Protokoll:
1154

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 154

  • date_rangeDatum: 20. Juni 1951

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:17 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1951 6105 154. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen 6106B, 6129B, 6132C, 6139C Eintritt des Abg. Dr. Hoffman (Lübeck) in den Bundestag 6106C Beschlußfassung des Bundesrats zum Gesetz über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung über Lebensmittelbevorratung 6106C Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes 6106C Gesetz über eine Bundesbürgschaft zur Abwicklung von Saatenkrediten für die Ernten bis zum Jahre 1949 6106C Ergänzung der Tagesordnung 6106C Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Fall Kemritz (Nr. 2345 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz in Bad Homburg (Nr. 2337 der Drucksachen), ferner mit der Ersten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit (Nr. 2344 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der FDP betr. Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz, Bad Homburg (Nr. 2359 der Drucksachen) 6106D Dr. Arndt (SPD), Antragsteller . . . 6106D Dr. Weber (Koblenz) (CDU), Interpellant und Antragsteller 6110A Euler (FDP), Antragsteller: zur Sache 6111B zur Abstimmung 6122A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 6113A Dr. von Merkatz (DP) 6115C Renner (KPD): zur Sache 6116C zur Geschäftsordnung 6121C Dr. Reismann (Z) 6118A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 6118D Brandt (SPD) 6119B Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 6120D Ausschußüberweisung 6122B. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der neuen deutschen Filmproduktion (Spielquotengesetz) (Nr. 2336 der Drucksachen) 6122C Dr. Vogel (CDU), Antragsteller 6122C, 6128D Brunner (SPD) 6124C Dr. Mende (FDP) 6127A Ewers (DP) 6128A Ausschußüberweisung 6129A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund (Zweites Überleitungsgesetz) (Nr. 2326 der Drucksachen) 6129B Ausschußüberweisung 6129B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes (Nr. 2268 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Auwschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2341 der Drucksachen) 6129C Lausen (SPD), Berichterstatter . . . 6129C Dr. Besold (BP) 6130C, D, 6131D Abstimmungen 6131C, 6132B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Wahl von Beisitzern für den Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 2339 der Drucksachen) 6132C Beschlußfassung 6132D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Gebührnisansprüche ehemaliger deutscher Kriegsgefangener in Norwegen (Nrn. 2313, 828 der Drucksachen) 6132D Merten (SPD): als Berichterstatter 6133A als Abgeordneter 6134C Kohl (Stuttgart) (KPD) 6134A Ausschußüberweisung 6135A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Mehs, Kemper u. Gen: betr. Wiederaufbau des Pleiner Viaduktes (Nrn. 2324, 2067 der Drucksachen) . . 6135A Beschlußfassung 6135B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Fahrpreisermäßigung für Freiwillige des Internationalen Zivildienstes (Nrn. 1929, 1891 der Drucksachen) . . . 6135B Cramer (SPD), Berichterstatter . . . 6135C Beschlußfassung 6136B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Berlin (9. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der WAV betr. Sitzungen des Deutschen Bundestages in Berlin (Nrn. 2322, 1963 der Drucksachen) 6136C Brandt (SPD), Berichterstatter . . . . 6136C Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 6137D Loritz (WAV) 6138D Beschlußfassung 6139A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf eines Teilgeländes der ehemaligen Munitionsanstalt in Moelln an die Moellner Textilwerke GmbH (Nr. 2343 der Drucksachen) . . 6139A Ausschußüberweisung 6139 C Nächste Sitzung 6139C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115400000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 154. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte um Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.

Luise Albertz (SPD):
Rede ID: ID0115400100
Der Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Baade, Wallner, Kuhlemann, Pohle, Dr. Mießner, Neumann, Paul (Düsseldorf), Harig, Rische, Niebergall und Gundelach. Für zwei Wochen sucht um Urlaub nach der Abgeordnete Dirscherl wegen Krankheit. Entschuldigt sind die Abgeordneten Brookmann, Dr. Pferdmenges, Dr. Orth, Wittenburg, Fisch und Gockeln.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115400200
Meine Damen und. Herren, ich darf unterstellen, daß Sie mit der Erteilung des über eine Woche hinausgehenden Urlaubs einverstanden sind.
An Stelle des Herrn Abgeordneten Dr. Oellers ist der Abgeordnete Dr. Hoffmann (Lübeck) in den Bundestag eingetreten. Ich heiße ihn in unserem Kreise herzlich willkommen und wünsche ihm eine erfolgreiche Arbeit.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ahne Verlesung ins Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Juni 1951 beschlossen, zu den folgenden Gesetzen einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen:
Gesetz über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung,
Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes. Hinsichtlich des Gesetzes über eine Bundesbürgschaft zur Abwicklung von Saatenkrediten für die Ernten bis zum Jahre 1949 hat er beschlossen, die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 GG zu verlangen.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mich gebeten, Ihnen die Beratung des Antrags des Herrn Bundesfinanzministers betreffend Verkauf eines Teilgeländes der ehemaligen Munitionsanstalt in Moelln in Lauenburg, Drucksache Nr. 2343, vorzuschlagen — Ich darf annehmen, daß Sie damit einverstanden sind, daß dieser Punkt der Tagesordnung heute erledigt wird.
Zu Punkt 1 der Tagesordnung ist ein weiterer Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache Nr. 2359, eingegangen. Ich darf Ihr Einverständnis voraussetzen, daß auch dieser Antrag gemeinsam mit den übrigen Gegenständen des Punktes 1 der Tagesordnung erledigt wird.
Ich rufe also zunächst Punkt 1 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Fall Kemritz (Nr. 2345 der Drucksachen);
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz in Bad Homburg (Nr. 2337 der Drucksachen);
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit (Nr. 2344 der Drucksachen);
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz, Bad Homburg (Nr. 2359 der Drucksachen).
Die Fraktion der CDU/CSU hat mir mitgeteilt, daß sie angesichts der Tatsache, daß der Antrag der Fraktion der SPD zuerst eingegangen ist, damit einverstanden ist, daß zunächst der Antrag der Fraktion der SPD begründet wird.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Arndt!

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0115400300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat am 14. dieses Monats den folgenden Antrag eingebracht:


(Dr. Arndt)

Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei dem Herrn Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten von Amerika Verwahrung wegen der Niederschlagung des Strafverfahrens gegen Kernritz einzulegen und zu erwirken, daß das gegen Kemritz als Rechtsanwalt gerichtete Ehrengerichtsverfahren unverzüglich durchgeführt werden kann.
Zur Begründung dieses Antrags habe ich die Ehre, dem Hohen Hause folgendes vorzutragen.
Nicht die Lautstärke der Entrüstung, sondern allein der Ernst und die Sachlichkeit unserer Beweggründe werden diesem Anliegen das außerordentliche Gewicht geben, das ihm zukommt.

(Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut!)

Wir Sozialdemokraten, die wir bestrebt sind, Deutsche zu sein, die international denken und zuallererst stets menschlich zu empfinden, sind uns der Gefahr bewußt, daß Unberufene versuchen werden, auch aus dem Fall Kemritz eine nationalistische Fanfare zu machen

(Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte)

oder Prinzipien zu vertreten, die von ihnen selbst nicht gewahrt worden sind. Uns schreckt diese Gefahr nicht. Sie wird uns nicht hindern dürfen, zum Fall Kemritz zu reden. Aber wir werden hierbei auch nicht darüber schweigen, daß nach unserer Überzeugung hier niemand mitzusprechen befugt ist, der die Beisetzung der in Landsberg hingerichteten Ohlendorf und Schmidt zum Vorwand einer Hetze nahm, die als schamlos gebrandmarkt werden muß

(lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte)

und die den deutschen Namen wieder mit Schande bedeckt hat. Wir haben uns aus Treue zu unserm Grundgesetz gegen die Galgen auf deutscher Erde gewandt, und wir glauben, daß man an Gräbern schweigen soll; aber die Lebenden prangern wir an, die sich durch Kranzspenden und den Mißbrauch ehrwürdiger Sitten noch über das Grab der Täter hinaus zu mörderischen Verbrechen bekannten.

(Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Seit Potempa ist der deutsche Name, sind Menschlichkeit und Rechtlichkeit nicht so abgrundtief entwürdigt worden wie in Höxter und Hoheneggelsen.

(Wiederholter Beifall.)

Verbürgten Nachrichten zufolge haben sich Vertreter auch der DP und der FDP daran beteiligt.

(Hört! Hört! hei der SPD.)

Wer daran mitschuldig wurde, kann auch zum Fall Kemritz nicht Gehör beanspruchen.

(Sehr gut! bei der SPD.) Diese Trennung ziehe ich messerscharf.


(Zuruf rechts.)

Was uns am Fall Kemritz bewegt, was uns zu unserem Antrag bestimmt, daß die Bundesregierung im Namen Deutschlands Verwahrung einlegen soll, ist nicht allein die Schwere der Beschuldigungen, die sich gegen Kemritz richten, sondern sind weit mehr noch Art und Inhalt der
Entscheidung, die das Rechtsamt des Hohen Kommissars
der Vereinigten Staaten von Amerika am 13. Juni dieses Jahres bekanntgegeben hat. Uns treibt die Sorge, daß durch diese Entscheidung aus dem Fall Kernritz ein Fall „Menschenrechte" werden könnte.
Kemritz, ehedem Hitlers Parteigenosse und deshalb seit 1933 in den Vorstand der Berliner An- waltskammer berufen, war während des Krieges Abwehroffizier. - Aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft konnte er wohl nur deshalb 1945 gleich entlassen werden, weil er sein Anwaltsbüro im Ostsektor Berlins zur Menschenfalle machte. Unter hinterlistigen Vorspiegelungen lockte er eine Reihe von Frauen und Männern in sein Büro, um sie dem Zugriff des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes preiszugeben.

(Lebhafte Pfui-Rufe bei der SPD.)

Das geschah 1945 und 1946. Im Jahr 1947 flogen die Amerikaner Kemritz mit seinem gesamten Hausstand aus Berlin aus,

(Hört! Hört! bei der SPD)

verschafften ihm als einzigem deutschen Staatsangehörigen eine Villa am Philosophenweg in Bad Homburg und erwirkten seine Zulassung als Rechtsanwalt und seine Ernennung zum Notar.
Als 1950 ruchbar wurde, unter welch schwerem Verdacht Kemritz steht, leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein und erwirkte richterlichen Haftbefehl. Da machte die amerikanische Besatzungsbehörde auf Grund des Besatzungsstatuts von ihrem jus evocandi Gebrauch und zog die Strafverfolgung an sich, mit der Begründung, die Interessen der Besatzungsmacht seien berührt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nunmehr hat die amerikanische Besatzungsbehörde drei Entscheidungen getroffen. Erstens hat sie in Berlin die Klagen auf Schadenersatz verboten, die gegen Kemritz von den Hinterbliebenen seiner Opfer angestrengt waren; zweitens hat sie das ehrengerichtliche Verfahren der Rechtsanwaltskammer Frankfurt untersagt; drittens hat der amerikanische Oberstaatsanwalt die Untersuchung fallengelassen.

(Erneute Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

Ich gehe der Reihe nach auf die einzelnen Entscheidungen ein. Das Verbot des Zivilprozesses der Hinterbliebenen ist unzulässig, da es die Interessen der Besatzungsmacht nicht berühren kann, ob und welche Ansprüche die Hinterbliebenen gegen Kemritz haben. Das ohnehin längst in seinen Grundlagen erschütterte Besatzungsstatut vermag einen solchen Eingriff in private Rechtsbeziehungen zwischen Deutschen nicht zu decken und sollte nicht in einer Weise angewandt. werden, die Erinnerungen wachruft, welche sehr bedenklich stimmen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich entsinne mich, daß ich 1934 eine Klage gegen die Deutsche Arbeitsfront, vertreten durch Robert Ley, angestrengt habe, und zwar im Auftrage der Hinterbliebenen des an den Folgen der sogenannten „Schutzhaft" umgekommenen letzten Direktors der Arbeiterbank, in Berlin. Auch die Nationalsozialisten hatten sich damals durch ein besonderes Gesetz ein jus evocandi vorbehalten für alle Ansprüche, die mit der sogenannten „nationalen Re-


(Dr. Arndt)

volution" zusammenhingen. Davon wurde in diesem Prozeß zum erstenmal in Deutschland Gebrauch gemacht. Die NS-sogenannte-„Regierung" erhob Einspruch gegen die Verhandlung vor dem Landgericht Berlin und zog die Sache an sich. Nach einigen Monaten erhielt ich ein Schreiben des Polizeipräsidenten von Berlin. Darin teilte mir der Polizeipräsident von Berlin mit: „Ich", der Polizeipräsident, „erachte die Ansprüche der Witwe Bachem für unbegründet." Das war- alles.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich denke, es sollte im Interesse der Besatzungsmacht liegen, derlei Beispiele nicht nachzuahmen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung in der Mitte.)

Ich denke, die Besatzungsmacht sollte auch kein Interesse daran haben, gegen das Finanzamt Herrn Kemritz den Genuß der amerikanischen Zahlungen für geleistete Dienste unversteuert zu erhalten.

(Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

Auch das Verbot des ehrengerichtlichen Verfahrens ist unzulässig. Wer nach deutschem Recht deutscher Rechtsanwalt sein kann, ist eine ausschließlich deutsche Angelegenheit.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Der Hinweis auf das Gesetz Nr. 14 des Rats der Alliierten Hohen Kommission geht fehl. Nach Art. 3 Ziffer 12 dieses Gesetzes wird bestraft, wer gegen eine Person wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Alliierten Streitkräften eine disziplinarische Maßnahme einleitet. Unter der hier mit Recht gegen nationalistische Werwölfe geschützten Zusammenarbeit kann doch nach einer Rechtsauffassung, die sich den Freiheiten der westlichen Welt und den Menschenrechten verpflichtet weiß, allein eine solche Zusammenarbeit verstanden werden, die die Menschenrechte und die Menschenwürde wahrt.

(Abg. Dr. Laforet: Sehr gut!)

Ich bekenne mich zu einer solchen Zusammenarbeit, seit ich im August 1945 zusammen mit der verehrten Frau Kollegin Helene Weber dazu aufgefordert wurde, in Marburg an einer solchen Zusammenarbeit teilzunehmen. Wir glauben daran, daß in aller Welt die Demokratie unteilbar ist, und sind stolz darauf, als Demokraten mit den. Demokraten aller Nationen für den Frieden, die Freiheit und die Völkerversöhnung von ganzem Herzen zusammenzuarbeiten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Aber was hat das mit Kemritz zu tun?

(Sehr richtig! rechts.)

Man kann. es doch unmöglich Zusammenarbeit nennen, wenn da einer sich auf eigene Faust und aus schäbigem Eigennutz zum Hund der Besatzungsmächte macht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU.)

Nichts anderes hat Kemritz, wenn die Beschuldigungen gegen ihn wahr sind, getan. Er hat sich verkauft und insbesondere seine früheren eigenen Untergebenen aus seiner Dienststelle in verräterischer Weise in seine sowjetzonale Menschenfalle gelockt, indem er den ihm arglos Vertrauenden vortäuschte, er wolle und könne ihnen beruflich oder kameradschaftlich behilflich sein. — Wahrhaftig, wir wollen doch beiderseits etwas mehr Achtung vor dem haben, was wir mit dem schönen Wort „Zusammenarbeit" bezeichnen!

(Sehr gut! bei der SPD.)

Mit Recht hat deshalb der hessische Justizminister
Zinn Kemritz das Betreten der Gerichte verboten
und ihn als Rechtsanwalt und Notar ausgestoßen.

(Beifall bei der . SPD.)

Meine politischen Freunde und ich erklären uns mit unserem Freunde Georg August Zinn solidarisch!

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Ich komme nun zuletzt zu der Verlautbarung vom 13. Juni, mit der das Rechtsamt des amerikanischen Hohen Kommisssars die Einstellung des amerikanischen Strafverfahrens gegen Kernritz begründet hat. Diese Verlautbarung hat eine neue und sehr ernste Lage geschaffen, deren Bedeutung über den Einzelfall Kemritz hinausgeht. Ich glaube sagen zu dürfen, daß eine Verlautbarung so nicht abgefaßt worden wäre, hätte Mr. McCloy selber die Amtsgeschäfte führen können. Ich bin überzeugt, daß weder Mr. MoCloy noch das in der großen Tradition seiner Unabhängigkeitserklärung und der Menschenrechte lebende amerikanische Volk und seine Repräsentanten mit dem bösen Geist dieser Verlautbarung in Verbindung gebracht werden können. Das ist der Geist, den wir aus der Einwirkung auf die Denazifizierung kennen, aus dem Bestreben, die Bestätigung der Auslandsschulden zum Anerkenntnis eines separaten Weststaates zu machen, aus der verspäteten Morgenthau-Ideologie,

(Sehr gut! bei der SPD)

die mit einer falschen Dekartellisierung insbesondere die europäische Idee einer Montanunion kompromittierte, ein Geist, der unamerikanisch, der — jedenfalls im Ergebnis — prosowjetisch ist.

(Beifall bei der SPD.)

Auf drei angebliche Gründe stützt sich diese Verlautbarung. Erstens: Alle von Kemritz den Sowjets ausgelieferten Deutschen hätten zwangsläufig der Verhaftung unterlegen. Zweitens: Eine Unterstützung bei den Verhaftungen sei deshalb „legal" gewesen. Drittens: Kemritz habe einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit des Westens geleistet.
Bereits die erste Behauptung ist unzutreffend. Erich Klose und Reinhard Dannenberg, beide von Kemritz in seine Menschenfalle gelockt und beide in sowjetzonalen Konzentrationslagern umgekommen, waren schon durch schriftlichen Bescheid der zuständigen amerikanischen Besatzungsbehörde bedingungslos aus dem automatischen Arrest entlassen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Bei dem ebenfalls verschleppten und umgekommenen Bürgermeister a. D. Rieckenberg ist kein Grund für einen automatischen Arrest ersichtlich. Ich glaube, das gleiche gilt für den Physiker Dr. Faust, der sich mit Raketenerfindungen beschäftigt hat. Sonst war bisher nur bekannt, daß den „RaketenDeutschen" nach dem Einmarsch besondere Vorrechte eingeräumt wurden.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Keines der Opfer war übrigens Nationalsozialist, — einzig Kernritz selbst!


(Dr. Arndt)

Auch die zweite Behauptung geht fehl. Ich habe schon ausgeführt, daß die Art und Weise, wie Kemritz die sowjetrussischen Verhaftungen unterstützte, arglistig und verwerflich war. Überdies ist doch die hier herausgestellte Legalität keine andere als die, die im Nürnberger Hauptprozeß die angeklagten Repräsentanten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft für sich in Anspruch zu nehmen suchten. Will man sich schon formalistisch an den Buchstaben des Besatzungsrechtes halten, so besaß der sowjetrussische Staatssicherheitsdienst keinerlei Rechte, in den Westsektoren Berlins Personen festzunehmen, die dort sogar ordnungsmäßig gemeldet und registriert waren. Weshalb hat denn der sowjetrussische Staatssicherheitsdienst die Auslieferung nicht bei dem zuständigen Kommandanten beantragt,

(Sehr richtig! in der Mitte) wenn alles mit rechten Dingen zuging?

Aber auch das ist noch nicht das Entscheidende. Kemritz hat ja Beihilfe nicht nur zu Verhaftungen, sondern zu Ermordungen geleistet.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Kemritz hat auf eigene Faust und zum eigenen Vorteil Menschen, die er in die Falle lockte, an eine Macht ausgeliefert, von der er wußte, daß sie totalitär ist, daß sie keine rechtsstaatlichen Grundsätze ihres Verfahrens kennt, daß sie die Menschenrechte nicht achtet. Kemritz wußte, daß die von ihm Verratenen im Dunkel und Elend eines Lagers verschwanden, wo die Zeitdauer ungewiß, Mißhandlungen aber gewiß und der Tod wahrscheinlich waren. Aus diesen selben Lagern .sind 1950 nach der sogenannten Entlassungsaktion etwa 3500 Menschen wehr- und schutzlose Objekte einer gelenkten Justiz der berüchtigten Waldheimer Prozesse geworden, wo jeweils innerhalb weniger Minuten befohlene Urteile ausgesprochen wurden, die insgesamt viele Jahrtausende Zuchthaus verhängten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

32 Todesurteile wurden im November 1950 auf deutschem Boden vollstreckt.
Wie sollen wir denn noch gegen diese sowjetzonale Schreckensjustiz protestieren, wenn manderlei Verhaftungen als „legal" bezeichnen will?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Und ungezählt sind darüber hinaus die Toten der Konzentrationslager. Erich Klose, Reinhard Danneberg, Jürgen von Hake, Bürgermeister Rieckenberg, Dr. Faust, Opfer der Kemritzschen Menschenfalle, sind sogar ohne jeden Schein eines Urteils umgekommen und irgendwo verscharrt worden.

(Pfui-Rufe in der Mitte.)

Wenn das legal war, dann heißt dies: der Nurnberger Prozeß hat nicht stattgefunden!

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Oder es heißt: es gibt Verbrechen gegen die Menschlichkeit allein von Deutschen, aber nicht an Deutschen.

(Erneuter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Die dritte Behauptung schließlich, Kemritz habe einen wertvollen Beitrag zur Sicherung des Westens geleistet, ist nicht schlüssig. Ich will davon ausgehen, daß dieser Beitrag wertvoll war. So unmöglich es aber ist, die Entscheidung darüber, ob Menschenraub ein Unrecht ist, von der Politik abhängig zu machen, Menschenraub also nur dann für rechtswidrig zu erklären, wenn er zugunsten einer feindlichen Macht, nicht aber zugunsten eines vermeintlich Alliierten verübt wird, ebenso unmöglich und unheilvoll ist es doch, die Frage nach Recht oder Unrecht einer Tat mit dem Nutzen zu verknüpfen, den man von einem Täter hatte.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.) Denn hierin würde sich nichts anderes offenbaren als das krasse Eingeständnis, daß die Staatsräson über dem Recht stehe, daß ein Zweck die Mittel heilige, daß Recht sei, was der Macht nütze.


(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich kann nicht anerkennen, um einen in diesem Hohen Hause vielleicht unliebsamen Vergleich zu ziehen, daß die Beihilfe zu befohlenen Festnahmen, die einer dadurch leistete, daß er dabei mitwirkte, jüdische Menschen durch die ZwangsVornamen Sara und Israel in Form einer Verordnung und eines Kommentars dazu für den Häscher zu kennzeichnen, daß eine solche Beihilfe zur Unmenschlichkeit durch geheime Dienste ausgeglichen würde. Man kann die Freiheit, man kann Würde und Recht des Menschen nicht verteidigen, indem man vor der Ideologie des Totalitarismus kapituliert. Es ist jedoch eine bedingungslose Kapitulation vor dem Totalitarismus, wenn man wie Klaus Fuchs und andere Atomspione aus einer Ideologie heraus dem Wahn huldigt, daß jedes Mittel recht ist, wenn es nur die Macht der über alles gesetzten Ideologie vermehrt.
Hier findet sich auch der tiefste Grund, warum die Enthüllungen über Kemritz und mehr noch jene unselige Verlautbarung vom 13. Juni wie ein seelisches Erdbeben die Menschen in Deutschland erschüttern. Ich glaube, selten hat eine Zeitschrift eine solche Aufmerksamkeit gefunden, wie die Berliner Illustrferte, als sie ihren Tatsachenbericht über den Fall Kemritz brachte. Die Menschen fragen sich, ob ihre Menschenrechte davon abhängen, welche Mächte untereinander militärisch und politisch befreundet oder ver feindet sind. Die Menschen fragen sich, ob sie nur wechselseitig Opfer gnadenloser Machtansprüche sind.
Was erwarten die Menschen aus allen Teilen Deutschlands, aber ganz besonders aus der sowjetischen Zone in dieser Stunde von uns? Daß wir ihnen und aller Welt eindeutig und unerschrocken sagen: Wir verwahren uns dagegen, daß Menschenrecht und Menschlichkeit von der Politik oder von irgendeiner Staatsräson abhängig sein sollen.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.) Wir machen vor jedermann und vor jeder Macht auf dieser Welt geltend, daß die Deutschen wie die Angehörigen aller anderen Völker der Erde als Menschen vor den Gesetzen der Menschlichkeit gleich sind.


(Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115400400
Zur Begründung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU Drucksache Nr. 2345 und zur Begründung der Gesetzesvorlage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP Drucksache Nr. 2344 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Weber (Koblenz).

Dr. Weber (Koblenz) (CDU), Interpellant und Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall Kemritz hat in einem ganz ungewöhnlichen Ausmaß die deutsche Öffentlichkeit erregt. Was in sachlicher und rechtlicher Hinsicht dazu zu sagen ist, hat bereits mein Herr Vorredner ausgeführt, so daß ich auf diese Dinge nicht mehr einzugehen brauche.
Es ist unfaßbar, daß ein Mann, der als Anwalt berufen ist, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten und Unrecht abzuwehren, sich solcher Verbrechen schuldig gemacht haben soll, daß ein Mann, der als Offizier die Treue als eine der edelsten und höchsten Tugenden schätzen und wahren gelernt haben sollte,

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Es gab solche und solche! — Abg. Renner: Das wird ja immer schoner!)

einen solchen Verrat an seinen Kameraden begangen haben soll.
Ich enthalte mich einer tatsächlichen Feststellung. Es wird Sache der Gerichte sein, später festzustellen, ob Kemritz diese Verbrechen, deren er beschuldigt ist, begangen hat. Aber es ist auch unfaßbar und unertraglich, daß nunmehr der Gerechtigkeit in den Arm gefallen wird und die Durchführung sowohl des ordentlichen Strafverfahrens als auch des disziplinären Ehrengerichtsverfahrens unterbunden, verboten werden soll, dies bei einem Manne, der sich als Deutscher an Deutschen vergangen hat. Es ist unfaßbar und unerträglich, daß das Verfahren vou Besatzungsinstanzen mit einer Begründung eingestellt wird, deren Unhaltbarkeit soeben nachgewiesen worden ist, und daß damit die von diesem Manne begangenen Verbrechen ungesühnt bleiben sollen. Mutet es nicht geradezu wie Hohn und schneidender Zynismus an, wenn in der Begründung der Einstellungsverfügung gesagt wird, daß Kemritz einen wertvollen Beitrag für die Sicherung des Westens geleistet habe und daß nur solche Personen von seinen Handlungen betroffen worden seien, die nach den bestehenden Bestimmungen sowieso hätten verhaftet werden müssen? Es ist soeben richtig dargelegt worden, daß ein Teil dieser Personen der Prozedur des automatischen Arrestes bereits unterlegen hatte und freigelassen worden war. Die Begründung kann also zumindest in diesen Fällen nicht mehr ziehen. Man fragt sich, weshalb denn nicht die alliierten Stellen in WestBerlin, die ja nach den gleichen Bestimmungen vorzugehen hatten, nunmehr ihrerseits in den anderen Fällen eingeschritten sind, in denen der automatische Arrest noch nicht verhängt worden war, weshalb es notwendig war, daß die Leute nach Ost-Berlin gelockt und dort verhaftet und gleichzeitig verschleppt wurden. Glaubt man wirklich, daß diese Verbrechen an Leuten, deren ganze Schuld, soweit wir den Sachverhalt übersehen, darin bestand, daß sie im Kriege an derselben Dienststelle wie Herr Kemritz tätig waren, ohne daß erkennbar ist oder auch nur behauptet wird, daß sie sich in dieser Stelle irgendeiner strafbaren Handlung schuldig gemacht hätten, damit entschuldigt werden können, daß diese Leute sowieso hätten verhaftet werden müssen? Glaubt man wirklich, die Behandlung, die den Verhafteten bei der NKWD zuteil wurde, für eine geeignete Maßnahme zur „politischen Umerziehung" halten zu können? — Die „politische Umerziehung" sollte j a wohl eines der ersten und vornehmsten Ziele der sogenannten automatischen Haft sein. Es
wurde den Opfern eine Behandlung zuteil, die, wie wir soeben schon gehört haben, bei einigen schwerste körperliche Schäden, bei anderen sogar den Tod zur Folge hatte.
Nach 1945 wurde uns immer wieder verkündet, daß Verbrechen Verbrechen blieben, auch wenn sie aus politischen Motiven heraus begangen worden seien. Man hat in Nürnberg aus dieser Erkenntnis auch die letzten und die bittersten Konsequenzen gezogen. Es geht deshalb aber auch nicht an, daß die Anwendung dieser Erkenntnis davon abhängig sein soll, welche politische Konstellation nun gerade herrscht, daß Menschenraub einmal erlaubt oder sogar eine lobenswerte Tat sein soll, weil man gut Freund ist, und das andere Mal ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, weil man sich inzwischen entzweit hat.
Es liegt uns nicht daran, noch Öl ins Feuer zu gießen oder ein Feuerchen politischer Leidenschaft an diesem Falle zu entfachen. Dafür ist der Fall viel zu ernst. Unser Anliegen ist ein ganz anderes, wie es auch in unserer Interpellation zum Ausdruck kommt. Es soll verhindert werden, daß sich aus diesem Fall eine Verwirrung des Rechtsgefühls oder der Rechtsachtung entwickelt. Deshalb fragen wir die Bundesregierung:
1. was sie in Sachen Kemritz vor der Erklärung der amerikanischen Oberstaatsanwaltschaft Berlin unternommen hat, um Kemritz vor deutsche Gerichte zu ziehen,
2. ob sie bereit ist, die Justizminister der Länder der Bundesrepublik aufzufordern, gegen Kemritz unverzüglich eine allgemeine Fahndungsaktion einzuleiten mit dem Ziel, Kemritz wegen des dringenden Verdachts des vielfachen Verstoßes gegen Bestimmungen des deutschen Strafgesetzes wie der Gesetze der Menschlichkeit (Nürnberger Tribunal) zur Verantwortung zu ziehen,
3. ob sie bereit ist, unverzüglich mit dem Herrn Hohen amerikanischen Kommissar in Verbindung zu treten mit dem Ziel, eine grundsätzliche Übereinstimmung in der rechtlichen und moralischen Beurteilung des Falles zur Vermeidung schwerer Verwirrung der Rechtsanschauungen und Rechtsachtung herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, soviel zum Fall Kemritz als solchem. Es scheint uns aber notwendig, nicht bei dem Fall Kemritz stehen zu bleiben, sondern ihn, wie es auch schon mein Herr Vorredner getan hat, unter einem größeren Blickwinkel zu sehen und daraus gleichzeitig auch die praktischen Konsequenzen zu ziehen. Deshalb ist Ihnen ein Antrag mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit vorgelegt worden. Dieses Gesetz ist in Berlin bereits verabschiedet worden. Die Entwicklung der Dinge scheint es uns aber notwendig zu machen, daß auch hier in der Bundesrepublik eine gesetzliche Handhabe geschaffen wird, die es ermöglicht, bei derartigen Vorkommnissen, wie sie durch den Fall Kemritz gekennzeichnet werden, nachhaltig einzuschreiten. Deshalb sieht der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf eine Ergänzung des Strafgesetzbuches, zunächst im § 234, vor, indem ein § 234 a eingefügt werden soll, der die Verschleppung unter Strafe stellt. Danach soll bestraft werden, wer jemanden durch List, Drohung oder Gewalt in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbringt oder ihn veranlaßt, sich dorthin zu begeben, oder ihn davon abhält, von


(Dr. Weber [Koblenz])

dort zurückzukehren, und ihn dadurch der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkurmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden. Bei der Schwere dieses Verbrechens scheint es uns auch notwendig zu sein, grundsätzlich Zuchthaus anzudrohen.
Des weiteren scheint es uns aber notwendig zu sein, eine Bestimmung gegen die politische Denunziation, gegen die politische Verdachtigung zu schatten, um auch diese Tatbestände besser tretfen zu konnen, als es nach den bisherigen Strafbestimmungen möglich ist.
Es erweist sich dann weiter als nötig, eine Ergänzung des § 139 des Strafgesetzbuches vorzunehmen, indem dort an die Stelle der Worte „Menschenraubes oder gemeingetahrlichen Verbrechens" die Worte „eines Menschenraubes, einer, Verschleppung oder eines gemeingetahrlichen Verbrechens" gesetzt werden, die Verschleppung dort also noch eingetilgt wird.
Meine Damen und Herren! Der Fall Kemritz hat uns gelehrt, daß es notwendig ist, uns unserer Haut zu wehren. Es muß erwartet werden, daß die einhellige Stellungnahme des Deutschen Bundestages zur Folge haben wird, daß man auf der Seite der Besatzungsmachte erkennt, worum es uns hier tatsächlich geht. Es geht uns darum, das Recht zu sichern. Es geht uns darum, daß dem Volke der Glaube an die Unteilbarkeit und Absolutheit des Rechts erhalten wird, dessen bewußte Zweckbeugung man mit als tiefste Ursache des Hitlerzusammenbruchs empfunden hat.

(Sehr richtig! rechts.)

Es darf in Zukunft keine Unmenschlichkeit mehr
geben, die mit politischen Zweckgründen entschuldigt werden kann und deren Verfolgung dem zustandigen Richter entzogen wird. Deshalb bitten
wir Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, beziehungsweise ihn zunächst an den Ausschuß für
Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.

(Beifall in der Mitte, rechts und bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115400500
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister der Justiz.

(Abg. Euler: Ich bitte ums Wort!)

— Herr Abgeordneter Euler?

(Abg. Euler: Ich bitte ums Wort zur Begründung unseres Antrages!)

— Herr Abgeordneter Euler, es pflegt die Regel zu sein, daß Interpellationen zunächst beantwortet werden. Wenn aber der Minister Wert darauf legt, daß die Begründung Ihres Antrages zuerst erfolgt,

(Zustimmung des Bundesjustizministers)

— dann bitte ich Sie, zur Begründung das Wort zu nehmen.

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0115400600
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meinem sehr großen Bedauern bin ich genötigt, an die Spitze meiner Ausführungen eine Verwahrung, und zwar eine sehr entschiedene Verwahrung gegen einen polemischen Angriff des Herrn Kollegen Arndt zu stellen. Dieser Angriff versuchte, die Freie Demokratische Partei der Mitwirkung bei den Protestaktionen aus Anlaß der Kranzniederlegung an den Gräbern von Ohlendorf und einem anderen der Landsberger Verurteilten zu bezichtigen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir uns aus genau denselben Erwägungen wie Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, gegen die Vollstreckung der Urteile gewandt haben. Die wesentlichste Erwägung dabei war, daß wir ein Bundesgesetz haben, das die Todesstrafe abgeschafft hat, und daß der Widerspruch gegen dieses Grundgesetz in diesem Augenblick nicht von den Besatzungsmächten hätte exekutiert werden sollen. Wir haben aber nichts getan, was Anlaß dazu hätte bieten können, die Verurteilten in der Glorie von Märtyrern erscheinen zu lassen, da wir sehr wohl wissen, daß sie Schwerverbrecher sind. Ich muß also Herrn Kollegen Arndt bitten, wenn er meint, daß Angehörige der FDP an diesen Kranzniederlegungen teilgenommen hätten, uns entweder das Material zugängig zu machen oder aber fairerweise hier an dieser Stelle die Behauptung, die er ausgesprochen hat, wieder zurückzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Thema Kemritz! Seitdem die Freie Demokratische Partei, Landesverband Hessen, in der vorvorigen Woche verschiedene Publikationen in deutschen Zeitschriften zum Anlaß nahm, um sowohl an den Herrn Bundesjustizminister als auch an den hessischen Ministerpräsidenten zu appellieren, sind eine Reihe von Maßnahmen der amerikanischen Besatzungsmacht zum Schutze von Kemritz getroffen worden, die in keiner Weise gerechtfertigt werden können und die unser Volk auf das tiefste erregt haben.

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

Der Fall Kemritz ist ein Ausschnitt aus dem ernsten Kapitel des kalten Krieges und der Geheimdienste, die diesen kalten Krieg auf deutschem Boden führen.

(Abg. Renner: Aha!)

Deutschland ist einer der Hauptkriegsschauplätze dieses kalten Krieges der Großmächte. Der große Umfang, in dem dieser Krieg der Geheimdienste auf deutschem Boden vor sich geht, macht es um so wesentlicher, daß wir als Deutsche alles tun, um dafür zu sorgen, daß das Gebiet der Bundesrepublik keine freie Wildbahn und kein Schutzgebiet für Agenten wird, die mit Wissen der Besatzungsmächte kriminelle Untaten begehen. Das Problem ist für uns um so ernster, wenn es sich um deutsche Staatsangehörige handelt. Sie sind Bürger dieses Landes und unterliegen seinen Gesetzen und den zu ihrer Wahrung und Vollstreckung vorgesehenen gesetzlichen Maßnahmen der deutschen Justiz und der deutschen Administration.

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind bemüht, die demokratischen Kräfte aller Parteigruppierungen und eine rechtsstaatliche Demokratie in Deutschland zu entwickeln. Die rechtsstaatliche Demokratie kann nicht ohne unabhängige Justiz gedeihen. Die Verankerung dieses Rechtsstaates und das rechte Wissen um die Unentbehrlichkeit einer unabhängigen Justiz für diesen Rechtsstaat im Bewußtsein des deutschen Volkes sind aber nicht möglich, wenn die Besatzungsmächte aus Scheingründen, aus Gründen, die sie ja nicht ernsthaft erwogen haben können, der deutschen Justiz in den Arm fallen.
Was Dr. Kemritz getan hat, ist nur dadurch zu kennzeichnen, daß man sagt, er hat sich als Menschenfalle betätigt. Und da er dies in nicht weniger


(Euler)

als acht Fällen getan hat, so gibt es für die Besatzungsmächte — wie Kollege Arndt zutreffender-weise dargetan hat — weder eine Möglichkeit, die Schadenersatzansprüche der deutschen Verletzten aufzuhalten, noch die Möglichkeit, Vollstreckungsmaßnahmen des deutschen Finanzfiskus wegen Steuerschulden zu verhindern; es besteht für die Besatzungsmächte ebensowenig die Möglichkeit, Maßnahmen der deutschen Standes-Ehrengerichtsbarkeit gegen Kemritz zu verhindern. Es gibt aber auch keine Rechtfertigung der Verhinderung von Maßnahmen, die die deutsche Strafjustiz durchführen müßte, um für Delikte des Menschenraubs und der Menschenvernichtung, deren sich Dr. Kernritz schuldig gemacht hat, die notwendige Sühne herbeizuführen. Der amerikanische Landeskommissar für Hessen hat sich zwar auf Gesetz Nr. 14 Art. 3 berufen, obwohl es sich in diesem Falle nicht um eine Zusammenarbeit mit den Alliierten handelt, die dem Schutze dieses Gesetzes unterliegen könnte. Er hat aber vergessen, ein ganz anderes wesentliches Gesetz heranzuziehen, nämlich das Gesetz Nr. 10 des Alliierten Kontrollrats vom 12. April 1946, das in Art. 2 Ziffer 1 d und in Ziffer 2 ausdrücklich die indirekte Beihilfe zu Menschenraub unter den Delikten aufzählt, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bezeichnen sind.
Wir müssen uns mit aller Entschiedenheit dagegen wehren, daß die amerikanische Besatzungsmacht Schutzmaßnahmen zugunsten eines Deutschen trifft, der gegen andere Deutsche als Menschenfalle gewirkt und Menschenraub begangen hat. Wir haben ins Auge zu fassen, daß bisher nicht nur Vollstreckungsmaßnahmen verhindert wurden, sondern daß jetzt Dr. Kernritz selbst, nachdem vor seinem Grundstück in Bad Homburg von der amerikanischen Besatzungsmacht ein Schild: „Off Limits — Zutritt Deutschen verboten" angebracht wurde,

(Hört! Hört! rechts)

in ein US-Camp in der Nähe von Heidelberg in Sicherheit verbracht worden ist, wo er einstweilen unter US-Bewachung lebt.

(Erneute Zurufe rechts: Hört! Hört!)

Es erhellt daraus die Absicht der amerikanischen Besatzungsmacht, die Schutzmaßnahmen für Dr. Kemritz weiterhin aufrechtzuerhalten.
Wir haben nun um so mehr Anlaß, mit äußerster Entschiedenheit auf die Abstellung solcher ungerechtfertigter Schutzmaßnahmen hinzuwirken, als in den letzten Tagen einige Fälle bekanntgeworden sind, in denen Angehörige der Besatzungsmacht von gewissen Eingriffsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben und auf ebenfalls sehr verhängnisvolle Weise deutschen Behörden in den Arm gefallen sind. Ich will hier nur einen Fall erwähnen, der in den letzten Tagen bekannt wurde, nämlich den des Chemikers Wendt von der Frankfurter Firma Schleußner, einer Film- und Photofabrik. Dieser Dr. Wendt wurde des Diebstahls an Forschungsergebnissen in der Firma Schleußner überführt. Die Koffer, die bei ihm in der Wohnung beschlagnahmt wurden, wurden nach der Sicherstellung durch die deutsche Polizei von amerikanischer MP wieder in amerikanischen Besitz gebracht.

(Hört! Hört!)

Weitere Koffer mußten dann an die amerikanische Militärpolizei in deren Gebäude abgeliefert werden, die dort versiegelt wurden. Jedenfalls ist kurz darauf Frau Wendt unter dem Schutz amerikanischer
Polizei mit einem dieser Koffer in ein Flugzeug mit dem Ziel USA verbracht worden.

(Erneute Zurufe: Hört! Hört!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir diese Fortdauer einer völlig verfehlten Einstellung amerikanischer Behörden und amerikanischer Exekutivbeamten auf deutschem Boden erleben, dann wird das auf das äußerste gefährdet, was wir als großes politisches Ziel anstreben. Das ist nicht nur innerpolitisch die Gesundung der Demokratie im Sinne eines freiheitlichen Rechtsstaates, sondern es ist vor allem außenpolitisch ein immer engeres Zusammenwirken nicht nur in der Wirtschaft, sondern vor allem auch auf der breitesten Basis der Politik zwischen allen freiheitlichen Völkern der Welt, zwischen allen Völkern, denen es darum geht, nicht nur zu verhüten, daß weitere Völker in Sklaverei versinken, sondern die sich dafür einsetzen, daß die Sache der Freiheit und des Rechtes auf friedliche Weise gegenüber den Ansprüchen der Tyrannei zum Siege gelangt.
Wir lasen in den heutigen Tageszeitungen, daß der amerikanische Hochkommissar McCloy am Dienstag, dem 19. Juni, in Washington verkündet hat, es sei demnächst mit einer Erklärung der führenden Demokratien über die neuen Absichten ihrer Deutschlandpolitik zu rechnen. Die Ankündigung einer solchen fundamentalen Erklärung, die dahin lauten soll, daß dem deutschen Gleichberechtigungsverlangen schneller stattgegeben wird, wird durch Beamte der Besatzungsmacht desavouiert, die offensichtlich noch stark von dem Geiste des Morgenthau-Plans infiziert sind

(Sehr richtig! rechts)

und sich nicht genügend schnell auf die neuen Realitäten, auf die neuen Notwendigkeiten zur Bewahrung und Durchsetzung der Demokratie in der Welt haben umstellen können. Wir möchten diese Gelegenheit benutzen, um an die amerikanische Besatzungsmacht dahin zu appellieren, daß sie von oben her auf die breite Masse ihrer Exekutivbeamten und -angestellten nicht nur in der Besatzungsverwaltung, sondern auch auf die Truppe, die auf deutschem Boden steht, einwirkt, sich des Geistes bei allen Maßnahmen zu befleißigen, der zum Ausdruck bringt, daß Deutschland nicht mehr der Besiegte von gestern, sondern der faire Partner von heute und morgen für alle Völker der freien Welt ist.

(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

Aus diesen Erwägungen heraus haben wir uns entschlossen, einen umfassenden Antrag einzubringen, der über den Inhalt der Anträge der CDU und SPD hinausgeht. Er lautet:
In der Überzeugung, daß der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates mit der ihm unentbehrlichen unabhängigen Rechtspflege im Bewußtsein des deutschen Volkes auf das schwerste gefährdet wird, wenn die Besatzungsmächte Eingriffe vornehmen, um ordentliche Justizverfahren gegen deutsche Staatsangehörige zu verhindern oder zu beeinflussen,
ersucht der Bundestag die Bundesregierung, bei dem Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten zu erwirken, daß die Maßnahmen aufgehoben werden, die amerikanische Dienststellen eingeleitet haben, um Strafverfahren und berufsständische Ehrengerichtsverfahren gegen den Rechtsanwalt Dr. Kemritz zu ver-


(Euler)

hindern und um die Durchsetzung zivil- und
öffentlich-rechtlicher Ansprüche zu verhüten.
Die Bundesregierung wird ferner ersucht,
bei dem Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten sicherzustellen, daß weitere Eingriffe der amerikanischen Besatzungsmacht unterbleiben, die darauf abzielen, dem schwerer Verbrechen Beschuldigten gegenüber der deutschen Justiz einen nach deutschem Recht nicht begründeten Schutz zuteil werden zu lassen, und daß Dr. Kemritz den zuständigen
deutschen Behörden ausgeliefert wird.
Auf diesen Nachsatz möchte ich besonders hinweisen, nachdem festzustehen scheint, daß sich Dr. Kemritz noch auf deutschem Boden befindet, allerdings unter Obhut der Besatzungsmacht in einem US-Camp in der Nähe Heidelbergs.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115400700
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0115400800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung stimmt mit den Antragstellern und mit den Interpellanten in der Bewertung des Falles Kemritz und des Verhaltens der amerikanischen Stellen im Zusammenhange mit dem Fall Kemritz durchaus überein.
Die Interpellanten fragen, was die Bundesregierung unternommen hat, um Kemritz vor deutsche Gerichte zu ziehen. Von dem verbrecherischen Tun dieses Mannes habe ich Ende September vorigen Jahres erfahren. Eines seiner Opfer war durch einen glücklichen Zufall dem drohenden Schicksal entgangen und hat mir den Sachverhalt in Form einer eidesstattlichen Versicherung mitgeteilt. Ich habe diese Unterlagen sofort dem zuständigen hessischen Justizministerium mit der Bitte um Einleitung eines Strafverfahrens und Unterrichtung über den Fortgang des Verfahrens zugeleitet. Schon am 1. November hat die Staatsanwaltschaft in Frankfurt einen Haftbefehl beim Amtsgericht Frankfurt erwirkt. Aber sofort kam die Gegenwirkung der amerikanischen Stellen. Am 2. November hat das Amt des amerikanischen Landeskommissars für Hessen die Vorlage der Ermittlungsvorgänge gefordert. 'Trotz schriftlicher und mündlicher Vorstellungen der zuständigen Beamten des hessischen Justizministeriums wurde die Herausgabe der Unterlagen gefordert, und dies trotz des ausdrücklichen Hinweises, daß dieser Fall zweifellos und begründetermaßen der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Die Unterlagen sind dann am 18. November dem amerikanischen Landeskommissar übergeben worden. Am 21. November wurde vom US-Landeskommissar dem hessischen Justizministerium fernmündlich mitgeteilt, daß die Angelegenheit an ein amerikanisches Besatzungsgericht abgegeben worden sei. Dieses amerikanische Besatzungsgericht hat dann den Kemritz, wie wir hören, gegen eine Kaution von nur 5000 DM aus der Haft entlassen.
Als ich den Sachverhalt erfuhr, habe ich das hessische Justizministerium gebeten, die Gründe für diese Anordnung des Landeskommissars zu ermitteln. Es kam aber nur die Mitteilung, daß das Amt des Landeskommissars für Hessen für die Übernahme von Strafsachen in die Besatzungsgerichtsbarkeit keine Gründe angebe.
Ich habe mich dann unter Einschaltung anderer Dienststellen des Bundes im Zusammenwirken mit dem hessischen Justizministerium bemüht, den wirklichen Umfang der Handlungen, der Verbrechen des Kemritz und den eigentlichen Grund der Haltung des amerikanischen hessischen Landeskommissars festzustellen. Das hessische Justizministerium hat erneut bei dem Landeskommissar Vorstellungen erhoben, aber wieder keine Auskunft erhalten. Meine Nachforschungen ergaben, daß Kemritz in weit größerem Umfange, als ursprünglich angenommen wurde, dringend verdächtig war, sich einer Fülle der Verbrechen der schweren Freiheitsberaubung, wie sie Herr Abgeordneter Dr. Arndt hier in jedem Punkt zutreffend gewürdigt hat, schuldig gemacht zu haben.

(Hört! Hört! bei der FDP.)

Nach meinen Ermittlungen sind in der Zeit vom Herbst 1945 bis März oder Juli 1946 mit großer Sicherheit 14 Männer — deren „Verbrechen" also nur darin bestanden haben kann, daß sie zusammen mit Kemritz in der Abwehrabteilung des stellvertretenden Generalkommandos III tätig gewesen waren — und 3 Frauen den Sowjetbehörden in der vorher geschilderten Form 'ausgeliefert worden.

(Zuruf von der FDP: Unerhört!)

Wahrscheinlich sind aber noch 3 weitere Männer, die im Sommer 1945 in Berlin verschwunden sind, ebenfalls durch die ungeheuerlichen Maßnahmen dieses Kemritz den Russen ausgeliefert worden. Von den genannten Personen sind nur 3 Männer und die 3 Frauen, die teilweise bis zum Frühjahr 1950 in den Konzentrationslagern zurückgehalten worden waren, zurückgekehrt. Wir wissen bestimmt, daß Otto Wernicke, der ehemalige Direktor eines großen Berliner Krankenhauses, im Januar 1946 im GPU-Gefängnis Weißensee zum Tode verurteilt worden ist. Erich Klose ist am 10. Februar 1946 im Lager Hohenschönhausen. Dr. Rieckenberg 1947 und Hans-Jürgen von Hake im Juli 1950 im Zuchthaus Luckau gestorben. Ein weiteres Opfer wird nach unseren Feststellungen in einem Lager der Sowjetzone krank zurückgehalten. Von anderen auf diese fürchterliche Weise verschleppten Personen haben wir keine Nachricht erhalten.
Ich habe erwogen, ob ich schon auf Grund dieses Sachverhaltes Vorstellungen beim amerikanischen Hohen Kommissar erheben soll. Die Tatsache aber, daß die amerikanischen Stellen erklärt haben, sie hätten von sich aus ein Verfahren gegen Kemritz beim amerikanischen Besatzungsgericht in Berlin anhängig gemacht — ich habe dieses Verfahren für ernsthaft angesehen —, hat mich veranlaßt, zunächst abzuwarten. Ich habe meine Sachbearbeiter persönlich nach Berlin geschickt. Sie haben zusammen mit dem Senator für Justiz in Berlin die Dinge behandelt, und dabei wurde dann festgestellt, daß in Berlin ebenfalls bei der deutscheu Staatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet war. Wir haben alles unternommen, um dieses Verfahren zu beschleunigen. Wir haben insbesondere aber davon abgesehen, die in Berlin vorliegenden Vorgänge dem amerikanischen Besatzungsgericht zu übergeben. Dieses Verfahren in Berlin ist noch anhängig und wird vom Generalstaatsanwalt in Berlin betrieben. Es ist Anklage gegen Kemritz erhoben und Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung gestellt worden. Die Voruntersuchung ist, wie ich heute telefonisch festgestellt habe, von der Strafkammer des Landgerichts Berlin eröffnet worden. Die Pressenach-


(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

richt von heute, daß dieses Verfahren ebenfalls durch einen Einspruch der amerikanischen Behörde kupiert worden sei, trifft nicht zu. Das Verfahren schwebt. Richtig ist nur, daß, Wie schon erwähnt wurde, ein Zivilprozeß, und zwar der Schadensersatzprozeß der Witwe von Hake gegen Kemritz, zunächst verboten wurde und daß man gestern von dem Herrn Senator der Justiz in Berlin, Herrn Dr. Kielinger, die Herausgabe der darauf bezüglichen Akten gefordert hat. Herr Dr. Kielinger hat die Herausgabe dieser Akten abgelehnt.

(Bravo! in der Mitte.)

Dazu kommt die bereits erwähnte Tatsache, daß das in Frankfurt gegen Kemritz eingeleitete ehrengerichtliche Verfahren, in dem es darum ging, diesen für eine deutsche Rechtsanwaltschaft unerträglichen Mann so rasch wie möglich auszustoßen, kurz bevor die auf den 14. April angesetzte Hauptverhandlung stattfinden sollte, von dem amerikanischen Landeskommissar unterbrochen wurde. Am 2. April hat er dem hessischen Ministerpräsidenten eine Anordnung auf Einstellung des Verfahrens mit der Begründung übersandt:
Wie sich aus der Anklage ergibt, werden Interessen berührt, die in den Bereich des § 2 e des Besatzungsstatuts fallen. Daher wird gemäß Art. 7 des Gesetzes Nr. 13 der vorgenannte Fall der Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen, und es wird angeordnet, daß das Verfahren eingestellt wird.
In der Folge mußten die Akten des Ehrengerichtsverfahrens — auch auf einen Befehl des Landeskommissars — der amerikanischen Besatzungsbehörde ausgehändigt werden.
Ich kann dem, was der Herr Abgeordnete Dr. Arndt über die Unmöglichkeit und über die rechtliche Unhaltbarkeit dieses Verfahrens gesagt hat, kaum etwas beifügen. Die Evokation der Verfahren durch die amerikanische Besatzungsbehörde stützt sich auf den Art. 7 des Gesetzes Nr. 13 und auf die Gründe, die schon erwähnt worden sind. Inwieweit durch diese Verfahren, besonders durch ein ehrengerichtliches Verfahren oder gar durch einen Zivilprozeß, amerikanische Interessen berührt werden sollen, das ist das Geheimnis der amerikanischen Behörden geblieben. Es wurde nicht einmal der Versuch einer Begründung gemacht.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Insbesondere wurde nicht dargelegt, inwieweit
durch ein Verfahren gegen Kemritz wegen der
ihm zur Last gelegten Straftaten — darauf kommt
es doch an: Straftaten, die zu den schwersten
Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören —
Interessen der amerikanischen Besatzungsmacht
berührt werden. Immerhin konnte man noch bis
vor wenigen Tagen die Hoffnung haben, daß das
amerikanische Gericht in Berlin unserem Verlangen nach Sühne schwerster Verbrechen Rechnung tragen würde. Aber seit der Bekanntmachung des Rechtsamtes des amerikanischen
Hohen Kommissars vom 13. Juni 1951, daß das bei
der amerikanischen Justizbehörde in Berlin anhängige Verfahren gegen Kemritz eingestellt worden sei, ist auch diese Hoffnung verdorben.
Ich teile in jedem Worte die Kritik des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt an dieser Bekanntmachung und an seiner Begründung. Man wird schamrot, wenn man diese doch immerhin in der Diktion eines Juristen gefaßte Begründung liest.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Sie überzeugt mit keinem Worte.
Vielleicht darf ich in Ergänzung dessen, was die Vorredner gesagt haben, in diesem Zusammenhang noch auf eines hinweisen. In der Bekanntmachung wird davon gesprochen, daß die Opfer des Herrn Kemritz auf Grund der alliierten Verfügungen zwangsläufig der Verhaftung unterlegen seien und daß Herr Kemritz gewissermaßen nur ein gutes Werk getan habe, wenn er diese Leute dem barbarischen Schicksal in der Hand der Russen ausgeliefert habe. Ich habe vergeblich versucht, solche Verfügungen, die ja eine Rechtsgrundlage sein sollen, festzustellen. Es gibt nur eine Direktive Nr. 38 des Kontrollrats über die Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und die Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen. Sie ist erst am 12. Oktober 1946 ausgefertigt worden, also lange nachdem die Verbrechen des Kemritz geschehen waren. Aber selbst wenn eine solche Verfügung bestanden hätte, dann hätte es nur den normalen, den korrekten Weg eines Ersuchens der zuständigen russischen Stellen an die amerikanische, britische oder französische Militärbehörde um Auslieferung gegeben. Töricht, uns glauben machen zu wollen, es sei notwendig oder auch nur Rechtens gewesen, Menschen in der Form, in der es Kernritz getan hat, tückisch in eine Falle zu locken und dann in die tödlichen Arme der Sowjetbehörden zu treiben.
Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß auf jeden Fall ein Widerspruch insofern besteht, als die beiden Opfer des Kemritz Danneberg und Klose schon vorher von den Amerikanern gecleart und dann bedingungslos entlassen worden waren. Soweit jedenfalls die Feststellungen, die uns möglich waren. Aber ganz abgesehen davon, wie will man mit einer solchen Begründung rechtfertigen, daß Kemritz drei Frauen auf diese Weise verschleppt hat,

(lebhafte Rufe: Hört! Hört! Pfui!)

drei Frauen, von denen nur zwei Angestellte in der Abwehrabteilung waren, während der dritten bestenfalls der Vorwurf gemacht werden kann, daß sie mit einem Abwehroffizier verheiratet war!
Die Angabe des Rechtsamtes der amerikanischen Hochkommission, die von Kemritz bei den Verhaftungen geleistete Unterstützung sei legal gewesen, erscheint unhaltbar. Damit entbehrt auch der Hinweis auf das Gesetz Nr. 14 jeder stichhaltigen Begründung. Über die Bewertung des Tuns des Kemritz ist, glaube ich, kein Wort zu verlieren. Es kommt einem einfach grotesk vor, wenn behauptet wird, daß ein Mann wie Kemritz einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit des Westens geleistet habe. Die Bundesregierung hat kein Verständnis für die Haltung der amerikanischen Behörden in diesem Falle. Was Kemritz getan hat, ist nach den Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuches schwerstes Verbrechen, wenn nicht Beihilfe zum Mord, dann auf jeden Fall schwere Freiheitsberaubung mit Todesfolge im Sinne des § 239 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches, aber auch ein schwerster Verstoß gegen die Gesetze der Menschlichkeit, die doch gerade nach den von den Besatzungsmächten feierlich verkündeten Grundsätzen Gegenstand besonderen Rechtsschutzes sein soll.
Die amerikanischen Stellen haben in Presseveröffentlichungen der letzten Tage ihr Erstaunen


(Bundesjustizminister Dr. Dehler)

geäußert, daß die Deutschen sich über den Fall Kemritz erregen.

(Lachen. — Abg. Mayer [Stuttgart] : Heilige Einfalt!)

Ich meine, auch die Siegermächte sollten sich freuen, daß die Kraft der Entrüstung über das Unrecht - ich will hoffen, über jedes Unrecht — im deutschen Volke wieder lebendig ist.

(Sehr gut!)

Wenn behauptet wird, die amerikanischen Behorden hätten sich bei uns vergeblich um Material bemüht — auch das ist in den Pressemitteilungen erschienen —, so trifft das nicht zu. Weder an mich noch an die hessischen Stellen sind solche Anforderungen ergangen. Im übrigen ergibt sich aus der zitierten Begründung der Entscheidung des Rechtsamtes, daß dort das Material, auf das sich die Entscheidung des Rechtsamtes stützt, vorhanden sein muß.
Ich bin der Ansicht: Die im Fall Kernritz von der amerikanischen Behörde vertretene Auffassung ist für uns und für jedes Rechtsempfinden unerträglich. Ich habe heute mittag gegen 12 Uhr mit einem Beamten des Amtes des amerikanischen Hohen Kommissars eine Rücksprache gehabt. Dieser Beamte hat mir erklärt — ich gebe seine Worte wieder —: Kemritz befindet sich nicht mehr in deutscher Jurisdiktion.

(Hört! Hört!)

Er hat den deutschen Boden schon verlassen

(erneute Rufe: Hört! Hört!)

oder ist wenigstens im Begriff, das zu tun.

(Anhaltende lebhafte Rufe: Hört! Hört! — Abg. Mayer [Stuttgart]: Unerhört!)

Der Standpunkt der Bundesregierung dazu: Das deutsche Verlangen nach Sühne der schweren Verbrechen dieses Mannes wird durch eine solche Tatsache nicht berührt.

(Allgemeiner lebhafter Beifall.)

Die Bundesregierung stimmt den gestellten Anträgen durchaus zu. Sie wird auf Grund der heutigen Entscheidungen des Bundestages in aller Form gegen die Mitteilung des Rechtsamtes des amerikanischen Hohen Kommissars vom 13. Juni 1951 Verwahrung einlegen und beim amerikanischen Hohen Kommissar vorstellig werden mit dem Ziel, daß die Verfügung des amerikanischen Landeskommissars für Hessen vom November 1950, durch die das Strafverfahren gegen Kemritz der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen wurde, und die Verfügung des Landeskommissars vom 2. April 1951, wonach das ehrengerichtliche Verfahren gegen Kemritz eingestellt werden mußte, rückgängig gemacht werden. Die Bundesregierung erwartet auch, daß das in Berlin anhängige Verfahren ungestört weitergeführt wird. Die Bundesregierung wird sich darüber schlüssig machen, ob sie Antrag auf eine Art von Auslieferung des Kemritz stellen wird.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen] : Das ist doch selbstverständlich!)

— Ich bin im Augenblick nicht legitimiert, mich dazu zu äußern, aber für meine Person halte ich es auch für selbstverständlich.
Der hessische Ministerpräsident hat in seiner Eigenschaft als Justizminister Kemritz das Betreten der Gerichtsgebäude verboten und das Verfahren auf Ausschluß aus der Anwaltschaft eingeleitet.

(Beifall bei der SPD.)

Die Bundesregierung billigt dieses Vorgehen.

(Erneuter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

Der Fall Kemritz gibt der Bundesregierung auch erneut Anlaß, darauf zu dringen, daß das Gesetz Nr. 13 sobald als möglich aufgehoben wird.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ein Zustand, wie ihn der Fall Kemritz enthüllt hat, darf nicht andauern, wenn nicht der Gedanke der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland schwersten Schaden nehmen soll.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115400900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz. — Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß das Haus mit der vom Ältestenrat vorgeschlagenen Gesamtaussprachezeit von höchstens 90 Minuten einverstanden ist.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0115401000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde billigen die Erklärung des Herrn Justizministers. Sie enthält alle wichtigen Gesichtspunkte, und die von der Bundesregierung in dieser Sache vorgesehenen Maßnahmen befriedigen uns.
Meine politischen Freunde legen Wert darauf, daß. aus den Taten eines verwerflichen Subjektes keine politische Sensation gemacht wird. Aber an diesem Falle ist etwas sehr Grundsätzliches, dessen Bedeutung wir unterstreichen. Es handelt sich jetzt bereits um eine Reihe von Übergriffen, die gerade in diesem Zeitpunkt als besonders beunruhigend angesehen werden müssen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir sind der Auffassung, daß wir gerade jetzt nicht zu einer Entwicklung kommen dürfen, die zu einer Art Kraftprobe zwischen dem Besatzungsregime und dem deutschen Regime ausartet. Wir legen aber Wert darauf, daß diese Fälle, von der Regierung mit der notwendigen Entschiedenheit und Kraft durchgestanden werden. Denn es geht hier um ein Stück politischer Aufrichtigkeit, um eine Klarheit, die aus moralischen und rechtlichen Gründen unter allen Umständen erreicht werden muß.
Deutschland ist kein Vakuum mehr, von dieser Tatsache müssen auch die Besatzungsmächte Notiz nehmen.

(Sehr richtig! bei der DP und in der Mitte.) Diese Fragen dürfen nicht im unklaren bleiben. Wenn sie zweideutig bleiben, lehnen meine politischen Freunde es ab — ich sage das in vollem Bewußtsein der Verantwortung —, unsere politische Tätigkeit wie bisher fortzusetzen.


(Bravo! in der Mitte.)

Diese harte Konsequenz muß gezogen werden. Wir fordern eine Bereinigung des politischen Raumes, in dem wir uns bewegen.
Deutschlands Tragödie ist eine Tragödie des Rechts gewesen. Wir wollen unsere Zukunft auf ein gesundetes Recht aufbauen. Jedes Entstehen einer künftigen, den Frieden sichernden Zusammenarbeit ist darauf gegründet, daß eine internationale Ordnung geschaffen wird, die alles das, was uns in diesem abendländischen Bereich der Verteidigung wert ist, wahrhaft sichert, die sichert, daß ein sauberer, klarer und gewisser Geist alle Teile dieser Völkerrechtsgemeinschaft miteinander verbindet.

(Sehr richtig! bei der DP und in der Mitte.)



(Dr. von Merkatz)

Aus diesem Grunde wünschen wir, daß der Fall Kemritz dazu beitragen möge, eine Reinigung des Rechtsgefühls auf allen Seiten zu erzielen.
Der Fall ist unter dreierlei Gesichtspunkten zu betrachten: er hat eine politische, eine rechtliche und eine moralische Seite. Zur politischen Seite hat Herr Kollege Arndt Grundsätze aufgestellt, die wir voll und ganz billigen. Wir erwarten aber auch, daß diese Grundsätze im innerdeutschen Leben mit dem Ernst und der Entschiedenheit beachtet werden, die sie verdienen.

(Sehr gut! bei der DP.)

Zur rechtlichen Seite haben meine politischen Freunde zu bemerken, daß bereits nach dem gegenwärtigen Besatzungsstatut ein Eingriff in die volle deutsche Gerichtshoheit so, wie er geschehen ist, nicht zulässig ist. Wie haben in viererlei Beziehung das Verfahren zu bewerten: einen Zivilprozeß, ein Pfändungsverfahren des Finanzamtes, ein Ehrengerichtsverfahren vor einer Anwaltskammer und schließlich das Strafverfahren.
Ich beginne mit dem Strafverfahren. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die von Kemritz begangenen oder ihm zur Last gelegten Taten nach deutschem Recht strafbar sind. Zweitens das ehrengerichtliche Verfahren: Der Eingriff in das ehrengerichtliche Verfahren kann nur unter Beugung des Rechts geschehen, wenn er auf den Vorbehalt 2 e des revidierten Besatzungsstatuts gestützt werden sollte. Hier ist Klarheit zu schaffen, und wir erwarten von der Bundesregierung — ich darf hiermit einen Antrag meiner Fraktion ankündigen —, daß von der Alliierten Hohen Kommission Garantien gefordert werden, damit die politischen Generalklauseln des Besatzungsstatuts nicht in einer derartigen Gesetzesverkehrung Anwendung finden. Wir erwarten ferner, daß die Aufhebung des Gesetzes Nr. 13, dessen Aufhebung nach dem revidierten Besatzungsstatut verlangt werden kann, unverzüglich von der Bundesregierung beantragt wird.

(Bravo! in der Mitte.)

Schon nach dem gegenwärtig geltenden revidierten Besatzungsstatut läßt sich nur unter Verkehrung der wahren Tragweite des Vorbehalts 2 e ein Eingriff in die volle deutsche Gerichtshoheit rechtfertigen. Die gleichen Gesichtspunkte gelten für den Zivilprozeß und das Pfändungsverfahren.
Die moralische Seite möchte ich nicht durch allzu schreiende Farben bagatellisieren. Es gibt moralische Untaten, die man möglichst schlicht und nüchtern kennzeichnen soll, um ihre Verwerflichkeit deutlich zu machen. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß es auf jeden Fall moralisch verwerflich ist, sich zum Büttel der Besatzungsmacht zu machen,

(Beifall bei der DP und in der Mitte)

ganz gleichgültig, welcher Anlaß dem zugrunde gelegen haben mag. Wir lehnen es ab, irgendeinem Kollaborateur der Vergangenheit oder der Gegenwart die Hand zu reichen. Was wir brauchen, ist die Kooperation, d. h. ein Handeln, das seinen Gewissensmaßstab ausschließlich — allein und eindeutig — aus der deutschen Rechtssphäre, aus dem deutschen Gewissen, aus der deutschen Verantwortung trägt. Wir sind damit der Auffassung, daß dieser Fall voll durchgestanden werden muß und dazu beitragen möge, die Atmosphäre zu reinigen, klare und deutliche Grundsätze einer sauberen Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der Besatzungssphäre herzustellen.
Ich bin leider genötigt, am Schlusse meiner Darlegungen eine Verwahrung auszusprechen. Herr Kollege Arndt hat nicht nur gegen die Freie Demokratische Partei, sondern auch gegen uns eine Verdächtigung ausgesprochen, der der Beweis fehlt und die dazu beiträgt, die Einmütigkeit — und wir sind doch in diesen Fällen wirklich einer einmütigen Auffassung — in ihrem Eindruck vor der Öffentlichkeit abzuschwächen. In einer Demokratie ist es nicht möglich, daß ein Teil dem anderen die Legitimation abspricht, zu einer gemeinsam berührenden Frage Stellung zu nehmen. Es gibt nicht Demokraten erster, zweiter und dritter Klasse, sondern es gibt letzthin nur eine einheitliche Demokratie zu gleichen Rechten. Wir lehnen es ab, uns hierüber in eine Polemik einzulassen, und möchten dem Herrn Kollegen Arndt auf diesem Gebiet eine Beachtung- der von ihm selbst so klar und sauber aufgestellten Grundsätze anempfehlen.

(Sehr gut! und Beifall bei der DP und in der Mitte.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115401100
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

(Ach-Rufe rechts. — Zurufe rechts: Armer Renner! — Mönchlein, Mönchlein!)


Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0115401200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was Kemritz ist, das haben uns die Amerikaner selber gesagt. Sie haben seine Tätigkeit, den Teil seiner Tätigkeit, um den es heute hier geht, als legal bezeichnet. Sie haben gesagt, daß es sich bei den durch seine Mitarbeit Verhafteten um Menschen gehandelt habe, die auf Grund der bestehenden Rechtslage hätten verhaftet werden müssen. Das soll doch wohl heißen, daß die Amerikaner der Auffassung waren und sind, daß es sich hier um Kriegsverbrecher gehandelt hat. Nun, ich bedaure außerordentlich, daß auch dieser so klare Fall Kemritz benutzt worden ist, um eine Hetze gegen die Sowjetunion und ihre Behörden zu betreiben.

(Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Reden Sie doch gleich von der Remilitarisierung! Dann haben Sie das Thema!)

Ich bedaure das. Ich fühle mich nicht verpflichtet,
die Sowjetunion in dieser Beziehung zu verteidigen,

(Lachen in der Mitte und rechts; — Zuruf von der Mitte: Das erste Mal!)

ebenso wie ich der Auffassung bin, daß die Organe der Sowjetunion durch die Feststellungen, die hier aus dem Munde etwa eines Herrn Ministers gekommen sind, nicht getroffen sind.
Kemritz — das müssen die Amerikaner ja sehr genau wissen — war und ist ihr Agent, und sie schützen diesen ihren Agenten.

(Zuruf rechts: Und wir schützen Sie hier!)

Und sie haben bisher immer noch ihre Agenten
geschützt. Ich habe noch nie gehört, daß Sie, meine
Damen und Herren, das jemals beanstandet oder
als falsch angesehen haben. Der „wertvolle Beitrag"
— so wörtlich! — „für die Sicherung des Westens",
den die amerikanische Oberkommission so hervorhebt, hat sich für Herrn Kemritz gelohnt. Ich glaube,
wir haben Beweise genug dafür in der Hand, daß
sich die Agententätigkeit für die Amerikaner, die
Briten und die Franzosen generell lohnt. Ich bin
nur etwas erstaunt über die Heftigkeit, mit der Sie
diesen Agenten attackieren, und darüber, daß Sie
ihn mit einem Fall in Verbindung bringen, der doch
auf einem ganz anderen Gebiet liegt, mit dem Fall
Dr. Wendt. Wer ist denn dieser Dr. Wendt? Das ist


(Renner)

doch ein „Ostzonenflüchtling". Der ist doch nach dem Westen geflüchtet mit gestohlenen Patenten, die er der DDR geklaut hat. Das haben die Herren Amerikaner gewußt, und die Patente waren ihnen so interessant, daß sie jetzt den Herrn Dr. Wendt nach Amerika verschickt haben. Das sind doch ganz klare Dinge; das ist doch auch nicht das erste Mal.
Nun etwas anderes zu dem Problem „Gesetz zum Schutze der Persönlichkeit". West-Berlin wimmelt

(Zuruf von der Mitte: Von russischen Agenten! — Heiterkeit)

von Spionen, Agenten und Saboteuren.

(Zuruf von der Mitte: Von russischen!)

— Ich spreche von West-Berlin,

(große Heiterkeit in der Mitte und rechts)

ich spreche von den Agenten, die dort in Ost-Berlin und in der DDR arbeiten, bezahlt durch die Gelder, die die westdeutsche Öffentlichkeit aufbringen muß. Von West-Berlin werden sie nach der DDR geschickt, um Sabotageakte zu begehen,

(Lachen)

Betriebe in die Luft zu jagen und Bauerngehöfte in Brand zu stecken,

(erneutes Lachen)

die Ordnung und die Ruhe sowie den Aufbau, den dort drüben alle demokratischen Parteien und Kräfte gemeinschaftlich geleistet haben, zu stören. Geht einmal einer der von Westen gelenkten Verbrecher in der Ostzone hoch, dann schreien Sie hier vom Westen: „Haltet den Dieb!" Dann heißt es: man hat ihn nach dem Osten gelockt; dann heißt es: der Mann ist verschleppt worden.

(Abg. Mellies: Herr Renner, wie kann man so rechts und links verwechseln?)

— Ja, man muß nach rechts und links reden, weil wieder einmal die Einheitsfront Koalition-SPD da ist. Ich bin der Meinung, sie sollten dafür sorgen, daß die Agenten, die Saboteure, die Verbrecher, die hier vom Westen aus in der DDR diese vernichtende Arbeit in Ihrem Auftrag tun, zurückgepfiffen werden.

(Zuruf rechts: Auch die Kartoffelkäfer!)

Das ist die Forderung, die wir, dazu stellen.
Was den Schutz der Freiheit der Persönlichkeit angeht, so wundere ich mich, daß man dieses Wort zum Beispiel nach den Vorgängen vom vergangenen Sonntag hier in der Nähe, im Siebengebirge überhaupt noch auszusprechen wagt.

(Oho-Rufe in der Mitte und rechts. — Abg. Kahn: Da haben sie das Hemd ausgezogen!)

— Ja, da haben Sie Hemden ausgezogen. Da haben sich die Herren Polizisten so schamlos benommen, daß nicht einmal der Herr Innenminister in der Lage ist, das zu decken. Siehe „Aachener Nachrichten" vom 19. Juni. Oder halten sie es für den „Gipfel der Kultur" oder für den Gipfel der „Freiheit der Persönlichkeit", daß man junge, erwachsene Menschen zwingt, nackt nach Hause zu ziehen, und daß man jungen Mädchen die Jacken auszieht? Sie haben komische Auffassungen von Moral. Aber das ist ja gar nicht das Entscheidende. Diese Aktion vom vergangenen Sonntag ist allerdings die bis jetzt brutalste in der Kette der brutalen Verfolgungen und Verfassungswidrigkeiten.

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115401300
Herr Abgeordneter Renner, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wir Anträge betreffend den Fall Kemritz besprechen. Wollen Sie sich freundlichst an die Sache halten.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0115401400
Ich spreche zum Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit. Ich bin schon beim nächsten Punkt!

(Heiterkeit.)

Ich bin der Meinung, daß wir uns hier ernstlich bemühen sollten, den deutschen Menschen im Westen den ihnen zustehenden Schutz der Freiheit der Persönlichkeit zu garantieren.

(Zurufe in der Mitte und rechts.)

Ich bin der Meinung, daß man die Bereitschaftspolizei des Herrn Dr. Lehr von den ehemaligen SS- und SA- und Gestaposchergen säubern müßte, die in ihr Dienst tun. Ich bin der Meinung, daß man den Charakter dieser Polizei, die eine Bürgerkriegstruppe ist, schleunigst ändern sollte.

(Glocke des Präsidenten. — Zurufe in der Mitte und rechts: Unerhört!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115401500
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie wegen des Vorwurfs einer Bürgerkriegspolizei zur Ordnung.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0115401600
Ich sage keinen Ton.

(Heiterkeit.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115401700
Nach einem Ordnungsruf jetzt nicht mehr!

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0115401800
Die Zusammenhänge der heutigen Diskussion mit den großen politischen Ereignissen, d. h. den Sinn der heutigen Aussprache hat, wahrscheinlich ungewollt, Herr Kollege Euler verraten, der ja auch etwas von der Organisation von Menschen für einen bestimmten Dienst im Kriege versteht. Dieser Herr Euler hat gesagt, daß der Fall Kemritz ein Symptom des kalten Krieges ist, und noch klarer ging dies, was heute bezweckt wird, aus seinen weiteren Worten hervor, als er von der „Gleichberechtigung" sprach, die Mr. McCloy in den nächsten Tagen von Amerika herüberbringen solle und werde. Die Gleichberechtigung, die Sie erwarten und erhoffen, ist die von dem USA-Monopolkapital

(Zuruf in der Mitte: Endlich!)

dem deutschen Volk aufgezwungene Verpflichtung zur Remilitarisierung.

(Zurufe in der Mitte und rechts.)

Sie erwarten und hoffen, daß Mr. McCloy diese Zustimmung mitbringt, damit Gestellungsbefehle hinausgehen können, die heute schon in den Dienststellen des Herrn Innenministers bereitgemacht werden.

(Erneute Zurufe in der Mitte und rechts.)

Daher diese komische Art der Behandlung des Falles Kemritz, daher der willkürlich konstruierte
Zusammenhang dieses Falles mit der Sowjetunion.
Was Sie hier beabsichtigt haben, ist nichts anderes,
als auf psychologischem Gebiet die Hetze gegen die
Sowjetunion um eine weitere Nuance zu bereichern.

(Lachen bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

Das ist der Sinn Ihrer Aktion. Wenn Sie gegen die Agenten der Amerikaner, der Briten und der Franzosen

(Zuruf in der Mitte: Und der Russen!)

kämpfen wollten, dann müßten Sie zum Teil die


(Renner)

führenden Persönlichkeiten in Ihrem eigenen Lager bekämpfen. Das wollen Sie nicht, und das dürfen Sie nicht, und darum bitte etwas mehr Klarheit bei der Herausschälung dieses Problems! Hier geht es um den Agenten Kemritz, der von den Amerikanern geschützt wird,

(Zuruf: und von den Russen bezahlt!)

und hier geht es Ihnen darum, aus dem Fall dieses Agenten Kemritz ein Argument herauszuschälen, das Ihnen die psychologische Kriegsvorbereitung erleichtern soll. Das sind die Gründe der ganzen Aktion.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115401900
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0115402000
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Renner soeben nicht recht in Fahrt kommen konnte, so kann ich ihm das nachfühlen; denn in den ersten sieben oder acht Zehnteln seiner Rede befand er sich in der ungewöhnlichen Situation, Arm in Arm mit den amerikanischen Monopolkapitalisten gehen zu müssen

(Sehr gut! in der Mitte)

— das war etwas völlig Neues in diesem Hause —,

(Zuruf des Abg. Renner)

und erst in den letzten zwei Minuten hat er sich auf seine uralte Aufgabe besonnen, daß er den amerikanischen Imperialisten doch hier mit Kampfparolen entgegentreten müßte.
Aber die Situation ist nach meiner Meinung sehr ernst; denn in der Angelegenheit, in der wir uns heute hier in der Kritik an der Militärregierung, und zwar am Wort einer bestimmten Regierung zusammenfinden, macht sich das ganze Haus — und ich habe die Absicht, das auch noch zu tun — nach dem Militargesetz strafbar. Es muß in aller Deutlichkeit einmal darauf hingewiesen werden, daß die Überlegungen, zu denen wir uns in tiefstem Ernst verpflichtet fühlen, weil wir den Auftrag unseres Volkes haben, unsere Interessen der ganzen Welt gegenüber zu vertreten, gegen die bestehenden Gesetze der amerikanischen Besatzungsmacht verstoßen.

(Zuruf rechts: Das sind keine Gesetze!)

Sie hat in der letzten Note noch darauf hingewiesen, daß es verboten ist, an der Maßnahme, die hier zur Debatte steht, Kritik zu üben. Allein dieser Umstand zeigt, daß der Zustand, unter dem wir jetzt noch leben, überholt ist.

(Sehr richtig! beim Zentrum.)

Wenn es uns sechs Jahre nach dem Krieg noch nicht gestattet ist, über diese Dinge zu sprechen, und zwar in aller Offenheit eines freien Volkes zu sprechen, dann soll man uns nicht von Gleichberechtigung reden.

(Sehr gut! beim Zentrum.)

Das muß bei der innenpolitischen Seite, die die Angelegenheit hat, und bei der Frage, wie sich jetzt unsere Regierung gegenüber den Beauftragten der Militärregierung hier in Deutschland verhalten soll, doch auch einmal in den Vordergrund der Betrachtungen gerückt werden. Es liegt j a nicht an den Vertretern der Besatzungsmacht hier am Ort, sondern es liegt am Regime an sich. Diese Art von Besatzungsregime ist nicht mehr tragbar und paßt nicht mehr in die Zeit; sie hat sich überholt.
Wenn man jetzt auf die Sache im einzelnen eingehen sollte, so müßte man natürlich genaue Feststellungen im einzelnen und genaue Feststellungen über die Art der Feststellungen, die da getroffen worden sind, haben. Es sei deswegen vorläufig davon abgesehen. Aber was auch immer der Fall sein möge, es steht fest, daß hier ein deutscher Mann auf brutalste und kaltblütigste Art und Weise seine Landsleute gegen Geld zum Zwecke der Auslieferung an brutale und unmenschliche Mächte verkauft hat, deren Verfahren mit den
ihnen unglücklicherweise Überstellten wir doch zur Genüge kennen.
Wenn nach dem Kriege verkündet wurde, man habe das Hitlerregime zu dem Zweck niedergeworfen, um in Deutschland den Rechtsstaat wiederaufzurichten und die Menschenrechte zur Geltung zu bringen, und wenn wir uns hier bemühen, im Verein mit den Besatzungsmächten gerade hierin Erfolge zu erzielen und die Menschenrechte gegen Angriffe von links und rechts zu verteidigen, dann — das muß hier gesagt werden — konnte gerade im augenblicklichen Stadium der Entwicklung unseres Staates nichts Schlimmeres passieren als das, was hier unserer Rechtspflege angetan wird. Es handelt sich nicht bloß .darum, daß unsere Rechtspflege von dieser Seite gänzlich unerwartet so behandelt worden ist, als verdiene sie nicht wenigstens den Schutz des Glaubens, sie handle rechtsstaatlich, sondern es handelt sich meiner Meinung nach darum, daß man trotz der Kenntnis des rechtsstaatlichen Funktionierens unseres Staatsapparats eben diesen Staatsapparat ausschaltet, soweit es der Politik gefällt. Das ist natürlich in höchstem Maße geeignet, in unserer Bevölkerung Zweifel an der Redlichkeit jener Absichten hervorzurufen, Zweifel daran hervorzurufen, daß man es überhaupt mit den Worten von Rechtsstaat und Menschlichkeit, Menschenrecht und Gleichberechtigung dann ernst meint, wenn es sich um Deutsche handelt, die dabei betroffen sind. Man ist sich sicherlich nicht darüber klar gewesen — das will ich wenigstens hoffen —, welche Auswirkungen ein solches Verhalten auf uns und unsere Landsleute haben muß, das uns den Schutz gerade dann versagt, wenn wir ihn am meisten erwarten sollten.
Ich erkläre deswegen im Namen meiner Fraktion, daß wir mit den Anträgen der SPD und der Regierungsparteien einverstanden sind und uns ihnen in vollem Umfang anschließen.

(Beifall beim Zentrum.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115402100
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Robert Lehr (CDU):
Rede ID: ID0115402200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestagsabgeordnete Herr Renner hat es gewagt, vor dem Hause die unerhörte Provokation der Bundesregierung und die Verunglimpfung der von dem Hohen Hause erlassenen Gesetze und Verordnungen durch die verbotswidrige Tagung der FDJ im Siebengebirge in Schutz zu nehmen und zu rechtfertigen. Ich weise seine Angriffe auf die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen, die hier zuständig war, mit aller Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Sachverhalt ist folgender. Kommunistische Jugend, die in der FDJ zusammengeschlossen ist, ist aus weiten Teilen der Bundesrepublik an einen bestimmten Ort im Siebengebirge in der Nähe von


(Bundesinnenminister Dr. Dr. h. c. Lehr)

Ittenbach zusammengezogen worden, um hier verbotswidrig zu demonstrieren. Sie hat sich der verschiedenartigsten Verkehrsmittel bedient, um sich unter Tarnung der Angabe ihres Reiseziels und -zwecks hier versammeln zu können. Das beweist, daß erhebliche Geldmittel, die zweifellos nicht aus dem Vermögen der Jugendlichen kommen konnten, für die Demonstration zur Verfügung gestanden haben

(Abg. Mayer [Stuttgart] : Der Rubel rollt! — Heiterkeit)

und daß eine besondere Organisation diese Jugendlichen gelenkt haben muß, um das Ganze zustande zu bringen.
Wegen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt (Zurufe von der KPD: Au, au!)

ist entsprechend eingeschritten worden, und die Unruhestifter haben die gebührenden Prügel bekommen.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Erregte Zurufe von der KPD: Pfui, pfui, Herr Innenminister! Pfui, so ein Wort hier!)

Aber das war nur das, was zur Brechung des Widerstandes notwendig war.

(Andauernde Pfui-Rufe von der KPD.)

Die Weiteren Maßnahmen werden von mir dem Kabinett zur Beschlußfassung vorgelegt werden. Sie werden strafrechtlicher und politischer Art sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Ich bitte ums Wort, Herr Präsident!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115402300
Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.

Willy Brandt (SPD):
Rede ID: ID0115402400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ein Berliner Abgeordneter zwar nicht zu dem Punkt, der hier soeben erörtert worden ist, wohl aber zur Aussprache über den Fall Kemritz und zum vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit einige Bemerkungen macht. Ich möchte das Hohe Haus und die Bundesregierung von dieser Stelle aus wissen lassen, wie stark gerade in Berlin die Empörung innerhalb der Bevölkerung über den Fall Kemritz ist, an dem Ort, an dem die hier erörterten Verbrechen begangen worden sind. Niemand in Berlin vermag einzusehen, daß das verbrecherische Delikt des Menschenraubes in den Jahren 1945 und 1946 strafrechtlich anders eingestuft werden sollte als in den Jahren 1950 und 1951.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Niemand will noch recht daran glauben, daß die eigentlich verantwortlichen Stellen der Vereinigten Staaten von Nordamerika sich mit dem Zynismus gewisser Dienststellen aus den Jahren unmittelbar nach dem Kriege identifizieren wollen. Niemand will auch noch recht daran glauben, daß das Andenken nicht zuletzt auch an amerikanische Männer, die sich in der Zeit der Luftbrücke für eine gemeinsame Sache, für Berlin und für die Freiheit eingesetzt haben, geschändet werden soll durch einen Fall, wie wir ihn heute im Zusammenhang mit der Person des Dr. Kemritz erörtern.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wir hoffen darum, daß das letzte Wort der verantwortlichen Männer der Vereinigten Staaten von Nordamerika noch nicht gesprochen ist. Wir hoffen es deshalb, weil wir nicht wünschen, nicht wünschen können, daß die in schweren Zeiten gerade in Berlin gewachsene Front der Solidarität zwischen den Deutschen und den demokratischen Besatzungsmächten Schaden leidet.
Ich möchte statt des Ausdrucks „Emporung" ein weniger starkes, aber inhaltlich vielleicht noch ernsteres Wort zur Kennzeichnung dessen gebrauchen, womit wir es in Berlin und — auf Grund der uns zugegangenen Berichte — in der Sowjetzone zu tun haben. Ich möchte von einer tiefen Enttäuschung sprechen, einer Enttäuschung, die geeignet ist, eine ernste Lücke in die Front der Freiheit zu reißen. Ich möchte mit allem Ernst auch wieder den eigentlich verantwortlichen Stellen der westlichen Welt sagen, daß noch soviel Kanonen und Tanks nicht ein verletztes Rechtsbewußtsein auszugleichen vermögen.

(Beifall bei der SPD und rechts.)

Der Glaube an die Demokratie hat schon durch eine unglückliche Nachkriegsentwicklung Schaden gelitten.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es wäre verhängnisvoll, wenn jetzt auch noch das Vertrauen zur Rechtsstaatlichkeit ernsthaft erschüttert werden sollte. Der Herr Bundesjustizminister hat dem Hohen Hause im Verlauf seiner Darlegungen eine unserer Meinung nach alarmierende Mitteilung gemacht, die Mitteilung nämlich, daß zu einem Zeitpunkt, in dem die gewählte deutsche Volksvertretung den Fall Kemritz erörtert, ausländische Dienststellen offenbar — denn nur so konnte die Mitteilung verstanden werden — Kemritz dabei behilflich sind, das deutsche Territorium zu verlassen. Wie schon durch Zurufe während der Rede des Bundesjustizministers zum Ausdruck gekommen ist, hätten wir gewünscht, daß der Bundesjustizminister zu dieser ihm heute mittag gemachten Mitteilung vor dem Hause noch schärfer Stellung genommen und es als eine Selbstverständlichkeit betrachtet hätte, daß die deutsche Bundesregierung der ausländischen Macht, die Kemritz aus Deutschland herauszuführen im Begriffe steht, zum Ausdruck bringt, daß er seinen deutschen Richtern wieder zuzuführen ist.

(Beifall bei der SPD.)

Daraus ergibt sich aber eine andere Frage. Unabhängig davon, wohin Kemritz geht, bleibt der Rechtsanspruch der Witwen der armen Opfer bestehen. Diejenigen, die im Begriffe stehen, Kemritz bei etwas behilflich zu sein, was nach deutscher Rechtsauffassung nur als Flucht — und zwar in dem Sinne, daß ein Angeklagter seinem rechtmäßigen Richter entzogen werden soll — bezeichnet werden kann, müssen sich darüber im klaren sein: wenn der Schuldige heute nicht unmittelbar belangt werden kann, so muß der Rechtsanspruch denjenigen gegenüber angemeldet werden, die in diesem Falle einem Manne helfen, der sich seinen Richtern entziehen will.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, ich darf auch zwei Sätze zu dem hier von Herrn Kollegen Dr. Weber unterbreiteten Gesetzentwurf zum Schutz der persönlichen Freiheit sagen. Wie Herr Kollege Dr. Weber ausführte, handelt es sich hierbei um die Übernahme gesetzlicher Bestimmungen, die kürzlich vom Abgeordnetenhaus in Berlin einstimmig angenommen worden sind. Wenn Sie im Verlaufe dieser außerordentlich ernsten Debatte eine etwas leichtere Bemerkung erlauben wollen,


(Brandt)

so möchte ich agen: ich halte es gar nicht für abwegig, daß bei der häufigen Übernahme von Bundesgesetzen nach Berlin nun in dieser Materie, für die die Berliner in gewissem Sinne sachverständig sind, auch einmal ein Berliner Gesetz vom Bund übernommen wird, wie es hier von den Kollegen der drei Regierungsparteien vorgeschlagen wird. Die sozialdemokratische Fraktion hatte von sich aus erwogen, dem Hohen Hause einen
ähnlichen Vorschlag zu machen. Ich darf hier sagen, daß, falls die Antragsteller von sich aus nichts dagegen hätten, dieses in Berlin wirklich lange und reiflich überlegte Gesetz heute schon in allen drei Lesungen zu verabschieden, die sozialdemokratische Fraktion einer solchen Regelung ohne Bedenken zustimmen würde.

(Bravo! in der Mitte.)

Zum Schluß darf ich noch eine Bemerkung machen. Ich bewundere den Mut, mit dem sich der Sprecher der kommunistischen Fraktion hier zu dem Thema des Agententums geäußert hat. Ich wundere mich auch über die Kühnheit, mit der Herr Renner von Westberlin, also vom Land Berlin - den Teilen Berlins, die nicht durch äußere Macht der Gestaltung der politischen Dinge nach dem Willen der deutschen Bevölkerung entzogen sind — spricht als einer Operationsbasis von Spionen, Agenten und Saboteuren. Er hat nur die Kartoffelkäfer vergessen, die Eisler im vergangenen Jahr beinahe den Kopf gekostet hätten.

(Heiterkeit.)

Herr Renner, Sie sollten sich, statt diese obligatorischen Geschichten zu kolportieren, einmal sachlich berichten lassen, wie Tag für Tag der Terror und das verruchte System des Menschenraubs,

(Sehr gut! bei der SPD)

das Ihre Auftraggeber und Ihre Parteiführer in der sogenannten SED organisieren, von der Sowjetzone auf das Gebiet von Berlin übergreift, wie rechtschaffene Menschen im Osten, manchmal auch im Westen Berlins von der Straße weg in Wagen geschleppt werden und verschwinden. Darum ist dieses Gesetz in Berlin doch geschaffen worden, das nun heute auch als ein Gesetz für die Bundesrepublik vorgeschlagen wird.

(Zuruf des Abg. Renner.)

— Herr Renner, ich darf Ihnen eines sagen. Mir fiel, als Sie sprachen — und ich darf das mit gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten anführen —, ein, daß ich heute morgen eine Berliner Zeitung zur Hand hatte, die von zwei Urteilen Kenntnis gab. Das eine Urteil, das dieser Tage von der Großen Sonderstrafkammer in Potsdam gefällt worden ist, betraf drei junge deutsche Männer, die Angeklagten Michaelis, Lewner und Blanke, die zu Zuchthausstrafen von zwei bis zehn Jahren verurteilt wurden. Warum? Weil sie an die Gemeindetafel in Haage im Westhavelland das Wort „Freiheit" gemalt und Flugblätter verteilt hatten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

In der Urteilsbegründung heißt es — hören Sie zu, Herr Renner! —, „gerade zum 1. Mai, dem höchsten Feiertag", habe Michaelis den Angeklagten Lewner veranlaßt, das Wort „Freiheit" zu malen. „Er wollte damit bei der Bevölkerung der" — ich darf wohl hinzufügen: sogenannten — „DDR den Eindruck der Unfreiheit erwecken. Dies ist ein Gerücht, das im höchsten Maße den Frieden des deutschen Volkes gefährdet."

(Lachen bei der SPD und in der Mitte.)

Das zweite Urteil ist dieser Tage vom Landgericht Potsdam gegen den Verwaltungsangestellten beim Bauamt Ludwigsfeld, Hans Zickerow, gefällt worden, weil er ein Plakat „Raus mit den Amerikanern" verändert hatte in „Raus mit den Russen". Dieser Mann ist zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt worden.

(Hört! Hört! bei der SPD und in der Mitte.) Herr Renner, ich habe vorhin im Zusammenhang mit dem Fall Kemritz von Begriffen wie Empörung und Enttäuschung gesprochen; aber für das, was Sie gesagt haben, bleibt nur noch die Kategorie „Verachtung" übrig.


(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD bis zur DP.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115402500
Herr Abgeordneter Renner, Sie haben sich zum Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, daß die begrenzte Redezeit Ihrer Fraktion von Ihnen weit überschritten ist. Ich bin bereit, Ihnen gemäß § 84 der Geschäftsordnung nach Schluß der Beratung das Wort zu einer persönlichen Bemerkung zu geben, und weise von vornherein auf die inhaltliche Begrenzung dieser Bemerkung hin.

(Abg. Renner: Zur Geschäftsordnung!)

— Zur Geschäftsordnung gebe ich dem Herrn Abgeordneten Renner nach meinem Ermessen das Wort im Augenblick nicht!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Richter (Niedersachsen).

(Abg. Renner: Die Diskussion ist wieder eröffnet, sobald ein Minister eine Erklärung abgibt!)

— Sie irren, Herr Renner. Ich weise darauf hin, daß die Debatte nur dann wieder eröffnet ist, wenn nach Schluß der Debatte ein Minister das Wort hatte. Ich bitte, die Geschäftsordnung vollinhaltlich zu lesen.
Bitte, Herr Abgeordneter Richter.

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0115402600
Herr Prasident! Meine Damen und Herren! Nach Pressemitteilungen hat der Herr Bundeskanzler vor einigen Wochen in Straßburg erklärt, daß die Bundesrepublik zu 90% souverän sei. Abgesehen davon, daß es, wie ich persönlich meine, nur 100%ig souveräne, also freie Staaten gibt, glaube ich, daß gerade unter die fehlenden 10% unter anderem jene Rechte fallen, die die Bundesrepublik zu einem Staate machen, der wirklich die Möglichkeit hat, Verbrechen, wie sie heute lang und breit erörtert worden sind, abzuurteilen.
Ich möchte einige wenige Dinge, die meiner Ansicht nach vergessen worden sind, hinzufügen, um jene Stellen zu kennzeichnen, die es der Regierung nicht ermöglichen, aus diesem Staat einen 100%igen Rechtsstaat zu machen. Ich erwähne hier die Äußerungen, die aus der Illustrierten des an sich sattsam bekannten und in etwa doch alliiertenhörigen „Tagesspiegel" stammen, wonach der Leiter des sogenannten „Rechts-Amtes" — was dieses Amt mit Recht zu tun hat, ist mir vollkommen unklar — beim Hohen Kommissar gelegentlich der Erörterung des Falles Kemritz erklärt hat: „Es wird nicht viel Sinn haben, daß wir uns unterhalten. Ich bin der Meinung, es gibt in Deutschland kein Schwurgericht, das diesen Fall unvoreingenommen verhandeln kann." Nach Meinung des Berichterstatters war die Lage bei seiner Unterredung so, daß es für jedermanns Haupt


(Dr. Richter [Niedersachsen» besser wäre, wenn man die Finger von dieser Sache ließe. Kollege Reismann hat schon einen Hinweis gegeben. Aber ich glaube, dieser Hinweis ist insofern fehl am Platze, als diese „Gesetze" für eine Volksvertretung nicht gelten können, die immerhin des Glaubens ist, frei gewählt zu sein. Wir haben durchaus das Recht und die Pflicht, in aller Deutlichkeit und Klarheit Unrecht als Unrecht anzuprangern. Nach den „Stuttgarter Nachrichten" haben die Alliierten aber darüber hinaus erklärt, daß der russische Staatssicherheitsdienst, der die Verhaftungen, von denen heute die Rede ist, durchtuhrte, zu jener Geit eine Dienststelle der Besatzungsmacht gewesen ist. Ich glaube, daß damit von 1945 bis zum Fall Kemritz eine ganz klare Linie führt. Wir haben im Jahre 1949 seitens der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Niedersachsen die Verhaftung des „Henkers von Joachimsthal", des Massenmörders Kroupa gefordert. Als die Alliierten darauf nicht reagierten, habe ich am 21. Oktober desselben Jahres an den Herrn Bundeskanzler geschrieben und durch Herrn Blankenhorn die Mitteilung bekommen, man wolle sich der Sache annehmen. Die Antwort lautete dahin: Der „Massenmörder Kroupa" — dieser Ausdruck stammt jetzt von mir — sei ein Angehöriger der Alliierten, und die angeblichen Verbrechen seien außerhalb des amerikanischen Hoheitsgebietes begangen worden, so daß die amerikanischen Gerichte nicht zuständig seien; im übrigen seien, weil er ein Angehöriger der Alliierten sei, auch die deutschen Gerichte nicht zuständig. Von diesem Fall Kroupa an läuft eine gerade Linie über Kouril, den sie, die Alliierten, bezeichnenderweise oder, besser gesagt, unerklärlicherweise den deutschen Gerichten freigegeben hatten, bis zur Errichtung des sogenannten „Freien Europa"-Senders, der zwischen jenem Landsberg, in dem heute noch deutsche Menschen zum Teil auf Grund von Verfahren schmachten, die jedem Recht widersprechen, und jenem Murnau am Staffelsee liegt; in dem sich heute noch Kroupa auf Kosten der deutschen Steuerzahler sonnt und ein gutes, ja sogar ein arrogantes Leben führen kann. Dieser Sender wurde mit amerikanischen Spenden errichtet. Er kann heute unerhört hohe Gehälter ausgeben und beschäftigt Leute, die die engsten Mitarbeiter Beneschs waren, die dessen Parole folgten, der Parole jenes Erzbetrügers, der glaubte, er könne Stalin betrügen, der aber in Stalin seinen Meister gefunden hatte; er hatte die Parole ausgegeben, daß nur ein toter Deutscher ein guter Deutscher sei. Es sollte diesem Hohen Hause doch zu denken geben, daß dieser Sender heute glaubt, mit Hilfe der Gastfreundschaft, die man ihm in Deutschland gewährt, sogar Propaganda gegen Deutschland machen zu können. Sehen Sie, meine Damen und Herren, der Weg nicht nur von Kemritz zu Kroupa und zu den anderen Verbrechern, zu Ripka und wie sie alle heißen, die sich heute in der Sonne der sogenannten demokratischen Freiheit wieder wohlfühlen können, sondern auch bis zu der Debatte von heute ist eine ganz klare Linie. Ich glaube, es müßte dem Hohen Hause auch zu denken geben, daß sich ein Mann, der zu den abscheulichsten Mordhetzern dieser Erde überhaupt gerechnet werden muß und der heute wieder versucht, einem anderen rechtmäßig erworbenes Eigentum abzubetrügen, bereit erklärt hat, für den Verbrecher Kemritz als Verteidiger aufzutreten. Das ist jener Mann, den man als angeblichen Verteidiger der sogenannten „geschändeten" Menschheit nach Deutschland sandte, wie die „Hamburger Freie Presse" mit Recht schrieb, der sattsam bekannte Herr Kempner. Wir haben nur noch die eine Frage an die Bundesregierung zu richten: Wie lange glauben wohl Herr Bundespräsident Heuß, Herr Bundeskanzler Adenauer, Herr Professor Reuter ehrenhalber Doktorhüte einer Universität tragen zu können, deren Land derartige Menschen, derartige Verbrecher gegen die Menschlichkeit nach .Deutschland schickt! (Abg. Schoettle: Man kann die Demokratie auf jede Weise kompromittieren! Sie tun es auf Ihre! — Weitere Zurufe: Unerhört!)


(Abg. Dr. Greve: Wie Sie, Herr Richter!)


(Unruhe — Glocke des Präsidenten)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115402700
Weitere Wortmeldungen zur Sache liegen nicht vor.

(Abg. Renner: Zur Geschäftsordnung!)

— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner!

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0115402800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für eine selbstverständliche Pflicht des Hauses, mir Gelegenheit zu verschaffen, hier etwas zu den letzten Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern zu sagen.

(Zurufe: Nein!)

Ich halte es für meine Pflicht, da dieser Herr Bundesinnenminister sich zu der ungeheuerlichen Behauptung verstiegen hat,

(erneute Zurufe: Nein! Unerhört! Abtreten! Zur Geschäftsordnung!)

daß die jungen Menschen, die dort im Siebengebirge für den Frieden demonstriert haben,

(Lachen in der Mitte)

„die Prügel bekommen haben, die sie verdienten".

(Zuruf aus der Mitte: Die hätten Sie verdient!)

Ich beantrage also, mir die Redezeit zu geben, die notwendig ist, um diese und auch andere Unwahrhaftigkeiten in der Darstellung des Herrn Ministers zu korrigieren, u. a. auch die Behauptung über die aufgewendeten Geldmittel, die, wie ich glaube, Herrn Mayer zu der Bemerkung veranlaßt hat:

(Unruhe — Glocke des Präsidenten)

Der rollende Rubel. Was hier in Westdeutschland an Geld rollt,

(erneute Unruhe — Glocke des Präsidenten)

das haben wir in der vorigen Woche gesehen. Das sind die Korruptionsgelder, die Sie von der Koalition durch den Herrn Abgeordneten Pferdmenges erhalten haben und laufend erhalten.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115402900
Herr Abgeordneter, bitte zur Geschäftsordnung!

(Abg. Renner: Ich habe einen Antrag gestellt!)

Der Abgeordnete Renner hat den Antrag gestellt,
die vereinbarte und festgestellte Redezeit von
90 Minuten zu verlängern, um ihm Gelegenheit zu


(Präsident Dr. Ehlers)

geben, das Wort zu nehmen. Ich frage: Wer ist außer den fünf Antragstellern dafür? — Gegenprobe! — Niemand!
Weitere Wortmeldungen zur Sache liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren! Es liegt zunächst der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 2337 vor.

(Abg. Euler: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Euler!

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0115403000
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Grund einer interfraktionellen Verständigung stelle ich den Antrag, sämtliche Anträge zur Sache bis morgen in den Ausschuß zu verweisen. Wir wollen dann heute abend im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht versuchen, eine umfassende Formulierung zu finden, die allen rechtlichen Ansprüchen genügt, so daß morgen das Plenum die endgültige Entschließung fassen könnte.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115403100
Meine Damen und Herren! Ich darf annehmen, daß sich dieser Antrag auf sämtliche gestellten Anträge, auch auf den handschriftlich eingegangenen Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, bezieht.

(Abg. Dr. Greve: Nein, den kennen wir gar nicht!)

— Er ist von Herrn Abgeordneten von Merkatz inhaltlich angegeben worden. Wenn Sie Wert darauf legen, daß ich ihn verlese, - -

(Abg. Dr. Greve: Er ist gar nicht verteilt worden!)

— Herr Abgeordneter Dr. Greve, es besteht keine Veranlassung, einer Fraktion zu verbieten, Abänderungs- oder Ergänzungsanträge zu stellen.
Ich darf annehmen, daß auch dieser Antrag dem Ausschuß überwiesen werden soll. - Wie steht es mit dem Gesetzentwurf? Soll er ebenfalls dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen werden?

(Zustimmung.)

— Offenbar! — Dann werden der Antrag der Fraktion der SPD, der Antrag der Fraktion der FDP, der Antrag der Fraktion der DP und der von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen. Ich darf gleichzeitig darauf hinweisen, daß dieser Punkt der heutigen Tagesordnung morgen wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden wird, damit diese Angelegenheit unter der Voraussetzung, daß der Ausschuß zu einem Ergebnis seiner Arbeit kommt, morgen abgeschlossen werden kann. — Ist das Haus einverstanden?

(Zustimmung.)

— Das ist der Fall.
Wünschen Sie eine persönliche Erklärung abzugeben, Herr Abgeordneter Renner?

(Abg. Renner: Nein, ich danke! Ich lasse mir nicht noch einmal vän Ihnen das Wort abschneiden! Persönlich bin ich ja nicht angegriffen worden! Den einzigen persönlichen Angriff hätten Sie öffentlich ahnden müssen!)

— Herr Abgeordneter Renner, ich bin mir nicht bewußt, Ihnen das Wort abgeschnitten zu haben. Ich 'habe lediglich in einer Ihnen offenbar ja auch geläufigen Form demokratischer Abstimmung festgestellt, oh das Haus die Redezeit verlängern wollte. Das ist nicht der Fall gewesen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der neuen deutschen Filmproduktion (Spielquotengesetz) (Nr. 2336 der Drucksachen).
Der Altestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Vogel im Rahmen einer Redezeit von 15 Minuten.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0115403200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das ich die Ehre habe ihnen vorzulegen, stellt kein Novum in Europa und in der Welt dar, sondern das, was wir uns jetzt anschicken, hier in Deutschland zu tun, haben alle filmproduzierenden Lander Europas langst seit Jahren getan. Wir haben bereits in England, in Frankreich, in Italien und in Spanien derartige Gesetze. Sogar in England hat sich ein solches Gesetz als notwendig erwiesen, obgleich der großte und vor allem auch der beste Teu der englischen Kinos sich in der Hand von drei großen Trusts benndet, die den ganzen Markt beherrschen. Wenn trotzdem dieses Land dazu schreiten mußte, dann deshalb, weil sich auch in England die Notwendigkeit ergab, dem nationalen Film eine Existenzbasis zu verschaften. Das gleiche Bestreben fuhrte auch Frankreich, Italien und Spanien dazu, ähnliche Schritte zu unternehmen.
Wie steht es bei uns in Deutschland? Warum sind wir dazu gekommen, diesen Entwurf zu übernehmen und hier einzubringen? — Damit für das am 1. September beginnende Filmjahr eine klare Lage geschaffen wird und der deutschen Filmproduktion ein gewisser Schutz zuteil wird. Die deutsche Lage ist folgende: Wir haben eine Jahreskapazität von ungefähr 350 Filmen, d. h. wir brauchen 350 Filme, um den Bedarf der deutschen Kinos zu decken. Die Produktion des letzten Jahres betrug etwa 70 Filme. Wir haben darüber hinaus noch einen gewissen Überhang an sogenannten Reprisen mehr oder weniger guter Qualität, d. h. also an Filmen, die vor dem Jahre 1945 hergestellt worden sind und die jetzt in alter oder veränderter Form wieder auf den Markt gebracht werden. Wir können also mit der deutschen Produktion ohnehin nur einen bestimmten Prozentsatz dieses Bedarfs von 350 Filmen decken, aber in diesem Jahr werden wir infolge des ungeheuren Kreditmangels höchstens mit der Hälfte der Vorjahrsproduktion rechnen können. Allerdings ist eine große Zahl von Filmen der letztjährigen Produktion noch nicht abgespielt oder noch nicht hinreichend abgespielt worden.
Wir haben dieses Spielquotengesetz niemals als ein Allheilmittel betrachtet, sondern wir sehen es nur im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen, mit Maßnahmen, die wir einen Gesamtsanierungsplan der deutschen Filmwirtschaft nennen wollen. Dieser Sanierungsplan besteht aus drei Säulen,


(Dr. Vogel)

aus diesem Ihnen vorgelegten Gesetz, aus der beabsichtigten Gründung einer Filmbank und aus dem noch zu schaffenden Filmgroschen. Nur diese drei Maßnahmen zusammen — das möchte ich ausdrücklich unterstreichen — können zu dem Ziele einer Gesundung der deutschen Filmwirtschaft führen.
Ich möchte hier allerdings von vornherein eines mit besonderem Nachdruck unterstreichen. Wenn wir an die Samerung der deutschen Filmwirtschaft gehen, dann geschieht das keinesfalls, um Elementen, die bis letzt noch keinen oder so gut wie keinen Befähigungsnachweis erbracht haben, gute und brauchbare Filme zu produzieren, eine sichere Oase der Bequemlichkeit zu schaffen. Wir denken gar nicht daran, hier eine Ausnahmegesetzgebung und ein Privileg für Menschen zu schaffen, die uns noch nicht das gegeben haben, was wir von ihnen erwarteten, nämlich brauchbare und gute Filme. Sie wissen alle mit mir, daß Filme wie „Die Sünderin" dazu beigetragen haben, das Vertrauen weitester Kreise der deutschen Öffentlichkeit zu der Filmproduktion zu erschüttern.

(Sehr richtig! in der Mitte!)

Auf der anderen Seite aber sind wir sehr gespannt, ob uns das 'Bundeswirtschaftsministerium in den nächsten Tagen den längst überfälligen Entwurf einer neuen Verordnung gegen das Blind-und Blockbuchen überreichen wird, der bereits im April fällig war und auf den wir sehr warten; denn wir möchten der sehr unruhig gewordenen, religiös eingestellten Bevölkerung den Beweis geben, daß wir entschlossen sind, mit gewissen Mißbräuchen aufzuräumen.

(Beifall in der Mitte.)

Ich möchte hier feststellen, daß wir uns im deutschen Film nicht nur einer materiellen Krisis weitesten Ausmaßes, sondern auch ebenso einer geistigen Krise gegenübersehen. Wenn man sich einmal — ohne den Kultusministern der Länder zu nahe zu treten — auf das literarische Gebiet begibt, kommt man zu der Feststellung, .daß wir leider auch nach 1945 nicht den von uns erhofften und erwarteten Aufbruch zu einer neuen großen deutschen Literatur erlebt haben. Wenn unser Volk nicht in der Lage war, nach 1945 literarische Werke von Weltklasse hervorzubringen, dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn es ihm zur gleichen Zeit an der geistigen Fähigkeit mangelte, auch Filmstoffe von entsprechender Weltgeltung zu schaffen und der Welt zu schenken. Was wir Hand in Hand mit den deutschen Schriftstellern und Dichtern, Hand in Hand mit den Filmproduzenten und Regisseuren endlich erreichen möchten, ist, daß das wirkliche Wesensbild des deutschen Volkes, sein künstlerisches Gesicht, der Welt einmal in einer Form nahegebracht wird, die gültig ist und die an die große Tradition des alten deutschen Films heranreicht.
Lassen Sie mich jetzt noch etwas rein Materielles zu dem hier vorliegenden Entwurf sagen. Dieser Entwurf soll also nicht nur eine Abspielbasis für die deutsche Filmproduktion schaffen, sondern dient in erster Linie dazu, den Banken und Kreditgebern das notwendige Vertrauen zur deutschen Filmwirtschaft zurückzugeben, denn das können sie nur haben, wenn wir ihnen eine sichere Garantie bieten, daß die geschaffenen Filme auch
in Deutschland entsprechend ausgewertet, d. h. aufgeführt werden. Wir haben in Deutschland nur etwa 2500 Theater, die täglich spielen, von 4500 Theatern insgesamt. Vorn diesen 2500 Theatern spielen 800 Theater so gut wie keine deutschen Filme. Es ist notwendig, daß auch sie sich auf ihre Verpflichtung gegenüber der deutschen Filmindustrie besinnnen, denn wir wissen sehr wohl, daß das deutsche Publikum nach dem deutschen Film ruft und daß weiteste Kreise des deutschen Volkes den deutschen Film als Spiegelbild ihres Wesens sehen wollen.
Ich darf Ihnen nun das Gesetz im einzelnen kurz erläutern. Ich hatte gehofft, daß wir um diese Zeit bereits in der Lage sein würden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der einer europäischen Filmproduktion, der Vorbereitung einer Gemeinschaftsproduktion der führenden europäischen Länder dienen sollte. Leider sind wir noch nicht so weit; aber anzustreben wäre, daß an Stelle dieser in allen europäischen Ländern notleidenden Filmindustrie eine Gemeinschaftsproduktion träte, die allein in den 15 000 Theatern auf dem Kontinent eine hinreichend sichere materielle Basis für einen europäischen Film hätte. Ein solcher europäischer Gemeinschaftsfilm hätte auch eine ganz andere Chance, in der großen Weltklasse zu bestehen, trotz der großen Aufwendungen, die andere Länder für ihre Filmwirtschaft machen können. Ich darf Sie daran erinnern, daß England eine Finanzierungsbank hat, die mit einem Kapital von nicht weniger als 70 Millionen DM arbeitet.
Das Gesetz enthält eine Reihe von Bestimmungen, die ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen möchte. Zunächst ist in § 2 eine sehr wichtige Bestimmung aufgenommen, nach der die deutschen Filmtheater verpflichtet werden sollen, auch jetzt wieder wie früher dem Kulturfilm seinen Platz in den Filmprogrammen einzuräumen. Die Kinos werden angehalten werden, neben dem sogenannten abendfüllenden Großfilm auch einen Kultur- und Dokumentarfilm aufzuführen. Es existiert daneben noch eine Kannbestimmung für die Aufführung von Wochenschauen. Darüber wird noch in den Ausschußberatungen zu sprechen sein.
Sie finden in dem Entwurf zum erstenmal wieder eine Definition dessen, was wir unter deutscher Filmproduktion verstehen.
Das Kernstück des Gesetzes ist der § 4, der feststellt, daß die Spielquote, d. h. also die Zeit, in der die Kinos gehalten werden sollen, deutsche Filme aufzuführen, zwischen 21 Spieltagen als Minimum und 35 Spieltagen als Maximum liegen soll.
Eine weitere Bestimmung von Bedeutung haben war dann noch in § 8, der vorsieht:
Filme, die früher als 30 Monate vor Beginn
des laufenden Verleihjahres uraufgeführt und
die seit dem 8. Mai 1945 im Bundesgebiet nicht
öffentlich vorgeführt worden sind, dürfen
nicht mehr öffentlich vorgeführt werden.
Das bedeutet also eine Bereinigung des Filmmarktes von dem allzu großen Überhang, der heute
auf ihm lastet. Wir können damit rechnen, daß
auf der Kapazität von 350 deutschen Filmen im
Jahr heute ein ungefähr dreimal so großes Angebot lastet. Wir müssen wieder von diesen überflüssigen Reprisen wegkommen. Ich glaube, ich
spreche wohl auch die Gefühle der großen Mehrheit dieses Hauses aus, wenn ich sage, daß solche


(Dr. Vogel)

Reprisen wie „Reserve hat Ruh", wie sie jetzt wieder aus der Mottenkiste auftauchen, nichts mehr im neuen deutschen Filmtheater zu suchen haben.
Wir haben dann weiter im § 9 die freiwillige Selbstkontrolle verankert. Wir geben ihr damit eine stärkere Basis, ohne daß der Gesetzgeber, der Staat selbst in die freiwillige Selbstkontrolle eingreift. Das ist gut so; denn die freiwillige Selbstkontrolle soll sich aus sich selbst heraus weiter stärken und entwickeln. Ihre Autorität muß unter allen Umständen wachsen, wenn sie ihren Aufgaben gerecht werden soll.
Als nächster wesentlicher Paragraph wäre der § 12 zu nennen, der, wie ich glaube, wesentlich dazu beitragen wird, die nicht gerade freundlichen Gefühle der Filmtheaterbesitzer selbst gegenüber diesem Gesetzentwurf ein wenig zu mildern; denn nach diesem § 12 erhält der Bundeswirtschaftsminister die Vollmacht, wenn die deutsche Filmproduktion nicht in der Lage sein sollte, diese Quota auszunutzen, entsprechend viel ausländische Filme auf die Quota anzurechnen und damit also eine Schleuse zu öffnen, deren Öffnung sich im Falle eines zu niedrigen Wasserstandes als notwendig erweisen könnte.
Ich glaube, schon dieser § 12 zeigt, daß dieses Gesetz keinesfalls die Maße überschreiten sollte, die wir innegehalten Wissen wollten. Es ist ein Gesetz, das nur im Zusammenhang mit den andern Ihnen schon vorgetragenen Maßnahmen selbst — Filmbank und Filmgroschen — wirken soll. Das Gesetz ist ja in seiner ursprünglichen Form von den Filmtheaterbesitzern nach monatelangen Verhandlungen zuerst anerkannt worden, wenn auch später die Zustimmung wieder zurückgezogen wurde. Wir haben aus dem Kreise der widerstrebenden Filmtheaterbesitzer eine Reihe von Gegenvorschlägen erhalten, die samt und sonders in den Ausschußsitzungen ernsthaft geprüft werden und sicherlich auch einer ernsthaften Beratung wert sind.
Ich darf darauf hinweisen, daß von den Filmtheaterbesitzern selbst die Einführung-des Begriffs der Quotawürdigkeit gewünscht worden ist, d. h. es solle überlegt werden, ob alle Filme — auch schlechte Filme — in die Quota aufgenommen werden sollten. Das ist eine Sache, die wir uns sehr ernsthaft überlegen werden, und unter Umständen werden wir sie auch in dieses Gesetz aufnehmen.
Uns liegt ferner ein Angebot der Filmtheaterwirtschaft vor — kürzlich vom Präsidenten des Theaterverbandes in einem Artikel mitgeteilt —, Garantien für die Abnahme deutscher Filme durch eine entsprechende genossenschaftliche Organisation der Theaterbesitzer festzulegen. Wir haben ferner das sehr bemerkenswerte Angebot vor uns, durch die Ausgabe von Obligationen einen Kapitalbeitrag zu leisten, um der deutschen Filmwirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Das sind alles recht bemerkenswerte Vorschläge, die in den Beratungen sicher eine gebührende Rolle spielen werden.
Trotzdem haben wir uns entschlossen, dieses Gesetz einzubringen, weil in der Zwischenzeit bis zum 1. September etwas geschehen muß, um die Katastrophe aufzuhalten und der deutschen Filmwirtschaft eine sichere Basis zu geben. Wenn wir dies tun, geben wir der Filmproduzentenschaft den Beweis eines Vertrauens, das sie sich erst verdienen muß. Wir möchten dabei aussprechen, daß ihre bisherigen Leistungen keinesfalls befriedigend
waren, wollen aber trotzdem hoffen, daß das, was, glaube ich, jetzt wieder an guten Drehbüchern im Werden begriffen ist, daß all die erneuten Anstrengungen in vielen, vielen Kreisen und Zirkeln dazu führen werden, der deutschen Filmwirtschaft den Auftrieb zu geben, den wir alle ihr wünschen. Ich möchte gleichzeitig der Erwartung Ausdruck geben, daß dieses Gesetz einen Markstein auf dem Wege zu weiterer Gesundung darstellen wird, die wir alle von Herzen erhoffen.
Ich bitte im Namen meiner Freunde, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film zu überweisen.

(Lebhafter Beifall in der Mitte.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115403300
Nachdem der Gesetzentwurf begründet worden ist, eröffne ich die Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Brunner.

Karl Brunner (SPD):
Rede ID: ID0115403400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in den Filmangelegenheiten bisher üblich gewesen, daß interfraktionelle Anträge in gemeinsamen Beschlüssen erledigt wurden. Uns sagt diese Übung an sich durchaus zu, sie entspricht der bisherigen Behandlung der Materie, bei der sich unterschiedliche Auffassungen — jedenfalls nach politischen Gesichtspunkten — nicht ergeben haben. Die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Wirtschaftsprinzipien ist ebenfalls nicht so sehr offenbar geworden, da Struktur und Arbeitsweise der deutschen Filmwirtschaft vorerst immer noch durch die alliierten Bestimmungen auf diesem Gebiete festgelegt bleiben. Ich glaube im Grunde genommen auch jetzt, daß wir in der gleichen Absicht und eigentlich auch in der gleichen Übereinstimmung handeln, wenn wir Verschiedenes tun.
Wir haben es abgelehnt, uns an der Initiative zur Vorlage eines Gesetzes über Quoten zu beteiligen. Auf diese Weise soll insbesondere der Filmwirtschaft offenbar gemacht werden, daß der deutsche Bundestag ungeduldig wird und mit der bisherigen Entwicklung sehr wenig zufrieden ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Von den Beteiligten und Betroffenen sind wie immer bei diesen Dingen die Standpunkte dargelegt worden. Filmproduktion und Filmverleih sind für die Quoten, die Filmtheater sind gegen sie. Bei dieser Stellungnahme liegt zunächst der Interessenstandpunkt der Beteiligten auf der Hand, auch bei den Filmtheatern. Wenn wir nun aber daran gehen, die vom Interessentenstandpunkt vorgebrachten Argumente gewissermaßen auf ihre sachliche Substanz hin zu untersuchen, so ergibt sich, jedenfalls für mich, zunächst, daß für die Quote nur das eine zu sprechen scheint: man würde nämlich mit der Quote zu rascheren Einspielergebnissen bei den deutschen Filmen kommen. Die Überbesetzung der Termine bringt es mit sich — das hat sich in der letzten Zeit in den Wenigen Fällen, wo man von guten deutschen Filmen sprechen konnte, immer wieder gezeigt —, daß auch bei guten Spielergebnissen der Film abgesetzt werden muß, weil schon neue Terminbesetzungen vorliegen und erst wesentlich später damit gerechnet werden kann, daß er vielleicht noch einmal zum Zuge kommt. So ist es sehr interessant, zu wissen, daß „Das doppelte Lottchen" in Berlin bisher von nahezu 700 000 Besuchern gesehen worden ist und daß in der Relation in der gesamten Bundesrepublik dem eine Zahl von 14 Millionen Besuchern entsprechen müßte, bisher aber nur 4 Millionen diesen Film gesehen haben.


(Brunner)

Insgesamt jedoch scheint das, was die Filmtheater zu diesen Dingen vortragen, an sich sehr viel Überzeugendes zu haben. Einmal liegt der Prozentsatz der Spieltermine für deutsche Filme praktisch ungefähr in der Höhe, die die Quota festlegen will. Zum andern ist — darauf hat mein verehrter Herr Vorredner, Herr Dr. Vogel, schon hingewiesen und auch darauf, daß dafür im Gesetz besondere Vorkehrungen getroffen werden sollen — keine Gewähr dafür gegeben, daß so viele deutsche Filme vorhanden sind, als nötig sind, um die Quotaverpflichtung wirklich einhalten zu können. Dafür braucht man mindestens 87 Filme. Die sind in diesem Jahr nicht erstellt worden, und wie es im nächsten Jahr ist, wissen wir erst recht nicht. Es gibt streng genommen ja nur einen Grund, der die Quota unerläßlich notwendig machen könnte, das wäre die strikte Weigerung der Filmtheater, gute deutsche Filme wiederzugeben, und ihr Bestreben, ausländische allein schon deshalb immer wieder zu spielen, weil es ausländische Filme sind. Das ist aber gar nicht der Fall. Der Publikumsgeschmack tendiert heute in der Regel noch zum deutschen Film. Ob es allerdings beim Andauern der Verhältnisse, die wir haben, noch lange so bleiben wird, daß der Geschmack in der Richtung tendiert, das ist sehr die Frage. Man würde in den Lichtspieltheatern gute deutsche Filme gern und reichlich spielen, wenn man sie hätte. Man hat sie aber nicht,

(Sehr richtig!)

und sie zu schaffen, ist wohl das Quotagesetz zumindest kein ausreichender Versuch.
Die Filmfestspiele in Berlin haben uns leider wieder davon überzeugen müssen, wie wenig es der Filmindustrie überhaupt und insbesondere im letzten Jahr mit Hilfe der Bundesbürgschaft gelungen ist, sich in der internationalen Auseinandersetzung wieder einigermaßen nach vorne zu bewegen. Deshalb erscheint es meinen politischen Freunden und mir sehr empfehlenswert, hier die äußerste Vorsicht walten zu lassen.

(Zustimmung bei der CDU.)

Die Ausfallbürgschaft des Bundes für deutsche Filme ist sicherlich notwendig gewesen. Wir haben ihr zugestimmt. Wir haben an der Ausarbeitung der Bestimmungen mitgearbeitet und wollen uns in keiner Weise nachträglich von dem distanzieren, was wir damals gutgeheißen haben. Sie war notwendig, damit überhaupt weitergearbeitet werden konnte, und es galt damals, schnell zu handeln, selbst wenn man Mängel, die man erkennen, und solche, die man ahnen konnte, mit in Kauf nehmen mußte. Das haben wir, glaube ich, alle gewußt, und wir alle haben unter dieser Voraussetzung gehandelt. Es ergab sich aber als besonders schwerwiegender Mangel die unerwünschte Begleiterscheinung, daß gerade durch diese Bürgschaft die unerträglichen und auf die Dauer unhaltbaren Verhältnisse in der Filmproduktion konserviert worden sind.

(Sehr richtig!)

Praktisch ist dem Produzenten das Risiko abgenommen worden. Für ihn ist, um es einmal ganz grob zu sagen, der Fall erledigt, wenn nach der Bürgschaft die Finanzierung gelungen ist und er seine 7 1/2 % Geschäftsunkosten einstreichen kann; ob das, was er erarbeitet, nun wirklich ein Geschäft wird, das braucht ihn nicht zu interessieren, er braucht gar nicht auf den Gewinn zu sehen, um auf seine Kosten zu kommen.
Der Verleih, der heute, um des deutschen Films und vielleicht um noch viel höherer Güter willen, natürlich auch an der Quota interessiert ist, könnte, finde ich, etwas für den deutschen Film tun, wenn er - ich will milde sein — unter dreien immer einen ausknobeln wollte, der das angenehme Geschäft weiterbetreibt, so daß die übrigen zwei sich dann anständigen Berufen zuwenden könnten. Ich bin mir des Gewichts meiner Worte voll bewußt. Der Verleih ist eine notwendige und deshalb auch im Rahmen des Filmgeschäfts eine durchaus seriöse Funktion. Aber wenn in unserem so weitgehend verkleinerten Wirtschaftsraum 106 Verleiher leben wollen — und in einem geben sich die Leute wirklich Mühe, nämlich gut zu leben —,

(Zuruf von der FDP: Sehr gut!)

dann muß es bei sehr vielen mit anständigen und gesunden Geschäftsmethoden einfach aufhören. Ich brauche das nicht nur als Schlußfolgerung vorzutragen, die Praxis zeigt es uns ja täglich. Wie immer wird auch in dieser Sparte das Ansehen der Wertvollen durch die Überflüssigen geschädigt.
Mit dieser Übersetzung in Produktion und Verleih und diesen Geschäftsmethoden geht es nicht weiter. Bundesregierung und Bundestag würden Schuld auf sich laden, wenn sie nicht alles versuchen würden, um hier Wandel zu schaffen. Schließlich darf sich das Bürgschaftsverfahren nicht in einer Alimentierung ausgesprochenen Parasitentums auswirken.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Marika Rökk — um hier einmal einen Fall anzusprechen — erhält für den Film „Glück im Spiel" ein Honorar von 150 000 DM,

(Abg. Dr. Mende: Und ihr Mann?)

ihr Herr Gemahl für Regie, Mitarbeit am Drehbuch usw. auch noch 150 000 DM; und da ist noch ein Schwager oder sonstwie naher Verwandter, der 75 000 DM bekommt. Alles in allem sind das 375 000 DM.

(Abg. Dr. Mende: Davon die Hälfte Devisen!)

Man sieht: von der so oft beklagten Verkümmerung des Familiensinnes ist hier nichts zu spüren.

(Sehr gut! in der Mitte. — Heiterkeit.) Meine Damen und Herren, wenn man so etwas hört, wird man gelegentlich doch von dem Zweifel geplagt, ob die Diäten der Bundestagsabgeordneten wirklich die höchsten Entschädigungen sind, die in diesem Lande gezahlt werden.


(Abg. Mayer [Stuttgart] : Marika Rökk hat schönere Beine!)

Interessant war, daß sich nach der Ablehnung solcher Honorare bei diesem Film, für den natürlich auch eine Ausfallbürgschaft beantragt wurde, durch den Beirat und den interministeriellen Ausschuß der arme Produzent plötzlich in der Lage sah, das, was an den vereinbarten Honoraren abgestrichen worden war, aus seiner eigenen Tasche dazuzulegen.
Ich finde, es ist unanständig, heute solche Honorare zu fordern, und es ist ebenso unanständig; sie zu bewilligen. Denn es geht hier um Dinge, für die letzten Endes der Steuerzahler das Risiko zu tragen hat. Aber das non olet in diesem Punkt gilt nicht nur für die Höhe der Beträge — mit der Höhe nimmt der Geruch ja ohnehin immer etwas ab —, sondern auch für die Art der Geber. Man läßt sich das leichtgeschürzte Röckchen um die schlanken Glieder hochblasen, aus welcher Richtung auch immer der politische Winde weht.

(Heiterkeit.)



(Brunner)

Beim „Glück im Spiel" wird in Hamburg mit der Film-Union zusammengearbeitet. Das „Kind der Donau" dagegen fand sein Glück im Spiel bei der Nova-Filmgesellschaft in Wien. Die Film-Union in Hamburg ist bekanntlich jung, die Nova-Filmgesellschaft in Wien dafür russisch.

(Zuruf von der FDP: Das gibt eine gute Ehe!)

Das „Kind der Donau" ist ein Propagandafilm mit ausgeprägt volksdemokratischem Einschlag. Ehe die Kopien zu uns kamen, hat man freilich das allzu Penetrante herausgeblasen. Es ist jedoch immer noch genug Henneckescher Aufbaufreude übriggeblieben.
Uns interessiert in diesem Fall sehr, welche Rolle das Bundeswirtschaftsministerium dabei gespielt hat, daß dieser „ungemein wertvolle" Film überhaupt nach Deutschland gekommen ist. Für diesen Film sind 1,2 Millionen DM hergegeben worden.

(Abg. Mayer [Stuttgart]: Hört! Hört!)

Das heißt doch in der Praxis: man hat darauf verzichtet, für 1,2 Millionen DM andere Waren aus
Österreich zu beziehen, um diesen Film hereinbekommen zu können. Darüber hinaus soll der Film
sogar ohne die Zustimmung des österreichischen
Ministeriums für Handel und Verkehr nach Deutschland eingeführt worden sein. Das ist dadurch erreicht worden, daß man den bestehenden Vertrag
geändert hat und aus einer Verpflichtung für dieses Ministerium, seine Zustimmung zu geben, lediglich eine Empfehlung gemacht hat, diese Zustimmung müsse „nach Möglichkeit" eingeholt werden.
Nachdem man dann diesen Vertrag so geändert hatte,
war es trotz des Unbehagens dieses österreichischen
Ministeriums möglich, den Film hierherzubringen.
CEO
Eine Wochenschrift, die ihre Seiten merkwürdigerweise nicht mit den Erinnerungen aus den Tagebüchern von Hitler und Göring sowie den Erinnerungen ihrer Köche, Hunde, Pferde und Panzergenerale oder mit der Roten Kapelle füllt, hat darüber einige sehr interessante Details zusammengetragen. Wir stellen den Artikel gern zur Verfügung- und sind auch bereit, eine Interpellation einzubringen, wenn es notwendig sein sollte, die Auskunftsfreudigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums in dieser Beziehung etwa noch etwas anzuregen.
Wir wünschen von dem heiteren Künstlervölkchen diejenigen hier nicht mehr zu sehen, die die Zusammenarbeit mit den Russen nicht nur für unanstößig, sondern offenkundig sogar für erwünscht halten.

(Abg. Dr. Vogel: Bravo!)

Hier muß man sich zur Rückversicherung allerdings noch der Anstrengung des Doppelverdienertums unterwerfen; im Ernst: eine verächtliche Angelegenheit!
Unser Ausschuß ist jetzt über das letzte Wochenende in Berlin gewesen. Wir haben dort nicht nur unsere Probleme bearbeitet, sondern haben — dies so oft wie möglich zu tun, wäre für alle Mitglieder dieses Hohen Hauses sehr gut — Erfahrungen über die Lage dieser Stadt und vor allen Dingen über die Haltung ihrer Menschen erneuern, gewinnen und in uns verstärken können. Wir müssen uns ja vor den Berlinern schämen, daß bei uns solche Dinge noch immer wieder möglich sind. Hier ist wirklich eine klare Scheidung unerläßlich. Selbst wenn, was ich allerdings sehr herzhaft bezweifle, Revuefilme dieser Art nur mit solchen Leuten zugkräftig zu machen sind, dann verzichten wir. Wir haben ja seit 1945 auf so vieles verzichten müssen. Wir würden, so scheint mir, auch den Abschied von den Beinen Marika Rökks und ihrem melodiösen Deutsch ertragen können, ohne Schaden an unserer Seele zu nehmen. Jedenfalls scheinen die großen Sünderinnen nicht in dem Film von Willi Forst allein zu finden zu sein.

(Sehr gut!)

Im Zusammenhang mit der Bürgschaft haben sich der Ausschuß und vor allem der parlamentarische Beirat um eine Vorfinanzierung der Drehbücher bemüht; auch darauf hat mein Kollege Vogel bereits hingewiesen. Diese Bemühungen, die Drehbücher vorzufinanzieren, um damit bessere Stücke an die Hand zu bekommen und die Filme dadurch besser gestalten zu können, sind alles in allem am Widerstand der Produktion gescheitert, so daß man den ernsthaften Willen der Produktion, Talente zu suchen und an sich zu ziehen, bezweifeln muß. Eins steht im Zusammenhang mit der gesamten Filmmisere, die natürlich zu einem großen Teil eine wirtschaftliche, eine finanzielle Misere ist, fest: ob ich Einfälle habe wie die französischen, italienischen, aber auch englischen und amerikanischen Filmproduzenten oder ob ich solche Einfälle nicht habe, ist keine finanzielle Frage.

(Sehr gut!)

Wenn es gelänge, den Inhalt der Drehbücher wenigstens auf das Niveau der Honorare zu heben, die dafür immer noch gezahlt werden, würden wir ein gutes Stück weiterkommen können.
Wer sich infolge seiner Beschäftigung mit der Ausfallbürgschaft im Laufe des letzten Jahres mit den Filmangelegenheiten etwas intensiver befassen mußte, hat hier eine Materie kennengelernt, die a mehr interessant als angenehm ist, eine Materie, die aber meiner Ansicht nach weder für die Ekekutive noch für die Legislative sonderlich schicklich ist. Es geht nicht an, daß auf die Dauer würdige Ministerialräte oder sogar direktoren und Parlamentsabgeordnete unablässig Drehbücher lesen. Die Filmwirtschaft muß wieder aus eigener Verantwortung und vor allem mit eigenem Risiko arbeiten. Wir müssen Mittel überlegen; die das möglich machen. Dabei wurde — auch das ist vorhin schon gesagt worden — zunächst an die Filmbank gedacht. Das schwierige Problem bei ihr ist nicht, sie zu gründen, sondern das Produktionskapital zu finden. In diesem Zusammenhang ist nun wiederum der Gedanke des Filmgroschens in die Debatte geworfen worden. Ob dies ein richtiges und vertretbares Mittel ist, kann im Augenblick noch nicht gesagt werden. Ich will mir deshalb hierüber auch keine Ausführungen erlauben, davon wird bei den Ausschußarbeiten noch im einzelnen zu reden sein. Vielleicht bedarf es hierzu auch gar keines Beschlusses des Hohen Hauses; denn hier handelt es sich um Dinge, die auf Grund der Vollmachten, die das Wirtschaftsministerium in der Hand hat, auf dem Verwaltungswege geregelt werden können.
Zusammenfassend möchte ich jedenfalls feststellen, daß das Bürgschaftsverfahren zu einer merklichen Leistungssteigerung nicht geführt hat und daß man deshalb — denn das ist das Entscheidende, und in dieser Beziehung liegen die Verhältnisse bei uns anders als in den Ländern, die vorhin zitiert worden sind — von der Quote sicherlich noch viel weniger erwarten kann. Wir .Sozialdemokraten wollen im Augenblick zu dem hier eingebrachten Gesetz noch kein endgültiges Nein sprechen. Wir


(Brunner)

werden unser Urteil fällen, wenn zu übersehen ist,
was die Ausschußberatungen zuguterletzt oder
zuschlechterletzt ergeben werden. Jedenfalls werden wir die Dinge sehr kritisch betrachten. Im
Sinne dieser unserer kritischen Einstellung haben
wir daher die hier gebotene Möglichkeit benutzt, um
der Filmwirtschaft ins Gewissen zu reden oder in
das, was sie sonst als Äquivalent dafür besitzen mag.

(Heiterkeit und Beifall.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115403500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0115403600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt es, daß sich heute hier eine generelle Debatte über die deutsche Filmsituation entwickelt. Sie hat auch ihre Unterschrift unter den nicht von ihr verfaßten Gesetzentwurf gegeben, um so die Gelegenheit zu schaffen, diese deutsche Filmsituation einmal vor dem Hohen Hause kritisch zu betrachten.
Mein Herr Vorredner hat bereits sehr viele Beiträge zu der deutschen Filmkrise oder zu einer Analyse der deutschen Filmkrise geliefert. Diese Filmkrise besteht auf personellem, auf materiellem und auf geistigem Gebiet.

(Abg. Mayer [Stuttgart]: Und auf moralischem!)

Wir haben nach 1945 feststellen müssen, daß zu einigen Produzenten, die diesen Namen mit vollem Recht verdienen, leider eine viel zu große Zahl von Pseudo-Produzenten hinzugekommen sind.

(Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!)

Diese Pseudo-Produzenten nehmen ihre Legitimation zum Produzieren vielleicht aus der Tatsache, 1 daß sie mehr oder minder eifrige Leser von Filmzeitschriften waren, oder aus ihrem Glauben, auf Grund besonderer Beziehungen zu Nylon- oder sonstigen Seidenstrumpffabriken ihr Nylongeschäft mit einem Filmgeschäft verbinden zu können. Es gilt also zunächst einmal, in der deutschen Filmproduktion jene ernsthaft qualifizierten Produzenten zu scheiden von dem Konglomerat der PseudoProduzenten, und hier sollten die Filmproduzentenkreise selbst dafür sorgen, daß sie nicht in den Verdacht kommen, mit jenen verwechselt zu werden.
Aber nicht nur auf die Produzenten und Pseudo-Produzenten ist das Augenmerk zu richten, es gilt auch die Dinge einmal von der Seite der darstellenden Persönlichkeiten zu betrachten. Hier hat Herr Kollege Brunner schon erwähnt, daß es immer noch ein Verhaftetsein an längst überholte Gagenforderungen gibt. Ich darf noch hinzufügen, Herr Kollege Brunner, daß diese Dame nicht nur 150 000 Mark verlangt hat, mit ihrem Gatten zusammen 300 000 Mark, sondern daß gleichzeitig die Bedingung gestellt wurde, 50 % dieser 300 000 Mark in Schweizer Franken zu transferieren.

(Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß man hier nicht mehr mit dem System arbeiten kann, uns als jugendliche Darstellerinnen Damen auf der Leinwand zu präsentieren, die vielleicht meinen Vater schon in eine freudige Erregung brachten und vielleicht auch meinen Sohn eines Tages noch von den Schularbeiten abhalten werden.

(Heiterkeit.)

Dieser Großmutterkomplex mag sich vielleicht in der Propaganda ganz gut ausnehmen, aber in bezug auf die jugendlichen Heldinnen sollten wir ihn
von den Leinwänden verbannen. Man kommt nämlich sonst zu der Erkenntnis, die vielleicht kurz in das Bonmot gefaßt werden kann: Man singt immer tiefer, und mit dem Ton sinkt auch das Niveau.

(Heiterkeit.)

Aber auch zum Nachwuchs, meine Damen und Herren! Da hat man geglaubt, es genüge, bei badeanzüglichen Schönheitskonkurrenzen sich einige besonders exponierte junge Mädchen für den Film zu engagieren, um so die Nachwuchskrise zu lösen. Ich glaube, inzwischen haben auch weniger ernsthafte Regisseure feststellen müssen, daß zu einer echten Nachwuchsdarstellerin nicht nur das körperliche Ebenmaß genügt, sondern auch eine gehörige Portion geistiger Darstellungskunst gehört, ja sogar auch eine gehörige Portion Persönlichkeitswert, zu deutsch: Charakter.
Wer diese beiden Komplexe einmal kritisch betrachtet, der wundert sich nicht, daß das deutsche Filmpublikum seit Jahren mit Trümmerfilmen, Traumfilmen und Prostitutionsfilmen gefüttert wird und daß sich eine verständliche Abneigung bemerkbar macht, diese Filme zu sehen, und eine verständliche Zuneigung zu Spitzenleistungen der Filmkunst wie z. B. „La justice est fait" oder „Sous le ciel de Paris" oder zu den italienischen Filmen „Fahrraddiebe" und „Das Wunder von Mailand" oder zu den Filmen „Die Vier im Jeep" oder „Sans nommer l'adresse".
Die Frage der Abdämmung der Konkurrenz von außen und der Schutz für die eigene Produktion ist eine Leistungsfrage und nicht eine Planungs- und gesetzgeberische Frage.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Wir erwarten daher, daß unsere deutsche Nachkriegsproduktion durch Leistungssteigerung, durch einen freien Wettbewerb bestehen kann, bei allen Schwierigkeiten, die sich selbstverständlich durch den Verlust der Produktionsstätten in Berlin ergeben haben, und daß sich über eine Leistungssteigerung eines Tages jene Ebenbürtigkeit entwickelt, die wir durch gesetzgeberische Maßnahmen, Planungen und Quotengesetze niemals schaffen können.
Hier ist auch von der Filmbank und von dem Filmgroschen gesprochen worden. Ich will hier das Gesetz nicht isoliert sehen, sondern es muß, wie schon der Herr Kollege Dr. Vogel sagte, kombiniert mit den Versuchen, eine Filmbank zu gründen, und mit den Plänen für einen Filmgroschen gesehen werden; sie alle drei müssen entweder zusammenwirken, oder wir müssen von allen drei Versuchen Abstand nehmen. Die Länderfinanzminister haben sich allesamt bereit erklärt, eine Filmbank ins Leben zu rufen. Lediglich aus München kam der Wunsch, daß die Filmbank ihren Sitz in München haben solle. Nun, warum nicht, da ja Geiselgasteig die größte Produktionsstätte ist! Ob man den Filmgroschen einführen solle oder nicht, das wird auch erst von den verschiedenen Seiten geprüft werden müssen.
Zu dem Gesetz selbst. Wir finden, daß eine ganze Anzahl von Bestimmungen unserer Auffassung vom freien Wettbewerb keineswegs entspricht. Im § 1 ist schon manches, was zu bemängeln ist. Nach § 4 soll das Wirtschaftsministerium nach Anhörung der Spitzenverbände der deutschen Filmwirtschaft im Wege der Rechtsverordnung jene Quotenregelung durchführen. In § 13 sind dann Bußgelder festgesetzt. Ich glaube, wir werden hier an dem Gesetz sehr viel ändern müssen, wenn es überhaupt — das wird sich ja im Ausschuß heraus-


(Dr. Mende)

stellen — Anspruch darauf erheben darf, dann einen Beitrag zur Verbesserung der deutschen Filmsituation darzustellen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß wir die deutsche Filmkrise mit großen Bedenken betrachten und noch nicht davon überzeugt sind, daß auch die drei Faktoren Filmbank, Filmquotengesetz und Filmgroschen hier eine Verbesserung der Situation mit sich bringen, wenn es nicht gelingt, im Film selbt jene Leistungssteigerung zu erreichen, die allein das Ende der deutschen materiellen, personellen und geistigen Filmkrisis bringen kann.
Zum Abschluß darf ich Ihnen noch die Meinung meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß im Hinblick auf die Frequentierungen des Bundeshauses durch Produzenten, Pseudoproduzenten und viele andere Interessierte der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films dringend gebeten wird, sich an die Geschäftsordnung zu halten und sich lediglich mit Dingen zu befassen, die ihm von dem Hohen Hause zugewiesen wurden.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115403700
Darf ich die Gelegenheit benutzen, diese Bitte über den Bereich des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films hinaus auszusprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers. Er hat zugesagt, nur drei Worte zu sprechen. Ich halte diese Zusage allerdings für leichtfertig.

(Heiterkeit.)


Hans Ewers (DP):
Rede ID: ID0115403800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wären schon zu fiele Worte. — Ich möchte nur darauf hinweisen, aß sich diese Vorlage wie das ganze Gespräch über die Filmwirtschaft auf ein sehr schlüpfriges Gebiet begibt, weil nämlich der Film jene etwas schwankende und unklare Stellung zwischen Kultur, Amüsement und Geschäft innehat, die ihn jedem Kulturliebhaber von vornherein etwas verdächtig erscheinen läßt.
Mit dem Film kann man, wie wir gelernt haben, ausgezeichnet Propaganda betreiben, nämlich das Volk auf einen bestimmten Tatsachen- oder historischen Komplex ausrichten, man kann allerhöchste künstlerische Genüsse vermitteln, oder man kann der niedrigsten Sensationslust eines beliebigen Publikums frönen. Mit allen dreien kann man nebenbei Geschäfte machen. Soweit ich unterrichtet bin, hat es in aller Filmzeit aber noch niemals die Idee gegeben, daß es Sache der öffentlichen Hand, Sache der Regierung, der Verwaltung, der Parlamente ist, die Filmwirtschaft irgendwie in Gang zu bringen. Heute wäre das bedenklicher als je, insofern als derjenige, der da finanziert, mindestens in den Geruch kommt, irgendeine Richtung oder Haltung zu propagieren und damit die Verantwortung für den Inhalt der Filme zu übernehmen, die dem Publikum vorgeführt werden.
Das sind die schwersten Bedenken gegen die Bundesbürgschaft, die ja, wie ich betonen möchte, nicht aus kulturellen, sondern ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen gegeben wird. Was wir vom Filmausschuß grundsätzlich möchten, ist, daß die Filmproduktion mit ihren Unterzweigen Verleih und Filmtheater wieder zu jener für die deutsche Gesamtwirtschaft wesentlichen Einnahmequelle wird, die sie früher einmal war. Das ist unser Anliegen. Wir wollen nicht einen sehr wesentlichen, unendlich viele deutsche Frauen und Männer, Künstler und Techniker beschäftigenden Riesenapparat von Produktionen zugunsten der ausländischen Produktion stillegen. Mit der Kultur hat all das gar nichts zu tun.
Die Frage, die uns heute hier zunächst beschäftigt, lautet: Kann dies unter anderem durch eine Art Zwangsbewirtschaftung der Filmtheater geschehen? Es ist klar, daß wir von unserem Standpunkt aus hiergegen zunächst prinzipielle Bedenken haben müssen. Ob diese Möglichkeit überhaupt besteht, ist zweifelhaft. Sie wollen bedenken, daß die Filmtheater durch die Vergnügungssteuer eine große Einnahmequelle für die Gemeinden darstellen, selbst wenn die finanzielle Decke nach oben bis zum Produzenten hin sehr mager wird. Diese Einnahmequelle lebt heute von Schund- und Schmutzfilmen aus Amerika, meistens Wildwestfilmen, alten Reprisen, die in Amerika längst abgelaufen sind und die nun unsere vielzuvielen Kinogäste hier unterhalten. Dieser Betrieb hat mit Kultur überhaupt nichts zu tun. Wir könnten ihn im kulturellen Interesse heute abwürgen, könnten ihn direkt verbieten, immer vorbehaltlich der Beziehungen zur Besatzungsmacht, insbesondere zu Amerika. Wenn wir den gegenwärtigen Zustand unangetastet bestehen ließen, würden wir auf die Dauer, weil ja diese Filme bedeutend billiger zu haben sind — sie haben sich längst ausgespielt —, die deutsche Produktion völlig stillegen. Deswegen ist die Maßnahme, die im Quotagesetz versucht wird, jedenfalls eine der gegebenen Möglichkeiten.
Was nun die Kultur des Films anlangt, so gestatte ich mir, darauf hinzuweisen, daß wir leider Gottes seit 1945 kulturell allgemein in einer gewissen Lethargie leben. Man hat das Gefühl, daß mindestens die größere Mehrheit der Musen sich von uns gekehrt hat. Sie sehen ja, wie es auch im Theater absolut an deutschen Stücken mangelt, die, sei es wegen ihres Inhalts, sei es wegen ihrer Zeitgemäßheit, öffentliche Beachtung oder gar Erregung hervorrufen. Und hätten wir nicht den großen Dichter Zuckmayer, wüßte ich keinen einzigen zu nennen, der uns Theaterstücke liefert, die aufführungsreif sind. Das wird im Film cum grano salis so ähnlich liegen. Denn leider Gottes kann man die Künstler nicht durch Organisation schaffen. Sie wachsen, wenn ihre Zeit gekommen ist.
Wir können uns hier in diesem Hause überhaupt nur mit der wirtschaftlichen Seite der Filmproduktion beschäftigen. Jede andere Beschäftigung bringt uns in den Verdacht, daß wir die geistige Ausrichtung steuern möchten, insbesondere auch, wenn wir uns allzusehr in das Finanzielle mischen. Dieses Gesetz bedarf gründlichster Bearbeitung und Abstimmung nicht so sehr mit den Filminteressenten, sondern mit den Filmsachverständigen, die außerhalb der Produktion leben. Mit ihnen muß die Frage geprüft werden, ob der Filmwirtschaft durch so etwas geholfen werden kann. Hoffentlich wird dabei das Niveau, also die geistige Haltung des Films, nicht völlig in die Brüche gehen.

(Beifall bei der DP.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115403900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor? — Herr Abgeordneter Vogel!

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0115404000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch ein kurzes Schlußwort. Es ist zwar für uns alle leicht, etwas gegen die Auswüchse zu sagen, die mein sehr verehrter Kollege Brunner in so geistreicher und witziger Weise geschildert hat. Auf der anderen Seite ist es unsere Aufgabe darüber nachzudenken, wie wir einem unstreitig


(Dr. Vogel)

vorhandenen Notstand abhelfen können. Es handelt sich hier um den ehedem viertgrößten deutschen Industriezweig. Dieser Industriezweig muß irgendwie wieder auf die Beine gestellt werden. Wir müssen danach trachten, daß aus dem unerhörten Devisendefizit, das hier aus einer Vergnügungsindustrie entsteht, auch wieder einmal ein Positivum wird, wie es vor dem Kriege der Fall war, als die Filmindustrie bis zu 40 Millionen Mark jährlich Devisen einbrachte. Deswegen muß es unsere Aufgabe sein, gangbare Wege zu suchen, um einen vernünftigen, soliden Zustand wiederherzustellen. Daß es dagegen viele Bedenken gibt, ist klar. Auch ich teile diese Bedenken zu einem großen Teil. Andererseits ist mir bisher noch kein Vorschlag gemacht worden, wie die Dinge auf eine andere Art und Weise gebessert werden können. Allein aus diesem Grunde halten wir daran fest, einen solchen Sanierungsplan aufzustellen, auch wenn von der menschlichen und künstlerischen Seite her Bedenken angemeldet werden können.
Gegen eins muß ich mich persönlich hier verwahren. Mein sehr verehrter Freund Dr. Mende hat hier angedeutet, daß der Ausschuß sich mit Fragen befasse, die ihm nicht zugewiesen seien. Ich bitte ihn, den Nachweis dafür zu erbringen. Es wird ihm schwer fallen, den Nachweis für einen solchen Vorwurf zu erbringen. Es lag an ihm als Ausschußmitglied, sich gegen einen Punkt der Tagesordnung zu wenden, von dem er glaubte, daß er nicht auf die Tagesordnung gehöre.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115404100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist der Antrag gestellt worden, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Überweisung einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Überleitung von Lasten und

(Zweites Überleitungsgesetz)

Federführend ist der Herr Bundesminister der Finanzen. Ich darf annehmen, daß sich die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung des Gesetzes bezieht. — Das ist der Fall.
Wünscht zur allgemeinen Aussprache der ersten Beratung jemand das Wort zu nehmen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Besprechung.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, dieses Gesetz dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen federführend und dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden?

(Zuruf des Abg. Renner.)

— Dagegen ist der Abgeordnete Renner, und ich darf annehmen: seine Fraktion. Enthaltungen bei dieser Überweisung? — Offenbar keine. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung ebenfalls erledigt.
Ehe ich Punkt 4 aufrufe, möchte ich noch folgendes bekanntgeben. Der Verkehrsausschuß tagt um 18 Uhr zur Schlußabstimmung über den Entwurf des Bundesbahngesetzes. Dann bin ich gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß am Donnerstag, dem 21., also morgen, eine Stunde nach Beendigung des Plenums eine gemeinsame Sitzung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung mit dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung stattfindet. Schließlich bitte ich, freundlichst davon Kenntnis zu nehmen, daß der Vortrag, den unser verehrter Alterspräsident, Herr Kollege Löbe, heute abend in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft halten wird, um 8 Uhr beginnt; für den Fall, daß das Plenum um 8 Uhr noch nicht beendet ist, eine Stunde nach Schluß des Plenums.
Ich rufe auf Punkt 4:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes (Nr. 2268 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr.
2341 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 145. Sitzung.)

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Lausen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen, und schlage Ihnen entsprechend der Empfehlung des Ältestenrats vor, eine Redezeit von höchstens 60 Minuten in Aussicht zu nehmen.

Willi Lausen (SPD):
Rede ID: ID0115404200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei der heute zur Entscheidung stehenden Vorlage darum, den Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes nunmehr durch ein Durchführungsgesetz zu realisieren, nachdem der Bund von seinem Recht, entsprechend Art. 106 Abs. 3 einen Teil der Einkommen- und der Körperschaftsteuer der Länder in Anspruch zu nehmen, Gebrauch gemacht hat. Wenn ich die Arbeit des Ausschusses zusammenfassen darf, dann möchte ich sagen, daß es die Absicht des Ausschusses war, im Rahmen des Grundgesetzes soweit wie denkbar dem Bundesfinanzminister die Möglichkeit zu geben, im Sinne einer einheitlichen Finanzverwaltung zu operieren. Der Ausschuß ist sich darüber im klaren gewesen, daß ihm Grenzen gesetzt waren. Er ist sich auch darüber im klaren gewesen, daß die Vorschläge, die er Ihnen unterbreitet, nicht der Weisheit letzter Schluß sind; aber er glaubt, Ihnen mit gutem Gewissen sagen zu können, daß er die Möglichkeiten, die im Grundgesetz gegeben sind, nach besten Kräften ausgenutzt hat.
Der Ausschuß hatte sich zunächst mit der verfassungsrechtlichen Frage zu beschäftigen, ob diese Vorlage als Zustimmungsgesetz zu betrachten sei oder nicht. Der Bundesrat hat die Auffassung vertreten, daß es sich um ein Zustimmungsgesetz handle, und sich dabei unter anderem auf Art. 85 Abs. 2 berufen, in dem die grundsätzliche Frage der Verwaltung von Bund und Ländern geregelt ist. Er hat sich ferner auf Art. 105 Abs. 3 bezogen, in dem festgelegt ist, daß Steuergesetze der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Der Ausschuß hat sich in dieser Frage der Auffassung der Bundesregierung angeschlossen und Ihnen deshalb eine Vorlage unterbreitet, in deren Präambel die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates" fehlen.
Eine der wichtigsten Fragen bei diesem erfreulich kurzen Gesetz war diejenige, wieweit Art. 108 Abs. 6 In diesem Gesetzentwurf realisiert worden ist bzw. von der Bundesregierung zu realisieren versucht worden ist. Art. 108 Abs. 6 sieht vor, daß die allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch die Bundesregierung erlassen werden, und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden obliegt. Der Entwurf der Bundesregierung hat nach der Auffassung des Ausschusses diesem zwingenden Grundsatz nicht Rechnung getragen. Die Bundesregierung hat geglaubt, es genüge, daß allgemeine Verwaltungsanordnungen der Landesbehörden nur mit


(Lausen)

Zustimmung des Bundesfinanzministers erlassen werden könnten, es sei denn, daß der Bundesfinanzminister ausdrücklich auf dieses Zustimmungsrecht verzichtet. Die Regierung hat in ihrem Entwurf weiter die Auffassung vertreten, daß allgemeine Verwaltungsanordnungen der Oberfinanzdirektionen dem Bundesfinanzminister zur Kenntnis gegeben werden müßten, wobei der Ausschuß die Auffassung vertrat, daß diese Bekanntgabe womöglich Monate später erfolgen würde und gar nicht mehr attraktiv bliebe. Erst in einer Schlußformulierung zu dem entsprechenden Paragraphen der Vorlage stellt die Bundesregierung fest, daß ihre Zuständigkeit, Art. 108 Abs. 6 anzuwenden, unberührt bleibe.
Dagegen hat, wie wir glauben, der Ausschuß in seinem Änderungsvorschlag klar herausgearbeitet, daß die allgemeinen Verwaltungsvorschriften gemäß Art. 108 Abs. 6 durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen sind. Der Ausschuß ist aber, um einem praktischen Bedürfnis, das wir aus der Erfahrung kennen, gerecht zu werden, zu einer Ausnahmeregelung gekommen. Dort, wo regionale Besonderheiten eine regionale Verwaltungsvorschrift rechtfertigen, soll die Landesbehörde die Möglichkeit bekommen, solche Verwaltungsvorschriften zu erlassen; d. h. die Landesbehörden können Verwaltungsvorschriften erlassen, soweit die Bundesregierung dieses Recht im allgemeinen und im Einzelfall nicht für sich in Anspruch nimmt. Der Ausschuß ist aber drittens noch zu der Auffassung gelangt, daß auch solche Verwaltungsvorschriften der Landesbehörden in jedem Falle der Zustimmung des Bundesfinanzministers bedürfen, eben damit eine einheitliche Verwaltung sichergestellt wird. Nur dann, wenn der Bundesfinanzminister ausdrücklich auf die Ausübung dieses Rechtes verzichtet, kann davon abgesehen werden.
Entsprechend diesen entwickelten Grundgedanken legt der Ausschuß dem Hause seine Abänderungsanträge vor, die sich in diesem Falle auf den § 1 Abs. 2 der Vorlage beziehen.
Eine zweite Bestimmung, die vom Ausschuß aus der gleichen Absicht heraus korrigiert wurde, ist die des § 2 des Ihnen vorliegenden Entwurfs. Das Wort „grundsätzlich", das in der Regierungsvorlage enthalten ist, ist vom Ausschuß gestrichen worden. Die Regierung hatte ursprünglich die Absicht, eine grundsätzliche Überwachung im Interesse der Gleichmäßigkeit der Gesetzesanwendung und der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung im Zusammenwirken mit den obersten Landesbehörden sicherzustellen. Der Ausschuß dagegen war der Meinung, daß diese Überwachung in jedem Falle stattfinden müsse. Wir bitten das Plenum, dieser in dem Abänderungsantrag zu § 2 zum Ausdruck kommenden Auffassung des Ausschusses ebenfalls zuzustimmen.
Noch etwas zur Frage der Betriebsprüfung durch den Bund. Die Regierungsvorlage sah vor, daß eine solche Prüfung durch die Bundesprüfungsstelle nur im Zusammenhang mit der Prüfung anderer Bundessteuern vorgenommen werden sollte. Der Ausschuß dagegen vertrat die Auffassung, daß eine solche Prüfung auch ohne einen Zusammenhang mit der Prüfung anderer Bundessteuern erfolgen solle. Der Ausschuß ist insofern wieder der ursprünglichen Vorlage der Regierung gefolgt.
Zusammenfassend darf ich sagen, daß sich der Ausschuß bemüht hat, die uns gegebenen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten soweit wie möglich auszuschöpfen. Der Ausschuß bittet deshalb das
Haus, nachdem er die wesentlichen Entscheidungen dieser Vorlage fast einstimmig gebilligt hat, ihr mit den von ihm vorgeschlagenen Änderungen zuzustimmen und darüber hinaus die zu dem Gesetz eingegangenen Petitionen als erledigt zu erklären.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115404300
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich rufe auf § 1. Wünscht jemand das Wort zu nehmen? — Herr Abgeordneter Dr. Besold, bitte!

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0115404400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß zur Besprechung des § 1 auch die Beratung über die einführenden Worte gehört: „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen". Meine Fraktion stellt den Antrag, die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung wiederherzustellen, so daß es heißt: „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen". Der Bundesrat hat sich, wie schon der Berichterstatter erklärt hat, bei dieser Fassung auf das Grundgesetz berufen, und zwar auf den klaren Sinn und den klaren Wortlaut des Art. 85 und des Art. 105, wo ausdrücklich erwähnt ist, daß solche Gesetze nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden können.
Einen Zweifel über die Auslegung dieser Frage läßt lediglich der Art. 108 Abs. 6 zu, wo es heißt:
Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften werden durch die Bundesregierung erlassen, ... Wir haben aber im Finanzausschuß aus den Darlegungen des Vertreters des Justizministeriums entnommen: gerade mit Rücksicht auf die Bestimmungen der Art. 85 und 105 ist dieser Abs. 6 so auszulegen, daß das Wort „die" wegzulassen ist, so daß die Auffassung, daß hier ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wohl gerechtfertigt ist. Wenn nach dem Grundgesetz schon Verwaltungsvorschriften der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, so natürlich erst recht ein derart umfassendes und vor allem folgenschweres Gesetz.
Die Fraktion der Bayernpartei stellt daher den Antrag, in der Präambel einzufügen: „mit Zustimmung des Bundesrates". Ich werde einen schriftlichen Antrag nachreichen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115404500
Meine Damen und Herren, ich verfahre nach der Geschäftsordnung § 40 Abs. 2, wonach Einleitung und Überschrift zum Schluß aufgerufen werden. Der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Besold bezieht sich auf die Einleitung. Ich komme nachher bei Aufruf der Einleitung darauf zurück.
Zu § 1 lag keine Wortmeldung vor.

(Abg. Dr. Besold: Ich bitte ums Wort!)

— Herr Abgeordneter Dr. Besold, bitte!

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0115404600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ist von besonderer Tragweite, weil zum erstenmal ein Eingriff in die Finanzhoheit der Länder vorgenommen wird.

(Abg. Lausen: Das kennen wir ja schon, Herr Kollege!)

— Ich weiß, daß Sie meine Einstellung kennen, aber es ist notwendig, sie hier nochmal klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen,

(Zuruf. von der SPD: Zu Protokoll zu bringen!)



(Dr. Besold)

insbesondere, weil ich auch im Ausschuß gegen diese Gesetzesvorlage gestimmt habe.

(Zurufe von der SPD und von der Mitte: Als einziger!)

— Ja, als einziger! — Dieses Gesetz ist deshalb von einer unerhörten Tragweite, weil hier die stärksten Finanzgrundlagen der Länder angetastet werden; denn die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer sind die Einkommensquellen der Länder, die sie allein lebensfähig machen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß ein starker Bund nur bestehen kann, wenn seine Glieder, wenn die Wurzeln des Bundes — und das sind die Länder —stark und gesund sind.
Wenn man die Verhandlungen des Bundesrats verfolgt, so stellt man fest, daß auch im Bundesrat betont worden ist, daß hier in einen „sauren Apfel" gebissen wird.

(Heiterkeit.)

Es ist ein heißes Eisen.

(Erneute Heiterkeit und Zurufe.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115404700
Herr Abgeordneter Besold, ich empfehle Ihnen aber, nicht in das heiße Eisen zu beißen!

(Große Heiterkeit.)


Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0115404800
Nein, das habe ich nicht gesagt! — Es ist dort auch — nicht von einem bayerischen Vertreter im Bundesrat, sondern von einem Vertreter Nordrhein-Westfalens — darauf hingewiesen worden,- daß man bei dem Herrn Bundesfinanzminister „trotz seiner prächtigen und scharmanten bayerischen Eigenschaften" den Zug zum Zentralismus allenthalben mit großer Sorge beobachte.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Schoettle: Mit andern Worten: niemand möchte gern in das „heiße Eisen beißen"! — Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, bei der Fassung des § 1 kann man nun verschiedener Auffassung sein. Die Zentralisten sagen: das ist zuwenig — das haben wir ja auch im Finanzausschuß gehört —, es muß ein viel strafferer Zentralismus in der Finanzverwaltung verankert werden. Andererseits kennen wir ja auch die Anträge der FDP. Den konsequenten und echten Föderalisten geht diese Bestimmung zu weit. Ich glaube dem Herrn Bundesfinanzminister, wenn er von der notwendigen Vertrauensbasis zwischen Ländern und Bund spricht, und glaube weiter, daß er durch die Regierungsfassung wirklich den letzten Rest des föderalisitischen Grundgehalts des Grundgesetzes noch erhalten möchte. Es fragt sich dann nur, ob man mit Teilzugeständnissen den Vormarsch des Zentralismus aufhalten kann oder ob man mit Teilzugeständnissen nicht der Wegbereiter eines neuen Zentralismus wird, eines Zentralismus, der auch keine Rechtfertigung im Grundgesetz findet.
Der Bundesrat hat diesem Gesetz — zu unserem Bedauern — einmütig zugestimmt. Auf die Vorschläge des Herrn Bundesfinanzministers hat ein Sprecher des Bundesrates bei der Billigung dieses Gesetzes erklärt, man wolle einen „Wechsel des Vertrauens" geben. Auch wir würden diesen Wechsel mit unterschreiben, weil auch wir zum Herrn Bundesfinanzminister das Vertrauen haben,

(Abg: Lausen: Hört! Hört!)

er wolle durch dieses Gesetz den föderalistischen
Grundgehalt konservieren. Aber wir wissen nicht,
in welche Hände dieser Wechsel morgen kommt,

(Zuruf von der Mitte: Morgen?)

und wenn der Wechsel in falsche Hände gerät, dann kann dieses Gesetz ein Wegbereiter eines neuen rücksichtslosen Zentralismus werden.

(Zuruf von der Mitte: Übertriebene Sorge!) Aus dieser Erwägung, aus dieser Sorge und insbesondere aus der Erkenntnis heraus, daß bei allen Auslegungen des Grundgesetzes, die föderalistischen Prinzipien betreffend, nicht die Meinung und insbesondere nicht der Wille des Grundgesetzes erfaßt, sondern immer durch eine bestehende Mehrheit einfach dem Zentralismus Tür und Tor geöffnet wird, können wir dieser Fassung — und insbesondere der neuen Fassung — im § 1 nicht zustimmen.


(Zurufe von der SPD.)

Zu § 3 werde ich mir weitere Ausführungen vorbehalten.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115404900
Meine Damen und Herren, das waren eigentlich Ausführungen zur allgemeinen Besprechung der dritten Beratung. Ich würde doch den Vergleichsvorschlag machen, daß wir zunächst bei § 1 bleiben und daß ich dann der Reihe nach aufrufe und dabei die Möglichkeit gebe, etwaige weitere Bemerkungen zur allgemeinen Besprechung in der dritten Beratung zu machen. Ich nehme an, daß der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff damit einverstanden ist.
Zu § 1 liegen also keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 2. — Ebenfalls keine Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen die gleiche Minderheit angenommen.
Ich rufe in der Einzelbesprechung § 3 auf. Herr Abgeordneter Dr. Besold, wünschen Sie noch zu § 3 zu sprechen?

(Abg. Dr. Besold: Ja!)

— Bitte!

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0115405000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Der § 3 beinhaltet, daß bei der Prüfung von Bundessteuern die Betriebsprüfer, die von Bundes wegen eingesetzt werden können, nunmehr auch die den Ländern zustehende Einkommensteuer und Körperschaftsteuer überprüfen können.

(Zurufe von der Mitte: Sicher! — Das ist notwendig!)

Das bedeutet, daß die Überprüfung dieser Steuern — Einkommensteuer und Körperschaftsteuer — in Zukunft in wachsendem Maße dem Einfluß der Länder entzogen wird.

(Zuruf von der Mitte: Nein! Wird gar nicht berührt!)

Es könnte hier das Gefühl aufkommen — und das wäre in diesem Fall nicht unbegründet —, daß „Bundeskommissare" die Landesfinanzverwaltung überwachen. Es muß auch einer anderen Auswirkung entgegengetreten werden. Es soll hier dem einzelnen Steuerpflichtigen nicht die Möglichkeit gegeben werden, diejenigen, die bei ihm die Buchprüfung vornehmen, innerhalb des Landes zur Rechenschaft zu ziehen; denn der Büchprüfer, der vom Bund geschickt werden soll, geht sofort


(Dr. Besold)

wieder zurück; er ist vollkommen unabhängig, und die Länderfinanzverwaltung kann keinen Einfluß auf ihn nehmen.
Es ist zwar hier vorgesehen, daß die Betriebsprüfung im Zusammenwirken von Bund und Ländern vorgenommen werden soll. In den Bundesratsverhandlungen sind gegen diese Bestimmung ebenfalls stärkste Bedenken geltend gemacht worden. Wenn darauf erwidert worden ist, es sei eine Sache des Vertrauens, so möchte ich dem entgegenhalten, man solle sich einmal überlegen, ob es nicht ein Mißtrauen gegen die Länder darstellt, wenn sie nicht auf, landeseigener Grundlage die Steuerehrlichkeit überprüfen können. Wenn man schon von Vertrauen spricht, so sollte, da bei Einkommen- und Körperschaftsteuer gerade die Finanzverwaltung der Länder zuständig ist, das Vertrauen zu den Ländern im Vordergrund stehen und maßgebend sein. Man dürfte nicht durch diese Bestimmung von vornherein Mißtrauen in die Buchprüfer der Länder bezüglich der Überprüfung der Steuerehrlichkeit setzen. Wir sind gegen diese Fassung, weil dadurch das Vertrauen zwischen Bund und Ländern nicht gemehrt, sondern höchstens gemindert werden kann. Man hätte bezüglich der ehrlichen und sachgemäßen Überprüfung des Aufkommens aus den den Ländern zustehenden Steuern in erster Linie den Ländern das Vertrauen entgegenbringen müssen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115405100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung über § 3 und bitte die Damen und Herren, die dem § 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 4, — § 5, — § 6, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren,

(Zuruf von der SPD: Zur Überschrift liegt ein Antrag von Dr. Besold vor!)

die den aufgerufenen Paragraphen mit Ausnahme der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Zur Einleitung liegt der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Besold und Fraktion der Bayernpartei vor, die Worte einzufügen: „mit Zustimmung des Bundesrats". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Abänderungsantrag ist gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zur Abstimmung über Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet. Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Keine Wortmeldungen. — Ich schließe die allgemeine Besprechung. Ich rufe auf die §§ 1 bis 6, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen über §§ 1 bis 6, Einleitung und Überschrift des Gesetzentwurfs. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen,
eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen ohne Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen ist das Gesetz in der Schlußabstimmung beschlossen.
Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, gebe ich auf die Bitte des Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht bekannt, daß morgen, 9 Uhr, d. h. also gleichzeitig mit der Eröffnung der Plenarsitzung, im Zimmer 106 des Südflügels eine außerordentliche Sitzung des Ausschusses stattfindet.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend Wahl von Beisitzern für den Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 2339 der Drucksachen).
Ich darf darauf hinweisen — das ist wohl auch interfraktionell bereits besprochen worden —, daß in dem Antrag die Worte von „gemäß § 56 des Soforthilfegesetzes" bis „zu wählenden" wegfallen können. Es heißt dann einfach: „Als Beisitzer für den Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe ...".
Dann bitte ich, freundlichst zu berücksichtigen, daß der 1. Stellvertreter für die Gruppe der politisch, rassisch und religiös Verfolgten sich im Vornamen nicht mit C, sondern mit K und im Familiennamen nicht mit zwei, sondern mit einem s schreibt; ferner, daß er nicht in Freiburg/Brsg., sondern in Ebnet (Kreis Freiburg)/B — heißt offenbar: Freiburg im Breisgau — wohnt.
Meine Damen und Herren, wünscht jemand das Wort dazu zu nehmen? — Das ist nicht der Fall. —
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 2339 unter Berücksichtigung der von mir soeben bekanntgegebenen Berichtigungen. Ich bitte die Damen und Herren, die die Wahl so vornehmen wollen, wie sie dem Antrag Drucksache Nr. 2339 entspricht, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Klarstellung bemerken, daß mit der Schlußabstimmung über das Gesetz zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes auch dem Antrage des Ausschusses unter Punkt 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, zugestimmt worden ist. Ich darf annehmen, daß das Haus .dieser Auffassung ist. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Gebührnisansprüche ehemaliger deutscher Kriegsgefangener in Norwegen

(Nrn. 2313, 828 der Drucksachen).

Berichterstatter ist der Abgeordnete Merten.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. — Das Haus ist damit
einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter!


Hans Merten (SPD):
Rede ID: ID0115405200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Ihnen vorliegenden schriftlichen Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit sind noch einige erläuternde Bemerkungen notwendig. Entgegen den Regeln des Völkerrechts sind nach dem Abschluß der Feindseligkeiten in zahlreichen Ländern deutsche Kriegsgefangene gegen ihren Willen zum Räumen von Landminen und von Munition eingesetzt worden. So wurden u. a. auf dem Staatsgebiet von Norwegen ungefähr 10 000 deutsche Kriegsgefangene eingesetzt, die sich nach den Waffenstillstandsbedingungen der in Norwegen operierenden britischen Armee ergeben hatten. Von den Dienststellen der britischen Armee erhielten diese deutschen Gruppen die Zusicherung, daß ihnen für diese Arbeiten, die sehr gefährlich waren, eine entsprechende Entlohnung gezahlt werde. Über diese verdienten Beträge wurden den Minenräumern zum Teil auf Reichsmark lautende Bescheinigungen ausgestellt. Über diejenige Stelle jedoch, die diese Bescheinigungen einmal einlösen würde, sind keinerlei Mitteilungen gemacht worden.
Im Verlaufe des Jahres 1946 sind alle deutschen Kriegsgefangenen, die an diesen Minenräumarbeiten beteiligt waren, aus Norwegen in die Heimat zurückgekehrt. In Deutschland war es ihnen dann nicht möglich, diese auf Reichsmark lautenden Bescheinigungen zu realisieren, weil es weder eine deutsche noch eine alliierte Stelle gab, die dafür zuständig war. Zudem ist es auch eine sehr geringe Anzahl Minenräumer gewesen, die überhaupt Bescheinigungen erhalten hat. Erst nach der Währungsreform, also zwei Jahre nach ihrer Rückkehr, meldeten diese ehemaligen Minenräumer Ansprüche auf die Auszahlung der Beträge an, über die die in ihren Händen befindlichen Bescheinigungen lauteten. Allgemein war die Zahlung an ehemalige Kriegsgefangene für Leistungen in der Kriegsgefangenschaft in der Form geregelt, daß die amerikanische, die britische und die französische Militärregierung den westdeutschen Ländern einen Fonds in Höhe von 76 Millionen DM zur Verfügung stellten und auch genaue Anweisungen darüber gaben, welche Ansprüche der ehemaligen Kriegsgefangenen aus diesen Mitteln befriedigt werden sollten. Die Ansprüche der Minenräumer wurden damals von den Besatzungsmächten nicht erwähnt.
Den mit dieser Frage befaßten deutschen Dienststellen lagen auch keinerlei Unterlagen über Minenräumeinsatz vor. Mit der Koordinierung der Maßnahmen auf diesem Gebiet wurde von den westdeutschen Ländern damals der Länderrat der amerikanischen Besatzungszone in Stuttgart beauftragt. Nachdem sich nun aber zahlreiche ehemalige Minenräumer darum bemühten, daß auch ihre Verdienstbescheinigungen anerkannt würden, haben die westdeutschen Länder am 11. August 1949 mit Zustimmung der drei Militärregierungen und nach Anhörung eines Beauftragten dieser Minenräumer beschlossen, diejenigen Landminenräumer und Munitionsräumer aus Norwegen zu entschädigen, die einwandfreie Bescheinigungen vorlegen können. Der Oberfinanzpräsident in Hamburg wurde damals beauftragt, die notwendigen Maßnahmen durchzuführen.
Damals, 1949, wurde nun festgestellt, daß die Forderungen dieser ehemaligen Kriegsgefangenen nach dem dritten Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens vom 27. Juni 1948 zu behandeln sind. Da es sich um Forderungen nach dem § 13 Abs. 3 dieses Gesetzes handelt, die nach dem § 16 desselben Gesetzes im Verhältnis 10 : 1 umzustellen sind, hätte sich eine Ausnahme von diesen allgemeinen Regeln nur ermöglichen lassen, wenn Sonderbestimmungen für Kriegsgefangene im Gesetz dies zugelassen hätten. Tatsächlich enthält nun dieses Gesetz in § 19 eine Möglichkeit für Kriegsgefangene, eine Umstellung 1 : 1 zu erhalten. Diese Möglichkeit ist jedoch auf diejenigen Kriegsgefangenen beschränkt, die nach dem 15. Mai 1948 in das Währungsgebiet zurückgekehrt sind und deren Bescheinigungen auf englische Pfunde, amerikanische Dollars oder französische Franken lauten. Beide Voraussetzungen wurden von den Minenräumern nicht erfüllt.
Nach der dargelegten Regelung sind nun inzwischen etwa 1 000 Minenräumer abgefunden worden. Weitere 1852 Fälle stehen noch offen, weil die Empfangsberechtigten nicht zu ermitteln sind.
Den Dienststellen des Bundes und der Länder sowie den Fraktionen dieses Hohen Hauses und auch einzelnen Abgeordneten ist in den letzten beiden Jahren wiederholt durch den Beauftragten der Minenräumer die Forderung übermittelt worden, daß die bescheinigten Beträge im Verhältnis 1 :1 auszuzahlen seien. Nun hat sich der Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen, veranlaßt durch den Antrag Drucksache Nr. 828, am 18. Juli 1950 mit der Angelegenheit befaßt und dabei festgestellt, daß die Erfüllung der Ansprüche der Minenräumer eine Änderung des geltenden Währungsrechts voraussetze. Aus diesem Grunde wurde der Antrag Drucksache Nr. 828 zur weiteren Behandlung dem Ausschuß für Geld und Kredit zugewiesen. Auf Wunsch dieses Ausschusses hat das Bundesministerium für Finanzen Erhebungen über die allgemein bisher von den Ländern aus dem bereits erwähnten 76-
Millionen-Fonds ausgezahlten Beträge angestellt. Bei dieser Gelegenheit haben die Länder nun klargelegt, daß die Zuständigkeit des Bundes für die Verfügung über diesen Fonds nicht gegeben sei. Das ging so weit, daß die Länder Rheinland-Pfalz und Bayern es überhaupt abgelehnt haben, irgendeine Auskunft über die geleisteten Zahlungen und den derzeitigen Stand der Angelegenheit zu geben.
Eine Änderung des dritten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens zugunsten der ehemaligen Minenräumer wurde von der alliierten Bankenkommission, die dafür zuständig ist, abgelehnt. Es blieb also nur der Weg offen, die Ansprüche der Minenräumer durch ein besonderes Bundesgesetz zu regeln. Der Ausschuß für Geld und Kredit hat sich aber nicht in der Lage gesehen, diesen Weg zu gehen, und zwar aus folgenden Gründen: Eine gesetzliche Regelung, die Leistungen in der Kriegsgefangenschaft zum Gegenstand hat, kann nicht auf eine ganz kleine Gruppe dieser Kriegsgefangenen abgestellt werden. Ich erinnere daran, daß Millionen von Kriegsgefangenen ebenfalls schwerste und gefährliche Arbeiten verrichten mußten. Ich erinnere besonders daran, daß heute noch eine uns gar nicht genau bekannte Zahl von Kriegsgefangenen entgegen allen Regeln des Völkerrechts und in striktem Widerspruch zu den Gesetzen der Menschlichkeit in unwürdigster Form zu schwerster Sklavenarbeit in zahlreichen Gewahrsamstaaten, insbesondere aber in der Sowjetunion, festgehalten werden.

(Zuruf von der KPD.)

Eine gesetzliche Regelung für eine kleine Gruppe hätte selbstverständlich unzählige Berufungsfälle zur Folge.


(Merten)

Der Ausschuß steht daher auf dem Standpunkt, daß der Gegenstand des Antrages Nr. 828 nur im Rahmen eines umfassenden Gesetzes über die Entschädigung von Kriegsgefangenen für Leistungen in der Kriegsgefangenschaft geregelt werden kann. Ich bin der Überzeugung, daß das Gefühl der Solidarität und der Kameradschaft mit allen anderen Heimkehrern und Kriegsgefangenen auch bei den ehemaligen Minenräumern aus Norwegen so groß ist, daß sie bereit sind, ihre Wünsche zugunsten derjenigen noch einige Zeit zurückzustellen, die bisher noch nicht einen einzigen Pfennig für ihre Arbeit in der Kriegsgefangenschaft erhalten konnten. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Ausschuß selbstverständlich die gefährliche Arbeit der Minenräumer voll anerkannt hat und es aus diesem Grunde bedauert, daß heute infolge der Währungsgesetze die Befriedigung nur eines Teils der Ansprüche der Minenräumer möglich ist.
Aus den angeführten Gründen bittet und empfiehlt der Ausschuß, den Antrag Nr. 828 abzulehnen und die mit dieser Angelegenheit im Zusammenhang stehenden Petitionen für erledigt zu erklären.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115405300
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Besprechung. Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0115405400
Meine Damen und Herren! Mit dem Ausschußbericht kann sich meine Fraktion nicht einverstanden erklären. Wir sind der Meinung, daß hier ein Akt der politischen und rechtlichen Wiedergutmachung an einem Personenkreis vollzogen werden muß, der unter außerordentlich schwierigen und gefährlichen Verhältnissen in den Jahren 1945 bis 1946 nicht auf Anweisung einer deutschen, sondern auf Anweisung der westalliierten Dienststellen eine Arbeit geleistet hat, für die die Abgeltung im Verhältnis 1 : 1 durchgeführt werden muß.

(Zurufe rechts: Und die in Rußland? Wollen Sie die nicht auch abfinden?)

Ich glaube, daß die Verhandlungen, die vor allen Dingen von dem Vertreter Herrn Kegel auch mit den Herren der FDP und der Sozialdemokratischen Partei geführt worden sind, diesem Personenkreis immerhin die gewisse oder wenigstens berechtigte Hoffnung gegeben hatten, daß die Bundesregierung und der Bundestag seinen Ansprüchen gerecht werden würde. Man kann nicht mit einer Handbewegung oder im Hinblick auf sogenannte Konsequenzen oder vielleicht mit dem Hinweis, daß die Frage der Bezahlung der Kriegsgefangenen oder der in Kriegsgefangenschaft geleisteten Arbeit einmal generell geregelt wird, diesen Fall abtun. Ich glaube, man sollte doch einen Unterschied machen, da es sich hier nicht um Kriegsgefangene handelt, sondern um Soldaten, die nicht als Kriegsgefangene betrachtet werden können, um Menschen, die in freiem Verhältnis auf Befehl der Westalliierten diese Arbeit verrichten mußten.

(Unruhe und Zurufe rechts. — Zuruf rechts: Hoffentlich haben Sie das richtig verstanden: „in freiem Verhältnis auf Befehl"!)

— Sie haben ein krankes Herz, regen Sie sich doch nicht so auf! —
Wir glauben also, daß diese Angelegenheit durch den Bundestag nicht mit einem Hinweis auf eine wer weiß wann kommen-de Regelung der Bezahlung der in Kriegsgefangenschaft geleisteten Arbeit abgetan werden sollte. Wir sind der Auffassung, daß die Mehrheit des Bundestages ihr Versprechen diesen Minenräumern gegenüber einhalten und den Ausschußbericht in seiner gegenwärtigen Form ablehnen sollte.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115405500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.

(Abg. Merten: Einen Augenblick, Herr Präsident!)

— Herr Abgeordneter Merten, wünschen Sie als
Berichterstatter oder für Ihre Fraktion zu sprechen?

Hans Merten (SPD):
Rede ID: ID0115405600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne im einzelnen auf die Ausführungen meines Vorredners eingehen zu wollen, die das schwierige Problem der Anerkennung als Kriegsgefangener aufwerfen, möchte ich im Namen meiner Fraktion noch folgendes -zu dieser Sache erklären:
Wir stehen auf dein Standpunkt, daß die von den Kriegsgefangenen in der Kriegsgefangenschaft geleistete Arbeit eine Arbeit gewesen ist, die für uns alle, für das ganze deutsche Volk geleistet wurde. Nach dem Völkerrecht wären die Gewahrsamstaaten verpflichtet gewesen, für diese Arbeit die entsprechende Entlohnung zu zahlen. In einzelnen Ländern ist das auch der Fall gewesen, und diese Kriegsgefangenen stellen heute keine Ansprüche an den Bund oder an irgendeine andere Stelle. Leider läßt sich das jedoch für den überwiegenden Teil der Kriegsgefangenen nicht sagen. Es ist heute so, daß der überwiegende Teil der Kriegsgefangenen, insbesondere diejenigen, die sich in Gewahrsamstaaten des Ostens befunden haben, keinerlei Entlohnung für ihre Arbeit bekommen haben. Selbstverständlich waren die Wehrmachtangehörigen, die in Norwegen kapitulierten, Kriegsgefangene im Sinne des Völkerrechts und nichts anderes. Sie waren keineswegs freie Menschen, die durch irgend jemanden gezwungen worden sind, diese Arbeit zu tun, sondern sie standen unter militärischem Befehl und hatten keine Möglichkeit, diesen Arbeiten auszuweichen, ebenso wie die anderen Kriegsgefangenen in den anderen Gewahrsamstaaten auch.
Daß die Kriegsgefangenen nach ihrer Heimkehr die Anerkennung des deutschen Volkes für die Arbeit verdienen, die sie schließlich für dieses Volk geleistet haben, erscheint uns selbstverständlich zu sein, und daß diejenigen, die unter besonders schweren und gefährlichen Umständen diese Arbeit taten, insbesondere auf diese Anerkennung rechnen können, ist klar. Dias gilt vor allen Dingen für die große Masse derjenigen Kriegsgefangenen, die zusätzlich zu der schweren Arbeit noch unter menschenunwürdigen Umständen leben mußten und unter menschenunwürdigen Umständen, die man nur als Sklaverei bezeichnen kann, diese Arbeit auszuführen gezwungen waren.

(Sehr wahr! rechts.)

Daher ist es notwendig, gesetzliche Maßnahmen vorzubereiten, die eine Entschädigung dieser Kriegsgefangenen in irgendeiner Form zum Gegenstand haben. Das kann aber nicht in der Form geschehen, daß man nun gruppenweise diese Kriegsgefangenen herausgreift und mit der allerkleinsten Gruppe, die zudem schon nach den Währungs-


(Merten)

Besetzen abgefunden ist, anfängt und eine Lex specialis, eine Lex Norwegen macht, sondern dieses Problem kann nur im gesamten Rahmen gesehen und im gesamten Rahmen erledigt werden.

(Sehr richtig!)

Meine Fraktion steht daher auf dem Standpunkt, daß man den Antrag Drucksache Nr. 828 nicht ablehnen sollte, sondern daß man ihn ebenso wie den Bericht des Ausschusses, wie er in der Drucksache Nr. 2313 niedergelegt ist, als Material für die künftige Gesetzgebung an die Bundesregierung überweisen sollte. Ich stelle daher den Antrag, daß der Bundestag beschließen wolle, diese beiden Drucksachen der Bundesregierung als Material zu überweisen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115405700
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag der Fraktion der SPD, der von dem Ausschußantrag abweicht, gehört, die Drucksachen Nr. 828 und 2313 der Bundesregierung als Material zú überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Mehs, Kemper und, Genossen betreffend Wiederaufbau des Pleiner Viaduktes (Nrn. 2324, 2067 der Drucksachen).
Der Ausschuß für Verkehrswesen hat entsprechend der Geschäftsordnung einen schriftlichen Bericht erstattet. Ich darf annehmen, daß der Ausschuß und der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Rademacher, auf eine mündliche Ergänzung und Erläuterung des schriftlichen Berichts verzichten.
— Das ist der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Das Haus ist auch damit einverstanden.

(Zuruf des Abg. Mehs.)

— Herr Abgeordneter Mehs, Sie sind nicht damit einverstanden?

(Abg. Mehs: Ich wollte noch etwas dazu sagen!)

— Entschuldigen Sie, entweder beschließt das Haus, daß eine Aussprache stattfindet, oder nicht. Das Haus ist offenbar der Meinung, daß keine Aussprache stattfinden soll; dann kann ich auch keine Aussprache stattfinden lassen. Es tut mir leid, Herr Abgeordneter Mehs. Im übrigen scheint mir doch dieser Antrag des Ausschusses Ihren Wünschen durchaus zu entsprechen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den Sie auf Seite 2 der Drucksache Nr. 2324 finden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig für den Pleiner Viadukt. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der Deutschen
Partei betreffend Fahrpreisermäßigung für
Freiwillige des Internationalen Zivildienstes

(Nrn. 1929, 1891 der Drucksachen).

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Cramer.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auch in diesem Fall auf eine Aussprache zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter!

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0115405800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute wieder mit einer Vorlage zu beschäftigen, die sich mit Fahrpreisermäßigungen befaßt, die die Bundesbahn bzw. die Bundespost an eine bestimmte Personengruppe gewähren soll. Alle derartigen Anträge sind bis heute vom Bundestag abgelehnt worden, selbst wenn es sich um Personengruppen wie die Schwerbeschädigten oder die Heimatvertriebenen handelte. Der Bundestag hat dabei jedesmal zum Ausdruck gebracht, daß der Bahn und der Post über die bisher gewährten Ermäßigungen hinaus weitere Belastungen nicht zugemutet werden dürfen. Es darf dabei nicht übersehen werden, daß jetzt bereits bei der Bundesbahn zwei Drittel aller Reisenden zu ermäßigten Preisen fahren.

(Zuruf rechts: Leider!)

Bei der Bundespost gibt es allerdings nicht so viel Arten von Ermäßigungen; dafür fährt aber die Bundespost noch zu Preisen, die schon vor dem Kriege festgesetzt wurden. Wir würden also einer allgemeinen Übung des Hauses folgen, wenn wir auch den heute vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 1891 ablehnen würden.
Die beiden an der Beratung dieses Antrags beteiligt gewesenen Ausschüsse haben mich aber beauftragt, einige Worte besonders zu dem vorliegenden Antrag zu sagen. Wir haben uns selbstverständlich im Ausschuß die Frage vorgelegt, wem denn diese Fahrpreisermäßigung zugute kommen soll. Es heißt im Antrag: „Fahrpreisermäßigung für Freiwillige des Internationalen Zivildienstes". Wir konnten uns kein Bild darüber machen, wer hinter dieser Organisation steht, und haben deshalb die antragsteilende Fraktion gebeten, uns das mitzuteilen. Die Fraktion war zunächst nicht dazu imstande. Später hat sie dann geantwortet, Herr Mathes habe die Unterlagen irgendeinem Ministerium geschickt, wisse aber nicht mehr, wohin.
Inzwischen haben wir festzustellen versucht, wo diese Unterlagen waren. Sie waren nirgends eingegangen. Wir haben für Ersatz gesorgt und haben dann etwas über diesen internationalen Zivildienst erfahren. Darüber heißt es:
Sinn und Zweck des Zivildienstes ist:
a) Freiwillige werktätige Hilfe zum Wohle der Allgemeinheit unter Ausschluß aller Arbeiten, die zu einem Wettbewerb mit bezahlter Arbeit oder zu Streikbrecherei führen könnten;
b) über die von Menschenhand geschaffenen Grenzen und Schranken hinaus durch gegenseitige und gemeinsame Hilfe den neuen Geist unter den Völkern zu fördern, der schon den Gedanken daran, mit bewaffneter Hand in ein anderes Land einzufallen, zur moralischen Unmöglichkeit macht usw.
In diesem Sinne geht es fort. Es wird also nur
etwas über Sinn und Zweck des Zivildienstes ge-


(Cramer)

sagt. Wir haben aber nichts darüber in Erfahrung bringen können — das konnte auch die antragstellende Fraktion nicht sagen —, ob es in Westdeutschland bereits eine solche Organisation gibt bzw. wo diese Organisation Arbeitsstellen unterhält.
Weil diese Angaben nicht gemacht werden konnten, haben sich beide Ausschüsse auf den Standpunkt gestellt, daß der Antrag schon aus diesem Grunde abzulehnen sei. Wenn keine Organisation und keine Arbeitsstellen vorhanden sind, auf denen solche Dienstgruppen tätig sind, besteht auch nicht die Notwendigkeit, Fahrpreisermäßigung zu gewähren. Von antragstellender Seite wurde darauf hingewiesen, daß man doch im Laufe eines Katastropheneinsatzes Fahrpreisermäßigung gewähren müsse. Ich glaube, dem ist nur entgegenzuhalten: wenn es zu einem Katastropheneinsatz kommt, dann brauchen die Einsatzwilligen nicht erst eine Fahrkarte zu lösen und eine Gebührenermäßigung zu beantragen, dann werden sie auch auf Kosten des Staates oder Landes dorthin befördert, wo sie eingesetzt werden sollen.
Ich habe deshalb so ausführlich über diesen Antrag gesprochen, weil ich darauf hinweisen möchte, daß in sehr vielen Fällen von einzelnen Fraktionen in leichtfertiger Weise hier Anträge auf den Tisch des Hauses gelegt werden, mit denen sich dann die Ausschüsse manchmal in stundenlangen Beratungen beschäftigen müssen, sie müssen den ganzen Apparat der Verwaltung in Bewegung setzen, Auskünfte und Stellungnahmen einholen, und zum Schluß stellt sich heraus, daß hinter einem solchen Antrag gar nichts steckt als nur irgendeine Fiktion. Ich möchte deshalb im Namen beider Ausschüsse alle Fraktionen bitten, in Zukunft doch bei ihren Anträgen zunächst einmal die Frage zu prüfen, ob sich ein solcher Antrag überhaupt lohnt, und sich genau zu überlegen, wer hinter diesem Antrag steht, damit den Ausschüssen die Arbeit erleichtert wird.
Ich habe Ihnen nun, meine Damen und Herren, im Auftrage des Verkehrsausschusses, der in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen gehandelt hat, den Antrag zu unterbreiten:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei — Nr. 1891 der Drucksachen — abzulehnen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0115405900
Meine Damen und Herren! Eine Aussprache über den Bericht sollte nach dem Vorschlag des Ältestenrates nicht stattfinden.

(Abg. Schoettle: D'as ist bedauerlich, Herr Präsident! — Abg. Dr. Krone: Sie waren doch dabei!)

- Es ist so beschlossen worden, Herr Abgeordneter Schoettle.

(Abg. Schoettle: Ich habe nichts dagegen! Es ist trotzdem bedauerlich, weil die Beschlüsse auf falschen Voraussetzungen beruhen! Abg. Dr. Horlacher: Es ist beschlossen!)

Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 1929. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die 'Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei
wenigen Enthaltungen im übrigen einstimmig angenommen. — Sie haben sich enthalten oder dagegen gestimmt, Herr Schoettle? Ich möchte kein falsches Protokoll machen.

(Abg. Schoettle: Ich habe dagegen gestimmt!)

— Also gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf den nächsten Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Berlin (9. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der WAV betreffend Sitzungen des Deutschen Bundestages in Berlin (Nrn. 2322, 1963 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Brandt. Bitte, Herr Abgeordneter!

Willy Brandt (SPD):
Rede ID: ID0115406000
Meine Damen und Herren! Als der Antrag gemäß Drucksache Nr. 1963 im Ausschuß für Berlin behandelt wurde, ergab sich, daß der dem Antrag zugrunde liegende Gedanke, zum Teil in weitergehender Form, schon von den im Ausschuß vertretenen Fraktionen erörtert worden war. Es ergab sich zweitens, daß eine der im Antragstext getroffenen Feststellungen schon überholt war, nämlich die, es sollten außer dem Berlin-Ausschuß auch andere Ausschüsse von Fall zu Fall in Berlin tagen. Nach den Mitteilungen, die dem Ausschuß vom Büro des Hauses gemacht worden sind, haben im bisherigen Verlauf der Wahlperiode dieses Hauses der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films je eine Sitzung, der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zwei Sitzungen in Berlin abgehalten, und der Ausschuß für Berlin war im Laufe der Wahlperiode bisher dreimal in Berlin.
Im übrigen waren alle Mitglieder der Meinung, daß es richtig wäre, dem Hause oder den Ausschüssen zu empfehlen, bei Erörterung von Berliner Fragen und von Fragen grundsätzlicher gesamtdeutscher Bedeutung in Berlin zu tagen.
Drittens ergab sich, daß der Ausschuß einmütig die bereits früher erwogene Möglichkeit befürwortete, bei besonderen Anlässen Plenarsitzungen des Bundestages in Berlin abzuhalten. Die im Antrag vorgeschlagene Formel, jährlich mindestens eine solcher Sitzungen durchzuführen, wurde jedoch nicht für zweckmäßig gehalten.
Der dem Berlin-Ausschuß überwiesene Antrag sprach von der Betonung der Zusammengehörigkeit Westdeutschlands mit Berlin. Im Berlin-Ausschuß wird über die Betonung einer solchen Zusammengehörigkeit hinaus als deutsche Rechtsauffassung vertreten, daß Berlin nicht nur irgendwie mit dem Bunde verbunden ist, sondern rechtens zum Bunde gehört. Dem Ausschuß für Berlin war auch im Zusammenhang mit der heute dem Haus zu unterbreitenden Empfehlung daran gelegen, ein erneutes Bekenntnis zur Hauptstadt des gesamtdeutschen Staates und zu dem, wenn auch nicht gleichgestellten und durch äußere Gewalt schwer bedrängten Lande Berlin abzulegen. Eine solche Unterstreichung erscheint besonders angebracht, nachdem in den vergangenen Tagen wieder durch äußere Gewalt Schikanen angewendet wurden, um den Handel und Verkehr zwischen Berlin und dem westlichen Bundesgebiet zu beeinträchtigen.


(Brandt)

Es handelt sich nach Meinung des Ausschusses hierbei heute nicht eigentlich um ein Problem der Berlinhilfe, wenngleich die sichtbare und tätige Verknüpfung zwischen Bonn und Berlin zweifellos eine wichtige moralische Stütze für ganz Berlin und für die Bevölkerung der Berlin umgebenden sowjetischen Besatzungszone darstellt. Jedes Auftreten der verfassungsmäßigen Organe des Bundes in Berlin, jedes Wirken des Bundestages oder von Ausschüssen des Bundestages in Berlin unterstreicht den Anspruch der Bundesrepublik auf das ganze Deutschland, auf Freiheit für das ganze Deutschland. In der Empfehlung des Berlin-Ausschusses, Drucksache Nr. 2322, kommt nicht nur ein Bekenntnis und eine Aufforderung zu einer gesamtdeutschen Manifestation zum Ausdruck. Der Ausschuß möchte, daß gesamtdeutsche Manifestationen in einem angemessenen Verhältnis zu sachlicher Arbeit im gesamtdeutschen Sinne stehen.
Die Vertrautheit mit der Berliner Problematik und von dort aus auch mit der sowjetzonalen Problematik ist für die Arbeit und die Entscheidungen dieses Hauses und seiner Ausschüsse aber sicherlich nicht ohne Belang. Mehrere Ausschüsse — in den letzten Tagen der Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film — haben auf Tagungen in Berlin wertvolle Eindrücke und Anregungen gewonnen. Die verstärkte Weiterführung der bisherigen Praxis der Ausschüsse ist im Interesse der Arbeit dieses Hauses zu befürworten. Eine solche Praxis wird dazu beitragen können, daß der gesamtdeutsche Aspekt bei der laufenden gesetzgeberischen Tätigkeit hier in Bonn nicht verlorengeht.
Der Ausschuß möchte mit seiner Empfehlung zugunsten gelegentlicher Plenarsitzungen keine falschen Eindrücke erwecken. Er möchte einer Enttäuschung in Berlin und in Mitteldeutschland vorbeugen, die dann kommen müßte, wenn die heutigen Erörterungen so verstanden würden, daß der Bundestag nun im Begriff stünde, nach Berlin aufzubrechen, während vielleicht noch einige Monate bis zur ersten Plenarsitzung der hier in Aussicht genommenen Art vergehen können. Mancher in diesem Hause mag der Meinung sein, der Bundestag hätte schon einmal den Weg nach Berlin antreten sollen. Die Meinung des Ausschusses für Berlin ging aber dahin, daß der Zeitpunkt und der Anlaß künftiger Sitzungen dieser Art sehr genau überlegt sein wollen. Bei entscheidenden nationalpolitischen Manifestationen und bei besonders wichtigen Entscheidungen gesamtdeutschen Charakters dürfte jedoch das in Berlin gesprochene Wort der deutschen Volksvertretung ein besonderes Gewicht haben, und zwar für das ganze deutsche Volk über den gegenwärtigen Geltungsbereich des Grundgesetzes hinaus sowie auch für die von Deutschland anzusprechende Umwelt.
Der Berlin-Ausschuß möchte die von ihm unterbreitete Empfehlung so aufgefaßt wissen, daß dieses Hohe Haus sich prinzipiell bereiterklärt und seinen zuständigen Vertretungskörperschaften die Vollmacht erteilt, bei einer sich sicherlich noch in diesem Jahr bietenden nationalpolitischen Gelegenheit eine erste Plenarsitzung in Berlin durchzuführen. Es versteht sich von selbst — das ist auch im Ausschuß zum Ausdruck gekommen —, daß in Berlin und nicht nur in Berlin die Hoffnung lebt, daß einer ersten Sitzung weitere folgen mögen und daß das deutsche Parlament und die deutsche Regierung eines Tages wieder in Berlin ihren Sitz nehmen werden.
Die praktischen Fragen, die sich aus dem hier empfohlenen Antrag ergeben, sind nicht unlösbar. Die Schwierigkeiten des Verkehrs zwischen dem westlichen Bundesgebiet und Berlin werden vielfach übeischätzt. Die Probleme der Unterbringung und eines geeigneten Tagungsortes in Berlin sind zu meistern.
In diesem Zusammenhang wurde im Ausschuß für Berlin auch das Problem des alten Reichstagsgebäudes zur Sprache gebracht. Dem Herrn Minister für gesamtdeutsche Fragen, der vor geraumer Zeit einen Wiederaufbau dieses Gebäudes von Bundes wegen angekündigt hatte, ist durch den Ausschuß nahegelegt worden, die Voraussetzungen und Möglichkeiten des Aufbaus, Umbaus oder Neubaus dieses Gebäudes sachkundig klären zu lassen. Im Ausschuß ist dabei die Auffassung vertreten worden, daß eine nationale Verpflichtung für jenes Gebäude gegeben sei, das als Arbeitsstätte des Reichstages der Weimarer Republik von den Nationalsozialisten angesteckt und dann durch Kriegseinwirkungen schwer mitgenommen Wurde und vor dem — in unmittelbarer Nähe des sowjetischen Sektors — während der letzten Jahre einige der großartigen Freiheitskundgebungen stattgefunden haben. In diesem Zusammenhang ist auch der Gesichtspunkt mit in den Kreis der Betrachtungen einbezogen worden, daß dem künftigen gesamtdeutschen Parlament, wenn es wieder in Berlin tagen kann, eine würdige Arbeitsstätte geschaffen werden sollte.
Meine Damen und Herren, ich habe die Ehre, Sie im Auftrage des 9. Ausschusses zu bitten, dem Bericht des Ausschusse gemäß Druckache Nr. 2322:
Ausschüsse des Bundestages sollen bei Erörterungen von Berliner Angelegenheiten und bei Fragen von grundsätzlich gesamtdeutscher Bedeutung in Berlin tagen.
Ebenso sollen nach Möglichkeit bei besonderen Anlässen Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages in Berlin stattfinden.
Ihre Zustimmung geben zu wollen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0115406100
: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat Herr Bundesminister Kaiser.

Jakob Kaiser (CDU):
Rede ID: ID0115406200
Meine Damen und Herren! Als Mitglied der Bundesregierung kann ich nur wünschen, daß der Bundestag dem vom Kollegen Brandt begründeten Antrag des Berlin-Ausschusses einmütig zustimmt. Ebenso würde ich es begrüßen, wenn in Beachtung einer solchen Willenskundgebung des Hohen Hauses weitere Ausschüsse des Parlaments zu Beratungen von gesamtdeutscher Bedeutung für den einen oder anderen Tag nach Berlin gingen. Der Berlin-Ausschuß und der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen haben das, wie wir eben schon gehört haben, längst in sinnvoller Weise zu ihrer Gewohnheit gemacht. Daß gerade der Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film in den jüngsten Tagen dem Beispiel der genannten Ausschüsse gefolgt ist, ist ganz besonders begrüßenswert. Denn, meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: es wird nicht zuletzt für diesen Ausschuß von beson-


(Bundesminister Kaiser)

derem Wert gewesen sein, in Berlin dem Grundproblem deutscher Sorge und deutscher Politik unmittelbar zu begegnen, der Sorge um die Einheit Deutschlands.

(Sehr richtig!)

Es ist ja ganz selbstverständlich, daß die Sorge um die Einheit Deutschlands nirgends so brennend und nirgends so drängend empfunden wird wie in Berlin. Deshalb sind Begegnungen mit dieser Stadt und mit ihrer Bevölkerung für jeden notwendig, der irgendwie deutscher Politik verpflichtet ist.
Der Herr Berichterstatter hat in diesen Tagen an anderer Stelle gemeint zum Ausdruck bringen zu dürfen, Berlin würde von dem offiziellen Bonn als karitatives Problem und nicht als erstrangige nationalpolitische Aufgabe gesehen. Ich weiß nicht, wen der Kollege Brandt, als er das sagte oder niederschrieb, als das „offizielle" Bonn angesehen hat. Ich will das auch nicht näher untersuchen. Eines ist jedenfalls Tatsache: Wer der Stadt Berlin in dieser Zeit begegnet, fühlt etwas von der Aufgabe, ich möchte sogar sagen, von der Sendung, die dieser Stadt für ganz Deutschland und, wie die Dinge in der -Welt nun einmal liegen, für ganz Europa aufgegeben ist. Ich kann deshalb nur jedem Politiker den unmittelbaren Kontakt mit Berlin und mit der Bevölkerung von Berlin wünschen.

(Sehr richtig!)

Ich darf dabei wiederholen, was ich in den letzten Tagen schon so oft gesagt habe: Wer immer in diesem Lande den öffentlichen Angelegenheiten verpflichtet ist, muß notwendigerweise der Stadt Berlin und ihrer Bevölkerung immer wieder begegnen.
Was die in dem Antrag für besondere Anlässe gewünschten Plenarsitzungen des Bundestages in Berlin angeht, so hätten wir nach meiner Meinung schon günstige Gelegenheit gehabt, in Berlin zu tagen. Es war in Übereinstimmung mit vielen meiner engeren Freunde in diesem Hause ein drängendes und ein wichtiges Anliegen, schon der Tagung vom 9. März ein besonderes Gewicht dadurch zu geben, daß man sie in Berlin abhielt. Ich stehe noch heute auf dem Standpunkt, daß jene Demonstration des Bundestages für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und Frieden in Berlin noch weit wirksamer gewesen wäre,

(Sehr richtig!)

insbesondere auch in `ihrer Ausstrahlung auf die 18 Millionen Menschen in der Sowjetzone.
Das Reichstagsgebäude, meine Damen und Herren, liegt zwar immer noch in Trümmern. Aber bis es wieder benutzbar wird, stehen in Berlin für Tagungen des Bundestages genug würdige Räume zur Verfügung. Auf jeden Fall — das ist meine Überzeugung — soll uns der vorliegende Antrag für den nächsten außerordentlichen Anlaß den Weg nach Berlin weisen. Ich bin gewiß, ja ich bin davon überzeugt, daß dieser Anlaß nicht allzu lange auf sich warten lassen wird.
Was nun das Reichstagsgebäude selbst angeht — Kollege Brandt hat eben schon davon gesprochen —, so habe ich bereits vor Jahresfrist seinen Wiederaufbau angeregt. Die Anregung geschah aus dem politischen Impuls, ein Symbol mehr für unseren zuversichtlichen Glauben an die Wiederherstellung der deutschen Einheit zu schaffen, nicht zuletzt auch im Denken an die Sowjetzone und an ihre Bevölkerung. Wir haben in der Zwischenzeit die technischen Möglichkeiten der Wiederherstellung und auch die Kostenfrage prüfen lassen. Ich will nicht
verhehlen und brauche es hier auch nicht zu verhehlen, daß sehr viele technische und auch sehr viele künstlerische Einwände gemacht worden sind. Für mich bleibt aber der politische Gesichtspunkt maßgebend. Deshalb wird der Plan der Wiederherstellung des zerstörten Reichstagsgebäudes weiterverfolgt.

(Abg. Dr. Pünder: Bravo!)

Ich brauche weiter nicht zu verhehlen, daß bei der Finanzlage des Bundes die Kostenfrage natürlich einige Sorge macht. Aber ich meine, auch das wird gemeistert werden.

(Abg. Dr. Pünder: Sehr richtig!)

Ich bin vom Vorsitzenden des Berlin-Ausschusses gebeten worden, in der nächsten Ausschußsitzung über den Stand der gesamten Frage Bericht zu erstatten bzw. Rede und Antwort zu stehen. Es würde auch zu weit führen, hier vor dem Plenum des Hauses über Feststellungen und Ergebnisse von Beratungen mit Sachverständigen und Architekten zu berichten.
Im übrigen, meine Damen und Herren — ich glaube, es verdient bekanntgegeben zu werden —, hat sich die Berliner Bevölkerung in einem einfach bewundernswerten Akt; in einem prachtvollen Impuls ans Werk begeben, um schon einmal Vorarbeit im Reichstagsgebäude zu leisten. Ich habe es mir gestern noch einmal bestätigen lassen, daß rund 500 Berliner, darunter 50 Frauen, sich bereiterklärt haben, freiwillig Aufräumungsarbeiten vorzunehmen und das Gebäude zu enttrümmern. Sie sind dabei, das zu tun, darunter viele Beamte, auch Leute, die früher im Auswärtigen Amt usw. tätig waren. Sie leisten diese Arbeit unentgeltlich, nur für ein Mittagessen; diejenigen, die es brauchen, bekommen außerdem das Fahrgeld vergütet. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß dieses Beispiel für die Bevölkerung im Bundesgebiet ein Ansporn mehr ist, auch zu ihrem Teil das Werk, das uns hier aufgegeben ist, schaffen zu helfen. So oder so wird der Anruf zum Wiederaufbau des Gebäudes ergehen.

(Abg. Dr. Pünder: Bravo!)

Abschließend möchte ich nur noch einmal sagen, daß ich dem Antrag die möglichst einmütige Zustimmung des Hauses wünsche.

(Lebhafter Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0115406300
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Loritz!

(Lebhafte Rufe: Ach! — Ach du liebe Zeit!)


Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0115406400
Meine Damen und Herren! Es freut uns außerordentlich, daß weite Kreise der Bevölkerung und auch weite Teile dieses Hauses, wenn nicht alle, der Auffassung sind, daß man in kürzester Zeit nicht bloß Ausschußsitzungen, wie es bisher teilweise schon der Fall gewesen ist, sondern auch Plenarsitzungen in Berlin statthaben lassen muß. Ich freue mich insbesondere, daß auch der Herr Vorredner, der Herr Minister Kaiser, die eminente politische Bedeutung einer oder mehrerer solcher Sitzungen in Berlin besonders betont hat, und ich möchte nur hoffen, daß hier nicht etwa noch allzulange gezögert wird, etwas durchzuführen, was der Bundestag in den vergangenen fast zwei Jahren seines Bestehens eigentlich schon einmal oder mehrfach hätte tun sollen. Sitzungen in Berlin werden von dem gesamten deutschen Volk gefordert. Auf Sitzungen in Berlin blickt die Be-


(Loritz)

völkerung in der Ostzone genau so wie die Bevölkerung in den Westzonen, denn diese Sitzungen wären mehr als alles andere ,eine Dokumentation der Zusammengehörigkeit unseres gesamten deutschen Volkes.

(Beifall bei der WAV. — Abg. Dr. Krone: Bravo! — Abg. Stücklen: Fraktionsvorsitzender a. D.!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0115406500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit Ausnahme der Stimmen der kommunistischen Fraktion ist dieser Antrag angenommen.

(Zurufe: Natürlich!)

Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Verkauf eines Teilgeländes der ehemaligen Munitionsanstalt in Moelln an die Moellner Textilwerke GmbH. (Nr. 2343 der Drucksachen).
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat 1 schlägt Ihnen hier vor, die Angelegenheit Drucksache Nr. 2343 ohne weitere Debatte an den Haushaltsausschuß zu verweisen. — Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Der Antrag des Herrn Bundesfinanzministers ist dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Ich habe nur noch bekanntzugeben, daß sich der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten um 20 Uhr in Zimmer 104 versammelt.

(Zuruf in der Mitte: CDU sofort Fraktionssitzung, Herr Präsident!)

— Die CDU-Fraktion tritt unmittelbar nach Schluß der Sitzung zusammen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 155. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 21. Juni, 9 Uhr, und schließe die 154. Sitzung des Deutschen Bundestages.