Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Rössel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Das war eine Auszeichnung, die in der DDR durch die Städte, Gemeinden und Kreise verliehen wurde. Sie bezifferte sich auf eine Summe in Höhe von 1 000 Mark.
Darf ich jetzt fortfahren? Habe ich die Frage beantwortet? - Gut.
In der Pflicht zur Suche nach privatwirtschaftlichen Lösungen sieht der Bundeswirtschaftsminister bekanntlich ein Folterinstrument - Originalton - gegenüber den Kommunen zur Durchsetzung ordnungspolitischer Präferenzen.
Die Absicht der Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gewerbesteuer nahezu vollständig zu demontieren, sehen wir als den bisher durchgreifendsten Versuch, die Unternehmen aus der Mitverantwortung zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur, die diese natürlich maßgeblich mit nutzen, zu entlassen.
Die Beseitigung der Gewerbekapitalsteuer würde jährliche Steuerausfälle von 4 bis 5 Milliarden DM ergeben und die Reduzierung der Gewerbeertragsteuer zu einer Verringerung der jährlichen Einnahmen in Höhe von ca. 3 Milliarden DM führen.
Die Bundesregierung setzt mit diesem Gesetzentwurf die seit Jahren währende Aushöhlung der Gewerbesteuer - sie ist bekanntlich die traditionell wichtigste Kommunalsteuer - fort. Ich erinnere hier nur an die wiederholten Anhebungen der Unternehmerfreibeträge oder an die Einführung von Staffeltarifen bei der Gewerbeertragsteuer. All das hat dazu geführt, daß die Gewerbesteuer eine reine Großbetriebssteuer geworden ist. Gegenwärtig unterliegen nur noch rund 30 % aller Gewerbebetriebe - Herr Hauser, Sie wissen das - der Gewerbeertragsteuer und lediglich 16 % der Gewerbekapitalsteuer. Kapitalkräftige Freiberufler dagegen werden von vornherein aus der Gewerbesteuerpflicht ausgenommen, obwohl auch sie von der Infrastruktur der Kommunen in nicht geringem Maße profitieren.
Finanzminister Waigel verspricht den Kommunen für ihre Steuerausfälle eine vollständige Kompensation durch eine Beteiligung an der Umsatzsteuer. Aber selbst bei einer für die Kommunen befriedigenden Beteiligung an der Umsatzsteuer ist dieser Vorschlag ein verteilungspolitischer Wechsel auf die Zukunft und birgt erhebliche Risiken. Es gibt keine Garantien dafür, daß auch langfristig die Unternehmen für die von Bund und Ländern an die Kommunen abgegebenen 2,7 Prozentpunkte an der Umsatzsteuer zahlen.
1st erst einmal der direkte Finanzverbund Unternehmen/Kommune zerschnitten, kann durch schrittweise Steuerrechtsänderungen die ursprüngliche Unternehmensteuer zu einer von der Allgemeinheit, d. h. von allen Steuerbürgerinnen und -bürgern, zu tragenden Steuer werden. Solche Pläne lehnen wir entschieden ab.
Dr. Uwe-Jens Rössel
Weitere Unternehmensteuerentlastungen sind Regierungsprogramm, und Umsatzsteuererhöhungen lassen grüßen, auch wenn es der Bundesfinanzminister gebetsmühlenartig dementiert.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die kleinen Leute sollen in Zukunft zahlen, was einst die großen Unternehmen zu begleichen hatten. Das ist eine Lösung, die wir nicht mittragen können.
Die Gemeinden sollen mit der angekündigten Beteiligung an der Umsatzsteuer faktisch die Katze im Sack kaufen. Dazu soll nach den Vorstellungen der Koalition das Grundgesetz bereits Anfang Mai geändert werden. Den letztlichen orts- und wirtschaftsbezogenen Verteilungsschlüssel der 2,7 Prozentpunkte, die die Kommunen als Anteil an der Umsatzsteuer zum Ausgleich für ihre Einnahmeverluste erhalten sollen, will die Regierung aber erst später durch ein Bundesgesetz regeln lassen. Die dafür notwendigen Daten der Finanzämter sind jedoch erst in drei bis fünf Jahren verfügbar. Das birgt außerordentlich große Unsicherheiten für die ca. 14 000 Städte und Gemeinden sowie die 324 Landkreise in der Bundesrepublik Deutschland.
Um die Umsatzsteuerbeteiligung der Kommunen zu finanzieren - ich komme jetzt darauf, Herr Kollege Hauser -, sollen die degressiven Abschreibungsmöglichkeiten für bewegliche Wirtschaftsgüter von 30 auf 25 % verschlechtert werden. Das heißt doch wohl im Klartext: Für die Steuergeschenke an die Großunternehmen in Milliardenhöhe sollen in nicht geringem Maße Klein- und Kleinstbetriebe sowie Handwerker, die in der Regel gar keine Gewerbesteuer zahlen, aufkommen. Das ist ein ungehöriger Zustand. Er richtet sich eindeutig gegen den investierenden Mittelstand und das Handwerk.
Das lehnen wir ab, weil das ein Vorschlag ist, der gegen die Wirtschaftsförderung zielt.
Die PDS verlangt statt solchen Schnellschüssen zur Aushöhlung der Gewerbesteuer auf Kosten von Kommunen, Klein- und Kleinstunternehmen sowie Steuerbürgerinnen und Steuerbürgern endlich eine Kommunalfinanzreform, die nicht zum bloßen Anhängsel einer Unternehmensteuerreform wird und die in der Tat kommunale Finanzautonomie und kommunale Selbstverwaltung überhaupt sichern könnte.
Die Bundesregierung ist aber offensichtlich unwillig, sich dieser Aufgabe zu stellen. Der Deutsche Bundestag sollte deshalb selbst - so unser Vorschlag - die Initiative ergreifen und eine Enquete-Kommission „Reform der Kommunalfinanzierung " einsetzen. Das gesamte System der Finanzierung der Kommunalhaushalte in der Bundesrepublik Deutschland gehört auf den Prüfstand; denn vielen Kommunen droht angesichts ihrer argen Finanznôte der finanzielle und damit auch der soziale und wirtschaftliche Kollaps.
Die Kommunen als größter öffentlicher Auftraggeber für Investitionen können dieser ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht werden, wenn nicht eine grundsätzliche Reform, die notwendig ist, eingeleitet wird.
Die PDS hat deshalb Anfang dieser Woche den Antrag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission „Reform der Kommunalfinanzierung" in den Deutschen Bundestag eingebracht. Es hat mich gefreut, daß entsprechende Vorschläge auch in der Fraktion der F.D.P. vorhanden sind. Wir bitten das Hohe Haus um Unterstützung in dieser Hinsicht.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.