Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch die Debattenbeiträge der Opposition zieht sich wie ein roter Faden die altbekannte These: Die Großen profitieren, und die Kleinen zahlen. Dies paßt zwar in Ihr
Heinz-Georg Seiffert
Denkschema, hat aber mit diesem Gesetzentwurf überhaupt nichts zu tun.
Der vorliegende Entwurf dieses Jahressteuergesetzes ist nämlich ein wichtiger Schritt, die Steuer- und Abgabenlast auf breiter Basis zu senken. Man kann über einzelne Wegmarken diskutieren. Aber das Ziel ist richtig, und auch angesichts der hohen Verschuldung ist es vertretbar.
30 Milliarden DM, die in den Taschen der Steuerzahler bleiben, werden die Leistungsbereitschaft der Steuerpflichtigen wieder fördern und die Massenkaufkraft stärken.
Jeder, der nicht ideologisch verbohrt ist, wird auch die dringend notwendige Korrektur bei der Gewerbesteuer befürworten. Es gibt für jeden, dem die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen am Herzen und nicht nur auf den Lippen liegt, keinen Zweifel, daß wir den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter stärken und die Rahmenbedingungen verbessern müssen.
Immer wieder haben die Oppositionsredner in den letzten Tagen beklagt, die Bundesregierung tue nichts oder zu wenig gegen die Arbeitslosigkeit. Bei dieser Unternehmenssteuerreform, die Sie jetzt bereits im Vorfeld wieder ablehnen, wird sich zeigen, ob Sie sich wieder in eine Blockadehaltung manövrieren. Wir alle müssen doch endlich zur Kenntnis nehmen, daß nach der Öffnung der Ostgrenzen eine neue Situation entstanden ist; eine Lage, die alle Verantwortlichen zum Umdenken zwingt.
Dieses Umdenken liegt übrigens auch im Interesse der Kommunen, die neue Gewerbegebiete erschließen, um Firmen anzusiedeln und um Arbeitsplätze zu ermöglichen. Denn mittlerweile sind die Hauptkonkurrenten im Wettbewerb um ansiedlungswillige Firmen längst nicht mehr, wie dies früher war, die Nachbargemeinden, sondern das östliche Ausland, von Ungarn über Tschechien bis Polen. Dorthin werden die Arbeitsplätze verlagert, wenn bei uns die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen.
Auch die erhofften Gewerbesteuereinnahmen sind längst nicht mehr der Anreiz für die Kommunen, wenn es um die Ansiedelung von Firmen geht. Das zentrale Anliegen der Bürgermeister ist es doch vielmehr, am Ort möglichst zukunftsträchtige Arbeitsplätze für die Bürger zu schaffen. Auch darum geht es bei dieser Reform.
Es herrscht wohl Einvernehmen darüber, daß die Gewerbesteuer im europäischen Vergleich eine Sonderbelastung und eine enorme Wettbewerbsverzerrung für unsere Wirtschaft darstellt. Deshalb muß sie abgeschafft werden. Es darf doch nicht wahr sein,
daß dieses Relikt aus alter Vorzeit nun auch noch auf die neuen Bundesländer ausgedehnt wird.
Es handelt sich auch nicht - wie gestern und auch heute von Frau Dr. Hendricks wieder aufgeführt worden ist - um eine Banken- oder Großbetriebssteuer. Wer so etwas sagt, ist schon meilenweit von der Praxis entfernt. Meine Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, wie viele Mittelständler bereits einen Einheitsbetrag von 120 000 DM haben und damit zahlungspflichtig sind? Diese müssen natürlich entlastet werden. Es ist ein Unding, daß man gerade diejenigen Betriebe weiterhin belasten will, die ihr Geld nicht abschöpfen, sondern investieren, die sich in Schulden stürzen und Arbeitsplätze schaffen. So kann eine Zukunftspolitik nicht aussehen.
Ich habe großes Verständnis, daß sich die Kommunen um ihre Einnahmen sorgen. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war nämlich zwanzig Jahre Kämmerer. Niemand wird zufrieden sein, wenn es ihm nach einer solchen Reform finanziell schlechter geht als vorher. Es ist auch nicht verwunderlich, daß die Städte und Gemeinden mißtrauisch sind, wenn der Bund eine Reform durchzieht. Das sage ich ganz offen; denn schließlich sind in der Vergangenheit gelegentlich Aufgaben von oben und unten „durchgereicht" worden, ohne daß für eine ausreichende Finanzierung gesorgt war.
Besonders gravierend war es allerdings immer dann, wenn auch noch die Länder die Hand im Spiel hatten, denn die denken natürlich in erster Linie an sich.
Gerade deshalb ist es entscheidend, daß den Kommunen grundgesetzlich verankert eine direkte Beteiligung an der Umsatzsteuer zugesichert wird.
Meine Damen und Herren, dies ist eine Jahrhundertchance für die Städte und Gemeinden, an einer Wachstumsteuer beteiligt zu werden, die stabil ist; denn die Umsatzsteuer ist im Gegensatz zur Gewerbesteuer keinen großen konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Sie ist in den letzten 25 Jahren um das 5,7fache gestiegen. Die Gewerbesteuer ist nur um das 3,7fache gewachsen.
Ich bin sicher, daß dies ein Argument ist, das auch die kommunalen Spitzenverbände nicht ignorieren können.
Jeder Kämmerer kann Ihnen ein Lied über die Unkalkulierbarkeit der Gewerbesteuer singen. Gerade ist so getan worden, als ob die Gewerbesteuer das sicherste Instrument im Gemeindehaushalt wäre. In der Praxis ist sie das unsicherste Instrument.
Heinz-Georg Seiffert
Deswegen verstehe ich - das sage ich ganz offen - die Forderung des Städte- und Gemeindebundes nicht, bereits jetzt für jede einzelne Gemeinde sicherzustellen, daß der Bestand auf viele Jahre hinaus so bleibt wie heute. Kann das denn heute jemand bei der Gewerbesteuer garantieren?
Das ist eine typische Verbandshaltung. - Das sage ich in aller Deutlichkeit -: Man will es jedem recht machen und verliert dabei jegliche Gestaltungsmöglichkeit.
Wenn man es nämlich jedem recht machen will, kann man nichts mehr bewegen, sondern nur noch den Zustand beklagen. In dieser Situation sind Sie.
Die Garantie für den Übergangszeitraum bis zum Jahre 2000 und die Aussicht auf ständig wachsende Umsatzsteueranteile bieten für alle Kommunen ganz sicher mehr Planungssicherheit als eine instabile Gewerbesteuer.
Ich meine, auch die für die Kommunen in den neuen Bundesländern vorgesehene Regelung, die Umsatzsteueranteile dynamisch anzupassen, bietet nur Vorteile. Die Beteiligung an einer Wachstumsteuer ist gerade für die ostdeutscher Gemeindehaushalte sicherer als die Erwartung von Gewerbesteuereinnahmen aus jungen Betrieben, die sich zum großen Teil erst noch im harten Wettbewerb bewähren müssen.
Meine Damen und Herren, ich habe als Kämmerer und Kreisrat schon manche Reform erlebt. Ich räume ein, daß auch ich - wie die Spitzenverbände heute - meine Bedenken hatte, als seinerzeit der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer eingeführt wurde. Ebenso wurde der Untergang der Landkreisfinanzen an die Wand gemalt, als die Grunderwerbsteuer reformiert wurde.
Wie sieht es heute aus? Der Einkommensteueranteil - nicht die Gewerbesteuer - ist längst zum Grundpfeiler der meisten Gemeindehaushalte geworden. Kein Kreiskämmerer könnte die steigenden Soziallasten ohne die dynamische Grunderwerbsteuer schultern.
Ich sage Ihnen: Beim Umsatzsteueranteil wird es ganz genauso kommen.
Heute jammert jeder, und in wenigen Jahren ist diese Geldquelle absolut unverzichtbar.
Auch die Kommunen, die heute ein überdurchschnittlich hohes Gewerbekapitalsteueraufkommen haben, werden einen weichen Übergang ohne dauerhafte Einbußen erleben. Legen Sie doch die Zahlen auf den Tisch! Es geht für die Kommunen um einen Ausfall von insgesamt 7,7 Milliarden DM. Dies wird ausgeglichen durch Umsatzsteueranteile von 2,7 %; das sind zur Zeit 8,2 Milliarden DM, mit wachsender Tendenz. Die Garantie von Theo Waigel bezüglich eines vollen Ausgleichs wird also mehr als eingelöst.
Es ist nur positiv, daß ab dem Jahr 2000 die Umsatzsteueraufteilung auf Grund eines Schlüssels durchgeführt wird, bei dem die Kommunen auch weiterhin ein Interesse an der Erschließung von Gewerbegebieten und an der Sicherung von vorhandenen Betriebsstätten haben. Die Ermittlung der Lohnsummen und des Betriebsvermögens erfordert zwar sehr viel Zeit und erscheint kompliziert. Aber - und das ist entscheidend - die bewährte Klammer zwischen Kommunen und Gewerbebetrieben bleibt auch künftig erhalten.
Meine Damen und Herren, geben Sie den Betrieben und damit den Arbeitsplätzen am Standort Deutschland eine Chance!
Sichern Sie den Kommunen eine dauerhaft stabile Finanzbasis, und stärken Sie damit die Selbstverwaltung! Blockieren Sie diese Reform nicht!
Vielen Dank.