Meine Damen und Herren! Als Mitglied der Bundesregierung kann ich nur wünschen, daß der Bundestag dem vom Kollegen Brandt begründeten Antrag des Berlin-Ausschusses einmütig zustimmt. Ebenso würde ich es begrüßen, wenn in Beachtung einer solchen Willenskundgebung des Hohen Hauses weitere Ausschüsse des Parlaments zu Beratungen von gesamtdeutscher Bedeutung für den einen oder anderen Tag nach Berlin gingen. Der Berlin-Ausschuß und der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen haben das, wie wir eben schon gehört haben, längst in sinnvoller Weise zu ihrer Gewohnheit gemacht. Daß gerade der Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film in den jüngsten Tagen dem Beispiel der genannten Ausschüsse gefolgt ist, ist ganz besonders begrüßenswert. Denn, meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: es wird nicht zuletzt für diesen Ausschuß von beson-
derem Wert gewesen sein, in Berlin dem Grundproblem deutscher Sorge und deutscher Politik unmittelbar zu begegnen, der Sorge um die Einheit Deutschlands.
Es ist ja ganz selbstverständlich, daß die Sorge um die Einheit Deutschlands nirgends so brennend und nirgends so drängend empfunden wird wie in Berlin. Deshalb sind Begegnungen mit dieser Stadt und mit ihrer Bevölkerung für jeden notwendig, der irgendwie deutscher Politik verpflichtet ist.
Der Herr Berichterstatter hat in diesen Tagen an anderer Stelle gemeint zum Ausdruck bringen zu dürfen, Berlin würde von dem offiziellen Bonn als karitatives Problem und nicht als erstrangige nationalpolitische Aufgabe gesehen. Ich weiß nicht, wen der Kollege Brandt, als er das sagte oder niederschrieb, als das „offizielle" Bonn angesehen hat. Ich will das auch nicht näher untersuchen. Eines ist jedenfalls Tatsache: Wer der Stadt Berlin in dieser Zeit begegnet, fühlt etwas von der Aufgabe, ich möchte sogar sagen, von der Sendung, die dieser Stadt für ganz Deutschland und, wie die Dinge in der -Welt nun einmal liegen, für ganz Europa aufgegeben ist. Ich kann deshalb nur jedem Politiker den unmittelbaren Kontakt mit Berlin und mit der Bevölkerung von Berlin wünschen.
Ich darf dabei wiederholen, was ich in den letzten Tagen schon so oft gesagt habe: Wer immer in diesem Lande den öffentlichen Angelegenheiten verpflichtet ist, muß notwendigerweise der Stadt Berlin und ihrer Bevölkerung immer wieder begegnen.
Was die in dem Antrag für besondere Anlässe gewünschten Plenarsitzungen des Bundestages in Berlin angeht, so hätten wir nach meiner Meinung schon günstige Gelegenheit gehabt, in Berlin zu tagen. Es war in Übereinstimmung mit vielen meiner engeren Freunde in diesem Hause ein drängendes und ein wichtiges Anliegen, schon der Tagung vom 9. März ein besonderes Gewicht dadurch zu geben, daß man sie in Berlin abhielt. Ich stehe noch heute auf dem Standpunkt, daß jene Demonstration des Bundestages für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und Frieden in Berlin noch weit wirksamer gewesen wäre,
insbesondere auch in `ihrer Ausstrahlung auf die 18 Millionen Menschen in der Sowjetzone.
Das Reichstagsgebäude, meine Damen und Herren, liegt zwar immer noch in Trümmern. Aber bis es wieder benutzbar wird, stehen in Berlin für Tagungen des Bundestages genug würdige Räume zur Verfügung. Auf jeden Fall — das ist meine Überzeugung — soll uns der vorliegende Antrag für den nächsten außerordentlichen Anlaß den Weg nach Berlin weisen. Ich bin gewiß, ja ich bin davon überzeugt, daß dieser Anlaß nicht allzu lange auf sich warten lassen wird.
Was nun das Reichstagsgebäude selbst angeht — Kollege Brandt hat eben schon davon gesprochen —, so habe ich bereits vor Jahresfrist seinen Wiederaufbau angeregt. Die Anregung geschah aus dem politischen Impuls, ein Symbol mehr für unseren zuversichtlichen Glauben an die Wiederherstellung der deutschen Einheit zu schaffen, nicht zuletzt auch im Denken an die Sowjetzone und an ihre Bevölkerung. Wir haben in der Zwischenzeit die technischen Möglichkeiten der Wiederherstellung und auch die Kostenfrage prüfen lassen. Ich will nicht
verhehlen und brauche es hier auch nicht zu verhehlen, daß sehr viele technische und auch sehr viele künstlerische Einwände gemacht worden sind. Für mich bleibt aber der politische Gesichtspunkt maßgebend. Deshalb wird der Plan der Wiederherstellung des zerstörten Reichstagsgebäudes weiterverfolgt.
Ich brauche weiter nicht zu verhehlen, daß bei der Finanzlage des Bundes die Kostenfrage natürlich einige Sorge macht. Aber ich meine, auch das wird gemeistert werden.
Ich bin vom Vorsitzenden des Berlin-Ausschusses gebeten worden, in der nächsten Ausschußsitzung über den Stand der gesamten Frage Bericht zu erstatten bzw. Rede und Antwort zu stehen. Es würde auch zu weit führen, hier vor dem Plenum des Hauses über Feststellungen und Ergebnisse von Beratungen mit Sachverständigen und Architekten zu berichten.
Im übrigen, meine Damen und Herren — ich glaube, es verdient bekanntgegeben zu werden —, hat sich die Berliner Bevölkerung in einem einfach bewundernswerten Akt; in einem prachtvollen Impuls ans Werk begeben, um schon einmal Vorarbeit im Reichstagsgebäude zu leisten. Ich habe es mir gestern noch einmal bestätigen lassen, daß rund 500 Berliner, darunter 50 Frauen, sich bereiterklärt haben, freiwillig Aufräumungsarbeiten vorzunehmen und das Gebäude zu enttrümmern. Sie sind dabei, das zu tun, darunter viele Beamte, auch Leute, die früher im Auswärtigen Amt usw. tätig waren. Sie leisten diese Arbeit unentgeltlich, nur für ein Mittagessen; diejenigen, die es brauchen, bekommen außerdem das Fahrgeld vergütet. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß dieses Beispiel für die Bevölkerung im Bundesgebiet ein Ansporn mehr ist, auch zu ihrem Teil das Werk, das uns hier aufgegeben ist, schaffen zu helfen. So oder so wird der Anruf zum Wiederaufbau des Gebäudes ergehen.
Abschließend möchte ich nur noch einmal sagen, daß ich dem Antrag die möglichst einmütige Zustimmung des Hauses wünsche.