Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Renner soeben nicht recht in Fahrt kommen konnte, so kann ich ihm das nachfühlen; denn in den ersten sieben oder acht Zehnteln seiner Rede befand er sich in der ungewöhnlichen Situation, Arm in Arm mit den amerikanischen Monopolkapitalisten gehen zu müssen
— das war etwas völlig Neues in diesem Hause —,
und erst in den letzten zwei Minuten hat er sich auf seine uralte Aufgabe besonnen, daß er den amerikanischen Imperialisten doch hier mit Kampfparolen entgegentreten müßte.
Aber die Situation ist nach meiner Meinung sehr ernst; denn in der Angelegenheit, in der wir uns heute hier in der Kritik an der Militärregierung, und zwar am Wort einer bestimmten Regierung zusammenfinden, macht sich das ganze Haus — und ich habe die Absicht, das auch noch zu tun — nach dem Militargesetz strafbar. Es muß in aller Deutlichkeit einmal darauf hingewiesen werden, daß die Überlegungen, zu denen wir uns in tiefstem Ernst verpflichtet fühlen, weil wir den Auftrag unseres Volkes haben, unsere Interessen der ganzen Welt gegenüber zu vertreten, gegen die bestehenden Gesetze der amerikanischen Besatzungsmacht verstoßen.
Sie hat in der letzten Note noch darauf hingewiesen, daß es verboten ist, an der Maßnahme, die hier zur Debatte steht, Kritik zu üben. Allein dieser Umstand zeigt, daß der Zustand, unter dem wir jetzt noch leben, überholt ist.
Wenn es uns sechs Jahre nach dem Krieg noch nicht gestattet ist, über diese Dinge zu sprechen, und zwar in aller Offenheit eines freien Volkes zu sprechen, dann soll man uns nicht von Gleichberechtigung reden.
Das muß bei der innenpolitischen Seite, die die Angelegenheit hat, und bei der Frage, wie sich jetzt unsere Regierung gegenüber den Beauftragten der Militärregierung hier in Deutschland verhalten soll, doch auch einmal in den Vordergrund der Betrachtungen gerückt werden. Es liegt j a nicht an den Vertretern der Besatzungsmacht hier am Ort, sondern es liegt am Regime an sich. Diese Art von Besatzungsregime ist nicht mehr tragbar und paßt nicht mehr in die Zeit; sie hat sich überholt.
Wenn man jetzt auf die Sache im einzelnen eingehen sollte, so müßte man natürlich genaue Feststellungen im einzelnen und genaue Feststellungen über die Art der Feststellungen, die da getroffen worden sind, haben. Es sei deswegen vorläufig davon abgesehen. Aber was auch immer der Fall sein möge, es steht fest, daß hier ein deutscher Mann auf brutalste und kaltblütigste Art und Weise seine Landsleute gegen Geld zum Zwecke der Auslieferung an brutale und unmenschliche Mächte verkauft hat, deren Verfahren mit den
ihnen unglücklicherweise Überstellten wir doch zur Genüge kennen.
Wenn nach dem Kriege verkündet wurde, man habe das Hitlerregime zu dem Zweck niedergeworfen, um in Deutschland den Rechtsstaat wiederaufzurichten und die Menschenrechte zur Geltung zu bringen, und wenn wir uns hier bemühen, im Verein mit den Besatzungsmächten gerade hierin Erfolge zu erzielen und die Menschenrechte gegen Angriffe von links und rechts zu verteidigen, dann — das muß hier gesagt werden — konnte gerade im augenblicklichen Stadium der Entwicklung unseres Staates nichts Schlimmeres passieren als das, was hier unserer Rechtspflege angetan wird. Es handelt sich nicht bloß .darum, daß unsere Rechtspflege von dieser Seite gänzlich unerwartet so behandelt worden ist, als verdiene sie nicht wenigstens den Schutz des Glaubens, sie handle rechtsstaatlich, sondern es handelt sich meiner Meinung nach darum, daß man trotz der Kenntnis des rechtsstaatlichen Funktionierens unseres Staatsapparats eben diesen Staatsapparat ausschaltet, soweit es der Politik gefällt. Das ist natürlich in höchstem Maße geeignet, in unserer Bevölkerung Zweifel an der Redlichkeit jener Absichten hervorzurufen, Zweifel daran hervorzurufen, daß man es überhaupt mit den Worten von Rechtsstaat und Menschlichkeit, Menschenrecht und Gleichberechtigung dann ernst meint, wenn es sich um Deutsche handelt, die dabei betroffen sind. Man ist sich sicherlich nicht darüber klar gewesen — das will ich wenigstens hoffen —, welche Auswirkungen ein solches Verhalten auf uns und unsere Landsleute haben muß, das uns den Schutz gerade dann versagt, wenn wir ihn am meisten erwarten sollten.
Ich erkläre deswegen im Namen meiner Fraktion, daß wir mit den Anträgen der SPD und der Regierungsparteien einverstanden sind und uns ihnen in vollem Umfang anschließen.