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ID1303200400

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    Plenarprotokoll 13/32 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 32. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. März 1995 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2449 A Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Klaus Hänsch 2477 A Tagesordnungspunkt III: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414, 13/501 bis 13/517, 13/519 bis 13/527, 13/528, 13/529, 13/966, 13/1030) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt I: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates vom 31. Oktober 1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 13/382, 13/828 [neu] Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 2450 B Wilfried Seibel CDU/CSU 2454 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2457 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 2458 D Dr. Christa Luft PDS 2460 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 2461 C Dr. Gero Pfennig CDU/CSU 2463 D Christian Sterzing BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) 2469 B Namentliche Abstimmung 2465 C Ergebnis 2466 D Tagesordnungspunkt V: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hansjörg Schäfer, Doris Barnett, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Drucksache 13/479) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Drucksache 13/ 781) c) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gewährung von Beihilfe bei der Sortenumstellung von Hopfen (Drucksache 13/601) d) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Wohnsiedlung Centerville-Nord in Augsburg (Drucksache 13/780) 2470 A Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Fraktion der SPD: Nichtbewilligung von Krediten für den Weiterbau des Atomkraftwerks Mochovce in der Slowakischen Republik (Drucksache 13/975) b) Antrag der Abgeordneten Ursula Schönberger, Dr. Helmut Lippelt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nichtbewilligung des EBRD-Kredites für den Weiterbau des Atomkraftwerks Mochovce/Slowakei (Drucksache 13/738) c) Antrag der Abgeordneten Rolf Köhne, Dr. Dagmar Enkelmann und der weiteren Abgeordneten der PDS: Kreditbewilligung für die Erstellung des Atomkraftwerkes Mochovce (Slowakische Republik) (Drucksache 13/656) 2470 C Tagesordnungspunkt VI: Abschließende Beratungen ohne Aussprache in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rechtsvereinheitlichung bei der Sicherungsverwahrung (Drucksachen 13/116, 13/757) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt VI: b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch das Bundesministerium der Finanzen: Unterrichtung gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung über die Veräußerung des Flugplatzes mit Eissporthalle in Zweibrükken (Drucksachen 13/51, 13/602) c) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung einer Teilfläche der bundeseigenen ehemaligen US-Wohnsiedlung Pattonville (Gemarkungen Kornwestheim und Remseck) an den Zweckverband Pattonville/Sonnenbergsiedlung (Drucksachen 13/393, 13/764) d-i) Beratung der Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 16 bis 21 zu Petitionen (Drucksachen 13/728, 13/729, 13/816, 13/817, 13/818, 13/819) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: b) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 23 zu Petitionen (Drucksache 13/1002) c) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 25 zu Petitionen (Drucksache 13/1004) 2470 D Tagesordnungspunkt IV: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1996 (Drucksache 13/901) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Andrea Fischer (Berlin), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Soziale und gerechte Einkommensteuerreform 1996 (Drucksache 13/939) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt IV: b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 106 GG) (Drucksache 13/900) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 2472 C Joachim Poß SPD 2477 A Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 2478 D Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU 2482 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2486 A Gisela Frick F.D.P 2489 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 2490 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 2493 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2494 B Gunnar Uldall CDU/CSU 2495 C Dr. Barbara Hendricks SPD 2498 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2498 B Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 2500 C Wolfgang Ilte SPD 2502 D Heinz-Georg Seiffert CDU/CSU 2504 D Dieter Grasedieck SPD 2506 D Norbert Schindler CDU/CSU 2508 C Nächste Sitzung 2510 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2511* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2511* C 32. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 31. 03. 95 Beck (Bremen), BÜNDNIS 31. 03. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Büttner (Ingolstadt), SPD 31. 03. 95 Hans Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 31. 03. 95 Hartmut Dr. Glotz, Peter SPD 31. 03. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 31. 03. 95 Heym, Stefan PDS 31. 03. 95 Meißner, Herbert SPD 31. 03. 95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 31.03.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 31. 03. 95 Albert 90/DIE GRÜNEN Vergin, Siegfried SPD 31. 03. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilung Die Gruppe der PDS hat mit Schreiben vom 27. März 1995 mitgeteilt, daß sie ihren Wahlvorschlag zur „Wahl der Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses gemäß Artikel 53a des Grundgesetzes" - Drucksache 13/731- zurückzieht. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 29. März 1995 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Änderung der Verhaltensregeln" - Drucksache 13/857 - zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Rechtsausschuß Drucksache 13/152 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/8539 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 13/259 Nr. 1.3 Drucksache 13/343 Nr. 2.12 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/218 Nr. 96 Finanzausschuß Drucksache 13/343 Nr. 2.9 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/478 Nr. 2.3
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    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist seit Jahren Tradition, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Rahmen der dritten Lesung hier im Plenum spricht. Ich halte das für eine gute und sachgerechte Tradition.
    Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen einige Besonderheiten der Beratungen der letzten Monate herausstellen: Für viele Ausschußmitglieder war dies ein Haushalt zum Lernen. Immerhin setzt sich der Haushaltsausschuß seit Beginn dieser Legislaturperiode zu einem Drittel aus neuen Mitgliedern zusammen. Diese neuen Mitglieder haben sich mit großem Engagement und Arbeitsaufwand erst einmal in die schwierige Materie einarbeiten müssen. Das war schon eine Bravourleistung.

    (Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Die Beratungen verliefen wie in der Vergangenheit konstruktiv und sachlich, obwohl rund 450 schriftliche Anträge zu beraten waren, Anträge nicht etwa von den kleinen Parteien, sondern im wesentlichen von den großen Fraktionen: von der Koalition und der SPD.
    Lassen Sie mich zu dieser Antragsflut einige kritische Anmerkungen machen. Ich denke, das Berichterstattersystem, das wir seit Jahren praktizieren, hat
    sich bei den Haushaltsberatungen sehr bewährt. Anders könnte dieser Bundeshaushalt mit immerhin 10 800 Ausgabetiteln und über 9 000 Einnahmetiteln nicht sachgerecht beraten werden.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Daher, meine Kolleginnen und Kollegen, ist es sicherlich kein gutes Verfahren, wenn über Arbeitsgruppen oder Fraktionen dieses System durch eine stark steigende Zahl nachgeschobener Anträge überholt wird.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das macht die Beratungen unübersichtlich und ist der Sache nicht dienlich.
    Gestatten Sie mir auch noch eine Anmerkung am Rande in Richtung Koalition. Die Beratungen wurden immer dann völlig unübersichtlich, wenn man Spannungen in der Koalition fühlte. Über diesen Tatbestand könnte man nun länger philosophieren, da er nicht nur einmal vorkam. Ich will mir dies ersparen, weil es den ordnenden Händen der Obleute zu verdanken war, daß die Linie dann doch wieder beachtet wurde.
    Ich möchte den Obleuten Adolf Roth, Karl Diller, Wolfgang Weng und Oswald Metzger herzlich für ihre Mitarbeit danken.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Ich möchte in diesen Dank auch Barthel Kalb für die CSU und Frau Dr. Luft für die PDS einschließen. Sie haben konstruktive Arbeit geleistet.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern des BMF und insbesondere bei der Parlamentarischen Staatssekretärin, Frau Karwatzki, bedanken, die uns immer zur Verfügung gestanden hat.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Meine Damen und Herren, wenn ich einmal dabei bin zu danken, möchte ich dem Ausschußsekretariat herzlich danken.

    (Beifall im ganzen Hase)

    Die Sekretariatsmitarbeiter haben seit Januar Tag und Nacht - das meine ich im wörtlichen Sinne - zur Verfügung gestanden. Die Arbeitsleistung wird an einer einzigen Zahl deutlich. Vom 1. Februar an bis heute sind über 100 000 Blatt Papier nur für den Haushaltsausschuß gedruckt worden, die alle von Ihnen gelesen und verarbeitet wurden, aber zunächst einmal von den Mitarbeitern zu erstellen waren.
    Meine Damen und Herren, in den Ausschußberatungen habe ich sehr bedauert, daß die Starrheit der Koalition selbst bei kleineren Änderungsanträgen nicht zu überwinden war. Vorschläge, die von den Oppositionsparteien kamen - egal, von welcher Gruppierung -, selbst wenn sie in der Sache von dem einzelnen Kollegen für richtig gehalten wurden, wurden nicht beachtet. Die Beratungen haben deutlich

    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    darunter gelitten, daß die Koalition in ihren Vorberatungen wohl sehr mühevoll zu Einigungen gekommen ist. Handlungsspielräume waren für den einzelnen nicht mehr gegeben.

    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Für uns erst recht nicht!)

    Ich denke, wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir die Kollegen aus den einzelnen Bereichen durch Vorberatungen und Vorfestlegungen so in ein Korsett zwängen, daß wir gelegentlich die Grenze der Unabhängigkeit der einzelnen Kollegen sicherlich angekratzt haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Erinnern wir uns daran, daß das Parlament der Haushaltsgesetzgeber ist und nicht die Koalitionskungelkreise. Das möchte ich hier ganz ausdrücklich und deutlich ansprechen

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen noch einmal: Das Parlament legt die Ansätze fest und darf es nicht der Exekutive überlassen, wo Erhöhungen und Einsparungen vorgenommen werden. Das ist in diesem Jahr wesentlich deutlicher gewesen als in den Vorjahren.
    Der Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, lieber Detlev, gebietet es aber, daß auch bei den Erhöhungsanträgen Farbe bekannt wird. Erhöhungsanträge, die damit begründet werden, daß aus allgemeinen Finanzmitteln die Dekkung kommen kann, darf es nicht geben. Von einer verantwortungsbewußten Koalition darf so ein Wort überhaupt nicht in den Mund genommen werden. Wenn eine Finanzierung nur über neue Schulden möglich ist, dann sagen Sie es bitte deutlich, und dann sollten wir das auch so zur Kenntnis nehmen.
    Mit großer Sorge verfolge ich, daß in den vergangenen Jahren in immer stärkerem Maße politisch Verantwortliche keinen Versuch mehr unternehmen, Politik zu gestalten, sondern sich darauf zurückziehen, daß kein Geld da sei. Ich erinnere an die Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre, in denen immer wieder Vertreter der Regierung, aber auch der Fraktionen den Haushaltsausschuß oder den Finanzminister dafür verantwortlich machten, daß sie keine Politik mehr gestalten könnten. Man macht es sich zu einfach, durch den bloßen Hinweis auf allgemeine Sparzwänge auf die eigene gestalterische Rolle in der Politik zu verzichten.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ist es nicht gerade in Zeiten knapper Haushaltsmittel so, daß wir alle gezwungen sind, die Ausgaben grundlegend zu überprüfen? Kann man oder müßte man dies nicht zum Anlaß nehmen, die tatsächlichen und besonders ausgabewirksamen Problembereiche eher verstärkt anzugehen?
    Diese Erkenntnis setzt sich in der Bevölkerung immer mehr durch, obwohl leider der Bundeskanzler im Zusammenhang mit der deutschen Einheit den gravierenden historischen Fehler begangen hat, die vorhandene Opferbereitschaft in der Bevölkerung nicht abzurufen, sondern statt dessen die Staatsverschuldung bewußt in Kauf genommen hat.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Durch die von der Staatsschuld verursachte Zinsbelastung ergibt sich, daß im Gesamtvolumen des Bundeshaushalts nur wenige disponible Größen enthalten sind. 90 oder gar 95 % der Ausgaben sind gebunden. Besonders deutlich wird das Ausmaß, wenn man sich vor Augen hält, daß der Etat des Bundesarbeitsministers und die Bundesschuld gemeinsam mehr als 50 % des Gesamtvolumens des Haushalts binden. Es bleibt in der Tat nur wenig Gestaltungsspielraum.
    In diesem Zusammenhang stellt sich mir auch die Frage, ob nicht das aus gutem Grund in unserer Geschäftsordnung vorgesehene Instrument des § 96, wonach die Vereinbarkeit mit der Haushaltslage Grundvoraussetzung für die Verabschiedung eines jeden kostenwirksamen Gesetzes ist, zu einer stumpfen Waffe verkommen ist.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Leider wahr! Uta Titze-Stecher [SPD]: Wenn wir das zulassen!)

    - Gelegentlich werde ich das Gefühl nicht los, Herr Kollege Weng, daß das Selbstbewußtsein - oder sollte man sagen: die Konfliktbereitschaft - der Haushälter der Koalition dem Druck der Regierung nicht standhält, und das ist ein Armutszeugnis.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Ina Albowitz [F.D.P.]: Na!)

    Meine Damen und Herren, die Möglichkeiten linearer und titelweiser Kürzungen sind zunehmend ausgereizt. Nur durch strukturelle Veränderungen des Haushalts, d. h. in der langfristigen Neuorganisation von Politikbereichen, können neue Lösungen gesucht werden. Dies ist unsere vornehmste Pflicht, denn die Aufgabe der heutigen Politik ist nicht nur die Bewältigung der Gegenwart, sondern die Gestaltung der Zukunft.
    Das gebietet einfach unsere Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Die Finanzpolitik und insbesondere die Haushaltspolitik müssen sich darauf besinnen, daß sie eine dienende Funktion haben, um Politik für die Menschen zu ermöglichen. Die gestalterische Rolle der Politik müssen sie den Fachbereichen überlassen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich möchte noch einmal dringend daran appellieren, sich nicht ständig hinter dem Argument knapper Finanzen zu verstecken, sondern endlich auch strukturell neue Lösungen zu entwickeln, um den Staat

    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    wieder handlungsfähig zu machen. Die Kommunen haben den Bund, was Innovationen angeht, längst überholt und sind in der Gestaltung des Lebens ihrer Bürger weitaus kreativer.
    Meine Damen und Herren, nach wie vor fehlt es der Politik aber an Mut. Hierzu rechne ich den Mut, den Bürgern unangenehme Wahrheiten zu sagen. Das gilt auch für den Bereich der Subventionen und der Steuervergünstigen, deren mögliche Abschaffung in jedem Jahr erneut diskutiert wird, um diese dann doch fortzuschreiben.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Dabei bin ich mir natürlich darüber im klaren, daß es zu kurz gedacht ist, wollte man dem radikalen Vorschlag folgen, Subventionen von heute auf morgen zu streichen. Wenn man das tut, wird man nur einen Verschiebebahnhof haben; denn binnen kurzem wird man die gleichen Ansätze in Zuschüssen bei der Bundesanstalt für Arbeit wiederfinden.
    Subventionen, meine Damen und Herren, die vom Staat gegeben werden, müssen der Branche eine Anpassung an nicht selbst verschuldete Absatz- oder Herstellungsprobleme ermöglichen. Sie dürfen nur auf Zeit gegeben werden und müssen immer, Frau Albowitz, den Charakter einer Anpassungshilfe haben.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Widerspruch bei der F.D.P. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sie machen doch das totale Gegenteil!)

    - Ich sage Ihnen, das beste Beispiel dafür ist die Werfthilfe, die jetzt ausläuft und bei der diese wichtige Strukturveränderung nur mit einer Hilfe des Staates bewältigt werden konnte.

    (Beifall bei der SPD Ina Albowitz [F.D.P.]: Die Kohle!)

    - Weil Sie gerade von der Kohle sprechen, Frau Albowitz: Es gibt einen zweiten Bereich der Subventionen, den ich gern nun noch ansprechen würde. Dann ist das Bild rund, und dann können Sie sich wieder auslassen. Ich meine die Subventionen, die aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen heraus gegeben werden - wie dies bei der Landwirtschaft und bisher bei der Energieversorgung der Fall war - und die zur Daseinsvorsorge der Menschen in unserem Lande gehören. Aber auch in diesem Bereich - das gebe ich gerne zu - müssen wir regelmäßig überprüfen, ob die Grundlagen für die Hergabe von Subventionsmitteln noch gegeben sind.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. - Ina Albowitz [F.D.P.]: Da sind wir wieder einig!)

    Aber, Frau Albowitz, Subventionsmittel müssen kalkulierbar und ihr Abbau muß planbar sein. Wir können nicht von heute auf morgen hinein- und wieder herausspringen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Diejenigen, die Forderungen nach sofortigen Subventionsstreichungen stellen, müssen sich vorhalten lassen, daß sie dabei etwas Entscheidendes übersehen; ich meine das schlimmste Übel unserer Gesellschaft, die Arbeitslosigkeit und das damit verbundene persönliche Schicksal.
    Lassen Sie mich bei diesem Aspekt einen Moment verweilen. Verschärft wird die Problematik dadurch, daß derjenige, der bei uns arbeitslos wird und nicht innerhalb kurzer Zeit einen neuen Arbeitsplatz findet, befürchten muß, Langzeitarbeitsloser zu werden. Noch größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Abhängigkeit von der Sozialhilfe zum Schicksal wird, das in vielen Fällen auch die Lebensläufe kommender Generationen beeinträchtigt. Ich begrüße daher ausdrücklich die erneute Aufnahme des Wiedereingliederungsprogrammes für Langzeitarbeitslose zumindest bis Ende 1998.
    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Hinweis auf das schwierigste Kapitel des Haushaltes, und zwar das Kapitel, das im Einzelplan 32 geregelt wird: die Bundesschuld. Wenn man die Nachrichten der letzten Wochen verfolgt hat, weiß man, daß dies immer wieder ein beherrschendes Thema ist. Es ist schon frappierend, wie wir mit der deutschen Sprache umgehen. Wir sprechen einerseits von einem „Sparhaushalt" und leisten uns andererseits eine Nettokreditaufnahme, also eine Neuverschuldung, von 50 Milliarden DM. Die Gesamtkreditaufnahme des Bundes - das wird oft übersehen, wenn die Wirkung des Bundes auf die allgemeinen Kapitalmärkte beurteilt wird - beträgt in diesem Jahr 200 Milliarden DM, auch wenn diese Bruttokreditaufnahme natürlich auch die Rückzahlung von Schulden der vergangenen Jahre beinhaltet. Aber man muß sich einmal über die Marktmacht der Bundesnachfrage nach Geld klar werden.
    Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen kaum etwas Neues, wenn ich darauf hinweise, daß der Umfang der Verschuldung des Staates das zentrale finanzpolitische Thema ist und zu den ältesten und aktuellsten Themen der Finanzwirtschaft gehört. Öffentliche Verschuldung - das sage ich, Herr Kollege Roth, hier ganz klar und deutlich - ist sicher dann vertretbar, wenn wichtige öffentliche Investitionen, die längerfristig eine optimale Entfaltung des Wachstumspotentials der Volkswirtschaft erlauben, zügig bereitgestellt werden müssen. Voraussetzung dafür ist, daß die Schuldenfinanzierung gegenüber der Steuerfinanzierung die Leistungsbereitschaft der Bürger weniger beeinträchtigt. Daneben ist die Schuldenfinanzierung wohl notwendig und auch zu rechtfertigen, wenn hierdurch kommenden Generationen eine hinreichende Infrastruktur überliefert wird,

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Wie im Falle der deutschen Einheit!)

    sie dann aber auch an der Finanzierung dieser Einrichtungen beteiligt werden.
    Im Augenblick ist es aber so, daß das stabilisierungspolitische Ziel der staatlichen Verschuldung stärker in den Mittelpunkt gerückt wird und in den

    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    letzten Jahren ein großer Teil unseres Schuldenniveaus hierauf beruht. Daß jede Regierung bestrebt ist, mit einer wohlfahrtsstaatlich ausgerichteten Politik ein Maximum an Wählerstimmen zu erreichen, liegt auf der Hand. Wenn Politik, wie in den letzten Jahren, auf Pump finanziert wird, dann wird der Anschein erweckt, das Angebot an öffentlichen Gütern könne quasi zum Nulltarif bereitgestellt werden. Dadurch hat die Bundesregierung das von ihr beklagte Anspruchsdenken in der Gesellschaft selbst erzeugt. Die Geister, die Sie selbst riefen, werden Sie nun, wie es im „Zauberlehrling" heißt, nicht mehr so recht los.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Die Bürger reagieren verdrossen, politikverdrossen.
    Die Neuverschuldung muß auf eine Größenordnung heruntergefahren werden, die weder die Menschen heute noch künftige Generationen knebelt. Davon aber sind wir mit der von der Bundesregierung für dieses Jahr vorgelegten Kreditermächtigung noch sehr weit entfernt.
    Meine Damen und Herren, wir sind uns hier im Hause doch völlig einig darüber, daß es unakzeptabel ist, das gegenwärtige Verschuldungsniveau ohne Besserungsperspektive auf längere Sicht andauern zu lassen. Das Problem einer für Deutschland beispiellosen Abgabenquote mit einer beispiellos hohen Neuverschuldung ist so groß, daß es nicht rein fiskalisch gewertet oder gelöst werden kann. Diese Problematik verbietet es, Lösungen in ständigen Abgabenerhöhungen und unsystematischen Einsparungen zu suchen. Vielmehr sollten die Finanzpläne der öffentlichen Haushalte in Deutschland gedanklich und sachlich im Zusammenhang mit einer kritischen Betrachtung unseres Steuersystems, mit der Struktur und den Kosten unseres Sozialsystems, mit der nachlassenden Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft und mit der zunehmend gefährdeten Stellung der Industrie im internationalen Wettbewerb gesehen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Hierbei sind die Risiken einzubeziehen, die sich aus einer nicht mehr zu durchschauenden Wechselkurspolitik ergeben.
    Meine Damen und Herren, nicht erst seit heute weise ich darauf hin, daß der größte Risikofaktor für die deutsche Wirtschaft nicht nur die Standortbedingungen im Inneren unseres Landes sind, sondern die Standortbedingungen, die sich aus der außenwirtschaftlichen Positionierung der D-Mark im internationalen Währungsgefüge ergeben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wenn wir über den Standort Deutschland reden, müssen wir auch den Außenwert der D-Mark objektiv und ohne Scheuklappen bewerten. Der Außenwert der D-Mark entspricht schon seit einiger Zeit nicht mehr der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
    Wir müssen im Augenblick feststellen, daß die Wechselkursrelationen der nationalen Währungen zueinander nicht mehr die Positionierung der nationalen Wirtschaftsstandorte in der Weltwirtschaft zutreffend ablichten. Wir haben es damit zu tun, daß große Geldmengen in unterschiedlichen Währungen in Sekundenschnelle um die Welt geschickt werden können, ohne daß die Staatsbanken darauf unmittelbaren Einfluß haben. Die Staatsbanken selbst sind nicht mehr in der Lage, auf diese ungeheure Flexibilität nichtstaatlicher Marktteilnehmer auch nur zu reagieren.
    Daneben ist die unterschiedliche Interessenlage der einzelnen Währungsgebiete nicht zu verachten. Bei der Unterbewertung der eigenen Währung entstehen für die eigene Wirtschaft Wettbewerbsvorteile; bei Überbewertung entsteht eine Herausforderung zur Produktivitätssteigerung und zur Kostensenkung. Wird diese Herausforderung nicht mehr gemeistert - ich denke, wir haben die Grenze des Möglichen fast erreicht -, dann gehen Märkte und Investitionen an das Ausland verloren.
    Dieses ökonomische Einmaleins steht im Widerspruch zum eigenen Erleben der Bürger. Aufwertungen der nationalen Währungen werden von der öffentlichen Meinung als Erfolg, Abwertungen als Mißerfolg der Wirtschaftspolitik empfunden und beim Urlaub im Ausland auch so wahrgenommen. So galt es beispielsweise als großer Erfolg der Reaganomics, daß Mitte der 80er Jahre der Dollar gegenüber allen anderen westlichen Währungen einen Höchststand erreichte. Erst später war man bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Wirtschaftskraft und der Dollarkurs nicht miteinander korrespondierten und damit der Beginn einer tiefen Wirtschaftskrise in den USA eingeläutet wurde.
    Deutschland, unser Land, meine Damen und Herren, befindet sich heute in einer ähnlichen Gefahr. Wie eine Monstranz vor der Prozession tragen der Bundesfinanzminister und wir alle den Außenwert der D-Mark vor uns her. Die Bundesbank verficht mit wechselnden Argumenten einen Weg, der durch eine Leitzinsführungspositionierung den Wechselkurs der D-Mark wesentlich bestimmt. Dieser Kurs, meine Damen und Herren, ist aber weder durch die Faktorkosten noch durch das technologische Zukunftspotential des außenhandelsabhängigen Wirtschaftssegmentes der deutschen Volkswirtschaft nachzuvollziehen.
    Meine Damen und Herren, die D-Mark ist gedopt, und dieses Zinsdoping der D-Mark impliziert eher größere Gefahren für den Industriestandort Deutschland als das Dollardoping Mitte der 80er Jahre in den USA, weil im Unterschied zu den USA die deutsche Wirtschaft außenhandelsabhängiger ist. Die derzeit populäre Vorstellung, durch Senkung der Lohnkosten dieses Problem lösen zu können, führt durch den Nachfrageausfall nur immer tiefer in die Rezession.

    (Beifall bei der SPD)

    Nein, meine Damen und Herren, saldenmechanisch würde ein stark defizitärer Staatshaushalt das Vertrauen in die Währung eher schmälern und sie abwerten.

    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    Ich möchte gerne wiederholen, was der Staatssekretär Ludewig in der letzten Haushaltsausschußsitzung über den Zusammenhang zwischen Wechselkurs und Arbeitskosten in einem Nebensatz gesagt hat - ich gebe zu, ich habe ihn dazu animiert. Er hat sinngemäß ausgeführt: Die Lohnerhöhungen, über die in der Metallindustrie jetzt so entschieden gestritten wurde, haben für den Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus, aber insbesondere für den Bereich des Automobilbaus im Verhältnis zu den Veränderungen der Wechselkurse in den letzten vier Wochen nur höchstens ein Viertel der Belastung ausgemacht, die wir bei Wechselkursen in den vier Wochen hatten. - Das stellt die Dimension unseres Problems dar. Wir aber sind immer bereit, uns an den Arbeitskosten auszulassen und die wirklichen Zusammenhänge zu verdrängen.
    Die Bundesbank hat den ersten Schritt getan. Sie ist aufgefordert, diese Entwicklung sehr verantwortungsbewußt zu beobachten und die nötigen Schritte zur Zinsanpassung einzuleiten. Für die Bundesregierung aber kann das nur heißen: Rückführung der Staatsverschuldung. Das allerdings ist auch das Kredo, das wir über die Haushaltsberatungen der nächsten Jahre setzen müssen: neue Strukturen, Rückführung der Verschuldung. Dann, denke ich, werden wir auch einigermaßen optimistisch in die Zukunft sehen können und die Zukunft gestalten können, wenn uns die Fachbereiche dabei helfen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Wilfried Seibel (CDU/CSU).

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    Rede von Wilfried Seibel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluß dieser Haushaltswoche sollten wir in dritter Lesung den Haushalt des Bundes in den gesamtwirtschaftlichen Kontext stellen. Die Staatsquote erreicht 1995 weit über 50 % - für mein ordnungspolitisches Verständnis vom Verhältnis zwischen öffentlicher Hand und Privaten ein unerträglicher Zustand. Ich kann ihn politisch erdulden und mittragen, weil das überaus erfreuliche Ereignis deutsche Wiedervereinigung diesen Tatbestand rechtfertigt.
    Seit 1967 verlangt das sogenannte Stabilitätsgesetz von uns allen im Bundestag die Verfolgung von vier gleichwertigen Zielen: Geldwertstabilität, ausgeglichene Handelsbilanz, Wachstum und Vollbeschäftigung. In vielen - wie ich persönlich meine: zu vielen - Reden dieser Woche ist mit aufgeblähter Rhetorik, übertriebener Empörung und viel zuviel Polemik der objektive Befund darüber hier nicht geleistet worden, wenn nicht sogar absichtlich verhindert worden.
    Wir können diskutieren und Verteilungskämpfe ohne Ende führen: Wir schließen die weltweite Konkurrenz für unsere Produkte nicht aus. Die Wahrheit ist, daß wir nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir mit unseren Produkten weltweit konkurrieren können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nur wenn es flexiblere Arbeitszeiten, andere Maschinenlaufzeiten, offene Tarifstrukturen gibt und mehr Bereitschaft gezeigt wird, auch auf den internationalen Märkten für den Absatz unserer Produkte einzutreten, wird es uns gelingen, auf Dauer unser außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu behalten, Beschäftigung im Lande zu haben und den hohen Standard sozialer Fürsorge zu sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Jahr 1994 hat eine gute Außenhandelsbilanz erbracht. Die Zeichen für 1995 stehen so, daß es noch besser werden kann.
    Jeder von uns verfolgt die Turbulenzen an den Währungsmärkten. Die Tatsache, daß große Geldbeträge nach Deutschland fließen, hat Vorteile, birgt aber auch Gefahren. Dennoch gibt es kein besseres Kompliment für die Bundesbank und für die deutsche Regierung als die Tatsache, daß diejenigen Menschen, die Geld anlegen können, dies zuallererst in Deutscher Mark tun. Die Wertschöpfung ist in anderen Teilen der Welt nicht schlechter als bei uns; aber die Flucht in die D-Mark hat ihre Hauptursache darin, daß unsere politischen Verhältnisse als die stabilsten angesehen werden. Dieses Vertrauen der internationalen Geldanleger in unseren Staat, in unsere Regierung dauert an, obwohl die SPD nicht müde wird, Tag für Tag zu erklären, daß sich Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland geradezu im Desaster befinden.
    Die Wirtschafts- und Finanzpolitik eines Staates wird wesentlich daran gemessen, welche Summen sie im Haushalt bewegt. Aber - das wissen wir seit Ludwig Erhard und auch seit Karl Schiller in ganz besonderer Weise - es gibt auch psychologische Effekte in der Wirtschaftspolitik. Ich behaupte, diese Effekte sind oft wichtiger als die Geldströme, die durch die öffentlichen Haushalte gehen. Insofern, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, tragen Sie mit Ihrer Darstellung - oder sollte ich besser sagen, mit Ihrer Verfälschung - unserer realen Situation Mitverantwortung für negative psychologische Effekte in der Wirtschaftspolitik.

    (Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

    Wenn Sie mit dieser falschen Beschreibung fortfahren, wirkt sich das kontraproduktiv aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Für das Jahr 1994 haben alle wissenschaftlichen Institute relativ übereinstimmend ein Wachstum von 1,5 % vorausgesagt. Eine höhere Instanz deutscher

    Wilfried Seidel
    Politik, jemand, der es immer besser weiß, hat kein Wachstum vorausgesagt: der Schattenminister Oskar Lafontaine. Er hat sich getäuscht, und deswegen bleibt er vorerst auch im Schattenreich.
    Wir alle wissen es: Tatsächlich haben wir 1994 nicht nur die vorausgesagten 1,5 % Wachstum erreicht, sondern 2,5 %. So wird es auch 1995 sein. Dieses Wachstum hat mehr Menschen Arbeit gebracht. Deshalb können wir uns bei den Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit entlasten. Es hat aber auch mehr Steuern erbracht, die uns die Möglichkeit eröffnet haben, Notwendigkeiten in der deutschen Politik mit Geld auszustatten, so z. B. in der Familienpolitik. Es gibt keine bessere Beschäftigungspolitik und keine bessere Politik, zu mehr Staatseinnahmen zu kommen, als ein wirtschaftliches Wachstum.
    Richtig ist: Die offene Wunde deutscher Politik ist die zu hohe Arbeitslosigkeit. Manche rhetorische Verrenkung dieser Woche hat sich bemüht, für diesen Zustand einen Alleinschuldigen zu nennen, nämlich die Bundesregierung. Für mein Gefühl überschreitet eine solche Polemik die Grenze der Redlichkeit und des guten Geschmacks.
    Tatsächlich gibt es mindestens drei leicht einsehbare Ursachen für die Arbeitslosigkeit. Erstens sind es die strukturellen Effekte, die sich aus einer schärfer gewordenen weltweiten Konkurrenz ergeben. Zweitens ist es der konjunkturelle Verlauf, drittens die Umstrukturierung einer kommunistischen Wirtschaft der ehemaligen DDR, die zwar auf dem Papier jedermann Arbeit gab; aber es gab halt auch Betriebe, die noch vor fünf Jahren 350 Beschäftigte hatten und heute mit 20 Beschäftigten auskommen, und das bei gleicher Produktion.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Der Haushalt für 1995 braucht zur Deckung immer noch eine Staatsverschuldung; aber sie ist deutlich auf einen Wert von unter 50 Milliarden DM zurückgeführt worden. Der Haushalt paßt in die wirtschaftliche Landschaft. Er wird den Notwendigkeiten gerecht und ermöglicht Wirtschaft, Staat und Gesellschaft die Verfolgung der hier eben näher beleuchteten vier Ziele. Er ist ein verantwortungsbewußter Haushalt. Wir alle können ihm zustimmen und damit unserer Verantwortung gerecht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zum Beweis für diese These sollten Sie - das rate ich Ihnen - die Bemerkungen im letzten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank lesen.
    Ein klarer Beweis für die effektive, zukunftsorientierte Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist der Beschluß des Zentralbankrates der Bundesbank vom gestrigen Tage. Die deutschen Währungshüter, zu denen ja auch qualifizierte Finanzpolitiker der SPD gehören, haben die Leitzinsen gesenkt.
    Ganz anders stellt sich die Bewertung durch die große Oppositionspartei hier im Bundestag dar. Frau Matthäus-Maier hat den Bundeshaushalt mit den Worten kommentiert:
    Die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger ist die höchste aller Zeiten; die Staatsverschuldung ist die höchste aller Zeiten; die Zinsbelastung . . . ist die höchste aller Zeiten.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Zurufe von der SPD: Das stimmt doch alles! Jawohl!)

    - Klatschen Sie nicht zu früh! - Schuld daran sei der Finanzminister Waigel.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Auch richtig!)

    Der I-lerr Kollege Scharping hat von Erstarrung, Stagnation und der Unfähigkeit gesprochen, unser Land wirtschaftlich und sozial stark zu machen.

    (Beifall bei der SPD Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Besser kann man es nicht sagen! Weitere Zurufe von der SPD: Richtig! Leider wahr!)

    - Ich würde mich freuen, wenn Sie gleich noch einmal klatschen würden.
    Ich halte den Bundestag für den besten Ort, an dem die Konkurrenz von Ideen und politischen Vorstellungen ausgetragen werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Die Regierung hat ihre Vorstellungen mit dem Haushaltsentwurf auf den Tisch gelegt. Alle Kollegen im Haushaltsausschuß haben diesen Entwurf intensiv beraten und verändert. Es war der Haushaltsausschuß - und nicht die Regierung -, der noch eine zusätzliche Ersparnis durchgesetzt hat.
    Im Verlauf der Beratungen im Haushaltsauschuß sind von der SPD und den GRÜNEN - auch die PDS wollte nicht hintanstehen - unzählige Änderungsanträge auf Steigerung der Ausgaben des Haushalts in Milliardenhöhe gemacht worden. Seit Eintritt in die zweite Lesung des Haushalts im Plenum ist der Berg der rosa Zettel mit Ausgabenerhöhungsanträgen immer stärker angeschwollen. Stündlich kommen neue dazu.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Wie dies alles bezahlt werden soll, wenn man die Steuern nicht erhöhen will, die Arbeitskosten entlasten will und die Verschuldung des Staates zurückführen will, hat uns die SPD nicht gesagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU Hans Georg Wagner [SPD]: Das ist die Unwahrheit!)

    Nicht ein einziger ernstzunehmender Kürzungsvorschlag ist zu finden; und dann wagen Sie es, in

    Wilfried Seidel
    dem heute vorgelegten Entschließungsantrag davon zu reden, daß energische Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Ich hätte es als beglückend empfunden, wenn in den Beratungen des Ausschusses oder in den Debatten des Plenums in dieser Woche vom sozialdemokratischen Gegenentwurf zur Politik der Bundesregierung nicht nur geschwärmt worden wäre, sondern wenn er als Konkurrenzmodell, ausgerechnet in Mark und Pfennig, hier vorgelegt worden wäre.
    Wenn das nun in der Bundestagsfraktion der SPD derzeit nicht machbar ist, kommt das Alternativmodell zu dem behaupteten Jammertal vielleicht aus denjenigen Bundesländern, in denen die SPD mit absoluter Mehrheit regiert.
    Also habe ich mich am Donnerstag der vergangenen Woche zur dritten Lesung des niedersächsischen Landeshaushaltes in den hannoverschen Landtag begeben. Der Weg dorthin war schwierig, verstellt mit Tausenden von protestierenden Schülern. Ich denke, ich kann mir Details ersparen.
    Aber wenn Ihr Urteil über den Bundeshaushalt, das man hier während der ganzen Woche aus sozialdemokratischen Mündern hören konnte, zuträfe, dann ist das, was der Hoffnungsträger Gerhard Schröder in Hannover macht, die Zerschlagung aller staatlichen Tätigkeit schlechthin.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Warum nutzt denn die deutsche Sozialdemokratie nicht die Chance, in den Städten und Gemeinden und in den Ländern, in denen sie die absolute Mehrheit hat, eine Politik zu praktizieren, die das Soziale vornanstellt, die Abgaben und Gebühren senkt, die Verschuldung zurückführt und gleichzeitig staatliche Impulse für eine Zukunftssicherung der Wirtschaft gibt?

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Weil sie das nicht kann!)

    Wie ist das denn in Niedersachsen mit dem neuen Konzept für Ökonomie und Ökologie? Die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, Frau Hoops, hat es auf den Punkt gebracht: Die einzige Politikerin in Niedersachsen, die es für den Geltungsbereich ihrer Familie verstanden hat, Ökologie und Ökonomie zusammenzuführen, ist Frau Monika Griefahn.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf des Abg. Hans Georg Wagner [SPD])

    - Ach, Herr Wagner, fällt Ihnen nichts Besseres ein? Armer Wicht!
    Nun hat Herr Scharping gestern hier im Bundestag ausgeführt, daß die SPD in Kürze eine Reihe von Gesetzentwürfen in den Bundestag einbringen werde, die eine Alternative zur Regierungspolitik z. B. bei der Familienförderung und auf anderen Feldern darstellen würden.
    An dem guten Willen und der Entschlossenheit zweifele ich nicht. Unter Umständen liegen diese Entwürfe der SPD zum Haushalt 1996 ja auch vor. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie es doch für den Haushalt 1995 nicht auf die Reihe kriegen, dann sollten Sie doch den Mut haben, einzugestehen, daß man für diesen Haushalt keine Alternativen vorlegen kann

    (Zuruf von der SPD: Zuhören!)

    und daß man in Ermangelung eigener besserer Vorschläge dem Haushalt 1995 zustimmt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Aber nein, Sie beschreiten einen anderen Weg: Sie erliegen - ich möchte das einmal so sagen - dem WDR-Syndrom. Der WDR ist die größte öffentliche Sendeanstalt in Deutschland. Dort hat man das Weihnachtsprogramm für 1995 schon längst produziert. Im Moment arbeitet man an der Planung für das Osterprogramm 1996. Das setzt nun voraus, daß sich die verantwortlichen Redakteure irgendwann im Mai oder Juni entscheiden müssen, ob es Ostern 1996 regnet, schneit oder ob die Sonne scheint. Danach wird produziert. Eine Änderung ist später nicht mehr möglich.

    (Zuruf von der SPD: Was hat das denn mit dem Haushalt zu tun?)

    - Ich komme gleich darauf.
    Hier in Bonn hat es völlig gegen die Normalität des Kalenders vor wenigen Tagen geschneit. Der WDR sendete aber Frühlingslieder, Frühlingsgedichte und regte die Menschen zum Spaziergang draußen an. Das hatte man ja vor einem Jahr so geplant. Wer morgens vor dem Weg zur Arbeit Radio hörte, ist mit Sommerreifen losgefahren und fand sich unter Umständen danach im Straßengraben wieder.
    Andere Sender, die nicht soviel Geld und Bürokratie haben, machen ihr Programm anders: Dort betritt der Redakteur morgens das Studio, macht das Fenster auf und hält den Finger heraus. Wenn es regnet, macht er ein Regenprogramm, und wenn die Sonne scheint, macht er ein Sonnenprogramm.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Unruhe bei der SPD)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nutzen Sie die bevorstehende Osterpause des Parlaments, nutzen Sie die Zeit bis zur Beratung des Haushalts 1996! Machen Sie in der Anstalt SPD die Fenster auf! Halten Sie den Finger heraus! Achten Sie auch darauf, was die Leute sagen, die Ihnen nicht nur Beifall zollen, und korrigieren Sie Ihr Bild von dieser Republik in harter Konfrontation mit den Realitäten in diesem Staate! So, wie Sie unser Land beschreiben, sieht es die Mehrheit der Bürger - Gott sei Dank, sage ich - nicht.
    Daß es bei der SPD so laufen könnte wie beim WDR, beweist der heute von Ihnen vorgelegte Entschließungsantrag auf ca. 30 Seiten. Ich habe den Eindruck, Ihr Intendant hat alle Redaktionen in der

    Wilfried Seidel
    Sendeanstalt SPD aufgefordert, ihre Programmwünsche für das nächste Jahr aufzuschreiben. - Abgabetermin gestern. Dann ist das alles brav zusammengeschrieben worden: 27 Seiten!
    Ein beachtlicher Katalog an Ausgabenwünschen liegt hier vor. Aber Gedanken darüber, wie das alles bezahlt werden soll, findet man in diesem Programm natürlich nicht.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Warum auch?)

    Dafür hat man ja den Gebührenzahler. Wenn das Geld für das Programm nicht reicht, dann werden eben die Gebühren erhöht.
    Genau das wollen wir nicht. Die Koalition will die Staatsquote deutlich unter 50 % senken und damit entstaatlichen und Raum für private Initiative geben.
    Meine Damen und Herren, CDU und CSU stimmen dem Haushalt in der vorliegenden Ausschußfassung zu.

    (Zuruf von der SPD: Tolle Überraschung!)

    Wir wissen, daß dieser Haushalt der Verantwortung für unseren Staat gerecht wird und daß er in die konjunkturelle Landschaft unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik paßt.
    Die Bürger in diesem Land wissen sehr genau, warum sie der Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. die Mehrheit gegeben haben. Unsere Politik für den Bürger ist eine Garantie dafür, daß sie nicht morgens mit Sonnenschein-Musik aus dem Haus gelockt werden, obwohl es draußen schneit, und von Machern falscher Programme dem Risiko ausgesetzt werden, in den Graben zu fahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der SPD: Das war Kabarett!)