Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an die sicher sehr populäre Aktion der GRÜNEN, möchte ich zunächst einmal die Hoffnung aussprechen, daß die Sache nicht in die Hose geht. Das ist hier ein gewisses Problem, glaube ich.
Trotzdem möchte ich den GRÜNEN dazu gratulieren, daß sie überhaupt einen Alternativentwurf vorgelegt haben. Ich halte es für einen wesentlich besseren Stil der Opposition, wenn man die Alternativen konkret vorlegt, als wenn man sie immer nur ankündigt und davon spricht, daß man alles ganz anders haben möchte. Das ist natürlich nur ein Lob in der Form und im Verfahren und keineswegs ein Lob im Inhalt; denn ich gehe davon aus, daß das, was wir von Frau Scheel gehört haben, eine grüne Wundertüte ist. Wir werden ja Gelegenheit haben, genauer hinzuschauen. Aber, wie gesagt, die Verfahrensweise möchte ich hier einmal ausdrücklich lobend erwähnen.
Nun zu unserem heutigen Thema: Jahressteuergesetz 1996. Wir haben zunächst einmal einen Regierungsentwurf vorliegen, den wir als die Fraktionen der Koalition unterstützen, aber keineswegs unbesehen, wie Sie, Herr Poß, das eben gesagt haben. Das sieht zwar äußerlich so aus, aber wir wissen ja, daß das parlamentarische Verfahren durch diese Initiative überhaupt erst in Gang kommt
und daß es durchaus noch bei der einen oder anderen Ecke Diskussionsbedarf gibt; das ist jederzeit zuzugestehen, das ist kein Geheimnis, und wir wollen daraus auch keines machen.
- Warten wir es ab! Ich werde unsere Vorstellungen zu den Verbesserungen noch erläutern.
Zunächst einmal sind schon der Name Jahressteuergesetz und das Vorhaben, das dahintersteht, sehr
Gisela Frick
zu loben; denn wir wollen von den dauernden Steueränderungen weg. Wir haben uns vorgenommen, hier in einem Gesetz einmal - -
- Noch nicht, aber immerhin ist schon einmal das Vorhaben da, Herr Poß.
Das heißt, wir wollen jetzt nur einmal im Jahr ein Steueränderungsgesetz, das dann auch diesen Namen trägt. Wir wollen ein solches Jahressteuergesetz schnell schaffen, damit die Steuerpflichtigen und ihre Berater und auch die Finanzverwaltung ausreichend Zeit haben, sich auf die Änderungen einzustellen.
Das ist der Hintergrund dafür, daß wir jetzt unter einem gewissen Zeitdruck stehen und deshalb als Fraktionen den Gesetzentwurf mit einbringen.
Das ist zunächst einmal zum Verfahren zu sagen. Der Inhalt ist natürlich wesentlich wichtiger. Deshalb möchte ich auch zu den Inhalten noch Stellung nehmen.
Zum steuerfreien Existenzminimum: Durch die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts sind wir gezwungen, bis zum 1. Januar 1996 eine verfassungsgemäße Lösung vorzulegen. Der Vorschlag, den das Bundesfinanzministerium ausgearbeitet hat, ist verfassungsgemäß. Er ist auch insofern sozial ausgestaltet, als er in den unteren und mittleren Einkommensklassen eine deutliche Entlastung schafft.
Wir haben gehört, daß 1,5 Millionen Fälle ganz aus der steuerlichen Veranlagung herausfallen werden. Wir wissen, daß das Entlastungsvolumen nur aus dem steuerfreien Existenzminimum 16 Milliarden DM ausmacht. Dazu sollen noch der Familienlastenausgleich mit 6 Milliarden DM und die Kohlefinanzierung - wir haben es eben schon einmal gehört - mit noch einmal 7,5 Milliarden DM kommen. Das heißt, das gesamte Entlastungspaket beträgt 30 Milliarden DM plus-minus. Das bedeutet, daß wir ab dem nächsten Jahr einen ersten richtigen Schritt gemacht haben werden, die Abgabenquote wieder deutlich zu senken.
Wir werden dadurch die Liquidität und damit die Kaufkraft gerade in den unteren Einkommensgruppen deutlich erhöhen und so auch der Binnenkonjunktur wieder Anstöße geben können. Ich sehe, daß Sie vom Ergebnis her mit diesem Verfahren durchaus in Einklang stehen.
Die Frage, die sich dann allerdings stellt, wenn man einmal auf die systematische Seite schaut, ist, ob das systematisch so sehr schön ist, was da vorgeschlagen wurde. Ich fange gar nicht bei der Höhe dieses Betrages an; denn wir wissen sowieso, daß wir den Betrag von 12 000 DM oder 13 000 DM dynamisieren müssen. Das ist im Moment eine punktuelle
Geschichte. Mir geht es eigentlich mehr um die Systematik, um die Grundentlastung außerhalb des Tarifs. Das ist etwas, was uns die Opposition sehr häufig vorgeworfen hat.
Aber ich möchte doch einmal die Frage stellen: Kann es nicht sein, daß ein solcher Tarif vielleicht deshalb entwickelt worden ist, weil der Bundesfinanzminister und sein Haus wissen, daß es sich bei den Steuergesetzen um Zustimmungsgesetze handelt? Dieses Wissen ist schließlich weit verbreitet. Das heißt, mit Vorschlägen z. B. der Bareis-Kommission brauchen wir uns überhaupt keine Mühe zu machen, wenn von vornherein klar ist, daß ein ganz großer Teil dieser Vorschläge von der Opposition durch ihre Blockadehaltung auf gar keinen Fall mitgemacht wird.
Die Ausarbeitung dieses Tarifs, der systematisch wirklich nicht sehr befriedigend ist, hängt damit zusammen, daß man die Durchsetzungsmöglichkeiten in diesem Hause realistisch betrachten muß. Wenn Sie jetzt die Bereitschaft signalisieren, im weiteren parlamentarischen Verfahren Ihre Beiträge einzubringen, sehen wir dem sehr gespannt und mit Freude entgegen.