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft und mit der zunehmend gefährdeten Stellung der Industrie im internationalen Wettbewerb gesehen werden.
Hierbei sind die Risiken einzubeziehen, die sich aus einer nicht mehr zu durchschauenden Wechselkurspolitik ergeben.
Meine Damen und Herren, nicht erst seit heute weise ich darauf hin, daß der größte Risikofaktor für die deutsche Wirtschaft nicht nur die Standortbedingungen im Inneren unseres Landes sind, sondern die Standortbedingungen, die sich aus der außenwirtschaftlichen Positionierung der D-Mark im internationalen Währungsgefüge ergeben.
Wenn wir über den Standort Deutschland reden, müssen wir auch den Außenwert der D-Mark objektiv und ohne Scheuklappen bewerten. Der Außenwert der D-Mark entspricht schon seit einiger Zeit nicht mehr der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Wir müssen im Augenblick feststellen, daß die Wechselkursrelationen der nationalen Währungen zueinander nicht mehr die Positionierung der nationalen Wirtschaftsstandorte in der Weltwirtschaft zutreffend ablichten. Wir haben es damit zu tun, daß große Geldmengen in unterschiedlichen Währungen in Sekundenschnelle um die Welt geschickt werden können, ohne daß die Staatsbanken darauf unmittelbaren Einfluß haben. Die Staatsbanken selbst sind nicht mehr in der Lage, auf diese ungeheure Flexibilität nichtstaatlicher Marktteilnehmer auch nur zu reagieren.
Daneben ist die unterschiedliche Interessenlage der einzelnen Währungsgebiete nicht zu verachten. Bei der Unterbewertung der eigenen Währung entstehen für die eigene Wirtschaft Wettbewerbsvorteile; bei Überbewertung entsteht eine Herausforderung zur Produktivitätssteigerung und zur Kostensenkung. Wird diese Herausforderung nicht mehr gemeistert - ich denke, wir haben die Grenze des Möglichen fast erreicht -, dann gehen Märkte und Investitionen an das Ausland verloren.
Dieses ökonomische Einmaleins steht im Widerspruch zum eigenen Erleben der Bürger. Aufwertungen der nationalen Währungen werden von der öffentlichen Meinung als Erfolg, Abwertungen als Mißerfolg der Wirtschaftspolitik empfunden und beim Urlaub im Ausland auch so wahrgenommen. So galt es beispielsweise als großer Erfolg der Reaganomics, daß Mitte der 80er Jahre der Dollar gegenüber allen anderen westlichen Währungen einen Höchststand erreichte. Erst später war man bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Wirtschaftskraft und der Dollarkurs nicht miteinander korrespondierten und damit der Beginn einer tiefen Wirtschaftskrise in den USA eingeläutet wurde.
Deutschland, unser Land, meine Damen und Herren, befindet sich heute in einer ähnlichen Gefahr. Wie eine Monstranz vor der Prozession tragen der Bundesfinanzminister und wir alle den Außenwert der D-Mark vor uns her. Die Bundesbank verficht mit wechselnden Argumenten einen Weg, der durch eine Leitzinsführungspositionierung den Wechselkurs der D-Mark wesentlich bestimmt. Dieser Kurs, meine Damen und Herren, ist aber weder durch die Faktorkosten noch durch das technologische Zukunftspotential des außenhandelsabhängigen Wirtschaftssegmentes der deutschen Volkswirtschaft nachzuvollziehen.
Meine Damen und Herren, die D-Mark ist gedopt, und dieses Zinsdoping der D-Mark impliziert eher größere Gefahren für den Industriestandort Deutschland als das Dollardoping Mitte der 80er Jahre in den USA, weil im Unterschied zu den USA die deutsche Wirtschaft außenhandelsabhängiger ist. Die derzeit populäre Vorstellung, durch Senkung der Lohnkosten dieses Problem lösen zu können, führt durch den Nachfrageausfall nur immer tiefer in die Rezession.
Nein, meine Damen und Herren, saldenmechanisch würde ein stark defizitärer Staatshaushalt das Vertrauen in die Währung eher schmälern und sie abwerten.
Helmut Wieczorek
Ich möchte gerne wiederholen, was der Staatssekretär Ludewig in der letzten Haushaltsausschußsitzung über den Zusammenhang zwischen Wechselkurs und Arbeitskosten in einem Nebensatz gesagt hat - ich gebe zu, ich habe ihn dazu animiert. Er hat sinngemäß ausgeführt: Die Lohnerhöhungen, über die in der Metallindustrie jetzt so entschieden gestritten wurde, haben für den Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus, aber insbesondere für den Bereich des Automobilbaus im Verhältnis zu den Veränderungen der Wechselkurse in den letzten vier Wochen nur höchstens ein Viertel der Belastung ausgemacht, die wir bei Wechselkursen in den vier Wochen hatten. - Das stellt die Dimension unseres Problems dar. Wir aber sind immer bereit, uns an den Arbeitskosten auszulassen und die wirklichen Zusammenhänge zu verdrängen.
Die Bundesbank hat den ersten Schritt getan. Sie ist aufgefordert, diese Entwicklung sehr verantwortungsbewußt zu beobachten und die nötigen Schritte zur Zinsanpassung einzuleiten. Für die Bundesregierung aber kann das nur heißen: Rückführung der Staatsverschuldung. Das allerdings ist auch das Kredo, das wir über die Haushaltsberatungen der nächsten Jahre setzen müssen: neue Strukturen, Rückführung der Verschuldung. Dann, denke ich, werden wir auch einigermaßen optimistisch in die Zukunft sehen können und die Zukunft gestalten können, wenn uns die Fachbereiche dabei helfen.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Wilfried Seibel .
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluß dieser Haushaltswoche sollten wir in dritter Lesung den Haushalt des Bundes in den gesamtwirtschaftlichen Kontext stellen. Die Staatsquote erreicht 1995 weit über 50 % - für mein ordnungspolitisches Verständnis vom Verhältnis zwischen öffentlicher Hand und Privaten ein unerträglicher Zustand. Ich kann ihn politisch erdulden und mittragen, weil das überaus erfreuliche Ereignis deutsche Wiedervereinigung diesen Tatbestand rechtfertigt.
Seit 1967 verlangt das sogenannte Stabilitätsgesetz von uns allen im Bundestag die Verfolgung von vier gleichwertigen Zielen: Geldwertstabilität, ausgeglichene Handelsbilanz, Wachstum und Vollbeschäftigung. In vielen - wie ich persönlich meine: zu vielen - Reden dieser Woche ist mit aufgeblähter Rhetorik, übertriebener Empörung und viel zuviel Polemik der objektive Befund darüber hier nicht geleistet worden, wenn nicht sogar absichtlich verhindert worden.
Wir können diskutieren und Verteilungskämpfe ohne Ende führen: Wir schließen die weltweite Konkurrenz für unsere Produkte nicht aus. Die Wahrheit ist, daß wir nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir mit unseren Produkten weltweit konkurrieren können.
Nur wenn es flexiblere Arbeitszeiten, andere Maschinenlaufzeiten, offene Tarifstrukturen gibt und mehr Bereitschaft gezeigt wird, auch auf den internationalen Märkten für den Absatz unserer Produkte einzutreten, wird es uns gelingen, auf Dauer unser außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu behalten, Beschäftigung im Lande zu haben und den hohen Standard sozialer Fürsorge zu sichern.
Das Jahr 1994 hat eine gute Außenhandelsbilanz erbracht. Die Zeichen für 1995 stehen so, daß es noch besser werden kann.
Jeder von uns verfolgt die Turbulenzen an den Währungsmärkten. Die Tatsache, daß große Geldbeträge nach Deutschland fließen, hat Vorteile, birgt aber auch Gefahren. Dennoch gibt es kein besseres Kompliment für die Bundesbank und für die deutsche Regierung als die Tatsache, daß diejenigen Menschen, die Geld anlegen können, dies zuallererst in Deutscher Mark tun. Die Wertschöpfung ist in anderen Teilen der Welt nicht schlechter als bei uns; aber die Flucht in die D-Mark hat ihre Hauptursache darin, daß unsere politischen Verhältnisse als die stabilsten angesehen werden. Dieses Vertrauen der internationalen Geldanleger in unseren Staat, in unsere Regierung dauert an, obwohl die SPD nicht müde wird, Tag für Tag zu erklären, daß sich Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland geradezu im Desaster befinden.
Die Wirtschafts- und Finanzpolitik eines Staates wird wesentlich daran gemessen, welche Summen sie im Haushalt bewegt. Aber - das wissen wir seit Ludwig Erhard und auch seit Karl Schiller in ganz besonderer Weise - es gibt auch psychologische Effekte in der Wirtschaftspolitik. Ich behaupte, diese Effekte sind oft wichtiger als die Geldströme, die durch die öffentlichen Haushalte gehen. Insofern, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, tragen Sie mit Ihrer Darstellung - oder sollte ich besser sagen, mit Ihrer Verfälschung - unserer realen Situation Mitverantwortung für negative psychologische Effekte in der Wirtschaftspolitik.
Wenn Sie mit dieser falschen Beschreibung fortfahren, wirkt sich das kontraproduktiv aus.
Für das Jahr 1994 haben alle wissenschaftlichen Institute relativ übereinstimmend ein Wachstum von 1,5 % vorausgesagt. Eine höhere Instanz deutscher
Wilfried Seidel
Politik, jemand, der es immer besser weiß, hat kein Wachstum vorausgesagt: der Schattenminister Oskar Lafontaine. Er hat sich getäuscht, und deswegen bleibt er vorerst auch im Schattenreich.
Wir alle wissen es: Tatsächlich haben wir 1994 nicht nur die vorausgesagten 1,5 % Wachstum erreicht, sondern 2,5 %. So wird es auch 1995 sein. Dieses Wachstum hat mehr Menschen Arbeit gebracht. Deshalb können wir uns bei den Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit entlasten. Es hat aber auch mehr Steuern erbracht, die uns die Möglichkeit eröffnet haben, Notwendigkeiten in der deutschen Politik mit Geld auszustatten, so z. B. in der Familienpolitik. Es gibt keine bessere Beschäftigungspolitik und keine bessere Politik, zu mehr Staatseinnahmen zu kommen, als ein wirtschaftliches Wachstum.
Richtig ist: Die offene Wunde deutscher Politik ist die zu hohe Arbeitslosigkeit. Manche rhetorische Verrenkung dieser Woche hat sich bemüht, für diesen Zustand einen Alleinschuldigen zu nennen, nämlich die Bundesregierung. Für mein Gefühl überschreitet eine solche Polemik die Grenze der Redlichkeit und des guten Geschmacks.
Tatsächlich gibt es mindestens drei leicht einsehbare Ursachen für die Arbeitslosigkeit. Erstens sind es die strukturellen Effekte, die sich aus einer schärfer gewordenen weltweiten Konkurrenz ergeben. Zweitens ist es der konjunkturelle Verlauf, drittens die Umstrukturierung einer kommunistischen Wirtschaft der ehemaligen DDR, die zwar auf dem Papier jedermann Arbeit gab; aber es gab halt auch Betriebe, die noch vor fünf Jahren 350 Beschäftigte hatten und heute mit 20 Beschäftigten auskommen, und das bei gleicher Produktion.
Der Haushalt für 1995 braucht zur Deckung immer noch eine Staatsverschuldung; aber sie ist deutlich auf einen Wert von unter 50 Milliarden DM zurückgeführt worden. Der Haushalt paßt in die wirtschaftliche Landschaft. Er wird den Notwendigkeiten gerecht und ermöglicht Wirtschaft, Staat und Gesellschaft die Verfolgung der hier eben näher beleuchteten vier Ziele. Er ist ein verantwortungsbewußter Haushalt. Wir alle können ihm zustimmen und damit unserer Verantwortung gerecht werden.
Zum Beweis für diese These sollten Sie - das rate ich Ihnen - die Bemerkungen im letzten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank lesen.
Ein klarer Beweis für die effektive, zukunftsorientierte Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist der Beschluß des Zentralbankrates der Bundesbank vom gestrigen Tage. Die deutschen Währungshüter, zu denen ja auch qualifizierte Finanzpolitiker der SPD gehören, haben die Leitzinsen gesenkt.
Ganz anders stellt sich die Bewertung durch die große Oppositionspartei hier im Bundestag dar. Frau Matthäus-Maier hat den Bundeshaushalt mit den Worten kommentiert:
Die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger ist die höchste aller Zeiten; die Staatsverschuldung ist die höchste aller Zeiten; die Zinsbelastung . . . ist die höchste aller Zeiten.
- Klatschen Sie nicht zu früh! - Schuld daran sei der Finanzminister Waigel.
Der I-lerr Kollege Scharping hat von Erstarrung, Stagnation und der Unfähigkeit gesprochen, unser Land wirtschaftlich und sozial stark zu machen.
- Ich würde mich freuen, wenn Sie gleich noch einmal klatschen würden.
Ich halte den Bundestag für den besten Ort, an dem die Konkurrenz von Ideen und politischen Vorstellungen ausgetragen werden kann.
Die Regierung hat ihre Vorstellungen mit dem Haushaltsentwurf auf den Tisch gelegt. Alle Kollegen im Haushaltsausschuß haben diesen Entwurf intensiv beraten und verändert. Es war der Haushaltsausschuß - und nicht die Regierung -, der noch eine zusätzliche Ersparnis durchgesetzt hat.
Im Verlauf der Beratungen im Haushaltsauschuß sind von der SPD und den GRÜNEN - auch die PDS wollte nicht hintanstehen - unzählige Änderungsanträge auf Steigerung der Ausgaben des Haushalts in Milliardenhöhe gemacht worden. Seit Eintritt in die zweite Lesung des Haushalts im Plenum ist der Berg der rosa Zettel mit Ausgabenerhöhungsanträgen immer stärker angeschwollen. Stündlich kommen neue dazu.
Wie dies alles bezahlt werden soll, wenn man die Steuern nicht erhöhen will, die Arbeitskosten entlasten will und die Verschuldung des Staates zurückführen will, hat uns die SPD nicht gesagt.
Nicht ein einziger ernstzunehmender Kürzungsvorschlag ist zu finden; und dann wagen Sie es, in
Wilfried Seidel
dem heute vorgelegten Entschließungsantrag davon zu reden, daß energische Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen sind.
Ich hätte es als beglückend empfunden, wenn in den Beratungen des Ausschusses oder in den Debatten des Plenums in dieser Woche vom sozialdemokratischen Gegenentwurf zur Politik der Bundesregierung nicht nur geschwärmt worden wäre, sondern wenn er als Konkurrenzmodell, ausgerechnet in Mark und Pfennig, hier vorgelegt worden wäre.
Wenn das nun in der Bundestagsfraktion der SPD derzeit nicht machbar ist, kommt das Alternativmodell zu dem behaupteten Jammertal vielleicht aus denjenigen Bundesländern, in denen die SPD mit absoluter Mehrheit regiert.
Also habe ich mich am Donnerstag der vergangenen Woche zur dritten Lesung des niedersächsischen Landeshaushaltes in den hannoverschen Landtag begeben. Der Weg dorthin war schwierig, verstellt mit Tausenden von protestierenden Schülern. Ich denke, ich kann mir Details ersparen.
Aber wenn Ihr Urteil über den Bundeshaushalt, das man hier während der ganzen Woche aus sozialdemokratischen Mündern hören konnte, zuträfe, dann ist das, was der Hoffnungsträger Gerhard Schröder in Hannover macht, die Zerschlagung aller staatlichen Tätigkeit schlechthin.
Warum nutzt denn die deutsche Sozialdemokratie nicht die Chance, in den Städten und Gemeinden und in den Ländern, in denen sie die absolute Mehrheit hat, eine Politik zu praktizieren, die das Soziale vornanstellt, die Abgaben und Gebühren senkt, die Verschuldung zurückführt und gleichzeitig staatliche Impulse für eine Zukunftssicherung der Wirtschaft gibt?
Wie ist das denn in Niedersachsen mit dem neuen Konzept für Ökonomie und Ökologie? Die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, Frau Hoops, hat es auf den Punkt gebracht: Die einzige Politikerin in Niedersachsen, die es für den Geltungsbereich ihrer Familie verstanden hat, Ökologie und Ökonomie zusammenzuführen, ist Frau Monika Griefahn.
- Ach, Herr Wagner, fällt Ihnen nichts Besseres ein? Armer Wicht!
Nun hat Herr Scharping gestern hier im Bundestag ausgeführt, daß die SPD in Kürze eine Reihe von Gesetzentwürfen in den Bundestag einbringen werde, die eine Alternative zur Regierungspolitik z. B. bei der Familienförderung und auf anderen Feldern darstellen würden.
An dem guten Willen und der Entschlossenheit zweifele ich nicht. Unter Umständen liegen diese Entwürfe der SPD zum Haushalt 1996 ja auch vor. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie es doch für den Haushalt 1995 nicht auf die Reihe kriegen, dann sollten Sie doch den Mut haben, einzugestehen, daß man für diesen Haushalt keine Alternativen vorlegen kann
und daß man in Ermangelung eigener besserer Vorschläge dem Haushalt 1995 zustimmt.
Aber nein, Sie beschreiten einen anderen Weg: Sie erliegen - ich möchte das einmal so sagen - dem WDR-Syndrom. Der WDR ist die größte öffentliche Sendeanstalt in Deutschland. Dort hat man das Weihnachtsprogramm für 1995 schon längst produziert. Im Moment arbeitet man an der Planung für das Osterprogramm 1996. Das setzt nun voraus, daß sich die verantwortlichen Redakteure irgendwann im Mai oder Juni entscheiden müssen, ob es Ostern 1996 regnet, schneit oder ob die Sonne scheint. Danach wird produziert. Eine Änderung ist später nicht mehr möglich.
- Ich komme gleich darauf.
Hier in Bonn hat es völlig gegen die Normalität des Kalenders vor wenigen Tagen geschneit. Der WDR sendete aber Frühlingslieder, Frühlingsgedichte und regte die Menschen zum Spaziergang draußen an. Das hatte man ja vor einem Jahr so geplant. Wer morgens vor dem Weg zur Arbeit Radio hörte, ist mit Sommerreifen losgefahren und fand sich unter Umständen danach im Straßengraben wieder.
Andere Sender, die nicht soviel Geld und Bürokratie haben, machen ihr Programm anders: Dort betritt der Redakteur morgens das Studio, macht das Fenster auf und hält den Finger heraus. Wenn es regnet, macht er ein Regenprogramm, und wenn die Sonne scheint, macht er ein Sonnenprogramm.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nutzen Sie die bevorstehende Osterpause des Parlaments, nutzen Sie die Zeit bis zur Beratung des Haushalts 1996! Machen Sie in der Anstalt SPD die Fenster auf! Halten Sie den Finger heraus! Achten Sie auch darauf, was die Leute sagen, die Ihnen nicht nur Beifall zollen, und korrigieren Sie Ihr Bild von dieser Republik in harter Konfrontation mit den Realitäten in diesem Staate! So, wie Sie unser Land beschreiben, sieht es die Mehrheit der Bürger - Gott sei Dank, sage ich - nicht.
Daß es bei der SPD so laufen könnte wie beim WDR, beweist der heute von Ihnen vorgelegte Entschließungsantrag auf ca. 30 Seiten. Ich habe den Eindruck, Ihr Intendant hat alle Redaktionen in der
Wilfried Seidel
Sendeanstalt SPD aufgefordert, ihre Programmwünsche für das nächste Jahr aufzuschreiben. - Abgabetermin gestern. Dann ist das alles brav zusammengeschrieben worden: 27 Seiten!
Ein beachtlicher Katalog an Ausgabenwünschen liegt hier vor. Aber Gedanken darüber, wie das alles bezahlt werden soll, findet man in diesem Programm natürlich nicht.
Dafür hat man ja den Gebührenzahler. Wenn das Geld für das Programm nicht reicht, dann werden eben die Gebühren erhöht.
Genau das wollen wir nicht. Die Koalition will die Staatsquote deutlich unter 50 % senken und damit entstaatlichen und Raum für private Initiative geben.
Meine Damen und Herren, CDU und CSU stimmen dem Haushalt in der vorliegenden Ausschußfassung zu.
Wir wissen, daß dieser Haushalt der Verantwortung für unseren Staat gerecht wird und daß er in die konjunkturelle Landschaft unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik paßt.
Die Bürger in diesem Land wissen sehr genau, warum sie der Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. die Mehrheit gegeben haben. Unsere Politik für den Bürger ist eine Garantie dafür, daß sie nicht morgens mit Sonnenschein-Musik aus dem Haus gelockt werden, obwohl es draußen schneit, und von Machern falscher Programme dem Risiko ausgesetzt werden, in den Graben zu fahren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben wahrscheinlich gemerkt, daß ich bei den Minuten heute in dieser Runde eine bißchen nachsichtiger bin. Ich bitte aber, diese Nachsicht nicht zu sehr zu strapazieren.
Das Wort hat jetzt der Kollege Oswald Metzger .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Neuling im Haushaltsausschuß steht es mir als erstes an, dem neuen Vorsitzenden Helmut Wieczorek für seine Arbeit in den letzten Monaten zu danken. Kollege Wieczorek, ich denke, Sie haben sich gut in Ihr Amt eingefunden und eine faire Verhandlungsführung im Ausschuß an den Tag gelegt.
Dann möchte ich eine Bilanz ziehen, wie sich mir die Beratung in dieser Woche darstellt. Nicht weniger als 35 Stunden haben wir in diesem Raum den Haushalt diskutiert. 30 Stunden lang war ich persönlich anwesend - eine ordentliche Tortur, aber ich
wollte es mir gönnen, um eine inhaltliche Bewertung vornehmen zu können.
Wenn vorgestern nacht um 1.30 Uhr annähernd 100 Kolleginnen und Kollegen von der Koalition im Raum waren, 22 bei der SPD, zehn bei uns und vier bei der PDS
- fünf -, so ist das eine beachtliche Leistung für das Haus insgesamt, aber vor allem natürlich auch ein Zeichen dafür, daß sich der gestrige Diadochenkampf zwischen Scharping und Kanzler Kohl auch in der Präsenz der Koalition niedergeschlagen hat. Sie sind zur Zeit einfach disziplinierter; das muß man neidlos anerkennen.
Allerdings: Disziplin allein bringt nichts.
Der Finanzminister hat in dieser Woche versucht, seinen Haushalt dieses Jahres schönzureden, wozu auch die Haushaltsgruppe der Koalitionsfraktionen im Ausschuß ihren Beitrag geleistet hat. Ihnen wird das Drücken der Nettoneuverschuldung auf unter 50 Milliarden DM im Plan dieses Jahres noch wie ein Bumerang um die Ohren fliegen, wenn Sie sie im nächsten Jahr um 13 Milliarden DM bis 15 Milliarden DM nach oben ziehen müssen.
Wenn, Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., Ihr vom Finanzminister als „adeliger Klugscheißer" titulierter Graf Lambsdorff hier in der Debatte von einem Haushaltssicherungsgesetz im Hinblick auf den 96er Haushalt geredet hat, dann muß man sich doch schon vor Augen führen, was dies eigentlich für die Solidität der mittelfristigen Finanzplanung und für das heißt, was uns jetzt hier vom Hause Waigel verkauft wird. Hier stellt sich ein Finanzminister allen Ernstes ans Pult und sagt, 1996 werde das Jahr der Steuererleichterungen mit einem Volumen von 30 Milliarden DM, und zur gleichen Zeit liest der Bürger oder die Bürgerin, daß im nächsten Jahr die Rentenversicherungsbeiträge um einen halben Prozentpunkt steigen und daß die Pflegeversicherung 0,7 Prozentpunkte mehr verlangt,
wodurch in der Summe schon wieder 18 Milliarden DM an zusätzlichen Abgaben einkassiert werden. Das ist doch das Faktum. Also von wegen „Steuersenkungsjahr" 1996!
Der Verkehrsminister Wissmann hat vom Finanzminister eine Aufgabe übertragen bekommen, um die er nicht zu beneiden ist. Er soll im nächsten Jahr
Oswald Metzger
aus seinem Haushalt 6,5 Milliarden DM für die Finanzreform der Bahn abzweigen. Wie soll er das, bitte schön, machen, ohne an eine Straßenbenutzungsgebühr oder an eine Mineralölsteuererhöhung zu denken? Schon können Sie auf die 18 Milliarden DM eine weitere Abgabenerhöhung in Höhe von 6,5 Milliarden DM darauflegen. Das wird unter dem Strich doch ein Nullsummenspiel für die Bevölkerung, für die Bürgerinnen und Bürger draußen.
In dieser Runde wird viel zu häufig undifferenziert diskutiert. Es gibt ganz wenige Debattenbeiträge, bei denen man das Gefühl hat, es werde mit dem Florett und nicht mit dem Degen gefochten. Das, was mein Vorredner, der Kollege Seibel, hier vorgetragen hat, war für mich auch eine Rede aus der Sparte „Degen".
Ich möchte ein konkretes Beispiel nennen, an dem man sieht, wie undifferenziert in der Politik inzwischen agiert wird, weil die Nerven blank liegen. Theo Waigel hat, nachdem er drei Tage lang die Mehrwertsteuer auf kommunale Gebühren in die Debatte eingebracht hat, seinen Vorschlag ängstlich wieder zurückgezogen, weil die kommunalen Spitzenverbände gänzlich undifferenziert aufgeschrien haben. Sehr viele kommunale Praktiker wissen doch, daß die Einführung einer Mehrwertsteuer z. B. im Abwasserbereich von 7 % für die Kundschaft bei gleichzeitiger Vorsteuerabzugsoption von 15 % ein Refinanzierungsmittel darstellt, das unter dem Strich eher gebührensenkend als gebührenerhöhend wirkt.
Obwohl das Finanzministerium das genau weiß, hat das Haus diesen Antrag zurückgezogen, weil auch von der Opposition auf diese Geschichte undifferenziert eingeschlagen wurde.
Von unserer Fraktion gab es zu diesem Bereich keine kritische Anmerkung. Wir haben uns nicht aus dem Fenster gehängt, weil wir wissen, von was wir reden.
Es sind noch ein paar Sätze zu dem zu sagen, was Herr Schäuble gestern in der Debatte angesprochen hat. Anschließend findet ja die Diskussion zum Jahressteuergesetz statt. Ich habe gestern dreimal gehört: Ökologischer Umbau - und Energie nicht verbilligen, sondern verteuern. Für mich war das ein Signal, daß die Öko- und Energiesteuerdebatte in diesem Haus noch nicht gelaufen ist. Sie wird bis zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl zurückgestellt. Wenn sich die F.D.P. dann verabschiedet hat, haben Sie wirklich ein Problem, Disziplin hin oder her. Auf jeden Fall wird die Energiesteuerdebatte nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl in diesem Hause auf der Tagesordnung stehen. Wir werden versuchen, die Regierung zu jagen
und mit Konzepten darauf hinzuweisen, daß wir bei der Steuergesetzgebung endlich den Einstieg weg von der direkten Steuerbelastung der Beschäftigten hin zur Besteuerung von Ressourcen bekommen, damit endlich ein echter Umbau des Steuersystems stattfindet.
Ich möchte einen weiteren Punkt zum Abschluß ansprechen. Ich denke, wir brauchen im Bereich der Verwaltungs- und Haushaltsreform in dieser Legislaturperiode gewaltige Veränderungen. So, wie wir zur Zeit Haushaltspolitik im Parlament und im Haushaltsausschuß machen, kann es nicht weitergehen; denn wir brauchen Budgetverantwortung für die Ressorts, wir brauchen ein besseres Berichtswesen, mehr Haushaltskontrolle im laufenden Vollzug und nicht nur im Nachgang.
Dieser Aufgabe, die nicht nur für Fachleute, sondern auch für die Bevölkerung draußen wichtig ist, will sich unsere Fraktion stellen. Dabei werden wir sicher Rückendeckung auch von anderen Fraktionen dieses Hauses bekommen.
Daß wir den Haushalt 1995 ablehnen, haben wir gestern in verschiedenen Debattenbeiträgen deutlich gemacht. Wir sind gespannt, wie im Mai die Steuerschätzung, die die Basis für die neue mittelfristige Finanzplanung sein wird, aussieht, damit man wieder eine tagesaktuelle, realistische Datenbasis hat. Vor diesem Hintergrund können Sie dann erwarten, daß es von uns finanzpolitische Antworten gibt und nicht nur eine Beteiligung an dem Konzert „Wohltaten verteilen, wenn man nichts mehr in der Tasche hat".
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Weng .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der neue Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der Kollege Wieczorek, hat mit einer ganzen Menge Dank begonnen. Diesem Dank schließt sich meine Fraktion an. Ich weite ihn auf seine Person aus; auch er hat diesen Dank für seine Arbeit verdient.
Dr. Wolfgang Weng
Er hat eine beeindruckend staatsmännische Rede gehalten, ebenso wie gerade eben der Kollege Metzger. Er hat viel Richtiges gesagt. Allerdings: Das Richtige sagen und das Falsche tun, das hat seine Fraktion wie die Fraktion der GRÜNEN in der tatsächlichen Arbeit gemacht.
Das Beispiel der Subventionen ist naheliegend. Er hat Abbau gepredigt, aber alle Anträge der Opposition waren auf Erhöhung ausgerichtet.
Er hat Planbarkeit, konsequenten Abbau, Degression und zeitliche Begrenzung gepredigt, aber keine einzige dieser Forderungen ist von seiner Fraktion umgesetzt worden.
Es war gut, daß die Koalition auch in der abgelaufenen Woche im Deutschen Bundestag alle Attacken der verschiedenen Oppositionsgruppierungen abgewiesen, in beeindruckender Geschlossenheit ihre eigenen Positionen durchgesetzt und gestern abend dem Bundeshaushalt in Zweiter Lesung geschlossen zugestimmt hat.
Rückblickend auf diese Woche muß man sagen, daß - eigentlich sollte ja die Haushaltswoche die Stunde der Attacke der Opposition sein - der Generalangriff ausgeblieben ist. Aufgezeigte Alternativen: völlige Fehlanzeige. Eher galt das Motto: Als sie das Ziel aus dem Auge verloren hatten, kämpften sie mit doppelter Kraft, besonders gegeneinander.
Joseph Fischer, der uns heute durch die „Süddeutsche Zeitung" mitteilen läßt, daß Opposition natürlich Populismus sei, hat die GRÜNEN hier als die etwas bessere SPD vorgeführt.
Die SPD selber hat inhaltlich wie personell ihre Zerstrittenheit demonstriert. Dies ist aber kein Wunder, weil die Haushaltspolitik keine Schwächen zeigt und praktisch unangreifbar ist.
Hierfür ist die F.D.P.-Fraktion stabiler Partner.
So werden wir in dritter Lesung heute einen Haushalt abschließend beraten, der nach deutscher Einheit und Wirtschaftskrise Normalität und Konsolidierung signalisiert und der neben Lasten der Vergangenheitsbewältigung deutliche Signale für die Zukunft aufzeigt. Auch hier hat die F.D.P.-Fraktion ihre Schwerpunkte gesetzt. Sparsamer Umgang mit dem Geld des Steuerzahlers, daraus resultierend Stabilität der D-Mark: Das gestrige Zinssignal der Bundesbank war notwendig und zeigt ebenfalls, daß wir auf dem richtigen Weg sind.
Wer in unserer nationalen Sondersituation beklagt, wie es Herr Scharping gestern getan hat, daß wir ein Land mit Kapitalimport seien, muß von allen guten Geistern verlassen sein. Gerade das internationale Vertrauen in Deutschland, das Vertrauen in die Politik der Koalition der Mitte erleichtert uns die Bewältigung der Folgen des Sozialismus in Ostdeutschland. Die F.D.P. läßt sich im Kampf um Geldwertstabilität von niemandem übertreffen. Die Bundesbank hat unsere volle Unterstützung. Das Vertrauen der eigenen Bürger, deren Sparsamkeit und Konsumverzicht die Stärke unseres Landes ausmachen, ist wichtiges Kapital.
Die Zukunftssignale dieses Haushalts heißen Stärkung von Forschung und Bildung, sie heißen schlankere, aber effektive Verwaltung bei Erhalt des Berufsbeamtentums, sie heißen weiterhin Aufbau und Förderung des Mittelstands. Hier findet sich die F.D.P. ganz wesentlich wieder, und auf dieser Basis stimmt sie auch heute in dritter Lesung zu.
Farblose rote ebenso wie farbige grüne Neinsager haben keine Chance. Doppelzüngigkeit, Destruktion und Blockadehaltung wollen unsere Bürger draußen im Lande nicht; sie schaden unserem Land auch nur.
Populismus à la Joseph Fischer mag mediengerecht sein - deswegen ist Joseph auch der Liebling aller Medien -, aber er ist verantwortungslos. Der Deutsche Bundestag, Herr Kollege Fischer, ist zwar eine öffentliche Bühne, und als solche ist er auch gedacht, aber er ist kein Kaspertheater.
Natürlich geht der Blick heute auch in die Zukunft, denn der Etat 1996 wird die Koalition bald erneut fordern. 30 Milliarden DM geplante Steuerentlastungen, zusätzliche Risiken - da hat die Regierung mit ihrem Entwurf zunächst schwierige Hausaufgaben vor sich. Wir werden diesen Entwurf nicht unbesehen übernehmen. Die Stunde des Parlaments schlägt zwar erst nach der Einbringung, aber dann sind die Abgeordneten Herr des Verfahrens. Insoweit unterlag der Kollege, der diese Woche vom Etat des Finanzministers sprach, einem Irrtum. Der Deutsche Bundestag - und hier vor allem die Fraktionen der Koalition, die verantwortungsvolle Mehrheit - ist derjenige, der die letzte Verantwortung hat und wahrnehmen wird. Ich kündige für die F.D.P.-Fraktion schon heute die Bereitschaft an, diese Verantwortung auch zu tragen.
Meine Damen und Herren, weniger Belastung für unsere Bürger und weniger Schulden sind gleichgewichtige Aufgaben. Der Etat 1995, über den wir heute abschließend beraten und abstimmen, setzt die richtigen Zeichen: Rückführung der Staatsquote, Rückführung der Verschuldung, wirtschaftlicher Aufschwung bei Rückgang der Arbeitslosigkeit, eine stabile Deutsche Mark und - ich sage in diesem Zusammenhang bewußt auch dies - eine geschlossene Koalition.
Dr. Wolfgang Weng
Die Bundestagsfraktion der F.D.P. stimmt dem Haushalt 1995 auch in dritter Lesung zu.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Christa Luft .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre zu denen, die in der ersten Runde in diesem Bonner Haushaltsausschuß waren. Ich kann den Ruf gern bestätigen, der ihm vorauseilte: Sachlichkeit hat in aller Regel Parteipolemik dominiert. Daran hat der Herr Kollege Wieczorek einen ganz großen persönlichen Anteil. Ich möchte ihm dafür meinen Respekt zollen.
Um 10 000 DM, um 100 000 DM und mitunter auch um einige Millionen DM ist mit den Ministerien sehr hart und manchmal auch erfolgreich gestritten worden. Aber, meine Damen und Herren, den Fehlansätzen, die der Regierungsentwurf in sich barg, wollten oder durften die Koalitionsabgeordneten in dem parlamentarischen Gremium Haushaltsausschuß nicht zu Leibe rücken.
Der Haushaltsentwurf und der heute wahrscheinlich doch mit Mehrheit zu beschließende Haushalt untersetzt nicht einmal die in der ohnehin dürftigen Regierungserklärung vom November 1994 gesetzten politischen Schwerpunkte. Allein das müßte auch die Koalitionsabgeordneten wachgerüttelt und sie zum Veto gezwungen haben, wenn es ihnen um Glaubwürdigkeit geht.
Leistet dieser Etat etwa auch nur annähernd einen Beitrag zur Erreichung des Vollbeschäftigungsziels, an dem die Koalition festhalten will? Anträge, Mittel für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor in den Haushalt einzustellen und damit Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, sind mit der bloßen Floskel „Wir wollen doch nicht den Sozialismus wiederbeleben" abgeschmettert worden. Meine Damen und Herren, welcher eigenartige Zusammenhang wird dort eigentlich hergestellt? Wenn Menschen arbeiten, dann sagt man: Das ist Sozialismus. Dann werden wir künftig wahrscheinlich noch einige Anhänger des Sozialismus in diesem Lande bekommen.
Für die Erprobung neuer Wege in der Arbeitsmarktpolitik wird kein Geld bewilligt. Der Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit ist eine finanzpolitische Manövriermasse, nur damit bei der Nettoneuverschuldung optisch ein attraktives Ergebnis herauskommt.
Nein, meine Damen und Herren, das hat mit politischer Weitsicht und Verantwortung nichts zu tun. Das ist plumpe Trickserei. Das geht zu Lasten derer, die in diesem Lande keine Arbeit, keine Lobby und kein politisches Gewicht haben.
Nicht anders sieht es mit der im November 1994 von der Regierung euphorisch verkündeten Zukunftsorientierung ihrer Politik aus. Ganze 3,3 % des Bundeshaushalts entfallen auf das Ressort Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Das waren im Bundeshaushalt 1989, zu Zeiten der alten Bundesrepublik, immerhin noch 3,8 %. Nicht nur, daß Deutschland seinen internationalen Ruf als Land der Wissenschaft längst verloren hat; es riskiert ihn auch auf dem Gebiet von Kunst und Kultur. Die in diesem Hause geführte Debatte um die Förderung der Kultur in Berlin hat das erneut bestätigt.
Imageverlust greift inzwischen bei der Ausbildung von Facharbeitern um sich. Die unsolide Finanzpolitik der letzten Jahre schnürt die Spielräume zum Anpacken solcher Zukunftsaufgaben immer mehr ein. Da nützt auch die stereotype Ausflucht nichts, der Aufbau des ach so maroden Ostens hätte das Geld verschlungen. Wie lange noch wollen Sie eigentlich aus dieser Legende Kapital schlagen?
Die meisten Menschen in den neuen Bundesländern haben es einfach satt, immer nur im Kontext mit DM-Lasten genannt zu werden.
Warum begreifen Sie die 16 Millionen dazugekommenen Menschen, darunter sehr viele junge, heranwachsende Menschen, die auch die künftige Rente mit erarbeiten könnten, nicht als eine Bereicherung dieses vereinten Landes? Sie müßten doch wenigstens zugeben, daß die Geburtenraten in dem ach so maroden Osten weitaus höher waren, als sie es heute sind, nachdem der „kaputte" Osten zu dem „heilen" Westen dazugekommen ist.
Warum sehen Sie dem weiteren Verfall der Produktions- und Wissenschaftspotentiale, der Entwertung von Qualifikationen in den neuen Ländern zu, anstatt sie im Interesse eines ökologisch verträglichen Anstiegs des gesamtdeutschen Sozialprodukts endlich nutzbar zu machen?
Selbst der neoliberale Wirtschaftsprofessor und Nicht-PDS-Sympathisant Wolfram Engels kommt im Zusammenhang mit der bekannten und umstrittenen „Spiegel"-Veröffentlichung über die im Osten angeblich verschwendeten 65 Fördermilliarden zu folgender Schlußfolgerung - ich zitiere aus der „Wirtschaftswoche" -:
Die großen Summen sind das nicht. Die große Verschwendung rührt aus dem politischen Mißmanagement des Vereinigungsprozesses, und dieses Mißmanagement dauert immer noch an.
Dr. Christa Luft
Ich finde: Recht hat dieser Mann!
Meine Damen und Herren, in diesem Haushalt tickt eine Zeitbombe. Zugunsten eines kurzfristigen spektakulären Streicheffekts unterschreiben Regierung und Koalitionsfraktionen einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft. Für 1996 erscheint eine Neuverschuldung von mindestens 80 Milliarden DM am Horizont. Steuer- und Abgabenerhöhungen werden von einer Bedrohung zu einer Realität, fürchte ich.
Frau Kollegin Dr. Luft, entschuldigen Sie einen Moment. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Stimmenpegel wächst merklich an. Ich wäre dankbar, wenn die Unterhaltungen etwas gemindert werden könnten. - Bitte.
Die Staatsverschuldung birgt Inflationsgefahren, die wiederum primär diejenigen treffen, die kaum Chancen zur Bildung von Sachvermögen haben.
Es ist höchste Zeit, zur tatsächlichen Haushaltskonsolidierung intelligentere Schlußfolgerungen zu ziehen, als vornehmlich Ausgaben im sozial-kulturellen Bereich zu kürzen. Notwendig sind aus unserer Sicht die Erhöhung des Steueraufkommens durch Beschäftigungszunahme und durch Beschleunigung des Innovationstempos, der Abbau bürokratischer Verkrustungen, die Rationalisierung des Steuersystems, die Absage an das zur Verschwendung reizende kameralistische Prinzip der Haushaltsführung, darunter an das Prinzip der Jährlichkeit zu bewilligender Fördermittel.
Wir meinen: Es ist allerhöchste Zeit, den Handel mit Derivaten zu besteuern. Sie erinnern sich sicherlich, daß der französische Präsident Mitterrand sogar dazu auffordert, diesen Handel mit Derivaten überhaupt zu verbieten. Sie wären, glaube ich, gut beraten, Herr Finanzminister, den Vorschlag dieses angesehenen Europäers aufzugreifen und so große Kapitalsummen in den produktiven Sektor und damit in Beschäftigung zu lenken. Das ist und bleibt der Schwerpunkt.
Daß wir von der Gruppe der demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten den Haushalt 1995 ablehnen,
ist im Verlaufe der Debatte klargeworden. Ich bedanke mich bei Ihnen.
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Theo Waigel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern hat der Oppositionsführer Scharping von einer „Aufkündigung des Solidarpaktes" gesprochen. Ich kann nur sagen: Es ist mir völlig unerklärlich, wie er auf diese Idee kommt. Die Bundesregierung und diese Koalition stehen zu dem Solidarpakt, aber eben auch in allen Einzelheiten.
Meine Damen und Herren, die Länder haben damals im Vorwort zu ihrem eigenen Gesetzentwurf zum Ausdruck gebracht, daß, wenn sich die Situation so verbessert, daß das Aufkommen in den neuen Bundesländern höher ist als im Finanzausgleich vorgesehen, dies natürlich über Umsatzsteueranteile zurückgegeben werden muß, und zwar nicht an den Bund, sondern an den Steuerzahler. Es kann doch nicht wahr sein, daß aus diesem Bund-Länder-Finanzausgleich zugunsten der deutschen Einheit irgendeine öffentliche Hand Nutzen für andere Zwecke zieht.
Meine Damen und Herren, wir wollen die Lastenteilung im Rahmen des Solidarpakts nicht verändern. Wir wollen eine Anpassung der Umsatzsteuerverteilung, um eine Schlechterstellung der Länder durch den Abzug des Kindergeldes von der Steuer auszugleichen.
Ich habe die Rede von Herrn Scharping nachgelesen.
Er fordert schwarz auf weiß ein Kindergeld, das in die Steuertabellen eingearbeitet wird, ein Kindergeld, das im übrigen die Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen nicht beschädigt. So weit, so gut. Nur wenn Sie das Kindergeld als nichtsteuerliche Leistung gewähren, also nicht in die Steuertabellen einarbeiten, können Sie eine Regelung über den Art. 104a des Grundgesetzes einführen. Das bedeutet aber eine Neuverteilung der Finanzierung des Kindergeldes über die direkte Einführung der Länderbeteiligung bei den Kosten.
So stellen wir uns das eigentlich nicht vor. Vielmehr wollen wir einen Abzug von der Steuer, und das erfordert selbstverständlich eine Neuverteilung der Umsatzsteuer zugunsten der Länder, zu der wir bereit sind.
Nun haben wir, meine Damen und Herren, eben die Vertreterin der PDS zur deutschen Einheit gehört und ihr Klagelied vernommen. Das einzige, woran ich mich gern erinnere, Frau Luft, wenn ich Ihre Ausführungen höre, ist ein Plakat Anfang 1990 in Leipzig, auf dem Stand: Tausche Ostmark und Luft gegen D-Mark und Waigel.
Meine Damen und Herren, ich bin ziemlich sicher: An dieser Einschätzung der Menschen hat sich nichts geändert.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Wider besseres Wissen wärmt die SPD auch die Mär von angeblichen Haushaltslücken und bisher verheimlichten geplanten Steuererhöhungen auf. Da zitiert sie plakativ, wir hätten unsere Haushaltsziele mit der Präzision einer abgesägten Schrotflinte erreicht. Nur, meine Damen und Herren, wenn die Flinte nach hinten losgeht, wie das bei Ihnen jedes Jahr der Fall ist, dann ist es mit der Präzision noch viel problematischer als bei einer Schrotflinte.
In all den Jahren - mit Ausnahme des Jahres 1993 - liegen wir unter den Planungen. 1994 und 1995 machten bzw. machen wir jeweils etwa 20 Milliarden DM weniger Schulden. Dies ist jedenfalls ein Erfolg und durchaus mit kaufmännischer Vorsicht zu erklären.
Wir haben unsere Planung stets auf der sicheren Seite gemacht, während Sie in Ihrer Regierungszeit die Planungswerte bei der Verschuldung regelmäßig überschritten haben. Jeder Haushalt, den Sie einbrachten, war ja im Grunde schon ein Nachtragshaushalt; denn vor Mitte des Jahres gab es bei Ihnen fast nie einen Haushalt. Das hat sich geändert, und das ist, meine ich, positiv.
Übrigens: Wenn ich an den ersten gesamtdeutschen Finanzplan des Jahres 1991 denke, möchte ich daran erinnern, daß die 50 Milliarden DM, um die die Ausgaben des Jahres 1994 höher waren als bei der Aufstellung angenommen, auf zwei Faktoren zurückzuführen sind, und zwar erstens auf 24 Milliarden DM höhere Arbeitsmarktausgaben und zweitens auf einen um 15 Milliarden DM höheren Zuschuß zum Fonds „Deutsche Einheit". Das wird wohl niemand im Hause bestreiten.
Wenn ich dann sehe, daß die Differenz zwischen dem im Jahre 1991 vorausgeschätzten Finanzplan 1994 und dem tatsächlichen Haushaltsergebnis 1994 wenig mehr als 10 Milliarden DM beträgt, meine ich: Das ist keine schlechte Planung, und das ist keine schlechte Erfüllung dessen, was wir uns vorgenommen haben.
Ich will ja niemandem vorwerfen, daß er falsche Voraussagen gemacht hat. Herr Kollege Wieczorek, davor ist niemand gefeit. Sie haben für 1993 80 Milliarden DM vorausgesagt. Ergebnis: 67 Milliarden DM. Ihr Vorgänger, der geschätzte Kollege Walther, hat 80 Milliarden DM für 1994 vorausgesagt, 50 Milliarden DM sind es geworden. In dieser Größenordnung ist das keine Schande. Nur, dann soll man sagen: Mir ist ein Irrtum unterlaufen. Freuen wir uns miteinander, daß es besser gekommen ist.
Wir planen solide, und wir brauchen daher auch keine Steuererhöhungen zu verstecken. Wir sagen klipp und klar, was auf den Bürger zukommt. Der Bürger weiß: 1996 kommt eine Steuer- und Abgabenentlastung von real 30 Milliarden DM auf ihn zu. Das ist gut für die Konjunktur, das ist gut für die Angebotsseite, vor allen Dingen aber auch für die Nachfrageseite; es ist sozial symmetrisch, wenn ich mir vor allen Dingen die Entlastung durch die Freistellung des Existenzminimums ansehe.
Im übrigen fordere ich die Stromversorgungsunternehmen nachdrücklich auf, ihre Entlastung in Höhe von 2,5 Milliarden DM durch den Wegfall des Selbstbehalts beim Kohlepfennig in Form einer deutlichen Senkung der Energiepreise voll an den Bürger und an die Unternehmen weiterzugeben. Das ist kein Spielraum, um die Dividenden zu erhöhen, um das auch einmal in aller Klarheit und Deutlichkeit zu sagen.
Eines ist richtig: Um das Ziel einer Nettokreditaufnahme in Höhe von 60 Milliarden DM im Haushalt 1996 zu erreichen, müssen noch zwei Maßnahmen umgesetzt werden. Durch die Befristung der Arbeitslosenhilfe oder durch alternative Einsparungen sind etwa 5 Milliarden DM zu erbringen, und daß das Abstandsgebot zwischen Arbeit einerseits und Lohnersatzleistungen bzw. Sozialhilfe andererseits wiederhergestellt werden muß, wieder deutlich werden muß, wird niemand bestreiten können. Die Höhe der Arbeitslosenunterstützung muß Anreize zur Aufnahme einer regulären Arbeit bieten, nicht dazu, Schwarzarbeit zu machen.
Auch für die Bahnreform ist noch ein Finanzierungsbeitrag von 6 Milliarden DM aus dem Verkehrsbereich notwendig. Es ist sehr wohl möglich, den Liegenschaftsverkauf bei der Bahn zu beschleunigen. Auch die Investitionspläne der Bahn sind nicht sakrosankt und können zeitlich gestreckt werden.
Meine Damen und Herren, die Opposition stellt die Behauptung auf, mit der Kürzung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit würden Arbeitslose gegen Bergleute oder die Familien ausgespielt. Sie wissen ganz genau: Durch die Kürzung gibt es keine Verschlechterung bei den Leistungen der Bundesanstalt, auch nicht bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik, bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bei Fortbildung oder Umschulung. Die Kürzungen sind möglich, weil die Konjunktur durch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit entsprechende Spielräume schafft.
- Aber natürlich.
Wenn wir 1993 durch die Einführung und das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren bereit gewesen sind, das Defizit in diesem Bereich, das sich auf Grund der höheren Arbeitslosigkeit ergeben hat, durch eine höhere Nettokreditaufnahme auszugleichen, dann müssen in dem Moment, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht und dadurch die Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik sinken, die so freiwerden-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
den Mittel der Rückführung der Nettokreditaufnahme dienen. Einen anderen Weg sehe ich nicht.
Meine Damen und Herren, natürlich haben die Schulden des Bundes in den letzten Jahren zugenommen. Das verheimlicht niemand. Nur: Es gehört zur Ehrlichkeit und zur Wahrheit, zu sagen, daß diese Schulden und die Kreditaufnahme direkte Folgen der deutschen Einheit sind. Wer dies beklagt, muß erklären, ob er diese Schulden nicht übernommen und deswegen nein zur deutschen Einheit gesagt hätte.
Nach neuen Rechnungen haben wir über 70 % der Nettobelastungen von etwa 260 Milliarden DM - wenn man die Steuererhöhung gegenrechnet - durch Einsparungen und Umschichtungen finanziert. Den Erfolg dieser Strategie haben uns die internationalen Finanzmärkte eindrucksvoll bestätigt.
In einem gebe ich dem SPD-Antrag recht. Dort heißt es: Nicht alles, was wünschenswert ist, ist finanzierbar. - Jahre haben Sie für diese Einsicht gebraucht, meine Damen und Herren, aber sie kommt nicht zu spät.
Trotzdem sind Sie sich nicht zu schade, in dieser Debatte im gleichen Atemzug eine Steuer- und Schuldenlawine zu beklagen und Mehrausgaben für Forschung, Bildung und Wohnungsbau zu fordern.
Ich frage: Wo steht denn diese Himmelskasse?
Zur „Steuerlawine": Schauen Sie sich doch einmal die Entwicklung der Steuerquote an. Sie werden feststellen: 1973, 1974 und in der ganzen Zeit zwischen 1976 und 1980 war die Steuerquote höher als heute. Damals haben Sie regiert. Sie mußten nicht mit den finanziellen Folgen einer deutschen Einheit fertig werden, und trotzdem: Wie verheerend haben Sie damals gewirtschaftet!
Gestern war sich ein Redner nicht zu schade, mir die Entfesselung der Verschwendungsdebatte vorzuwerfen. Wenn Sie sich schon mit jemandem auseinandersetzen wollen, dann mit jenem Blatt, das diese Debatte losgetreten hat.
Daß ich im Verein mit jenem Blatt wenige Tage vor der Hessen-Wahl diese Debatte losgetreten hätte, um Ihnen zu schaden, das kann nur ein krankes Hirn erfinden.
Herr Schily hat mir dann noch vorgeworfen, ich höchstpersönlich sei für die Verschwendung verantwortlich. Es war höchste Zeit, daß gestern der Kollege Schäuble Herrn Schily mit der Banane den Mund gestopft hat.
Es ist wirklich eine Zumutung, sich anhören zu müssen, was dieser Mann von sich gibt.
Heute steht die abschließende Beratung des Gesetzes zum Eigenmittelbeschluß der Europäischen Union an. Ich begrüße es, daß in den Beratungen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages von einer breiten Mehrheit über Parteigrenzen hinweg eine Zustimmung zu diesem Ratifizierungsgesetz empfohlen wurde. Wir nehmen das, was in diesem Zusammenhang in der Entschließung gesagt wird, sehr ernst. Das stimmt genau mit der Zielsetzung überein, die ich mir als Bundesfinanzminister vornehme.
Meine Damen und Herren, es ist richtig: Fast ein Viertel der Steuereinnahmen des Bundes werden für Zinsen und Zinsendiensthilfen ausgegeben. Auf Dauer wäre dies zuviel. Es spiegelt aber auch die Konsolidierungspolitik des Bundes wider.
Zinszahlungen sind in ihrer Höhe festgelegt und nur in geringem Umfang gestaltbar. Sind die Gesamtausgaben niedrig, wie dies in Konsolidierungsphasen zu sein hat, steigt der Anteil der Ausgaben für Zinsen zwangsläufig. Wenn wir die Gesamtausgaben überproportional erhöhten, dann würden die Zinsen proportional sinken.
Der Anstieg der Ausgaben im Bundeshaushalt für Zinsen und Zinsendiensthilfen ist auch eine Folge der Integration der Sondervermögen wie Erblastentilgungsfonds, Bundeseisenbahnvermögen und Fonds „Deutsche Einheit" in den Bundeshaushalt. Deren Schuldendienstverpflichtungen werden nunmehr ausschließlich aus dem Bundeshaushalt gezahlt.
Meine Damen und Herren, ich habe mich bei Ihnen, Herr Vorsitzender Wieczorek, beim ganzen Haushaltsausschuß und beim Parlament insgesamt zu bedanken. Wir gehen mit einem guten Haushalt in das Jahr 1995 und werden unserer finanzpolitischen Herausforderung und Aufgabenstellung gerecht.
Herzlichen Dank.
Als letzter Redner hat der Kollege Dr. Gero Pfennig von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort.
Ich wäre dankbar, wenn Sie dem letzten Kollegen in dieser Debatte mit größerer Ruhe zuhörten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten in dritter Lesung nicht nur das Haushaltsgesetz, sondern auch das Gesetz über das System der Eigenmit-
Dr. Gero Pfennig
tel der Europäischen Gemeinschaften. Ich freue mich natürlich, daß so viele Kollegen an diesem Thema interessiert sind.
Wir beschließen über die finanziellen Grundlagen der Europäischen Union bis zum Jahre 1999, zu deren Finanzierung Deutschland immerhin 28 % - in diesem Haushaltsjahr 44 Milliarden DM - beiträgt, wie in Anlage E zu Kap. 60 06 des Haushalts ausgewiesen.
Dieser Eigenmittelbeschluß ist für Deutschland ein akzeptabler Kompromiß zwischen den Kosten der fortschreitenden Integration in der Europäischen Union samt Übernahme neuer Aufgaben in Mittelosteuropa sowie im Mittelmeerraum einerseits und der andererseits schwierigen Finanzsituation in den Mitgliedstaaten. Der Eigenmittelbeschluß ist ein herausragender Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft, insbesondere des Bundesfinanzministers, wenn man sich die Ausgangssituation vor Augen hält.
Vieles war zu bewältigen, so z. B. der Milchquotenstreit mit Italien und Spanien. Großbritannien war zu überzeugen, daß das EU-Finanzierungssystem gerechter werden muß. EU-Gelder mußten für die MOE-Staaten Albanien, Mazedonien und die mediterranen Anliegerstaaten gezahlt werden. Drei neue Mitgliedstaaten sind in das Finanzierungssystem einbezogen worden.
Für die angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion ist es unter deutschem Vorsitz gelungen, auf die Notwendigkeit einer Stabilitätskultur in Europa hinzuweisen: Nur wenn strikt an den Konvergenzkriterien festgehalten wird, kann die Wirtschafts- und Währungsunion erfolgreich realisiert werden, mit einer Währung so stark wie die D-Mark. Das bedeutet, daß die Mitgliedstaaten die nationalen Stabilitätskriterien auch an den Haushalt der Europäischen Union anlegen müssen.
Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag von CDU/CSU, F.D.P. und SPD fordern wir die Bundesregierung auf, auch beim Haushalt der Europäischen Union auf Konsolidierungsanstrengungen hinzuwirken und darüber hinaus rechtzeitig die notwendige Veränderung der Finanzstruktur der EU vorzubereiten.
Manch einer mag verwundert sein, warum wir das bereits jetzt tun. Der Grund ist allerdings leicht zu erkennen: In allen Mitgliedstaaten ist erkannt worden, daß das Haushaltsgebaren und das Finanzierungssystem der Europäischen Union einer grundlegenden Reform bedürfen, wenn die Europäische Union weitere Aufgaben und Ausgaben durch gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, eine noch stärkere Einbeziehung der mittelosteuropäischen Staaten und eine stärkere Hinwendung zu den nichteuropäischen Mittelmeeranrainerstaaten vollziehen will.
Bei dieser grundlegenden Reform muß eine gerechtere Lastenverteilung erreicht werden. Ich will einmal darstellen, was in den Niederlanden hierzu erörtert wurde. Der niederländische Agrarminister
hat bei Beginn der Ratifizierungsdebatte scharfe Kritik am sinnlosen Hin- und Herpumpen von Geld zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Weg über den EU-Haushalt geäußert. Niederländische Abgeordnete haben die Frage gestellt, ob nicht die Niederlande, Großbritannien und Deutschland als größte sogenannte Nettozahler eine Sparrunde in der EU einläuten sollten. Natürlich wurde auch kritisiert, daß die Niederländer 1999 mit einer Nettozahlung von fast 6 Milliarden Gulden relativ der größte Zahler für die EU werden könnten.
Wir können in Deutschland darüber nur schmunzeln, da wir auf siebenmal so hohe Zahlbeträge blikken, über zwei Drittel des Nettotransfers über den EU-Haushalt aufbringen und damit mit weitem Abstand der größte Zahler sind. Ich warne dennoch vor voreiligen Schlüssen.
Erstens müssen wir uns in Deutschland die Frage stellen, ob sich nicht auch unsere Bundesländer am Finanzaufkommen für die Europäische Union beteiligen müssen,
nachdem sie verstärkt an den Ausgaben der EU für ländereigene und kommunale Aufgaben partizipieren, z. B. im Kultur-, Bildungs- und Sozialbereich.
Zweitens müssen wir uns bei der EU-Ausgabenstruktur im klaren sein, daß Strukturfondsmittel und Kohäsionsfondsmittel für die ärmeren EU-Staaten wohl zu Recht als Kompensation für den freien Binnenmarkt vorhanden sein müssen, dessen größter Nutznießer unverändert Deutschland ist. Darauf hat der DIHT in seinem Beitrag vom Mai 1994 zur „Nettozahler-Diskussion" zu Recht hingewiesen.
Drittens sind Ausgaben der EU für Außenpolitik und Forschung, die schon jetzt fast 15 % der Gesamtausgaben ausmachen, Abbild der fortgeschrittenen Integration. Sie werden weiter wachsen und können uns ,eigentlich nur dazu bewegen, unsere eigenen Ausgaben in diesem Bereich zurückzunehmen.
Herr Kollege Pfennig, darf ich für einen Augenblick unterbrechen. - Wenn Sie mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, einmal zuhören würden. Milde formuliert: Ich finde es außerordentlich schön, daß der letzte Redner in der Debatte zum Haushalt 1995 ein Kollege mit dem symbolträchtigen Namen Pfennig ist.
Danke, Herr Präsident.
Ich finde, wir sollten diesen Zufall dadurch honorieren, daß wir ihm als letztem Redner ein etwas höheres Maß an Aufmerksamkeit widmen.
Herr Präsident, vielleicht ist das Thema doch etwas kompliziert
- teuer ist es auch -, so daß es dazu mehr Erörterungsbedarf gibt.
Viertens muß uns allen bewußt sein: Angesichts der neuen Aufgaben, die die EU in den nächsten Jahren übernimmt, wird es insgesamt keine Verringerung der deutschen Überweisung in die Kasse der EU geben können. Wir sprechen deshalb nicht davon, insgesamt weniger Geld zur Verfügung zu stellen, sondern davon, die Gelder sinnvoller und effizienter für die notwendigen Aufgaben einzusetzen. Wir sprechen auch davon, daß die anderen Mitgliedstaaten einer gerechteren Lastenverteilung zustimmen sollten.
Unter diesen Vorzeichen muß es auch erlaubt sein, den Beitragsrabatt Großbritanniens in Frage zu stellen, der letztendlich noch immer aus der verstärkten Übernahme der Kosten des Beitritts von Spanien und Portugal durch Deutschland resultiert.
Die Frage einer gerechteren und faireren Finanzierung stellt sich übrigens auch unter Berücksichtigung unserer nationalen Leistungen in der internationalen Staatengemeinschaft. Zum Beispiel haben wir 50 % der Zahlungen nach Mittel- und Osteuropa sowie in die Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion übernommen.
Wir müssen unseren Partnern letztendlich auch die Frage stellen, ob die deutlich gesunkene Leistungsfähigkeit Deutschlands infolge der Wiedervereinigung nicht zur Revidierung des Finanzsystems führen müßte.
Ich gebe der Bundesregierung zwei Anregungen, nämlich künftig die Brutto- wie die Nettolasten stärker als bisher an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bürger in den Mitgliedstaaten zu orientieren. Das bedeutet zunächst einmal, nicht wie bisher die Größe einer Volkswirtschaft als Maßstab zu nehmen, sondern das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung. Es ist nämlich für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in den Mitgliedstaaten wesentlich aussagekräftiger.
Ferner rege ich an, zu prüfen, ob nicht zumindest das Bruttoinlandsprodukt zu Kaufkraftstandards als Maßstab verwendet werden soll, wie es die EU bei der Regionalpolitik bereits tut.
Letztlich muß überprüft werden, ob die Ausgabenprogramme der EU tatsächlich notwendig und erforderlich sind und ob sie mit den finanziellen Möglichkeiten in Einklag stehen. Neue Prioritäten, wie z. B. transeuropäische Netze, erfordern Einschnitte in anderen Bereichen. In den Mitgliedstaaten werden die Bürger zu Opfern für die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen aufgerufen. In den Gemeinschaftshaushalten kann dies nicht anders sein.
Letztendlich muß die Europäische Union auch mehr tun, um Haushaltsbetrügereien zu verhindern.
Der neue EU-Kommissionspräsident, Jacques Santer, hat dieses Thema bereits angepackt. Er war früher selber Finanzminister. Ihm gebührt Beifall für dieses Tätigwerden - verbunden mit dem Wunsch, daß er und die EU-Kommission auch bei der Reform der Haushalts- und Finanzverfassung der Europäischen Union eine glückliche Hand haben mögen.
Schönen Dank.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1995. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die Abstimmung.
Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir setzen jetzt die zahlreichen Abstimmungen fort. Dazu bitte ich die verehrten Kolleginnen und Kollegen, wieder Platz zu nehmen, weil mir sonst die Übersicht genommen ist. - Darf ich nochmals darum bitten, daß auch die Kolleginnen und Kollegen, die sich im mittleren Gang aufhalten, Platz nehmen. - Ich möchte jetzt niemanden mit Namen aufrufen, aber ich bin bereit, auch das zu tun. - Also, da Sie nicht reagieren: Kollegen Meckel und Pflüger, bitte nehmen Sie Platz! - Das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen in den hinteren Reihen. - Ich wäre dankbar, wenn auch die Unterhaltungen bei der Regierungsbank beendet werden könnten.
- Ich habe ausdrücklich „bei der Regierungsbank" gesagt; denn auf der Regierungsbank habe ich nichts zu sagen. - Ich darf auch Vizepräsidenten und Hamburger Abgeordnete bitten, Platz zu nehmen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/1007. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 13/1010? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die SPD-Fraktion, die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die Gruppe der PDS abgelehnt.
Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 13/ 1011. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit
*) Seite 2466 C
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die SPD-Fraktion, die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und die Gruppe der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/1006. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/1008. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.
Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/1009 ab. Wer stimmt zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/1012. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der PDS auf Drucksache 13/1026. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der PDS auf Drucksache 13/1027. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen des Hauses gegen die Stimmen der Gruppe der PDS abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der PDS auf Drucksache 13/1028. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion - dort bei einer Enthaltung - gegen die Stimmen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften, Drucksache 13/382. Der Haushaltsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/828 - neu -, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit der gleichen Mehrheit wie in der vorhergehenden Abstimmung angenommen.
Ich gebe jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplanes für das Haushaltsjahr 1995, Haushaltsgesetz 1995, bekannt; Drucksachen 13/50, 13/414, 13/501 bis 13/517, 13/519 bis 13/527, 13/528, 13/529, 13/966 und 13/ 1030. Abgegebene Stimmen: 655. Mit Ja haben 339 gestimmt, mit Nein haben 316 gestimmt, keine Enthaltungen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 655; davon:
ja: 339
nein: 316
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber
Klaus Bühler Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter H. Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjörgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell
Ulf Fink
Dirk Fischer
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Leni Fischer
Klaus Francke Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl
Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Heinz-Adolf Hörsken Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg
Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Claire Marienfeld Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels
Elmar Müller Dr. Gerd Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard
Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr
von Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederik Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr
von Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer
Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall
Wolfgang Vogt Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann Simon Wittmann
Dagmar Wöhrl
Michael Wonneberger Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer
Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel
Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Nein
SPD
Gerd Andres
Robert Antretter Hermann Bachmaier Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Dr. Ulrich Böhme Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Freimut Duve
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann
Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Maria Anna Hovermann Lothar Ibrügger
Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß Winfried Mante Doyle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer
Ursula Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Günter Verheugen
Ute Vogt Karsten D. Voigt (Frankfurt) Josef Vosen
Hans Georg Wagner Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen Gunter Weißgerber
Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier Helmut Wieczorek Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heide Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Elisabeth Altmann
Gila Altmann (Aurich) Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken-Deipenbrock Michaele Hustedt
Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Christine Scheel Rezzo Schlauch Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz Rainder Steenblock
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Marina Steindor
Christian Sterzing
Manfred Such
Dr. Antje Vollmer
Ludger Volmer
Helmut Wilhelm Margareta Wolf-Mayer
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz
Andrea Lederer
Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz
Das Haushaltsgesetz 1995 ist angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. auf Drucksache 13/1022. Dazu hat der Kollege Christian Sterzing eine Erklärung zur Abstimmung angemeldet. Ich weise darauf hin, daß die Rechte aus § 31 unserer Geschäftsordnung Individualrechte sind.
3) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was kann man eigentlich gegen einen Appell zur „Wahrung strikter Haushaltsdisziplin" und gegen eine „strenge Prüfung neuer Programme" und Personalausgaben in der EG haben? - Eigentlich nichts. Wer wollte sich dem Ruf nach einer „grundsätzlichen Neuordnung" der EG-Finanzen und nach einer „gerechteren Lastenverteilung" - alles wörtliche Zitate aus dem Antrag - verschließen? - Eigentlich niemand.
Dennoch sehe ich mich nicht in der Lage, dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Regierungskoalition und der SPD zuzustimmen. Hier wird nämlich versucht, unter der populistischen Devise „Sparankündigungen dort, wo es populär ist" haushaltspolitisch einen Blumentopf zu gewinnen, ohne zu bedenken, welches europapolitische Porzellan in diesem Zusammenhang möglicherweise zerschlagen wird. Es ist, wie so oft, der Ton, der die Musik macht. Hier sind es vor allem die Untertöne, die Mißklang erzeugen.
Teilweise durchaus sinnvolle Forderungen werden in diesem Antrag in die Klage über überproportional gestiegene Bruttoleistungen Deutschlands an die Europäischen Gemeinschaften eingebettet. Mit diesem Klagelied über Deutschland als dem „Zahlmeister Europas" werden bestehende antieuropäische Vorurteile in Schwingung gebracht und nationale Töne angeschlagen.
Wer kennt nicht dieses Lied mit seinen drei Strophen und dem immer wiederkehrenden Refrain: Wir wollen weniger zahlen? Der Finanzminister gibt dabei den Ton an.
In der ersten Strophe beklagt man den ach so riesigen Haushalt der EU, in der zweiten Strophe werden über die Höhe des deutschen Bruttobeitrags klagende Töne angestimmt, und in der dritten Strophe schließlich folgt das ergreifende Lamento über die negative deutsche Nettozahlerposition: Wir zahlen oben mehr ein, als unten herauskommt.
Dabei müssen wir doch bedenken, daß 80 % des EU-Haushaltes in die Agrar- und Strukturfonds gehen. An diesen Töpfen partizipiert Deutschland zwar unterdurchschnittlich, aber das ist doch seit Jahren die erklärte Politik des innergemeinschaftlichen Lastenausgleichs zwischen den reicheren und den ärmeren Regionen. Soll denn nun diese Politik des sozialen Ausgleichs, ein Grundpfeiler der europäischen Integration, aufgekündigt werden?
Dieses Klagelied ist voller finanzpolitischer Dissonanzen und europapolitischer Untertöne. Die politische Substanz des Entschließungsantrages liegt in der Forderung nach Verbesserung der deutschen Nettozahlerposition. Aber wer auf diese Weise unter falschen Voraussetzungen nationale und antieuropäische Töne anschlägt, wer die labile finanzielle Balance der Europäischen Union in Frage stellt, der darf sich nicht wundern, wenn in diesem Lande Europamüdigkeit, Europaverdrossenheit, ja -überdruß um sich greifen.
Ich habe durchaus nichts gegen ein europäisch komponiertes und integrationspolitisch abgestimmtes Streichorchester; aber ich habe viel gegen eine deutsch-nationale, auf billigen Applaus ausgerichtete Blasmusik.
Herr Kollege Sterzing, hören Sie mir bitte einen Augenblick zu. - Dies ist kein Debattenbeitrag, denken Sie daran! Es ist eine Erklärung zur Abstimmung.
Ich möchte für mich und einige meiner Kollegen erklären, daß wir uns diesem Antrag nicht anschließen können. Wir werden uns der Stimme enthalten.
Es ist häufig ein bißchen schwierig, zu entscheiden, was noch eine Erklärung zur Abstimmung und was ein Debattenbeitrag ist.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 13/1022. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltungen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/1013. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte Va bis V d und die Zusatzpunkte 3 a bis 3 c auf:
V. Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hansjörg Schäfer, Doris Barnett, Ottmar Schreiner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes
- Drucksache 13/479 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Wirtschaft
Verteidigungsausschuß
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes
- Drucksache 13/781 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß Innenausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs , Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Gewährung von Beihilfe bei der Sortenumstellung von Hopfen
- Drucksache 13/601 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
d) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Wohnsiedlung Centerville-Nord in Augsburg
- Drucksache 13/780 —Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuß
ZP3 weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Nichtbewilligung von Krediten für den Weiterbau des Atomkraftwerks Mochovce in der Slowakischen Republik
- Drucksache 13/975 —Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ursula Schönberger, Helmut Lippelt, Halo Saibold, Michaele Hustedt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nichtbewilligung des EBRD-Kredites für den Weiterbau des Atomkraftwerks Mochovce/Slowakei
- Drucksache 13/738 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf Köhne, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gregor Gysi und der weiteren Abgeordneten der PDS
Kreditbewilligung für die Fertigstellung des Atomkraftwerkes Mochovce
- Drucksache 13/656 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Ich gehe davon aus, daß Sie damit einverstanden sind. - Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte VIb bis VI i und die Zusatzpunkte 4 a bis 4 c auf:
VI. b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch das Bundesministerium der Finanzen
Unterrichtung gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung über die Veräußerung des Flugplatzes mit Eissporthalle in Zweibrücken
- Drucksachen 13/51, 13/602 -
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller
Susanne Jaffke Oswald Metzger Jürgen Koppelin
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung einer Teilfläche der bundeseigenen ehemaligen US-Wohnsiedlung Pattonville an den Zweckverband Pattonville/ Sonnenbergsiedlung
- Drucksachen 13/393, 13/764 -
Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller
Susanne Jaffke Oswald Metzger Jürgen Koppelin
d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 16 zu Petitionen
- Drucksache 13/728 -
e) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 17 zu Petitionen - Drucksache 13/729 -
f) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 18 zu Petitionen - Drucksache 13/816 -
g) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 19 zu Petitionen
- Drucksache 13/817 -
h) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 20 zu Petitionen
- Drucksache 13/818 -
i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 21 zu Petitionen
- Drucksache 13/819 -
ZP4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rechtsvereinheitlichung bei der Sicherungsverwahrung
- Drucksache 13/116 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/757 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther Richard Schuhmann
b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 23 zu Petitionen - Drucksache 13/1002 -
c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 25 zu Petitionen - Drucksache 13/1004 -
Es handelt sich um die Beschlußfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Zusatzpunkt 4 a: Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Rechtsvereinheitlichung bei der Sicherungsverwahrung, Drucksache 13/116 und 13/757. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit der gleichen Mehrheit wie in der vorangegangenen Abstimmung angenommen.
Tagesordnungspunkt VIb, Drucksachen 13/51 und 13/602: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt VI c, Drucksachen 13/393 und 13/764: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN angenommen.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Tagesordnungspunkt VI d bis VI i und Zusatzpunkte 4 b und 4 c: Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 13/728, 13/729, 13/816 bis 13/819, 13/1002 und 13/1004. Das sind die Sammelübersichten 16 bis 21 sowie 23 und 25.
Bei der Sammelübersicht 20 auf Drucksache 13/ 818 wird nur über die laufenden Nrn. 1 bis 23 und 25 bis 48 abgestimmt. Die Abstimmung über die laufende Nr. 24, Abfallbeseitigung und Abfallvermeidung, erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Wer stimmt für die aufgerufenen Beschlußempfehlungen? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Beschlußempfehlungen sind mit den Stimmen der Koalitonsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN angenommen.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte IVa und IV b sowie den Zusatzpunkt 2 auf:
IV. a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1996
- Drucksache 13/901 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung,
Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
ZP2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Scheel, Andrea Fischer , Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Soziale und gerechte Einkommenssteuerreform 1996
- Drucksache 13/936 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuß
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksache 13/900 —Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß Innenausschuß
Finanzausschuß
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache zweieinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theo Waigel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soeben haben wir in dritter Lesung den Bundeshaushalt 1995 verabschiedet. Damit ist ein wichtiger Baustein für die symmetrische Finanzpolitik der nächsten Jahre auf dem Weg. Der zweite Baustein ist die Steuerpolitik. Wichtigster Teil unserer steuerpolitischen Vorhaben ist das Jahressteuergesetz 1996.
Natürlich hat die Einheit Deutschlands auch zu Steuererhöhungen geführt. Sie waren unvermeidbar, um neben den deutlichen Einsparungen und der maßvollen Erhöhung der Defizite im Bundeshaushalt einen ausgewogenen Finanzierungsmix herzustellen. Wir haben gut 500 Milliarden DM für die Einheit ausgegeben. Ein Viertel der Bundesausgaben zwischen 1990 und 1994 war einigungsbedingt. Nur, wir wissen sehr wohl, wofür wir das ausgegeben haben.
Wenn Japan für die Schäden des Erdbebens in den nächsten Jahren einen Betrag von 150 bis 200 Milliarden Dollar wird aufwenden müssen, dann steht dieses Land vor einer großen Herausforderung und kann dies nicht mit der großen Chance verbinden, dem Vaterland eine neue Zukunft, Menschen die Freiheit und Europa eine andere Dimension zu geben.
Darin unterscheidet sich diese Ausgabe von der unserigen. Ein weiterer Unterschied liegt in der Finanzierung: Nur 15 % dieser Summe haben wir über Steuererhöhungen finanziert.
Die nach dem Abzug von Einnahmen aus den neuen Ländern verbleibende Nettobelastung für den Haushalt in Höhe von etwa 260 Milliarden DM wurde zu über 70 % durch Einsparungen und Umschichtungen und zu knapp 30 % über eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme finanziert. Wir haben eine Steuerquote von deutlich über 25 % zu SPD-Regierungszeiten bis 1990 auf 23 % abgebaut. Dies ist kaum einem anderen Land in Europa und in den G-
7-Staaten gelungen. Wir hatten damit einen Spitzenplatz inne. Durch den Finanzierungsbeitrag für die Einheit wird die Steuerquote 1995 die Marke von
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
25 % wieder überschreiten. Jetzt muß die Steuerlast so rasch wie möglich wieder gesenkt werden.
Wir brauchen gesunde, investierende Unternehmen und leistungsbereite Arbeitnehmer, um Innovationen und neue Produkte voranzubringen.
Nur eine wachstums- und leistungsorientierte Steuerpolitik setzt in der Marktwirtschaft Kräfte frei, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, qualifizierte Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen, persönlichen und sozialen Lebensstandard zu erhalten und auszubauen.
Nach den deutlichen Defizitsenkungen 1994 und 1995 wird 1996 ein Jahr der Steuerentlastung und Steuerstrukturverbesserung. Zusammen mit dem Familienleistungsausgleich und dem Wegfall des Kohlepfennigs werden die Steuer- und Abgabenzahler 1996 insgesamt um rund 30 Milliarden DM entlastet. Für Entlastungen in dieser Größenordnung benötigen wir eine parteienübergreifende Koalition der steuerpolitischen Vernunft. Die Zukunftschancen des Standortes Deutschland stehen dabei auf dem Spiel. Niemand darf sich jetzt aus kurzsichtigen Motiven einer sachgerechten Erörterung verweigern.
Wir müssen noch vor der Sommerpause einen Konsens erreichen, um eine rechtzeitige Umsetzung und reibungslose Anwendung der Neuregelungen ab 1. Januar 1996 sicherzustellen.
Für die Freistellung des Existenzminimums legen wir eine verfassungsgemäße und sozial ausgewogene Neuregelung vor. Das steuerfreie Existenzminimum beträgt künftig rund 12 000 DM für Ledige und 24 000 DM für Verheiratete. Diese Beträge sind nicht zu knapp bemessen;
wir haben das gründlich geprüft. Der von der Bundesregierung am 1. Februar dieses Jahres verabschiedete Bericht zur Höhe des Existenzminimums weist für das Jahr 1996 einen Bedarf in Höhe von 11 874 DM für Ledige und von 20 118 DM für Verheiratete aus.
Statt eines Grundfreibetrages gibt es in Zukunft eine außertarifliche Steuerermäßigung, die Grundentlastung. Sie wird mit steigendem Einkommen gleichmäßig abgebaut und läuft bei einem zu versteuernden Einkommen von rund 43 000 DM für Ledige und 86 000 DM für Verheiratete aus. Dazu kommt eine Absenkung der tariflichen Grenzbelastung um 0,7 % über die gesamte Progressionszone. Wenn die Grundentlastung mit steigendem Einkommen abnimmt, führt dies natürlich oberhalb des steuerfreien Existenzminimums zu höheren Grenzsteuersätzen. Man darf aber die Grundtatsache nicht vergessen: Jeder Steuerzahler in diesem Einkommensbereich hat dann im Vergleich zu heute deutlich mehr Geld in der Tasche.
Unser Vorschlag ist leistungsgerecht und sozial ausgewogen. Jeder soll entlastet werden, keiner auch nur eine Mark mehr zahlen, auch kein Rentner. Das stellen wir sicher. Es muß aber angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eine steuerliche Besserstellung der Renten gegenüber anderen Alterseinkünften vermieden werden. Etwa 1,5 Millionen Steuerpflichtige fallen ganz aus der Besteuerung heraus. Kleine und mittlere Einkommen erhalten den Löwenanteil der Entlastung.
Die Alternative, eine Erhöhung des Grundfreibetrags für alle im bisherigen Tarif, ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht notwendig und nicht finanzierbar. Dies würde einen Steuerausfall von mindestens 40 Milliarden DM bedeuten. Die dafür notwendige Gegenfinanzierung ist politisch auch nicht durchsetzbar. Wer will denn die vollständige Besteuerung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, von Zuschlägen für Feiertags- und Nachtarbeit oder die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Spenden?
Die bisher vorgelegten Alternativen können nicht überzeugen. Es kann doch nicht sein, daß es, wie beim Vorschlag des Kollegen Schleußer, statt einer Entlastung für alle eine Mehrbelastung für viele gibt. Bereits ab Einkommen von 29 000 DM liegt die Grenzsteuerbelastung bei diesem Vorschlag oberhalb unserer Lösung. Damit wird die Forderung nach einem leistungsfreundlichen Steuersystem auf den Kopf gestellt. Und noch einmal wollen wir den Bürgern eine Ergänzungsabgabe, wie Sie es im Wahlkampf vorgeschlagen haben, nicht zumuten.
Mit den Maßnahmen im Bereich der Unternehmensteuern setzen wir die langfristig angelegte Reform der Unternehmensbesteuerung zielstrebig fort. Auch die dritte Stufe dieser Reform ist angesichts der Haushaltslage aufkommensneutral gestaltet. Meine Damen und Herren von der SPD, von der Opposition, Sie würden gut daran tun, einmal das an Unterstellung und Verdächtigung zurückzunehmen, was Sie im Wahlkampf mit Blick auf eine angeblich geplante Mehrwertsteuererhöhung uns gegenüber angerichtet haben.
Die Erfahrung mit dem Standortsicherungsgesetz hat gezeigt, daß auch Steuerstrukturreformen, die notwendig sind, wenn Spielräume für reale Entlastungen nicht möglich sind - was natürlich besser wäre -, geeignet sind, positive Impulse für die Wirtschaft auszulösen.
Und die Beschlüsse zum Standortsicherungsgesetz vom Sommer 1993 waren ein Signal für die Überwindung der Rezession.
Im Vordergrund steht jetzt die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zum 1. Januar 1996, die im-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
mer mehr zu einer wettbewerbsschädlichen Sonderbelastung für deutsche Unternehmen geworden ist.
Außerdem soll die Gewerbeertragsteuer mittelstandsfreundlich gesenkt werden,
und zwar durch eine Senkung der Steuermeßzahlen für den Gewerbeertrag um jeweils 10 %, Anhebung der Stufen des Staffeltarifs für Personenunternehmen von 24 000 DM auf 30 000 DM und einen Freibetrag von 48 000 DM für jeden unbeschränkt haftenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft.
Meine Damen und Herren, eines halte ich für ganz wichtig. Das ist für die Kommunen eine entscheidende Wegmarke. Wir wollen den Gemeinden heute mit der ebenfalls zu beratenden Änderung des Grundgesetzes einen vollen Ausgleich aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer in Höhe von 2,7 % geben. Wir beabsichtigen, unseren Vorschlag zu Art. 106 des Grundgesetzes mit der Option der Beteiligung der Länder am Aufkommen der Umsatzsteuer bereits am 12. Mai in zweiter und dritter Lesung im Bundestag zur Abstimmung zu stellen. Das ist eine historische Chance.
Wenn die Kommunen erstmals durch eine sichere Beteiligung an der großen Gemeinschaftssteuer Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer - neben der Beteiligung an der Einkommensteuer, neben der Gewerbeertragsteuer und neben der Grundsteuer - ihre Finanzierung auf eine konjunkturunabhängige und ständig steigende Steuer wie die Umsatzsteuer stützen können, dann ist das ein ganz entscheidender Fortschritt. Ich appelliere noch einmal an die SPD-Bundestagsfraktion. Ich appelliere an alle Länder, das zu sehen. Diese historische Chance kommt sonst nicht wieder.
Jeder andere Ausgleich für die Kommunen wird weder die Qualität noch die Zielgenauigkeit besitzen, mit der wir sowohl eine Übergangslösung als auch die endgültige Lösung fixieren würden.
Wer über die Situation der Kommunen klagt und nicht bereit ist, wenigstens die verfassungsrechtliche Ermächtigungsnorm für die Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer zu schaffen, der darf anschließend kein Klagelied über die Finanzsituation der Kommunen anstimmen.
Sie wissen sehr wohl, daß die Verteilung des Anteils nach einem orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssel erfolgen soll, der das wirtschaftliche Eigeninteresse der Gemeinden anerkennt. Die Beziehung zwischen örtlicher Politik und örtlichen Betrieben bleibt oder verstärkt sich sogar. Genau das wollen wir.
Die Bürgermeister und die Oberbürgermeister, die Gemeinde- und Stadträte sollen auch künftig wissen, was es bedeutet, wenn Betriebe angesiedelt und erhalten werden oder ihre Abwanderung verhindert wird. Das geht nur, wenn auch eine spürbare Beteiligung an einer Steuer gegeben ist, die auf der einen Seite einen Bezugspunkt zum Betriebsvermögen und auf der anderen Seite zur Beschäftigtenzahl hat. Ein besseres, ehrlicheres und gerechteres System kann man nicht finden.
Bei den Kommunen geht es letztlich nur darum, ob sie bereits ein Übergangssystem oder die endgültige Beteiligung mit dem auf jede Kommune bezogenen Schlüssel akzeptieren.
Wenn sich die SPD von vornherein einer Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer und der Notwendigkeit der Grundgesetzänderung verweigert, zeigt sie sich damit als eine kommunalfeindliche Partei.
Sie verhindert damit eine entscheidende strukturelle Besserstellung der Kommunen durch eine neue Finanzstruktur. Darüber muß man sich, wie ich meine, schon heute und dann spätestens im Mai im klaren sein.
Wir wollen eine weitere Entlastung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Für Betriebsvermögen, das einen Freibetrag von 500 000 DM übersteigt, soll es einen Bewertungsabschlag von 25 % geben.
Auch die Einheitswertgrenze, bis zu der Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen in Anspruch genommen werden können, wird von 240 000 DM auf 300 000 DM erhöht. Ich kann mir vorstellen, daß unser Freund Hinsken, der dafür über Jahrzehnte unermüdlich gekämpft hat, diesen Schritt auch als einen persönlichen Erfolg, allerdings nicht für sich, sondern für den Mittelstand als Ganzes, verbuchen kann.
Diese und die anderen Maßnahmen bei den Unternehmensteuern werden im Unternehmensbereich u. a. durch die Senkung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter von 30 % auf 25 % finanziert. Nun weiß ich, daß dies ein Wermutstropfen in dem Paket ist. Aber nennen sie mir eine andere, eine bessere, eine für Investitionen weniger problematische Gegenfinanzierung! Wir haben beim Standortsicherungsgesetz darauf verzichtet, und zwar deswegen, weil wir damals in einer schwierigen konjunkturellen Situation waren. In einer Zeit, in der es mit der Konjunktur vorangeht, ist so etwas vertretbar, vor allem wenn man berücksichtigt, daß im europäischen und internationalen Vergleich kein anderes Land höhere degressive Abschreibungen hat. In
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Großbritannien sind es 25 %, in Japan 6 bis 20 %, in den Niederlanden 20 %. Wir sind damit, wie ich meine, international wettbewerbsfähig. Ich halte das für zumutbar.
Die Kritik, kleine und mittlere Betriebe müßten die Abschaffung der teilweise als Großbetriebsteuer bezeichneten Gewerbekapitalsteuer mit der Senkung der degressiven Abschreibung finanzieren, trägt nicht, auch wenn sie von Herrn Scharping gestern wiederholt wurde. Die Gewerbekapitalsteuer fällt nämlich bereits bei einem Gewerbekapital von 120 000 DM an. Das ist ein Betrag, der bereits im Mittelstand greift.
Wir setzen unsere Politik für den Mittelstand der letzten Jahre konsequent fort
- Sie haben anscheinend vergessen, was da geschehen ist - : Vervierfachung der Freibeträge beim Betriebsvermögen, Anhebung der Freibeträge bei der Gewerbeertragsteuer, bundesweite Einführung des Stufentarifs, Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte auf 47 %, Ansparabschreibung nach § 7 g des Einkommensteuergesetzes. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir das schon ein Jahr und nicht erst zum 1. Januar 1995. Im Bundesrat ist es an der SPD gescheitert.
Mit vielen Mittelständlern kann Herr Scharping nicht gesprochen haben, wenn er diese falsche These gestern wiederholt hat. Die Kritik, die Unternehmen würden insgesamt mehr belastet, kann vor den Fakten nicht bestehen. Eine Veränderung bei den Abschreibungsbedingungen führt nur vorübergehend zu Mehrbelastungen, die durch Entlastungen in späteren Jahren wieder ausgeglichen werden. Längerfristig überwiegen die Strukturverbesserungen und die Entlastungswirkungen des Gesamtpakets. Dies haben die Wirtschaftsverbände in der Anhörung bestätigt, und sie haben unseren Entwurf überwiegend positiv beurteilt.
Lassen Sie mich ein Wort noch zu der Förderung in den neuen Ländern sagen. Der Aufschwung Ost ist auf gutem Weg. Wachstumsraten von 9 % sprechen für sich. Unsere Wirtschaftsförderung greift. Dennoch bleibt vieles zu tun. Wir setzen die gestraffte und auf die jetzt noch notwendigen Dinge konzentrierte Förderung mit zweistelligen Milliardenbeträgen fort. Die wichtigsten Maßnahmen sind: Verzicht auf die Erhebung der Vermögensteuer bis Ende 1998.
Übrigens gibt es hierzu noch einen Punkt: Wer jetzt die Gewerbekapitalsteuer nicht abschafft, der muß dann fragen, ob wir zum 1. Januar 1996 die Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern mit einer Belastung der Unternehmen, die dort noch zu kämpfen haben, einführen. Wer soll denn vor allen
Dingen bei der Riesenbelastung in den Finanzämtern das Ganze erheben?
Ein Letztes: Herr Poß, gehen Sie doch einmal zur EG-Kommission. Dann werden Sie erfahren, daß dort höchstwahrscheinlich eine weitere Verlängerung nicht mehr genehmigt wird. Aus dem Dilemma müssen Sie herauskommen und dann die Fragen beantworten, bevor Sie hier nur aus parteipolitischem Kalkül von vornherein etwas ablehnen.
Wir verlängern die zehnprozentige Investitionszulage für das mittelständische verarbeitende Gewerbe bis 1998. Die Grundzulage in Höhe von 5 % wird für das verarbeitende Gewerbe bis 1998 verlängert. Die Sonderabschreibungen für betriebliche Anlagegüter, für eigenbetrieblich genutzte Betriebsgebäude im verarbeitenden Gewerbe sowie für Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten an Gebäuden werden auf dem hohen Niveau von 40 % weitergeführt. Für andere gewerbliche Bauten und den Wohnungsneubau gibt es immerhin noch 20 %.
Wir sind uns, so hoffe ich, auch darüber im klaren: Das Rad der Steuerkomplizierung muß zurückgedreht werden.
Zwar haben wir bei allen steuerpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre immer auch die Steuervereinfachung im Blick gehabt. Per saldo hat sich die Lage aber noch nicht entscheidend gebessert.
- Sie scheinen vergessen zu haben, daß wir in den letzten fünf Jahren sechs oder sieben Steuern überhaupt abgebaut haben, z. B. auch die Börsenumsatzsteuer, was wahrscheinlich mit Ihnen gar nicht mehr zu machen wäre, wofür aber die SPD-Abgeordneten aus Frankfurt nachdrücklich gefochten haben im Interesse des Bankenplatzes Frankfurt.
- Späte Erkenntnis: Hier vereinigt sich offensichtlich Ökonomie und Ökologie in Gestalt des Fraktionsvorstehers Fischer.
Mit dem Jahressteuergesetz 1996 soll es nun für die Steuerzahler, die Berater und die Finanzverwaltung eine spürbare, schnellere und einfachere Handhabung bei der Steuererklärung geben. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
Kurzveranlagung mit weitgehend vereinfachten und verkürzten Erklärungsvordrucken. Statt mindestens sechs Seiten Formular genügen dann zwei Seiten. Das aufwendige Sammeln von Belegen kann vielfach entfallen. Zusätzlich gibt es für den Verzicht auf die gesonderte Berücksichtigung einzelner Sonderausgaben einen Freibetrag von 1 200 DM bzw. 2 400 DM bei zusammen veranlagten Verheirateten.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Die wahlweise Abgabe der Steuererklärung für zwei Jahre gemeinsam. Für viele Normalfälle entfällt hier ein erheblicher Arbeits- und Zeitaufwand.
Die mögliche Pauschalierung von Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietungen und Verpachtungen. Damit entfällt die zeitaufwendige Einzelermittlung der Nebenkosten.
Die vereinfachte Gewinnermittlung bei Gewerbebetreibenden und Freiberuflern durch die Pauschalierung bestimmter Betriebsausgaben.
Wir stehen hier jedoch vor einem Dilemma. Jeder fordert Steuervereinfachung. Jeder fordert Pauschalierung und daß die Steuerkomplizierung wegfällt. Nur dann kann ich auch nicht in jedem Fall die Einzelgerechtigkeit so herstellen, wie es vielleicht wünschenswert wäre.
Ich glaube, bei uns ist alles kompliziert genug, so daß man auch mit Pauschalierung auf ein Stück Einzelfallgerechtigkeit verzichten kann.
Die Steuervereinfachung bleibt eine Daueraufgabe. Wir geben uns mit dem jetzt Erreichbaren nicht zufrieden und werden die Steuervereinfachung konsequent fortsetzen.
Auch eines mußte geschehen: Das Jahressteuergesetz 1996 macht Schluß mit den Steuervorteilen für Stars und Spitzensportler, die ihren Wohnsitz im Ausland haben. Der pauschale Steuersatz für im Inland erzielte Einnahmen von selbständigen Künstlern und Sportlern mit Wohnsitz im Ausland wird von 15 % auf 25 % angehoben.
Bei nichtselbständigen Künstlern und Sportlern wird grundsätzlich ein Lohnsteuerabzug durchgeführt. Auch unsere Verhandlungen zu dem Doppelbesteuerungsabkommen sind auf gutem Weg, beispielsweise mit Belgien. Mir hat neulich jemand, der eine Zeitlang dort wohnte, über die Presse mitgeteilt: Theo, ich bin wieder da. Ich habe ihm zurückgeschrieben: Ich begrüße Sie. Nun kommen viele andere, die sagen, sie hätten schon immer in Deutschland Steuern bezahlt, und fragen, ob auch sie herzlich begrüßt werden. Von dieser Stelle aus begrüße ich ganz herzlich die, die schon immer Steuern in Deutschland gezahlt haben.
Zur steuerlichen Behandlung von Pflegeleistungen gibt es nach einer Besprechung mit den Ländern eine klare Aussage. Weitergegebenes Pflegegeld für häusliche Pflege an Familienangehörige und Personen, die durch die Pflege eine sittliche Verpflichtung erfüllen, ist steuerfrei.
Im Vorgriff auf eine Regelung im Jahressteuergesetz werden die Finanzämter angewiesen, dies ab 1. April anzuwenden.
Meine Damen und Herren, viele Diskussionen hat es um die steuerliche Gleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und privaten Betrieben gegeben. Dies ist kein Punkt, wo der Bund oder die Länder für sich auch nur einen Pfennig Profit erwarten oder etwas für die eigene Kasse benötigen. Es geht allein um die Herstellung steuerrechtlicher Wettbewerbsfähigkeit. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und des Europäischen Gerichtshofes müssen wir uns darauf einstellen. Ich hätte es lieber gesehen, so etwas steuerpolitisch voranzubringen, als sich in diesem Punkt vom BFH oder vom Bundesverfassungsgericht sagen lassen zu müssen, was richtig und notwendig ist.
Ich lade die Länder und die Kommunen nochmals ein, eine politische Lösung zu finden.
Meine Damen und Herren, die Koalition hat sich inzwischen auf einen neuen Familienleistungsausgleich mit einem zusätzlichen Volumen von rund 6 Milliarden DM verständigt.
- Sie haben in Ihrer Regierungszeit für Familienpolitik überhaupt nichts getan.
Erst seit 1982 hat in Deutschland wieder Familienpolitik stattgefunden. Das ist doch eine pharisäische Attitüde. Wir haben in dieser Zeit den Aufwand für Familienpolitik von etwa 30 Milliarden DM auf 60 Milliarden DM erhöht. Nun fordern Sie einerseits Konsolidierung und wollen andererseits in allen Punkten noch mehr Ausgaben. Das ist die Fortsetzung der unseriösen Finanzpolitik, die Sie sich bis zum Jahre 1982 geleistet haben, bis Sie dann abgelöst werden mußten.
Nach unserem Modell können die Familien zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag wählen. Ein Kindergeld von 250 DM für alle ohne die Option des Kinderfreibetrages wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungskonform. Wir werden alles daransetzen, gemeinsam mit den Ländern zu einer möglichst frühzeitigen Umsetzung zu kommen.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Meine Damen und Herren, mit diesen Vorschlägen zur Steuerpolitik liegt unser Programm für einen auch in Zukunft wettbewerbsfähigen Standort Deutschland auf dem Tisch. Heute müssen die steuerpolitischen Entscheidungen getroffen werden, die die Chancen der deutschen Wirtschaft im nächsten Jahrzehnt bestimmen. Wenn wir das akzeptieren, wenn wir die anstehenden Gespräche konstruktiv führen und uns an tragbaren Lösungen für alle orientieren, dann wird eine vernünftige Steuerpolitik für Deutschland gelingen. Ich appelliere an die SPD, sich dem nicht zu widersetzen und daran konstruktiv mitzuarbeiten.
Ich danke Ihnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße auf der Tribüne den Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Herrn Klaus Hänsch. Wir sind durch Ihren Besuch geehrt.
Wir bitten Sie, die Grüße vom Hohen Haus an das Hohe Haus auszurichten.
Das Wort hat jetzt der Abgeordneten Joachim Poß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist die Zeit für den Deutschen Bundestag viel zu schade, um sich heute mit dem von Bundesfinanzminister Waigel vorgelegten und von den Koalitionsfraktionen unbesehen übernommenen Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 1996 auseinanderzusetzen. Denn, Herr Minister, das einzig Sichere an diesem Ihrem Gesetzentwurf ist, daß er so niemals im Bundesgesetzblatt stehen wird.
Herr Waigel, Sie stehen vor einem Scherbenhaufen und wahren nur mühsam den äußeren Schein. Der Beifall der Koalitionsfraktionen sollte die vielen Wunden heilen helfen, die Ihnen in den letzten Wochen auch aus den eigenen Reihen zugefügt wurden.
Mit Ihrer Rede haben Sie, Herr Waigel, die Welt schöngeredet. Das ist allerdings bei den Schwierigkeiten und Problemen, die Sie zu bewältigen nicht in der Lage sind, verständlich. Der Gesetzentwurf ist ein heilloses Sammelsurium von unausgegorenen und steuersystematisch verfehlten Regelungen. Durch den Gesetzentwurf würde die sozial ungerechte Schlagseite der Besteuerung weiter verschärft werden. Die vom Bundesverfassungsgericht bescheinigte Verfassungswidrigkeit der zentralen Regelungen der Einkommensbesteuerung würde nicht beseitigt werden. Statt der vollmundig angekündigten Steuervereinfachung würde es sogar zu einer weiteren Komplizierung und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts kommen.
Das bisher von Herrn Waigel angerichtete Steuerchaos würde bei einer Annahme des Gesetzentwurfs noch größer werden.
Noch nie klafften Anspruch und Wirklichkeit bei einem Steuergesetz weiter auseinander als bei dem jetzt vorliegenden Entwurf. Vor der Bundestagswahl hat die Bundesregierung für das Jahr 1995 großspurig den großen Wurf in der Steuerpolitik versprochen. Alle im Jahre 1995 vorgesehenen, ab 1996 wirksam werdenden gesetzlichen Änderungen auf dem Gebiete des Steuerrechts sollten in einem Jahressteuergesetz 1996 zusammengefaßt werden. Zugleich sollte das Steuerrecht vereinfacht, der Abbau von Steuervergünstigungen fortgesetzt und steuerliche Sonderregelungen zurückgeführt werden.
Bundesfinanzminister Waigel hat sich aus wahltaktischen Gründen viel zu spät an die Arbeit gemacht. Vor der Bundestagswahl waren weder Entwürfe aus dem eigenen Hause noch Vorschläge aus der Wissenschaft erwünscht. Unter Zeitdruck hat Herr Waigel jetzt ein Stückwerk ohne Hand und Fuß abgeliefert.
Herr Waigel, Sie verhalten sich wie ein Pennäler, der seine Hausaufgaben nicht rechtzeitig gemacht hat und sich jetzt hektisch irgend etwas aus den Fingern saugt.
Wer so arbeitet, darf sich nicht wundern, wenn seine Werke als ungenügend bewertet werden.
„Der vorliegende Entwurf ist nur ein Torso, ein Flickwerk, das letztendlich nur zur weiteren Komplizierung des Steuerrechts beiträgt", sagt die Deutsche Steuergewerkschaft. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" spricht von „Wursteleien in der Steuerpolitik"
und befürchtet, das Jahressteuergesetz 1996 drohe zu einem weiteren unrühmlichen Kapitel in der bundesdeutschen Steuergeschichte zu werden.
Mit neuen großen Versprechungen versucht Herr Waigel jetzt, von seinem völlig mißlungenen Gesetzentwurf abzulenken.
Er kündigt an, das Jahr 1996 werde das Jahr der Steuersenkungen sein.
Aber vor welchem Hintergrund finden denn die
Steuersenkungen 1996 statt? Davor liegen doch die
Joachim Poß
Jahre der permanenten Steuer- und Abgabenerhöhungen von insgesamt 116 Milliarden DM.
Das waren aber auch die Jahre der Verschiebung der Steuerbelastung zu Lasten der Lohnsteuerzahler und der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen.
Bei einem Gesamtzuwachs der Steuereinnahmen zwischen 1983 und 1995 von 114 % stieg die Steuerbelastung des Normalbürgers weit überproportional. Die Lohnsteuer nahm um 121 % zu, die Umsatzsteuer um 127 %, die Mineralölsteuer sogar um 181 %. Dagegen stiegen im selben Zeitraum die unternehmensnahen Steuern wie die Vermögensteuer mit 54 % und die Gewerbesteuer mit 73 % deutlich unterproportional.
Die geringste Zunahme gegenüber 1983 hatten die Körperschaftsteuer mit nur 15 % und die veranlagte Einkommensteuer mit sogar nur 2,5 %. Auch wenn hierin gewisse Verschiebungen zwischen Lohn- und Einkommensteuer enthalten sind, läßt sich die von Ihnen betriebene Umverteilung der Steuerlasten nicht leugnen.
Das war das Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der breiten Schichten dieses Volkes, Herr Waigel. Dafür sind Sie mitverantwortlich.
Der Bundesfinanzminister hat immer wieder versucht, diese zunehmende soziale Schieflage zu verheimlichen. Wenn wir Sozialdemokraten ebenso wie der Bund der Steuerzahler die permamente Zunahme der Lohnsteuerbelastung kritisierten, haben Sie immer nur die Steuerbelastung der Wirtschaft und der hohen Einkommen mit fadenscheinigen Modellrechnungen propagandistisch dagegengestellt. Das ging so lange gut, bis das Bundesverfassungsgericht mit dieser sozialen Schieflage der Besteuerung befaßt wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat dann klipp und klar festgestellt, daß die Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen wegen der verfassungswidrigen Besteuerung des Existenzminimums Jahr für Jahr zuviel Steuern zahlen. Das gleiche hat das Bundesverfassungsgericht auch mit Blick auf die Familien wegen der zu geringen Berücksichtigung des Kinderexistenzminimums festgestellt.
Stellen Sie sich, Herr Waigel, daher deshalb hier nicht in der Pose eines Gönners hin, der den Bürgern die Steuern senken will! Geben Sie vielmehr zu, daß Sie in den letzten Jahren von den Bürgern in verfassungswidriger Weise zuviel Steuern einkassiert haben
und daß Sie jetzt vom Bundesverfassungsgericht gezwungen werden, auf diese zu Unrecht einkassierten Steuern von jährlich mehr als 20 Milliarden DM zu verzichten!
Würde dieser Gesetzentwurf verabschiedet, so würde das Jahr 1995 leider in die Steuergeschichte als das Jahr der verpaßten Neuorientierung in der Steuerpolitik eingehen.
Mit diesem Gesetzeswerk - das wissen Sie ganz genau, Herr Kollege hauser - sollten eigentlich die steuerpolitischen Weichen für die nächsten Jahre gestellt werden. Mit diesem Entwurf wird jedoch nicht die längst überfällige und von zahlreichen Experten aus der Wissenschaft und aus den Verbänden immer wieder angemahnte Neuorientierung in der Steuerpolitik gelingen. Ohne wirkliche Reform wird so weitergewurstelt wie bisher.
Ich möchte das vor allem an dem wichtigen Punkt der Steuerfreiheit des Existenzminimums näher darlegen. Das Verfassungsgericht hat ja bereits im September 1992 verlangt, daß spätestens ab dem 1. Januar 1996 dieser verfassungswidrige Zustand beendet werden muß. Trotz unserer damaligen Aufforderung, Herr Waigel, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, haben Sie ein Jahr untätig verstreichen lassen. Dann haben Sie im November 1993 eine Expertenkommission aus Wissenschaftlern und Praktikern eingesetzt, die grundlegende Vorschläge zur Berücksichtigung des Existenzminimums im Steuerrecht und zur Reform der Einkommensteuer machen sollte.
Vor der Bundestagswahl haben Sie jede Frage von uns und von anderen danach, wie Sie sich die Lösung dieses gewiß nicht einfachen Problems vorstellen, mit Hinweis auf diese Kommission zurückgewiesen. Als Ihnen dann zwei Wochen nach der Bundestagswahl die Bareis-Kommission ihre Vorschläge übergeben hat, haben Sie sofort erklärt, daß Sie die Vorschläge nicht aufgreifen wollen. Sie haben die Kommission nur als Alibi im Bundestagswahlkampf mißbraucht.
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Sie wollten von vornherein keine systemkonforme Lösung; Sie wollten sich von vornherein an den Vorgaben des Verfassungsgerichts vorbeimogeln.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Faltlhauser?
Gern.
Herr Kollege Poß, bedeutet diese vehemente Attacke,
Dr. Kurt Faltlhauser
daß Sie z. B. akzeptieren, daß die Besteuerung von Spenden eingeführt wird, daß der Arbeitnehmerpauschbetrag von 2 000 DM auf 1 000 DM gekürzt wird, daß die Freistellung von Nachtarbeit und Feiertagsarbeit von der Besteuerung aufgehoben wird, daß Sozialtransfers besteuert werden? Ist das Ihr Konzept? Sagen Sie es hier, und sagen Sie es klar.
Herr Kollege, das ist ein Ablenkungsmanöver von Ihnen.
Sie wissen genau, daß 85 Tatbestände, davon auch einige im unternehmensnahen Bereich, vorgeschlagen wurden, und daß wir es waren, die alle Vorschläge ausgewogen prüfen wollten. Wir wollten eine Anhörung des Finanzausschusses dazu durchführen. Das ist von Ihnen mit 21 zu 20 Stimmen abgelehnt worden. Gehen Sie bitte weiter Ihrer verantwortlichen Tätigkeit als Parlamentarischer Staatssekretär nach, Herr Kollege, und versuchen Sie nicht, hier Ablenkungsmanöver zu veranstalten! Das bringt nichts.
Herr Faltlhauser und Herr Waigel, so wie Sie darf man nicht mit dem Verfassungsgericht umgehen, auch nicht mit den von Ihnen selbst beauftragten Wissenschaftlern. So geht das nicht.
Sie haben gegen den Rat der Wissenschaftler einen Tarif vorgeschlagen, der von der SPD-Bundestagsfraktion sofort als „Buckeltarif" entlarvt wurde. Offenbar waren Sie über den „Buckel" ebensowenig informiert wie über die Tatsache, daß durch Ihren Tarif in etwa 600 000 Fällen Ehegatten höher besteuert worden wären als unverheiratete Paare.
Der Splittingvorteil hätte sich in einen Splittingnachteil verwandelt.
Daß ein CSU-Finanzminister einen derartigen Vorschlag macht, hätte sich noch vor wenigen Wochen wohl niemand hier im Saal vorstellen können.
Mit Ihrem zweiten Vorschlag haben Sie immerhin den häßlichen „Buckel" zurückgenommen. Aber auch dieser Vorschlag ist gleich aus mehreren Gründen nicht akzeptabel, vor allem deshalb, weil der von Ihnen als Existenzminimum vorgesehene Betrag in Höhe von 12 000 DM viel zu niedrig ist. Das Verfassungsgericht hatte bereits 1992 von 12 000 DM bis 14 000 DM gesprochen. Angesichts der seitdem eingetretenen Entwicklung muß für 1996 mindestens von 13 000 DM ausgegangen werden.
Die von Ihnen vorgelegten Berechnungen zur Höhe des Existenzminimums, mit denen Sie, Herr Waigel, welch Wunder, auf einen Betrag von knapp 12 000 DM kommen,
sind offensichtlich falsch. Sie gehen beispielsweise für einen alleinstehenden Erwachsenen von monatlichen Mietkosten in Höhe von 324 DM aus. Nach der Wohngeldstatistik lag aber bereits 1993 die durchschnittlich anerkannte monatliche Miete für Sozialhilfeempfänger um 80 DM höher. Allein durch Zugrundelegung des zutreffenden Ansatzes der Mietkosten ergibt sich ein um rund 1 000 DM höheres Existenzminimum.
Der von uns genannte Betrag von 13 000 DM ist also nicht nur gerechtfertigt. Er stellt auch das Minimum dar, damit der Tarif vor dem Verfassungsgericht bestehen kann.
Das ist im übrigen typisch für Ihre Politik, Herr Waigel. Bei den kleinen Leuten knausern, soweit es geht, und bei den Besserverdienenden großzügig sein - das ist die Schlagseite Ihrer Politik.
Ihr viel zu niedrig angesetzter Betrag für das Existenzminimum erweckt noch einen ganz anderen Verdacht. Sie gehen bereits davon aus, daß die Sozialhilfeleistungen, die Maßstab für das steuerliche Existenzminimum sind, herabgesetzt werden.
Ihr Kollege Seehofer hat anscheinend schon einen Gesetzentwurf in der Schublade, durch den die Sozialhilfeleistungen gekürzt werden sollen. Eine niedrigere Sozialhilfe bedeutet aber auch ein niedrigeres steuerfreies Existenzminimum und damit weiterhin zu hohe Steuern für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen.
Der neue Vorschlag von Herrn Waigel ist aber auch aus steuersystematischer Sicht vollkommen verfehlt. So wird der seit Jahrzehnten bewährte Grundfreibetrag gestrichen. Nach der in dem Gesetzentwurf abgedruckten Steuertabelle sind bereits ab einem Einkommen von 54 DM im Jahr Steuern zu zahlen. Bei einem Einkommen in Höhe von 5 616 DM, der Höhe des heutigen Grundfreibetrages, sind hiernach 376 DM Steuern fällig. Dieser Einkommensteuertarif - da sind wir uns wohl einig - wäre für sich betrachtet glatt verfassungswidrig.
Joachim Poß
Das sieht auch das Bundesfinanzministerium so. Deshalb ist in dem neuen § 34h, bei der sogenannten Grundentlastung, geregelt, daß bis zu einem zu versteuernden Einkommen von rund 12 000 DM die Steuer 0 DM betragen soll.
Weshalb, so muß man sich fragen, wird in der Steuertabelle ein Betrag ausgewiesen, der durch eine andere Vorschrift wieder auf Null gesetzt wird? Die Antwort, meine Damen und Herren, ist überraschend: Der Bundesfinanzminister will nämlich durch diesen Trick eine Sonderregelung für Sozialrentner einführen. Diese willkürliche Manipulation, die Herr Faltlhauser auf eine Anfrage des Kollegen Spiller bestätigt hat, ausgerechnet bei Rentnern mit einem geringen Einkommen, werden wir nicht mitmachen. Ich habe Ihre Rede, Herr Minister, so verstanden, daß Sie dies im weiteren Verfahren nachbessern wollen.
Vollkommen willkürlich ist auch, daß bei Arbeitslosen, jungen Müttern und anderen Personen, die sogenannte Lohnersatzleistungen erhalten, in bestimmten Einkommensbereichen eine Besteuerung von über 100 % eintritt, wie jetzt die „Wirtschaftswoche" aufgedeckt hat. Offensichtlich gilt für Sie, Herr Waigel, nicht mehr das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Für Sie ist das Prinzip der Beliebigkeit endgültig zur obersten steuerrechtlichen Maxime geworden.
Das ist eine Steuerpolitik frei nach dem Werbespruch von Toyota: Nichts ist unmöglich bei Theo Waigel.
Der Vorschlag von Herrn Waigel sieht weiterhin vor, daß die Steuerfreistellung des Existenzminimums bereits bei Einkommen von knapp über 12 000 DM schrittweise abgebaut wird. Das führt dazu, daß die Steuersätze in dem kleinen Einkommensbereich von 12 000 bis 15 000 DM von 0 auf 29 % ansteigen. Das ist ein kräftigerer Anstieg als im Bereich des gesamten weiteren Tarifs, in dem die Steuersätze bis 120 000 DM um weitere 24 % ansteigen. Die Grenzbelastung durch Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Sozialversicherungsbeiträge steigt damit bereits ab einem Jahreseinkommen von 15 000 DM auf über 50 %. Den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern bleibt damit von Lohn- und Gehaltssteigerungen deutlich weniger übrig als bisher.
Wollen Sie so Ihren Slogan: „Leistung soll sich wieder lohnen" verwirklichen?
Offensichtlich haben Sie bei Ihrer Steuerpolitik immer nur die Interessen der Bezieher höherer Einkommen im Auge.
Ihr neuer Tarif enthält nämlich gleichzeitig eine Steuerentlastung de luxe für die Bezieher hoher und höchster Einkommen, zu der überhaupt kein Anlaß besteht.
Spitzenverdiener werden hierdurch sechsmal so hoch entlastet wie Normalverdiener. Um Ihren Einwand gleich vorwegzunehmen: Auch prozentual ist die Entlastung der Spitzenverdiener mit 1,7 % ihrer bisherigen Steuerschuld höher als die der Normalverdiener mit 1,3 %. Diese Steuerentlastung der Spitzenverdiener ist teuer und überflüssig. Die hierfür eingesetzten finanziellen Mittel sollten vielmehr für eine verfassungsrechtlich ausreichende Steuerfreistellung des Existenzminimums eingesetzt werden.
Nach Auffassung der SPD kommt daher nur folgende Lösung in Betracht:
Erstens. Ab dem 1. Januar 1996 muß ein Existenzminimum von 13 000 DM für Alleinstehende und 26 000 DM für Verheiratete steuerfrei gestellt werden. Damit fällt die Steuerentlastung für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen höher aus, als von der Bundesregierung vorgesehen.
Zweitens. Das Existenzminimum muß entsprechend der bisherigen bewährten Systematik durch einen Grundfreibetrag im Tarif steuerfrei gestellt werden. Die von Bundesfinanzminister Waigel mit der Grundentlastung eröffneten Manipulationsmöglichkeiten darf es nicht geben.
Drittens. In dem neuen Einkommensteuertarif muß die Steuerentlastung auf die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und damit die breite Mehrheit der Bürger konzentriert werden. Eine Steuerentlastung für die Bezieher hoher und höchster Einkommen ist angesichts der Situation der öffentlichen Haushalte derzeit nicht möglich.
Joachim Poß
Viertens. Die Steuerfreistellung des Existenzminimums muß mit einem Abbau überflüssiger Steuersubventionen verbunden werden.
Wir haben dazu bereits in der Vergangenheit, z. B. beim sogenannten Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz, eine Vielzahl von Vorschlägen unterbreitet. Sie haben sich bislang ebenso wie bei den Vorschlägen der Bareis-Kommission geweigert, sich hiermit überhaupt sachlich auseinanderzusetzen. Statt dessen wollen Sie z. B. die Steuersubventionen im Bereich der Landwirtschaft und bei der Beschäftigung von privatem Hauspersonal sogar noch ausbauen.
Kapitalgesellschaften sollen durch eine erhebliche Komplizierung des Körperschaftsteuerrechts neu die Möglichkeit erhalten, verdeckte Gewinnausschüttungen im Fall eines Aufdeckens durch die Betriebsprüfung steuermindernd wieder rückgängig machen zu können.
Das ist nicht nur eine neue Steuervergünstigung, sondern auch eine Einladung zur Steuerhinterziehung,
deren finanzielle Folgen überhaupt noch nicht abgeschätzt werden können.
Wenn auf diese Regelungen ebenso wie auf die vollkommen unsinnige Kurzveranlagung, die auf Grund von Mitnahmeeffekten zu einem Steuerausfall von 2 Milliarden DM jährlich führt, verzichtet wird, stehen ausreichende finanzielle Mittel für die notwendige Steuerfreistellung des Existenzminimums zur Verfügung.
Anders als die verfassungsrechtlich notwendige Entlastung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer weder verfassungsrechtlich geboten noch von der Sache her erforderlich.
Dieser Teil ist nur Ballast für die anstehenden Gesetzesberatungen,
weil Sie, Herr Waigel, trotz Ihrer Ausführungen vorhin, heute an dieser Stelle auf Grund fehlender Statistiken nicht sagen können, wie sich diese Maßnahmen auf die einzelnen Gemeinden auswirken.
Da Sie noch keine Vorstellungen darüber haben, wie der Schlüssel für die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer endgültig - das betone ich - aussehen könnte, werden Sie wohl auch nicht ernsthaft davon ausgehen, daß wir Ihnen einen Blankoscheck zur Amputation der Gewerbesteuer in Form einer Zustimmung zur Änderung des Grundgesetzes ausstellen.
Wir werden auch die von Ihnen beabsichtigte Höherbelastung des investierenden Mittelstandes - da können Sie reden, wie Sie wollen; die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen ist eine Höherbelastung des investierenden Mittelstandes - zur Finanzierung von Steuersenkungen für Banken und Versicherungen nicht mitmachen.
Das gesamte Vorhaben ist ja auch in Ihren eigenen Reihen umstritten. So sagte z. B. Herr Haungs - Ihr Wirtschaftssprecher -: Wer die Kommunen quasi ohne Vorwarnung überfällt, muß mit einer solchen Abwehrreaktion rechnen.
Herr Waigel, immer auffälliger wird deutlich, wie sehr Ihre Autorität auch innerhalb der Koalition schwindet. Beim Familienleistungsausgleich sind Sie mit Ihrem Konzept eines Ausbaus der unsozialen Kinderfreibeträge gescheitert. Sie haben gar nicht gemerkt, daß auch innerhalb der Koalition die familienpolitische Diskussion längst über Ihre Vorschläge hinweggegangen war.
Familienpolitiker in der Union und in der F.D.P. haben den Reformbedarf beim Familienleistungsausgleich anerkannt und gegen Sie einen Vorschlag durchgesetzt, der einen Schritt in Richtung auf das seit Jahren von der SPD geforderte einheitliche Kindergeld als Abzug von der Steuerschuld bedeutet.
Für über 90 % aller Familien soll es künftig statt des von Ihnen immer wieder verteidigten ungerechten Freibetrags ein einheitliches Kindergeld geben. Allerdings sind die jetzt von der Koalition vorgesehenen Leistungen für die Familien immer noch zu gering. Der CDU-Abgeordnete Fell hat recht,
wenn er das angesetzte Existenzminimum für Kinder als zu gering bezeichnet. Der CDU-Abgeordnete Link hat recht, wenn er die drohende Höherbelastung der Familien mit mehreren Kindern kritisiert. Das zeigt, daß unser 250 DM-Kindergeldmodell nach wie vor
die bessere Alternative ist.
Joachim Poß
Herr Waigel hat es bisher nicht geschafft, Gesetzesformulierungen zur Neuregelung des Familienleistungsausgleichs vorzulegen. Daher fehlt dieser Teil in dem heute vorliegenden Gesetzentwurf vollkommen. Herr Waigel, hier müssen Sie schleunigst Ihre Hausaufgaben nachholen, hier haben Sie eine Bringschuld.
Es darf nicht sein, daß wegen der Schludrigkeit des Finanzministers die Familien auch über den 1. Januar 1996 hinaus noch von dem Existenzminimum der Kinder Steuer zahlen müssen. Die Familien müssen bessergestellt werden, und zwar ab dem 1. Januar 1996.
Herr Waigel hat seine Hausaufgaben auch im Bereich der Wohnungsbauförderung noch nicht gemacht.
Auch da sind seine Vorschläge von den Experten der Koalition, deren Auffassungen ja im übrigen weitgehend mit denen der SPD-Experten übereinstimmen, verworfen worden. Herr Waigel, geben Sie auch in diesem Punkt Ihren Widerstand auf! Sonst erleiden Sie hier die gleiche Niederlage wie beim Familienleistungsausgleich.
Meine Damen und Herren, die bisherige Geschichte des Jahressteuergesetzes 1996 ist eine Geschichte der Pannen des Herrn Waigel.
Es fehlt mir leider die Zeit, um auf die vielen Punkte einzugehen, die noch zu nennen wären. Erinnern möchte ich nur an Ihre Absicht, im Schnelldurchlauf eine Umsatzsteuerpflicht für kommunale Müll- und Abwasserbetriebe einzuführen und damit eine neue Steuererhöhung für die Bürger durchzusetzen. Denn das hätte natürlich eine Steuererhöhung für die Bürger bedeutet. Sie können reden, wie Sie wollen: Die Mehrwertsteuer ist eine Überwälzungssteuer. Die Bürger, die schon jetzt unerträglich belastet sind, würden von Ihnen, Herr Waigel, bis zur Schmerzgrenze gepeinigt. Damit muß Schluß sein, das kann so nicht weitergehen.
Wir als Sozialdemokraten werden dafür sorgen, daß das Jahressteuergesetz 1996 nicht vollends zu einem Debakel wird. Deshalb fordere ich Sie auf, Ihre unsinnigen Vorschläge zurückzuziehen. Notwendig ist eine Konzentration auf die Wiederherstellung einer verfassungskonformen Besteuerung zur Reduzierung der Steuerlasten der Bürgerinnen und Bürger.
Notwendig ist aber auch eine grundlegende Durchforstung und Vereinfachung des Steuerrechts. Das Steuerchaos muß endlich beseitigt werden. Wir sind bereit, dazu beizutragen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hansgeorg Hauser.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, lieber Kollege Poß: Ihr Selbstverständnis vom Parlament scheint nicht besonders gut zu sein. Denn wir haben selbstverständlich jedes Gesetz, das eingebracht worden ist, intensiv beraten. Daß dabei Veränderungen entstehen, ist, so glaube ich, auch in den vergangenen Jahren ganz normal gewesen. Unsere Aufgabe wird sein, auch dieses Gesetz eingehend zu beraten. Wenn wir zu besseren Lösungen kommen, dann werden diese, wie auch früher, selbstverständlich entsprechend verarbeitet werden.
Wir haben in den letzten Jahren eine Reihe von Steuergesetzen verabschiedet. Aber kaum ein Gesetz ist bereits im Vorfeld, lange bevor überhaupt der erste Referentenentwurf vorlag, so intensiv diskutiert worden
wie das jetzt zur ersten Lesung anstehende Jahressteuergesetz 1996. Auch das spricht für die Offenheit des Finanzministeriums: Es hat bereits vorher alles auf den Tisch gelegt, um darüber zu diskutieren.
Das Gesetz enthält drei Themenkreise, die von ganz besonderem politischen Gewicht sind: die Neuregelung des Existenzminimums, die Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform und Schritte zur Vereinfachung des Steuerrechts. Einen vierten Punkt will ich gleich noch hinzufügen, nämlich die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs, den wir noch im Laufe der parlamentarischen Beratungen einbringen wollen.
Mit dem Jahressteuergesetz erfüllen wir auch Wünsche und Forderungen der Verbände, z. B. der Bundessteuerberaterkammer, die gefordert hat: ein einheitliches Steuergesetz pro Jahr, Mitte des Jahres verkündet, einheitliche Regelungen des Inkrafttretens zum 1. Januar des Folgejahres, frühzeitige Einschaltung von Sachverständigen schon im Entwurfsstadium. - Genau das haben wir jetzt gemacht, und schon wird wieder darüber lamentiert, daß dies alles zuviel wäre und wir das doch alles aufdröseln, also statt dessen viele andere neue Gesetze einbringen sollten.
Hansgeorg Hauser
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben die Diskussion über diese Themen im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens nicht gerade sachlich, sondern ziemlich emotional und oft genug polemisch geführt. Herr Poß, Ihre Rede war dafür wieder ein typisches Beispiel.
Ich habe leider nicht genügend Zeit, um alle diese falschen Darstellungen zu korrigieren.
Natürlich ist die Versuchung groß, das so polemisch zu kommentieren, wie Sie das tun; denn die nächsten Landtagswahlen stehen vor der Tür.
Ich konzediere Ihnen gerne das Recht der Opposition, Ihre Idealvorstellungen publikumswirksam zu präsentieren und dabei etwas weniger Rücksicht auf bestehende Sachzwänge zu nehmen, als dies die Parteien, die in der Regierungsverantwortung sind, zu tun gezwungen sind.
- Sie brauchen sich dafür nicht zu verantworten.
Aber ich bin der festen Überzeugung: Es ist spätestens hier und heute die Zeit, mit dem Säbelrasseln und mit der Schwarzweißmalerei aufzuhören. Nicht Blockadepolitik, nicht ein kompromißloses „Entweder so oder gar nicht" ist jetzt gefragt, sondern konstruktive, harte, sachliche Arbeit, um die vor uns liegenden Probleme zu lösen.
Es sind im wesentlichen zwei Hauptschwierigkeiten, mit denen wir bei diesem Gesetz konfrontiert sind, einmal die Tatsache, daß wir unter erheblichem Zeitdruck stehen. Am 1. Januar 1996 muß die Regelung zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums in Kraft treten.
Das wissen Sie genau. Das ist eine klare verfassungsrechtliche Vorgabe. Es reicht eben nicht, wenn die Bestimmungen erst am 31. Dezember 1995 im Bundesgesetzblatt stehen.
- Sie wissen das auch, Herr von Larcher. Jedermann weiß, daß zur Umsetzung in die Praxis mindestens eine Vorlaufzeit von einem halben Jahr erforderlich ist. Da müssen neue Einkommen- und Lohnsteuertabellen gedruckt werden. Da müssen Umstellungen in
Lohnbuchhaltungen vorgenommen werden, eine Vielzahl von EDV-Programmen geändert werden usw. Das bedeutet im Klartext, daß wir noch bis zum Beginn der Sommerpause des Bundestages eine Regelung beschließen müssen, ob mit oder ohne Vermittlungsverfahren, sei dahingestellt.
Unter Zeitdruck stehen wir auch bei der Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform, allerdings nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen. Hier ergibt sich der sofortige Handlungsbedarf aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Auf den Punkt komme ich später noch einmal zurück.
Auch die Verbesserung der Förderung von Familien und die Steuervereinfachung können wir nicht auf die lange Bank schieben. Alle Parteien dieses Hauses haben sich für eine rasche Verbesserung der Leistungen für die Familien ausgesprochen; dann müssen wir das auch zügig angehen. Die Familien haben ein Recht darauf.
Wir brauchen nicht darüber zu reden, daß Steuervereinfachung not tut. Die besondere Situation in den vergangenen Jahren hat eine Vielzahl steuerpolitischer Entscheidungen - noch dazu in schneller Aufeinanderfolge - mit sich gebracht, bei denen dem Gesichtspunkt der Steuervereinfachung aus naheliegenden Gründen nicht die allererste Priorität eingeräumt werden konnte. Um so notwendiger ist es, dieses Thema unverzüglich in Angriff zu nehmen.
Die zweite Hauptschwierigkeit, mit der wir in diesem Gesetzgebungsverfahren konfrontiert sind, ist die angespannte Situation der öffentlichen Haushalte, also des Bundes, der Länder und Kommunen. Ich glaube, die gerade abgeschlossenen Haushaltsberatungen haben jedermann mit aller Deutlichkeit gezeigt, wie eng der finanzielle Rahmen ist, in dem wir uns auf absehbare Zeit bewegen können. Es führt kein Weg daran vorbei, daß wir uns alle nach der Decke strecken müssen und daß wir schweren Herzens auf viele Dinge verzichten müssen, mögen sie auch noch so wünschenswert sein.
Ich will an dieser Stelle auf eines klar und unmißverständlich hinweisen: Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen hat für uns absolute Priorität. Das war die Leitlinie der Finanzpolitik der Union in den vergangenen Jahren. Das wird sie auch in Zukunft bleiben.
Daß diese Politik richtig ist, erleben gerade wir jetzt in einer, wie ich meine, beeindruckenden Weise. Deutschland erfüllt die Kriterien der Maastrichter Verträge. Wer hätte das vor ein paar Jahren voraussagen können? Die D-Mark, schon immer ein Synonym für Stabilität, ist geradezu eine Ankerwährung geworden.
- Frau Matthäus-Maier, das haben Sie so nicht erwartet. Sie haben immer etwas anderes erzählt. Es paßt Ihnen auch nicht in den Kram, weil es nämlich zeigt, daß Ihre Politik der falsche Weg gewesen wäre und daß Ihre Horrorszenarien, mit denen Sie pausenlos
Hansgeorg Hauser
gegen die Finanz- und Steuerpolitik von Finanzminister Waigel polemisieren, nichts als Makulatur ist, die niemand im In- und Ausland ernst nimmt. Es war schon verwunderlich, daß Herr Scharping in seiner Haushaltsrede gestern allen Ernstes den Bürgern unseres Landes weismachen wollte, eine starke D-Mark bringe mehr Schaden als Nutzen.
Da muß ich nun schon wirklich fragen: Meinen Sie das wirklich ernst? Wollen Sie wirklich statt einer starken D-Mark eine schwache D-Mark? Wollen Sie wirklich statt einer stabilen Währung eine schwache Währung, die man nur mit spitzen Fingern anpackt, nur bedacht, daß man sie schnellstens wieder los wird, um in eine andere Währung zu fliehen? Ich glaube, das können Sie doch wirklich nicht wollen. Es zeigt sich jetzt unmißverständlich, welches Vertrauen die Finanzpolitik von Theo Waigel international genießt. Das verpflichtet uns, an diesem eingeschlagenen Kurs eisern festzuhalten.
Herr Poß, ich kann Ihnen nur in aller Deutlichkeit sagen: Dieser Finanzminister hat seine Hausaufgaben gemacht,
während in anderen Ländern diese Leistungen nicht erbracht worden sind, der Haushalt nicht konsolidiert worden ist und deshalb die Schwierigkeiten bei der Währung entstanden sind.
Zwischen diesen beiden Eckpfeilern - Eilbedürftigkeit einerseits und begrenzte finanzielle Mittel andererseits - haben wir nun in dem vorliegenden Gesetzentwurf zu den vier Eckpunkten Existenzminimum, Unternehmensteuerreform, Familienförderung und Steuervereinfachung Lösungen erarbeitet, die wir unter den gegebenen Umständen für die bestmöglichen halten. Dabei wird die Sorgfalt in den Beratungen - das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen - mit Sicherheit nicht zu kurz kommen. Wir werden ausreichend Zeit haben.
Ich möchte auch deutlich machen, daß diese Lösungen keine unabänderlichen Postulate darstellen, an denen kein Jota mehr geändert werden kann. Es ist kein Geheimnis - Sie haben es angesprochen -, daß wir bereits in den Fraktionsberatungen zu einigen Punkten des Gesetzentwurfes Diskussionsbedarf sahen. Wir sind für jede Lösung offen, die den genannten finanziellen Rahmen nicht überschreitet.
Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich einige Punkte herausgreifen, zunächst einmal die steuerliche Freistellung des Existenzminimums. Die Kritik ist uns bekannt; sie kommt aus unterschiedlichsten Richtungen. Ich sage ganz offen: Natürlich kann man sich einen idealeren Tarif vorstellen, und dafür gibt es sicherlich eine Reihe von Alternativvorschlägen.
Nur, diese Alternativvorschläge haben den kleinen Schönheitsfehler, daß sie samt und sonders sehr viel teurer sind und nur mit radikalen Veränderungen finanziert werden können.
Ich bin gerne bereit zuzugeben, daß der Vorschlag der Bareis-Kommission, die komplette Freistellung, sicherlich systemgerechter wäre -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Scheel?
- ich möchte meinen Text weiterführen -,
aber wir wissen alle, daß dieser Vorschlag rund 40 Milliarden DM netto kostet. Wie soll das finanziert werden? Auf Pump mit Sicherheit nicht. Sicher hat die Bareis-Kommission Vorschläge für die Gegenfinanzierung gemacht; aber ich halte es für illusorisch, in der kurzen uns verbleibenden Zeit einen politischen Konsens für derartig tiefe Einschnitte in das bestehende Steuerrecht zu erreichen. Die erregten Reaktionen auf erste Presseveröffentlichungen des Gutachtens sprechen da eine deutliche Sprache. Herr Poß, ich darf Sie daran erinnern: Auch die SPD hat sich sehr kritisch und negativ dazu geäußert.
Die Bareis-Kommission hat wohl selbst nicht ganz an die politische Umsetzbarkeit ihres Hauptvorschlages geglaubt. Deswegen hat sie auch einen etwas billigeren Tarif vorgestellt; aber auch der kostet 8 Milliarden DM mehr. Sicher lohnt es sich, Herr Poß, darüber zu diskutieren, und ich fordere Sie auf, einmal gemeinsam diese Gegenfinanzierungsvorschläge durchzugehen. Ich habe sie mir extra noch einmal angesehen: Die Abfindungen sollen besteuert werden, die Übungsleiterpauschalen sollen entfallen, die Arbeitgeberzuschüsse - ich nenne hier beispielsweise das Job-Ticket - sollen wieder wegfallen, die Sonntagsarbeitszuschläge sollen besteuert werden, der Arbeitnehmerpauschbetrag soll halbiert werden usw. Das alles sind Vorschläge, wie die 8 Milliarden DM finanziert werden sollen.
Meine Damen und Herren von der SPD und von den GRÜNEN, wenn wir im Finanzausschuß zu einem Konsens über gemeinsame Vorschläge kämen, dann ließe sich da etwas machen.
Aber was machen Sie denn? Sie picken sich überall nur die Rosinen heraus, und die unpopulären Maßnahmen wollen Sie uns überlassen.
Wenn schon, dann müßte natürlich jeder seine Kröte
schlucken. Aber Kröten schlucken ist halt etwas
Hansgeorg Hauser
ekelhafter als Rosinen picken und sich überall lieb Kind machen.
Eines steht fest: Der vorgelegte Tarif stellt 1,5 Millionen Arbeitnehmer von der Steuer frei und bringt für alle Steuerzahler eine Entlastung. 15 Milliarden DM an Entlastung für die Bürger - das kann sich wohl sehen lassen.
Zur Unternehmensteuerreform. Auch hier kann ich nur wieder feststellen: Die SPD führt hier schon seit einiger Zeit einen Eiertanz auf. Zuerst haben sie sich für die Notwendigkeit der Unternehmensteuerreform ausgesprochen, dann kam eine Phase, in der viel von Wenn und Aber die Rede war, und jetzt beschränkt sich die Antwort auf die dringlichen Probleme zur Sicherung des Standorts Deutschland auf ein bloßes Blockieren: Die SPD werde im Bundesrat die Unternehmensteuerreform ablehnen - und damit basta!
Meine Damen und Herren, die Gewerbekapitalsteuer muß weg. Sie ist wettbewerbsverzerrend und arbeitsplatzgefährdend. Sie bestraft den, der Schulden macht, um Investitionen zu tätigen. Es ist eine groteske Situation, daß Steuern aus der Substanz bezahlt werden sollen, wenn Unternehmen Verluste machen. Deshalb müssen wir diese Steuer abschaffen.
Wir werden von Ihnen eine Entscheidung darüber verlangen, ob Sie diese dringend notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des Standorts Deutschland und zum Erhalt von Arbeitsplätzen mittragen oder nicht.
Diese Antwort müssen Sie uns geben. Das wird Ihre Reaktion sein müssen, wenn wir die Grundgesetzänderung vorlegen. Sie werden die Antwort darauf geben müssen, ob Sie die Finanzkraft der Kommunen stärken oder das verhindern wollen.
Ein Wort zur Familienförderung. Auch hier werden Sie sich bewegen müssen.
Sie ziehen nun seit Jahren mit dem Vorschlag durch die Gegend, daß Sie ein einheitliches Kindergeld von 250 DM haben wollen. Das Modell ist nicht bezahlbar. Ihre Finanzierungsvorschläge sind Ihnen zerpflückt worden. Andere haben Sie nicht gemacht.
Meine Damen und Herren, unser Vorschlag ist finanziell machbar. Er ist auch ein guter Weg zur Förderung der Familien. Nur müssen natürlich auch die Länder bei dieser Finanzamtslösung mitmachen. Sie
wissen, daß Ihr Finanzminister Schleußer schon 1991 gesagt hat, die damals von Frau Matthäus-Maier vorgeschlagenen 230 DM seien nicht finanzierbar. Die Finanzlage der Länder hat sich aber seit 1991 mit Sicherheit nicht entscheidend verbessert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wohin es führt, wenn man Politik ohne Rücksicht auf finanzielle Zwänge macht, das sieht man jetzt in Niedersachsen und Hessen. Da hat die SPD vor den Wahlen in populistischer Manier alles und jedes versprochen. Kurz danach wurden die versprochenen Wahlgeschenke und noch vieles mehr wieder eingesammelt. Die Folge ist, daß in dem einen Land die Minister weglaufen und in dem anderen an einer Ministerin auf Biegen oder Brechen festgehalten wird, weil sonst die Mehrheit im Landtag in Gefahr ist.
Und angesichts der vor den Kopf gestoßenen Bürger hat man verständlicherweise Angst vor Neuwahlen.
Meine Damen und Herren, wir haben im Jahressteuergesetz viele wichtige, aber auch schwierige Entscheidungen zu treffen. Große Vorteile sind Entlastungen von 15 Milliarden DM zur Sicherung des Existenzminimums, von 6 Milliarden DM im Bereich der Familien, von weiteren 6 bis 7 Milliarden DM durch den Kohlepfennig - das ist aber ein anderes Thema. Wir erreichen Steuervereinfachungen, eine Strukturverbesserung für die Wirtschaft und eine Verbesserung der Finanzkraft der Gemeinden.
Wir sind bereit, innerhalb der erwähnten zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen auch mit der Opposition in einen konstruktiven Dialog zu treten. Wenn es uns gelingt, eine sachgerechte Lösung zu finden - hier appelliere ich wirklich an Sie -, dann kann dieses Gesetz zu einer Stunde des Parlaments werden. Wir hätten dann nach draußen dokumentiert, daß der Bundestag in der Lage ist, auch in finanziell schwierigen Zeiten wichtige steuerpolitische Weichenstellungen vorzunehmen.
Wir würden damit den vielen politikverdrossenen Bürgern beweisen, daß das Parlament nicht nur debattieren, sondern auch Probleme, die die Bürger in vielfacher Hinsicht bewegen, lösen kann. Das wäre ein Ergebnis, das weit über die eigentlichen steuerlichen Regelungen hinaus Signale setzen würde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen und verehrte Herren auf der Regierungsbank, ich möchte doch einmal etwas zu den Regeln des Hauses sagen. Wenn diese Regeln besagen, daß weder von der Bundesratsbank noch von der Regierungsbank dazwischengerufen werden darf, dann nicht deshalb, um die Debatte langweiliger zu machen. Wir wissen zwar, daß manches Wortspiel sehr lustig ist und die Debatte bereichern kann. Aber die Regelung bezweckt erstens, daß sich die Regierung anhören soll, was das Parlament ihr sagt, und dies nicht zensieren darf, und zweitens, daß der
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Zwischenrufer dem Redner ins Gesicht gucken soll. Da Sie leidenschaftliche Zwischenrufer und Debattenredner sind, ist auf der Fraktionsbank der Platz, von dem aus Sie Zwischenrufe machen dürfen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christine Scheel.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Jahrhundertwerk des Theo Waigel sollte es werden; Wahlversprechen der Vergangenheit an die steuer- und auch an die abgabengeplagten Bürgerinnen und Bürger - die Abgaben darf man nämlich nicht vergessen - sowie jahrealte Urteile des Bundesverfassungsgerichtes sollten endlich eingelöst werden.
Es sind auch viele Steuergelder in aufwendige Expertisen eingeflossen, die nicht in diesen Entwurf Theo Waigels integriert wurden. Alle Vorschläge wurden in den Wind gesetzt. Wir müssen unter dem Strich leider feststellen: Außer Spesen nichts gewesen.
Steuerprivilegien werden nicht abgebaut, kosmetische Korrekturen durch die Einführung von Kurzveranlagung, Wahlrecht für Steuererklärungen nur alle zwei Jahre, einige Pauschalierungen bei Werbungskosten und Betriebsausgaben - das soll es gewesen sein? Uns reicht das nicht aus.
Die Perfektion der Kunst der steuerrechtlichen Vernebelung wird weiter gefördert. Auch von Steuervereinfachung, werte Herren, keine Spur! Außen vor bleibt der Familienlastenausgleich, außen vor bleiben leider auch die mehrfach angekündigte Klärung bei der Wohnungsbauförderung.
Wir fragen uns schon: Warum überhaupt diese Panik bei der dritten Stufe der Unternehmensteuerreform? Von der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer profitieren - das ist mit Zahlen immer wieder belegt worden - nur sehr große Unternehmen. Mittelständische Unternehmen und Betriebe leiden unter den von Ihnen angestrebten Verschlechterungen bei den Abschreibungsmöglichkeiten.
Was wir brauchen, ist eine Gemeindefinanzreform, die ihren Namen verdient. Wir brauchen Förderprogramme für kleine und für mittelständische Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen helfen, die auch unter ökologischen Gesichtspunkten zukunftsfähig und innovativ sind. Dies erreichen wir nur über unsere ökologische Steuerreform. Ich freue mich, daß auch die SPD, wie sie gestern kundgetan hat, dieses Reformwerk jetzt in Angriff nehmen wird.
Lösen Sie den Bereich der sogenannten Gemeindefinanzreform aus dem Jahressteuergesetz heraus, und legen Sie bitte schön ohne Torschlußpanik ein
Konzept vor, das die Hoheit der Kommunen stärkt, ihre wirtschaftliche und ökologische Überlebensfähigkeit sichert und ordentlich mit den Vertretern und Vertreterinnen der Betriebskörperschaften beraten wurde.
Auch ihr halbherziger Versuch, die Bedingungen des Bundesverfassungsgerichtes ohne größere Tarifänderungen zu erfüllen, führt nicht zu mehr Steuergerechtigkeit, sondern vergrößert das Chaos im Steuersystem.
Ich gehe davon aus, daß Herr Waigel auch die „Wirtschaftswoche" gelesen hat. Wie wollen Sie denn, Herr Dr. Waigel, den Leuten erklären, daß ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin mit einem Bruttolohn von 18 700 DM im Jahr unter bestimmten Umständen nach Ihrem Tarif 262 DM weniger Geld in der Tasche hat als der Kollege oder die Kollegin, der oder die 1 000 DM weniger im Monat verdient? Soll diese Person jetzt zum Chef gehen und sagen: „Ich möchte gerne eine Gehaltssenkung haben, damit ich steuerlich besser dastehe"? Das ist ja wohl pervers.
Bravo, Herr Waigel, so schafft man auch die Schwarzarbeit vor allem in der Baubranche, die von diesen Regelungen insbesondere betroffen ist.
Oder wie wollen Sie erklären, daß, wenn Ihr Vorschlag durchkommt, Personen mit einem zu versteuernden Einkommen von rund 60 000 DM im Jahr nach Ihrem Vorschlag gegenüber dem jetzt geltenden Übergangstarif mit 217 DM entlastet werden, aber Personen mit dem doppelten Einkommen, also 120 000 DM, 630 DM weniger Steuern zahlen als heute?
Wieso ist das Existenzminimum hoher Einkommen - das ist ein Punkt, den die Bevölkerung nicht versteht - mehr wert als das der kleinen?
Vier Jahre hatten Sie nun Zeit, den Skandal aus der Welt zu schaffen, daß Sie den Bürgern und vor allem den Familien mit Kindern seit Jahren zuviel Geld wegsteuern. Und noch viel länger sind Sie den Rufen nach Steuervereinfachung und Abbau von Steuerungerechtigkeit ausgesetzt.
Auf der anderen Seite beklagen Sie die steigende Tendenz zu Steuerhinterziehung und Mißbrauch. Sie beklagen den allgemeinen Verfall der Steuermoral - das ist ja auch immer wieder nachzulesen -; Sie beklagen auch, daß der Steuerbetrug schon für mittlere Einkommen mittlerweile zum guten Ton gehört. Ja, woher kommt denn der Spruch, daß die Lohnsteuer eigentlich „Dummensteuer" sei? Wer ist denn Schuld an der Tatsache, daß nur 30 % der Steuerzahler glauben, daß ihre Steuern für sinnvolle Zwecke eingesetzt werden? Das hängt wohl damit zusammen, daß unser Einkommensteuergesetz - und nicht nur dieses - zu einem unbeherrschbaren Monstrum geworden ist.
Christine Scheel
Seien Sie doch ehrlich, vor allem meine Damen und Herren von der F.D.P.: Wer aus Ihrer Bestverdienendenklientel zahlt denn überhaupt den Spitzensteuersatz von derzeit 53 %? Wer schafft denn eigentlich das zu versteuernde Einkommen immer wieder ins Ausland und lebt Otto Normalverbraucher vor, wie schlau die Großkopferten sind? Wer sind denn diese Leute?
Die vielen Ausnahmeregelungen im Steuerrecht, die nur noch ein Spezialist versteht, konterkarieren den von Ihnen so hoch gehaltenen Anspruch der Leistungsgerechtigkeit, und Sie konterkarieren damit auch den progressiven Tarif und bestrafen dadurch die ehrlichen Steuerzahler.
Die Deutsche Steuergewerkschaft schätzt allein den Ausfall an Steuereinnahmen, die durch Steuerhinterziehung bzw. mangelnden Vollzug entstehen, auf etwa 150 Milliarden DM. Wenn diese Steuern eingetrieben würden, könnte man auch auf den Solidaritätszuschlag verzichten, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen zu zahlen haben.
Wir legen Ihnen zu diesem Jahressteuergesetz ein absolut seriöses, abgerundetes, finanzierbares und sozial ausgewogenes Reformpaket vor.
- Das ist bereits eine Drucksache, und ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen. Im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPD ist es uns gelungen, unsere Vorschläge nicht nur anzukündigen, sondern sie auch im Konsens mit unseren Landes- und Parteipolitikern und -politikerinnen abzustimmen und zu Papier zu bringen.
Ein verfassungskonformer Reformansatz bedeutet für uns erstens die Steuerfreistellung des Existenzminimums in Höhe von 14 000 DM für alle Steuerpflichtigen. Dabei gibt es bei uns - das ist der Unterschied, Herr Staatssekretär - kein Gehuddel mit außertariflichen Lösungen wie bei Ihnen, die neue Probleme und Ungerechtigkeiten schaffen. Bei uns bleibt der Progressionstarif erhalten, und das Existenzminimum bleibt ein Grundfreibetrag, wie es sich gehört. Nur so ist eine leistungsgerechte und soziale Freistellung zu erreichen.
Der zweite Schwerpunkt unserer Reform ist ein Familienlastenausgleich, der tatsächlich die Situation von Familien mit Kindern in diesem Lande verbessert. Jetzt zeige ich Ihnen einmal etwas.
Wissen Sie, meine Damen und Herren, was das ist? Dies ist das erste wesentliche Kleidungsstück für die Gruppe der Bevölkerung, die unsere Zukunft sichern soll. Diese Bevölkerungsgruppe wurde in Ihrem Entwurf eines Jahressteuergesetzes vollständig vergessen.
- Regen Sie sich hier doch nicht so auf! Das ist ja lächerlich!
Was bietet denn die Koalition unseren Familien? Wir meinen, es ist ein Skandal, daß der Familienlastenausgleich aus dem jetzt vorliegenden Entwurf ausgeklammert bleibt. Wenn Herr Waigel sagt, man habe dies nun umzusetzen, dann frage ich mich: Haben Sie in den letzten fünf Jahren gepennt, oder wußten Sie nicht, daß Sie die Familien verfassungswidrig besteuert haben?
Wir sehen in unserem Entwurf ein verfassungskonformes Grundkindergeld von 300 DM für jedes Kind vor, und wir wollen den Familien mit Kindern künftig 23 Milliarden DM mehr zukommen lassen, als sie heute mit Kindergeld und Kinderfreibetrag bekommen. Das sind wir auch den Familien mit Kindern in diesem Land schuldig.
Eingebettet in unser Gesamtkonzept zum Jahressteuergesetz zeigen wir auf, daß die Finanzierungsspielräume zur Realisierung unseres Vorhaben, wie wir es uns vorstellen, bestehen. Die sozialverträgliche Abschaffung steuerlicher Vergünstigungen von Verheirateten spielt dabei natürlich eine zentrale Rolle. Darüber sollten Sie so langsam auch einmal nachdenken.
An dieser Stelle müssen dringend neue Prioritäten gesetzt werden. Die steuerlichen Privilegien der Ehe, und zwar als eine frei gewählte Lebensgemeinschaft von Erwachsenen, müssen zugunsten der notwendigen Förderung aller Lebensgemeinschaften mit Kindern reduziert werden.
Wie sieht es - Sie kleben an dem alten Modell so fest - bei Ihnen aus? Der Kardinalfehler des Waigelschen Vorschlags ist doch der, daß nach Ihrem neuen Modell Familien mit mehr als drei Kindern künftig
Christine Scheel
schlechter gestellt werden als heute. Das gilt insbesondere für Familien mit kleinen und mittleren Einkommen trotz der Steuerfreistellung des Existenzminimums.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Trotz des erhöhten Kindergeldes, das Sie demnächst präsentieren werden, und trotz der Grundentlastung beim Existenzminimum hat eine Familie mit fünf Kindern und einem jährlichen Bruttoeinkommen von 60 000 DM unterm Strich 33 DM im Monat weniger im Geldbeutel als heute. So, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU und der F.D.P., geht das nicht.
Der Hammer ist: Wenn diese Familie, weil sie falsch beraten wurde oder es einfach nicht wußte, den Kinderfreibetrag wählt, hat sie sage und schreibe sogar 8 600 DM im Jahr weniger. Das müssen Sie erst einmal draußen erklären. Das kann kein Mensch mit einem gesunden Menschenverstand und einem christlich-sozialen Gewissen nachvollziehen.
Die Frage ist: Ist das die neue Familienpolitik der Bundesregierung? Bestrafung der kinderreichen Familie?
- Passen Sie auf, das sage ich Ihnen gleich.
In unserem Modell ist es so, daß eine Familie mit fünf Kindern enorme Vorteile hat, wenn das Reformpaket zur Einkommenssteuer mit dem neuen Tarif, den wir haben, mit den 14 000 DM Existenzminimum und der Kindergeldhöhe eingeführt würde. Denn durch unser integriertes Steuermodell hätte genau diese Familie mit einem Bruttoeinkommen von 60 000 DM im Jahr bei Abzug der Abgaben unterm Strich 2 490 DM mehr im Geldbeutel als bei Ihnen.
Wir sind der Auffassung, daß insbesondere kinderlose Ehen mit hohen Einkommen einen Beitrag zur Finanzierung des Familienlastenausgleichs erbringen müssen. Deswegen begrenzen wir den Splittingvorteil für Verheiratete und integrieren die anzuerkennenden Unterhaltsleistungen der Ehegatten mit 14 000 DM jährlich in einen neuen Splittingtarif für Verheiratete.
Zum zweiten, Herr Faltlhauser, schaffen wir die doppelte Vorsorgepauschale für Verheiratete mit einem Einkommen ab; denn wir sind der Auffassung: Wo nur einmal Vorsorgeleistungen aus dem Arbeitslohn gezahlt werden, sollen diese auch nur einmal steuerlich berücksichtigt werden können. Im Prinzip ist das auch logisch. Es wurde allerdings in den letzten Jahren, weil Sie die Ehe in den Vordergrund geschoben haben, von Ihnen nicht angekratzt.
- Das wird vor dem Bundesverfassungsricht auch Bestand haben.
Des weiteren schlagen wir einen umfassenden Abbau von Steuerprivilegien vor. Wir, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, übernehmen im Gegensatz zu Ihnen die Forderung vieler Wirtschafts- und Finanzexperten und -expertinnen, die schon seit Jahren eine grundlegende Vereinfachung und eine Entrümpelung des Steuerrechts fordern, und zwar auch von Ihnen als Gesetzgeber.
Wir schaffen es mit unseren Vorstellungen, zumindest 19 Milliarden DM für die Umschichtung, mehr Kindergeld und für die Familien von denen wegzunehmen, die heute überprivilegiert sind und besondere Abschreibungen haben, die sie nicht brauchen und die kein Mensch mehr nachvollziehen kann und diese auch nicht brauchen.
Ich nenne als Beispiel die S-Klasse. Ich will aber keine Automarke nennen. Es ist für uns nicht einsehbar, warum dieses Auto, egal, wie teuer, von der Steuer abgesetzt werden kann, und zwar in der Regel als Geschäftswagen, und andere, die ein kleines Auto haben, das nicht ausnutzen sollen. Wir wollen eine Begrenzung auf 50 000 DM. Ich denke, das ist auch für S-Klasse-Fahrer sozialverträglich.
Wir erhöhen den Eingangssteuersatz auf 25 %. Bei einer solchen Forderung kommen immer die ollen Kamellen, das sei leistungsfeindlich usw. Aber wenn Sie sich einfach die tatsächlichen Entlastungen bei diesem Tarif anschauen, dann sehen Sie, daß diese Erhöhung bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen in keinem Fall zu einer Schlechterstellung führt. Im Gegenteil! Wir haben unsere Vorschläge vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin überprüfen lassen. Ich kann Ihnen versichern, es wird kein einziges kleines und mittleres Einkommen geben, das bei diesem neuen Einkommensteuertarif schlechter gestellt ist als heute. Im Gegenteil, wir stellen die Menschen in den niedrigen Einkommensgruppen, vor allen Dingen Alleinerziehende mit Kindern, durch die Bank besser.
Unser Vorschlag ist allemal besser, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, als der merkwürdige, systemfremde und halbherzige Versuch von Herrn Waigel, Management by Känguruh - kennen Sie das? - zu betreiben, sprich: große Sprünge mit leerem Beutel zu machen.
Christine Scheel
Bei Herrn Waigel werden nämlich zu versteuernde Einkommen von bereits 14 000 DM, das entspricht heute 20 500 DM brutto im Jahr, gegenüber heute nur noch mit 438 DM entlastet. Bei uns betrüge die Entlastung 1 267 DM.
Dies ist eine hervorragende Besserstellung für kleine und mittlere Einkommen und vor allem für die Familien. Die Diskussionen führen wir in den Fachausschüssen weiter. Ich habe eine ganze Palette von Beispielen. Wir haben den Tarif durchgerechnet.
Lassen Sie mich zum Schluß etwas zu den föderalen Auswirkungen - auch sie bedenken wir - unseres Antrags sagen. Trotz der Steuerfreistellung von 14 000 DM bleiben durch die Abschaffung des Kinderfreibetrags und durch die Begrenzung der steuerlichen Vorteile für Verheiratete
- das Känguruh ist weggehüpft; ich weiß nicht, wo er ist -
sowie durch den Abbau von Steuervergünstigungen Mehreinnahmen bei den Ländern und Kommunen, die zwischen 5 und 7 Milliarden DM ausmachen. Wir meinen, daß ein Teil dieser Mehreinnahmen über den Länderfinanzausgleich zu kompensieren ist und ein Teil an den Bund zurückfließen muß. Wir sind aber der Auffassung, daß die 5 Milliarden DM, die bei unserem Vorschlag für die Kommunen unter dem Strich mehr herauskommen, auch den Kommunen verbleiben sollen. Wenn Sie schon nicht bereit sind, zur Finanzierung von Kindergärten ein Kriegswerkzeug zu opfern, dann geben Sie den Kommunen über unser Modell des Steuertarifs das Geld, das sie für diese Kindergärten dringend brauchen!
Es ist sehr, sehr bedenklich, daß Herr Dr. Waigel den Raum verlassen hat, denn ich habe noch ein nettes Geschenk für ihn.
Ich habe ein sehr großes Windelpaket mit Unterschriftenlisten dabei, das ich ihm in diesem Zusammenhang hier und heute im Auftrag von Vertretern und Vertreterinnen der katholischen Familienverbände überreichen werde. Die zentrale Aussage im Hinblick auf das steuerfreie Existenzminimum und
die Kinderkosten lautet: Was Sie tun, stinkt zum Himmel!
Das Wort hat die Abgeordnete Professor Dr. Gisela Frick.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an die sicher sehr populäre Aktion der GRÜNEN, möchte ich zunächst einmal die Hoffnung aussprechen, daß die Sache nicht in die Hose geht. Das ist hier ein gewisses Problem, glaube ich.
Trotzdem möchte ich den GRÜNEN dazu gratulieren, daß sie überhaupt einen Alternativentwurf vorgelegt haben. Ich halte es für einen wesentlich besseren Stil der Opposition, wenn man die Alternativen konkret vorlegt, als wenn man sie immer nur ankündigt und davon spricht, daß man alles ganz anders haben möchte. Das ist natürlich nur ein Lob in der Form und im Verfahren und keineswegs ein Lob im Inhalt; denn ich gehe davon aus, daß das, was wir von Frau Scheel gehört haben, eine grüne Wundertüte ist. Wir werden ja Gelegenheit haben, genauer hinzuschauen. Aber, wie gesagt, die Verfahrensweise möchte ich hier einmal ausdrücklich lobend erwähnen.
Nun zu unserem heutigen Thema: Jahressteuergesetz 1996. Wir haben zunächst einmal einen Regierungsentwurf vorliegen, den wir als die Fraktionen der Koalition unterstützen, aber keineswegs unbesehen, wie Sie, Herr Poß, das eben gesagt haben. Das sieht zwar äußerlich so aus, aber wir wissen ja, daß das parlamentarische Verfahren durch diese Initiative überhaupt erst in Gang kommt
und daß es durchaus noch bei der einen oder anderen Ecke Diskussionsbedarf gibt; das ist jederzeit zuzugestehen, das ist kein Geheimnis, und wir wollen daraus auch keines machen.
- Warten wir es ab! Ich werde unsere Vorstellungen zu den Verbesserungen noch erläutern.
Zunächst einmal sind schon der Name Jahressteuergesetz und das Vorhaben, das dahintersteht, sehr
Gisela Frick
zu loben; denn wir wollen von den dauernden Steueränderungen weg. Wir haben uns vorgenommen, hier in einem Gesetz einmal - -
- Noch nicht, aber immerhin ist schon einmal das Vorhaben da, Herr Poß.
Das heißt, wir wollen jetzt nur einmal im Jahr ein Steueränderungsgesetz, das dann auch diesen Namen trägt. Wir wollen ein solches Jahressteuergesetz schnell schaffen, damit die Steuerpflichtigen und ihre Berater und auch die Finanzverwaltung ausreichend Zeit haben, sich auf die Änderungen einzustellen.
Das ist der Hintergrund dafür, daß wir jetzt unter einem gewissen Zeitdruck stehen und deshalb als Fraktionen den Gesetzentwurf mit einbringen.
Das ist zunächst einmal zum Verfahren zu sagen. Der Inhalt ist natürlich wesentlich wichtiger. Deshalb möchte ich auch zu den Inhalten noch Stellung nehmen.
Zum steuerfreien Existenzminimum: Durch die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts sind wir gezwungen, bis zum 1. Januar 1996 eine verfassungsgemäße Lösung vorzulegen. Der Vorschlag, den das Bundesfinanzministerium ausgearbeitet hat, ist verfassungsgemäß. Er ist auch insofern sozial ausgestaltet, als er in den unteren und mittleren Einkommensklassen eine deutliche Entlastung schafft.
Wir haben gehört, daß 1,5 Millionen Fälle ganz aus der steuerlichen Veranlagung herausfallen werden. Wir wissen, daß das Entlastungsvolumen nur aus dem steuerfreien Existenzminimum 16 Milliarden DM ausmacht. Dazu sollen noch der Familienlastenausgleich mit 6 Milliarden DM und die Kohlefinanzierung - wir haben es eben schon einmal gehört - mit noch einmal 7,5 Milliarden DM kommen. Das heißt, das gesamte Entlastungspaket beträgt 30 Milliarden DM plus-minus. Das bedeutet, daß wir ab dem nächsten Jahr einen ersten richtigen Schritt gemacht haben werden, die Abgabenquote wieder deutlich zu senken.
Wir werden dadurch die Liquidität und damit die Kaufkraft gerade in den unteren Einkommensgruppen deutlich erhöhen und so auch der Binnenkonjunktur wieder Anstöße geben können. Ich sehe, daß Sie vom Ergebnis her mit diesem Verfahren durchaus in Einklang stehen.
Die Frage, die sich dann allerdings stellt, wenn man einmal auf die systematische Seite schaut, ist, ob das systematisch so sehr schön ist, was da vorgeschlagen wurde. Ich fange gar nicht bei der Höhe dieses Betrages an; denn wir wissen sowieso, daß wir den Betrag von 12 000 DM oder 13 000 DM dynamisieren müssen. Das ist im Moment eine punktuelle
Geschichte. Mir geht es eigentlich mehr um die Systematik, um die Grundentlastung außerhalb des Tarifs. Das ist etwas, was uns die Opposition sehr häufig vorgeworfen hat.
Aber ich möchte doch einmal die Frage stellen: Kann es nicht sein, daß ein solcher Tarif vielleicht deshalb entwickelt worden ist, weil der Bundesfinanzminister und sein Haus wissen, daß es sich bei den Steuergesetzen um Zustimmungsgesetze handelt? Dieses Wissen ist schließlich weit verbreitet. Das heißt, mit Vorschlägen z. B. der Bareis-Kommission brauchen wir uns überhaupt keine Mühe zu machen, wenn von vornherein klar ist, daß ein ganz großer Teil dieser Vorschläge von der Opposition durch ihre Blockadehaltung auf gar keinen Fall mitgemacht wird.
Die Ausarbeitung dieses Tarifs, der systematisch wirklich nicht sehr befriedigend ist, hängt damit zusammen, daß man die Durchsetzungsmöglichkeiten in diesem Hause realistisch betrachten muß. Wenn Sie jetzt die Bereitschaft signalisieren, im weiteren parlamentarischen Verfahren Ihre Beiträge einzubringen, sehen wir dem sehr gespannt und mit Freude entgegen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten MatthäusMaier?
Ja, das tue ich.
Frau Kollegin, nachdem Sie Fachfrau sind und die ganze Tarifgestaltung kennen, frage ich Sie: Habe ich Sie richtig verstanden - das würde uns freuen -, daß Sie bereit wären, in dem anschließenden Gesetzgebungsverfahren von dieser völlig neuartigen, schwierigen und bürokratischen Konstruktion herabzugehen und statt dessen auf die Form des Grundfreibetrages zurückzukehren, der dann selbstverständlich für jeden Bürger gilt?
Die grundsätzliche Bereitschaft ist vorhanden - da haben Sie mich richtig verstanden -, aber es bleibt natürlich bei dem Finanzvolumen, das wir vorgesehen haben. Das heißt umgekehrt: Ich kann auf keinen Fall sagen, daß mir persönlich und, soweit ich das überblicken kann, auch meiner Fraktion die jetzige Regelung, die im Entwurf steht, geradezu ein Herzensanliegen sei, das wir mit Zähnen und Klauen verteidigen würden. Das ist ganz sicher nicht der Fall.
Aber das Finanzvolumen muß natürlich stimmen.
Gisela Frick
- Wir werden ja sehen. Wir haben die Aufzählung heute schon häufiger gehört. Die dicksten Brocken in dem Kompensationsvorschlag der Bareis-Kommission sind Dinge, bei denen Sie erfahrungsgemäß deutliche Schwierigkeiten haben, nämlich die Besteuerung der Lohnersatzleistungen, die Sonntags- und Nachtarbeitzuschläge usw.
- Wir werden das alles sehen. Ich höre das sehr gerne. Ich hoffe, daß wir dann eine entsprechend konstruktive Arbeit im Finanzausschuß leisten werden; denn die Systematik in diesem Bereich stimmt auch uns bedenkenschwer. Wir müssen deutlich zugeben, daß das nicht ganz unser Traumergebnis ist. Es ist finanzierbar, es ist in den unteren und mittleren Bereichen entlastend - das ist für uns das Entscheidende -, und es ist verfassungsgemäß. Aber es ist sicher nicht die schönste denkbare Lösung. Daran können wir durchaus weiter konstruktiv arbeiten. - Das ist zum steuerfreien Existenzminimum zu sagen.
Der zweite Punkt: die Unternehmensteuerreform. Hier werden die Unterschiede sehr viel deutlicher. Wir, die F.D.P.-Fraktion, unterstützen selbstverständlich den Vorschlag, die Gewerbekapitalsteuer endgültig abzuschaffen. Die Argumente sind hier schon mehrfach genannt worden; ich werde sie deshalb nur kurz wiederholen.
Die Gewerbekapitalsteuer ist eine Substanzsteuer, die unabhängig vom Ertrag erhoben wird und deshalb naturgemäß wirtschaftsfeindlich und damit auch arbeitsplatzfeindlich ist. Die Gewerbekapitalsteuer ist neben der Gewerbeertragsteuer eine einmalige Sonderbelastung im europäischen Vergleich. Das heißt, im Zeichen des europäischen Wettbewerbs oder auch des weltweiten Wettbewerbs können wir uns wegen der Wettbewerbsverzerrung eine solche Sonderbelastung unserer Wirtschaft nicht mehr leisten. Wir wollen sie uns auch nicht mehr leisten.
Von daher ist die Abschaffung der Gewerbesteuer, wenn wir sie aus der Sicht der Zahlenden betrachten, für uns ein eindeutiges Postulat.
Dazu kommt die Frage nach dem Zeitdruck. Sie haben gesagt: Es eilt doch nicht; lassen Sie sich Zeit. Es stimmt: Wir haben hier keine Verfassungsrechtsprechung, die uns dazu zwingt. Aber die EU-Frage bzw. die Frage der Einführung in den neuen Bundesländern ist auch nicht zu verachten. Wir wissen ganz genau: Wenn wir die Gewerbekapitalsteuer am Ende dieses Jahres nicht abgeschafft haben, sind wir aus EU-rechtlichen Gründen verpflichtet, sie zum 1. Januar 1996 in den neuen Ländern einzuführen. Was das bedeutet, wissen wir alle. Das brauche ich jetzt nicht noch einmal zu verstärken. Das heißt, wir kommen schon allein deshalb unter einen gewissen Zeitdruck. Die Wettbewerbssituation insgesamt ist ja auch noch nicht so, daß wir an allen Fronten Entwarnung blasen könnten. Wir wissen ganz genau, daß
wir noch sehr vieles tun müssen, um die Standortqualität weiterhin und nachhaltig zu verbessern. Von daher muß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden.
Das gleiche gilt für die Absenkung der Gewerbeertragsteuer. Sie wissen, daß wir die komplette Abschaffung der Gewerbesteuer zum Ziel haben.
Dann zeigt sich natürlich sofort ein Problem. Da haben Sie recht. Wir haben es auch erkannt. Hierbei geht es um die Kompensation für unsere Kommunen. Die Gewerbesteuer ist ja bisher eine der wichtigsten Finanzquellen unserer Kommunen, und es ist ganz klar, daß wir sie nicht mit einer Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und vielleicht später einmal der gesamten Gewerbesteuer im Regen stehen lassen wollen.
Das Angebot, das der Regierungsentwurf im Moment macht, ist ein hervorragendes Angebot zum Status quo.
Die Gemeinden sollen 2,7 Prozentpunkte der Umsatzsteuer erhalten und bekommen damit - wir haben es heute schon mehrfach gehört - die historisch einmalige Chance, von einer zyklusabhängigen Gewerbesteuer auf eine dynamisch wachsende, äußerst ergiebige und sehr stabile Steuerbeteiligung umzustellen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kommunen diese Beteiligung an der Umsatzsteuer letztendlich ablehnen. Im Moment 'bestehen noch gewisse Unsicherheiten. Wir müssen noch ein bißchen daran arbeiten, diese Unsicherheiten abzubauen. Aber ich glaube, daß die Kommunen das sehr schnell begreifen und zugreifen werden. Genauso hoffe ich natürlich, daß die Opposition die dafür notwendige Änderung des Art. 106 GG mitträgt und sich nicht verweigert. Denn diese wäre ja die verfassungsrechtliche Grundlage, damit wir überhaupt eine solche Beteiligung an der Umsatzsteuer vorsehen können.
Ich habe gesagt, dies ist zunächst einmal eine Erhaltung des Status quo. Das kann langfristig natürlich nicht tragen. Es ist ja auch vorgesehen, daß wir zur Erarbeitung eines orts- und wirtschaftsgebundenen Verteilungsschlüssels noch weitere Daten erheben. Wir, die Fraktion der F.D.P., regen an, eine Enquete-Kommission zu diesem Thema einzusetzen, die den Gesamtkomplex der kommunalen Finanzreform durchleuchtet und die berechtigten Einwände der Kommunen mit einbezieht. Es ist ganz klar, daß wir dies nicht einseitig machen können. Hier müssen alle einbezogen werden. Wir sind der Meinung, daß das Angebot im Moment sehr gut ist und daß es auf Dauer gut ist, von der Beteiligung an der Gewerbesteuer auf die Beteiligung an der Umsatzsteuer umzustellen.
Gisela Frick
Auch wenn wir uns das unter Steuervereinfachungsgesichtspunkten ansehen - das habe ich bisher noch gar nicht erwähnt -, müssen wir auch sehen: Die beste und leichteste Steuervereinfachung ist immer die Abschaffung einer Steuer. Insofern würden wir in diesem Bereich einiges leisten, wenn diese Steuer letztendlich verschwindet.
Der dritte Punkt ist die Förderung der neuen Bundesländer. Dazu brauche ich wohl in diesem Kreise nicht viel zu sagen. Einiges ist dazu auch schon ausgeführt worden. Wir stehen weiterhin zur Förderung der neuen Bundesländer, wollen aber eine stärkere Konzentration und Bündelung auf die Bereiche, die tatsächlich förderungswürdig sind.
Wir wollen durch entsprechende gesetzliche Regelungen versuchen, Mitnahmeeffekte möglichst zu verhindern. Insofern glaube ich, daß wir in diesem Bereich bei den weiteren Beratungen relativ wenig Schwierigkeiten bekommen werden.
Was die Steuervereinfachung und damit den letzten Komplex in diesem Gesetz angeht, werden wir auch hier nicht allzu viele Schwierigkeiten bekommen. Vieles - das sagt auch der Gesetzentwurf selber - sind pragmatische Veränderungen, die keine substantiellen Entscheidungen erfordern. Hier ist natürlich insbesondere die Finanzverwaltung und hier sind natürlich auch die Steuerberater gefragt, was sich pragmatisch und schneller vereinbaren läßt. Ich glaube, daß wir gemeinsam eine konstruktive Lösung erarbeiten werden.
Das sind die Dinge, die der Gesetzentwurf gegenwärtig enthält. Zum Ende meiner Betrachtungen vielleicht noch ein paar Bemerkungen zu den Dingen, die noch nicht im Gesetzentwurf stehen. Denn wir haben ja eben gesagt: Mit dem Jahressteuergesetz wird eigentlich der Anspruch verbunden, für dieses Jahr ein Gesetz zu machen, bei dem alles möglichst aus einem Guß und zu einem Zeitpunkt erledigt wird.
- Wir arbeiten daran, Herr Poß. Auch Sie sind mit in der Verantwortung dafür, daß das klappt. Genau das ist es nämlich.
Das bezieht sich zum einen auf den Familienlastenausgleich. Er ist noch nicht im Gesetz enthalten. Wir sind aber fest entschlossen, dieses ganze Paket zeitgleich mit dem Jahressteuergesetz 1996 zu verabschieden, so daß das Gesetz pünktlich zum 1. Januar 1996, wie es auch von Ihnen gefordert wird, wirksam werden und in Kraft treten kann.
Die ständige Auseinandersetzung über die Frage, ob es Kinderfreibeträge oder ein einheitliches Kindergeld geben soll, bin sogar ich schon, obwohl ich in diesem Parlament Neuling bin, müde und will sie
nicht weiterführen. Offensichtlich ist an irgendeinem Punkt keine Überzeugungsarbeit mehr möglich. Es ist nämlich widersprüchlich, wenn Sie auf der einen Seite sagen, daß es eine Schweinerei ist, daß der Unterhalt des Kindes besteuert wird, und wenn Sie dann auf der anderen Seite sagen, daß es sozial ungerecht ist, wenn genau dieses dadurch vermieden wird, daß man Kinderfreibeträge einrichtet, weil, o Wunder, dann der sogenannte Besserverdienende mehr Steuern „spart" . Auch das ist schon ganz falsch.
In dieser Beziehung werden wir uns offensichtlich nie einigen, wenn Sie so wenig einsichtig sind.
- Das ist überhaupt nicht wahr.
Auch der jetzige Vorschlag läuft darauf hinaus, daß letztendlich die entscheidende Meßlatte der Kinderfreibetrag ist. Er muß das aus verfassungsrechtlichen Gründen bleiben. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Wir werden davon nicht abrücken.
Wir lassen uns davon auch nicht durch die gleichen, immer wieder gebetsmühlenartig wiederholten Argumente abbringen, dem Staat müsse jedes Kind gleich viel wert sein.
- Ich habe das damals in meiner Rede zum Familienlastenausgleich sehr deutlich ausgeführt. Die Kinder, die vom Staat mit gleich großen Freibeträgen bedacht werden, sind dem Staat gleich viel wert, jedes Kind. Daß die steuerlichen Auswirkungen unterschiedlich sind, ist eine Frage der Progressionswirkung. Wenn Ihnen das nicht gefällt und wenn Sie das nicht wollen - das habe ich Ihnen damals auch schon gesagt -, dann bemühen Sie sich doch, den progressiven Tarif abzuschaffen.
Ich kann noch nicht einmal sagen: Wir sind dazu bereit.
Nein, wir halten den progressiven Tarif für leistungsentsprechend und leistungsgemäß. Wir wollen dabei bleiben. Wir sind dann aber auch konsequent. Das heißt, dann, wenn Tatsachen bestehen, die die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern, mindern sie eben auch in Höhe der jeweiligen Progressionswirkung seine Steuerschuld. Das muß so sein. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht so
Gisela Frick
gesagt. Daran geht kein Weg vorbei. Dabei bleiben wir.
Weil das zeitlich und inhaltlich in dem gleichen Kontext geregelt werden muß, möchte ich auch noch ein paar Gedanken zu dem von Ihnen so häßlich betitelten „Dienstmädchenprivileg" äußern. Denn auch das soll im Zusammenhang mit dem Familienlastenausgleich geregelt werden. Schon allein der sachliche Zusammenhang zwischen beiden zeigt sehr deutlich, was wir eigentlich damit wollen. Es gibt aber auch arbeitsmarktpolitische Hintergründe. Gerade gestern hat das Ifo-Institut dazu neue Zahlen vorgelegt, aus denen hervorgeht, daß nämlich mit einem verhältnismäßig geringen endgültigen Steuerausfall von 70 Millionen DM 180 000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.
Ich bitte Sie einmal, das mit dem zu vergleichen, was wir an Subventionen für den einzelnen Arbeitsplatz im Bergbau aufwenden. Da werden Ihnen die Augen aufgehen, wenn Sie das ausrechnen.
Im übrigen, Herr Poß - ich habe nur noch ganz wenig Zeit; ich möchte noch einen Gedanken zu Ende führen -, verstehe ich die Argumentation gerade der SPD in diesem Bereich wirklich nicht; denn Sie sind eigentlich diejenigen, die immer sagen: Wir sollten nicht Arbeitslosigkeit finanzieren; sondern wir wollen Arbeit finanzieren. - Genau das machen wir.
- Doch.
Sie haben noch nicht erkannt, daß wir in einer Zeit einer ganz neuen Arbeitsteilung leben. Es ist ein großer Bedarf für Dienstleistungen auch im privaten Bereich vorhanden.
Das sind Arbeitsplätze. Es sind keine „bad jobs", wie Sie sie immer wieder bezeichnen, sondern es sind durchaus kochqualifizierte Arbeitsplätze. Wir können nicht auf der einen Seite die Leistungen der Hausfrau immer hochhalten
und auf der anderen Seite, wenn es eine bezahlte Kraft macht, plötzlich sagen: Das sind „bad jobs", die kann man doch keinem anständigerweise anbieten.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.
Ich weiß. - Was machen wir denn mit den Fragen?
Ich finde, Sie haben Ihren letzten Gedanken gut zu Ende gebracht.
Gut.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Uwe-Jens Rössel.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die PDS lehnt den Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz ab.
Er ist in der Tat ein steuerpolitischer Torso.
Sollte das vorliegende Dokument jedoch, was nicht zu hoffen und auch nicht zu erwarten ist, tatsächlich Gesetzeskraft erhalten, würde ein weiteres unrühmliches Kapitel in der bundesdeutschen Steuergeschichte - Herr Poß hat dies gesagt - eingeleitet. Die Folgen für das ohnehin chaotische Steuerrecht, das bekanntlich selbst für Steuerberaterinnen und Steuerberater immer mehr zu einem Buch mit sieben Siegeln wird, sind absehbar. Eine Steuerreform, die diesen Namen tatsächlich verdient, ist dringend notwendig.
Notwendig sind die radikale Vereinfachung, die Entbürokratisierung und die Entrümpelung des gesamten Steuerrechts. Notwendig sind tatsächlich bedeutende Steuerentlastungen für die Bezieher unterer Einkommen bei gleichzeitigem Abbau der Privilegien der Reichen und Besserverdienenden.
Notwendig sind wirksame Schritte gegen die dramatisch hohe Steuerhinterziehung von jährlich rund 130 Milliarden DM insbesondere von Großunternehmen, Banken und Versicherungen. Notwendig ist auch, Spekulationsgewinne insbesondere aus dem schwunghaft gestiegenen Handel mit Finanzderivaten wie Optionen und Futures stark zu besteuern. Auch das könnte eine Schlußfolgerung aus dem Baring-Skandal sein.
Eine Reform des bundesdeutschen Steuerrechts, die ihren Namen verdient, wird jedoch mit dem Jahressteuergesetz weiterhin auf sich warten lassen. Das bezieht sich auf alle Hauptpunkte des Steuerentwurfs und betrifft somit die Freistellung des Existenzminimums im Einkommensteuertarif, die Gewerbesteuerreform und die Maßnahmen zur Steuervereinfachung.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus steuerpolitische Kartoffeln, die ihr offensichtlich zu heiß sind, vorsorglich im Feuer gelassen. Dazu gehören erstens die dringend notwendige Neuregelung des Familienleistungsausgleichs, zweitens die künftige Besteuerung von Grund und Boden, drittens die verbesserungswürdige Förderung des sogenannten selbstgenutzten Wohneigentums.
Dr. Uwe-Jens Rössel
Bei dem erneuten Versuch aus dem Hause des Bundesfinanzministers, die Besteuerung der kommunalen Müllabfuhr, der Straßenreinigung und der Abwasserbeseitigung einzuführen, hat der Bundesfinanzminister, um mit den Worten der Tageszeitung „Die Welt" zu sprechen, „management by potatoes" betrieben. Rein in die Kartoffeln, dann wieder raus! Erst der Pfiff aus dem Kanzleramt, einen Tag vor Verabschiedung der Kabinettsvorlage, verhinderte die Aufnahme der erstmaligen Besteuerung hoheitlicher Aufgaben in den Gesetzentwurf. Die bevorstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Bremen lassen grüßen!
- Im Nachgang gerne.
Die Müllsteuer ist vorerst vom Tisch; ein neuer Versuch der Regierung wird nicht lange auf sich warten lassen. Nicht vom Tisch jedoch ist die Kampfansage der Bundesregierung gegenüber kommunalen Unternehmen mit deren Gemeinwohlauftrag. Es ist doch offensichtlich nur eine Frage der Zeit, daß die Bundesregierung wieder einen neuen Anlauf unternehmen wird, mit Hilfe des Haushaltsgrundsätzegesetzes sowie der Bundeshaushaltsordnung jeweils „die Pflicht zur Suche nach privatwirtschaftlich besten Lösungen" zu verankern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kalb?
Haben Sie bitte Verständnis. Meine Redezeit ist kurz.
Ich halte die Uhr doch an, Herr Abgeordneter.
Dann stellen Sie bitte Ihre Frage.
Herr Kollege, könnten Sie mich darüber aufklären, was ein Verdienter Aktivist ist? Ich habe Ihrer Biographie entnehmen können - das haben Sie selber angegeben -, daß Sie ein Verdienter Aktivist sind.
Das war eine Auszeichnung, die in der DDR durch die Städte, Gemeinden und Kreise verliehen wurde. Sie bezifferte sich auf eine Summe in Höhe von 1 000 Mark.
Darf ich jetzt fortfahren? Habe ich die Frage beantwortet? - Gut.
In der Pflicht zur Suche nach privatwirtschaftlichen Lösungen sieht der Bundeswirtschaftsminister bekanntlich ein Folterinstrument - Originalton - gegenüber den Kommunen zur Durchsetzung ordnungspolitischer Präferenzen.
Die Absicht der Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gewerbesteuer nahezu vollständig zu demontieren, sehen wir als den bisher durchgreifendsten Versuch, die Unternehmen aus der Mitverantwortung zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur, die diese natürlich maßgeblich mit nutzen, zu entlassen.
Die Beseitigung der Gewerbekapitalsteuer würde jährliche Steuerausfälle von 4 bis 5 Milliarden DM ergeben und die Reduzierung der Gewerbeertragsteuer zu einer Verringerung der jährlichen Einnahmen in Höhe von ca. 3 Milliarden DM führen.
Die Bundesregierung setzt mit diesem Gesetzentwurf die seit Jahren währende Aushöhlung der Gewerbesteuer - sie ist bekanntlich die traditionell wichtigste Kommunalsteuer - fort. Ich erinnere hier nur an die wiederholten Anhebungen der Unternehmerfreibeträge oder an die Einführung von Staffeltarifen bei der Gewerbeertragsteuer. All das hat dazu geführt, daß die Gewerbesteuer eine reine Großbetriebssteuer geworden ist. Gegenwärtig unterliegen nur noch rund 30 % aller Gewerbebetriebe - Herr Hauser, Sie wissen das - der Gewerbeertragsteuer und lediglich 16 % der Gewerbekapitalsteuer. Kapitalkräftige Freiberufler dagegen werden von vornherein aus der Gewerbesteuerpflicht ausgenommen, obwohl auch sie von der Infrastruktur der Kommunen in nicht geringem Maße profitieren.
Finanzminister Waigel verspricht den Kommunen für ihre Steuerausfälle eine vollständige Kompensation durch eine Beteiligung an der Umsatzsteuer. Aber selbst bei einer für die Kommunen befriedigenden Beteiligung an der Umsatzsteuer ist dieser Vorschlag ein verteilungspolitischer Wechsel auf die Zukunft und birgt erhebliche Risiken. Es gibt keine Garantien dafür, daß auch langfristig die Unternehmen für die von Bund und Ländern an die Kommunen abgegebenen 2,7 Prozentpunkte an der Umsatzsteuer zahlen.
1st erst einmal der direkte Finanzverbund Unternehmen/Kommune zerschnitten, kann durch schrittweise Steuerrechtsänderungen die ursprüngliche Unternehmensteuer zu einer von der Allgemeinheit, d. h. von allen Steuerbürgerinnen und -bürgern, zu tragenden Steuer werden. Solche Pläne lehnen wir entschieden ab.
Dr. Uwe-Jens Rössel
Weitere Unternehmensteuerentlastungen sind Regierungsprogramm, und Umsatzsteuererhöhungen lassen grüßen, auch wenn es der Bundesfinanzminister gebetsmühlenartig dementiert.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die kleinen Leute sollen in Zukunft zahlen, was einst die großen Unternehmen zu begleichen hatten. Das ist eine Lösung, die wir nicht mittragen können.
Die Gemeinden sollen mit der angekündigten Beteiligung an der Umsatzsteuer faktisch die Katze im Sack kaufen. Dazu soll nach den Vorstellungen der Koalition das Grundgesetz bereits Anfang Mai geändert werden. Den letztlichen orts- und wirtschaftsbezogenen Verteilungsschlüssel der 2,7 Prozentpunkte, die die Kommunen als Anteil an der Umsatzsteuer zum Ausgleich für ihre Einnahmeverluste erhalten sollen, will die Regierung aber erst später durch ein Bundesgesetz regeln lassen. Die dafür notwendigen Daten der Finanzämter sind jedoch erst in drei bis fünf Jahren verfügbar. Das birgt außerordentlich große Unsicherheiten für die ca. 14 000 Städte und Gemeinden sowie die 324 Landkreise in der Bundesrepublik Deutschland.
Um die Umsatzsteuerbeteiligung der Kommunen zu finanzieren - ich komme jetzt darauf, Herr Kollege Hauser -, sollen die degressiven Abschreibungsmöglichkeiten für bewegliche Wirtschaftsgüter von 30 auf 25 % verschlechtert werden. Das heißt doch wohl im Klartext: Für die Steuergeschenke an die Großunternehmen in Milliardenhöhe sollen in nicht geringem Maße Klein- und Kleinstbetriebe sowie Handwerker, die in der Regel gar keine Gewerbesteuer zahlen, aufkommen. Das ist ein ungehöriger Zustand. Er richtet sich eindeutig gegen den investierenden Mittelstand und das Handwerk.
Das lehnen wir ab, weil das ein Vorschlag ist, der gegen die Wirtschaftsförderung zielt.
Die PDS verlangt statt solchen Schnellschüssen zur Aushöhlung der Gewerbesteuer auf Kosten von Kommunen, Klein- und Kleinstunternehmen sowie Steuerbürgerinnen und Steuerbürgern endlich eine Kommunalfinanzreform, die nicht zum bloßen Anhängsel einer Unternehmensteuerreform wird und die in der Tat kommunale Finanzautonomie und kommunale Selbstverwaltung überhaupt sichern könnte.
Die Bundesregierung ist aber offensichtlich unwillig, sich dieser Aufgabe zu stellen. Der Deutsche Bundestag sollte deshalb selbst - so unser Vorschlag - die Initiative ergreifen und eine Enquete-Kommission „Reform der Kommunalfinanzierung " einsetzen. Das gesamte System der Finanzierung der Kommunalhaushalte in der Bundesrepublik Deutschland gehört auf den Prüfstand; denn vielen Kommunen droht angesichts ihrer argen Finanznôte der finanzielle und damit auch der soziale und wirtschaftliche Kollaps.
Die Kommunen als größter öffentlicher Auftraggeber für Investitionen können dieser ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht werden, wenn nicht eine grundsätzliche Reform, die notwendig ist, eingeleitet wird.
Die PDS hat deshalb Anfang dieser Woche den Antrag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission „Reform der Kommunalfinanzierung" in den Deutschen Bundestag eingebracht. Es hat mich gefreut, daß entsprechende Vorschläge auch in der Fraktion der F.D.P. vorhanden sind. Wir bitten das Hohe Haus um Unterstützung in dieser Hinsicht.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Gunnar Uldall.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich habe mit Schrecken gehört, mit welcher Vehemenz die Sozialdemokraten die Beibehaltung der Gewerbekapitalsteuer hier fordern.
Meine Damen und Herren, wir sind uns sicher darin einig: Es gibt viel Unsinn in der Steuergesetzgebung. Aber die Gewerbekapitalsteuer gehört in die Spitzengruppe der abschaffungsreifen Steuern. Deswegen muß die Gewerbekapitalsteuer verschwinden.
Die Gewerbekapitalsteuer gefährdet die Arbeitsplätze;
denn die Unternehmen müssen Gewerbekapitalsteuer auch dann bezahlen, wenn diese Unternehmen Verlust machen. Welche Idiotie besteht darin, daß man die Unternehmen, die sowieso schon in Schwierigkeiten sind, in eine noch schwierigere Situation treibt?
Deswegen appelliere ich an alle Betriebsräte, daß sie ihre Wahlkreisabgeordneten massiv unter Druck setzen, damit diese hier im Bundestag für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer stimmen.
Nun könnte man natürlich mit Herrn Poß und den Sozialdemokraten sagen: Die Gewerbekapitalsteuer ist zwar unsinnig, aber wir erheben sie ruhig weiter. Darum geht es jedoch gar nicht. Wenn wir jetzt nicht
Gunnar Uldall
handeln, dann werden zum 1. Januar 1996 in Cottbus, in Dresden, in Magdeburg und in Neubrandenburg die Gewerbekapitalsteuern auch bei den neuen Betrieben erhoben.
Diese Betriebe sind in einer schwierigen Situation, und sie in dieser Situation mit einer zusätzlichen Gewerbekapitalsteuer zu belasten, ist unverantwortlich. Deswegen appelliere ich an die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder, sich intensiv im Bundesrat dafür einzusetzen, daß diese Vorlage des Bundesfinanzministers durchkommt.
Die Gewerbekapitalsteuer, meine Damen und Herren, ist bereits im letzten Jahrhundert konzipiert worden. Sie ist antiquiert und paßt nicht mehr in die volkswirtschaftlichen Abläufe des 20. oder gar des 21. Jahrhunderts. Mit Recht gab es deswegen immer wieder den Versuch, diese Steuer abzuschaffen. Aber dieses Mal stehen wir unter einem Handlungszwang.
Nach der Wiedervereinigung wurde die Erhebung dieser Steuern in den neuen Bundesländern bis zum Jahresende 1995 zunächst einmal ausgesetzt. Eine Verlängerung wird es aber nicht geben, weil die EU in Brüssel einem entsprechenden Antrag widersprechen würde. Sie wird nicht zustimmen, daß es einzelne Regionen gibt, die weiterhin begünstigt sind.
Aber selbst dann, wenn eine Genehmigung aus Brüssel zu erhalten wäre, wäre es wirtschaftlich ungerecht, in einem Teil Deutschlands diese Steuer zu erheben, in dem anderen Teil Deutschlands diese Steuer aber nicht zu erheben; denn es ist ja erfreulicherweise schon lange nicht mehr so, daß wir in Ostdeutschland nur mit Verlust arbeitende Betriebe haben. Würde man diesem Vorschlag folgen, zunächst eine Verlängerung der Aussetzung durchzusetzen, dann würden wir die paradoxe Situation haben, daß ein Betrieb in Ostdeutschland, der mit Gewinn arbeitet, von der Steuer freigestellt wird, aber ein Betrieb aus der gleichen Branche in Westdeutschland, der mit Verlust arbeitet, mit dieser Steuer belegt würde. Eine solche Besteuerungspraxis würde vor keinem Gericht Bestand haben.
Deswegen muß die Gewerbekapitalsteuer zum 31. Dezember diesen Jahres vereinheitlicht werden. Vereinheitlicht heißt aber nicht, daß sie in ganz Deutschland eingeführt werden kann, sondern das kann nur heißen: Die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer muß in Gesamtdeutschland verschwinden.
Wenn wir den Aufholprozeß in Ostdeutschland weiter forcieren wollen, dann dürfen wir die Betriebe in den neuen Bundesländern nicht in schwerer Weise beeinträchtigen.
Würden wir die Gewerbekapitalsteuer bundesweit einführen, dann hätten wir die paradoxe Situation, daß ostdeutsche Betriebe durch den Ausbau der Wirtschaftshilfe gefördert und zur gleichen Stunde mit der Gewerbekapitalsteuer belastet würden. Ein solches politisches Handeln kann man keinem Bürger mehr erklären.
Die Gewerbekapitalsteuer ist eine zusätzliche Belastung für die deutschen Unternehmen, die es in dieser Form und in dieser Höhe in keinem anderen Land der Welt gibt. Sie beeinträchtigt damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und schadet dem Standort Deutschlands. Unternehmer, Gewerkschafter und Politiker, die für die Wirtschaftspolitik und für die Arbeitsplätze verantwortlich zeichnen, müssen deswegen gemeinsam für die Beseitigung dieser Steuer arbeiten.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, daß es sich bei der Gewerbekapitalsteuer um eine Steuer handelt, die nur von wenigen Betrieben gezahlt wird. Die Gewerbekapitalsteuer wird in Deutschland von 350 000 Unternehmen gezahlt. Sie ist damit keine Großbetriebssteuer, wie bisweilen fälschlich behauptet wird. Sonst müßten wir in Deutschland ja 350 000 Großkonzerne haben.
Von diesen 350 000 Gewerbekapitalsteuerzahlern werden 240 000 in der Rechtsform einer OHG, einer Einzelfirma, einer Kommanditgesellschaft oder in Form einer GbR betrieben. Dies sind die typischen Rechtsformen mittelständischer Betriebe. Deswegen muß ausdrücklich festgehalten werden: Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer befreit Hunderttausende mittelständischer Unternehmen von dieser Zahlung.
Im übrigen bin ich dagegen, falsche Gegensätze zu konstruieren. Auch die mittelständischen Zulieferer und die mittelständischen Dienstleister haben ein Interesse daran, daß ihre Kunden aus dem Kreis der Großunternehmen ihnen Aufträge erteilen können und daß es diesen Unternehmen gutgeht.
Die Behauptung, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sei gut allein für die Großen, aber schlecht für die Kleinen, ist deswegen falsch.
Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist gut für alle Betriebe.
Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist zugleich ein wichtiger Beitrag zur Steuervereinfachung. Besser, als Steuern teilweise zu streichen oder
Gunnar Uldall
Steuern zu senken, ist die Abschaffung ganzer Steuern.
Gerade die Gewerbekapitalsteuer ist eine der kompliziertesten Steuern überhaupt. Dies möchte ich an der kaum noch zu überschauenden Form, wie diese Steuer berechnet wird, deutlich machen: Ausgangsgröße für die Berechnung der Gewerbekapitalsteuer ist der Einheitswert eines Betriebes. Zu ihm werden die Dauerschulden, die 50 000 DM übersteigen, hinzugerechnet, sofern sie ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dann wird die Hälfte des Wertes der gemieteten oder gepachteten Anlage hinzugezählt. Davon wird wieder etwas abgezogen, nämlich die Einheitswerte der Betriebsgrundstücke und die Einheitswerte der Beteiligung, dann der 120 000 DM übersteigende Wert erst mit 0,2 und dann mit dem Hebesatz, z. B. 400, multipliziert. Hat das jetzt irgend jemand verstanden?
Meine Damen und Herren, was ich hier eben vorgetragen habe, hört sich zwar kompliziert an. Das Schlimme ist nur, daß die Wirklichkeit noch viel, viel komplizierter ist als das, was ich eben geschildert habe.
Und Sie haben richtig gehört: Es werden Steuern auch auf Schulden erhoben. Wir sind das einzige Land in der Welt, in dem man für Schulden nicht nur Zinsen, sondern darauf sogar noch Steuern zu zahlen hat. Deswegen kann ich nur sagen: Weg mit diesem betriebs- und volkswirtschaftlichen Irrsinn!
Wenn wir die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft haben, dann haben wir Hunderte Seiten von Kommentaren und Erläuterungen überflüssig gemacht. Müssen wir in Deutschland wirklich unseren ganzen Ehrgeiz dafür einsetzen, das komplizierteste Steuersystem der Welt zu haben?
Mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer machen wir bei unserem Bemühen um die Steuervereinfachung einen großen Sprung nach vorn.
Das Gesetz beseitigt endlich eine immer wieder beklagte Benachteiligung der mittelständischen Unternehmen. In einer GmbH können die Gehälter der Geschäftsführer als Kosten abgesetzt werden und mindern dadurch die Gewerbeertragsteuer. In einer Personengesellschaft ist dieses aber nur bis zu einer Höhe von 48 000 DM möglich. Zukünftig kann dieser Betrag je nachdem, wie viele Gesellschafter-Geschäftsführer tätig sind, mehrfach abgezogen werden. Dieses verbessert deutlich die Chancengleichheit mittelständischer Familienbetriebe im Einzelhandel, im Handwerk oder im Kleingewerbe.
Die Freiberufler, meine Damen und Herren, sind durch dieses Gesetz, über das wir heute zum erstenmal beraten, nicht berührt. Dennoch sollten auch Sie sich zu Vorkämpfern für die Abschaffung der Gewerbesteuer machen, denn wir stehen heute an einem Scheideweg. Sollte es dieses Mal wieder nicht gelingen, die Gewerbekapitalsteuer zu beseitigen, so wird es - wie schon vereinzelt von Kommunen angekündigt - einen Ausbau der Gewerbesteuer geben, den man verharmlosend mit dem Wort „Revitalisierung" umschreibt. Dann würden auch die Ärzte, die Rechtsanwälte und die Architekten gewerbesteuerpflichtig. Deswegen meine Aufforderung an die Verbände der Freiberufler: Lehnen Sie sich nicht entspannt zurück, sondern stehen Sie auf und sorgen Sie mit uns für eine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer!
Den Gemeinden sei versichert, daß sie durch diese Reform keinen finanziellen Nachteil erleiden sollen. Im Gegenteil: Das, was im Gesetz steht, ist eine Verbesserung der Gemeindefinanzen. Mein Kollege Seiffert wird das noch im einzelnen darlegen.
Meine Damen und Herren, zu der im Gesetz vorgesehenen Verschlechterung der degressiven Abschreibung bitte ich folgendes zu bedenken: Eine Abschreibung ist nur eine Steuerstundung; eine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist ein echter Steuererlaß. Wenn man den Unterschied zwischen diesen beiden Dingen nicht versteht, dann möge man bitte einmal einen Schuldner fragen, was er lieber haben möchte: eine Stundung oder einen Erlaß seiner Schulden. Deswegen sage ich: Es ist die bessere Lösung, die Gewerbekapitalsteuer hier abzuschaffen. Dieses bitte ich bei der Diskussion über die im Gesetz vorgesehene Gegenfinanzierung zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, es spricht nur sehr wenig für die Beibehaltung der Gewerbekapitalsteuer. Wir sind offen für eine Diskussion im Finanzausschuß über die unterschiedlichsten Aspekte. Wir sind offen für eine faire Diskussion in dem gemeinsamen Bemühen, das deutsche Steuerrecht einfacher zu machen und dafür zu sorgen, daß unsinnige Steuern beseitigt werden. Hierzu machen wir Ihnen ausdrücklich das Angebot, daß wir uns gemeinsam im Finanzausschuß um eine gute Lösung bemühen. Man darf sich - ich sage das auch zu unseren sozialdemokratischen Kollegen - der Verantwortung auf Dauer nicht entziehen. Oppositionspolitik darf nicht nur Kritik üben, sondern Oppositionspolitik muß sich auch der Verantwortung für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung stellen.
Meine Damen und Herren, es spricht, wie ich sagte, nur wenig für die Beibehaltung der Gewerbekapitalsteuer. Es spricht aber viel für eine Abschaffung dieser Steuer. Wenn alle von der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer eigentlich nur Vorteile ha-
Gunnar Uldall
ben, muß es doch möglich sein, die Streichung dieser Steuer endlich durchzusetzen. Es wäre verhängnisvoll, wenn aus der Sicht von Interessengruppen einzelne Forderungen so hoch gehängt werden, daß man die Zustimmung zu diesem Gesetz nur von der Erfüllung dieser Forderungen abhängig macht; dann blockiert man sich selber gegenseitig. Dieses wäre ein schlechtes Zeichen für die Reformfähigkeit unserer Volks- und Finanzwirtschaft.
Meine Damen und Herren, wir kämpfen mit aller Energie für eine Beseitigung der Gewerbekapitalsteuer. Damit leisten wir einen Beitrag zur Modernisierung unserer Wirtschaft, zur Sicherung von Arbeitsplätzen und für eine Vereinfachung des Steuerrechts. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.
Das Wort hat die Abgeordnete Barbara Hendricks.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich gerne zu Ihnen etwas sagen, liebe Frau Kollegin Scheel. Wir sind in den Fragen des Existenzminimums und des Familienleistungsausgleichs nicht so sehr weit auseinander, allerdings finde ich es nicht ganz seriös, wenn Sie immer noch ein Schübchen drauflegen. Wir orientieren uns in unseren Forderungen an dem, was finanzpolitisch verantwortbar und verfassungsrechtlich geboten ist.
Ich möchte aber jetzt in meiner Rede überwiegend zu dem Teil - -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte. Wir kennen uns ja schon ziemlich gut aus dem Ausschuß.
Das ist nett. Danke. - Frau Kollegin, wissen Sie, daß wir das erstens vom Tarif her haben durchrechnen lassen und daß wir zweitens ausgehend von der Verfassungsgerechtigkeit und von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auf die 300 DM kommen mußten, wenn wir den gegebenen Spitzensteuersatz von 53 % akzeptieren?
Wenn Sie den Spitzensteuersatz von 53 % akzeptieren, sind sie nach meiner Kenntnis der Rechnungen, die es gibt, ungefähr bei 272 DM, also nicht ganz bei 300 DM. Das ist richtig. Insofern würden wir mit unseren 250 DM bei
einem Spitzensteuersatz von ungefähr 48 % oder 49 % gelandet sein. Das ist in der Tat richtig.
- Das Verfassungsgericht hat in der Tat, worauf Frau Matthäus-Maier zu Recht hinweist, von 40 % gesprochen.
Im übrigen, Herr Kollege Faltlhauser: Nachdem Sie schon Parlamentarischer Staatssekretär geworden sind, nehmen Sie doch bitte Rücksicht darauf, daß ich hier heute meine erste Rede halte.
Ich würde jetzt gerne zu meinem Thema kommen. Ich möchte mich überwiegend mit dem Thema Gewerbesteuer innerhalb des Entwurfes, der von den Koalitionsfraktionen zum Jahressteuergesetz 1996 vorgelegt worden ist, befassen.
Gehen wir doch einmal von der Koalitionsvereinbarung der CDU/CSU und F.D.P. vom vergangenen November aus. Dort heißt es:
Es werden eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung und eine Gemeindefinanzreform angestrebt, in der die Gewerbesteuer Schritt für Schritt mit dem Ziel der Abschaffung gesenkt werden soll.
Jetzt erleben wir also den Versuch des ersten Schrittes, der nach dem Willen der Koalitionsfraktionen dazu führen soll, die Gewerbekapitalsteuer zum Januar 1996 vollständig abzuschaffen und die Steuermeßzahl bei der Gewerbeertragsteuer um 10 % zu senken.
Bitte, meine Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, Sie können diesen Versuch durchaus unternehmen. Zu Zeiten seriöser Finanzpolitik war es allerdings nicht üblich, das Prinzip von Versuch und Irrtum auf das Steuerrecht anzuwenden.
Wir sollten auch in Zukunft dieses Prinzip dem Feld des naturwissenschaftlichen Experiments überlassen.
In Ihrer Koalitionsvereinbarung war auch vom Ziel des Einvernehmens mit Ländern und Gemeinden sowie der Wirtschaft die Rede. Davon sind Sie allerdings Lichtjahre entfernt. In der Tat, Sie tun so, als lebten Sie auf einem anderen Stern. Völlig unbeeindruckt von der nahezu einhelligen Ablehnung legen Sie zugleich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vor. Natürlich, um Ihre Ziele zu erreichen, brauchen Sie die Änderung des Art. 106 des Grundgesetzes.
Dr. Barbara Hendricks
Sie sollten allerdings die Kräfteverhältnisse in diesem Hause und im Bundesrat zur Kenntnis nehmen.
Sie müßten doch wissen, daß wir Sozialdemokraten nicht daran mitwirken werden, den Kommunen ihre verläßlichen Finanzgrundlagen zu entziehen.
- Sie haben vorhin doch genügend Möglichkeiten gehabt, Ihre Ausführungen zu machen. Ich stelle jetzt meine Gegenposition dar.
Daß der F.D.P. die verläßlichen Finanzgrundlagen unserer Kommunen nicht so wichtig sind, ist einsehbar. Wenn z. B. nach dem Ergebnis der nordrheinwestfälischen Kommunalwahl in 396 Städten und Gemeinden sowie 31 Kreisen insgesamt weniger als 300 F.D.P.-Mandatsträger gewählt worden sind, dann ist das persönliche Engagement natürlich gering.
Da hat dann die Verantwortung für das Gemeinwesen Kommune schon einmal hinter der üblichen Klientelpolitik zurückzustehen.
Aber daß Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Union, dem bedenkenlos die Hand reichen, das verwundert mich noch immer.
Es kann Ihnen doch nicht gleichgültig sein, daß der Hauptausschuß des Deutschen Städtetages - natürlich unter Beteiligung Ihrer kommunalen Vertreter - beschließt:
Eine weitere Demontage der Gewerbesteuer statt einer grundlegenden Reform des Gemeindesteuersystems lehnt der Deutsche Städtetag strikt ab.
Es kann Ihnen, meine Damen und Herren von der Union, doch nicht gleichgültig sein, wenn der Deutsche Städte- und Gemeindebund geradezu apodiktisch fordert: Ohne eine grundlegende Gemeindefinanzreform keine weiteren Eingriffe in die Gewerbesteuer!
Natürlich sind die Verbände gesprächsbereit, aber nur unter der Bedingung, daß - ich zitiere erneut -„die verbleibende Gewerbesteuer mit Hebesatzrecht garantiert" wird - das wollen Sie gerade nicht, ich verweise auf Ihre Koalitionsvereinbarung - und unter der weiteren Bedingung, daß Sie gemeindescharfe Modellrechnungen der Auswirkungen Ihrer Vorschläge vorlegen. Das wollen Sie nicht nur nicht, das können Sie auch gar nicht.
Ein Blick in die Erläuterungen des vorliegenden Gesetzentwurfs verdeutlicht das Durcheinander. Dort heißt es:
Der Übergangsschlüssel wird einmalig ermittelt und behält bis zur Umstellung auf einen fortschreibungsfähigen Schlüssel Gültigkeit. Für den Fall, daß die zur Ermittlung des Übergangsschlüssels notwendigen Daten nicht von allen Ländern bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes vollständig vorgelegt werden können, können die Gemeinden zunächst Abschlagszahlungen erhalten.
Ja, so kann es doch wohl nicht gehen.
Und wie soll nun dieser fortschreibungsfähige Schlüssel ermittelt werden? Dazu soll der Übergangsschlüssel - ich zitiere erneut -
nach Vorliegen der notwendigen Daten zum 01. Januar 2000 auf einen fortschreibungsfähigen Schlüssel mit einem Merkmal oder einer Kombination einzelner oder aller Merkmale - Lohnsumme, abnutzbares Anlagevermögen, Vorratsvermögen und Finanzanlagevermögen - umgestellt
werden. Wie sagt man dazu im Rheinland: Mer weiset nich!
Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Je länger Sie nichts sagen, um so schneller geht Ihre Redezeit vorbei.
Ich glaube, ich komme zurecht.
Nun sollte man doch annehmen, daß, wenn schon nicht die Kommunen, so doch die Wirtschaft mit Ihren Vorschlägen einverstanden wäre. Dem ist aber nicht so.
Alle wichtigen Wirtschaftsverbände, Handel, Handwerk, Industrie, insgesamt acht Verbände an der
Zahl, schreiben in ihrer Stellungnahme vom 13. März:
... sehen wir allerdings mit Bedenken, daß die Einschränkung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter, insbesondere in anlageintensiven Unternehmen mit kontinuierlichem Investitionsverhalten, zu Mehrbelastungen führt.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer begünstigen Sie lediglich 16 der Gewerbetreibenden. Da möge mir Herr Uldall doch einmal erklären, wieso alle Gewerbetreibenden davon profitieren.
Am meisten profitieren davon Banken und Versicherungswirtschaft, für die das von Ihnen immer wieder
vorgetragene Argument der internationalen Wettbe-
Dr. Barbara Hendricks
werbsfähigkeit in diesem Zusammenhang einfach keine Rolle spielt.
Und Sie belasten die Große Zahl der Mittelständler, die trotz der Politik der Bundesregierung immer noch für Investitionen, Beschäftigung und Ausbildung sorgen.
Durch alle Erläuterungen und Begründungen Ihres Gesetzentwurfs geistert die Formel von der Mittelstandsfreundlichkeit. Ich habe mich gefragt, wieso dieses Wort geradezu gebetsmühlenhaft wiederholt wird, und bin zu folgendem Schluß gekommen: Diese Formel dient der Autosuggestion, der Selbstbeschwörung.
Jemand anders nimmt Ihnen ja Ihre angebliche Mittelstandsfreundlichkeit sowieso nicht mehr ab. Wie sollte man auch, da doch die von Ihnen vorgesehene Gegenfinanzierung nicht einmal - wie Sie behaupten - aufkommensneutral ist.
Nein, Sie erwarten vom Mittelstand, daß er, beginnend ab 1997, mit jährlich steigenden Beträgen die Entlastung der kapitalstarken Unternehmen auch noch überkompensiert.
Angesichts dieser Tatsache müßte die Mittelstandsvereinigung der Union eigentlich schon im innerparteilichen Untergrund kämpfen.
Das, was Sie vollmundig als dritte Stufe der Unternehmensteuerreform und zugleich auch noch als Gemeindefinanzreform bezeichnen, verdient diesen Namen einfach nicht.
Es ist ein unverantwortlicher Schnellschuß, der weder den Anliegen der Kommunen noch den Anliegen des Mittelstandes gerecht wird.
Wenn Sie bereit wären, den Weg zur steuerpolitischen Vernunft zurückzugehen, so wären wir Sozialdemokraten bereit, etwa im Rahmen einer Enquete diese grundlegenden Fragen mit Ihnen zu erörtern.
Detlev von Larcher [SPD]: Doch, fast immer!)
- Lieber vorwärts in den Untergang, als rückwärts einen Schritt zur Vernunft! Ja, so ist das bei Ihnen.
Ich möchte Ihnen einen kollegialen Rat geben: Ziehen Sie den Entwurf doch einfach zurück.
Der Bundesfinanzminister hat den Buckeltarif zurückgezogen, er hat die Müllsteuer zurückgezogen. Auf einen Rückzug mehr oder weniger kommt es doch nicht an.
Ihr Gesetzentwurf wird so oder so nicht im Bundesgesetzblatt stehen.
Frau Kollegin Hendricks, es war offensichtlich nicht Ihre erste Rede, aber Ihre erste Rede in diesem Hause. Deswegen gebühren Ihnen unsere Glückwünsche.
Das Wort hat der Abgeordnete Gerhard Schulz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heute vorgelegte Jahressteuergesetz 1996 enthält die für Gesamtdeutschland immens wichtige Fortsetzung der konsequenten steuerlichen Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus in Ostdeutschland.
Getreu den Ankündigungen vor der Bundestagswahl, den Koalitionsvereinbarungen und dem Jahreswirtschaftsbericht des Bundeswirtschaftsministers setzt dieser vorgelegte Entwurf die erfolgreiche Förderpolitik für den Aufbau wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen in den neuen Bundesländern kontinuierlich und verläßlich fort.
Allen Bürgern Ostdeutschlands, insbesondere den dringend notwendigen Existenzgründern und Investoren, sei gesagt: Diese Regierungskoalition hat sich seit Beginn der deutschen Einheit unumstößlich zur Priorität des Aufbaus in Ostdeutschland bekannt und hat entsprechend gehandelt. Sie können sich auch in Zukunft auf uns verlassen.
Daß die Wirtschaft im Osten Deutschlands immer noch einen großen Bedarf an Unterstützung hat, ist unstreitig. Ein Blick auf die nackten Zahlen genügt: Betrug Ende 1994 das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen in den alten Bundesländern monatlich rund 8 700 DM, so beträgt es im Osten Deutschlands mit rund 4 500 DM lediglich etwas mehr als die Hälfte.
Das heißt, trotz einer neunzigprozentigen Steigerung seit 1991 erwirtschaftet ein Erwerbstätiger in Ostdeutschland mit seiner Arbeitsleistung erst 50 % von dem, was sein Westkollege auf Grund einer besseren Infrastruktur und moderner Maschinen und Anlagen erwirtschaften kann.
Ich habe diese Kennzahl mit Bedacht gewählt, um Ihnen, meine Damen und Herren, die Problematik zu verdeutlichen: Wir brauchen immer noch dringend Investitionen, vor allem im industriellen Bereich, um
Gerhard Schulz
einen wettbewerbsfähigen Kapitalstock in Ostdeutschland aufzubauen und um zu einer ausgeglichenen Wirtschaftskraft in Gesamtdeutschland zu kommen.
Wenn auch einige Bereiche, z. B. das Handwerk - das ist gerade für mich als Leipziger Handwerksmeister erfreulich - und die Bauwirtschaft, eine immense Dynamik entwickeln, so hinken der industrielle Sektor und das verarbeitende Gewerbe in Ostdeutschland deutlich hinter der insgesamt positiven Entwicklung hinterher.
Exakt hier setzt der Entwurf des Jahressteuergesetzes an. Wie in den Koalitionsvereinbarungen angekündigt, wird die steuerliche Förderung in den neuen Bundesländern zielgenau auf bestimmte Problembereiche konzentriert. Es sei aber an dieser Stelle auch gesagt, daß über die Feinabstimmung der einzelnen Förderinstrumente durchaus noch Diskussionsbedarf besteht.
Ich werde darum zu einzelnen Punkten Anmerkungen machen, um zu verdeutlichen, wo aus Sicht der CDU-Abgeordneten aus den neuen Ländern Gesprächsbedarf besteht. Allerdings werden die Anmerkungen nicht so sein, daß Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Honig daraus saugen können; denn ich denke, die Gespräche innerhalb der Koalition werden zum Erfolg führen.
Zu den einzelnen Maßnahmen: Erstens. Im Rahmen der Investitionsförderung wird die fünfprozentige Investitionszulage für die Jahre 1997 und 1998 für Investitionen im verarbeitenden Gewerbe verlängert.
Zweitens wird die zehnprozentige Investitionszulage für das mittelständische Gewerbe und das Handwerk ebenso bis Ende 1998 fortgesetzt. Der Bundesfinanzminister hat hier übrigens eine sinnvolle Angleichung des Kriteriums „Investitionsbeginn" vorgenommen, was ein kleiner - das gebe ich zu, aber immerhin ein kleiner - Beitrag zur Steuervereinfachung ist.
Das sei an dieser Stelle auch einmal in Richtung des Finanzministers betont, der jetzt leider nicht mehr hier ist.
Zur zehnprozentigen Investitionszulage meine erste Anmerkung: Zur Stabilisierung des kleinen und mittelständischen Handels vor allem in Ballungs-
und Stadtgebieten wäre eine Hineinnahme dieses Wirtschaftsbereiches in die zehnprozentige Investitionszulage notwendig. Hierüber müssen wir noch einmal miteinander reden.
Nun aber zu den zum Teil entscheidenden Veränderungen im Jahressteuergesetz, was die Förderung für den Osten Deutschlands angeht: Die Sonderabschreibungen im Fördergebietsgesetz werden vernünftigerweise auf Kernbereiche konzentriert - eine Absicht, die bereits im Referentenentwurf, also vor der unsinnigen Verschwendungsdebatte, fixiert wurde.
So werden als Drittes die Sonderabschreibungen für Neu- und Altbauten, unabhängig davon, ob die Gebäude eigenbetrieblich oder fremdbetrieblich genutzt oder fremdvermietet werden, grundsätzlich für die Jahre 1997 und 1998 auf 20 % der Anschaffungs-
und Herstellungskosten abgesenkt.
Wir beweisen damit, daß wir durchaus gewillt sind, die Ostförderung an den konkreten Notwendigkeiten zu orientieren und gegebenenfalls auch zu modifizieren. Wir brauchen keine Förderung für weitere Handelseinrichtungen auf der grünen Wiese - da gibt es bereits jetzt schon zu viele -, und angesichts der erheblichen Leerstände bei Bürogebäuden ist eine weitere 50prozentige Abschreibung nicht mehr vonnöten.
Die konsequente Degression der steuerlichen Förderung sollte für die Subventionsvergabe in Gesamtdeutschland beispielgebend sein. Der Wirtschaftsstandort Deutschland könnte davon nur profitieren.
Viertens. Die Sonderabschreibungen für Ausrüstungsinvestitionen, für Investitionen in selbstgenutzten Gebäuden im verarbeitenden Gewerbe oder für Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen sollen 1997 und 1998 nur noch 40 % betragen. Hierzu meine zweite Anmerkung: Aufgrund des schlechten Zustandes der Bausubstanz in den neuen Ländern und des damit verbundenen hohen Modernisierungs- und Sanierungsbedarfs und entsprechend dem Leitsatz „Abschreibungen sind besser als Subventionen" - denn Subventionen sind weg, egal was mit dem Betrieb geschieht; Abschreibungen finden nur statt, wenn der Betrieb fortexistiert und Gewinne macht - müssen die 50prozentigen Sonderabschreibungen, wie im ursprünglichen Referententwurf vorgesehen, beibehalten werden. Für mich ist dabei jedoch entscheidend, was mit den durch die Absenkung eingesparten rund 2 Milliarden DM geschehen soll. Dienen Sie zur Finanzierung des Haushaltes, sehe ich uns in einem schwierigen Verhandlungswasser, verwenden wir sie aber zur Finanzierung von Eigenkapitalbildung und Liquiditätshilfen, können wir gerne darüber reden.
Meine Damen und Herren, die Unternehmensentwicklung in Ostdeutschland verläuft im Vergleich zu den wirtschaftshistorischen Erfahrungen Westdeutschlands rasend schnell. Sind die Unternehmen im Westen über Jahrzehnte hinweg in der Lage gewesen, Investitionskredite aus den Erträgen zu tilgen, ehe neue Investitionen anstanden, so müssen die ostdeutschen Unternehmen, um wachsen zu können und am Markt bestehenzubleiben, jetzt bereits Nachfolgeinvestitionen vornehmen, bevor ihre Erstinvestitionen refinanziert sind. Deshalb ist gerade bei erfolgreichen ostdeutschen Unternehmen zusätzlicher Kapitalbedarf sehr viel rascher entstanden, als dies voraussehbar war.
- Doch!
Gerhard Schulz
Die Lösung für dieses Problem muß zweigleisig sein. Ich möchte hier zwischen einer Beteiligungs-
und einer Liquiditätskomponente unterscheiden. Die Beteiligungskomponente zur Beschaffung von Eigenkapital für Unternehmen in den neuen Bundesländern ist bereits Gegenstand der neuen Förderelemente, die im Entwurf des Jahressteuergesetzes enthalten sind.
So ist fünftens vorgesehen, daß Steuerpflichtige für Darlehen, die sie für mindestens zehn Jahre einer Kapitalsammelstelle ab Beginn 1995 bis Ende 1998 zur Verfügung stellen, einen begrenzten Abzug von der Steuerschuld vornehmen können. Das so gesammelte Kapital soll ostdeutschen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.
Sechstens sollen Gewinne aus Veräußerungen von Kapitalgesellschaftsanteilen dann steuerfrei bleiben, wenn sie zum Erwerb von Anteilen an ostdeutschen mittelständischen Kapitalgesellschaften verwendet werden.
Bei diesen Beteiligungsförderungen muß aber garantiert sein, daß das Kapital insbesondere denjenigen kleinen und mittelständischen Unternehmen zugute kommt, die wegen ihrer Größe keinen Zugang zum bestehenden Markt für Kapitalbeteiligungen haben und die aufgrund eines unvorhergesehenen Wachstumsschubs und trotz eines fundierten Unternehmenskonzeptes Kreditschwierigkeiten haben.
Zur Milderung des bestehenden Liquiditätsmangels trägt die Maßnahme bei, die ich als siebente erwähnen möchte. Es ist vorgesehen, die Ist-Versteuerungsgrenze bei der Umsatzsteuer von 250 000 DM auf 1 Million DM heraufzusetzen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn damit müssen die Unternehmen, die es betrifft, die Umsatzsteuer erst abführen, wenn ihre Rechnung bezahlt worden ist, und nicht wie bisher bereits, nachdem sie die Rechnung geschrieben haben.
Über die übrigen Regelungen ist von meinen Vorrednern schon gesprochen worden und wird noch von meinen Nachrednern der Koalitionsfraktionen weitergehend gesprochen werden; das kann ich weglassen.
Ich möchte die Damen und Herren aus der Opposition allerdings davor warnen, aus kurzfristig populistischen und idelogisch fixierten Gründen die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer abzulehnen. Mit dem Schüren von Neid schafft man keine wettbewerbsfähigen Wirtschaftstrukturen und keinen einzigen Arbeitsplatz.
Soweit zu den Vorhaben der Koalition innerhalb des Jahressteuergesetzes 1996!
Allerdings - das ist meine dritte und letzte Anmerkung - muß zusätzlich und kurzfristig, also noch in diesem Jahr, für ostdeutsche Klein- und Mittelbetriebe, die wegen der vorherrschenden schlechten Zahlungsmoral und ihrer knappen Kapitaldecke
ebenfalls Zahlungsschwierigkeiten haben oder die für notwendige Erweiterungsinvestitionen keine weiteren Kredite bekommen, obwohl die Firma gesund ist - ich habe es bereits erwähnt -, zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung gestellt werden. Dies muß außersteuerlich geregelt werden und kann deshalb nicht Gegenstand des Jahressteuergesetzes sein.
Ich kann mir aber vorstellen, daß wir uns schnell darüber einigen, die erwähnte Kapitalsammelstelle einzurichten und die steuerliche Begünstigung von Darlehen für Beteiligungen in den neuen Ländern vorzunehmen. Dann wäre ein Gespräch mit der Deutschen Ausgleichsbank oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau über eine Vorfinanzierung der Beteiligungskomponente noch 1995 sicherlich sinnvoll und möglicherweise nicht ganz aussichtslos. Wir könnten damit erreichen, daß das Geld nicht erst Ende 1996, sondern bereits Ende 1995 fließt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, ich rechne fest mir Ihrer Bereitschaft, das von mir Vorgetragene zu unterstützen; denn ich interpretiere Ihre bisherige Kommentarlosigkeit zum Bereich der steuerlichen Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus in Ostdeutschland keineswegs als Sprachlosigkeit, sondern als Zustimmung und Anerkennung für unsere erfolgreiche Förderpolitik. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle auch im Namen der Regierungskoalition bedanken und setze auf weitere konstruktive Zusammenarbeit.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Ilte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So ganz kann ich die Euphorie nicht begreifen, mit der mein Vorredner, Herr Schulz, das Jahressteuergesetz begrüßt hat. Besonders aus ostdeutscher Sicht fällt mir das schwer. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.
Mit der Vorlage des Entwurfs zum Jahressteuergesetz 1996 hat die Bundesregierung - wie heute schon mehrfach angemerkt - wieder einmal die Chance vertan, endlich grundlegende Ordnung in den Wust von Steuerwirrwarr und Verordnungschaos hineinzubringen.
Das gilt auch für die notwendige Förderung von Investitionen in den neuen Bundesländern, die jedenfalls nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf leider noch komplizierter würde als bisher. Herr Faltlhauser, richten Sie Herrn Waigel bitte aus: Ihr Entwurf wird nach wie vor der bestehenden Aufgabe, nämlich den Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft in den neuen Ländern zu unterstützen, nicht gerecht.
Wolfgang Ilte
Die Bundesregierung hat bis heute nicht begriffen, daß die Herstellung der inneren Einheit Deutschlands eine Herausforderung ist, der man nicht mit jährlich wiederkehrender und wachsender Flickschusterei gerecht werden kann. Ihre seinerzeit getroffene Entscheidung zur Eigentumsregelung „Rückgabe vor Entschädigung" war von Anfang an das schlimmste Innovationshindernis für Ostdeutschland. Damit haben Sie alles an eigenständigem Wachstumspotential kaputtgemacht, was es bis dahin noch gegeben hat.
Das können Sie auch mit noch so verzweifelter Hin- und Herflickerei nicht wieder repariert bekommen.
Als uns der Kanzler vor fünf Jahren die blühenden Landschaften versprach, gingen er wie auch seine Regierung davon aus, daß der Aufbau Ost bis 1995 gegessen sein wird. Ich muß allen Ernstes fragen, ob Sie wirklich der Auffassung sind, daß bis zum Jahre 1998 die blühenden Landschaften im Osten entstanden sein werden. Wäre es nicht besser, jetzt endlich ein richtiges Konzept zu machen, das wir auch wirklich gemeinsam durchsetzen, anstatt eine Verlängerung der Fördermaßnahmen anzubieten und zu sagen: Na gut, dann gucken wir mal 1998, wie es weitergeht. Meine Damen und Herren, für mich macht das einen reichlich hilflosen Eindruck,
Aber lassen Sie mich auf die Instrumentarien im einzelnen zu sprechen kommen: Hauptinstrumentarium ist und soll ja auch nach Ihren Vorstellungen weiterhin die Sonder-MA bleiben. Hier hoffen Sie, daß Sie mit dem Herumdoktern an der Sonder-AA und dem Hoch- und Herunterschieben von ein paar Prozentpunkten die Probleme schon irgendwie innerhalb von zwei Jahren in den Griff bekommen werden. Offensichtlich haben Sie die Aufgabenstellung völlig aus dem Blickfeld verloren. Aber ich kann Sie Ihnen gerne noch einmal vor Augen halten: Aufgabenstellung muß es doch sein, Kapital- und Vermögensbildung im Osten zu unterstützen, um einen damit einhergehenden Aufbau von funktionsgerechten, funktionierenden Wirtschaftsstrukturen zu erreichen.
Hingegen haben Sie, Herr Faltlhauser, durch die Investitionen im Osten eine Förderung von Kapital- und Vermögensbildung im Westen erreicht, wobei Ihnen der Aufbau von funktionierenden Wirtschaftsstrukturen im Osten bisher nicht gelungen ist.
Wir haben seinerzeit schon darauf hingewiesen, daß mit Hilfe einer Investitionsförderung über Investitionszulagen eine weitaus effektivere und - gestatten Sie mir den Ausdruck - punktgenauere Landung am gemeinsamen Zielort möglich gewesen wäre als mit dem Instrument der Sonder-AA.
Mit Hilfe der Investitionszulage wären auch ostdeutsche Betriebe in der Lage gewesen - auch die Handwerksmeister in Leipzig, Herr Schulz -, entsprechende Investitionen in erhöhtem Maße vorzunehmen, um somit in den Genuß von Förderinstrumentarien zu kommen. Ostdeutschen Unternehmen hilft nun einmal eine 50%ige Sonder-AA im Regelfall nicht.
Wenn Sie uns nicht glauben wollen, dann hören Sie doch wenigstens auf Ihren Fraktionsvorsitzenden Schäuble. Er hat es Ihnen in einem Interview im „Handelsblatt" am 16. März doch ins Stammbuch geschrieben. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:
Allerdings müßte in den neuen Bundesländern mehr für die Vermögensbildung getan werden, damit es dort nicht in zehn Jahren eine Vermögensverteilung geben wird, die viel einseitiger als in Westdeutschland wäre. In der Koalitionsvereinbarung seien einige Schritte im Hinblick auf eine gleichmäßigere Vermögensverteilung in den neuen Bundesländern angekündigt.
Na prima, Herr Schäuble, jetzt aber nicht nur ankündigen, sondern auch machen! Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Während in westdeutschen Privathaushalten und Unternehmen in 40 Jahren Vermögensstrukturen gewachsen sind, ist dies in Ostdeutschland nun einmal nicht der Fall gewesen; es hat nicht stattfinden können. Fast alle 16 Millionen Ostdeutschen fingen 1990 bei der Währungsunion bei Null an. Es fehlte an den grundlegendsten Dingen. So hatte in Ostdeutschland niemand die Möglichkeit, über Bausparverträge, Lebensversicherung en, vermögenswirksame Leistungen oder ähnliches beleihungsfähiges Vermögen, was in unserer Gesellschaft auch familiäre Sicherheit bedeutet, aufzubauen. Das trifft für die Privathaushalte genauso wie für die Unternehmen zu. So etwas kann man in vier Jahren aus eigener Kraft nicht aufholen. Es fehlt ein klares Konzept der Bundesregierung, wie man dieses Vermögensgefälle zwischen Ost und West wenigstens mittelfristig auszugleichen gedenkt.
Wenn wir jetzt nicht endlich Nägel mit Köpfen machen, dann fundamentieren Sie diesen Zustand auf Jahre hinaus.
Oder nehmen Sie den Mietwohnungsbau. Sie schlagen vor, die 50%ige Sonder-AA auf 20 % zu verringern und für zwei Jahre zu verlängern. Wer soll denn in drei Gottes Namen innerhalb von zwei Jahren Mietwohnungen planen, beantragen, genehmigen lassen, finanzieren und dann auch noch anfangen zu bauen? Das ist doch schon im Ansatz viel zu kurz gegriffen.
Wolfgang Ilte
Sie haben die gesamte Problematik, Herr Hauser, überhaupt nicht begriffen. Die von Ihnen angebotene 20%ige Sonder-AfA ist für den Investor doch keinen Deut besser als die ohnehin schon vorhandene degressive Abschreibung nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes. Im Gegenteil, die degressive Abschreibung ist auf mittlere Sicht für Investoren sogar besser.
Nun schauen Sie sich doch im Osten einmal um, was tatsächlich passiert! Auf Grund der 50%igen Sonder-AfA sind zwar viele Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt errichtet worden. Für diese Wohnungen, z. B. bei mir im Wahlkreis, wird zur Zeit aber eine monatliche Kaltmiete von 25 DM pro Quadratmeter verlangt. Solche Wohnungen können Sie massenweise mieten. Diese Wohnungen stehen zu 50 % leer. Was wir im Osten weiterhin zur Verfügung haben - zwar nicht ganz so üppig -, sind Wohnungen aus dem „sozialen Wohnungsbau". Auf Grund der Mietpreisbindung sind unsere Plattenwohnungen noch relativ preiswert zu haben. Was aber völlig fehlt, ist eben bezahlbarer Wohnungsraum zwischen 6 DM und 15 DM pro Quadratmeter.
Dafür ist es notwendig, mit einem gewissen Förderanteil Wohnraum zu erstellen. Diesen Wohnraum braucht man nicht nur im Osten, man braucht ihn genauso im Westen.
Der Ende dieses Jahres auslaufende § 7 k des Einkommensteuergesetzes sieht hierfür im Prinzip schon das richtige Instrument vor. Leider ist er genau wie viele Ihrer Vorschriften viel zu kompliziert und hat daher bisher nicht gegriffen. Es gibt jedenfalls nach diesem Paragraphen weder im Osten noch im Westen einen spürbaren Anteil von bezahlbarem Wohnraum für die Menschen.
Wir erwarten, daß Sie mit uns gemeinsam ein Konzept erarbeiten, wie wir dieses oder ein ähnliches Instrument verbessern oder schaffen, um im Osten und möglicherweise auch im Westen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Ich gehe davon aus, daß wir das in den Ausschüssen noch diskutieren können.
Lassen Sie mich zum Schluß auf drei Probleme hinweisen. Das erste Problem, das mir im Jahressteuergesetz 1996 unzureichend gelöst scheint, ist die Investitionszulage für den mittelständischen innerstädtischen Handel. Sind Sie nun bereit, diesen kleinen mittelständischen Unternehmen eine Förderung zuteil werden zu lassen, oder sollen sie außen vor bleiben? Was ist des weiteren mit dem kleinen und mittelständischen Baugewerbe? Das Bauhandwerk - das wurde heute schon gesagt - soll gefördert werden, das Baugewerbe nicht. Beispielsweise gibt es in
meinem Ort zwei Betriebe. Der eine Betriebsinhaber hat einen Meisterbrief als Handwerker in der Tasche, der andere ist Bauingenieur. Beide setzen Fenster ein, sie machen haargenau die gleiche Arbeit. Der eine bekommt die Investitionszulage, der andere nicht. Anders kann ich Ihren Gesetzentwurf nicht verstehen. Soll das so bleiben, ist das so gewollt? Wenn ja, bin ich auf die Begründung gespannt.
Zweiter Punkt. Warum verzichten Sie auf die Einführung der Vermögensteuer in den neuen Ländern bis einschließlich 1998? Wenn Sie sich einmal vor Ort sachkundig machen würden, würden Sie feststellen, daß die Finanzverwaltung durchaus in der Lage ist, die Vermögensteuer in den neuen Ländern zu erheben. Die Einheitsbewertung der Grundstücke, die wegen der Grundsteuer ohnehin notwendig ist, kann doch kein ernstgemeinter Hinderungsgrund sein.
Ihr Verzicht auf die Vermögensteuer läßt für mich nur den Schluß zu, daß Sie vor allem jenen einen vermögensrechtlichen Vorteil verschaffen wollen, die ihren Wohnsitz beispielsweise von Hannover nach Leipzig verlegt haben, vielleicht auch noch denen, die sich im Osten mittlerweile ein gesundes Vermögen selbst erarbeitet haben. Das sind zwar nicht viele, aber sie gibt es auch schon. Warum in drei Gottes Namen wollen Sie zu Lasten der neuen Bundesländer eben auf diese Einnahmen verzichten?
Last but not least sei mir als Drittes die Frage erlaubt: Sind denn alle diese Fördermaßnahmen, die jetzt aufgeführt sind, von der EG schon genehmigt, oder wann gedenken Sie sie genehmigen zu lassen? Ich gehe davon aus, daß wir kurzfristig, zumindest noch im Laufe der Beratungen zu diesem Gesetz, die entsprechenden Zusagen aus Brüssel vorliegen haben werden, weil es uns ansonsten erneut passieren kann, daß wir hier ein Gesetz verabschieden, das uns Brüssel anschließend um die Ohren haut. Eine sich daraus ergebende Reaktion der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes möchte ich dann jedenfalls vor diesem Parlament nicht zu vertreten haben.
Besten Dank.
Herr Kollege Ilte, Sie haben nun einen ganzen Reigen von Erstreden eröffnet. Also auch Ihnen den Glückwunsch des Hauses!
Ich erteile nun das Wort dem Abgeordneten HeinzGeorg Seiffert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch die Debattenbeiträge der Opposition zieht sich wie ein roter Faden die altbekannte These: Die Großen profitieren, und die Kleinen zahlen. Dies paßt zwar in Ihr
Heinz-Georg Seiffert
Denkschema, hat aber mit diesem Gesetzentwurf überhaupt nichts zu tun.
Der vorliegende Entwurf dieses Jahressteuergesetzes ist nämlich ein wichtiger Schritt, die Steuer- und Abgabenlast auf breiter Basis zu senken. Man kann über einzelne Wegmarken diskutieren. Aber das Ziel ist richtig, und auch angesichts der hohen Verschuldung ist es vertretbar.
30 Milliarden DM, die in den Taschen der Steuerzahler bleiben, werden die Leistungsbereitschaft der Steuerpflichtigen wieder fördern und die Massenkaufkraft stärken.
Jeder, der nicht ideologisch verbohrt ist, wird auch die dringend notwendige Korrektur bei der Gewerbesteuer befürworten. Es gibt für jeden, dem die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen am Herzen und nicht nur auf den Lippen liegt, keinen Zweifel, daß wir den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter stärken und die Rahmenbedingungen verbessern müssen.
Immer wieder haben die Oppositionsredner in den letzten Tagen beklagt, die Bundesregierung tue nichts oder zu wenig gegen die Arbeitslosigkeit. Bei dieser Unternehmenssteuerreform, die Sie jetzt bereits im Vorfeld wieder ablehnen, wird sich zeigen, ob Sie sich wieder in eine Blockadehaltung manövrieren. Wir alle müssen doch endlich zur Kenntnis nehmen, daß nach der Öffnung der Ostgrenzen eine neue Situation entstanden ist; eine Lage, die alle Verantwortlichen zum Umdenken zwingt.
Dieses Umdenken liegt übrigens auch im Interesse der Kommunen, die neue Gewerbegebiete erschließen, um Firmen anzusiedeln und um Arbeitsplätze zu ermöglichen. Denn mittlerweile sind die Hauptkonkurrenten im Wettbewerb um ansiedlungswillige Firmen längst nicht mehr, wie dies früher war, die Nachbargemeinden, sondern das östliche Ausland, von Ungarn über Tschechien bis Polen. Dorthin werden die Arbeitsplätze verlagert, wenn bei uns die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen.
Auch die erhofften Gewerbesteuereinnahmen sind längst nicht mehr der Anreiz für die Kommunen, wenn es um die Ansiedelung von Firmen geht. Das zentrale Anliegen der Bürgermeister ist es doch vielmehr, am Ort möglichst zukunftsträchtige Arbeitsplätze für die Bürger zu schaffen. Auch darum geht es bei dieser Reform.
Es herrscht wohl Einvernehmen darüber, daß die Gewerbesteuer im europäischen Vergleich eine Sonderbelastung und eine enorme Wettbewerbsverzerrung für unsere Wirtschaft darstellt. Deshalb muß sie abgeschafft werden. Es darf doch nicht wahr sein,
daß dieses Relikt aus alter Vorzeit nun auch noch auf die neuen Bundesländer ausgedehnt wird.
Es handelt sich auch nicht - wie gestern und auch heute von Frau Dr. Hendricks wieder aufgeführt worden ist - um eine Banken- oder Großbetriebssteuer. Wer so etwas sagt, ist schon meilenweit von der Praxis entfernt. Meine Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, wie viele Mittelständler bereits einen Einheitsbetrag von 120 000 DM haben und damit zahlungspflichtig sind? Diese müssen natürlich entlastet werden. Es ist ein Unding, daß man gerade diejenigen Betriebe weiterhin belasten will, die ihr Geld nicht abschöpfen, sondern investieren, die sich in Schulden stürzen und Arbeitsplätze schaffen. So kann eine Zukunftspolitik nicht aussehen.
Ich habe großes Verständnis, daß sich die Kommunen um ihre Einnahmen sorgen. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war nämlich zwanzig Jahre Kämmerer. Niemand wird zufrieden sein, wenn es ihm nach einer solchen Reform finanziell schlechter geht als vorher. Es ist auch nicht verwunderlich, daß die Städte und Gemeinden mißtrauisch sind, wenn der Bund eine Reform durchzieht. Das sage ich ganz offen; denn schließlich sind in der Vergangenheit gelegentlich Aufgaben von oben und unten „durchgereicht" worden, ohne daß für eine ausreichende Finanzierung gesorgt war.
Besonders gravierend war es allerdings immer dann, wenn auch noch die Länder die Hand im Spiel hatten, denn die denken natürlich in erster Linie an sich.
Gerade deshalb ist es entscheidend, daß den Kommunen grundgesetzlich verankert eine direkte Beteiligung an der Umsatzsteuer zugesichert wird.
Meine Damen und Herren, dies ist eine Jahrhundertchance für die Städte und Gemeinden, an einer Wachstumsteuer beteiligt zu werden, die stabil ist; denn die Umsatzsteuer ist im Gegensatz zur Gewerbesteuer keinen großen konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Sie ist in den letzten 25 Jahren um das 5,7fache gestiegen. Die Gewerbesteuer ist nur um das 3,7fache gewachsen.
Ich bin sicher, daß dies ein Argument ist, das auch die kommunalen Spitzenverbände nicht ignorieren können.
Jeder Kämmerer kann Ihnen ein Lied über die Unkalkulierbarkeit der Gewerbesteuer singen. Gerade ist so getan worden, als ob die Gewerbesteuer das sicherste Instrument im Gemeindehaushalt wäre. In der Praxis ist sie das unsicherste Instrument.
Heinz-Georg Seiffert
Deswegen verstehe ich - das sage ich ganz offen - die Forderung des Städte- und Gemeindebundes nicht, bereits jetzt für jede einzelne Gemeinde sicherzustellen, daß der Bestand auf viele Jahre hinaus so bleibt wie heute. Kann das denn heute jemand bei der Gewerbesteuer garantieren?
Das ist eine typische Verbandshaltung. - Das sage ich in aller Deutlichkeit -: Man will es jedem recht machen und verliert dabei jegliche Gestaltungsmöglichkeit.
Wenn man es nämlich jedem recht machen will, kann man nichts mehr bewegen, sondern nur noch den Zustand beklagen. In dieser Situation sind Sie.
Die Garantie für den Übergangszeitraum bis zum Jahre 2000 und die Aussicht auf ständig wachsende Umsatzsteueranteile bieten für alle Kommunen ganz sicher mehr Planungssicherheit als eine instabile Gewerbesteuer.
Ich meine, auch die für die Kommunen in den neuen Bundesländern vorgesehene Regelung, die Umsatzsteueranteile dynamisch anzupassen, bietet nur Vorteile. Die Beteiligung an einer Wachstumsteuer ist gerade für die ostdeutscher Gemeindehaushalte sicherer als die Erwartung von Gewerbesteuereinnahmen aus jungen Betrieben, die sich zum großen Teil erst noch im harten Wettbewerb bewähren müssen.
Meine Damen und Herren, ich habe als Kämmerer und Kreisrat schon manche Reform erlebt. Ich räume ein, daß auch ich - wie die Spitzenverbände heute - meine Bedenken hatte, als seinerzeit der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer eingeführt wurde. Ebenso wurde der Untergang der Landkreisfinanzen an die Wand gemalt, als die Grunderwerbsteuer reformiert wurde.
Wie sieht es heute aus? Der Einkommensteueranteil - nicht die Gewerbesteuer - ist längst zum Grundpfeiler der meisten Gemeindehaushalte geworden. Kein Kreiskämmerer könnte die steigenden Soziallasten ohne die dynamische Grunderwerbsteuer schultern.
Ich sage Ihnen: Beim Umsatzsteueranteil wird es ganz genauso kommen.
Heute jammert jeder, und in wenigen Jahren ist diese Geldquelle absolut unverzichtbar.
Auch die Kommunen, die heute ein überdurchschnittlich hohes Gewerbekapitalsteueraufkommen haben, werden einen weichen Übergang ohne dauerhafte Einbußen erleben. Legen Sie doch die Zahlen auf den Tisch! Es geht für die Kommunen um einen Ausfall von insgesamt 7,7 Milliarden DM. Dies wird ausgeglichen durch Umsatzsteueranteile von 2,7 %; das sind zur Zeit 8,2 Milliarden DM, mit wachsender Tendenz. Die Garantie von Theo Waigel bezüglich eines vollen Ausgleichs wird also mehr als eingelöst.
Es ist nur positiv, daß ab dem Jahr 2000 die Umsatzsteueraufteilung auf Grund eines Schlüssels durchgeführt wird, bei dem die Kommunen auch weiterhin ein Interesse an der Erschließung von Gewerbegebieten und an der Sicherung von vorhandenen Betriebsstätten haben. Die Ermittlung der Lohnsummen und des Betriebsvermögens erfordert zwar sehr viel Zeit und erscheint kompliziert. Aber - und das ist entscheidend - die bewährte Klammer zwischen Kommunen und Gewerbebetrieben bleibt auch künftig erhalten.
Meine Damen und Herren, geben Sie den Betrieben und damit den Arbeitsplätzen am Standort Deutschland eine Chance!
Sichern Sie den Kommunen eine dauerhaft stabile Finanzbasis, und stärken Sie damit die Selbstverwaltung! Blockieren Sie diese Reform nicht!
Vielen Dank.
Herr Kollege Seiffert, auch für Sie war es die erste Rede. Unseren herzlichen Glückwunsch.
Ich erteile nun dem Abgeordneten Dieter Grasedieck das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In jeder Woche läuft eine andere Sau durchs Dorf. Die Zeit ist dynamischer geworden, die Zeit ist hektischer geworden. Das hat man u. a. bei der Entwicklung des Jahressteuergesetzes von Herrn Waigel gesehen. An jedem Tag ist ein neuer Vorschlag eingebracht und in der Presse verkündet worden. Sie haben den Ballon des Jahressteuergesetzes im Februar aufgeblasen und dann immer wieder, Tag für Tag, Luft abgelassen und etwas neue Luft hinzugegeben.
Die Zeitungen schrieben z. B. am 18. März 1995: Waigel will Müllsteuer. Am 19. März schrieben sie: Waigel sieht Gewinn für Gemeinden bei der Müllsteuer. Und am 21. März schrieben sie: Waigel zieht die Müllsteuer zurück.
Dieter Grasedieck
- Sie lesen das „Handelsblatt" genauso wie ich, Herr Hauser.
Ihr konzeptionsloses Handeln verstärkt das Steuerchaos.
Es ist wirklich erschreckend, meine Damen und Herren, wie leichtfertig Sie mit dem Steuerrecht umgehen.
Im Wahljahr 1994 kündigte der Minister ein Steuervereinfachungspaket an, und am 14. Dezember 1994 sagte der Minister hier im Bundestag:
Die Philosophie eines schlanken Staates muß auch für unser Steuersystem gelten. Das Steuersystem muß wieder einfach und transparent werden.
Richtig; diese Worte kann man nur unterstützen. Aber wie setzt die Bundesregierung diese begrüßenswerte Feststellung um? Die Bundesregierung kündigt an, doch die Umsetzung fehlt vollständig.
Im Jahressteuergesetz ist kein Konzept erkennbar. Ziel müßte es doch eigentlich sein, wieder zu einem gerechten Steuerrecht zurückzukehren: Erstens. Das Steuerrecht muß für den Bürger verständlich und akzeptabel sein. Zweitens. Das Steuerrecht muß für die Verwaltung überschaubar und damit anwendbar sein.
Herr Uldall, Sie sagten vorhin: Wir sind für alle Diskussionen offen. An einer Stelle haben Sie das nicht gezeigt: Wir wollten über die Vorschläge der BareisKommission sprechen, hatten aber im Finanzausschuß keine Chance.
Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung eigentlich durch die Einbringung dieses Steuergesetzes? Ihr Ziel wird an vielen Stellen deutlich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und von der F.D.P. Sie belasten die Kleinverdiener und den Mittelstand und entlasten die Großverdiener, auch wenn Sie das nicht gerne hören.
- Das können Sie glauben!
Es ist schon paradox, daß nach geltendem Recht ein Montagearbeiter für die ersten drei Monate eine Verpflegungspauschale von 46 DM und danach von 16 DM pro Tag absetzen kann, während er nach neuem Recht in den ersten drei Monaten 50 DM und danach nichts mehr absetzen kann.
Herr Waigel hat heute morgen gesagt: Wir brauchen leistungsbereite Arbeitnehmer. Aber die Bundesregierung bestraft die flexiblen Facharbeiter, die Bundesregierung bestraft die flexiblen Angestellten.
Sie bestrafen z. B. die Facharbeiter und die Angestellten, die für ein Jahr in den neuen Bundesländern arbeiten möchten.
Ich möchte Ihnen noch ein weiteres Beispiel nennen. Es ist unverständlich, daß Bauarbeiter bei wechselnden Baustelleneinsätzen keinen Verpflegungsaufwand absetzen können. Die Bauindustrie rechnet mit 2 Milliarden DM Mehraufwand. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wollen doch den Mittelstand unterstützen. Ich frage Sie: Ist das keine Belastung für den Mittelstand?
Wenn es darum geht, die Versorgungspauschale zu vereinheitlichen, sind wir an erster Stelle mit dabei. Auch das würden wir unterstützen. Nur: Gegen Kahlschläge und Schnellschüsse sind wir natürlich.
Die sogenannte Steuervereinfachung durch eine Kurzveranlagung ist ein reiner Etikettenschwindel. Was die Bundesregierung bei der Kurzveranlagung nicht alles angekündigt und versprochen hat! So sollten z. B. die Werbungskosten pauschaliert werden. Aber nach dem neuen Jahressteuergesetz müssen alle Werbungskosten detailliert aufgeführt werden: die Fahrten zwischen Arbeitsplatz und Wohnung ebenso wie die Reisekosten. Die Fachliteratur muß exakt benannt werden. Ihre Kurzveranlagung bezieht sich nur auf die sonstigen Sonderausgaben, ausschließlich darauf.
Diese Kurzveranlagung wird bei den Finanzämtern zu Mehrarbeit führen.
- Ganz sicher, weil ja eine Flut von Anträgen auf unsere Finanzämter zukommt, Herr Hauser.
Bei dem Begriff „Steuervereinfachungen" vermutet man im Normalfall, daß Regelungen zusammengefaßt oder gestrichen werden. Aber ganz anders gehen Sie vor, z. B. bei der Pauschalierung von Betriebsausgaben und bei der Pauschalierung von Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung. Hier fügen Sie noch ein Gesetz hinzu und pfropfen einen Erlaß auf.
Sie wissen ganz genau, daß das zu Streitigkeiten führen kann, beispielsweise dann, wenn ein Bürger drei Häuser hat. Er pauschaliert zwei Häuser; das dritte rechnet er detailliert ab. Die Streitigkeiten, die bei der Abgrenzungsdiskussion auftauchen können, sind vorprogrammiert. Das wird auch zu mehr Gerichtsverfahren führen.
Dieter Grasedieck
Sie gehen an dieser Stelle genauso wie beim § 10 e - Förderung des Wohneigentums - vor: Das Gesetz wird verabschiedet, immer neue Gesetze kommen hinzu, Erlasse kommen hinzu. Der Minister hat im Fernsehen von vier Seiten Gesetzestext und 60 Seiten Erlassen gesprochen. Ich frage Sie: Wissen Sie eigentlich, wie viele Veränderungen Sie seit 1987 nur an dieser Stelle eingebaut haben? - Es sind 49 Veränderungen. Die Steuergewerkschaft spricht von einem Paradebeispiel des Steuerchaos.
Durch die sogenannte Steuervereinfachung der Bundesregierung wird das Steuerchaos immer größer, das Steuergesetz immer komplizierter. Die Finanzämter überschreiten ihre Grenzbelastung. Die Finanzgerichte werden überlastet und überfordert.
Es ist natürlich möglich, über bestimmte Maßnahmen eine Steuervereinfachung zu erreichen. Wir haben uns über das Familienleistungsgesetz und über die 250 DM lange unterhalten. Das wäre z. B. eine Vereinfachung.
Zudem könnte die steuerliche Wohneigentumsförderung vereinfacht werden. Ihr Vorschlag sieht weiterhin den Abzug von der Bemessungsgrundlage und nicht von der Steuerschuld vor. Das bedeutet doch, daß Steuerpflichtige, deren Einkommen mit dem Spitzensteuersatz belastet wird, die größte Steuerersparnis haben werden. Sie haben Ihre Position nicht geändert.
Wir sind dagegen. Wir schlagen vor, etwas anders vorzugehen. Die SPD fordert den Abzug des Förderungsbetrages von der Steuerschuld, nicht von der Bemessungsgrundlage.
Durch diese Maßnahme wird das Finanzamt entlastet und auch die Bauindustrie gefördert; denn wir erfassen neue Gruppierungen.
Weiterhin fordern wir die Abschaffung des Dienstmädchenprivilegs; auch das wäre eine Vereinfachung.
Ihr Entwurf zum Jahressteuergesetz stellt niemanden zufrieden. Sie besitzen kein Konzept zur Steuervereinfachung. Ihre Grundhaltung, die Belastung des Mittelstandes und der Kleinverdiener bei gleichzeitiger Entlastung der Großverdiener wird deutlich; das habe ich zu beweisen versucht.
Die SPD-Vorschläge, die im Finanzausschuß eingebracht wurden, haben Sie nach dem Motto „Meine Meinung steht fest; bitte verwirren Sie mich jetzt nicht durch Tatsachen! " beantwortet.
Herr Faltlhauser, nehmen Sie die unsinnigen Vorschläge zurück! Unternehmen Sie endlich einen wirksamen Anlauf zur Steuervereinfachung!
Herr Kollege Grasedieck, ich übermittle auch Ihnen die traditionellen Wünsche des Hauses zu Ihrer Erstrede.
Ich erteile nun dem Abgeordneten Norbert Schindler das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut gut, in einer solch wichtigen Haushaltswoche das letzte Wort zu haben.
Das letzte Wort, Herr Kollege, werde ich haben.
Natürlich, Herr Präsident; das sei Ihnen gestattet.
Meine Damen und Herren, in dieser Haushaltswoche ist es eine Selbstverständlichkeit, daß man zukunftsweisend auch den Punkt Steuervereinfachung in diesem Hohen Hause diskutiert.
Gestatten Sie mir aber vorweg eine lobende Feststellung - diese gilt vor allem unserem Finanzminister; Herr Staatssekretär Faltlhauser, Sie können diese Grüße übermitteln -: Meinen Respekt vor dieser hervorragenden Führung der Finanzen unseres Staates.
- Meine Damen und Herren von der Opposition, man muß doch einmal anerkennend feststellen - das kann man nicht oft genug sagen -, daß es sich hier um einen Haushalt handelt, der an den positiven Abschluß des Haushalts 1994 anschließt. Geplant war eine Neuverschuldung von 69 Milliarden DM; herausgekommen sind 49 Milliarden DM - und dies trotz der enormen Belastung der letzten Jahre durch den Transfer in Höhe von über 700 Milliarden DM an die jungen Bundesländer, den wir gern geleistet haben. Daß der Aufbau Ost langsam ein Selbstläufer wird, müssen Sie ebenfalls anerkennen. Das wird sich auch in den Ziffern der Entwicklung dort niederschlagen.
Wir haben bewiesen - das ist gerade unter dem aktuellen Aspekt „DM-Stabilität" nicht selbstverständlich -, wie groß das Ansehen der D-Mark im europäischen Rahmen und darüber hinaus ist: Die D-Mark ist die Ankerwährung in Europa; sie ist eine der besten Währungen dieser Welt.
Norbert Schindler
Das ist doch ein beredtes Zeugnis dafür, Frau Kollegin, wie stabil sich trotz aller Belastungen unser Ansehen und unsere Währung darstellen.
Wie lauteten denn die Kassandrarufe der Opposition in den vergangenen Jahren, gerade unter dem Gesichtspunkt Neid? Diese Regierung, angeführt von Dr. Kohl, hat von 1982 bis 1989 die Staatsquote auf 44 % zurückgeführt. Wir alle, das deutsche Volk, werden in einer grandiosen Meisterleistung diesen Status bis zum Jahre 1999 oder 2000 beibehalten.
Wir Christdemokraten waren die einzigen - das will ich deutlich sagen -, die die Einheit immer gewollt und gefordert haben. Wir haben sie vollbracht und werden sie vollziehen.
Auch die Montagsdemonstrationen in Leipzig haben dazu beigetragen.
Was nützt denn das ständige Wehklagen und das Gejammere, meine Damen und Herren? Betreiben Sie eine konstruktive Oppositionspolitik! Ich beziehe mich auch auf das, was Herr Scharping gestern morgen gesagt hat: Wo sind denn die konstruktiven, die besseren Vorschläge?
Falls es welche gibt, werden wir sie in den Ausschüssen natürlich diskutieren. Hoffentlich kommen gute Lösungsansätze.
Wir haben uns mit dem Konzept des Jahressteuergesetzes 1996 folgende Aufgaben gestellt: Steuersenkungen von deutlich über 20 Milliarden DM; die Grenzbelastung bei den Steuerpflichtigen in der Progressionszone werden wir senken; wir nehmen 1,5 Millionen Steuerpflichtige aus der Steuerpflicht heraus und geben den Familien 6 Milliarden DM mehr Kindergeld.
Das wissen Sie doch; Sie müssen das anerkennen. Das sind besondere Leistungen.
Auch beim § 10e des Einkommensteuergesetzes - der Kollege Vorredner hat das angeführt - werden wir in der Koalition genauso vernünftige Beschlüsse fassen, wie wir das im Kindergeldbereich getan haben. Warten Sie ab; wir werden auch hier zukunftsweisend gerechte Wege einschlagen.
Wird die Pauschalierung von Werbungskosten gewählt, kann der Einzelnachweis entfallen. Dies geschieht auch bei einer Kurzveranlagung mit möglicher Entlohnung durch einen Sonderfreibetrag.
Die Einführung des Jahresprinzips bei Ausbildungsfreibeträgen, Unterhalts- und Haushaltshilfenhöchstbeträgen und Kinderbetreuungskosten würde die zeitaufwendige und zeitanteilige Ermittlung in der Zuordnung der Einkünfte vermeiden. Dieser Vorschlag ist ein genauso guter Ansatz wie die Erhöhung der absehbaren Höchstbeträge von 12 000 auf 18 000 DM bei der Familienhilfe und -pflege und wie die Anhebung der Altersgrenze für noch haushaltszugehörige Kinder von 10 auf 18 Jahre. Auch das ist ein deutliches Zeichen dafür, wie man in diesem Staat Familienpolitik richtungsweisend gestalten kann. Wir Christdemokraten waren in diesen Fragen schon immer führend.
Die vereinfachte Gewinnermittlung bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern durch Pauschalierung der Betriebsausgaben verhindert typische Konflikte, die zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen des öfteren auftreten.
Die Zusammenfassung von bisher zehn verschiedenen Pauschsätzen für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen und anderem in zwei Pauschsätze trägt ebenfalls zur Vereinfachung der Berechnung und zu weniger Abzugsproblemen bei.
Durch den Fortfall der Zwangsveranlagung und des Einzelnachweises von Versicherungsbeiträgen durch Anhebung der Vorsorgepauschale von 18 auf 20 % schaffen wir ebenfalls Freiheiten für die Steuerpflichtigen.
Wir wollen auch den vereinfachten Spendenabzug bei einheitlicher Bemessungsgrundlage.
Ein guter Ansatz ist ebenfalls die Verdoppelung der Höchstbeträge für den Sonderausgabenabzug von Ausbildungskosten auf 1 800 bzw. 2 400 DM. Auch dadurch wird es in Zukunft weniger Probleme geben.
Die neue umsatzsteuerliche Freigrenze für Kleinunternehmer von 32 500 DM dient der Schaffung weiterer selbständiger Existenzen. Zudem vermeidet sie einen hohen Arbeitsaufwand für die Finanzverwaltung, bedingt durch die dann geringere Anzahl von Umsatzsteuererklärungen derjenigen, die nur kleine Umsätze machen.
Die Änderungen bei der Umsatzsteuervoranmeldung und der Umsatzsteuerjahreserklärung sowie der Wegfall der Dauerfristverlängerung werden ebenfalls - das muß man doch anerkennen - eine deutliche Reduzierung der Büro- und Meldearbeit mit sich bringen.
Dies und noch viele andere Punkte wären zu diskutieren. Aber meine Redezeit ist knapp, und Sie wollen alle ins Wochenende.
Gestatten Sie mir als aktiver Landwirt zum Schluß noch eine Randbemerkung. Die Opposition hat vor zwei Tagen deutlich gemacht, daß mehr für die deutsche Landwirtschaft getan werden solle. Bei allem Ernst des Höfesterbens: Man sollte nicht versuchen, dieses Thema unter dem Neidaspekt zu diskutieren. Die deutsche Landwirtschaft erfährt derzeit durch die Währungsturbulenzen - die stabile D-Mark habe ich ausdrücklich gutgeheißen - große Belastungen. Auch wenn wir europäisches Recht nicht nur anzuerkennen, sondern massiv umzusetzen haben, sind wir doch gefordert, im nationalen fiskalischen Bereich zu helfen, wo wir können.
Norbert Schindler
Deshalb, meine Damen und Herren, mein Appell an uns alle hier im Parlament: Man sollte über Steuervereinfachungen nicht nur reden, sondern sie auch realisieren. Wir tun das.
Die Koalition hat die Kraft dazu. Darüber hinaus: Bitte kein Neid bei der Mitgestaltung der Zukunftsfragen unserer Landwirtschaft.
Vielen herzlichen Dank.
Herr Kollege Schindler, da Sie gleichzeitig Landwirt und Winzer sind, hoffe ich, daß es wenigstens in einer der beiden Branchen nicht ganz so schlimm kommt.
Auch Ihnen zu Ihrer Erstrede die besten Glückwünsche des Hauses.
Ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/901, 13/900 und 13/936 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung beim Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes soll beim Rechtsausschuß liegen.
Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen sowie die Federführung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 26. April 1995, 9 Uhr ein.
Ich wünsche Ihnen frohe Ostertage und schließe damit die Sitzung.