Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in den Filmangelegenheiten bisher üblich gewesen, daß interfraktionelle Anträge in gemeinsamen Beschlüssen erledigt wurden. Uns sagt diese Übung an sich durchaus zu, sie entspricht der bisherigen Behandlung der Materie, bei der sich unterschiedliche Auffassungen — jedenfalls nach politischen Gesichtspunkten — nicht ergeben haben. Die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Wirtschaftsprinzipien ist ebenfalls nicht so sehr offenbar geworden, da Struktur und Arbeitsweise der deutschen Filmwirtschaft vorerst immer noch durch die alliierten Bestimmungen auf diesem Gebiete festgelegt bleiben. Ich glaube im Grunde genommen auch jetzt, daß wir in der gleichen Absicht und eigentlich auch in der gleichen Übereinstimmung handeln, wenn wir Verschiedenes tun.
Wir haben es abgelehnt, uns an der Initiative zur Vorlage eines Gesetzes über Quoten zu beteiligen. Auf diese Weise soll insbesondere der Filmwirtschaft offenbar gemacht werden, daß der deutsche Bundestag ungeduldig wird und mit der bisherigen Entwicklung sehr wenig zufrieden ist.
Von den Beteiligten und Betroffenen sind wie immer bei diesen Dingen die Standpunkte dargelegt worden. Filmproduktion und Filmverleih sind für die Quoten, die Filmtheater sind gegen sie. Bei dieser Stellungnahme liegt zunächst der Interessenstandpunkt der Beteiligten auf der Hand, auch bei den Filmtheatern. Wenn wir nun aber daran gehen, die vom Interessentenstandpunkt vorgebrachten Argumente gewissermaßen auf ihre sachliche Substanz hin zu untersuchen, so ergibt sich, jedenfalls für mich, zunächst, daß für die Quote nur das eine zu sprechen scheint: man würde nämlich mit der Quote zu rascheren Einspielergebnissen bei den deutschen Filmen kommen. Die Überbesetzung der Termine bringt es mit sich — das hat sich in der letzten Zeit in den Wenigen Fällen, wo man von guten deutschen Filmen sprechen konnte, immer wieder gezeigt —, daß auch bei guten Spielergebnissen der Film abgesetzt werden muß, weil schon neue Terminbesetzungen vorliegen und erst wesentlich später damit gerechnet werden kann, daß er vielleicht noch einmal zum Zuge kommt. So ist es sehr interessant, zu wissen, daß „Das doppelte Lottchen" in Berlin bisher von nahezu 700 000 Besuchern gesehen worden ist und daß in der Relation in der gesamten Bundesrepublik dem eine Zahl von 14 Millionen Besuchern entsprechen müßte, bisher aber nur 4 Millionen diesen Film gesehen haben.
Insgesamt jedoch scheint das, was die Filmtheater zu diesen Dingen vortragen, an sich sehr viel Überzeugendes zu haben. Einmal liegt der Prozentsatz der Spieltermine für deutsche Filme praktisch ungefähr in der Höhe, die die Quota festlegen will. Zum andern ist — darauf hat mein verehrter Herr Vorredner, Herr Dr. Vogel, schon hingewiesen und auch darauf, daß dafür im Gesetz besondere Vorkehrungen getroffen werden sollen — keine Gewähr dafür gegeben, daß so viele deutsche Filme vorhanden sind, als nötig sind, um die Quotaverpflichtung wirklich einhalten zu können. Dafür braucht man mindestens 87 Filme. Die sind in diesem Jahr nicht erstellt worden, und wie es im nächsten Jahr ist, wissen wir erst recht nicht. Es gibt streng genommen ja nur einen Grund, der die Quota unerläßlich notwendig machen könnte, das wäre die strikte Weigerung der Filmtheater, gute deutsche Filme wiederzugeben, und ihr Bestreben, ausländische allein schon deshalb immer wieder zu spielen, weil es ausländische Filme sind. Das ist aber gar nicht der Fall. Der Publikumsgeschmack tendiert heute in der Regel noch zum deutschen Film. Ob es allerdings beim Andauern der Verhältnisse, die wir haben, noch lange so bleiben wird, daß der Geschmack in der Richtung tendiert, das ist sehr die Frage. Man würde in den Lichtspieltheatern gute deutsche Filme gern und reichlich spielen, wenn man sie hätte. Man hat sie aber nicht,
und sie zu schaffen, ist wohl das Quotagesetz zumindest kein ausreichender Versuch.
Die Filmfestspiele in Berlin haben uns leider wieder davon überzeugen müssen, wie wenig es der Filmindustrie überhaupt und insbesondere im letzten Jahr mit Hilfe der Bundesbürgschaft gelungen ist, sich in der internationalen Auseinandersetzung wieder einigermaßen nach vorne zu bewegen. Deshalb erscheint es meinen politischen Freunden und mir sehr empfehlenswert, hier die äußerste Vorsicht walten zu lassen.
Die Ausfallbürgschaft des Bundes für deutsche Filme ist sicherlich notwendig gewesen. Wir haben ihr zugestimmt. Wir haben an der Ausarbeitung der Bestimmungen mitgearbeitet und wollen uns in keiner Weise nachträglich von dem distanzieren, was wir damals gutgeheißen haben. Sie war notwendig, damit überhaupt weitergearbeitet werden konnte, und es galt damals, schnell zu handeln, selbst wenn man Mängel, die man erkennen, und solche, die man ahnen konnte, mit in Kauf nehmen mußte. Das haben wir, glaube ich, alle gewußt, und wir alle haben unter dieser Voraussetzung gehandelt. Es ergab sich aber als besonders schwerwiegender Mangel die unerwünschte Begleiterscheinung, daß gerade durch diese Bürgschaft die unerträglichen und auf die Dauer unhaltbaren Verhältnisse in der Filmproduktion konserviert worden sind.
Praktisch ist dem Produzenten das Risiko abgenommen worden. Für ihn ist, um es einmal ganz grob zu sagen, der Fall erledigt, wenn nach der Bürgschaft die Finanzierung gelungen ist und er seine 7 1/2 % Geschäftsunkosten einstreichen kann; ob das, was er erarbeitet, nun wirklich ein Geschäft wird, das braucht ihn nicht zu interessieren, er braucht gar nicht auf den Gewinn zu sehen, um auf seine Kosten zu kommen.
Der Verleih, der heute, um des deutschen Films und vielleicht um noch viel höherer Güter willen, natürlich auch an der Quota interessiert ist, könnte, finde ich, etwas für den deutschen Film tun, wenn er - ich will milde sein — unter dreien immer einen ausknobeln wollte, der das angenehme Geschäft weiterbetreibt, so daß die übrigen zwei sich dann anständigen Berufen zuwenden könnten. Ich bin mir des Gewichts meiner Worte voll bewußt. Der Verleih ist eine notwendige und deshalb auch im Rahmen des Filmgeschäfts eine durchaus seriöse Funktion. Aber wenn in unserem so weitgehend verkleinerten Wirtschaftsraum 106 Verleiher leben wollen — und in einem geben sich die Leute wirklich Mühe, nämlich gut zu leben —,
dann muß es bei sehr vielen mit anständigen und gesunden Geschäftsmethoden einfach aufhören. Ich brauche das nicht nur als Schlußfolgerung vorzutragen, die Praxis zeigt es uns ja täglich. Wie immer wird auch in dieser Sparte das Ansehen der Wertvollen durch die Überflüssigen geschädigt.
Mit dieser Übersetzung in Produktion und Verleih und diesen Geschäftsmethoden geht es nicht weiter. Bundesregierung und Bundestag würden Schuld auf sich laden, wenn sie nicht alles versuchen würden, um hier Wandel zu schaffen. Schließlich darf sich das Bürgschaftsverfahren nicht in einer Alimentierung ausgesprochenen Parasitentums auswirken.
Marika Rökk — um hier einmal einen Fall anzusprechen — erhält für den Film „Glück im Spiel" ein Honorar von 150 000 DM,
ihr Herr Gemahl für Regie, Mitarbeit am Drehbuch usw. auch noch 150 000 DM; und da ist noch ein Schwager oder sonstwie naher Verwandter, der 75 000 DM bekommt. Alles in allem sind das 375 000 DM.
Man sieht: von der so oft beklagten Verkümmerung des Familiensinnes ist hier nichts zu spüren.
Meine Damen und Herren, wenn man so etwas hört, wird man gelegentlich doch von dem Zweifel geplagt, ob die Diäten der Bundestagsabgeordneten wirklich die höchsten Entschädigungen sind, die in diesem Lande gezahlt werden.
Interessant war, daß sich nach der Ablehnung solcher Honorare bei diesem Film, für den natürlich auch eine Ausfallbürgschaft beantragt wurde, durch den Beirat und den interministeriellen Ausschuß der arme Produzent plötzlich in der Lage sah, das, was an den vereinbarten Honoraren abgestrichen worden war, aus seiner eigenen Tasche dazuzulegen.
Ich finde, es ist unanständig, heute solche Honorare zu fordern, und es ist ebenso unanständig; sie zu bewilligen. Denn es geht hier um Dinge, für die letzten Endes der Steuerzahler das Risiko zu tragen hat. Aber das non olet in diesem Punkt gilt nicht nur für die Höhe der Beträge — mit der Höhe nimmt der Geruch ja ohnehin immer etwas ab —, sondern auch für die Art der Geber. Man läßt sich das leichtgeschürzte Röckchen um die schlanken Glieder hochblasen, aus welcher Richtung auch immer der politische Winde weht.
Beim „Glück im Spiel" wird in Hamburg mit der Film-Union zusammengearbeitet. Das „Kind der Donau" dagegen fand sein Glück im Spiel bei der Nova-Filmgesellschaft in Wien. Die Film-Union in Hamburg ist bekanntlich jung, die Nova-Filmgesellschaft in Wien dafür russisch.
Das „Kind der Donau" ist ein Propagandafilm mit ausgeprägt volksdemokratischem Einschlag. Ehe die Kopien zu uns kamen, hat man freilich das allzu Penetrante herausgeblasen. Es ist jedoch immer noch genug Henneckescher Aufbaufreude übriggeblieben.
Uns interessiert in diesem Fall sehr, welche Rolle das Bundeswirtschaftsministerium dabei gespielt hat, daß dieser „ungemein wertvolle" Film überhaupt nach Deutschland gekommen ist. Für diesen Film sind 1,2 Millionen DM hergegeben worden.
Das heißt doch in der Praxis: man hat darauf verzichtet, für 1,2 Millionen DM andere Waren aus
Österreich zu beziehen, um diesen Film hereinbekommen zu können. Darüber hinaus soll der Film
sogar ohne die Zustimmung des österreichischen
Ministeriums für Handel und Verkehr nach Deutschland eingeführt worden sein. Das ist dadurch erreicht worden, daß man den bestehenden Vertrag
geändert hat und aus einer Verpflichtung für dieses Ministerium, seine Zustimmung zu geben, lediglich eine Empfehlung gemacht hat, diese Zustimmung müsse „nach Möglichkeit" eingeholt werden.
Nachdem man dann diesen Vertrag so geändert hatte,
war es trotz des Unbehagens dieses österreichischen
Ministeriums möglich, den Film hierherzubringen.
CEO
Eine Wochenschrift, die ihre Seiten merkwürdigerweise nicht mit den Erinnerungen aus den Tagebüchern von Hitler und Göring sowie den Erinnerungen ihrer Köche, Hunde, Pferde und Panzergenerale oder mit der Roten Kapelle füllt, hat darüber einige sehr interessante Details zusammengetragen. Wir stellen den Artikel gern zur Verfügung- und sind auch bereit, eine Interpellation einzubringen, wenn es notwendig sein sollte, die Auskunftsfreudigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums in dieser Beziehung etwa noch etwas anzuregen.
Wir wünschen von dem heiteren Künstlervölkchen diejenigen hier nicht mehr zu sehen, die die Zusammenarbeit mit den Russen nicht nur für unanstößig, sondern offenkundig sogar für erwünscht halten.
Hier muß man sich zur Rückversicherung allerdings noch der Anstrengung des Doppelverdienertums unterwerfen; im Ernst: eine verächtliche Angelegenheit!
Unser Ausschuß ist jetzt über das letzte Wochenende in Berlin gewesen. Wir haben dort nicht nur unsere Probleme bearbeitet, sondern haben — dies so oft wie möglich zu tun, wäre für alle Mitglieder dieses Hohen Hauses sehr gut — Erfahrungen über die Lage dieser Stadt und vor allen Dingen über die Haltung ihrer Menschen erneuern, gewinnen und in uns verstärken können. Wir müssen uns ja vor den Berlinern schämen, daß bei uns solche Dinge noch immer wieder möglich sind. Hier ist wirklich eine klare Scheidung unerläßlich. Selbst wenn, was ich allerdings sehr herzhaft bezweifle, Revuefilme dieser Art nur mit solchen Leuten zugkräftig zu machen sind, dann verzichten wir. Wir haben ja seit 1945 auf so vieles verzichten müssen. Wir würden, so scheint mir, auch den Abschied von den Beinen Marika Rökks und ihrem melodiösen Deutsch ertragen können, ohne Schaden an unserer Seele zu nehmen. Jedenfalls scheinen die großen Sünderinnen nicht in dem Film von Willi Forst allein zu finden zu sein.
Im Zusammenhang mit der Bürgschaft haben sich der Ausschuß und vor allem der parlamentarische Beirat um eine Vorfinanzierung der Drehbücher bemüht; auch darauf hat mein Kollege Vogel bereits hingewiesen. Diese Bemühungen, die Drehbücher vorzufinanzieren, um damit bessere Stücke an die Hand zu bekommen und die Filme dadurch besser gestalten zu können, sind alles in allem am Widerstand der Produktion gescheitert, so daß man den ernsthaften Willen der Produktion, Talente zu suchen und an sich zu ziehen, bezweifeln muß. Eins steht im Zusammenhang mit der gesamten Filmmisere, die natürlich zu einem großen Teil eine wirtschaftliche, eine finanzielle Misere ist, fest: ob ich Einfälle habe wie die französischen, italienischen, aber auch englischen und amerikanischen Filmproduzenten oder ob ich solche Einfälle nicht habe, ist keine finanzielle Frage.
Wenn es gelänge, den Inhalt der Drehbücher wenigstens auf das Niveau der Honorare zu heben, die dafür immer noch gezahlt werden, würden wir ein gutes Stück weiterkommen können.
Wer sich infolge seiner Beschäftigung mit der Ausfallbürgschaft im Laufe des letzten Jahres mit den Filmangelegenheiten etwas intensiver befassen mußte, hat hier eine Materie kennengelernt, die a mehr interessant als angenehm ist, eine Materie, die aber meiner Ansicht nach weder für die Ekekutive noch für die Legislative sonderlich schicklich ist. Es geht nicht an, daß auf die Dauer würdige Ministerialräte oder sogar direktoren und Parlamentsabgeordnete unablässig Drehbücher lesen. Die Filmwirtschaft muß wieder aus eigener Verantwortung und vor allem mit eigenem Risiko arbeiten. Wir müssen Mittel überlegen; die das möglich machen. Dabei wurde — auch das ist vorhin schon gesagt worden — zunächst an die Filmbank gedacht. Das schwierige Problem bei ihr ist nicht, sie zu gründen, sondern das Produktionskapital zu finden. In diesem Zusammenhang ist nun wiederum der Gedanke des Filmgroschens in die Debatte geworfen worden. Ob dies ein richtiges und vertretbares Mittel ist, kann im Augenblick noch nicht gesagt werden. Ich will mir deshalb hierüber auch keine Ausführungen erlauben, davon wird bei den Ausschußarbeiten noch im einzelnen zu reden sein. Vielleicht bedarf es hierzu auch gar keines Beschlusses des Hohen Hauses; denn hier handelt es sich um Dinge, die auf Grund der Vollmachten, die das Wirtschaftsministerium in der Hand hat, auf dem Verwaltungswege geregelt werden können.
Zusammenfassend möchte ich jedenfalls feststellen, daß das Bürgschaftsverfahren zu einer merklichen Leistungssteigerung nicht geführt hat und daß man deshalb — denn das ist das Entscheidende, und in dieser Beziehung liegen die Verhältnisse bei uns anders als in den Ländern, die vorhin zitiert worden sind — von der Quote sicherlich noch viel weniger erwarten kann. Wir .Sozialdemokraten wollen im Augenblick zu dem hier eingebrachten Gesetz noch kein endgültiges Nein sprechen. Wir
werden unser Urteil fällen, wenn zu übersehen ist,
was die Ausschußberatungen zuguterletzt oder
zuschlechterletzt ergeben werden. Jedenfalls werden wir die Dinge sehr kritisch betrachten. Im
Sinne dieser unserer kritischen Einstellung haben
wir daher die hier gebotene Möglichkeit benutzt, um
der Filmwirtschaft ins Gewissen zu reden oder in
das, was sie sonst als Äquivalent dafür besitzen mag.