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ID0115400500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1951 6105 154. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen 6106B, 6129B, 6132C, 6139C Eintritt des Abg. Dr. Hoffman (Lübeck) in den Bundestag 6106C Beschlußfassung des Bundesrats zum Gesetz über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung über Lebensmittelbevorratung 6106C Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes 6106C Gesetz über eine Bundesbürgschaft zur Abwicklung von Saatenkrediten für die Ernten bis zum Jahre 1949 6106C Ergänzung der Tagesordnung 6106C Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Fall Kemritz (Nr. 2345 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz in Bad Homburg (Nr. 2337 der Drucksachen), ferner mit der Ersten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit (Nr. 2344 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der FDP betr. Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Kemritz, Bad Homburg (Nr. 2359 der Drucksachen) 6106D Dr. Arndt (SPD), Antragsteller . . . 6106D Dr. Weber (Koblenz) (CDU), Interpellant und Antragsteller 6110A Euler (FDP), Antragsteller: zur Sache 6111B zur Abstimmung 6122A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 6113A Dr. von Merkatz (DP) 6115C Renner (KPD): zur Sache 6116C zur Geschäftsordnung 6121C Dr. Reismann (Z) 6118A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 6118D Brandt (SPD) 6119B Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 6120D Ausschußüberweisung 6122B. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der neuen deutschen Filmproduktion (Spielquotengesetz) (Nr. 2336 der Drucksachen) 6122C Dr. Vogel (CDU), Antragsteller 6122C, 6128D Brunner (SPD) 6124C Dr. Mende (FDP) 6127A Ewers (DP) 6128A Ausschußüberweisung 6129A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund (Zweites Überleitungsgesetz) (Nr. 2326 der Drucksachen) 6129B Ausschußüberweisung 6129B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes (Nr. 2268 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Auwschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2341 der Drucksachen) 6129C Lausen (SPD), Berichterstatter . . . 6129C Dr. Besold (BP) 6130C, D, 6131D Abstimmungen 6131C, 6132B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Wahl von Beisitzern für den Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 2339 der Drucksachen) 6132C Beschlußfassung 6132D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Gebührnisansprüche ehemaliger deutscher Kriegsgefangener in Norwegen (Nrn. 2313, 828 der Drucksachen) 6132D Merten (SPD): als Berichterstatter 6133A als Abgeordneter 6134C Kohl (Stuttgart) (KPD) 6134A Ausschußüberweisung 6135A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Mehs, Kemper u. Gen: betr. Wiederaufbau des Pleiner Viaduktes (Nrn. 2324, 2067 der Drucksachen) . . 6135A Beschlußfassung 6135B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Fahrpreisermäßigung für Freiwillige des Internationalen Zivildienstes (Nrn. 1929, 1891 der Drucksachen) . . . 6135B Cramer (SPD), Berichterstatter . . . 6135C Beschlußfassung 6136B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Berlin (9. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der WAV betr. Sitzungen des Deutschen Bundestages in Berlin (Nrn. 2322, 1963 der Drucksachen) 6136C Brandt (SPD), Berichterstatter . . . . 6136C Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 6137D Loritz (WAV) 6138D Beschlußfassung 6139A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf eines Teilgeländes der ehemaligen Munitionsanstalt in Moelln an die Moellner Textilwerke GmbH (Nr. 2343 der Drucksachen) . . 6139A Ausschußüberweisung 6139 C Nächste Sitzung 6139C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Ehlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Zur Begründung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU Drucksache Nr. 2345 und zur Begründung der Gesetzesvorlage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP Drucksache Nr. 2344 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Weber (Koblenz).

    Dr. Weber (Koblenz) (CDU), Interpellant und Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall Kemritz hat in einem ganz ungewöhnlichen Ausmaß die deutsche Öffentlichkeit erregt. Was in sachlicher und rechtlicher Hinsicht dazu zu sagen ist, hat bereits mein Herr Vorredner ausgeführt, so daß ich auf diese Dinge nicht mehr einzugehen brauche.
    Es ist unfaßbar, daß ein Mann, der als Anwalt berufen ist, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten und Unrecht abzuwehren, sich solcher Verbrechen schuldig gemacht haben soll, daß ein Mann, der als Offizier die Treue als eine der edelsten und höchsten Tugenden schätzen und wahren gelernt haben sollte,

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Es gab solche und solche! — Abg. Renner: Das wird ja immer schoner!)

    einen solchen Verrat an seinen Kameraden begangen haben soll.
    Ich enthalte mich einer tatsächlichen Feststellung. Es wird Sache der Gerichte sein, später festzustellen, ob Kemritz diese Verbrechen, deren er beschuldigt ist, begangen hat. Aber es ist auch unfaßbar und unertraglich, daß nunmehr der Gerechtigkeit in den Arm gefallen wird und die Durchführung sowohl des ordentlichen Strafverfahrens als auch des disziplinären Ehrengerichtsverfahrens unterbunden, verboten werden soll, dies bei einem Manne, der sich als Deutscher an Deutschen vergangen hat. Es ist unfaßbar und unerträglich, daß das Verfahren vou Besatzungsinstanzen mit einer Begründung eingestellt wird, deren Unhaltbarkeit soeben nachgewiesen worden ist, und daß damit die von diesem Manne begangenen Verbrechen ungesühnt bleiben sollen. Mutet es nicht geradezu wie Hohn und schneidender Zynismus an, wenn in der Begründung der Einstellungsverfügung gesagt wird, daß Kemritz einen wertvollen Beitrag für die Sicherung des Westens geleistet habe und daß nur solche Personen von seinen Handlungen betroffen worden seien, die nach den bestehenden Bestimmungen sowieso hätten verhaftet werden müssen? Es ist soeben richtig dargelegt worden, daß ein Teil dieser Personen der Prozedur des automatischen Arrestes bereits unterlegen hatte und freigelassen worden war. Die Begründung kann also zumindest in diesen Fällen nicht mehr ziehen. Man fragt sich, weshalb denn nicht die alliierten Stellen in WestBerlin, die ja nach den gleichen Bestimmungen vorzugehen hatten, nunmehr ihrerseits in den anderen Fällen eingeschritten sind, in denen der automatische Arrest noch nicht verhängt worden war, weshalb es notwendig war, daß die Leute nach Ost-Berlin gelockt und dort verhaftet und gleichzeitig verschleppt wurden. Glaubt man wirklich, daß diese Verbrechen an Leuten, deren ganze Schuld, soweit wir den Sachverhalt übersehen, darin bestand, daß sie im Kriege an derselben Dienststelle wie Herr Kemritz tätig waren, ohne daß erkennbar ist oder auch nur behauptet wird, daß sie sich in dieser Stelle irgendeiner strafbaren Handlung schuldig gemacht hätten, damit entschuldigt werden können, daß diese Leute sowieso hätten verhaftet werden müssen? Glaubt man wirklich, die Behandlung, die den Verhafteten bei der NKWD zuteil wurde, für eine geeignete Maßnahme zur „politischen Umerziehung" halten zu können? — Die „politische Umerziehung" sollte j a wohl eines der ersten und vornehmsten Ziele der sogenannten automatischen Haft sein. Es
    wurde den Opfern eine Behandlung zuteil, die, wie wir soeben schon gehört haben, bei einigen schwerste körperliche Schäden, bei anderen sogar den Tod zur Folge hatte.
    Nach 1945 wurde uns immer wieder verkündet, daß Verbrechen Verbrechen blieben, auch wenn sie aus politischen Motiven heraus begangen worden seien. Man hat in Nürnberg aus dieser Erkenntnis auch die letzten und die bittersten Konsequenzen gezogen. Es geht deshalb aber auch nicht an, daß die Anwendung dieser Erkenntnis davon abhängig sein soll, welche politische Konstellation nun gerade herrscht, daß Menschenraub einmal erlaubt oder sogar eine lobenswerte Tat sein soll, weil man gut Freund ist, und das andere Mal ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, weil man sich inzwischen entzweit hat.
    Es liegt uns nicht daran, noch Öl ins Feuer zu gießen oder ein Feuerchen politischer Leidenschaft an diesem Falle zu entfachen. Dafür ist der Fall viel zu ernst. Unser Anliegen ist ein ganz anderes, wie es auch in unserer Interpellation zum Ausdruck kommt. Es soll verhindert werden, daß sich aus diesem Fall eine Verwirrung des Rechtsgefühls oder der Rechtsachtung entwickelt. Deshalb fragen wir die Bundesregierung:
    1. was sie in Sachen Kemritz vor der Erklärung der amerikanischen Oberstaatsanwaltschaft Berlin unternommen hat, um Kemritz vor deutsche Gerichte zu ziehen,
    2. ob sie bereit ist, die Justizminister der Länder der Bundesrepublik aufzufordern, gegen Kemritz unverzüglich eine allgemeine Fahndungsaktion einzuleiten mit dem Ziel, Kemritz wegen des dringenden Verdachts des vielfachen Verstoßes gegen Bestimmungen des deutschen Strafgesetzes wie der Gesetze der Menschlichkeit (Nürnberger Tribunal) zur Verantwortung zu ziehen,
    3. ob sie bereit ist, unverzüglich mit dem Herrn Hohen amerikanischen Kommissar in Verbindung zu treten mit dem Ziel, eine grundsätzliche Übereinstimmung in der rechtlichen und moralischen Beurteilung des Falles zur Vermeidung schwerer Verwirrung der Rechtsanschauungen und Rechtsachtung herbeizuführen.
    Meine Damen und Herren, soviel zum Fall Kemritz als solchem. Es scheint uns aber notwendig, nicht bei dem Fall Kemritz stehen zu bleiben, sondern ihn, wie es auch schon mein Herr Vorredner getan hat, unter einem größeren Blickwinkel zu sehen und daraus gleichzeitig auch die praktischen Konsequenzen zu ziehen. Deshalb ist Ihnen ein Antrag mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit vorgelegt worden. Dieses Gesetz ist in Berlin bereits verabschiedet worden. Die Entwicklung der Dinge scheint es uns aber notwendig zu machen, daß auch hier in der Bundesrepublik eine gesetzliche Handhabe geschaffen wird, die es ermöglicht, bei derartigen Vorkommnissen, wie sie durch den Fall Kemritz gekennzeichnet werden, nachhaltig einzuschreiten. Deshalb sieht der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf eine Ergänzung des Strafgesetzbuches, zunächst im § 234, vor, indem ein § 234 a eingefügt werden soll, der die Verschleppung unter Strafe stellt. Danach soll bestraft werden, wer jemanden durch List, Drohung oder Gewalt in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbringt oder ihn veranlaßt, sich dorthin zu begeben, oder ihn davon abhält, von


    (Dr. Weber [Koblenz])

    dort zurückzukehren, und ihn dadurch der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkurmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden. Bei der Schwere dieses Verbrechens scheint es uns auch notwendig zu sein, grundsätzlich Zuchthaus anzudrohen.
    Des weiteren scheint es uns aber notwendig zu sein, eine Bestimmung gegen die politische Denunziation, gegen die politische Verdachtigung zu schatten, um auch diese Tatbestände besser tretfen zu konnen, als es nach den bisherigen Strafbestimmungen möglich ist.
    Es erweist sich dann weiter als nötig, eine Ergänzung des § 139 des Strafgesetzbuches vorzunehmen, indem dort an die Stelle der Worte „Menschenraubes oder gemeingetahrlichen Verbrechens" die Worte „eines Menschenraubes, einer, Verschleppung oder eines gemeingetahrlichen Verbrechens" gesetzt werden, die Verschleppung dort also noch eingetilgt wird.
    Meine Damen und Herren! Der Fall Kemritz hat uns gelehrt, daß es notwendig ist, uns unserer Haut zu wehren. Es muß erwartet werden, daß die einhellige Stellungnahme des Deutschen Bundestages zur Folge haben wird, daß man auf der Seite der Besatzungsmachte erkennt, worum es uns hier tatsächlich geht. Es geht uns darum, das Recht zu sichern. Es geht uns darum, daß dem Volke der Glaube an die Unteilbarkeit und Absolutheit des Rechts erhalten wird, dessen bewußte Zweckbeugung man mit als tiefste Ursache des Hitlerzusammenbruchs empfunden hat.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es darf in Zukunft keine Unmenschlichkeit mehr
    geben, die mit politischen Zweckgründen entschuldigt werden kann und deren Verfolgung dem zustandigen Richter entzogen wird. Deshalb bitten
    wir Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, beziehungsweise ihn zunächst an den Ausschuß für
    Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.

    (Beifall in der Mitte, rechts und bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister der Justiz.

(Abg. Euler: Ich bitte ums Wort!)

— Herr Abgeordneter Euler?

(Abg. Euler: Ich bitte ums Wort zur Begründung unseres Antrages!)

— Herr Abgeordneter Euler, es pflegt die Regel zu sein, daß Interpellationen zunächst beantwortet werden. Wenn aber der Minister Wert darauf legt, daß die Begründung Ihres Antrages zuerst erfolgt,

(Zustimmung des Bundesjustizministers)

— dann bitte ich Sie, zur Begründung das Wort zu nehmen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meinem sehr großen Bedauern bin ich genötigt, an die Spitze meiner Ausführungen eine Verwahrung, und zwar eine sehr entschiedene Verwahrung gegen einen polemischen Angriff des Herrn Kollegen Arndt zu stellen. Dieser Angriff versuchte, die Freie Demokratische Partei der Mitwirkung bei den Protestaktionen aus Anlaß der Kranzniederlegung an den Gräbern von Ohlendorf und einem anderen der Landsberger Verurteilten zu bezichtigen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir uns aus genau denselben Erwägungen wie Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, gegen die Vollstreckung der Urteile gewandt haben. Die wesentlichste Erwägung dabei war, daß wir ein Bundesgesetz haben, das die Todesstrafe abgeschafft hat, und daß der Widerspruch gegen dieses Grundgesetz in diesem Augenblick nicht von den Besatzungsmächten hätte exekutiert werden sollen. Wir haben aber nichts getan, was Anlaß dazu hätte bieten können, die Verurteilten in der Glorie von Märtyrern erscheinen zu lassen, da wir sehr wohl wissen, daß sie Schwerverbrecher sind. Ich muß also Herrn Kollegen Arndt bitten, wenn er meint, daß Angehörige der FDP an diesen Kranzniederlegungen teilgenommen hätten, uns entweder das Material zugängig zu machen oder aber fairerweise hier an dieser Stelle die Behauptung, die er ausgesprochen hat, wieder zurückzunehmen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Thema Kemritz! Seitdem die Freie Demokratische Partei, Landesverband Hessen, in der vorvorigen Woche verschiedene Publikationen in deutschen Zeitschriften zum Anlaß nahm, um sowohl an den Herrn Bundesjustizminister als auch an den hessischen Ministerpräsidenten zu appellieren, sind eine Reihe von Maßnahmen der amerikanischen Besatzungsmacht zum Schutze von Kemritz getroffen worden, die in keiner Weise gerechtfertigt werden können und die unser Volk auf das tiefste erregt haben.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Der Fall Kemritz ist ein Ausschnitt aus dem ernsten Kapitel des kalten Krieges und der Geheimdienste, die diesen kalten Krieg auf deutschem Boden führen.

    (Abg. Renner: Aha!)

    Deutschland ist einer der Hauptkriegsschauplätze dieses kalten Krieges der Großmächte. Der große Umfang, in dem dieser Krieg der Geheimdienste auf deutschem Boden vor sich geht, macht es um so wesentlicher, daß wir als Deutsche alles tun, um dafür zu sorgen, daß das Gebiet der Bundesrepublik keine freie Wildbahn und kein Schutzgebiet für Agenten wird, die mit Wissen der Besatzungsmächte kriminelle Untaten begehen. Das Problem ist für uns um so ernster, wenn es sich um deutsche Staatsangehörige handelt. Sie sind Bürger dieses Landes und unterliegen seinen Gesetzen und den zu ihrer Wahrung und Vollstreckung vorgesehenen gesetzlichen Maßnahmen der deutschen Justiz und der deutschen Administration.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind bemüht, die demokratischen Kräfte aller Parteigruppierungen und eine rechtsstaatliche Demokratie in Deutschland zu entwickeln. Die rechtsstaatliche Demokratie kann nicht ohne unabhängige Justiz gedeihen. Die Verankerung dieses Rechtsstaates und das rechte Wissen um die Unentbehrlichkeit einer unabhängigen Justiz für diesen Rechtsstaat im Bewußtsein des deutschen Volkes sind aber nicht möglich, wenn die Besatzungsmächte aus Scheingründen, aus Gründen, die sie ja nicht ernsthaft erwogen haben können, der deutschen Justiz in den Arm fallen.
    Was Dr. Kemritz getan hat, ist nur dadurch zu kennzeichnen, daß man sagt, er hat sich als Menschenfalle betätigt. Und da er dies in nicht weniger


    (Euler)

    als acht Fällen getan hat, so gibt es für die Besatzungsmächte — wie Kollege Arndt zutreffender-weise dargetan hat — weder eine Möglichkeit, die Schadenersatzansprüche der deutschen Verletzten aufzuhalten, noch die Möglichkeit, Vollstreckungsmaßnahmen des deutschen Finanzfiskus wegen Steuerschulden zu verhindern; es besteht für die Besatzungsmächte ebensowenig die Möglichkeit, Maßnahmen der deutschen Standes-Ehrengerichtsbarkeit gegen Kemritz zu verhindern. Es gibt aber auch keine Rechtfertigung der Verhinderung von Maßnahmen, die die deutsche Strafjustiz durchführen müßte, um für Delikte des Menschenraubs und der Menschenvernichtung, deren sich Dr. Kernritz schuldig gemacht hat, die notwendige Sühne herbeizuführen. Der amerikanische Landeskommissar für Hessen hat sich zwar auf Gesetz Nr. 14 Art. 3 berufen, obwohl es sich in diesem Falle nicht um eine Zusammenarbeit mit den Alliierten handelt, die dem Schutze dieses Gesetzes unterliegen könnte. Er hat aber vergessen, ein ganz anderes wesentliches Gesetz heranzuziehen, nämlich das Gesetz Nr. 10 des Alliierten Kontrollrats vom 12. April 1946, das in Art. 2 Ziffer 1 d und in Ziffer 2 ausdrücklich die indirekte Beihilfe zu Menschenraub unter den Delikten aufzählt, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bezeichnen sind.
    Wir müssen uns mit aller Entschiedenheit dagegen wehren, daß die amerikanische Besatzungsmacht Schutzmaßnahmen zugunsten eines Deutschen trifft, der gegen andere Deutsche als Menschenfalle gewirkt und Menschenraub begangen hat. Wir haben ins Auge zu fassen, daß bisher nicht nur Vollstreckungsmaßnahmen verhindert wurden, sondern daß jetzt Dr. Kernritz selbst, nachdem vor seinem Grundstück in Bad Homburg von der amerikanischen Besatzungsmacht ein Schild: „Off Limits — Zutritt Deutschen verboten" angebracht wurde,

    (Hört! Hört! rechts)

    in ein US-Camp in der Nähe von Heidelberg in Sicherheit verbracht worden ist, wo er einstweilen unter US-Bewachung lebt.

    (Erneute Zurufe rechts: Hört! Hört!)

    Es erhellt daraus die Absicht der amerikanischen Besatzungsmacht, die Schutzmaßnahmen für Dr. Kemritz weiterhin aufrechtzuerhalten.
    Wir haben nun um so mehr Anlaß, mit äußerster Entschiedenheit auf die Abstellung solcher ungerechtfertigter Schutzmaßnahmen hinzuwirken, als in den letzten Tagen einige Fälle bekanntgeworden sind, in denen Angehörige der Besatzungsmacht von gewissen Eingriffsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben und auf ebenfalls sehr verhängnisvolle Weise deutschen Behörden in den Arm gefallen sind. Ich will hier nur einen Fall erwähnen, der in den letzten Tagen bekannt wurde, nämlich den des Chemikers Wendt von der Frankfurter Firma Schleußner, einer Film- und Photofabrik. Dieser Dr. Wendt wurde des Diebstahls an Forschungsergebnissen in der Firma Schleußner überführt. Die Koffer, die bei ihm in der Wohnung beschlagnahmt wurden, wurden nach der Sicherstellung durch die deutsche Polizei von amerikanischer MP wieder in amerikanischen Besitz gebracht.

    (Hört! Hört!)

    Weitere Koffer mußten dann an die amerikanische Militärpolizei in deren Gebäude abgeliefert werden, die dort versiegelt wurden. Jedenfalls ist kurz darauf Frau Wendt unter dem Schutz amerikanischer
    Polizei mit einem dieser Koffer in ein Flugzeug mit dem Ziel USA verbracht worden.

    (Erneute Zurufe: Hört! Hört!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir diese Fortdauer einer völlig verfehlten Einstellung amerikanischer Behörden und amerikanischer Exekutivbeamten auf deutschem Boden erleben, dann wird das auf das äußerste gefährdet, was wir als großes politisches Ziel anstreben. Das ist nicht nur innerpolitisch die Gesundung der Demokratie im Sinne eines freiheitlichen Rechtsstaates, sondern es ist vor allem außenpolitisch ein immer engeres Zusammenwirken nicht nur in der Wirtschaft, sondern vor allem auch auf der breitesten Basis der Politik zwischen allen freiheitlichen Völkern der Welt, zwischen allen Völkern, denen es darum geht, nicht nur zu verhüten, daß weitere Völker in Sklaverei versinken, sondern die sich dafür einsetzen, daß die Sache der Freiheit und des Rechtes auf friedliche Weise gegenüber den Ansprüchen der Tyrannei zum Siege gelangt.
    Wir lasen in den heutigen Tageszeitungen, daß der amerikanische Hochkommissar McCloy am Dienstag, dem 19. Juni, in Washington verkündet hat, es sei demnächst mit einer Erklärung der führenden Demokratien über die neuen Absichten ihrer Deutschlandpolitik zu rechnen. Die Ankündigung einer solchen fundamentalen Erklärung, die dahin lauten soll, daß dem deutschen Gleichberechtigungsverlangen schneller stattgegeben wird, wird durch Beamte der Besatzungsmacht desavouiert, die offensichtlich noch stark von dem Geiste des Morgenthau-Plans infiziert sind

    (Sehr richtig! rechts)

    und sich nicht genügend schnell auf die neuen Realitäten, auf die neuen Notwendigkeiten zur Bewahrung und Durchsetzung der Demokratie in der Welt haben umstellen können. Wir möchten diese Gelegenheit benutzen, um an die amerikanische Besatzungsmacht dahin zu appellieren, daß sie von oben her auf die breite Masse ihrer Exekutivbeamten und -angestellten nicht nur in der Besatzungsverwaltung, sondern auch auf die Truppe, die auf deutschem Boden steht, einwirkt, sich des Geistes bei allen Maßnahmen zu befleißigen, der zum Ausdruck bringt, daß Deutschland nicht mehr der Besiegte von gestern, sondern der faire Partner von heute und morgen für alle Völker der freien Welt ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Aus diesen Erwägungen heraus haben wir uns entschlossen, einen umfassenden Antrag einzubringen, der über den Inhalt der Anträge der CDU und SPD hinausgeht. Er lautet:
    In der Überzeugung, daß der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates mit der ihm unentbehrlichen unabhängigen Rechtspflege im Bewußtsein des deutschen Volkes auf das schwerste gefährdet wird, wenn die Besatzungsmächte Eingriffe vornehmen, um ordentliche Justizverfahren gegen deutsche Staatsangehörige zu verhindern oder zu beeinflussen,
    ersucht der Bundestag die Bundesregierung, bei dem Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten zu erwirken, daß die Maßnahmen aufgehoben werden, die amerikanische Dienststellen eingeleitet haben, um Strafverfahren und berufsständische Ehrengerichtsverfahren gegen den Rechtsanwalt Dr. Kemritz zu ver-


    (Euler)

    hindern und um die Durchsetzung zivil- und
    öffentlich-rechtlicher Ansprüche zu verhüten.
    Die Bundesregierung wird ferner ersucht,
    bei dem Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten sicherzustellen, daß weitere Eingriffe der amerikanischen Besatzungsmacht unterbleiben, die darauf abzielen, dem schwerer Verbrechen Beschuldigten gegenüber der deutschen Justiz einen nach deutschem Recht nicht begründeten Schutz zuteil werden zu lassen, und daß Dr. Kemritz den zuständigen
    deutschen Behörden ausgeliefert wird.
    Auf diesen Nachsatz möchte ich besonders hinweisen, nachdem festzustehen scheint, daß sich Dr. Kemritz noch auf deutschem Boden befindet, allerdings unter Obhut der Besatzungsmacht in einem US-Camp in der Nähe Heidelbergs.

    (Beifall bei der FDP.)