Rede von
Hans
Merten
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Ihnen vorliegenden schriftlichen Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit sind noch einige erläuternde Bemerkungen notwendig. Entgegen den Regeln des Völkerrechts sind nach dem Abschluß der Feindseligkeiten in zahlreichen Ländern deutsche Kriegsgefangene gegen ihren Willen zum Räumen von Landminen und von Munition eingesetzt worden. So wurden u. a. auf dem Staatsgebiet von Norwegen ungefähr 10 000 deutsche Kriegsgefangene eingesetzt, die sich nach den Waffenstillstandsbedingungen der in Norwegen operierenden britischen Armee ergeben hatten. Von den Dienststellen der britischen Armee erhielten diese deutschen Gruppen die Zusicherung, daß ihnen für diese Arbeiten, die sehr gefährlich waren, eine entsprechende Entlohnung gezahlt werde. Über diese verdienten Beträge wurden den Minenräumern zum Teil auf Reichsmark lautende Bescheinigungen ausgestellt. Über diejenige Stelle jedoch, die diese Bescheinigungen einmal einlösen würde, sind keinerlei Mitteilungen gemacht worden.
Im Verlaufe des Jahres 1946 sind alle deutschen Kriegsgefangenen, die an diesen Minenräumarbeiten beteiligt waren, aus Norwegen in die Heimat zurückgekehrt. In Deutschland war es ihnen dann nicht möglich, diese auf Reichsmark lautenden Bescheinigungen zu realisieren, weil es weder eine deutsche noch eine alliierte Stelle gab, die dafür zuständig war. Zudem ist es auch eine sehr geringe Anzahl Minenräumer gewesen, die überhaupt Bescheinigungen erhalten hat. Erst nach der Währungsreform, also zwei Jahre nach ihrer Rückkehr, meldeten diese ehemaligen Minenräumer Ansprüche auf die Auszahlung der Beträge an, über die die in ihren Händen befindlichen Bescheinigungen lauteten. Allgemein war die Zahlung an ehemalige Kriegsgefangene für Leistungen in der Kriegsgefangenschaft in der Form geregelt, daß die amerikanische, die britische und die französische Militärregierung den westdeutschen Ländern einen Fonds in Höhe von 76 Millionen DM zur Verfügung stellten und auch genaue Anweisungen darüber gaben, welche Ansprüche der ehemaligen Kriegsgefangenen aus diesen Mitteln befriedigt werden sollten. Die Ansprüche der Minenräumer wurden damals von den Besatzungsmächten nicht erwähnt.
Den mit dieser Frage befaßten deutschen Dienststellen lagen auch keinerlei Unterlagen über Minenräumeinsatz vor. Mit der Koordinierung der Maßnahmen auf diesem Gebiet wurde von den westdeutschen Ländern damals der Länderrat der amerikanischen Besatzungszone in Stuttgart beauftragt. Nachdem sich nun aber zahlreiche ehemalige Minenräumer darum bemühten, daß auch ihre Verdienstbescheinigungen anerkannt würden, haben die westdeutschen Länder am 11. August 1949 mit Zustimmung der drei Militärregierungen und nach Anhörung eines Beauftragten dieser Minenräumer beschlossen, diejenigen Landminenräumer und Munitionsräumer aus Norwegen zu entschädigen, die einwandfreie Bescheinigungen vorlegen können. Der Oberfinanzpräsident in Hamburg wurde damals beauftragt, die notwendigen Maßnahmen durchzuführen.
Damals, 1949, wurde nun festgestellt, daß die Forderungen dieser ehemaligen Kriegsgefangenen nach dem dritten Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens vom 27. Juni 1948 zu behandeln sind. Da es sich um Forderungen nach dem § 13 Abs. 3 dieses Gesetzes handelt, die nach dem § 16 desselben Gesetzes im Verhältnis 10 : 1 umzustellen sind, hätte sich eine Ausnahme von diesen allgemeinen Regeln nur ermöglichen lassen, wenn Sonderbestimmungen für Kriegsgefangene im Gesetz dies zugelassen hätten. Tatsächlich enthält nun dieses Gesetz in § 19 eine Möglichkeit für Kriegsgefangene, eine Umstellung 1 : 1 zu erhalten. Diese Möglichkeit ist jedoch auf diejenigen Kriegsgefangenen beschränkt, die nach dem 15. Mai 1948 in das Währungsgebiet zurückgekehrt sind und deren Bescheinigungen auf englische Pfunde, amerikanische Dollars oder französische Franken lauten. Beide Voraussetzungen wurden von den Minenräumern nicht erfüllt.
Nach der dargelegten Regelung sind nun inzwischen etwa 1 000 Minenräumer abgefunden worden. Weitere 1852 Fälle stehen noch offen, weil die Empfangsberechtigten nicht zu ermitteln sind.
Den Dienststellen des Bundes und der Länder sowie den Fraktionen dieses Hohen Hauses und auch einzelnen Abgeordneten ist in den letzten beiden Jahren wiederholt durch den Beauftragten der Minenräumer die Forderung übermittelt worden, daß die bescheinigten Beträge im Verhältnis 1 :1 auszuzahlen seien. Nun hat sich der Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen, veranlaßt durch den Antrag Drucksache Nr. 828, am 18. Juli 1950 mit der Angelegenheit befaßt und dabei festgestellt, daß die Erfüllung der Ansprüche der Minenräumer eine Änderung des geltenden Währungsrechts voraussetze. Aus diesem Grunde wurde der Antrag Drucksache Nr. 828 zur weiteren Behandlung dem Ausschuß für Geld und Kredit zugewiesen. Auf Wunsch dieses Ausschusses hat das Bundesministerium für Finanzen Erhebungen über die allgemein bisher von den Ländern aus dem bereits erwähnten 76-
Millionen-Fonds ausgezahlten Beträge angestellt. Bei dieser Gelegenheit haben die Länder nun klargelegt, daß die Zuständigkeit des Bundes für die Verfügung über diesen Fonds nicht gegeben sei. Das ging so weit, daß die Länder Rheinland-Pfalz und Bayern es überhaupt abgelehnt haben, irgendeine Auskunft über die geleisteten Zahlungen und den derzeitigen Stand der Angelegenheit zu geben.
Eine Änderung des dritten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens zugunsten der ehemaligen Minenräumer wurde von der alliierten Bankenkommission, die dafür zuständig ist, abgelehnt. Es blieb also nur der Weg offen, die Ansprüche der Minenräumer durch ein besonderes Bundesgesetz zu regeln. Der Ausschuß für Geld und Kredit hat sich aber nicht in der Lage gesehen, diesen Weg zu gehen, und zwar aus folgenden Gründen: Eine gesetzliche Regelung, die Leistungen in der Kriegsgefangenschaft zum Gegenstand hat, kann nicht auf eine ganz kleine Gruppe dieser Kriegsgefangenen abgestellt werden. Ich erinnere daran, daß Millionen von Kriegsgefangenen ebenfalls schwerste und gefährliche Arbeiten verrichten mußten. Ich erinnere besonders daran, daß heute noch eine uns gar nicht genau bekannte Zahl von Kriegsgefangenen entgegen allen Regeln des Völkerrechts und in striktem Widerspruch zu den Gesetzen der Menschlichkeit in unwürdigster Form zu schwerster Sklavenarbeit in zahlreichen Gewahrsamstaaten, insbesondere aber in der Sowjetunion, festgehalten werden.
Eine gesetzliche Regelung für eine kleine Gruppe hätte selbstverständlich unzählige Berufungsfälle zur Folge.
Der Ausschuß steht daher auf dem Standpunkt, daß der Gegenstand des Antrages Nr. 828 nur im Rahmen eines umfassenden Gesetzes über die Entschädigung von Kriegsgefangenen für Leistungen in der Kriegsgefangenschaft geregelt werden kann. Ich bin der Überzeugung, daß das Gefühl der Solidarität und der Kameradschaft mit allen anderen Heimkehrern und Kriegsgefangenen auch bei den ehemaligen Minenräumern aus Norwegen so groß ist, daß sie bereit sind, ihre Wünsche zugunsten derjenigen noch einige Zeit zurückzustellen, die bisher noch nicht einen einzigen Pfennig für ihre Arbeit in der Kriegsgefangenschaft erhalten konnten. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Ausschuß selbstverständlich die gefährliche Arbeit der Minenräumer voll anerkannt hat und es aus diesem Grunde bedauert, daß heute infolge der Währungsgesetze die Befriedigung nur eines Teils der Ansprüche der Minenräumer möglich ist.
Aus den angeführten Gründen bittet und empfiehlt der Ausschuß, den Antrag Nr. 828 abzulehnen und die mit dieser Angelegenheit im Zusammenhang stehenden Petitionen für erledigt zu erklären.