Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt es, daß sich heute hier eine generelle Debatte über die deutsche Filmsituation entwickelt. Sie hat auch ihre Unterschrift unter den nicht von ihr verfaßten Gesetzentwurf gegeben, um so die Gelegenheit zu schaffen, diese deutsche Filmsituation einmal vor dem Hohen Hause kritisch zu betrachten.
Mein Herr Vorredner hat bereits sehr viele Beiträge zu der deutschen Filmkrise oder zu einer Analyse der deutschen Filmkrise geliefert. Diese Filmkrise besteht auf personellem, auf materiellem und auf geistigem Gebiet.
Wir haben nach 1945 feststellen müssen, daß zu einigen Produzenten, die diesen Namen mit vollem Recht verdienen, leider eine viel zu große Zahl von Pseudo-Produzenten hinzugekommen sind.
Diese Pseudo-Produzenten nehmen ihre Legitimation zum Produzieren vielleicht aus der Tatsache, 1 daß sie mehr oder minder eifrige Leser von Filmzeitschriften waren, oder aus ihrem Glauben, auf Grund besonderer Beziehungen zu Nylon- oder sonstigen Seidenstrumpffabriken ihr Nylongeschäft mit einem Filmgeschäft verbinden zu können. Es gilt also zunächst einmal, in der deutschen Filmproduktion jene ernsthaft qualifizierten Produzenten zu scheiden von dem Konglomerat der PseudoProduzenten, und hier sollten die Filmproduzentenkreise selbst dafür sorgen, daß sie nicht in den Verdacht kommen, mit jenen verwechselt zu werden.
Aber nicht nur auf die Produzenten und Pseudo-Produzenten ist das Augenmerk zu richten, es gilt auch die Dinge einmal von der Seite der darstellenden Persönlichkeiten zu betrachten. Hier hat Herr Kollege Brunner schon erwähnt, daß es immer noch ein Verhaftetsein an längst überholte Gagenforderungen gibt. Ich darf noch hinzufügen, Herr Kollege Brunner, daß diese Dame nicht nur 150 000 Mark verlangt hat, mit ihrem Gatten zusammen 300 000 Mark, sondern daß gleichzeitig die Bedingung gestellt wurde, 50 % dieser 300 000 Mark in Schweizer Franken zu transferieren.
Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß man hier nicht mehr mit dem System arbeiten kann, uns als jugendliche Darstellerinnen Damen auf der Leinwand zu präsentieren, die vielleicht meinen Vater schon in eine freudige Erregung brachten und vielleicht auch meinen Sohn eines Tages noch von den Schularbeiten abhalten werden.
Dieser Großmutterkomplex mag sich vielleicht in der Propaganda ganz gut ausnehmen, aber in bezug auf die jugendlichen Heldinnen sollten wir ihn
von den Leinwänden verbannen. Man kommt nämlich sonst zu der Erkenntnis, die vielleicht kurz in das Bonmot gefaßt werden kann: Man singt immer tiefer, und mit dem Ton sinkt auch das Niveau.
Aber auch zum Nachwuchs, meine Damen und Herren! Da hat man geglaubt, es genüge, bei badeanzüglichen Schönheitskonkurrenzen sich einige besonders exponierte junge Mädchen für den Film zu engagieren, um so die Nachwuchskrise zu lösen. Ich glaube, inzwischen haben auch weniger ernsthafte Regisseure feststellen müssen, daß zu einer echten Nachwuchsdarstellerin nicht nur das körperliche Ebenmaß genügt, sondern auch eine gehörige Portion geistiger Darstellungskunst gehört, ja sogar auch eine gehörige Portion Persönlichkeitswert, zu deutsch: Charakter.
Wer diese beiden Komplexe einmal kritisch betrachtet, der wundert sich nicht, daß das deutsche Filmpublikum seit Jahren mit Trümmerfilmen, Traumfilmen und Prostitutionsfilmen gefüttert wird und daß sich eine verständliche Abneigung bemerkbar macht, diese Filme zu sehen, und eine verständliche Zuneigung zu Spitzenleistungen der Filmkunst wie z. B. „La justice est fait" oder „Sous le ciel de Paris" oder zu den italienischen Filmen „Fahrraddiebe" und „Das Wunder von Mailand" oder zu den Filmen „Die Vier im Jeep" oder „Sans nommer l'adresse".
Die Frage der Abdämmung der Konkurrenz von außen und der Schutz für die eigene Produktion ist eine Leistungsfrage und nicht eine Planungs- und gesetzgeberische Frage.
Wir erwarten daher, daß unsere deutsche Nachkriegsproduktion durch Leistungssteigerung, durch einen freien Wettbewerb bestehen kann, bei allen Schwierigkeiten, die sich selbstverständlich durch den Verlust der Produktionsstätten in Berlin ergeben haben, und daß sich über eine Leistungssteigerung eines Tages jene Ebenbürtigkeit entwickelt, die wir durch gesetzgeberische Maßnahmen, Planungen und Quotengesetze niemals schaffen können.
Hier ist auch von der Filmbank und von dem Filmgroschen gesprochen worden. Ich will hier das Gesetz nicht isoliert sehen, sondern es muß, wie schon der Herr Kollege Dr. Vogel sagte, kombiniert mit den Versuchen, eine Filmbank zu gründen, und mit den Plänen für einen Filmgroschen gesehen werden; sie alle drei müssen entweder zusammenwirken, oder wir müssen von allen drei Versuchen Abstand nehmen. Die Länderfinanzminister haben sich allesamt bereit erklärt, eine Filmbank ins Leben zu rufen. Lediglich aus München kam der Wunsch, daß die Filmbank ihren Sitz in München haben solle. Nun, warum nicht, da ja Geiselgasteig die größte Produktionsstätte ist! Ob man den Filmgroschen einführen solle oder nicht, das wird auch erst von den verschiedenen Seiten geprüft werden müssen.
Zu dem Gesetz selbst. Wir finden, daß eine ganze Anzahl von Bestimmungen unserer Auffassung vom freien Wettbewerb keineswegs entspricht. Im § 1 ist schon manches, was zu bemängeln ist. Nach § 4 soll das Wirtschaftsministerium nach Anhörung der Spitzenverbände der deutschen Filmwirtschaft im Wege der Rechtsverordnung jene Quotenregelung durchführen. In § 13 sind dann Bußgelder festgesetzt. Ich glaube, wir werden hier an dem Gesetz sehr viel ändern müssen, wenn es überhaupt — das wird sich ja im Ausschuß heraus-
stellen — Anspruch darauf erheben darf, dann einen Beitrag zur Verbesserung der deutschen Filmsituation darzustellen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß wir die deutsche Filmkrise mit großen Bedenken betrachten und noch nicht davon überzeugt sind, daß auch die drei Faktoren Filmbank, Filmquotengesetz und Filmgroschen hier eine Verbesserung der Situation mit sich bringen, wenn es nicht gelingt, im Film selbt jene Leistungssteigerung zu erreichen, die allein das Ende der deutschen materiellen, personellen und geistigen Filmkrisis bringen kann.
Zum Abschluß darf ich Ihnen noch die Meinung meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß im Hinblick auf die Frequentierungen des Bundeshauses durch Produzenten, Pseudoproduzenten und viele andere Interessierte der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films dringend gebeten wird, sich an die Geschäftsordnung zu halten und sich lediglich mit Dingen zu befassen, die ihm von dem Hohen Hause zugewiesen wurden.