Rede von
Prof.
Gisela
Frick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Die grundsätzliche Bereitschaft ist vorhanden - da haben Sie mich richtig verstanden -, aber es bleibt natürlich bei dem Finanzvolumen, das wir vorgesehen haben. Das heißt umgekehrt: Ich kann auf keinen Fall sagen, daß mir persönlich und, soweit ich das überblicken kann, auch meiner Fraktion die jetzige Regelung, die im Entwurf steht, geradezu ein Herzensanliegen sei, das wir mit Zähnen und Klauen verteidigen würden. Das ist ganz sicher nicht der Fall.
Aber das Finanzvolumen muß natürlich stimmen.
Gisela Frick
- Wir werden ja sehen. Wir haben die Aufzählung heute schon häufiger gehört. Die dicksten Brocken in dem Kompensationsvorschlag der Bareis-Kommission sind Dinge, bei denen Sie erfahrungsgemäß deutliche Schwierigkeiten haben, nämlich die Besteuerung der Lohnersatzleistungen, die Sonntags- und Nachtarbeitzuschläge usw.
- Wir werden das alles sehen. Ich höre das sehr gerne. Ich hoffe, daß wir dann eine entsprechend konstruktive Arbeit im Finanzausschuß leisten werden; denn die Systematik in diesem Bereich stimmt auch uns bedenkenschwer. Wir müssen deutlich zugeben, daß das nicht ganz unser Traumergebnis ist. Es ist finanzierbar, es ist in den unteren und mittleren Bereichen entlastend - das ist für uns das Entscheidende -, und es ist verfassungsgemäß. Aber es ist sicher nicht die schönste denkbare Lösung. Daran können wir durchaus weiter konstruktiv arbeiten. - Das ist zum steuerfreien Existenzminimum zu sagen.
Der zweite Punkt: die Unternehmensteuerreform. Hier werden die Unterschiede sehr viel deutlicher. Wir, die F.D.P.-Fraktion, unterstützen selbstverständlich den Vorschlag, die Gewerbekapitalsteuer endgültig abzuschaffen. Die Argumente sind hier schon mehrfach genannt worden; ich werde sie deshalb nur kurz wiederholen.
Die Gewerbekapitalsteuer ist eine Substanzsteuer, die unabhängig vom Ertrag erhoben wird und deshalb naturgemäß wirtschaftsfeindlich und damit auch arbeitsplatzfeindlich ist. Die Gewerbekapitalsteuer ist neben der Gewerbeertragsteuer eine einmalige Sonderbelastung im europäischen Vergleich. Das heißt, im Zeichen des europäischen Wettbewerbs oder auch des weltweiten Wettbewerbs können wir uns wegen der Wettbewerbsverzerrung eine solche Sonderbelastung unserer Wirtschaft nicht mehr leisten. Wir wollen sie uns auch nicht mehr leisten.
Von daher ist die Abschaffung der Gewerbesteuer, wenn wir sie aus der Sicht der Zahlenden betrachten, für uns ein eindeutiges Postulat.
Dazu kommt die Frage nach dem Zeitdruck. Sie haben gesagt: Es eilt doch nicht; lassen Sie sich Zeit. Es stimmt: Wir haben hier keine Verfassungsrechtsprechung, die uns dazu zwingt. Aber die EU-Frage bzw. die Frage der Einführung in den neuen Bundesländern ist auch nicht zu verachten. Wir wissen ganz genau: Wenn wir die Gewerbekapitalsteuer am Ende dieses Jahres nicht abgeschafft haben, sind wir aus EU-rechtlichen Gründen verpflichtet, sie zum 1. Januar 1996 in den neuen Ländern einzuführen. Was das bedeutet, wissen wir alle. Das brauche ich jetzt nicht noch einmal zu verstärken. Das heißt, wir kommen schon allein deshalb unter einen gewissen Zeitdruck. Die Wettbewerbssituation insgesamt ist ja auch noch nicht so, daß wir an allen Fronten Entwarnung blasen könnten. Wir wissen ganz genau, daß
wir noch sehr vieles tun müssen, um die Standortqualität weiterhin und nachhaltig zu verbessern. Von daher muß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden.
Das gleiche gilt für die Absenkung der Gewerbeertragsteuer. Sie wissen, daß wir die komplette Abschaffung der Gewerbesteuer zum Ziel haben.
Dann zeigt sich natürlich sofort ein Problem. Da haben Sie recht. Wir haben es auch erkannt. Hierbei geht es um die Kompensation für unsere Kommunen. Die Gewerbesteuer ist ja bisher eine der wichtigsten Finanzquellen unserer Kommunen, und es ist ganz klar, daß wir sie nicht mit einer Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und vielleicht später einmal der gesamten Gewerbesteuer im Regen stehen lassen wollen.
Das Angebot, das der Regierungsentwurf im Moment macht, ist ein hervorragendes Angebot zum Status quo.
Die Gemeinden sollen 2,7 Prozentpunkte der Umsatzsteuer erhalten und bekommen damit - wir haben es heute schon mehrfach gehört - die historisch einmalige Chance, von einer zyklusabhängigen Gewerbesteuer auf eine dynamisch wachsende, äußerst ergiebige und sehr stabile Steuerbeteiligung umzustellen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kommunen diese Beteiligung an der Umsatzsteuer letztendlich ablehnen. Im Moment 'bestehen noch gewisse Unsicherheiten. Wir müssen noch ein bißchen daran arbeiten, diese Unsicherheiten abzubauen. Aber ich glaube, daß die Kommunen das sehr schnell begreifen und zugreifen werden. Genauso hoffe ich natürlich, daß die Opposition die dafür notwendige Änderung des Art. 106 GG mitträgt und sich nicht verweigert. Denn diese wäre ja die verfassungsrechtliche Grundlage, damit wir überhaupt eine solche Beteiligung an der Umsatzsteuer vorsehen können.
Ich habe gesagt, dies ist zunächst einmal eine Erhaltung des Status quo. Das kann langfristig natürlich nicht tragen. Es ist ja auch vorgesehen, daß wir zur Erarbeitung eines orts- und wirtschaftsgebundenen Verteilungsschlüssels noch weitere Daten erheben. Wir, die Fraktion der F.D.P., regen an, eine Enquete-Kommission zu diesem Thema einzusetzen, die den Gesamtkomplex der kommunalen Finanzreform durchleuchtet und die berechtigten Einwände der Kommunen mit einbezieht. Es ist ganz klar, daß wir dies nicht einseitig machen können. Hier müssen alle einbezogen werden. Wir sind der Meinung, daß das Angebot im Moment sehr gut ist und daß es auf Dauer gut ist, von der Beteiligung an der Gewerbesteuer auf die Beteiligung an der Umsatzsteuer umzustellen.
Gisela Frick
Auch wenn wir uns das unter Steuervereinfachungsgesichtspunkten ansehen - das habe ich bisher noch gar nicht erwähnt -, müssen wir auch sehen: Die beste und leichteste Steuervereinfachung ist immer die Abschaffung einer Steuer. Insofern würden wir in diesem Bereich einiges leisten, wenn diese Steuer letztendlich verschwindet.
Der dritte Punkt ist die Förderung der neuen Bundesländer. Dazu brauche ich wohl in diesem Kreise nicht viel zu sagen. Einiges ist dazu auch schon ausgeführt worden. Wir stehen weiterhin zur Förderung der neuen Bundesländer, wollen aber eine stärkere Konzentration und Bündelung auf die Bereiche, die tatsächlich förderungswürdig sind.
Wir wollen durch entsprechende gesetzliche Regelungen versuchen, Mitnahmeeffekte möglichst zu verhindern. Insofern glaube ich, daß wir in diesem Bereich bei den weiteren Beratungen relativ wenig Schwierigkeiten bekommen werden.
Was die Steuervereinfachung und damit den letzten Komplex in diesem Gesetz angeht, werden wir auch hier nicht allzu viele Schwierigkeiten bekommen. Vieles - das sagt auch der Gesetzentwurf selber - sind pragmatische Veränderungen, die keine substantiellen Entscheidungen erfordern. Hier ist natürlich insbesondere die Finanzverwaltung und hier sind natürlich auch die Steuerberater gefragt, was sich pragmatisch und schneller vereinbaren läßt. Ich glaube, daß wir gemeinsam eine konstruktive Lösung erarbeiten werden.
Das sind die Dinge, die der Gesetzentwurf gegenwärtig enthält. Zum Ende meiner Betrachtungen vielleicht noch ein paar Bemerkungen zu den Dingen, die noch nicht im Gesetzentwurf stehen. Denn wir haben ja eben gesagt: Mit dem Jahressteuergesetz wird eigentlich der Anspruch verbunden, für dieses Jahr ein Gesetz zu machen, bei dem alles möglichst aus einem Guß und zu einem Zeitpunkt erledigt wird.
- Wir arbeiten daran, Herr Poß. Auch Sie sind mit in der Verantwortung dafür, daß das klappt. Genau das ist es nämlich.
Das bezieht sich zum einen auf den Familienlastenausgleich. Er ist noch nicht im Gesetz enthalten. Wir sind aber fest entschlossen, dieses ganze Paket zeitgleich mit dem Jahressteuergesetz 1996 zu verabschieden, so daß das Gesetz pünktlich zum 1. Januar 1996, wie es auch von Ihnen gefordert wird, wirksam werden und in Kraft treten kann.
Die ständige Auseinandersetzung über die Frage, ob es Kinderfreibeträge oder ein einheitliches Kindergeld geben soll, bin sogar ich schon, obwohl ich in diesem Parlament Neuling bin, müde und will sie
nicht weiterführen. Offensichtlich ist an irgendeinem Punkt keine Überzeugungsarbeit mehr möglich. Es ist nämlich widersprüchlich, wenn Sie auf der einen Seite sagen, daß es eine Schweinerei ist, daß der Unterhalt des Kindes besteuert wird, und wenn Sie dann auf der anderen Seite sagen, daß es sozial ungerecht ist, wenn genau dieses dadurch vermieden wird, daß man Kinderfreibeträge einrichtet, weil, o Wunder, dann der sogenannte Besserverdienende mehr Steuern „spart" . Auch das ist schon ganz falsch.
In dieser Beziehung werden wir uns offensichtlich nie einigen, wenn Sie so wenig einsichtig sind.
- Das ist überhaupt nicht wahr.
Auch der jetzige Vorschlag läuft darauf hinaus, daß letztendlich die entscheidende Meßlatte der Kinderfreibetrag ist. Er muß das aus verfassungsrechtlichen Gründen bleiben. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Wir werden davon nicht abrücken.
Wir lassen uns davon auch nicht durch die gleichen, immer wieder gebetsmühlenartig wiederholten Argumente abbringen, dem Staat müsse jedes Kind gleich viel wert sein.
- Ich habe das damals in meiner Rede zum Familienlastenausgleich sehr deutlich ausgeführt. Die Kinder, die vom Staat mit gleich großen Freibeträgen bedacht werden, sind dem Staat gleich viel wert, jedes Kind. Daß die steuerlichen Auswirkungen unterschiedlich sind, ist eine Frage der Progressionswirkung. Wenn Ihnen das nicht gefällt und wenn Sie das nicht wollen - das habe ich Ihnen damals auch schon gesagt -, dann bemühen Sie sich doch, den progressiven Tarif abzuschaffen.
Ich kann noch nicht einmal sagen: Wir sind dazu bereit.
Nein, wir halten den progressiven Tarif für leistungsentsprechend und leistungsgemäß. Wir wollen dabei bleiben. Wir sind dann aber auch konsequent. Das heißt, dann, wenn Tatsachen bestehen, die die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern, mindern sie eben auch in Höhe der jeweiligen Progressionswirkung seine Steuerschuld. Das muß so sein. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht so
Gisela Frick
gesagt. Daran geht kein Weg vorbei. Dabei bleiben wir.
Weil das zeitlich und inhaltlich in dem gleichen Kontext geregelt werden muß, möchte ich auch noch ein paar Gedanken zu dem von Ihnen so häßlich betitelten „Dienstmädchenprivileg" äußern. Denn auch das soll im Zusammenhang mit dem Familienlastenausgleich geregelt werden. Schon allein der sachliche Zusammenhang zwischen beiden zeigt sehr deutlich, was wir eigentlich damit wollen. Es gibt aber auch arbeitsmarktpolitische Hintergründe. Gerade gestern hat das Ifo-Institut dazu neue Zahlen vorgelegt, aus denen hervorgeht, daß nämlich mit einem verhältnismäßig geringen endgültigen Steuerausfall von 70 Millionen DM 180 000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.
Ich bitte Sie einmal, das mit dem zu vergleichen, was wir an Subventionen für den einzelnen Arbeitsplatz im Bergbau aufwenden. Da werden Ihnen die Augen aufgehen, wenn Sie das ausrechnen.
Im übrigen, Herr Poß - ich habe nur noch ganz wenig Zeit; ich möchte noch einen Gedanken zu Ende führen -, verstehe ich die Argumentation gerade der SPD in diesem Bereich wirklich nicht; denn Sie sind eigentlich diejenigen, die immer sagen: Wir sollten nicht Arbeitslosigkeit finanzieren; sondern wir wollen Arbeit finanzieren. - Genau das machen wir.
- Doch.
Sie haben noch nicht erkannt, daß wir in einer Zeit einer ganz neuen Arbeitsteilung leben. Es ist ein großer Bedarf für Dienstleistungen auch im privaten Bereich vorhanden.
Das sind Arbeitsplätze. Es sind keine „bad jobs", wie Sie sie immer wieder bezeichnen, sondern es sind durchaus kochqualifizierte Arbeitsplätze. Wir können nicht auf der einen Seite die Leistungen der Hausfrau immer hochhalten
und auf der anderen Seite, wenn es eine bezahlte Kraft macht, plötzlich sagen: Das sind „bad jobs", die kann man doch keinem anständigerweise anbieten.