Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Rössel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die PDS lehnt den Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz ab.
Er ist in der Tat ein steuerpolitischer Torso.
Sollte das vorliegende Dokument jedoch, was nicht zu hoffen und auch nicht zu erwarten ist, tatsächlich Gesetzeskraft erhalten, würde ein weiteres unrühmliches Kapitel in der bundesdeutschen Steuergeschichte - Herr Poß hat dies gesagt - eingeleitet. Die Folgen für das ohnehin chaotische Steuerrecht, das bekanntlich selbst für Steuerberaterinnen und Steuerberater immer mehr zu einem Buch mit sieben Siegeln wird, sind absehbar. Eine Steuerreform, die diesen Namen tatsächlich verdient, ist dringend notwendig.
Notwendig sind die radikale Vereinfachung, die Entbürokratisierung und die Entrümpelung des gesamten Steuerrechts. Notwendig sind tatsächlich bedeutende Steuerentlastungen für die Bezieher unterer Einkommen bei gleichzeitigem Abbau der Privilegien der Reichen und Besserverdienenden.
Notwendig sind wirksame Schritte gegen die dramatisch hohe Steuerhinterziehung von jährlich rund 130 Milliarden DM insbesondere von Großunternehmen, Banken und Versicherungen. Notwendig ist auch, Spekulationsgewinne insbesondere aus dem schwunghaft gestiegenen Handel mit Finanzderivaten wie Optionen und Futures stark zu besteuern. Auch das könnte eine Schlußfolgerung aus dem Baring-Skandal sein.
Eine Reform des bundesdeutschen Steuerrechts, die ihren Namen verdient, wird jedoch mit dem Jahressteuergesetz weiterhin auf sich warten lassen. Das bezieht sich auf alle Hauptpunkte des Steuerentwurfs und betrifft somit die Freistellung des Existenzminimums im Einkommensteuertarif, die Gewerbesteuerreform und die Maßnahmen zur Steuervereinfachung.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus steuerpolitische Kartoffeln, die ihr offensichtlich zu heiß sind, vorsorglich im Feuer gelassen. Dazu gehören erstens die dringend notwendige Neuregelung des Familienleistungsausgleichs, zweitens die künftige Besteuerung von Grund und Boden, drittens die verbesserungswürdige Förderung des sogenannten selbstgenutzten Wohneigentums.
Dr. Uwe-Jens Rössel
Bei dem erneuten Versuch aus dem Hause des Bundesfinanzministers, die Besteuerung der kommunalen Müllabfuhr, der Straßenreinigung und der Abwasserbeseitigung einzuführen, hat der Bundesfinanzminister, um mit den Worten der Tageszeitung „Die Welt" zu sprechen, „management by potatoes" betrieben. Rein in die Kartoffeln, dann wieder raus! Erst der Pfiff aus dem Kanzleramt, einen Tag vor Verabschiedung der Kabinettsvorlage, verhinderte die Aufnahme der erstmaligen Besteuerung hoheitlicher Aufgaben in den Gesetzentwurf. Die bevorstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Bremen lassen grüßen!
- Im Nachgang gerne.
Die Müllsteuer ist vorerst vom Tisch; ein neuer Versuch der Regierung wird nicht lange auf sich warten lassen. Nicht vom Tisch jedoch ist die Kampfansage der Bundesregierung gegenüber kommunalen Unternehmen mit deren Gemeinwohlauftrag. Es ist doch offensichtlich nur eine Frage der Zeit, daß die Bundesregierung wieder einen neuen Anlauf unternehmen wird, mit Hilfe des Haushaltsgrundsätzegesetzes sowie der Bundeshaushaltsordnung jeweils „die Pflicht zur Suche nach privatwirtschaftlich besten Lösungen" zu verankern.