Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wären schon zu fiele Worte. — Ich möchte nur darauf hinweisen, aß sich diese Vorlage wie das ganze Gespräch über die Filmwirtschaft auf ein sehr schlüpfriges Gebiet begibt, weil nämlich der Film jene etwas schwankende und unklare Stellung zwischen Kultur, Amüsement und Geschäft innehat, die ihn jedem Kulturliebhaber von vornherein etwas verdächtig erscheinen läßt.
Mit dem Film kann man, wie wir gelernt haben, ausgezeichnet Propaganda betreiben, nämlich das Volk auf einen bestimmten Tatsachen- oder historischen Komplex ausrichten, man kann allerhöchste künstlerische Genüsse vermitteln, oder man kann der niedrigsten Sensationslust eines beliebigen Publikums frönen. Mit allen dreien kann man nebenbei Geschäfte machen. Soweit ich unterrichtet bin, hat es in aller Filmzeit aber noch niemals die Idee gegeben, daß es Sache der öffentlichen Hand, Sache der Regierung, der Verwaltung, der Parlamente ist, die Filmwirtschaft irgendwie in Gang zu bringen. Heute wäre das bedenklicher als je, insofern als derjenige, der da finanziert, mindestens in den Geruch kommt, irgendeine Richtung oder Haltung zu propagieren und damit die Verantwortung für den Inhalt der Filme zu übernehmen, die dem Publikum vorgeführt werden.
Das sind die schwersten Bedenken gegen die Bundesbürgschaft, die ja, wie ich betonen möchte, nicht aus kulturellen, sondern ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen gegeben wird. Was wir vom Filmausschuß grundsätzlich möchten, ist, daß die Filmproduktion mit ihren Unterzweigen Verleih und Filmtheater wieder zu jener für die deutsche Gesamtwirtschaft wesentlichen Einnahmequelle wird, die sie früher einmal war. Das ist unser Anliegen. Wir wollen nicht einen sehr wesentlichen, unendlich viele deutsche Frauen und Männer, Künstler und Techniker beschäftigenden Riesenapparat von Produktionen zugunsten der ausländischen Produktion stillegen. Mit der Kultur hat all das gar nichts zu tun.
Die Frage, die uns heute hier zunächst beschäftigt, lautet: Kann dies unter anderem durch eine Art Zwangsbewirtschaftung der Filmtheater geschehen? Es ist klar, daß wir von unserem Standpunkt aus hiergegen zunächst prinzipielle Bedenken haben müssen. Ob diese Möglichkeit überhaupt besteht, ist zweifelhaft. Sie wollen bedenken, daß die Filmtheater durch die Vergnügungssteuer eine große Einnahmequelle für die Gemeinden darstellen, selbst wenn die finanzielle Decke nach oben bis zum Produzenten hin sehr mager wird. Diese Einnahmequelle lebt heute von Schund- und Schmutzfilmen aus Amerika, meistens Wildwestfilmen, alten Reprisen, die in Amerika längst abgelaufen sind und die nun unsere vielzuvielen Kinogäste hier unterhalten. Dieser Betrieb hat mit Kultur überhaupt nichts zu tun. Wir könnten ihn im kulturellen Interesse heute abwürgen, könnten ihn direkt verbieten, immer vorbehaltlich der Beziehungen zur Besatzungsmacht, insbesondere zu Amerika. Wenn wir den gegenwärtigen Zustand unangetastet bestehen ließen, würden wir auf die Dauer, weil ja diese Filme bedeutend billiger zu haben sind — sie haben sich längst ausgespielt —, die deutsche Produktion völlig stillegen. Deswegen ist die Maßnahme, die im Quotagesetz versucht wird, jedenfalls eine der gegebenen Möglichkeiten.
Was nun die Kultur des Films anlangt, so gestatte ich mir, darauf hinzuweisen, daß wir leider Gottes seit 1945 kulturell allgemein in einer gewissen Lethargie leben. Man hat das Gefühl, daß mindestens die größere Mehrheit der Musen sich von uns gekehrt hat. Sie sehen ja, wie es auch im Theater absolut an deutschen Stücken mangelt, die, sei es wegen ihres Inhalts, sei es wegen ihrer Zeitgemäßheit, öffentliche Beachtung oder gar Erregung hervorrufen. Und hätten wir nicht den großen Dichter Zuckmayer, wüßte ich keinen einzigen zu nennen, der uns Theaterstücke liefert, die aufführungsreif sind. Das wird im Film cum grano salis so ähnlich liegen. Denn leider Gottes kann man die Künstler nicht durch Organisation schaffen. Sie wachsen, wenn ihre Zeit gekommen ist.
Wir können uns hier in diesem Hause überhaupt nur mit der wirtschaftlichen Seite der Filmproduktion beschäftigen. Jede andere Beschäftigung bringt uns in den Verdacht, daß wir die geistige Ausrichtung steuern möchten, insbesondere auch, wenn wir uns allzusehr in das Finanzielle mischen. Dieses Gesetz bedarf gründlichster Bearbeitung und Abstimmung nicht so sehr mit den Filminteressenten, sondern mit den Filmsachverständigen, die außerhalb der Produktion leben. Mit ihnen muß die Frage geprüft werden, ob der Filmwirtschaft durch so etwas geholfen werden kann. Hoffentlich wird dabei das Niveau, also die geistige Haltung des Films, nicht völlig in die Brüche gehen.