Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde billigen die Erklärung des Herrn Justizministers. Sie enthält alle wichtigen Gesichtspunkte, und die von der Bundesregierung in dieser Sache vorgesehenen Maßnahmen befriedigen uns.
Meine politischen Freunde legen Wert darauf, daß. aus den Taten eines verwerflichen Subjektes keine politische Sensation gemacht wird. Aber an diesem Falle ist etwas sehr Grundsätzliches, dessen Bedeutung wir unterstreichen. Es handelt sich jetzt bereits um eine Reihe von Übergriffen, die gerade in diesem Zeitpunkt als besonders beunruhigend angesehen werden müssen.
Wir sind der Auffassung, daß wir gerade jetzt nicht zu einer Entwicklung kommen dürfen, die zu einer Art Kraftprobe zwischen dem Besatzungsregime und dem deutschen Regime ausartet. Wir legen aber Wert darauf, daß diese Fälle, von der Regierung mit der notwendigen Entschiedenheit und Kraft durchgestanden werden. Denn es geht hier um ein Stück politischer Aufrichtigkeit, um eine Klarheit, die aus moralischen und rechtlichen Gründen unter allen Umständen erreicht werden muß.
Deutschland ist kein Vakuum mehr, von dieser Tatsache müssen auch die Besatzungsmächte Notiz nehmen.
Diese Fragen dürfen nicht im unklaren bleiben. Wenn sie zweideutig bleiben, lehnen meine politischen Freunde es ab — ich sage das in vollem Bewußtsein der Verantwortung —, unsere politische Tätigkeit wie bisher fortzusetzen.
Diese harte Konsequenz muß gezogen werden. Wir fordern eine Bereinigung des politischen Raumes, in dem wir uns bewegen.
Deutschlands Tragödie ist eine Tragödie des Rechts gewesen. Wir wollen unsere Zukunft auf ein gesundetes Recht aufbauen. Jedes Entstehen einer künftigen, den Frieden sichernden Zusammenarbeit ist darauf gegründet, daß eine internationale Ordnung geschaffen wird, die alles das, was uns in diesem abendländischen Bereich der Verteidigung wert ist, wahrhaft sichert, die sichert, daß ein sauberer, klarer und gewisser Geist alle Teile dieser Völkerrechtsgemeinschaft miteinander verbindet.
Aus diesem Grunde wünschen wir, daß der Fall Kemritz dazu beitragen möge, eine Reinigung des Rechtsgefühls auf allen Seiten zu erzielen.
Der Fall ist unter dreierlei Gesichtspunkten zu betrachten: er hat eine politische, eine rechtliche und eine moralische Seite. Zur politischen Seite hat Herr Kollege Arndt Grundsätze aufgestellt, die wir voll und ganz billigen. Wir erwarten aber auch, daß diese Grundsätze im innerdeutschen Leben mit dem Ernst und der Entschiedenheit beachtet werden, die sie verdienen.
Zur rechtlichen Seite haben meine politischen Freunde zu bemerken, daß bereits nach dem gegenwärtigen Besatzungsstatut ein Eingriff in die volle deutsche Gerichtshoheit so, wie er geschehen ist, nicht zulässig ist. Wie haben in viererlei Beziehung das Verfahren zu bewerten: einen Zivilprozeß, ein Pfändungsverfahren des Finanzamtes, ein Ehrengerichtsverfahren vor einer Anwaltskammer und schließlich das Strafverfahren.
Ich beginne mit dem Strafverfahren. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die von Kemritz begangenen oder ihm zur Last gelegten Taten nach deutschem Recht strafbar sind. Zweitens das ehrengerichtliche Verfahren: Der Eingriff in das ehrengerichtliche Verfahren kann nur unter Beugung des Rechts geschehen, wenn er auf den Vorbehalt 2 e des revidierten Besatzungsstatuts gestützt werden sollte. Hier ist Klarheit zu schaffen, und wir erwarten von der Bundesregierung — ich darf hiermit einen Antrag meiner Fraktion ankündigen —, daß von der Alliierten Hohen Kommission Garantien gefordert werden, damit die politischen Generalklauseln des Besatzungsstatuts nicht in einer derartigen Gesetzesverkehrung Anwendung finden. Wir erwarten ferner, daß die Aufhebung des Gesetzes Nr. 13, dessen Aufhebung nach dem revidierten Besatzungsstatut verlangt werden kann, unverzüglich von der Bundesregierung beantragt wird.
Schon nach dem gegenwärtig geltenden revidierten Besatzungsstatut läßt sich nur unter Verkehrung der wahren Tragweite des Vorbehalts 2 e ein Eingriff in die volle deutsche Gerichtshoheit rechtfertigen. Die gleichen Gesichtspunkte gelten für den Zivilprozeß und das Pfändungsverfahren.
Die moralische Seite möchte ich nicht durch allzu schreiende Farben bagatellisieren. Es gibt moralische Untaten, die man möglichst schlicht und nüchtern kennzeichnen soll, um ihre Verwerflichkeit deutlich zu machen. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß es auf jeden Fall moralisch verwerflich ist, sich zum Büttel der Besatzungsmacht zu machen,
ganz gleichgültig, welcher Anlaß dem zugrunde gelegen haben mag. Wir lehnen es ab, irgendeinem Kollaborateur der Vergangenheit oder der Gegenwart die Hand zu reichen. Was wir brauchen, ist die Kooperation, d. h. ein Handeln, das seinen Gewissensmaßstab ausschließlich — allein und eindeutig — aus der deutschen Rechtssphäre, aus dem deutschen Gewissen, aus der deutschen Verantwortung trägt. Wir sind damit der Auffassung, daß dieser Fall voll durchgestanden werden muß und dazu beitragen möge, die Atmosphäre zu reinigen, klare und deutliche Grundsätze einer sauberen Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der Besatzungssphäre herzustellen.
Ich bin leider genötigt, am Schlusse meiner Darlegungen eine Verwahrung auszusprechen. Herr Kollege Arndt hat nicht nur gegen die Freie Demokratische Partei, sondern auch gegen uns eine Verdächtigung ausgesprochen, der der Beweis fehlt und die dazu beiträgt, die Einmütigkeit — und wir sind doch in diesen Fällen wirklich einer einmütigen Auffassung — in ihrem Eindruck vor der Öffentlichkeit abzuschwächen. In einer Demokratie ist es nicht möglich, daß ein Teil dem anderen die Legitimation abspricht, zu einer gemeinsam berührenden Frage Stellung zu nehmen. Es gibt nicht Demokraten erster, zweiter und dritter Klasse, sondern es gibt letzthin nur eine einheitliche Demokratie zu gleichen Rechten. Wir lehnen es ab, uns hierüber in eine Polemik einzulassen, und möchten dem Herrn Kollegen Arndt auf diesem Gebiet eine Beachtung- der von ihm selbst so klar und sauber aufgestellten Grundsätze anempfehlen.