Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was Kemritz ist, das haben uns die Amerikaner selber gesagt. Sie haben seine Tätigkeit, den Teil seiner Tätigkeit, um den es heute hier geht, als legal bezeichnet. Sie haben gesagt, daß es sich bei den durch seine Mitarbeit Verhafteten um Menschen gehandelt habe, die auf Grund der bestehenden Rechtslage hätten verhaftet werden müssen. Das soll doch wohl heißen, daß die Amerikaner der Auffassung waren und sind, daß es sich hier um Kriegsverbrecher gehandelt hat. Nun, ich bedaure außerordentlich, daß auch dieser so klare Fall Kemritz benutzt worden ist, um eine Hetze gegen die Sowjetunion und ihre Behörden zu betreiben.
Ich bedaure das. Ich fühle mich nicht verpflichtet,
die Sowjetunion in dieser Beziehung zu verteidigen,
ebenso wie ich der Auffassung bin, daß die Organe der Sowjetunion durch die Feststellungen, die hier aus dem Munde etwa eines Herrn Ministers gekommen sind, nicht getroffen sind.
Kemritz — das müssen die Amerikaner ja sehr genau wissen — war und ist ihr Agent, und sie schützen diesen ihren Agenten.
Und sie haben bisher immer noch ihre Agenten
geschützt. Ich habe noch nie gehört, daß Sie, meine
Damen und Herren, das jemals beanstandet oder
als falsch angesehen haben. Der „wertvolle Beitrag"
— so wörtlich! — „für die Sicherung des Westens",
den die amerikanische Oberkommission so hervorhebt, hat sich für Herrn Kemritz gelohnt. Ich glaube,
wir haben Beweise genug dafür in der Hand, daß
sich die Agententätigkeit für die Amerikaner, die
Briten und die Franzosen generell lohnt. Ich bin
nur etwas erstaunt über die Heftigkeit, mit der Sie
diesen Agenten attackieren, und darüber, daß Sie
ihn mit einem Fall in Verbindung bringen, der doch
auf einem ganz anderen Gebiet liegt, mit dem Fall
Dr. Wendt. Wer ist denn dieser Dr. Wendt? Das ist
doch ein „Ostzonenflüchtling". Der ist doch nach dem Westen geflüchtet mit gestohlenen Patenten, die er der DDR geklaut hat. Das haben die Herren Amerikaner gewußt, und die Patente waren ihnen so interessant, daß sie jetzt den Herrn Dr. Wendt nach Amerika verschickt haben. Das sind doch ganz klare Dinge; das ist doch auch nicht das erste Mal.
Nun etwas anderes zu dem Problem „Gesetz zum Schutze der Persönlichkeit". West-Berlin wimmelt
von Spionen, Agenten und Saboteuren.
— Ich spreche von West-Berlin,
ich spreche von den Agenten, die dort in Ost-Berlin und in der DDR arbeiten, bezahlt durch die Gelder, die die westdeutsche Öffentlichkeit aufbringen muß. Von West-Berlin werden sie nach der DDR geschickt, um Sabotageakte zu begehen,
Betriebe in die Luft zu jagen und Bauerngehöfte in Brand zu stecken,
die Ordnung und die Ruhe sowie den Aufbau, den dort drüben alle demokratischen Parteien und Kräfte gemeinschaftlich geleistet haben, zu stören. Geht einmal einer der von Westen gelenkten Verbrecher in der Ostzone hoch, dann schreien Sie hier vom Westen: „Haltet den Dieb!" Dann heißt es: man hat ihn nach dem Osten gelockt; dann heißt es: der Mann ist verschleppt worden.
— Ja, man muß nach rechts und links reden, weil wieder einmal die Einheitsfront Koalition-SPD da ist. Ich bin der Meinung, sie sollten dafür sorgen, daß die Agenten, die Saboteure, die Verbrecher, die hier vom Westen aus in der DDR diese vernichtende Arbeit in Ihrem Auftrag tun, zurückgepfiffen werden.
Das ist die Forderung, die wir, dazu stellen.
Was den Schutz der Freiheit der Persönlichkeit angeht, so wundere ich mich, daß man dieses Wort zum Beispiel nach den Vorgängen vom vergangenen Sonntag hier in der Nähe, im Siebengebirge überhaupt noch auszusprechen wagt.
— Ja, da haben Sie Hemden ausgezogen. Da haben sich die Herren Polizisten so schamlos benommen, daß nicht einmal der Herr Innenminister in der Lage ist, das zu decken. Siehe „Aachener Nachrichten" vom 19. Juni. Oder halten sie es für den „Gipfel der Kultur" oder für den Gipfel der „Freiheit der Persönlichkeit", daß man junge, erwachsene Menschen zwingt, nackt nach Hause zu ziehen, und daß man jungen Mädchen die Jacken auszieht? Sie haben komische Auffassungen von Moral. Aber das ist ja gar nicht das Entscheidende. Diese Aktion vom vergangenen Sonntag ist allerdings die bis jetzt brutalste in der Kette der brutalen Verfolgungen und Verfassungswidrigkeiten.