Rede von
Dr.
Gero
Pfennig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten in dritter Lesung nicht nur das Haushaltsgesetz, sondern auch das Gesetz über das System der Eigenmit-
Dr. Gero Pfennig
tel der Europäischen Gemeinschaften. Ich freue mich natürlich, daß so viele Kollegen an diesem Thema interessiert sind.
Wir beschließen über die finanziellen Grundlagen der Europäischen Union bis zum Jahre 1999, zu deren Finanzierung Deutschland immerhin 28 % - in diesem Haushaltsjahr 44 Milliarden DM - beiträgt, wie in Anlage E zu Kap. 60 06 des Haushalts ausgewiesen.
Dieser Eigenmittelbeschluß ist für Deutschland ein akzeptabler Kompromiß zwischen den Kosten der fortschreitenden Integration in der Europäischen Union samt Übernahme neuer Aufgaben in Mittelosteuropa sowie im Mittelmeerraum einerseits und der andererseits schwierigen Finanzsituation in den Mitgliedstaaten. Der Eigenmittelbeschluß ist ein herausragender Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft, insbesondere des Bundesfinanzministers, wenn man sich die Ausgangssituation vor Augen hält.
Vieles war zu bewältigen, so z. B. der Milchquotenstreit mit Italien und Spanien. Großbritannien war zu überzeugen, daß das EU-Finanzierungssystem gerechter werden muß. EU-Gelder mußten für die MOE-Staaten Albanien, Mazedonien und die mediterranen Anliegerstaaten gezahlt werden. Drei neue Mitgliedstaaten sind in das Finanzierungssystem einbezogen worden.
Für die angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion ist es unter deutschem Vorsitz gelungen, auf die Notwendigkeit einer Stabilitätskultur in Europa hinzuweisen: Nur wenn strikt an den Konvergenzkriterien festgehalten wird, kann die Wirtschafts- und Währungsunion erfolgreich realisiert werden, mit einer Währung so stark wie die D-Mark. Das bedeutet, daß die Mitgliedstaaten die nationalen Stabilitätskriterien auch an den Haushalt der Europäischen Union anlegen müssen.
Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag von CDU/CSU, F.D.P. und SPD fordern wir die Bundesregierung auf, auch beim Haushalt der Europäischen Union auf Konsolidierungsanstrengungen hinzuwirken und darüber hinaus rechtzeitig die notwendige Veränderung der Finanzstruktur der EU vorzubereiten.
Manch einer mag verwundert sein, warum wir das bereits jetzt tun. Der Grund ist allerdings leicht zu erkennen: In allen Mitgliedstaaten ist erkannt worden, daß das Haushaltsgebaren und das Finanzierungssystem der Europäischen Union einer grundlegenden Reform bedürfen, wenn die Europäische Union weitere Aufgaben und Ausgaben durch gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, eine noch stärkere Einbeziehung der mittelosteuropäischen Staaten und eine stärkere Hinwendung zu den nichteuropäischen Mittelmeeranrainerstaaten vollziehen will.
Bei dieser grundlegenden Reform muß eine gerechtere Lastenverteilung erreicht werden. Ich will einmal darstellen, was in den Niederlanden hierzu erörtert wurde. Der niederländische Agrarminister
hat bei Beginn der Ratifizierungsdebatte scharfe Kritik am sinnlosen Hin- und Herpumpen von Geld zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Weg über den EU-Haushalt geäußert. Niederländische Abgeordnete haben die Frage gestellt, ob nicht die Niederlande, Großbritannien und Deutschland als größte sogenannte Nettozahler eine Sparrunde in der EU einläuten sollten. Natürlich wurde auch kritisiert, daß die Niederländer 1999 mit einer Nettozahlung von fast 6 Milliarden Gulden relativ der größte Zahler für die EU werden könnten.
Wir können in Deutschland darüber nur schmunzeln, da wir auf siebenmal so hohe Zahlbeträge blikken, über zwei Drittel des Nettotransfers über den EU-Haushalt aufbringen und damit mit weitem Abstand der größte Zahler sind. Ich warne dennoch vor voreiligen Schlüssen.
Erstens müssen wir uns in Deutschland die Frage stellen, ob sich nicht auch unsere Bundesländer am Finanzaufkommen für die Europäische Union beteiligen müssen,
nachdem sie verstärkt an den Ausgaben der EU für ländereigene und kommunale Aufgaben partizipieren, z. B. im Kultur-, Bildungs- und Sozialbereich.
Zweitens müssen wir uns bei der EU-Ausgabenstruktur im klaren sein, daß Strukturfondsmittel und Kohäsionsfondsmittel für die ärmeren EU-Staaten wohl zu Recht als Kompensation für den freien Binnenmarkt vorhanden sein müssen, dessen größter Nutznießer unverändert Deutschland ist. Darauf hat der DIHT in seinem Beitrag vom Mai 1994 zur „Nettozahler-Diskussion" zu Recht hingewiesen.
Drittens sind Ausgaben der EU für Außenpolitik und Forschung, die schon jetzt fast 15 % der Gesamtausgaben ausmachen, Abbild der fortgeschrittenen Integration. Sie werden weiter wachsen und können uns ,eigentlich nur dazu bewegen, unsere eigenen Ausgaben in diesem Bereich zurückzunehmen.