Meine Damen und Herren! Als der Antrag gemäß Drucksache Nr. 1963 im Ausschuß für Berlin behandelt wurde, ergab sich, daß der dem Antrag zugrunde liegende Gedanke, zum Teil in weitergehender Form, schon von den im Ausschuß vertretenen Fraktionen erörtert worden war. Es ergab sich zweitens, daß eine der im Antragstext getroffenen Feststellungen schon überholt war, nämlich die, es sollten außer dem Berlin-Ausschuß auch andere Ausschüsse von Fall zu Fall in Berlin tagen. Nach den Mitteilungen, die dem Ausschuß vom Büro des Hauses gemacht worden sind, haben im bisherigen Verlauf der Wahlperiode dieses Hauses der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films je eine Sitzung, der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zwei Sitzungen in Berlin abgehalten, und der Ausschuß für Berlin war im Laufe der Wahlperiode bisher dreimal in Berlin.
Im übrigen waren alle Mitglieder der Meinung, daß es richtig wäre, dem Hause oder den Ausschüssen zu empfehlen, bei Erörterung von Berliner Fragen und von Fragen grundsätzlicher gesamtdeutscher Bedeutung in Berlin zu tagen.
Drittens ergab sich, daß der Ausschuß einmütig die bereits früher erwogene Möglichkeit befürwortete, bei besonderen Anlässen Plenarsitzungen des Bundestages in Berlin abzuhalten. Die im Antrag vorgeschlagene Formel, jährlich mindestens eine solcher Sitzungen durchzuführen, wurde jedoch nicht für zweckmäßig gehalten.
Der dem Berlin-Ausschuß überwiesene Antrag sprach von der Betonung der Zusammengehörigkeit Westdeutschlands mit Berlin. Im Berlin-Ausschuß wird über die Betonung einer solchen Zusammengehörigkeit hinaus als deutsche Rechtsauffassung vertreten, daß Berlin nicht nur irgendwie mit dem Bunde verbunden ist, sondern rechtens zum Bunde gehört. Dem Ausschuß für Berlin war auch im Zusammenhang mit der heute dem Haus zu unterbreitenden Empfehlung daran gelegen, ein erneutes Bekenntnis zur Hauptstadt des gesamtdeutschen Staates und zu dem, wenn auch nicht gleichgestellten und durch äußere Gewalt schwer bedrängten Lande Berlin abzulegen. Eine solche Unterstreichung erscheint besonders angebracht, nachdem in den vergangenen Tagen wieder durch äußere Gewalt Schikanen angewendet wurden, um den Handel und Verkehr zwischen Berlin und dem westlichen Bundesgebiet zu beeinträchtigen.
Es handelt sich nach Meinung des Ausschusses hierbei heute nicht eigentlich um ein Problem der Berlinhilfe, wenngleich die sichtbare und tätige Verknüpfung zwischen Bonn und Berlin zweifellos eine wichtige moralische Stütze für ganz Berlin und für die Bevölkerung der Berlin umgebenden sowjetischen Besatzungszone darstellt. Jedes Auftreten der verfassungsmäßigen Organe des Bundes in Berlin, jedes Wirken des Bundestages oder von Ausschüssen des Bundestages in Berlin unterstreicht den Anspruch der Bundesrepublik auf das ganze Deutschland, auf Freiheit für das ganze Deutschland. In der Empfehlung des Berlin-Ausschusses, Drucksache Nr. 2322, kommt nicht nur ein Bekenntnis und eine Aufforderung zu einer gesamtdeutschen Manifestation zum Ausdruck. Der Ausschuß möchte, daß gesamtdeutsche Manifestationen in einem angemessenen Verhältnis zu sachlicher Arbeit im gesamtdeutschen Sinne stehen.
Die Vertrautheit mit der Berliner Problematik und von dort aus auch mit der sowjetzonalen Problematik ist für die Arbeit und die Entscheidungen dieses Hauses und seiner Ausschüsse aber sicherlich nicht ohne Belang. Mehrere Ausschüsse — in den letzten Tagen der Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film — haben auf Tagungen in Berlin wertvolle Eindrücke und Anregungen gewonnen. Die verstärkte Weiterführung der bisherigen Praxis der Ausschüsse ist im Interesse der Arbeit dieses Hauses zu befürworten. Eine solche Praxis wird dazu beitragen können, daß der gesamtdeutsche Aspekt bei der laufenden gesetzgeberischen Tätigkeit hier in Bonn nicht verlorengeht.
Der Ausschuß möchte mit seiner Empfehlung zugunsten gelegentlicher Plenarsitzungen keine falschen Eindrücke erwecken. Er möchte einer Enttäuschung in Berlin und in Mitteldeutschland vorbeugen, die dann kommen müßte, wenn die heutigen Erörterungen so verstanden würden, daß der Bundestag nun im Begriff stünde, nach Berlin aufzubrechen, während vielleicht noch einige Monate bis zur ersten Plenarsitzung der hier in Aussicht genommenen Art vergehen können. Mancher in diesem Hause mag der Meinung sein, der Bundestag hätte schon einmal den Weg nach Berlin antreten sollen. Die Meinung des Ausschusses für Berlin ging aber dahin, daß der Zeitpunkt und der Anlaß künftiger Sitzungen dieser Art sehr genau überlegt sein wollen. Bei entscheidenden nationalpolitischen Manifestationen und bei besonders wichtigen Entscheidungen gesamtdeutschen Charakters dürfte jedoch das in Berlin gesprochene Wort der deutschen Volksvertretung ein besonderes Gewicht haben, und zwar für das ganze deutsche Volk über den gegenwärtigen Geltungsbereich des Grundgesetzes hinaus sowie auch für die von Deutschland anzusprechende Umwelt.
Der Berlin-Ausschuß möchte die von ihm unterbreitete Empfehlung so aufgefaßt wissen, daß dieses Hohe Haus sich prinzipiell bereiterklärt und seinen zuständigen Vertretungskörperschaften die Vollmacht erteilt, bei einer sich sicherlich noch in diesem Jahr bietenden nationalpolitischen Gelegenheit eine erste Plenarsitzung in Berlin durchzuführen. Es versteht sich von selbst — das ist auch im Ausschuß zum Ausdruck gekommen —, daß in Berlin und nicht nur in Berlin die Hoffnung lebt, daß einer ersten Sitzung weitere folgen mögen und daß das deutsche Parlament und die deutsche Regierung eines Tages wieder in Berlin ihren Sitz nehmen werden.
Die praktischen Fragen, die sich aus dem hier empfohlenen Antrag ergeben, sind nicht unlösbar. Die Schwierigkeiten des Verkehrs zwischen dem westlichen Bundesgebiet und Berlin werden vielfach übeischätzt. Die Probleme der Unterbringung und eines geeigneten Tagungsortes in Berlin sind zu meistern.
In diesem Zusammenhang wurde im Ausschuß für Berlin auch das Problem des alten Reichstagsgebäudes zur Sprache gebracht. Dem Herrn Minister für gesamtdeutsche Fragen, der vor geraumer Zeit einen Wiederaufbau dieses Gebäudes von Bundes wegen angekündigt hatte, ist durch den Ausschuß nahegelegt worden, die Voraussetzungen und Möglichkeiten des Aufbaus, Umbaus oder Neubaus dieses Gebäudes sachkundig klären zu lassen. Im Ausschuß ist dabei die Auffassung vertreten worden, daß eine nationale Verpflichtung für jenes Gebäude gegeben sei, das als Arbeitsstätte des Reichstages der Weimarer Republik von den Nationalsozialisten angesteckt und dann durch Kriegseinwirkungen schwer mitgenommen Wurde und vor dem — in unmittelbarer Nähe des sowjetischen Sektors — während der letzten Jahre einige der großartigen Freiheitskundgebungen stattgefunden haben. In diesem Zusammenhang ist auch der Gesichtspunkt mit in den Kreis der Betrachtungen einbezogen worden, daß dem künftigen gesamtdeutschen Parlament, wenn es wieder in Berlin tagen kann, eine würdige Arbeitsstätte geschaffen werden sollte.
Meine Damen und Herren, ich habe die Ehre, Sie im Auftrage des 9. Ausschusses zu bitten, dem Bericht des Ausschusse gemäß Druckache Nr. 2322:
Ausschüsse des Bundestages sollen bei Erörterungen von Berliner Angelegenheiten und bei Fragen von grundsätzlich gesamtdeutscher Bedeutung in Berlin tagen.
Ebenso sollen nach Möglichkeit bei besonderen Anlässen Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages in Berlin stattfinden.
Ihre Zustimmung geben zu wollen.