Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das ich die Ehre habe ihnen vorzulegen, stellt kein Novum in Europa und in der Welt dar, sondern das, was wir uns jetzt anschicken, hier in Deutschland zu tun, haben alle filmproduzierenden Lander Europas langst seit Jahren getan. Wir haben bereits in England, in Frankreich, in Italien und in Spanien derartige Gesetze. Sogar in England hat sich ein solches Gesetz als notwendig erwiesen, obgleich der großte und vor allem auch der beste Teu der englischen Kinos sich in der Hand von drei großen Trusts benndet, die den ganzen Markt beherrschen. Wenn trotzdem dieses Land dazu schreiten mußte, dann deshalb, weil sich auch in England die Notwendigkeit ergab, dem nationalen Film eine Existenzbasis zu verschaften. Das gleiche Bestreben fuhrte auch Frankreich, Italien und Spanien dazu, ähnliche Schritte zu unternehmen.
Wie steht es bei uns in Deutschland? Warum sind wir dazu gekommen, diesen Entwurf zu übernehmen und hier einzubringen? — Damit für das am 1. September beginnende Filmjahr eine klare Lage geschaffen wird und der deutschen Filmproduktion ein gewisser Schutz zuteil wird. Die deutsche Lage ist folgende: Wir haben eine Jahreskapazität von ungefähr 350 Filmen, d. h. wir brauchen 350 Filme, um den Bedarf der deutschen Kinos zu decken. Die Produktion des letzten Jahres betrug etwa 70 Filme. Wir haben darüber hinaus noch einen gewissen Überhang an sogenannten Reprisen mehr oder weniger guter Qualität, d. h. also an Filmen, die vor dem Jahre 1945 hergestellt worden sind und die jetzt in alter oder veränderter Form wieder auf den Markt gebracht werden. Wir können also mit der deutschen Produktion ohnehin nur einen bestimmten Prozentsatz dieses Bedarfs von 350 Filmen decken, aber in diesem Jahr werden wir infolge des ungeheuren Kreditmangels höchstens mit der Hälfte der Vorjahrsproduktion rechnen können. Allerdings ist eine große Zahl von Filmen der letztjährigen Produktion noch nicht abgespielt oder noch nicht hinreichend abgespielt worden.
Wir haben dieses Spielquotengesetz niemals als ein Allheilmittel betrachtet, sondern wir sehen es nur im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen, mit Maßnahmen, die wir einen Gesamtsanierungsplan der deutschen Filmwirtschaft nennen wollen. Dieser Sanierungsplan besteht aus drei Säulen,
aus diesem Ihnen vorgelegten Gesetz, aus der beabsichtigten Gründung einer Filmbank und aus dem noch zu schaffenden Filmgroschen. Nur diese drei Maßnahmen zusammen — das möchte ich ausdrücklich unterstreichen — können zu dem Ziele einer Gesundung der deutschen Filmwirtschaft führen.
Ich möchte hier allerdings von vornherein eines mit besonderem Nachdruck unterstreichen. Wenn wir an die Samerung der deutschen Filmwirtschaft gehen, dann geschieht das keinesfalls, um Elementen, die bis letzt noch keinen oder so gut wie keinen Befähigungsnachweis erbracht haben, gute und brauchbare Filme zu produzieren, eine sichere Oase der Bequemlichkeit zu schaffen. Wir denken gar nicht daran, hier eine Ausnahmegesetzgebung und ein Privileg für Menschen zu schaffen, die uns noch nicht das gegeben haben, was wir von ihnen erwarteten, nämlich brauchbare und gute Filme. Sie wissen alle mit mir, daß Filme wie „Die Sünderin" dazu beigetragen haben, das Vertrauen weitester Kreise der deutschen Öffentlichkeit zu der Filmproduktion zu erschüttern.
Auf der anderen Seite aber sind wir sehr gespannt, ob uns das 'Bundeswirtschaftsministerium in den nächsten Tagen den längst überfälligen Entwurf einer neuen Verordnung gegen das Blind-und Blockbuchen überreichen wird, der bereits im April fällig war und auf den wir sehr warten; denn wir möchten der sehr unruhig gewordenen, religiös eingestellten Bevölkerung den Beweis geben, daß wir entschlossen sind, mit gewissen Mißbräuchen aufzuräumen.
Ich möchte hier feststellen, daß wir uns im deutschen Film nicht nur einer materiellen Krisis weitesten Ausmaßes, sondern auch ebenso einer geistigen Krise gegenübersehen. Wenn man sich einmal — ohne den Kultusministern der Länder zu nahe zu treten — auf das literarische Gebiet begibt, kommt man zu der Feststellung, .daß wir leider auch nach 1945 nicht den von uns erhofften und erwarteten Aufbruch zu einer neuen großen deutschen Literatur erlebt haben. Wenn unser Volk nicht in der Lage war, nach 1945 literarische Werke von Weltklasse hervorzubringen, dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn es ihm zur gleichen Zeit an der geistigen Fähigkeit mangelte, auch Filmstoffe von entsprechender Weltgeltung zu schaffen und der Welt zu schenken. Was wir Hand in Hand mit den deutschen Schriftstellern und Dichtern, Hand in Hand mit den Filmproduzenten und Regisseuren endlich erreichen möchten, ist, daß das wirkliche Wesensbild des deutschen Volkes, sein künstlerisches Gesicht, der Welt einmal in einer Form nahegebracht wird, die gültig ist und die an die große Tradition des alten deutschen Films heranreicht.
Lassen Sie mich jetzt noch etwas rein Materielles zu dem hier vorliegenden Entwurf sagen. Dieser Entwurf soll also nicht nur eine Abspielbasis für die deutsche Filmproduktion schaffen, sondern dient in erster Linie dazu, den Banken und Kreditgebern das notwendige Vertrauen zur deutschen Filmwirtschaft zurückzugeben, denn das können sie nur haben, wenn wir ihnen eine sichere Garantie bieten, daß die geschaffenen Filme auch
in Deutschland entsprechend ausgewertet, d. h. aufgeführt werden. Wir haben in Deutschland nur etwa 2500 Theater, die täglich spielen, von 4500 Theatern insgesamt. Vorn diesen 2500 Theatern spielen 800 Theater so gut wie keine deutschen Filme. Es ist notwendig, daß auch sie sich auf ihre Verpflichtung gegenüber der deutschen Filmindustrie besinnnen, denn wir wissen sehr wohl, daß das deutsche Publikum nach dem deutschen Film ruft und daß weiteste Kreise des deutschen Volkes den deutschen Film als Spiegelbild ihres Wesens sehen wollen.
Ich darf Ihnen nun das Gesetz im einzelnen kurz erläutern. Ich hatte gehofft, daß wir um diese Zeit bereits in der Lage sein würden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der einer europäischen Filmproduktion, der Vorbereitung einer Gemeinschaftsproduktion der führenden europäischen Länder dienen sollte. Leider sind wir noch nicht so weit; aber anzustreben wäre, daß an Stelle dieser in allen europäischen Ländern notleidenden Filmindustrie eine Gemeinschaftsproduktion träte, die allein in den 15 000 Theatern auf dem Kontinent eine hinreichend sichere materielle Basis für einen europäischen Film hätte. Ein solcher europäischer Gemeinschaftsfilm hätte auch eine ganz andere Chance, in der großen Weltklasse zu bestehen, trotz der großen Aufwendungen, die andere Länder für ihre Filmwirtschaft machen können. Ich darf Sie daran erinnern, daß England eine Finanzierungsbank hat, die mit einem Kapital von nicht weniger als 70 Millionen DM arbeitet.
Das Gesetz enthält eine Reihe von Bestimmungen, die ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen möchte. Zunächst ist in § 2 eine sehr wichtige Bestimmung aufgenommen, nach der die deutschen Filmtheater verpflichtet werden sollen, auch jetzt wieder wie früher dem Kulturfilm seinen Platz in den Filmprogrammen einzuräumen. Die Kinos werden angehalten werden, neben dem sogenannten abendfüllenden Großfilm auch einen Kultur- und Dokumentarfilm aufzuführen. Es existiert daneben noch eine Kannbestimmung für die Aufführung von Wochenschauen. Darüber wird noch in den Ausschußberatungen zu sprechen sein.
Sie finden in dem Entwurf zum erstenmal wieder eine Definition dessen, was wir unter deutscher Filmproduktion verstehen.
Das Kernstück des Gesetzes ist der § 4, der feststellt, daß die Spielquote, d. h. also die Zeit, in der die Kinos gehalten werden sollen, deutsche Filme aufzuführen, zwischen 21 Spieltagen als Minimum und 35 Spieltagen als Maximum liegen soll.
Eine weitere Bestimmung von Bedeutung haben war dann noch in § 8, der vorsieht:
Filme, die früher als 30 Monate vor Beginn
des laufenden Verleihjahres uraufgeführt und
die seit dem 8. Mai 1945 im Bundesgebiet nicht
öffentlich vorgeführt worden sind, dürfen
nicht mehr öffentlich vorgeführt werden.
Das bedeutet also eine Bereinigung des Filmmarktes von dem allzu großen Überhang, der heute
auf ihm lastet. Wir können damit rechnen, daß
auf der Kapazität von 350 deutschen Filmen im
Jahr heute ein ungefähr dreimal so großes Angebot lastet. Wir müssen wieder von diesen überflüssigen Reprisen wegkommen. Ich glaube, ich
spreche wohl auch die Gefühle der großen Mehrheit dieses Hauses aus, wenn ich sage, daß solche
Reprisen wie „Reserve hat Ruh", wie sie jetzt wieder aus der Mottenkiste auftauchen, nichts mehr im neuen deutschen Filmtheater zu suchen haben.
Wir haben dann weiter im § 9 die freiwillige Selbstkontrolle verankert. Wir geben ihr damit eine stärkere Basis, ohne daß der Gesetzgeber, der Staat selbst in die freiwillige Selbstkontrolle eingreift. Das ist gut so; denn die freiwillige Selbstkontrolle soll sich aus sich selbst heraus weiter stärken und entwickeln. Ihre Autorität muß unter allen Umständen wachsen, wenn sie ihren Aufgaben gerecht werden soll.
Als nächster wesentlicher Paragraph wäre der § 12 zu nennen, der, wie ich glaube, wesentlich dazu beitragen wird, die nicht gerade freundlichen Gefühle der Filmtheaterbesitzer selbst gegenüber diesem Gesetzentwurf ein wenig zu mildern; denn nach diesem § 12 erhält der Bundeswirtschaftsminister die Vollmacht, wenn die deutsche Filmproduktion nicht in der Lage sein sollte, diese Quota auszunutzen, entsprechend viel ausländische Filme auf die Quota anzurechnen und damit also eine Schleuse zu öffnen, deren Öffnung sich im Falle eines zu niedrigen Wasserstandes als notwendig erweisen könnte.
Ich glaube, schon dieser § 12 zeigt, daß dieses Gesetz keinesfalls die Maße überschreiten sollte, die wir innegehalten Wissen wollten. Es ist ein Gesetz, das nur im Zusammenhang mit den andern Ihnen schon vorgetragenen Maßnahmen selbst — Filmbank und Filmgroschen — wirken soll. Das Gesetz ist ja in seiner ursprünglichen Form von den Filmtheaterbesitzern nach monatelangen Verhandlungen zuerst anerkannt worden, wenn auch später die Zustimmung wieder zurückgezogen wurde. Wir haben aus dem Kreise der widerstrebenden Filmtheaterbesitzer eine Reihe von Gegenvorschlägen erhalten, die samt und sonders in den Ausschußsitzungen ernsthaft geprüft werden und sicherlich auch einer ernsthaften Beratung wert sind.
Ich darf darauf hinweisen, daß von den Filmtheaterbesitzern selbst die Einführung-des Begriffs der Quotawürdigkeit gewünscht worden ist, d. h. es solle überlegt werden, ob alle Filme — auch schlechte Filme — in die Quota aufgenommen werden sollten. Das ist eine Sache, die wir uns sehr ernsthaft überlegen werden, und unter Umständen werden wir sie auch in dieses Gesetz aufnehmen.
Uns liegt ferner ein Angebot der Filmtheaterwirtschaft vor — kürzlich vom Präsidenten des Theaterverbandes in einem Artikel mitgeteilt —, Garantien für die Abnahme deutscher Filme durch eine entsprechende genossenschaftliche Organisation der Theaterbesitzer festzulegen. Wir haben ferner das sehr bemerkenswerte Angebot vor uns, durch die Ausgabe von Obligationen einen Kapitalbeitrag zu leisten, um der deutschen Filmwirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Das sind alles recht bemerkenswerte Vorschläge, die in den Beratungen sicher eine gebührende Rolle spielen werden.
Trotzdem haben wir uns entschlossen, dieses Gesetz einzubringen, weil in der Zwischenzeit bis zum 1. September etwas geschehen muß, um die Katastrophe aufzuhalten und der deutschen Filmwirtschaft eine sichere Basis zu geben. Wenn wir dies tun, geben wir der Filmproduzentenschaft den Beweis eines Vertrauens, das sie sich erst verdienen muß. Wir möchten dabei aussprechen, daß ihre bisherigen Leistungen keinesfalls befriedigend
waren, wollen aber trotzdem hoffen, daß das, was, glaube ich, jetzt wieder an guten Drehbüchern im Werden begriffen ist, daß all die erneuten Anstrengungen in vielen, vielen Kreisen und Zirkeln dazu führen werden, der deutschen Filmwirtschaft den Auftrieb zu geben, den wir alle ihr wünschen. Ich möchte gleichzeitig der Erwartung Ausdruck geben, daß dieses Gesetz einen Markstein auf dem Wege zu weiterer Gesundung darstellen wird, die wir alle von Herzen erhoffen.
Ich bitte im Namen meiner Freunde, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film zu überweisen.