Rede von
Johann
Cramer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute wieder mit einer Vorlage zu beschäftigen, die sich mit Fahrpreisermäßigungen befaßt, die die Bundesbahn bzw. die Bundespost an eine bestimmte Personengruppe gewähren soll. Alle derartigen Anträge sind bis heute vom Bundestag abgelehnt worden, selbst wenn es sich um Personengruppen wie die Schwerbeschädigten oder die Heimatvertriebenen handelte. Der Bundestag hat dabei jedesmal zum Ausdruck gebracht, daß der Bahn und der Post über die bisher gewährten Ermäßigungen hinaus weitere Belastungen nicht zugemutet werden dürfen. Es darf dabei nicht übersehen werden, daß jetzt bereits bei der Bundesbahn zwei Drittel aller Reisenden zu ermäßigten Preisen fahren.
Bei der Bundespost gibt es allerdings nicht so viel Arten von Ermäßigungen; dafür fährt aber die Bundespost noch zu Preisen, die schon vor dem Kriege festgesetzt wurden. Wir würden also einer allgemeinen Übung des Hauses folgen, wenn wir auch den heute vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 1891 ablehnen würden.
Die beiden an der Beratung dieses Antrags beteiligt gewesenen Ausschüsse haben mich aber beauftragt, einige Worte besonders zu dem vorliegenden Antrag zu sagen. Wir haben uns selbstverständlich im Ausschuß die Frage vorgelegt, wem denn diese Fahrpreisermäßigung zugute kommen soll. Es heißt im Antrag: „Fahrpreisermäßigung für Freiwillige des Internationalen Zivildienstes". Wir konnten uns kein Bild darüber machen, wer hinter dieser Organisation steht, und haben deshalb die antragsteilende Fraktion gebeten, uns das mitzuteilen. Die Fraktion war zunächst nicht dazu imstande. Später hat sie dann geantwortet, Herr Mathes habe die Unterlagen irgendeinem Ministerium geschickt, wisse aber nicht mehr, wohin.
Inzwischen haben wir festzustellen versucht, wo diese Unterlagen waren. Sie waren nirgends eingegangen. Wir haben für Ersatz gesorgt und haben dann etwas über diesen internationalen Zivildienst erfahren. Darüber heißt es:
Sinn und Zweck des Zivildienstes ist:
a) Freiwillige werktätige Hilfe zum Wohle der Allgemeinheit unter Ausschluß aller Arbeiten, die zu einem Wettbewerb mit bezahlter Arbeit oder zu Streikbrecherei führen könnten;
b) über die von Menschenhand geschaffenen Grenzen und Schranken hinaus durch gegenseitige und gemeinsame Hilfe den neuen Geist unter den Völkern zu fördern, der schon den Gedanken daran, mit bewaffneter Hand in ein anderes Land einzufallen, zur moralischen Unmöglichkeit macht usw.
In diesem Sinne geht es fort. Es wird also nur
etwas über Sinn und Zweck des Zivildienstes ge-
sagt. Wir haben aber nichts darüber in Erfahrung bringen können — das konnte auch die antragstellende Fraktion nicht sagen —, ob es in Westdeutschland bereits eine solche Organisation gibt bzw. wo diese Organisation Arbeitsstellen unterhält.
Weil diese Angaben nicht gemacht werden konnten, haben sich beide Ausschüsse auf den Standpunkt gestellt, daß der Antrag schon aus diesem Grunde abzulehnen sei. Wenn keine Organisation und keine Arbeitsstellen vorhanden sind, auf denen solche Dienstgruppen tätig sind, besteht auch nicht die Notwendigkeit, Fahrpreisermäßigung zu gewähren. Von antragstellender Seite wurde darauf hingewiesen, daß man doch im Laufe eines Katastropheneinsatzes Fahrpreisermäßigung gewähren müsse. Ich glaube, dem ist nur entgegenzuhalten: wenn es zu einem Katastropheneinsatz kommt, dann brauchen die Einsatzwilligen nicht erst eine Fahrkarte zu lösen und eine Gebührenermäßigung zu beantragen, dann werden sie auch auf Kosten des Staates oder Landes dorthin befördert, wo sie eingesetzt werden sollen.
Ich habe deshalb so ausführlich über diesen Antrag gesprochen, weil ich darauf hinweisen möchte, daß in sehr vielen Fällen von einzelnen Fraktionen in leichtfertiger Weise hier Anträge auf den Tisch des Hauses gelegt werden, mit denen sich dann die Ausschüsse manchmal in stundenlangen Beratungen beschäftigen müssen, sie müssen den ganzen Apparat der Verwaltung in Bewegung setzen, Auskünfte und Stellungnahmen einholen, und zum Schluß stellt sich heraus, daß hinter einem solchen Antrag gar nichts steckt als nur irgendeine Fiktion. Ich möchte deshalb im Namen beider Ausschüsse alle Fraktionen bitten, in Zukunft doch bei ihren Anträgen zunächst einmal die Frage zu prüfen, ob sich ein solcher Antrag überhaupt lohnt, und sich genau zu überlegen, wer hinter diesem Antrag steht, damit den Ausschüssen die Arbeit erleichtert wird.
Ich habe Ihnen nun, meine Damen und Herren, im Auftrage des Verkehrsausschusses, der in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen gehandelt hat, den Antrag zu unterbreiten:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei — Nr. 1891 der Drucksachen — abzulehnen.