Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 113. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte zunächst um Aufmerksamkeit für die Mitteilung der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Mayer , Dirscherl, Dr. Dorls, Kalbfell, Sander, Feldmann, Dr. Greve, Frau Thiele; für sechs Tage den Abgeordneten Raestrup, Loibl. Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz), Henßler, Junglas.
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter bekanntzugeben, daß mir der Kollege Ministerpräsident Zinn unter dem 21. Januar 1951 mitgeteilt hat, daß er unbeschadet der rechtlichen Streitfrage über die Zulässigkeit von Doppelmandaten nach reiflicher Überlegung zu der Auffassung gekommen sei, daß die Übernahme seines neuen Amtes als Leiter der hessischen Regierung die Erfüllung der einem Abgeordneten obliegenden Pflichten nicht mehr hinreichend zulasse und er daher sein Abgeordnetenmandat niederlege.
Ich glaube, das Haus nimmt dies mit Bedauern zur Kenntnis, da es nunmehr die positive und wirkungsvolle Mitarbeit des Herrn Kollegen Zinn nicht mehr zur Verfügung hat.
Dann habe ich mitzuteilen, daß der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen bittet bekanntzugeben, daß die morgige Sitzung des 26. Ausschusses um 9 Uhr 30 nicht, wie auf dem Arbeitsplan angegeben, im Beethoven-Zimmer des Bonner Bürgervereins, sondern im Arbeitsraum für Abgeordnete an der Nordseite des großen Restaurants stattfindet.
Wie üblich werden die amtlichen Mitteilungen zur 113. Sitzung ohne Verlesung im einzelnen ins Protokoll aufgenommen werden.
Zur heutigen Tagesordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Oellers ums Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion spricht die Bitte aus, den Punkt 6 der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Der Sprecher meiner Fraktion hat bereits bei der ersten Lesung dieses Gesetzes betreffend das Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion den Wunsch meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht, vor der Beratung eines Gegenstandes die Drucksachen vollzählig vorgelegt zu bekommen. Wir haben damals moniert. daß unter den Unterlagen zur ersten Lesung das Abkommen vom 19. September 1950 nicht enthalten war. Es ist uns zugesagt worden, daß diese Unterlage nachgereicht würde. Ich darf feststellen, daß das bis heute nicht der Fall ist, so daß wir also heute in zweiter und dritter Lesung über einen Gegenstand abstimmen müßten, für den uns die Unterlagen nicht vollzählig vorgelegt sind. Das glauben die Abgeordneten meiner Fraktion nicht verantworten zu können. Daher die an Sie ergehende Bitte.
Für den Fall, daß man uns diese Bitte nicht erfüllen sollte, bedauert meine Fraktion, bei der Abstimmung Enthaltung üben zu müssen, sich also an der Abstimmung nicht beteiligen zu können.
Herr Abgeordneter Dr. Pünder hat ums Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe für die Anregungen und die Bedenken des Herrn Kollegen Dr. Oellers persönlich durchaus Verständnis, und ich entsinne mich auch lebhaft der berechtigten Bedenken. die Herr Kollege Dr. Wellhausen bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs hier vorgebracht hatte. Wir haben uns — das darf ich bemerken, ich hätte es nachher auch in meinem Bericht gesagt — vom Ausschuß aus sehr bemüht, den Text dieses Abkommens für alle Mitglieder des Hohen Hauses zu beschaffen, obwohl das ja gar nicht die Aufgabe des Ausschusses ist. Es ist immerhin ein ziemlich umfangreiches Werk von, glaube ich, 44 Seiten mit 36 sehr komplizierten Artikeln und vielen Anlagen. Der Herr Präsident in seiner anerkennenswerten Sparsamkeit glaubte es nicht verantworten zu können, daß dieses Abkommen in der Bundestagsdruckerei nochmals besonders gedruckt wurde. Wir haben nur etwa 50 Stück durch die Bank deutscher Länder bekommen. Insoweit ist dieses Abkommen heute auch im Hohen Hause verbreitet. Es ist natürlich ein mißlicher Umstand; aber ich bezweifle, sehr geehrter Herr Kollege, ob Sie mit einer Vertagung Ihr Ziel erreichen würden. Selbst
wenn hier ganz erhebliche Mittel vom Herrn Präsidenten aufgewandt würden, würde es doch beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen, bis die Drucksache hier vorläge.
Ich hätte nachher auch in meinem Bericht ausgeführt und darf es jetzt hier bemerken, daß der Ihnen vorliegende Entwurf des Rahmengesetzes mit Erläuterung und Begründung außerordentlich inhaltsreich und sachlich gehalten ist. Wer diese acht Seiten genau durchliest, weiß alles, was in dem Abkommen an wirklich materiell Bedeutsamem drinsteht. Selbst wenn das dicke Buch in den Händen eines jeden Abgeordneten wäre, möchte ich bezweifeln, ob bei der großen Belastung, die auf uns allen ruht, und wohl auch bei der Kompliziertheit der Materie jeder von uns in der Lage gewesen wäre, dieses Abkommen eingehend zu studieren. Ich bezweifle also, ob eine heutige Vertagung unserer Arbeit sehr förderlich sein würde, und bitte deshalb bei aller Anerkennung Ihrer Gründe, doch über diese Bedenken hinwegzusehen.
Ich darf bemerken, daß der Zusatzantrag, der zu der Vorlage auf Drucksache Nr. 1770 gestellt worden ist, eine Entschließung enthält, die ja auch in Ihrer Fraktion, sehr verehrter Herr Kollege Dr. Oellers, besprochen worden ist. Er trägt ja auch die Unterschrift „Euler und Fraktion". Ich glaube also, daß dieses Abkommen wohl auch in Ihren Reihen eingehend diskutiert worden ist, so daß nach meiner Meinung sachlich ein Grund für eine Vertagung heute nicht gegeben ist.
Ich bitte deshalb, den Punkt 6 nicht abzusetzen, sondern ihn an der angemessenen Stelle zu beraten.
Meine Damen und Herren! Bevor ich dem Herrn Kollegen Mellies das Wort gebe, möchte ich nur etwas richtigstellen. Ich glaube, mich richtig zu erinnern, daß ich eine Zusage dieses Abkommen solle nachträglich gedruckt werden, nicht gegeben habe. Es muß sich da um ein Mißverständnis handeln, Herr Kollege Oellers. Ich habe den Tatbestand, der dazu geführt hat, daß eine Drucksache hierüber nicht ausgegeben worden ist, damals erläutert, und es ist weder an mich noch an die Drucksachenabteilung vom Ausschuß der Wunsch herangetragen worden, das Abkommen nachträglich zu drucken. Es wäre dann trotz der Bedenken, die erörtert worden sind, geschehen.
Meine Damen und Herren, ich muß bei dieser Gelegenheit einmal darauf hinweisen, daß die Drucksachen, die für dieses Haus vorbereitet werden, sehr erhebliche Kosten verursachen. Ich möchte die Summe, die etwa die Vorlage für das Lastenausgleichsgesetz erfordert, im Augenblick nicht nennen. Ich bitte aber Verständnis dafür zu haben, daß wir bei der Verteilung derartiger Drucksachen eine gewisse Zurückhaltung üben und uns nicht etwa in die Gefahr bringen wollen, derartig kostspielige Drucksachen noch einmal auflegen zu müssen.
Herr Kollege Mellies, bitte!
Meine Damen und Herren! Es wird niemanden in diesem Hohen Hause geben, der den Bedenken von Herrn Oellers nicht zustimmt, und es wird niemanden geben, der nicht der Auffassung ist, daß die Abgeordneten die Unterlagen vollzählig in der Hand haben müssen.
Wir haben uns im Ältestenrat über die Kosten der Drucksachen schon unterhalten. Der Ältestenrat war einmütig der Auffassung, daß die Einsparung da ihre Grenze finden muß, wo die Arbeitsfähigkeit des Hohen Hauses bei seiner wichtigen Aufgabe irgendwie beeinträchtigt werden könnte. Wir möchten deshalb auch von uns aus den Herrn Präsidenten bitten, in Zukunft doch dafür zu sorgen, daß alle Drucksachen, die für die ordnungsmäßige Bearbeitung der Vorlagen erforderlich sind, den Abgeordneten zugestellt werden.
Ich glaube aber, wir sollten heute den Punkt 6 nicht von der Tagesordnung absetzen. Der Herr Kollege Pünder hat schon darauf hingewiesen, daß 50 Exemplare zur Verfügung gestellt waren, und soweit ich unterrichtet bin, sind auch allen Fraktionen einige Exemplare zugegangen. Es bestand also die Möglichkeit, daß sich die Fraktionen bzw. die einzelnen Abgeordneten über den Inhalt unterrichteten. Ich würde deshalb auch der Ansicht zuneigen, wir sollten diese Vorlage heute verabschieden, sollten aber den Herrn Präsidenten bitten, derartige Drucksachen in Zukunft doch allen Abgeordneten zeitig genug zustellen zu lassen.
Ich nehme diese Anregung selbstverständlich auf. Im übrigen, glaube ich, ist dies der erste Fall, in dem überhaupt ein Zweifel aufgetreten ist. Daß die Abgeordneten die Drucksachen in die Hand bekommen müssen, die für die Beurteilung von Gesetzentwürfen maßgebend sind, ist selbstverständlich. Ich werde dementsprechend verfahren.
Von dem Herrn Kollegen Dr. Oellers ist — gestützt auf § 72 der Geschäftsordnung — der Antrag gestellt worden, den Punkt G von der Tagesordnung abzusetzen. Ich muß ordnungsmäßig darüber abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren. die dem Absetzungsantrag des Herrn Kollegen Oellers zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Die Gegenprobe. - Der Antrag ist zweifellos abgelehnt, Herr Kollege Oellers.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Wahlprüfungsgesetzes ;
Bericht des Wahlprüfungsausschusses (Nr. 1756 der Drucksachen); Antrag Umdruck Nr. 52.
Berichterstatter war Herr Abgeordneter Ewers, der sich, wie in der letzten Sitzung mitgeteilt worden ist, freundlicherweise bereit erklärt hatte, seinen für einen mündlichen Vortrag vorgesehenen Bericht zu diktieren. Der Bericht ist als Anlage zu dem Bericht über die 112. Sitzung des Deutschen Bundestages allen Abgeordneten zugegangen. Ich zweifle nicht, daß ihn alle Abgeordneten zur Kenntnis genommen haben. Damit ist die Berichterstattung erledigt.
Ich eröffne die Aussprache zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs. Es liegt mir lediglich ein Abänderungsantrag vor.
Ich darf zur Beschleunigung des Verfahrens im einzelnen aufrufen die §§ 1, — 2, — 3, — 4, —5 — und 6. Werden dazu Wortmeldungen abgegeben? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 6 des Wahlprüfungsgesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. —
Ich bitte urn die Gegenprobe. - Die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 7, — 8, — 9, — 10, —11, - 12, — 13, — 14 — und 15. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 7 bis 15 des Gesetzentwurfs. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
§ 16. Der Umdruck Nr. 52 ist, wie mir eben mitgeteilt wird, durch eine andere Fassung ersetzt, die naturgemäß nicht mehr verteilt werden konnte. Ich darf den abgeänderten Antrag der Fraktion der SPD verlesen. Es sind drei Absätze vorgesehen.
Stellt der Bundestag fest, daß die Wahl eines Abgeordneten ungültig ist oder daß ein Abgeordneter die Mitgliedschaft verloren hat, so behält der Abgeordnete seine Rechte und Pflichten his zur Rechtskraft der Entscheidung.
— Das deckt sich offenbar völlig mit dem ersten Satz des bisherigen Antrags. —
Der Bundestag kann jedoch
— das ist neu —
mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschließen, daß der Abgeordnete bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht an den Arbeiten des Bundestages teilnehmen kann.
Der veränderte Antrag wird im Augenblick verteilt.
Wird gegen die gemäß Abs. 1 ergangene Entscheidung des Bundestags Beschwerde eingelegt, so kann das Bundesverfassungsgericht auf Antrag des Beschwerdeführers den gemäß Abs. 2 ergangenen Beschluß durch einstweilige Anordnung aufheben oder, falls ein solcher Beschluß nicht gefaßt worden ist, auf Antrag einer Minderheit des Bundestags, die wenigstens ein Zehntel seiner Mitglieder umfaßt, eine Anordnung gemäß Abs. 2 treffen.
Sie haben den Antrag der SPD zur Kenntnis genommen. Ich eröffne die Aussprache. Dazu bittet Herr Abgeordneter Dr. Mommer ums Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen. Die neue Fassung des Abänderungsantrags der SPD geht auf Verhandlungen zurück, die im Rechtsausschuß stattgefunden haben. Alle Fraktionen, die im Rechtsausschuß vertreten sind, haben sich auf diesen neuen Text geeinigt. Ich bitte Sie, ihn in dieser Fassung anzunehmen.
Liegen weitere Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zu § 16.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 52, neue Fassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Fassung des § 16 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen. Damit ist § 16 erledigt.
Ich rufe weiter auf die §§ 17, — 18, — 19, —20, — 21, — Einleitung und Überschrift. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich bitte um Abstimmung über die §§ 17 bis 21, Einleitung und Überschrift. Die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe bitte! — Angenommen. Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes beendet.
Ich eröffne die
dritte Beratung,
allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. -
Einzelaussprache: §§ 1 bis 21, Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Wahlprüfungsgesetzes in der in der zweiten Beratung abgeänderten Fassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
— ich habe niemand gesehen, der sich gemeldet hat, Herr Abgeordneter Frommhold!
Nachträglich wird erklärt: bei einigen Enthaltungen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Verfügungen der Länder über Bundeseigentum .
Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, zur Aussprache eine Zeit von 60 Minuten in Anspruch zu nehmen. Ursprünglich war eine Einbringungszeit von 15 Minuten vorgesehen. Der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff hat mitgeteilt, daß er 30 Minuten benötigen würde. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich bitte den Herrn Abgeordneten Dr. HöpkerAschoff, zur Begründung der Interpellation das Wort zu nehmen.
Dr. Dr. Höpker-Aschoff , Interpellant: Meine Damen und Herren! Mit der von meiner Fraktion eingebrachten Interpellation wird wiederum das Problem des Föderalismus angeschnitten, mit dem wir uns bereits des öfteren befaßt haben. Nun, meine Damen und Herren, Föderalisten sind wir, glaube ich, alle, nur nicht alle in demselben Sinn des Wortes; und wenn ich ein Wort zu unserer eigenen Auffassung sagen darf: Wir bekennen uns zu dem Föderalismus insoweit, als er eine Demokratie von unten her aufbauen will und innerhalb der Gemeinden und Kreise und auch größerer Selbstverwaltungsbezirke — und nur als solche Selbstverwaltungsbezirke betrachten wir die Länder — eine Selbstverwaltung verbürgt. Das Unbequeme bei dieser ganzen Geschichte ist nur, daß die Selbstverwaltungsbezirke der Länder eine recht unerfreuliche Gliederung aufweisen, weil letzten Endes die ganze Gliederung der Länder auf Eingriffe fremder Mächte zurückgeht. Wenn wir unseren Blick in eine weitere Vergangenheit richten, stellen wir fest, daß Eingriffe im Jahre 1803 und neuere Eingriffe dann im Jahre 1945 geschehen sind. Eine wirklich gut durchdachte Gliederung der Selbstverwaltungsbezirke kannten wir in
Preußen in den alten preußischen Provinzen, denen ja auch eine ausgedehnte Selbstverwaltung eingeräumt war. Meine Damen und Herren, diese Selbstverwaltung der preußischen Provinzen könnte heute für die Selbstverwaltung der Länder ein Vorbild sein. Sie wurde ausgeübt durch einen Landeshauptmann, einige Landesräte, einen Landtag, der einmal im Jahr zusammentrat, um den Haushaltsplan zu verabschieden und die Rechnung des Vorjahres entgegenzunehmen, und einen Landesausschuß, der die Kontrolle über die Verwaltung ausübte. Meine Damen und Herren, wie wäre es, wenn wir einmal nach diesem Muster die Verwaltung unserer Länder aufbauen würden?
Ich glaube, da würden wir zu wirklich fruchtbaren Ergebnissen kommen und würden außerdem im Zuge der oft geforderten Verwaltungsreform erhebliche Ersparnisse machen. Ich glaube auch, daß unsere verehrten Herren Minister auf der Ministerbank mit einer solchen Neuordnung gewiß einverstanden wären. Wenn im Zuge einer solchen Neuordnung 88 Landesminister verschwinden würden, dann würde der Name des Ministers wieder etwas mehr Rang und Würde bekommen, als er heute leider hat.
Meine Damen und Herren! Die vorliegende Interpellation schneidet wieder das Problem des Föderalismus an. Ich habe bereits vor einigen Monaten in einer Kleinen Anfrage dieses Proplem ausgeworfen und habe auf diese Kleine Anfrage eine Antwort erhalten, die mich insofern durchaus befriedigt hat, als sich die Bundesregierung zu dem Grundsatz bekannt hat, daß die entscheidende Bestimmung des Art. 134 aus den Übergangsbestimmungen nicht etwa nur ein Programm ist, sondern der Satz: „Reichsvermögen wird Bundesvermögen" geltendes Recht ist, das mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Wirkung gewonnen hat. Ich habe aber die Frage noch einmal bei der Beratung des Haushalts im vorigen Herbst angeschnitten, ohne daß damals die Bundesregierung zu der Frage Stellung genommen hätte. Aber ich könnte mir denken, daß diese Interpellation dem Herrn Bundesfinanzminister nicht ganz unwillkommen ist; denn die Länder bereiten dem Herrn Bundesfinanzminister auf diesem Gebiete viel Kummer. Sollte er es nicht begrüßen, wenn er einmal dem Bundestag sein Leid klagen könnte, so wie ein Kind bei einer guten Mutter Schutz sucht, wenn es von einem schlechten Stiefvater — und der Bundesrat entwickelt sich ja immer mehr zu einem Erzstiefvater des Bundes — schlecht behandelt wird.
Meine Damen und Herren, ein paar Worte über die Rechtslage. Ich meine, daß der Art. 134 klar und eindeutig ist. Dort findet sich der lapidare Satz: „Reichsvermögen wird Bundesvermögen." Ich weiß, die Länder vertreten heute mit überraschender Einmütigkeit den Standpunkt, daß dieser Satz nur ein Programm der Zukunft enthalte. Aber es geht hier so wie oftmals bei den Kronjuristen: wenn die Kronjuristen ein Rechtsurteil abgeben, sind sie in der Regel ein wenig befangen, und das Urteil lautet dann immer so, daß es ihren Auftraggebern gut gefällt. Darum habe ich auch gegen das Rechtsurteil, das die Länder im Bundesrat abgegeben haben, gewisse Bedenken. Denken wir daran, daß die Tendenz unseres Grundgesetzes, insbesondere in den Artikeln über die Grundrechte, doch dahin geht, nicht nur programmatische Sätze für die Zukunft aufzustellen, sondern eben geltendes Recht zu schaffen, und daß es im Einklang mit dieser Tendenz stünde, wenn man auch den maßgebenden Einleitungssatz des Art. 134 als geltendes Recht betrachten würde.
Manche Leute kommen mit grammatischen Gründen und sagen: „wird Bundesvermögen" — das ist die Zukunft. Ich bin zwar kein Philologe, glaube aber, daß diese Auslegung wenig Sinn hat. Wenn wir früher in der Schule deklamiert haben: ,,amabo — ich werde lieben" oder: „virgo amata est — die Jungfrau ist geliebt worden",
dann bedeutet dieses Wort „werden" ein Hilfszeitwort, das neben einem Verbum steht. Daneben hat aber das Wort „werden" auch eine selbständige, kraftvolle Bedeutung und will soviel sagen wie „eine neue Gestalt annehmen", „eine Wandlung vollziehen'; in diesem Sinne, nicht als ein Hilfszeitwort, das die Zukunft bedeuten kann, sondern als ein kraftvolles Präsens des Wortes „werden" ist das Wort „wird" vor „Bundesvermögen" zu verstehen. Diese Auslegung wird ja auch durch die weiteren Bestimmungen des Art. 134 bestätigt, in denen ausgeführt wird, daß der Bund gewisse Bestände seines Verwaltungsvermögens, nämlich diejenigen Vermögensbestände, die in den heutigen Verwaltungen der Länder gebraucht werden, auf die Länder übertragen soll. Übertragen kann aber nur derjenige, der vorher Eigentümer geworden ist. Also die Auslegung des Art. 134 kann kaum einem Zweifel unterliegen. Der Gedanke, daß das nur ein Programm bedeutet, ist rundweg abzulehnen. Wenn ich recht unterrichtet bin, herrscht im Kreise der Staatsrechtslehrer in dieser Frage der Auslegung auch völlige Einmütigkeit.
Etwas anders liegen die Dinge bei dem Art. 135, der von dem Ländervermögen, insbesondere auch
von dem preußischen Vermögen handelt. Hier gilt
der Grundsatz, daß das preußische Vermögen grundsätzlich auf die Länder übergehen soll. Das kann nicht bestritten werden. Aber wir haben ja im Parlamentarischen Rat in den Art. 136 eine Ausnahmebestimmung eingefügt, welche die Unternehmungen des preußischen Staates betrifft. Dort ist klar zum Ausdruck gebracht — auch das hat meiner Meinung nach sofort geltende dingliche Wirkung —, daß die preußischen Unternehmungen Eigentum des Bundes sein sollen.
Das Vermögen des Reiches und des preußischen Staates, das hiernach mit dem Inkraftreten des Grundgesetzes auf den Bund übergegangen ist, hat einen sehr erheblichen Umfang. Zwei große Komplexe heben sich hervor: neben dem eigentlichen Verwaltungsvermögen das alte Liegenschaftsvermögen der Wehrmacht, dessen Wert allein in der britischen Zone auf 2,5 Milliarden geschätzt wird; dann der zweite große Komplex, die großen Unternehmungen des Reiches, die früher zum großen Teil in der Viag vereinigt waren, und die großen Unternehmungen des preußischen Staates, die in der Veba vereinigt waren, die Preag — Preußische Elektrizitätsgesellschaft —, die Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft und die sehr wertvolle Aktiengesellschaft Hibernia — Recklinghausen. Über den Umfang der Unternehmungen kann kein Zweifel sein. Die Aufzählung allein der Unternehmungen des Reiches, die in der Viag zusammengefaßt sind, ergibt eine lange Liste: Die Inn-Werke A.G., das Bayern-Werk, die Bayrischen Wasserkraftwerke, die Elektrowerke A.G., die Vereinigten Aluminiumwerke, die Süddeutschen
Kalkstickstoffwerke A.G., die Deutsche Revisions- und Treuhandgesellschaft, die Reichskreditgesellschaft, Ilsederhütte und andere mehr. Dazu kommen dann die Hermann-Göring-Werke mit den wertvollen Zechen in Westfalen, das Volkswagen-Werk und dann die eben erwähnten großen preußischen Unternehmungen. Also diesen Komplex der großen Unternehmungen des Reiches und Preußens haben wir mit besonderer Sorgfalt zu beachten.
Es sind dann noch einige andere Unternehmungen da, auf die leider der Art. 134 Abs. 6 des Grundgesetzes keine Anwendung finden kann, weil es sich dabei nicht um Beteiligungen an privaten Unternehmungen des Handelsrechts handelt. Ich denke hier an die Preußische Porzellanmanufaktur und an die Preußische Landespfandbriefanstalt. Die Preußische Landespfandbriefanstalt hat sich nach Wiesbaden verlagert. Die Aufsicht wird jetzt durch die hessische Regierung geführt. Wir haben dort einen Verwaltungsrat, in dem alle preußischen Nachfolgestaaten vertreten sind. Die Sache läuft also. Es wird dann später einmal überlegt werden müssen, ob aus der Preußischen Landespfandbriefanstalt eine Deutsche Landespfandbriefanstalt gemacht und neben der Beteiligung der Länder auch eine Beteiligung des Bundes durchgesetzt werden soll.
Dann noch ein Wort über die Porzellanmanufaktur in Berlin, die als eine Körperschaft besonderen Rechts auf Grund eines Privilegs des Großen Königs aufgebaut ist und heute noch in Berlin domiziliert, aber infolge einer Verlagerung im Kriege ein Zweigwerk in Selb in Bayern und auch noch eine Verkaufsniederlassung in NordrheinWestfalen hat. Ich bin der Meinung, daß wir alles tun müssen, um dieses Werk in Berlin zusammenzufassen und dann dem Lande Berlin zu übertragen. Denn die Preußische Porzellanmanufaktur hat ihren Wert durch ihren Namen „Porzellanmanufaktur Berlin" und durch das Firmenzeichen, das blaue Zepter, das Friedrich II. verliehen hat. Es wäre ein Unding, wenn man nun etwa diese Porzellanmanufaktur zerreißen wollte, weil sie zufällig im Laufe des Krieges eine Arbeitsstätte nach Bayern verlagert hat.
Meine Damen und Herren! Die oben dargestellte Rechtslage wird nun dadurch verwirrt, daß im Jahre 1949 von seiten der Besatzungsmächte durch Gesetze und Verordnungen eingegriffen worden ist, und zwar zunächst innerhalb der amerikanischen Zone durch das Gesetz Nr. 19 vom 20. April 1949, das also vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen wurde. In diesem Gesetz der amerikanischen Besatzungsmacht wird ausgeführt, daß alles Reichsvermögen und alles preußische Vermögen beschlagnahmt und dann übertragen wird. In Ansehung des eigentlichen Verwaltungsvermögens heißt es, daß dieses Vermögen zu treuen Händen auf das Land übertragen wird, in dem diese Vermögenswerte gelegen sind. Die Länder sollen es als Treuhänder für einen deutschen den Ländern übergeordneten Staat verwalten. Mit dieser Bestimmung ist dann allerdings eine Bestimmung des Art. 5 schlecht vereinbar, in dem von einem Übergang auf das Land schlechthin die Rede ist. Es folgen dann etwas verwickelte Bestimmungen über die Unternehmungen des Reiches und des Preußischen Staates, und es wird gesagt, daß die Vermögenswerte dieser Unternehmungen, soweit sie in den Ländern der amerikanischen Zone gelegen sind, diesen Ländern übertragen werden, daß diese Länder dann als Treuhänder eine neue
Aktiengesellschaft aufziehen sollen und daß an dieser Aktiengesellschaft die einzelnen Länder im Verhältnis der in den einzelnen Ländern gelegenen Werte beteiligt werden sollen. Das Gesetz schließt von seinem Anwendungsbereich die Eisen- und Bergwerksbetriebe aus, die dem Gesetz Nr. 75 der Militärregierung unterliegen.
Aber dann kommt in dem amerikanischen Gesetz Nr. 19 die erlösende Formel. Es heißt in Art. XV Ziffer 20:
Der in Art. IV Ziffer 4 genannte deutsche Staat kann nach dem Inkrafttreten seines Grundgesetzes jede auf diesem Gesetz beruhende Verfügung zugunsten der Länder, die mit einer in dem Grundgesetz vorgesehenen Verfügung im Widerspruch steht, außer Kraft setzen.
Dieser Generalvorbehalt ist für die amerikanische Zone etwas Entscheidendes. Ich bin also der Meinung, daß auf Grund dieses Vorbehalts durch ein Bundesgesetz die Rechtswirkungen des amerikanischen Gesetzes Nr. 19 innerhalb der amerikanischen Zone mit rückwirkender Kraft wieder beseitigt werden können, und möchte schon an dieser Stelle die entscheidende Frage erörtern, ob ein solches Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfe oder ob dem Bundesrat wie bei allen Bundesgesetzen nur der einfache Einspruch zustehen würde.
Meine Damen und Herren! Der Art. 134 des Grundgesetzes enthält im Abs. 4 die Vorschrift, daß das Nahere durch die Bundesgesetz geregelt wird, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Aber — ich bitte, wohl aufzumerken — dieses Gesetz zur Ausführung des Art. 134 ist etwas anderes als das Gesetz, das wir auf Grund des Vorbehalts in dem amerikanischen Gesetz erlassen und das zunächst einmal den Rechtszustand wiederherstellt, wie er nach dem Grundgesetz besteht. Das Ausführungsgesetz kommt dann hernach. In dem Ausführungsgesetz wäre dann zu bestimmen, welche Teile des Bundesvermögens auf die Länder als Verwaltungsvermögen übergehen sollen und welche Teile des Bundesvermögens als sogenanntes Heimfallvermögen gemäß Art. 134 Abs. 3 an die Länder fallen sollen. Dieses Ausführungsgesetz würde der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Das vorauszuschickende Gesetz dagegen, durch das der dem Grundgesetz entsprechende Rechtszustand wiederhergestellt wird, das Eigentum des Bundes anerkannt und die Verwaltung dem Bunde übertragen wird, ist nach meinem Dafürhalten ein einfaches Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf.
In der britischen Zone liegen die Verhältnisse etwas anders. Hier ist das Grundgesetz in vollem Umfange durch die Verordnung Nr. 202 vom 6. September 1949 aufrechterhalten. Es wird ausdrücklich gesagt, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes und der auf Grund des Grundgesetzes erlassenen Gesetze maßgebend seien. Aber es wird im Art. 6 der Verordnung Nr. 202 die Verwaltung vorläufig — bis zu einer anderweitigen Bestimmung durch die zuständige deutsche Behörde — den Landesbehörden übertragen. Es kann also keine Frage sein, daß wir — der Bund —, nachdem das Eigentum des Bundes gemäß dem Grundgesetz durch die britische Verordnung überhaupt nicht in Frage gestellt ist, in der Lage sein würden, dem Bund Verwaltung und Verfügung sofort wieder zu übertragen. Man kann sogar die Frage aufwerfen, ob hierzu nicht eine
Anordnung der Bundesregierung genügen würde, Im englischen Text der Verordnung ist von german authorities die Rede, und man könnte sehr wohl der Meinung sein, daß damit die Exekutive gemeint sei, daß es also eines die Verwaltung der Länder aufhebenden Gesetzes gar nicht bedürfen würde.
Innerhalb der französischen Zone liegen die Dinge noch wieder anders. Hier ist am 3. Juni 1949 die französische Verordnung Nr. 217 ergangen, die ähnliche Grundgedanken wie das amerikanische Gesetz enthält, also grundsätzlich Reichsvermögen und preußisches Vermögen beschlagnahmt und den Ländern übergibt — so heißt es in der französischen Verordnung — und ihnen die Verwaltung für Rechnung des Reichs als Treuhänder des Reichs zuweist. Auch hier finden sich Bestimmungen über die Unternehmungen des Reichs und die preußischen Unternehmungen, die im wesentlichen den Bestimmungen des amerikanischen Gesetzes nachgebildet sind. Aber nun kommt der Unterschied. In der französischen Verordnung fehlt der Generalvorbehalt des amerikanischen Gesetzes, nach welchem die Bundesregierung jederzeit den Zustand, der dem Grundgesetz entspricht, wiederherstellen kann. Aber ich glaube, das braucht kein Hindernis dafür zu sein, daß auch innerhalb der französischen Zone durch ein Bundesgesetz der Rechtszustand des Grundgesetzes erst einmal wiederhergestellt und den Bundesbehörden die Verwaltung des Reichsvermögens und des preußischen Vermögens, soweit es dem Bund zusteht, zurückübertragen wird. Denn das Grundgesetz ist auch von der französischen Militärmacht genehmigt worden. Auch die französische Militärmacht hat das Grundgesetz als geltendes Recht anerkannt und durch diese Genehmigung ihrer eigenen Verordnung nachträglich den Boden entzogen. Ich habe also keine Bedenken, daß wir auch im Bereich der französischen Zone durch ein Bundesgesetz einen dem Grundgesetz entsprechenden Zustand wiederherstellen können.
Ich fasse zusammen. Art. XV des amerikanischen Gesetzes gibt dem Bund die Möglichkeit, nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes jede Verfügung zugunsten der Länder, die auf das Gesetz Nr. 19 zurückzuführen ist, außer Kraft zu setzen. Art. III der britischen Verordnung bestimmt expressis verbis, daß die Verfügung über Reichsvermögen und preußisches Vermögen und die Verwaltung dieses Vermögens sich nach den Vorschriften des Grundgesetzes und den gemäß dem Grundgesetz erlassenen Gesetzen vollziehen soll. Wenn auch in der französischen Verordnung diese Bestimmungen fehlen, so ist auch hier ein solches Gesetz möglich, weil das Grundgesetz mit seinen maßgebenden Bestimmungen auch von der französischen Militärregierung in aller Form anerkannt worden ist.
Was ist nun inzwischen auf Grund der Befugnisse, die das amerikanische Gesetz sowie die britische und französische Verordnung den Ländern eingeräumt haben, geschehen? Nun, man kann nicht gerade sagen, daß die Länder von diesen Befugnissen mit Zimperlichkeit Gebrauch gemacht hätten. Aus der Fülle der mir vorliegenden Informationen möchte ich nur einige Beispiele hier vortragen.
Das Land Hessen hat die ehemalige Offizierskuranstalt Falkenstein im Taunus, Eigentümer Reichsfiskus, Heer, ohne vorherige Zustimmung oder Unterrichtung des Bundes für ein Ei und ein Butterbrot verkauft.
Diese Anlage wäre als Versorgungskrankenhaus
für Körperbeschädigte für das Bundesarbeitsministerium gut brauchbar gewesen. Der Herr Arbeitsminister hatte bereits ein Auge auf sie geworfen.
Das Land Bayern hat den ehemaligen PionierWasserübungsplatz in Neu-Ulm, Eigentümer Reichsfiskus, Heer, am 23. Dezember 1949 an die Firma Reinz-Dichtung GmbH mit allen aufstehenden Gebäuden, Gebäudeteilen, Baracken und Zubehör zu einem Preise verkauft, der weit unter dem Wert liegt.
Zustimmung des Bundes wurde nicht eingeholt. Der Bund ist nicht einmal benachrichtigt worden.
Das Land Württemberg-Hohenzollern hat Teile des Flugplatzes in Laupheim mit zwar kriegsbeschädigten, aber noch sehr wertvollen massiven Hallen einer Ulmer Karosseriefirma Böbel ohne Beteiligung des Bundes zum Verkauf zu ca. 1/8 des tatsächlichen Wertes fest zugesagt. Der Kaufvertrag ist noch nicht endgültig abgeschlossen, weil der Flugplatz von den Besatzungsbehörden noch gebraucht wird. Aber die Freigabe ist in Aussicht gestellt und ist täglich zu erwarten.
Das Land Württemberg-Baden hat ein baureifes Grundstück in einer Größe von 9 ha 38 ar und 88 qm in Neckarsulm der Stadt Neckarsulm verkauft, Eigentümer ist der Reichsfiskus, Heer. Das Grundstück wurde seinerzeit von der Wehrmacht zum Zwecke der Erstellung einer Artilleriekaserne erworben. Das Gelände liegt unmittelbar neben einer in den Jahren 1936/37 erstellten, neuerdings von der Besatzungsmacht in Anspruch genommenen Kaserne. Das Gelände könnte sowohl als Bauplatz für einen Kasernenneubau wie auch für Ersatzbauten für Kasernen-Verdrängte Verwendung finden.
Das Land Württemberg-Baden hat eine Verpflichtung aus einem in einem Rückerstattungsverfahren abgeschlossenen Vergleich dadurch erfüllt, daß es ein in Schwäbisch-Gmünd gelegenes Wehrmachtgrundstück in der Größe von 1 ha 94 ar dem Rückerstattungsberechtigten übereignet hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung betraf ausschließlich das Land mit seinem Vermögen.
Das Land Württemberg-Baden hat auf dem Standortübungsplatz Stuttgart — Burgholzhof — zwei Erbbaurechte zugunsten der Stadt Stuttgart in der Größe von 15 und 17 ha zu Bausiedlungszwecken bestellt, ohne die vorherige Zustimmung des Bundes eingeholt oder auch nur eine Nachricht gegeben zu haben.
Das Land Württemberg-Baden hat ein wertvolles Industriegelände in Stuttgart, Ulmer Straße 225, Eigentümer Reichsfiskus, Heer, in der Größe von 79 ar ohne irgendwelche Benachrichtigung des Bundes verkauft.
Das Land Hessen hat einen in Kassel gelegenen Teilbetrieb der ehemaligen Junkerswerke zu Bedingungen, die niemals die Billigung des Bundes gefunden hätten, an die AEG verkauft, um sicherzustellen, daß die AEG ihren Betrieb nach Kassel verlegt. Dem Vernehmen nach soll eine Stundung des Kaufpreises auf 20 Jahre erfolgt sein. Zustimmung des Bundes ist nicht eingeholt worden; der Bund hat noch nicht einmal eine Nachricht bekommen.
Meine Damen und Herren! Das sind nur Teilstücke aus einer Liste, die sich in beliebiger Form fortsetzen ließe. Sie sehen aus diesen Tatsachen, in welcher Weise die Länder, die doch selbst nach dem Grundgedanken der Gesetze und Verordnun-
gen der Besatzungsmächte nur als Treuhänder für Rechnung des späteren deutschen Staates, also des Bundes, handeln sollten — ich will mich vorsichtig ausdrücken —, hier sehr eigenmächtig verfahren sind. Es verlautet, daß in einigen Fällen wackere Grundbuchrichter sich geweigert haben, die den Verträgen entsprechenden Eintragungen vorzunehmen, weil sie Bedenken hatten, ob solche Verfügungen der Länder nicht dem Grundgesetz widersprächen. Es verlautet weiter, daß man die Bedenken solcher Grundbuchrichter auf dem Dienstaufsichtswege mit leichtem Druck zu beseitigen versucht hat.
Nun, hier wird also wohl in irgendeiner Form Remedur geschaffen werden müssen. Die Frage ist eben die: Was hat zu geschehen? Wenn ich recht unterrichtet bin, hat der Herr Bundesfinanzminister dem Bundesrat bereits einen Gesetzentwurf zugeleitet, ein sogenanntes Vorschaltegesetz, in dem bestimmt ist, daß die Entscheidung darüber, wer Eigentümer des Reichs- und preußischen Vermögens ist, sich, nach den Vorschriften des Grundgesetzes richten soll, daß aber die Verwaltung dieses dem Bunde gehörenden Vermögens auf den Bund übergehen soll. Diese Vorlage ist im Bundesrat einmütig abgelehnt worden, weil alle Länder sich auf den Standpunkt gestellt haben, es sei ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedürfe. Die Länder seien nicht gewillt, diese Zustimmung zu geben. Die Länder also stehen im großen und ganzen auf dem Standpunkt: Was wir auf Grund des amerikanischen Gesetzes und der beiden anderen Verordnungen der Besatzungsmächte bekommen haben, das bleibt bei uns, das ist unser Eigentum geworden, wir denken nicht daran, es an den Bund zurückzugeben. Ich hoffe, daß der Herr Bundesfinanzminister uns diese Vorlage zuleiten wird, obwohl sie vom Bundesrat nicht gebilligt ist. Dann stehen wir vor der Entscheidung. Und dann kann unsere Entscheidung keine andere sein als die, daß wir in dieses Gesetz klipp und klar hineinschreiben: Wem das Vermögen des Reiches und des preußischen Staates gehört, richtet sich einzig und allein nach den Vorschriften des Grundgesetzes. Solange die Ausführungsgesetze auf Grund der Art. 134 und 135 des Grundgesetzes nicht erlassen sind, unterliegt dieses gesamte Vermögen der Vermögensverwaltung durch den Bund und durch niemand anders.
Wenn so also die Grundgedanken des Grundgesetzes wiederhergestellt sind und das Eigentum des Bundes an diesem Vermögen gesichert ist, wenn ferner gesichert ist, daß der Bund allein dieses Vermögen zu verwalten hat, dann mag mit den Ländern darüber verhandelt werden, wie die Ausführungsgesetze zu Art. 134 und zu Art. 135 gestaltet werden sollen. Ich habe gar nicht den Wunsch, daß der Bund bei diesen Vereinbarungen etwa kleinlich verfährt. Nach dem Grundgesetz Art. 134 ist er verpflichtet, das Verwaltungsvermögen des Bundes, soweit die Verwaltung heute bei den Ländern liegt, den Ländern unentgeltlich zu übertragen. Er ist verpflichtet, das. Vermögen den Ländern zurückzugeben, das einmal von den Ländern an den Bund übertragen worden ist, das sogenannte Heimfallvermögen. Man wird auch bei der Ausgestaltung der vielen Unternehmungen des Reiches und des preußischen Staates sehr wohl überlegen können, ob nicht den Ländern, in deren Gebieten die Vermögensmassen dieser Unternehmungen liegen, eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt werden soll.
Es versteht sich nach Art. 135 von selber, daß die Domänen und Forsten des preußischen Staates auf die Länder übergehen. Der Bund wird auch nicht den Wunsch haben, eine eigene Domänen- und Forstverwaltung einzurichten. So würde ich persönlich auch nichts dagegen einzuwenden haben, wenn das alte Reichsforstvermögen, das mit den alten Truppenübungsplätzen verbunden war, nicht etwa in eine eigene Forstverwaltung des Bundes übertragen würde, sondern den Ländern entweder als Eigentum übertragen oder jedenfalls von den Länderforstverwaltungen für Rechnung des Bundes verwaltet würde.
Also bei der Ausführung und bei der Verabschiedung der entsprechenden Ausführungsgesetze, deren eines, das Gesetz auf Grund des Art. 134 Abs. 4, ja der Zustimmung des Bundesrates bedarf, mag man ruhig den Ländern Entgegenkommen zeigen. Aber zunächst haben wir einmal das Recht des Grundgesetzes wiederherzustellen und dafür zu sorgen, daß die Verwaltung des gesamten dem Bunde zustehenden Vermögens in die Verwaltung des Bundes kommt. Dieses Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, sondern kann von uns allein verabschiedet werden. Wir werden dann natürlich den Einspruch des Bundesrates erleben und werden dann darüber zu entscheiden haben, ob wir diesen Einspruch verwerfen. Ich möchte eigentlich nicht daran zweifeln, daß wir ohne Gegensatz der Parteien in dieser Frage zusammenstehen werden und daß dann der Einspruch des Bundesrates verworfen wird. Gehen wir davon aus, daß es ein dem Einspruch unterliegendes Gesetz ist und verwerfen wir dann den Einspruch mit Zweidrittelmehrheit, so liegt die Entscheidung darüber, ob das Gesetz verkündet werden soll, beim Herrn Bundespräsidenten. Er wird es alsdann verkünden müssen, wenn er zu dem Ergebnis kommt, daß dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf. Ich bin der Überzeugung, daß die Weisheit des Herrn Bundespräsidenten den rechten Weg finden wird.
Meine Damen und Herren! Ich muß noch mit ein paar Worten auf die Vorlage eingehen, die der Herr Bundesfinanzminister jetzt dem Haushaltsausschuß gemacht hat.
Herr Abgeordneter, ich wollte Ihnen nur Ruhe verschaffen. — Meine Damen und Herren, es ist den Rednern sehr schwer zuzumuten, in ein Haus hineinzusprechen, das von Stimmengewirr erfüllt ist. Ich bitte doch wirklich, auch dringende Unterhaltungen nach Möglichkeit außerhalb des Saales zu führen.
Dr. Dr. Höpker-Aschoff , Interpellant: Diese Vorlage des Herrn Bundesfinanzministers steht, wenn ich nicht irre, morgen im Haushaltsausschuß an. Es werden im Wege der Vorwegbewilligungen rund 3 Millionen DM gefordert, Aufwendungen, die für die Erhaltung des Bundesvermögens gemacht werden müssen. Die Vorlage ist in dem Wirtschaftsplan, der dem Einzelplan XXIII angefügt ist, bei den Aufwendungen des Extraordinariums sehr eingehend begründet.
Der Haushaltsausschuß wird vor einer sehr schweren Entscheidung stehen, ob er diese Mittel bewilligen soll, solange nicht klar und eindeutig festgestellt ist, daß dieses Vermögen auch Bundes-
vermögen ist, solange nicht eindeutig feststeht, daß die Verwaltung dieses Vermögens auch den Bundesbehörden zusteht. Von dem Widerhall, den heute unsere Interpellation hier im Hause findet, wird vielleicht auch die Entscheidung morgen im Haushaltsausschuß abhängen. Daß zur Erhaltung dieses wertvollen Bundesvermögens etwas getan werden muß, kann nach meinem Dafürhalten keinem Zweifel unterliegen.
Dann noch ein weiteres. Wir haben uns seinerzeit bei der Verabschiedung des Finanzverwaltungsgesetzes eingehend darüber unterhalten, wie die Bundesvermögensverwaltung aufgezogen werden soll, nicht nur im Finanz- und Steuerausschuß und im Plenum dieses Hauses, sondern, nachdem der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen hatte, auch im Vermittlungsausschuß. Damals war Streit darüber, wer die Bauverwaltung, wer die Vermögensverwaltung führen soll. Hinsichtlich der Bauverwaltung haben wir gesagt, es kann bei den Oberfinanzdirektionen eine Bundesbauverwaltung eingerichtet werden, der Bund kann aber auch in der mittleren Instanz die Bauverwaltung den Ländern übertragen. Für die Vermögensverwaltung des Bundes ist einhellig festgestellt, daß bei der Oberfinanzdirektion eine Bundesabteilung für die Verwaltung des Vermögens des Bundes eingerichtet werden muß und daß eine Heranziehung der Länder im Wege der Auftragsverwaltung nur in der unteren Instanz möglich ist. Herr Bundesfinanzminister, ich habe am vorigen Dienstag, als wir in Siegburg waren und ich mich dort mit einigen Oberfinanzpräsidenten unterhielt, zu meinem Erstaunen gehört, daß bei keiner Oberfinanzdirektion heute eine Bundesvermögensverwaltung eingerichtet ist. Ich bin der Meinung, daß Schritte unternommen werden sollten, um die Bundesabteilung bei der Oberfinanzdirektion, die durch das Finanzverwaltungsgesetz zwingend vorgeschrieben ist, so schnell wie möglich einzurichten.
Denn der Bundestag wird sich meiner Meinung
nach schwer tun, erhebliche Mittel für die Erhaltung des Bundesvermögens zur Verfügung zu
stellen, wenn er nicht durch eine Bundesvermögensverwaltung die Gewähr hat, daß diese Mittel
zweckentsprechend und zum Nutzen des Bundes
verwandt werden können. Also neben dem angedeuteten Gesetz werden auch diese Verwaltungsmaßnahmen notwendig sein. Ich meine, Sie sollten
im Haushaltsausschuß nicht nur die sachlichen
Mittel für die Erhaltung des Bundesvermögens anfordern, sondern sollten auch gleich im Wege der
Vorwegbewilligung die Stellen anfordern, die Sie
für die Einrichtung der Bundesabteilungen der
Oberfinanzdirektionen „Verwaltung des Bundesvermögens" brauchen, damit hier eine schlagkräftige Verwaltung des Bundes aufgezogen wird.
Meine Damen und Herren! Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. Ich hoffe, daß meine Ausführungen über die Gegensätze der Parteien hinweg Ihre Zustimmung finden. Ich hoffe weiter, daß wir, wenn nunmehr die vom Bundesrat abgelehnte Vorlage an uns herankommen wird, diese hier mit großer Einmütigkeit verabschieden und uns dabei auf den Standpunkt stellen werden, daß dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, sondern nur seinem Einspruch unterworfen ist. Ich hoffe, daß, wenn es dann zu einem Einspruch des nicht zu belehrenden Bundesrates kommen sollte, dieser Einspruch hier im Hause mit Einmütigkeit verworfen wird. Der Bund ist ja nicht allzu reich, und wir als Abgeordnete des Bundestags haben wohl die Pflicht, dafür zu sorgen, daß er zu dem Seinen kommt und daß das, was im Grundgesetz bezüglich des alten Reichsvermögens vorgeschrieben ist, ausgeführt und nicht abgebogen wird. Es ist unsere Pflicht — nicht nur unsere Aufgabe —, dafür zu sorgen, daß dem Bund das werde, was ihm nach dem Grundgesetz zusteht.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister der Finanzen hat mir durch einen von seinem stellvertretenden Kanzleivorsteher beglaubigten Brief mitteilen lassen, daß er bereit ist, heute die Interpellation zu beantworten.
Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation wirft eine Frage auf, die zum Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern werden kann, die aber zu einer unmittelbaren Entscheidung drängt. Ich bitte daher, Verständnis dafür zu haben, wenn ich mich erstens auf die Beantwortung der in der Interpellation gestellten Fragen beschränke und sie zweitens ohne den Humor und ohne die Ablenkung, die in der Debatte inzwischen geherrscht haben, mit einem ruhigen und sachlichen Ernst beantworte.
Die Verwaltung des ehemaligen Reichsvermögens und der ehemaligen preußischen Beteiligungen liegt zur Zeit noch in den Händen der Länder. Die Länder leiten ihre Verwaltungsbefugnis aus Militärregierungsvorschriften her, die inhaltlich zum Teil in Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Im Rahmen dieser Verwaltung nehmen die Länder laufend Verfügungen über diese Werte — vor allem über ehemaliges Wehrmachtvermögen — ohne eine Mitwirkung des Bundes vor. Der Bundesregierung sind mehrfach Nachrichten darüber zugegangen, daß bei solchen Verfügungen zum Nacht eil dieser Vermögensmasse ungewöhnliche Bedingungen und Preise vereinbart worden seien. Eine Nachprüfung dieser Fälle war jedoch bisher nicht möglich, da die Länder die Verwaltung dieses Vermögens als ihre eigene Angelegenheit beanspruchen und der Bundesregierung Unterlagen über die Veräußerungen daher nicht zur Verfügung stehen.
Die Bundesregierung hat die Länder mehrfach auf die Bedenken hingewiesen, die gegen solche Veräußerungen erhoben werden müssen. Die Länder haben demgegenüber stets erklärt, daß alle von ihnen getroffenen Verfügungen nur ihm Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung und unter strenger Beachtung der Reichshaushaltsordnung und der Reichswirtschaftsbestimmungen vorgenommen seien: auch eine bundeseigene Verwaltung hätte nach Ansicht der Länder keine anderen Verfügungen treffen können. Die Bundesregierung wird in den noch zu erwähnenden Gesetzesvorlagen eine Nachprüfung aller von den Ländern getroffenen Maßnahmen vorsehen: nach Durchführung dieser Prüfung wird entschieden werden, ob die Verfügungen nachträglich genehmigt werden können. Eine solche Genehmigung wird zwar im Interesse der Rechtssicherheit selbstverständlich dann erteilt werden, wenn die Veräußerungen aus zurückliegender Zeit sachlich nicht zu be-
anstanden sind; die Erlöse aus genehmigten Geschäften werden für den Bund in Anspruch genommen werden.
Wenn aber soeben von mir zum Ausdruck gebracht worden ist, daß noch über die nachträgliche Genehmigung dieser Verfügungen zu entscheiden sein wird, so ist damit bereits angedeutet, daß die Bundesregierung diese Verfügungen für schwebend unwirksam hält. Nach ihrer Ansicht ergibt sich aus Fassung, Sinn und Zweck des Art. 134 des Grundgesetzes, daß der Gesetzgeber die Vermögenswerte des Deutschen Reiches zumindest der Bundesrepublik zur Übernahme als ihr Eigentum sichern, wenn nicht schon in ihr Eigentum übergegangen sehen wollte. Diese Auffassung gilt auch für die Vermögenswerte, die auf Grund des Gesetzes Nr. 19 der US-Militärregierung zunächst auf die Länder der US-Zone übergegangen waren. Denn dieser Rechtsübergang ist durch das Grundgesetz selbst rückgängig gemacht worden. Art. 134 Abs. 4 des Grundgesetzes bestimmt zwar, daß das Nähere durch ein Bundesgesetz geregelt werden soll. Dieser Hinweis auf ein besonderes Ausführungsgesetz betrifft jedoch nur die Klärung von Einzelheiten, die notwendig ist, um der grundsätzlichen Regelung des Art. 134 des Grundgesetzes auch in allen praktischen Fragen zur Wirksamkeit zu verhelfen. Da somit der Bund jedenfalls die Sicherheit haben soll, in alle Rechte des Deutschen Reiches einzutreten, können Verfügungen über Werte des Reichsvermögens nur durch ihn oder mit seiner Zustimmung getroffen werden.
Die Länder vertreten demgegenüber den Standpunkt, daß Art. 134 Abs. 1 des Grundgesetzes nur eine Richtlinie für die in Art. 134 Abs. 4 des Grundgesetzes vorgesehene Bundesgesetzgebung darstellt. Selbst wenn diese Auffassung zutreffend wäre, so würden die Länder mit Rücksicht auf Art. 134 des Grundgesetzes gleichwohl die ihnen auf Grund der Militärregierungsvorschriften zustehenden Befugnisse nur im Rahmen dieser Richtlinien, d. h. also auch nur unter Mitwirkung des Bundes ausüben können.
Die Bundesregierung führt seit einem Jahr Verhandlungen mit den Ländern über eine Verwaltungsvereinbarung, die dem Bund den notwendigen Einfluß auf die Verwaltung der Vermögenswerte einräumen soll. Sie hat ferner den Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen ausgearbeitet, der voraussichtlich in den nächsten Tagen dem Bundestag zugehen wird. Dieser Entwurf spricht im Interesse der Klarstellung die an sich durch das Grundgesetz bereits erfolgte Aufhebung der durch die Militärregierungsvorschriften angeordneten Eigentumsübertragungen auf die Länder noch einmal ausdrücklich aus. Er überträgt die Verwaltung der Vermögenswerte auf den Bund. Endlich hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung von Reichsvermögen und den Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung der Beteiligungen und anderer Vermögenswerte des ehemaligen Landes Preußen auf den Bund vorbereitet. Diese beiden Gesetze dienen der Ausführung der Art. 134 Abs. 1 und Art. 135 Abs. 4 und 6 des Grundgesetzes. Die Entwürfe werden dem Bundestag nach Abschluß der noch laufenden Erörterungen mit den Ländern zugeleitet werden. Der Abschluß dieser Erörterungen ist für den 31. Januar 1951 vorgesehen.
Ich darf im übrigen noch hervorheben, daß sich die Hohe Kommission ausdrücklich bereit erklärt hat, sämtliche Militärregierungsvorschriften über das Reichsvermögen auf Antrag der Bundesregierung jederzeit aufzuheben.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß von seiten der Bundesregierung alles getan worden ist, um auch die Zweifel, die hinsichtlich der Tragweite der oben erwähnten Militärregierungsvorschriften in etwa noch bestehen, zu beseitigen und das Reichsvermögen in seinem Bestand zu erhalten.
Die Interpellation bezieht sich auch auf Verfügungen der Länder über das Vermögen ehemaliger Reichsgesellschaften und ehemaliger preußischer Gesellschaften. Die Länder haben sich zum Teil auf den Standpunkt gestellt, daß dieses Vermögen als mittelbares Reichsvermögen oder preußisches Vermögen auf Grund der Militärregierungsvorschriften auf sie übergegangen sei. Die Bundesregierung hat diese völlig abwegige Auffassung vor allem im Interesse der Gläubiger dieser Gesellschaften von Anfang an mit aller Entschiedenheit bekämpft. Denn diese Auffassung hätte zur Folge gehabt, daß für diese Gläubiger nur die leere Rechtsform dieser Gesellschaften übriggeblieben wäre. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, daß bei allen Gesellschaften des Reichs und des ehemaligen Landes Preußen die im Handelsrecht vorgesehenen Organe bestellt werden. Soweit solche Gesellschaften nicht mehr lebensfähig oder nicht mehr existenzberechtigt sind, werden diese nach Maßgabe des geltenden Rechts, insbesondere also unter Beachtung der Gläubigerschutzbestimmungen liquidiert werden. Verfügungen der Länder über das Vermögen solcher Gesellschaften sind unwirksam. Die schon erwähnten Bundesgesetze werden dies noch einmal ausdrücklich klarstellen.
Die Interpellation führt schließlich aus, daß die Gerichte und Grundbuchämter die Berechtigung der Länder zu Verfügungen über die in Rede stehenden Vermögenswerte mehrfach in Zweifel gezogen hätten. Diese Angabe trifft zu. Darüber, daß in Einzelfällen versucht worden sei, die Gerichte durch Dienstaufsichtsbeschwerden von ihrer ablehnenden Haltung abzubringen, liegen indessen der Bundesregierung zuverlässige Angaben nicht vor. Die Bundesregierung wird jedoch versuchen, Näheres über solche Fälle zu ermitteln. Sollte sich hierbei, was die Bundesregierung allerdings kaum annehmen möchte, bestätigen, daß versucht worden ist, Gerichte oder Grundbuchämter im Dienstaufsichtswege zu beeinflussen, so würde die Bundesregierung eine öffentliche Untersuchung dieser Fälle herbeiführen.
Meine Damen und Herren, damit glaube ich die in der Interpellation gestellten Fragen sämtlich beantwortet zu haben. Ich möchte noch den Wunsch aussprechen, der föderative Gedanke des Grundgesetzes möge darin seinen Ausdruck finden, daß ihm von beiden Seiten in voller Loyalität Rechnung getragen wird.
Meine Damen und Herren, die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Ich frage, ob 50 Abgeordnete die sofortige Besprechung der Interpellation wünschen. - Das ist der Fall.
Es hat sich zunächst zum Wort gemeldet Herr Abgeordneter Dr. Gülich. — Ich weise darauf hin, daß wir eine Begrenzung der Redezeit auf zusammen 60 Minuten vereinbart haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Punkt 2 der heutigen Tagesordnung betrifft zweifellos eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ich will im Augenblick nicht feststellen, welche Werte an ehemaligem Reichsvermögen verlorengegangen sind, noch jetzt den Verlust dieser Werte beklagen. Ich will nur eine Anmerkung politischer Art machen: daß auf dem Gebiet der Regelung der Vermögenswerte des ehemaligen Reiches und des ehemaligen Landes Preußen der Länderegoismus, der sich ja auch auf anderen Gebieten in furchtbarer Form gezeigt hat, dem föderativen Gedanken einen sehr schweren, ich hoffe, nicht tödlichen Schlag versetzt hat.
Ich bin in der angenehmen Lage, namens der sozialdemokratischen Fraktion den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff voll zustimmen zu können. Wir machen uns die von ihm vorgetragene rechtliche Auffassung zu eigen. Daher brauche ich auf die rechtliche Seite der Sache, wie ich mir ursprünglich vorgenommen hatte, nicht einzugehen. Aber selbst für den Fall, daß jemand diese rechtliche Würdigung formal nicht anerkennen sollte, ist doch über das Formalrechtliche hinaus, glaube ich, dieses noch wichtiger: Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes mußte für die deutschen Länder das Grundgesetz die oberste Rechtsquelle sein. Ferner: Gewisse Länder wollen in die Verbindlichkeiten des früheren Reiches und des früheren Landes Preußen nicht eintreten, aber bei der Behandlung und Verwertung von deren Aktivwerten beanspruchen sie die eigene Zuständigkeit unter Berufung auf alliierte Gesetze. In dem Gesetz Nr. 19 der amerikanischen Zone, Art. XV Ziffer 20, steht aber der von Herrn Dr. Höpker-Aschoff erwähnte Generalvorbehalt. Diesen Generalvorbehalt erkennen die Länder, die sich auf die alliierte Gesetzgebung berufen, eigentümlicherweise nicht an. Man ist hier also in keiner Weise konsequent. Ich bin weiter der Meinung, daß um des Ansehens des neuen Staates willen und aus allgemeinen rechtspolitischen Erwägungen mit alliierten Gesetzen nicht mehr operiert werden sollte.
Das große ehemalige Reichs- und preußische Vermögen und die großen Beteiligungen sind unter einheitlicher Verwaltung gewesen, bis der Zusammenbruch und die Auflösung bzw. die Aufteilung des Territoriums des früheren deutschen Reiches in Zonen sie dieser einheitlichen Verwaltung entzogen. Aus dieser Einheitlichkeit müßte aber klar hervorgehen, daß ein so großes Vermögen auch nur einheitlich abgewickelt und in einzelnen Teilen nur von einer zentralen Stelle aus liquidiert werden kann, damit die notwendige Rationalisierung erfolgen und die dann unvermeidbare Neuordnung durchgeführt werden kann.
Ich will hier nicht gegen die Länder opponieren. Aber die im Bundesrat herrschende Einstellung ist mir heute wieder klar geworden, als ich mir noch einmal den Sitzungsbericht der Sitzung des Bundesrates vom 18. August 1950 zur Hand nahm. In dieser Sitzung sagte der Herr Vorsitzende des vom Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff als „Stiefvaterkollegium" bezeichneten Bundesrates zu dem „Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen" nach Aufrufung des Punktes: „Sind dazu Ausführungen zu machen oder wollen wir gleich ablehnen?"
Sie sehen, man war also ohne weiteres bereit, gleich abzulehnen.
Bevor ich nun aus dem Gesagten einige Schlußfolgerungen ziehe, möchte ich noch auf eines hinweisen: Wir dürfen nicht immer nur von „Reichsvermögen" sprechen, sondern wir müssen dieses Reichsvermögen auch unterschiedlich betrachten; denn manche von diesen Vermögen, welche im Zuge der Aufrüstung geschaffen worden sind, können in Zukunft weder Reichs- noch Landesvermögen sein, sondern müssen eben liquidiert werden. Der Anschaulichkeit halber gebe ich ein Beispiel für viele:
Im Jahre 1936 oder 1937 wurden der Stadt Mölln im Kreise Herzogtum Lauenburg mitten aus ihrem Stadtforst 200 ha herausgeschnitten, um eine Muna dort einzurichten. Nach dem Kriege, als ich Landrat des Kreises Lauenburg war, gelang es mir, gegen die Zusicherung, dieses gesamte Gebiet binnen eines Jahres zu entmilitarisieren, es für die Wirtschaft freizubekommen. Inzwischen ist eine ganz neue Stadt entstanden: 18 Industriebetriebe in 42 Häusern, 7 Gewerbebetriebe in 8 Häusern, 6 Handelsbetriebe in 7 Häusern, eine Bankfiliale in einem Hause, eine Postdienststelle. Eine Güterabfertigung ist im Augenblick im Entstehen. Von den 75 über der Erde liegenden, aber völlig eingeerdeten und zugewaldeten Bunkern wurde die Erde abgetragen, und aus jedem Bunker wurden 4 Wohnungen hergestellt. Nach meinen Erhebungen vom vorgestrigen Tage arbeiten in der Muna in Mölln jetzt 1025 Menschen. Es sind bereits über 4 Millionen D-Mark - überwiegend privates - Kapital dort investiert worden. Allein die „Möllner Textilwerke", die zum Phryx-Konzern gehören, beschäftigen dort 600 Personen. Nun kann man natürlich einen solchen Komplex in Zukunft nicht mehr als geschlossene Anlage bewahren. Ich habe vielmehr, als ich Unternehmer dafür geworben habe. immer gesagt: Ich werde mich dafür einsetzen, daß Sie später Ihr Areal als Eigentum oder im Erbbaurecht erwerben können." Ich möchte also dem Herrn Bundesfinanzminister die Anregung geben, diese Dinge auch zu prüfen und sie nicht generell und schematisch zu regeln.
Ich komme jetzt zu den Schlußfolgerungen, die ich zu ziehen habe. Es besteht kein Zweifel, daß die endgültige Auseinandersetzung dieses gesamten großen Vermögenskomplexes mutmaßlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Andererseits darf meines Erachtens in diesem Hause kein Zweifel darüber bestehen, daß der gegenwärtige Zustand nicht fortgeführt werden kann. Es ist also notwendig, daß Klarheit geschaffen wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat vorhin gesagt, welche Gesetze in Vorbereitung sind. Aber bevor diese Gesetze durchberaten und verabschiedet werden, müßten — ich stimme auch darin mit Herrn Kollegen Höpker-Aschoff überein — die vorhandenen Werte, soweit sie nicht bereits eindeutig Verwaltungsvermögen der Länder sind, beim Bund zusammengefaßt werden. Die Anlage zum Einzelplan XXIII des Bundeshaushaltsplans 1950 enthält den Wirtschaftsplan des Vermögensteiles „Ehemaliges Reichsvermögen ohne Beteiligungen des ehemaligen Reichs und Preußens". Wenn ich mir diesen Wirtschaftsplan ansehe, so muß ich feststellen, daß er bereits ein gewaltiger Fortschritt ist. Aber ist es nicht grotesk, daß wir für die britische Zone einen solchen Wirtschaftsplan haben und für die beiden anderen Zonen nicht? Für die anderen Zonen brauchen wir ihn
auch. Wir sollten überhaupt allmählich aufhören, in Zonen zu denken.
Ein ähnlicher Wirtschaftsplan — das fordere ich — müßte also für 1951 auch für das Gebiet der Bundesrepublik aufgestellt werden.
Es ist demnach zu fordern, daß alle Vermögenswerte einschließlich der Beteiligungen zunächst in eine einheitliche Bundesvermögensverwaltung übergehen, die am 1. April dieses Jahres eingerichtet sein sollte. Über das Strittige können wir dann. wenn der erste Schritt getan ist, in Ruhe verhandeln. Ich glaube ferner, daß der Herr Bundesminister der Finanzen dem Bundestag schleunigst den Entwurf eines Vorabgesetzes vorlegen sollte, damit die Verwaltung und die Haushaltsführung am 1. April in Kraft treten können. Selbstverständlich soll den Ländern nichts genommen werden, was den Ländern gebührt; aber des Bundes muß sein, was des Bundes ist. Ich empfinde es tief bedauerlich, wenn nicht gar als schandbar, daß sechs Jahre nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches. welches so gewaltige Vermögenswerte angesammelt hatte. daß anderthalb Jahre nach der Etablierung des Deutschen Bundestages und einer deutschen Bundesregierung die :e Frage noch immer nicht geklärt ist. Darum ist das oberste Gebot. Klarheit zu schaffen und alle Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.
Die Manager der einzelnen Liegenschaften und insbesondere der Betriebe mit den Beteiligungen haben — diesen Eindruck hat man oft - vielleicht größeres Interesse an der Stärkung oder Erhaltung ihrer Position als an den höheren Belangen des Ganzen, des Bundes.
Wenn die Manager dieser Betriebe sich nun mit der Länderbürokratie zusammentun - und dieser Zusammenschluß scheint mir ziemlich sichtbar erfolgt zu sein —, dann werden Manager und Bürokratie zu einer gewissen Gefahr. Ich komme deshalb zu dem Schluß, daß es notwendig ist, den ganzen Fragenkomplex in Parlamentsnähe zu rücken. Es ist doch ein unerträglicher Zustand, daß der Deutsche Bundestag die Frage bis heute noch nicht entscheidend an sich gerissen hat. Ihre Verdienste, Herr Kollege Höpker-Aschoff, seien dabei nicht bestritten; Sie haben die Angelegenheit ja früher schon angeschnitten. Nachdem Länderregierungen und Bundesregierung das bisher nicht vermocht haben — für die Bundesregierung ist es außerordentlich schwer, gegen die Länderregierungen anzukommen; ich weiß das durchaus; ich bin nicht ganz ohne Erfahrungen auf diesem Gebiet —, bin ich der Meinung, daß nur die Heranziehung an den Bundestag uns zu einer schnellen und befriedigenden Lösung führen kann. Ich beantrage deshalb: Der Bundestag wolle beschließen, den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, den Haushaltsausschuß und — weil wichtige wirtschaftspolitische Fragen entschieden werden müssen — auch den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu beauftragen, die Vermögensverhältnise und die Beteiligungen des ehemaligen Reiches und Preußens mit dem Ziel einer neuen Ordnung im Sinne des Grenclgeset7es zu prüfen. Ich gebe dabei die Anregung„ daß die drei Ausschüsse sich überlegen möchten, ob es nicht sinnvoll wäre. aus ihrer Mitte einen Unterausschuß ,,Ehemaliges Reichsvermögen" zu bilden der sich mit diesem gesamten Komplex unverzüglich zu befassen hätte.
Ich bitte, mir diesen Antrag schriftlich zu geben, Herr Abgeordneter.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir waren erfreut, als der Interpellant heute seine Ausführungen mit dem Satz einleitete, daß wir doch im Grunde genommen alle Föderalisten seien, und wir waren überrascht, diese Äußerung hier im Bundestag zu hören.
Wir waren aber doch gleich wieder etwas ernüchtert, als wir vernehmen mußten, daß dieses föderalistische Denken sich nur in „preußischen Provinzen" bewegt hat.
Was hier zur Interpellation zu sagen ist, möchte ich vom Standpunkt der Länder aus etwas beleuchten. Ich möchte mich nicht mit den staatsrechtlichen und juristischen Auseinandersetzungen befassen, die sich bei der Auslegung der Militärregierungsgesetze und des Art. 134 des Grundgesetzes ergeben. Auf jeden Fall stehen wir auf dem Standpunkt, daß Art. 134 Abs. 1 des Grundgesetzes nur Richtlinien geben kann und daß Art. 134 Abs. 4 maßgebend für die Regelung der Eigentumsverhältnisse ist.
Folgende Gedanken wären hier noch zu berücksichtigen. Ich weiß nicht, ob der Bund so ausschließlich das Recht geltend machen soll, in all diesen Dingen Rechtsnachfolger des Dritten Reiches zu sein.
Man muß doch berücksichtigen, wie sich diese Vermögenswerte zusammensetzen. Es sind Truppenübungsplätze und Militärflugplätze mit allen dazugehörigen Anlagen, Kasernenbereiche, Verpflegungsämter, Kriegsstraßen, Magazine usw. Sie wissen, in welcher Art und Weise diese Liegenschaften den einzelnen Privateigentümern genommen worden sind. Zum großen Teil fehlt noch die Übertragung im Grundbuch. Verschiedene Privateigentümer sind überhaupt noch nicht entschädigt. Hier ist damals Privateigentum in einer Art und Weise zum Reichsvermögen geworden, die sich der Bund als Rechtsnachfolger nicht zu eigen machen sollte.
Ich rede jetzt nicht von den Ländern, sondern überhaupt von der Frage, wer rechtlich Eigentümer ist.
Auf der anderen Seite ist insbesondere bei den in der Viag zusammengefaßten Unternehmungen zu berücksichtigen, daß es sich dort — zumal im bayerischen Bereich — in erster Linie um Elektrizitäts-, Versorgungsbetriebe und Werke handelt, die auf der Elektrizität aufbauen und zum Teil deswegen nach Bayern gekommen sind, also zum Beispiel die Vereinigten Aluminiumwerke und die Süddeutschen Kalkstickstoffwerke AG. In den anderen Ländern — darauf möchte ich besonders hinweisen —, z. B. in Württemberg-Baden, in Nordrhein-Westfalen, gehören die Elektrizitätsunternehmen dem Staat oder den Kommunalverbänden. Nur in Bayern soll hier eine reine Zentralisierung vorgenommen werden.
Ich möchte also im Hinblick auf diese Ausführungen
die Mahnung aussprechen, man sollte bei der Rege-
lung der Rechtsnachfolge des Dritten Reiches nicht so rücksichtslos verfahren,
daß dessen brutale wirtschaftliche und politische Machtkonzentration erneuert wird.
Noch eine zweite Überlegung ist anzustellen. Man hat brandmarken wollen, daß die Länder hier nicht ordnungsgemäß verwaltet hätten.
Meine Damen und Herren, wäre es in diesen Zeiten nach dem Zusammenbruch richtiger gewesen, zu warten, bis die Rechtsfrage gelöst wird, und diese Gelände alle tot liegen zu lassen, oder war es nicht zweckmäßiger, hier wirtschaftlich und sozial rasch zu handeln?
Sinn und Zweck der Verwaltung war doch die Nutzbarmachung der Gelände, Bauten und Einrichtungen für die heimische Wirtschaft und die Bevölkerung. Das war wichtiger; und wenn in dem einen oder anderen Fall vielleicht Beanstandungen zu machen wären, so möge man doch das Große, nämlich die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge betrachten.
Ich möchte nur einige Zahlen in Verbindung mit der Verwaltung dieser Vermögenswerte in Bayern nennen. Ich entnehme diese aus dem Bayerischen Staatsanzeiger vom 5. August 1950. Am 1. April 1950 hatten auf ehemaligen Reichsliegenschaften in Bayern rund 42 000 Personen, meist Flüchtlinge, in 10 820 Wohnungen neue Heime gefunden. In 76 Lagern harren noch 28 500 Menschen auf wirklichen Wohnraum, haben aber doch damals ein provisorisches Obdach erhalten. Fast 3000 Betrieben konnten Platz und zum Teil Hilfseinrichtungen geboten werden, wodurch 37 000 Personen Arbeit und Verdienst und damit viele Flüchtlingsfamilien eine neue Lebensgrundlage fanden. Die Spanne der gewerblichen Betriebe reichte kleinsten
Ein-Mann-Handwerksbetrieb bis zum Zweigunternehmen von Weltfirmen mit Hunderten von Arbeitskräften.
Ich glaube, daß hier das Eingreifen der Länder weit richtiger war als ein Warten darauf, daß endlich der Bund etwas unternimmt; denn dann hätten zuerst die Rechtsfragen gelöst werden müssen.
Man muß damit rechnen, daß im Zuge der Entflechtung sehr schwierige Fragen auftreten werden, weil auf Grund dieser volkswirtschaftlich vertretbaren, nun einmal gegebenen Tatsachen viele Investierungen gemacht worden sind. Privatleute und Unternehmungen haben durch eigene Initiative und mit eigener Arbeit Bauten errichtet. Es sind hier Investierungen gemacht. worden, die der gesamten Volkswirtschaft von Nutzen waren und zu einer Besserung der sozialen Verhältnisse geführt haben. Hier kann nun nicht brutal eine „Verreichlichung" erfolgen, ohne daß die besonderen Interessen der Länder — und nur von diesem Gesichtspunkt aus kann man die einzelnen Fragen betrachten - wahrgenommen werden.
Wichtig ist also nicht die Lösung der Rechtsfrage, sondern eine im wirtschaftlichen und sozialen Sinne vernünftige Lösung. Wichtig ist allein die volkswirtschaftliche und die soziale Seite. Die vordringlichste Frage ist: Wie werden diese Werte am besten zum allgemeinen Nutzen verwendet zur Abhilfe gegen den Arbeitsplatz- und Wohnungsmangel? Bei der Unzahl individueller Einzelfragen, rein örtlicher oder regionaler Probleme - Industrieplanungen, Flüchtlingsdruck usw. — wird eine zentrale Verwaltungsentscheidung praktisch immer mit geringerem Wirkungsgrad arbeiten als die ortsnahe und deshalb zuständige Stelle. Dies vor allem wird über die rein juristische Eigentumsentscheidung hinaus zu beachten sein, die den primären wirtschaftlichen und sozialen Erfordernissen anzupassen wäre.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können uns nicht mit Herrn Kollegen Minister Dr. Höpker-Aschoff hier grundsätzlich über den Föderalismus und die Gestaltung der Bundesrepublik nach dem Grundgesetz auseinandersetzen. Hier stehen sich die Anschauungen üher den Bundesstaat und die Ablehnung eines Einheitsstaates, die Anschauungen über echte Staatsverwaltung und die von einer zentralen Macht zugelassene Selbstverwaltung höherer Verbände — Provinzen — unvereinbar gegenüber.
Die Rechtsgrundlagen für die Rechtsnachfolge in das Reichsvermögen sind seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Grundgesetz gegeben.
Rechtsänderungen können sich seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht auf eine Anordnung einer Besatzungsmacht gegenüber einer Landesregierung stützen.
Zur Klärung dieser Frage wird sicherlich auch die heutige Debatte beitragen. Daß die Länder als Treuhänder für das Reich eintraten, war unerläßlich. Fine abschließende Regelung über die Rechtsnachfolge in das Reichsvermögen —
Herr Abgeordneter. darf ich Sie bitten, in die Mikrophone zu sprechen. Die Herren und Damen dort hinten können nichts verstehen.
Eine abschließende Regelung über die Rechtsnachfolge in das Reichsvermögen ist erst erfolgt, wenn das in Art. 134 Abs. 4 vorgesehene Bundesgesetz erlassen ist. Der Abs. 4 bezieht sich auf alle drei Absätze: 1, 2 und 3. Welche Anforderungen die Regelung des Art. 134 stellt, das wird zu erörtern sein, wenn der Entwurf dieses Bundesgesetzes dem Bundestage vorliegt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist von Herrn Abgeordneten Dr. Gülich beantragt worden, die folgenden Ausschüsse: erstens den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, zweitens den Haushaltsausschuß und drittens den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu beauftragen, die Vermögensverhältnisse und die Beteiligungen des ehemaligen Reichs und Preußens mit dem Ziele
einer neuen Ordnung im Sinne des Grundgesetzes zu prüfen. Ich nehme an, daß nach Ihrem Antrag, Herr Abgeordneter, der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen federführend sein soll.
Ich frage weiter, ob dieser Antrag von 30 Abgeordneten des Hauses unterstützt wird. — Das ist der Fall. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist angenommen. Damit ist die Beauftragung der Ausschüsse erfolgt. Der Punkt 2 der Tagesordnung ist damit erledigt.
Meine Damen und Herren, ich möchte auf folgendes hinweisen. Wie mir mitgeteilt wird, ist mit den Antragstellern und mit den Fraktionen eine Vereinbarung dahin erfolgt, daß der Punkt 9 der Tagesordnung, Antrag der Fraktion des Zentrums über Rückgabe der Insel Helgoland an ihre Bewohner, Nr. 1758 der Drucksachen, um eine Woche zurückgestellt werden soll.
Ich benutze diese Gelegenheit, um dem Hause Kenntnis davon zu geben, daß ich einen bei mir eingegangenen Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Richter , Dr. Dorls, Loritz und Fraktion folgenden Wortlauts nicht angenommen habe:
Der Bundestag wolle beschließen:
Eine der nächsten Sitzungen des Deutschen Bundestages findet auf Helgoland statt.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole, daß ich diesen Antrag nicht angenommen habe, erstens weil er nicht die nötige Zahl von zehn einzelnen Unterschriften trägt, zweitens weil ich diesen Antrag als propagandistisch und nicht ernst gemeint angesehen habe.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung der Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1950 .
Ich weise darauf hin, daß in der verteilten vervielfältigten Tagesordnung versehentlich „erste, zweite und dritte Beratung" gestanden hat. Das war irrtümlich geschehen, da naturgemäß dieser Gesetzesvorschlag zusammen mit dem Bundeshaushaltsplan 1950 erledigt werden muß. Ich frage den Herrn Bundesminister der Finanzen, ob sich die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung beschränkt. — Das ist der Fall.
- Es war vorn Ältestenrat in Aussicht genommen, daß diese Gesetzesvorlage ohne Aussprache dem Haushaltsausschuß überwiesen werden solle. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Damit ist auch Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Frey und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 .
Der Ältestenrat hat für die Begründung dieses Gesetzentwurfs 15 Minuten und für die Aussprache 40 Minuten vorgesehen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Darf ich fragen, wer den Gesetzentwurf begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Frey ist nicht anwesend. Will jemand anders den Gesetzentwurf begründen?
Darf ich Ihnen vorschlagen, meine Damen und Herren, diesen Gesetzentwurf ohne mündliche Begründung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen?
— Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten .
Der Herr Bundesminister des Innern hat mir mitgeteilt, daß sich die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung bezieht. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen.
- Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung, und zwar a) und b):
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion vom 19. September 1950 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für
ERP-Fragen (Nr. 1770 der
Drucksachen) ;
h) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums betreffend Entschließung zum Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion vom 19. September 1950 .
Berichterstatter des Ausschusses für ERP-Fragen
ist der Herr Abgeordnete Dr. Pünder. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprachezeit von
60 Minuten in Aussicht zu nehmen.
Ich darf Sie bitten, das Wort zu nehmen, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf an die
Geschäftsordnungsdebatte anknüpfen, die wir heute
bei Beginn der Sitzung hatten, und muß bemerken, daß die Berichterstattung zu diesem Gesetzentwurf und seiner Anlage natürlich etwas schwierig ist, weil das Hauptstück dieses Gesetzes nicht
eilen Damen und Herren des Hohen Hauses vorliegt Ich habe aber bereits eingangs der Geschäftsordnungsdebatte gesagt, daß die Drucksache
Nr. 1655, mit der die Bundesregierung uns diesen
Gesetzentwurf vorgelegt hat, nicht nur inhalt-
reich, sondern auch sehr erschöpfend und klar ist, so daß jeder, der die Drucksache in sich aufgenommen hat, mit dem wichtigsten materiellen Inhalt vertraut ist. Immerhin — ich sagte es vorhin bereits — ist dieses Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion in einem ziemlich dicken Buch von 41 Seiten mit 36 Paragraphen und manchen Anlagen niedergelegt, und bei der Belastung des einzelnen würde mancher kaum in der Lage gewesen sein, den komplizierten Inhalt ganz in sich aufzunehmen.
Der Gesetzentwurf selber, der Ihnen vorliegt, ist in seinen drei knappen Artikeln in der bereits eingebürgerten Form solcher Ratifizierungsgesetze gegliedert. Erforderlich ist hier gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes eine Annahme des Abkommens durch den Bundestag, da, wie es in dem Artikel heißt, politische Beziehungen des Bundes geregelt werden.
Unser ERP-Ausschuß, dem dieses wichtige Gesetz federführend zugeleitet worden war, hat sich zusammen mit den beiden anderen beteiligten Ausschüssen, nämlich dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Ausschuß für Außenhandelsfragen, in zwei Sitzungen am 9. und 11. Januar 1951 eingehend mit diesem Gesetzentwurf und seiner Anlage befaßt und schlägt Ihnen — gemeinsam mit den beiden anderen Ausschüssen — vor, das Gesetz nebst seiner Anlage unverändert anzunehmen. Er hat diesen Beschluß einstimmig gefaßt, wie überhaupt in unserem ERP-Ausschuß bisher nur einstimmige Beschlüsse gefaßt worden sind.
— Verzeihen Sie, ich habe es nicht gehört!
- Nein, nein, das ist absolut, nicht richtig! Wir
haben sie gar nicht herausgeworfen. Bloß weil es
ein kleiner Ausschuß ist, haben Sie bei der ,,Größe"
Ihrer Fraktion nach dem Berechnungsverfahren
leider keinen Platz in diesem Ausschuß erhalten.
Wir haben niemanden herausgeworfen. Ich darf feststellen, daß zur Opposition auch die große SPD-Fraktion gehört, und die ist sehr zahlreich im Ausschuß vertreten.
- In Dialektik? Ich meine, wir sind beide von der Mosel, wir kennen uns ja schon seit einigen Jahren, und das reizt mich auch, wenn Sie so liebenswürdige Bemerkungen machen, zu versuchen, Ihnen ebenso liebenswürdig zu antworten, Herr Renner!
Nun zur Sache zurück! Von den 18 Unterzeichnern des bisher nur paraphierten Abkommens haben sich bereits zwei materiell zu ihm geäußert, das ist die Schweiz, die bereits ratifiziert hat, und ferner ist im englischen Unterhaus bereits - so, wie wir es heute hoffentlich auch hier haben werden — ein positives Votum erfolgt. Wir werden also voraussichtlich von den 18 Ländern das dritte Land sein, das ein positives Votum abgibt. Die Europäische Zahlungsunion ist bereits, wie Sie aus den Erläuterungen gesehen haben werden, am 1. Juli 1950 — also schon vor einem guten halben Jahr — auf Grund eines Zusatzprotokolls, das diesem Abkommen beigefügt war und das am gleichen Tage, nämlich am 19. September vorigen Jahres, unterzeichnet worden ist, in vorläufige Anwendung gekommen. Sowohl das Abkommen als auch dieses Protokoll sind von dem aus unserer Frankfurter Zeit schon bekannten ausgezeichneten Leiter unserer ERP-Mission in Paris, Herrn Dr. von Mangoldt, unterzeichnet worden.
Die Begründung der Europäischen Zahlungsunion ist die notwendige Folge der Liberalisierung des Handels. Diese Liberalisierung kann den mit ihr erstrebten freien Warenaustausch eben nur dann ermöglichen, wenn sie von einem Zahlungssystem begleitet wird, das die Währungen der europäischen Empfängerländer wieder untereinander austauschbar macht. Eine einheitliche europäische Währung wäre natürlich noch weit wünschenswerter gewesen, aber dieses Endziel mußte im Augenblick leider noch als unerreichbar zurückgestellt werden. Jedoch wird jeder Freund einer hoffentlich kommenden europäischen Einheit sehr begrüßen, daß wenigstens dieser wichtige erste Schritt der Gründung der Europäischen Zahlungsunion getan worden ist. Denn abgesehen von der Annahme der Ihnen bekannten Erklärung der Menschenrechte und ferner von der im Gang befindlichen Gründung des internationalen europäischen Flüchtlingsamts ist gerade das Ihnen vorliegende Abkommen der erste bedeutsame Schritt zu dieser europäischen Einheit. Wir müssen es mit Dankbarkeit anerkennen, daß es auch hier wieder die Vereingten Staaten gewesen sind, die die europäischen Länder zu diesem Schritt ermutigt haben. Im Dezember 1949 hatte die amerikanische Marshallplanverwaltung der OEEC in Paris den Vorschlag eines solchen umfassenden europäischen Zahlungsaustauschplanes gemacht.
Die Zahlungsunion stellt einen Vertrag der Mitgliedsstaaten dar, durch den diese ihre Zahlung;verbindlichkeiten untereinander nun nicht mehr bilateral, sondern multilateral verrechnen und ihre Defizite und Überschüsse durch Kreditgewährung oder Geldeinzahlungen ausgleichen müssen.
Der technische Apparat für diese in der praktischen Einzelausführung sehr komplizierten und schwierigen Vorgänge ist verhältnismäßig einfach. Die Tätigkeit dieser Union wird nach Weisung und unter Aufsicht des Rates der OEEC durch ein Direktorium und durch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel ausgeübt. Diesem Direktorium, das aus höchstens 7 Mitgliedern bestehen soll, wird auch ein deutscher Vertreter angehören. Wie wir gehört haben, wird der vorhin erwähnte Herr Dr. von Mangoldt das deutsche Mitglied dieses Direktoriums sein.
Meine Damen und Herren! Es wäre über diesen Gesetzentwurf mit seiner wichtigen Anlage noch viel zu bemerken. Ich will mich aber kurz fassen. An wichtigsten Einzelheiten ist vor allem festzuhalten: Die Länder der EZU — Europäische Zahlungsunion — verrechnen ihre im zweiseitigen Zahlungsverkehr auflaufenden Forderungen und Verbindlichkeiten nun nicht mehr von Land zu Land, sondern mittels des durch das Abkommen neugeschaffenen Abrechnungsverfahrens untereinander. Dies ist in einem Absatz der Begründung auf Seite 5 sehr anschaulich ausgeführt, auf den ich mit Erglaubnis des Herrn Präsidenten hinweisen darf. Da heißt es:
Für jedes Teilnehmerland ist damit nicht mehr der Stand seiner Zahlungsbilanz gegenüber einem andern Land, sondern gegenüber der Gesamtheit aller Mitgliedsländer wichtig. Während jedes Land bisher um einen möglichst ausgeglichenen Zahlungsverkehr mit jedem
einzelnen anderen Land besorgt sein mußte, kann es sich von jetzt ab bei einem andern Land oder mehreren z. B. durch Warenbezüge verschulden, wenn es durch verstärkte Leistungen bei anderen Ländern Guthaben erwirbt, mit denen es die Schulden über die Zahlungsunion tilgen kann. Waren und Dienstleistungen können damit unter den Teilnehmerstaaten ohne die Sorge um das Vorhandensein von Guthaben oder Krediten in bestimmten Währungen unter dem Gesichtspunkt der größten Leistungsfähigkeit und Preiswürdigkeit ausgetauscht werden.
Und dann das Beispiel:
Deutschland kann also mit Deviseneinnahmen aus Ausfuhrüberschüssen z. B. nach der Türkei, Griechenland und Österreich Importe z. B. aus Großbritannien bezahlen.
Zur praktischen Durchführung dieses neuen Verrechnungssystems sind selbstredend ganz bestimmte Vorkehrungen erforderlich gewesen, und zwar zunächst dahin, daß jedes der 18 Teilnehmerländer der Zahlungsunion einen Kredit einräumt und von ihr erhält. Für jedes Land ist die Höhe der Kredite verschieden. Im allgemeinen wurden — das bitte ich zu vermerken - 15% des Außenhandelsstatus von 1949 festgelegt, und zwar in sogenannten Rechnungseinheiten. Die deutsche Quote nach diesem Modus ist auf 370 Millionen solcher Rechnungseinheiten festgesetzt worden. Aber außer diesen Krediten der Teilnehmerländer ist in dem Abkommen eine USA-Hilfe in Höhe von 350 Millionen Dollar vorgesehen und gemäß Art. 23 des Abkommens bereits in den Fonds der EZU eingezahlt.
Hierbei ist Deutschland ein Anfangsguthaben nicht gewährt worden, weil es nach amerikanischer Auffassung wieder wie früher Überschüsse im Handel mit den Teilnehmerländern wahrscheinlich erzielen wird. Die Bundesregierung hat aber, falls sich die amerikanische Auffassung als unrichtig herausstellen sollte, nach den Bestimmungen dieses Abkommens bei der für die Folgezeit vorgesehenen Neufestsetzung dieser Anfangsguthaben die Gelegenheit, noch einmal die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik darzulegen und gleichfalls die Gewährung eines Anfangsguthabens zu erbitten.
Außerdem ist noch ein besonderer Hilfsfonds der Vereinigten Staaten aus ERP-Mitteln vorgesehen, aus dem nach dem Abkommen dann geholfen werden kann, wenn Schuldnerländer wider Erwarten in eine Notlage geraten und ihre Verpflichtungen gegenüber der EZU nicht erfüllen können. Dies gilt natürlich auch für die Bundesregierung. Aus diesem Hilfsfonds ist ihr inzwischen, soviel ich orientiert bin, bereits ein Betrag von 30 Millionen Dollar zugesichert worden.
Die Vorteile der deutschen Mitgliedschaft an diesem Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion sind auf der Schlußseite 8 der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 1655 gleichfalls sehr anschaulich dargelegt. Hier wird insbesondere noch einmal darauf hingewiesen, daß wir ja erfreulicherweise schon seit längerer Zeit in der OEEC gleichberechtigtes Mitglied dieser Gemeinschaft sind, wo wir durch den ERP-Minister, Herrn Bundesminister Blücher, vertreten sind. Diese Stellung, die wir bereits in der Organisation in Paris haben, wird naturgemäß verstärkt, wenn wir jetzt auch dieser Zahlungsunion beitreten. Ganz wesentlich ist für uns auch, daß die alten Schulden, die uns aus der Vergangenheit naturgemäß drücken — aus dem zweiseitigen Zahlungsverkehr mit anderen Ländern aus der früheren Zeit —, uns nicht mehr ganz so zu drücken brauchen, weil sie nämlich nicht mehr durch sofortige Devisenzahlungen oder Warenlieferungen an die einzelnen Gläubigerländer getilgt werden müssen, sondern nunmehr gleichfalls in das internationale Clearing eingegliedert werden. Schließlich wird noch darauf hingewiesen, daß Deutschland naturgemäß auch in den Genuß der zusätzlichen amerikanischen ERP-Mittel gelangt, über die ich Ihnen vorhin berichtet habe. In der Drucksache Nr. 1655 kommt daher die Bundesregierung nach Auffassung der beteiligten Ausschüsse mit Recht zu dem Schluß, daß die Zustimmung erteilt werden sollte.
In den eingehenden Überlegungen, die wir im ERP-Ausschuß zusammen mit unseren Kollegen aus den beiden anderen Ausschüssen angestellt haben, haben wir natürlich die Schwierigkeiten, die für uns aus dieser Zahlungsunion und der ihr zugrunde liegenden Liberalisierung des Handels erwachsen, auch nicht vergessen; sie sind ja hinlänglich bekannt, man könnte darüber stundenlang reden. Diese Schwierigkeiten beruhen nicht zuletzt auf der Festsetzung der deutschen Quote von 15%, über die ich Ihnen vorhin berichtet habe. Ich habe ausgeführt. daß diese 15% im wesentlichen unter Rückgriff auf die .Außenhandelszahlen des Jahres 1949 festgelegt worden sind. Während nun aber die anderen Empfangsländer des Marshallplans ihre Handelsbeziehungen fast durchweg schon im Jahre 1949 normalisiert hatten, war das in Deutschland nicht der Fall. Wir haben uns erlaubt, das in dem Zusatzantrag, der Ihnen ja in der Drucksache zu Drucksache Nr. 1770 vorliegt, darzulegen. Da wird darauf hingewiesen, daß Deutschland im Jahre 1949 erst einen Außenhandel in Höhe von 1123 Millionen Dollar, aber im Jahre 1950 von 2 Milliarden Dollar gehabt hat. Es ist deshalb ein dringender Wunsch unserer Ausschüsse, dem sich auch die Bundesregierung anschließt, daß die Quotenfestsetzung erneut überprüft wird. Wenn man bei 15% bleibt, muß bei uns jetzt ein Status angenommen werden, der mindestens dem Volumen von 1950 entspricht. Das ist der Inhalt des Ihnen vorliegenden Antrags in der Drucksache z u Drucksache Nr. 1770, worüber ich Ihnen berichtet habe. Der Antrag trägt — Herr Renner, zu Ihrem Kummer muß ich es bemerken — abermals die Unterschriften sämtlicher Fraktionen. Darunter sind also nicht nur die der Koalitionsparteien. sondern auch die große Oppositionspartei der SPD hat gern mitgewirkt. Wir möchten bitten, daß Sie auch diesem Antrag zustimmen, da er der Bundesregierung willkommene Gelegenheit geben wird, bei ihren bevorstehenden Verhandlungen darauf hinzuwirken, die deutsche Quote in der europäischen Zahlungsunion entsprechend zu erhöhen.
Abschließend darf ich daher an das Hohe Haus die Bitte richten, sowohl dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf nebst beiliegendem Abkommen wie aber auch namentlich der Entschließung zuzustimmen, die ich soeben vor Ihnen erörtert habe.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Berichterstattung gehört. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Ich lasse abstimmen über Art. I, Art. II, Art. III, Einleitung und Überschrift des Gesetzes nach dem Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 1770. Den Text finden Sie in der Drucksache Nr. 1655. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in zweiter Beratung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
— Nicht vollständig; Herr Abgeordneter Freudenberg hat zugestimmt.
Ich eröffne die
dritte Beratung
des Gesetzes. — Zur allgemeinen Aussprache liegen keine Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion vom 19. September 1950. Ich lasse abstimmen über Art. I, Art. II, Art. III, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen bei der FDP und einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Ihnen in der Drucksache zu Drucksache Nr. 1770 vorgelegte Entschließung. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Entschließung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen einige kommunistische Stimmen angenommen.
ich rufe weiter auf Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (Nr. 1808 der Drucksachen). (Erste Beratung: 109. Sitzung.)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Langer.
Der Ältestenrat hat angenommen, daß das Gesetz ohne Aussprache verabschiedet werden kann.
Darf ich Herrn Abgeordneten Langer bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 1808 legt Ihnen der 26. Ausschuß den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vor und empfiehlt Ihnen seine Annahme.
Seiner Tradition aus den Beratungen über das Bundesversorgungsgesetz folgend, hatte der Ausschuß vor Eintritt in die Hauptarbeit die Vertreter der führenden Kriegsopferorganisationen geladen. Damit war den Herren Gelegenheit gegeben, namens ihrer Organisationen ihre Wünsche und Anregungen dem Ausschuß direkt zu übermitteln. Als wesentlichster Punkt aus den Referaten der Herren Vertreter, soweit ihr Inhalt im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommen ist, sei hervorgehoben, daß bei allen Organisationen volle Übereinstimmung darüber bestand, daß die Kriegsopferversorgungseinrichtungen an sich bundeseigene Verwaltung sein müßten.
Auch der Ausschuß stimmt mit dieser Forderung der Verbände vollkommen überein. Wenn er heute trotzdem nicht den Antrag stellt, diese Einrichtungen als bundeseigene Verwaltung aufzuziehen, dann nur deshalb, weil das Gesetz möglichst schnell in Funktion treten soll, damit das Bundesversorgungsgesetz, das nun schon seit langer Zeit verkündet ist, endlich zur Durchführung gelangt und die Umanerkennungen in zügiger Form durchgeführt werden. Es hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß die bundeseigene Verwaltung nur durch Änderung des Art. 87 des Grundgesetzes zustande kommen könne. Da hierzu eine qualifizierte Mehrheit in diesem Hause und im Bundesrat und darüber hinaus noch die Zustimmung der Hohen Kommissare nötig wäre, konnte der Ausschuß es nicht verantworten, diesen Antrag zu stellen. Wir begnügen uns also damit, den Entwurf in der abgeänderten Form hier vorzulegen, damit er heute zur Annahme kommt. Der Ausschuß hat sich aber mit großer Mehrheit ausdrücklich vorbehalten, zu geeigneter Zeit darauf zu dringen, daß die jetzt zu schaffende Verwaltung für die Kriegsopfereinrichtungen möglichst bald bundeseigene Verwaltung wird. Die bisherigen Dienststellen der Landesversicherungsanstalten, die die Aufgaben durchgeführt haben, werden so lange in Tätigkeit bleiben, bis die neuen Versorgungsämter geschaffen sind.
Bezüglich der personellen Besetzung dieser Dienststellen konnte erfreulicherweise festgestellt werden, daß die prozentuale Beteiligung gerade aus den Reihen der Kriegsopfer in dieser ihnen ureigenen Sache angemessen ist. Der Ausschuß gibt der Hoffnung Ausdruck, daß diese Entwicklung auch weiterhin positiv bleibt. Die auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes erfolgende Betreuung der Schwerbeschädigten, Hinterbliebenen, besonders auch der Hirnverletzten, der Blinden sowie der sonst schwer betroffenen Personengruppen erfordert nicht nur eine besondere sachliche Kenntnis, sondern setzt bei den Bediensteten der Behörden ein besonderes Maß an Einfühlungsvermögen und eine spezielle Eignung voraus. Aus dieser Erkenntnis kam der Ausschuß dazu, in einem § 3 a darauf hinzuweisen, daß die Beamten und Angestellten der Versorgungsverwaltung für ihre Aufgaben besonders geeignet sein müssen. Der personellen Besetzung der Dienststellen widmete der Ausschuß seine besondere Aufmerksamkeit noch einmal in § 5 Abs. 1. Es erschien notwendig, Sicherungen einzubauen, damit bei der Schaffung der neuen Dienststellen nicht eine Übervorteilung der Kriegsopfer dadurch eintritt, daß wenig gutes Personal in die neuen Dienststellen abgeschoben wird. Andererseits sahen wir uns gezwungen, zu verhindern, daß jenem Personenkreis, der seit Jahren in den Stellen der Landesversicherungsämter mit der Kriegsopferversorgung betraut wurde, persönliche Nachteile erwachsen. Auch die Überlegung, daß der nächste Schritt in der Kriegsopferversorgung, wie eingangs erwähnt, zu einer bundeseigenen Verwaltung führen muß, ließ die Einfügung dieses Absatzes opportun erscheinen.
Die Kriegsopferorganisationen hatten eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie und die Gewerkschaften als Beiräte bei den Versorgungsdienststellen tätig sein müßten. Diese Forderung wurde
vom Ausschuß grundsätzlich gebilligt. Aber auch hier mußte von einer Verankerung im Gesetz abgesehen werden, um jede Verzögerung zu vermeiden.
Die vorliegenden Unterlagen weisen aus, daß zur Zeit etwa 14 000 Personen in der Kriegsopferversorgung beschäftigt sind. Nach den Auskünften der zuständigen Ministerien wird sich diese Zahl um weitere 1 500 Personen vermehren. Auch hier gab der Ausschuß noch einmal seiner Auffassung Ausdruck, daß bei der Neueinstellung bewährte Kräfte aus den Organisationen der Kriegsopfer sowie der politisch, rassisch und religiös Verfolgten besonders zu berücksichtigen seien.
Namens des Ausschusses darf ich mir einen besonderen Hinweis bezüglich der Berücksichtigung des Personenkreises gemäß Art. 131 des Grundgesetzes gestatten. Da dieses Gesetz noch immer nicht verabschiedet ist, glaubte der Ausschuß eine besondere Verpflichtung darin zu sehen, zu betonen, daß im Hinblick auf eine zu erwartende Regelung fachlich vorgebildete und geeignete Beamte, Angestellte und Arbeiter dieses besonderen Kreises bei den Neueinstellungen Berücksichtigung finden sollten.
Der § 6 a ermöglicht die Ausdehnung des Gesetzes auch auf Berlin.
Abschließend darf gesagt werden, daß die Auffassungen über das neue Gesetz bzw. die Einrichtung der in ihm vorgesehenen Dienststellen bei den Organisationen, dem Arbeitsausschuß soziale Fürsorge, dem Bundesausschuß der Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenenfürsorge und dem 26. Ausschuß des Bundestags völlig gleich sind. Wenn das Hohe Haus sich zur gleichen Auffassung wie der Ausschuß bekennt, dann ist eine Diskussion zu diesem Gesetz nach unserer Meinung nicht nötig.
Ich habe daher die Ehre, Ihnen den vorliegenden Entwurf in der vom Auschuß abgeänderten Form zur Annahme zu empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Genau wie der Ausschuß schlägt der Ältestenrat vor, von einer Besprechung abzusehen. - Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe auf §§ 1 bis 7 — wobei natürlich die Abänderung der Numerierung vorbehalten bleibt —, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung erledigt.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und zur Schlußabstimmung. Ich rufe auf die §§ 1 bis 7, — Einleitung und Überschrift.' — Angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz im ganzen zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der BP betreffend Hilfsmaßnahmen für unwettergeschädigte Gebiete (Nrn. 1657, 1149 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt auch in diesem Falle vor, auf eine Aussprache zu verzichten.
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Wacker. Ich erteile ihm das Wort.
Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat in seiner Sitzung vom 4. September 1950 durch das Bundesfinanzministerium eine Auskunft über den Umfang der Unwetterschäden einholen lassen, die in diesem Jahre aufgetreten sind, und darüber, welche Abweichungen im Vergleich zu anderen Jahren vorliegen. Ferner sollte mitgeteilt werden, welchen Umfang die auf gesetzlicher Grundlage beruhende Hilfe bei Unwetterschäden hat. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat die Herren Minister und Senatoren für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Bundesgebiet gebeten, substantiierte Unterlagen über die Unwetterschäden in den einzelnen Ländern zu übersenden.
Bayern hat eine Übersicht über die durch Trockenheit geschädigten Gebiete übersandt, ohne über den wertmäßigen Ausfall der Ernten insgesamt Mitteilung zu machen. Es hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten davon unterrichtet, daß die Staatsregierung durch den Beschluß des Bayerischen Landtags vom 2. August 1950 ersucht wurde, den durch Dürreschäden betroffenen Landwirten Steuervergünstigungen und angemessene Beihilfen, vor allem Kredite zur Beschaffung von Futtermitteln, Düngemitteln und Saatgut zu gewähren. Es hat darüber hinaus beantragt, daß seitens der Bundesregierung Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden.
Die Landwirtschaftskammer Weser-Ems hat dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen Antrag auf Hilfsmaßnahmen zugeleitet, in dem die durch die ungewöhnlich starken Niederschläge in diesem Gebiet erlittenen Ernteschäden geschildert werden. Eine Mitteilung über den wertmäßigen Schaden insgesamt wurde nicht gemacht.
Des weiteren hat das Landwirtschaftsministerium von Württemberg-Baden durch Fernschreiben bekanntgegeben, daß der Gesamtschaden — ohne Hagelschaden — 5 280 000 DM beträgt.
Aus der weiteren Aufstellung geht hervor, daß die Länder bereits die Schäden abgegolten haben, soweit sie nicht durch Hagelversicherung mit abgegolten worden sind.
Bei der Soforthilfeabgabe ist ein Entgegenkommen, auch anläßlich von Unwetterschäden, nach Meinung des Bundesfinanzministeriums nur durch Stundung möglich. Ein Erlaß der Abgabe ist durch die ausdrückliche Vorschrift des § 59 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes in jedem Fall ausgeschlossen; mithin ist auch eine Ermäßigung der Abgabe im Verwaltungsweg unzulässig.
Generelle Stundungsmaßnahmen für ganze Notstandsgebiete, die dann jeweils besonders abgegrenzt werden müßten, hält der Herr Bundesminister der Finanzen nicht für zweckmäßig. Er hat diesen Standpunkt, wie er ausführte, bisher stets vertreten, und zwar mit voller Billigung des Lastenausgleichsausschusses des Bundestags, und er hält ihn auch heute noch auf alle Fälle für Unwetterkatastrophen aufrecht.
Allgemeine Maßnahmen würden nach seiner Ansicht vielen zuwenig und vielen zuviel geben. Das gilt für die Berücksichtigung von Unwetterschäden in derselben Weise wie für die Berücksichtigung von Kriegsschäden. Auch bei Unwetterschäden ist es erfahrungsgemäß nach seiner Meinung sehr oft so, daß unmittelbar neben Flächen, die z. B. vom Hagel auf das schwerste betroffen sind, sich andere befinden, die davon wenig oder überhaupt nicht berührt worden sind.
Die Handhabung von Stundungsmaßnahmen in den einzelnen in Betracht kommenden Fällen ist bereits durch besondere Runderlasse geregelt. Sowohl für buchführende als auch für nicht buchführende Landwirte sind besondere Formblätter für Stundungsanträge ausgearbeitet worden, auf denen die betroffenen Abgabepflichtigen die wirtschaftliche Lage des Betriebes und ihre Gesamtlage genau klarzulegen haben, so daß das für die Stundung zuständige Finanzamt geeignete Unterlagen für die Beurteilung des Sachverhalts erhält.
Der Herr Bundesfinanzminister hat hierzu in dem die Verwendung dieser Formblätter regelnden Runderlaß vom 13. Februar 1950 insbesondere auch hinsichtlich der nicht buchführenden Landwirte darauf hingewiesen, daß ein Grund für eine Stundung gegeben sein könne, wenn infolge Dürre, Wetterschäden oder anderer besonderer Naturereignisse der Ertrag vom durchschnittlichen Normalergebnis erheblich abweicht. Dieser letztere Umstand könne für manche Landstriche beachtlich werden; in solchen Fällen sei Wert auf möglichst gleichmäßige Behandlung hinsichtlich der Würdigung dieses Tatbestandes zu legen.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer geht aus den Berichten der Obertinanzdirektionen hervor, daß Schäden nicht vorliegen, die größere Gebiete betreffen; sie sind vielmehr nur strichweise aufgetreten.
Bei Landwirten, die Bücher oder Aufzeichnungen führen, wirken sich die Schäden schon dadurch automatisch steuerlich aus, daß entsprechend den geminderten Umsätzen die Umsatzsteuer niedriger festgesetzt ist. Bei nicht buchführenden Landwirten, deren Umsätze nach Richtsätzen ermittelt werden, ist auf Anordnung der Oberfinanzdirektionen zunächst durch Stundung mit dem Ziel eines späteren Erlasses geholfen worden. Soweit die Schäden in die Zeit nach dem 1. Juli 1950 fallen, wird dem bei der Festsetzung der Richtsätze für 1950/51 durch Abschläge Rechnung getragen werden.
Sowohl bei buchführenden wie auch bei nichtbuchführenden Landwirten ist in Einzelfällen bei Totalschäden oder bedeutenden Schäden die Umsatzsteuer bereits gestundet. Ferner ist Erlaß im Billigkeitswege in Aussicht genommen.
Der Hauhaltsausschuß hat nach Kenntnisnahme dieser Darstellungen den Beschluß gefaßt, den Antrag Drucksache Nr. 1657 für erledigt zu erklären. Diesem Beschluß hat sich der Ausschuß für den Lastenausgleich angeschlossen. Der Haushaltsausschuß hat mich gebeten, Ihnen vorzuschlagen, den Antrag anzunehmen.
Meine Damen und Herren! Darf ich allgemein wieder einmal darauf aufmerksam machen, daß nach § 40 der Geschäftsordnung die Möglichkeit besteht, daß die Ausschüsse ihre Berichte schriftlich erstatten.
Wenn das geschieht, ersparen Sie sich die Mühe der Verlesung wörtlicher Berichte in diesem Hause und den Abgeordneten das Zuhören. Ich bitte doch die Ausschüsse, in wesentlich stärkerem Maße von dieser Möglichkeit einer schriftlichen Berichterstattung Gebrauch zu machen. Es fördert, glaube ich, unsere Arbeit.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1657. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist angenommen. Damit ist der Punkt der Tagesordnung erledigt.
Punkt 9 der Tagesordnung ist abgesetzt worden.
Ich rufe auf Punkt 10:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verhandlungen über militärische Fragen .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und vorsorglich eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor.
Wer wird den Antrag begründen? — Herr Abgeordneter Fisch. Ich bitte, das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Seit dem 19. September, seit dem Tage, an dem das Kommuniqué der New Yorker Außenministerkonferenz veröffentlicht wurde, ist es offensichtlich geworden, welcher Art Leistungen die amerikanischen Kriegsinteressenten vom deutschen Volke verlangen. Seit diesem Tag ist es klar, daß sie an eine allgemeine Mobilisierung der deutschen Menschen und des deutschen Materials denken. Seit diesem Termin ist aber auch klar, daß die amerikanischen Kriegsinteressenten nicht so operieren können, wie sie wollen, ohne dabei auf den Widerstand breitester Schichten unseres Volkes zu stoßen. Ich denke, der Herr Bundeskanzler hat anläßlich seines Besuches in Stuttgart selbst erlebt, wie das Volk über diese Frage denkt, und auch die Ergebnisse der Landtagswahlen im November in Süddeutschland haben gezeigt, daß die Bevölkerung die Absicht hat, solchen Leuten ihre Stimme zu geben und ihr Vertrauen auszusprechen, von denen sie erwartet, daß sie gegen die Remilitarisierung Stellung nehmen. Ob sie dabei ihre Stimme am richtigen Schalter abgegeben haben, um ihren Willen durchzusetzen, das möchte ich allerdings bezweifeln.
Auch die zahlreichen Pressebefragungen in der letzten Zeit haben ein ganz eindeutiges Bild über die wirkliche Auffassung des Volkes über die amerikanischen Pläne gegeben.
Meine Damen und Herren! Es hat sich in der Zwischenzeit einiges ereignet, das die Hoffnungen breiter Schichten der deutschen Bevölkerung erweckt hat, Hoffnungen, daß es einen anderen als den Weg des Krieges zur Lösung der wichtigsten Probleme unserer Nation gibt.
Insbesondere seit dem 19. Oktober, seit der Bekanntgabe der Vorschläge der Außenministerkonferenz von Prag, seit dem Vorschlag der Sowjetregierung vom 3. November auf Einberufung einer neuen Konferenz des Außenministerrats und insbesondere auch seit der Absendung des Grotewohl-Briefes wird in allen Schichten unseres Vol-
kes die Meinung immer stärker, daß die Remilitarisierung verhindert werden muß und daß man alles tun muß, solange auch nur die geringste Möglichkeit einer Verständigung zwischen Ost und West besteht, die jede Remilitarisierung überflüssig macht.
Diesen Gedanken pflegen auch Menschen aus solchen Kreisen, die immer noch Opfer der nazistischen Zwecklüge in neuer Aufmachung von der „Gefahr aus dem Osten" sind. Auch sie glauben an die Möglichkeit, daß durch die neuen Ereignisse eine Lösung ohne Remilitarisierung, d. h. ohne Krieg angebahnt werden kann.
Der Bundeskanzler allerdings hat diesen Erwartungen und Hoffnungen nicht Rechnung getragen. Nicht einmal die allergeringste Erwartung, die in seine Handlungen gesetzt wurde, ist erfüllt worden, nämlich die Erwartung, daß er nichts in dieser Frage tut, ohne das Volk zu befragen, ohne die Meinung und den Willen des Volkes einzuholen. Er hat das Gegenteil getan. Er hat gemäß seiner bereits im August angewandten Methode alles getan, um in die Richtung der vollendeten Tatsachen zu drängen, um die amerikanischen Wünsche zu erfüllen. Gemäß seiner Politik, die er in dem Interview vom 18. August an eine amerikanische Zeitung eingeschlagen hat, gemäß der Absendung des Sicherheitsmemorandums ohne Kenntnis seiner eigenen Kabinettskollegen am 29. August — gemäß dieser Linie hat er auch seitdem alles getan, um dem amerikanischen Drängen nach Überwindung aller eingetretenen verzögernden Momente schnellstens zu entsprechen.
Es ist bekannt, daß es solche Faktoren der Verzögerung gibt. Es ist bekannt, daß der amerikanische Fahrplan nicht so hat durchgeführt werden konnen, wie man es sich drüben gedacht hat. Darum nicht, weil es in England, Frankreich und anderen Staaten immer mehr vernünftige Stimmen gibt, die sich der amerikanischen Wahnsinnspolitik widersetzen und die eine Perspektive vermeiden wollen, die mit Sicherheit nicht bloß zu weiteren internationalen Verwicklungen, sondern zum Krieg führen müßte. Den amerikanischen Plänemachern aber war jede Verzögerung peinlich, weil sie Westdeutschland brauchen für die Realisierung ihrer Pläne, die westdeutschen Menschen, das westdeutsche Material, seine Rohstoffe, seine Produktionskapazität. Darum auch hat es eine solche Aufforderung an die Bundesregierung gegeben, ihrerseits alles zu tun, um trotz der eingetretenen „Störungen" dem amerikanischen Fahrplan noch zur Durchführung zu verhelfen.
Nachdem ursprünglich Besprechungen über militärische Fragen wegen des Widerstandes von britischer und französischer Seite ausgesetzt wurden, nachdem sich der amerikanische Hohe Kommissar ursprünglich auf die Abhaltung „privater" und „unverbindlicher" Besprechungen beschränken wollte, ist dann die Mitteilung aufgetaucht, daß am 9. Januar 1951 offizielle Verhandlungen von offiziellen Militärvertretern der Westmächte mit einer Vertretung aus Bonn beginnen würden.
Ich möchte hier die Frage stellen: Wer hat den Bundeskanzler beauftragt, ehemalige Generale der Hitler-Armee nach dem Petersberg zu schicken, um dort nicht nur über militärische Fragen zu diskutieren, sondern Pläne zu entwerfen, die von weitreichenden Folgen für das Schicksal unseres ganzen Volkes und für den Frieden Europas sind? Eine maßgebliche Zeitung Westdeutschlands schrieb am 22. Dezember 1950:
Wenn sich die Ernennung der beiden Generale Speidel und Heusinger bewahrheiten sollte, so würde dies jetzt eine wesentliche Förderung bedeuten.
Jawohl, eine Förderung der amerikanischen Pläne, und diese Förderung wurde von der Regierung Adenauer auch prompt besorgt. Ich möchte fragen: Welche Gründe hat der Bundeskanzler für die völlige Geheimhaltung der Besprechungen auf dem Petersberg? Warum gibt der Bundespressechef Dr. Twardowski der Presse wohlgemeinte Ratschläge, diese Dinge „delikat" zu behandeln, über den Inhalt nichts verlauten zu lassen? Warum müssen wir erst aus ausländischen Zeitungen über den Inhalt dieser Besprechungen Kenntnis nehmen? Ich frage weiterhin: In welchen Organen hat der Bundeskanzler diese Fragen besprochen? Ich erinnere mich an eine Forderung der sozialdemokratischen Fraktion auf Berufung eines parlamentarischen Ausschusses zur Überwachung der militärischen Besprechungen. Ich frage die Bundesregierung: Wo ist ein solcher parlamentarischer Ausschuß, wo und wann hat er getagt, wo und wann ist er gewählt worden? Oder will Herr Adenauer uns weismachen, daß jenes geheime Gremium, von dessen Zusammenkunft wir wissen, etwa als ein parlamentarisches Organ anzusprechen ist?
Ich frage: In welchem Range befinden sich die Herren Generale, in welchem Range haben sie am Montagabend in Homburg mit dem amerikanischen Oberbefehlshaber der Atlantikpakt-Armee verhandelt? Ich frage: Welche „Sicherheitsgarantien", welche Erfüllung von gestellten Bedingungen kann der Bundeskanzler vorweisen, um sein Verhalten, seine geheimen Konspirationen hinter dem Rücken des Volkes zu begründen?
Herr Abgeordneter Fisch, ich rufe Sie wegen des Ausdrucks „seine geheimen Konspirationen hinter dem Rücken des Volkes" zur Ordnung.
Meine Damen und Herren! Ich habe hier die Mitteilung der „Neuen Zürcher Zeitung" vom 11. Januar dieses Jahres über den Inhalt der am 9. Januar begonnenen Beratungen, die dann am 16. Januar fortgesetzt wurden. Dort heißt es:
Erster Punkt der Verhandlungen ist die Frage der Verstärkung der alliierten Truppenbestände in Deutschland, zweite Frage die Bildung sogenannter Kampfgruppen in Stärke von 5000 bis 6000 Mann, die über neun Bataillone Infanterie, zwei Abteilungen Artillerie, zwei Bataillone Panzerwagen, ein Pionierbataillon usw. verfügen.
Ich möchte Sie bitten, sich den folgenden Satz sehr genau zu Gemüte zu führen. In der Meldung heißt es:
Alliierte Stellen messen den Kampfgruppen
— die also von deutscher Seite gewünscht werden — einen erheblichen militärischen Wert bei. Sie verweisen dabei auf die letzten Erfahrungen in Korea, wo sich die Commonwealth- und die türkische Brigade, die etwa der Stärke solcher Kampfgruppen entsprechen, außerordentlich bewährt hätten.
Darf ich Sie bitten, zum Schluß zu kommen, Herr Abgeordneter! 10 Minuten sind um.
Ich bitte, mich noch eine kurze Zeit zu Ende sprechen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Diese Inhaltsangabe sollte allen Menschen in Deutschland bekannt werden. Das also ist der Gegenstand der geheimen Besprechungen auf dem Petersberg, über die man Diskretion vereinbart hat: die Aufstellung türkischer Brigaden deutscher Sprache.
Es geht hier nicht um „technische" Fragen irgendwelcher Art, wie es in den offiziellen Kommuniqués heißt. Wenn man sich zu solchen weitgehenden Verhandlungen bereit erklärt und sie geheimhält, hat man im Grundsatz die Remilitarisierung bereits nicht nur akzeptiert, sondern man ist dabei, sie durchzuführen.
Es ist offensichtlich, daß militärische Maßnahmen nicht bloß darin bestehen, daß man schießt. Sie bestehen vielmehr auch darin, daß man die Aufstellung militärischer Formationen unmittelbar vorbereitet und einleitet. Es ist darum offensichtlich, daß die Erklärung des Bundeskanzlers vom 15. Januar 1951, daß die Bundesregierung sich bis jetzt jeder militärischen Maßnahme enthalten habe, nicht den Tatsachen entspricht.
Meine Damen und Herren! Es ist eine letzte Möglichkeit, die Bundesregierung auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen. Diese Pflicht besteht darin, den Willen des Volkes, der eindeutig genug geäußert worden ist, zu achten. Der Wile des Volkes verlangt die unverzügliche Einstellung der Geheimverhandlungen auf dem Petersberg.
Unser Volk weiß, was die Remilitarisierung bedeutet: den Bruch internationaler Verpflichtungen, die Erhöhung der Kriegsgefahr; sie bedeutet für unsere Nation die Perspektive von Tod und Verwüstung.
Darum haben wir diesen Antrag gestellt, in der festen Überzeugung, damit in Übereinstimmung mit der erdrückenden Mehrheit unseres Volkes zu handeln. Wenn die Verhandlungen eingestellt werden, wenn somit dokumentiert wird, daß von deutscher Seite nichts geschehen wird, um gegen den Willen des Volkes die amerikanischen Pläne der Remilitarisierung zu realisieren, dann kann in letzter Minute — nicht zu spät — noch ein Weg zur friedlichen Lösung der Lebensprobleme unseres Volkes und zur Sicherung des Friedens in ganz Europa angebahnt werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schröter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde beantrage ich, den Antrag der Fraktion der KPD durch Übergang zur Tagesordnung für erledigt zu erklären.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Wird dem Antrag widersprochen? .
Wünscht jemand für den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu sprechen? — Das ist nicht der Fall. Wünscht jemand dagegen zu sprechen? — Herr Abgeordneter Renner!
— Es kann nur einer reden. Dann mußten Sie sich mit Herrn Renner vorher freundschaftlich einigen.
Meine Damen und Herren! Ich verstehe sehr wohl den Wunsch des Herrn Abgeordneten Schröter und damit den Wunsch der Regierung Adenauer, an einer Stellungnahme zu diesem Problem, das mein Kollege Fisch aufgezeigt hat, vorbeizukommen. Aber ich bin der Auffassung, daß die Dinge, die er der Wahrheit gemäß hier vorgetragen hat, sehr brennender Natur sind, und daß die Wünsche, die er hier ausgesprochen hat, so dringend sind, daß es notwendig ist, daß sich der Bundestag hinter diesen Antrag stellt. Handelt er anders, dann sehen wir darin, meines Erachtens zu Recht, nichts anderes als eine Bestätigung dafür, daß Adenauers Remilitarisierungspläne durch die Mehrheit des Bundestages gedeckt und gebilligt werden.
Es ist gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gesprochen worden. Da f ü r hat sich niemand zum Wort gemeldet.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Schröter, über den Antrag der Fraktion der KPD, Drucksache Nr. 1761, zur Tagesord ung überzugehen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung angenommen.
— Sie haben gleich noch einmal Gelegenheit, Herr Abgeordneter Renner!
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Schreiben des Ministerpräsidenten Grotewohl .
Zu diesem Punkt schlägt der Ältestenrat eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden. Wer will den Antrag begründen? — Herr Abgeordneter Renner, ich bitte Sie, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Millionen Deutscher haben den Brief des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Grotewohl, vom 30. November 1950 an den Bundeskanzler Dr. Adenauer als den Beginn eines neuen Abschnittes in der deutschen Nachkriegsgeschichte aufgenommen.
— Nicht die von Ihnen gefälschte!
Ich nehme an, daß Sie den Vorwurf einer Fälschung nicht gegen einen Abgeordneten dieses Hauses richten wollten.
Nein, gegen die Presse der SPD.
Gegen die Presse der SPD? — Ich nehme an, daß die Presse der SPD die Möglichkeit hat. sich dagegen selbst zur Wehr zu setzen.
Richtig! Richtig!
Aber die Unterbrechungen gehen nicht auf meine Redezeit, nicht wahr?
Es geht von Ihrer Redezeit ab, Herr Abgeordneter Renner!
Dann gebe ich mich zufrieden. Trotzdem bitte ich Sie, mich nach Möglichkeit nicht zu unterbrechen.
Sie waren und sind der Auffassung, daß dieser Brief ein entscheidender Beitrag zur Wiederherstellung der Einheit unseres deutschen Vaterlandes und zur Rettung unseres Volkes vor einem neuen, furchtbaren Weltkrieg ist.
Zahlreiche Entschließungen aus Betrieben und Massenorganisationen an den Herrn Dr. Adenauer, die Besuche vieler Delegationen bei ihm haben diese Überzeugung klar zum Ausdruck gebracht. Zahlreiche Persönlichkeiten des geistigen Lebens, der Kirche und der Wirtschaft haben diesen Brief und die darin enthaltenen, an keine Bedingungen geknüpften Vorschläge aufrichtig begrüßt und von der Adenauer-Regierung eine zustimmende Antwort erwartet. Zahllose zustimmende, hoffnungsfrohe Zuschriften an die westdeutsche Presse haben den Beweis erbracht, daß der Brief Otto Grotewohls das ausgesprochen hat, was die Mehrheit unseres Volkes wünscht.
Alle diese Menschen haben erwartet,
daß die Adenauer-Regierung ihre Stellungnahme zu diesem Brief — das Manuskript ist Ihnen im Original vom Bundeskanzler zugeleitet worden — vor dem Bundestag darlegt. Statt dessen hat Dr. Adenauer den Weg genommen, am 15. Januar 1951 vor dem Gremium einer Pressekonferenz eine Erklärung zu dem Brief Grotewohls abzugeben. Sieben lange Wochen hat er das Volk warten lassen, ehe er diese Erklärung zustande gebracht hat.
Das deutsche Volk in seiner überwältigenden Mehrheit war und ist der Überzeugung, daß die Regelung der im Grotewohl-Brief aufgeworfenen Fragen eine Sache des deutschen Volkes. eine innerdeutsche Angelegenheit ist. Deutsche Männer und Frauen aus West und Ost sollten sich — das schlägt Grotewohl vor — an einen Tisch setzen, um anläßlich der bevorstehenden Viermächtekonferenz vorher die einheitliche Auffassung des deutschen Volkes zur Frage des Abschlusses eines Friedensvertrages, des Abzuges aller Besatzungstruppen und zu den übrigen offenen Fragen von gesamtdeutschem Interesse auszuarbeiten und der Welt zu Gehör zu bringen.
Welche Ursachen waren dafür maßgebend, daß Dr. Adenauer diese brüskierende Art und Form der Behandlung des Grotewohl-Briefes gewählt hat? Wir wissen, daß Dr. Adenauer seine Stellungnahme zum Grotewohl-Brief unter die Auffassung der Hohen Herren Kommissare vom Petersberg gestellt hat.
Wir wissen, daß diese in den verschiedenen Phasen
und Formen, die diese Erklärung durchlaufen hat,
ständig das Interesse der westlichen Besatzungsmächte geltend gemacht und durchgesetzt haben.
Soweit deutscher Einfluß sich auf Form und Inhalt der Erklärung Dr. Adenauers ausgewirkt hat, wissen wir von dem unheilvollen Wirken gewisser deutscher Politiker der Regierungskoalition und der SPD-Fraktion.
Es ist sehr zu beklagen, daß Dr. Adenauer in dieser Lebensfrage unseres Volkes den Bundestag bisher vollkommen ausgeschaltet hat. Er hat es bekanntlich vorgezogen, seine Stellungnahme zu dem Brief Otto Grotewohls mit einem geheim tagenden, von ihm selbst bestimmten und zusammengesetzten interfraktionellen Gremium, dem die entschlossensten Verfechter der Ablehnung einer Wiederherstellung der deutschen Einheit angehört haben, laufend abzustimmen. Dieses interfraktionelle Gremium war kein vom Bundestag eingesetzter und bestätigter Ausschuß, — —
Herr Abgeordneter Renner, gestatten Sie eine kurze Unterbrechung. Eben haben Sie etwas Unrichtiges gesagt. Das Gremium, von dem der Herr Bundeskanzler sprach, bestand aus zwei ordnungsgemäß bestellten Ausschüssen des Bundestages. Der eine war der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, der andere der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen.
Verzeihen Sie!
Der Herr Bundeskanzler hat nur zu einigen dieser Aussprachen auch die von Ihnen zitierten Ausschüsse zugezogen.
Nein, Herr Abgeordneter, es waren — —
Verzeihen Sie, Herr Präsident! Ich habe Grund — —
Ich unterbreche Sie jetzt!
Sie haben mich in dieser Form nicht zu unterbrechen!
Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf!
Es hat noch immer zu den Obliegenheiten eines Präsidenten gehört, einen Redner aussprechen zu lassen und, wenn er sachliche Kritik an seinen sachlichen Ausführungen zu üben gewillt ist, das hinterher zu tun.
Es gehört zu den Obliegenheiten eines Präsidenten, einen Redner richtigzustellen, wenn er etwas offensichtlich Unwahres sagt.
Wir werden in dieser Frage zu keiner Einigung kommen, Herr Präsident, und zwar deshalb nicht, weil wir unter Noblesse etwas anderes verstehen!
Dieses interfraktionelle Gremium war kein vom Bundestag eingesetzter und bestätigter Ausschuß und demzufolge auch keine Vertretung des Bundestages, sondern es bestand aus den Führern gewisser Fraktionen.
Wir Kommunisten sind von diesen Besprechungen bewußt ferngehalten worden. Dadurch sollte verhindert werden, daß das deutsche Volk die Einzelheiten dieses politischen Hin und Her um das Zustandekommen der Adenauer-Erklärung erfährt. Die Adenauer-Erklärung ist nicht die Antwort der deutschen Bevölkerung im Westen unseres Vaterlandes. Sie ist nicht einmal die einheitliche Auffassung der die Adenauer-Regierung tragenden Koalitionsparteien noch, wie wir wissen, die der SPD-Fraktion.
Auch haben in der Zwischenzeit einzelne Mitglieder der übrigen Fraktionen die Adenauer-Erklärung öffentlich abgelehnt und Verhandlungen auf der Basis des Grotewohl-Briefes als richtig und notwendig bezeichnet. Deshalb ist unser Antrag, der Bundestag wolle den Bundeskanzler Dr. Adenauer ersuchen, den Standpunkt der Bundesregierung zu dem Schreiben des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Grotewohl, vor dem Bundestag darzulegen, nach wie vor vollauf begründet.
Dem Bundestag muß Gelegenheit gegeben werden, die durch den Grotewohl-Brief und die Adenauer-Erhlärung geschaffene Situation öffentlich zu besprechen. Um der Lebensinteressen unseres Volkes willen muß eine positive Antwort auf den Grotewohl-Brief zustande kommen. Oder glaubt
ein Mitglied des Bundestages, daß der Vorschlag Grotewohls durch Dr. Adenauers Erklärung aus der Welt geschafft worden ist? Alle aufrechten deutschen Patrioten im Westen unseres Vaterlandes
wie unsere Brüder im Osten Deutschlands
-- soll ich Ihnen einen etwa aus den Reihen der FDP nennen? — wollen ein klares, vorbehaltloses Ja zu den vorbehaltlosen Vorschlägen Grotewohls. Die Diskussion um diese Frage wird weitergehen. Die deutschen Menschen in Ost und West werden sie weitertreiben, bis die Einigung zustande gekommen ist.
Namens der Fraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands appelliere ich trotz aller Zwischenrufe und trotz des Eingreifens des Herrn Vizepräsidenten
an alle Abgeordneten dieses Hohen Hauses, sich
der schweren Gefahr eines neuen Krieges bewußt
zu werden, der unserem Volke droht. Schlagen Sie
die dargebotene Hand der Verständigung nicht
aus! Fordern auch Sie im Interesse unseres Volkes
eine Verständigung zwischen Ost und West, für
die der Brief des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Grotewohl,
unserer Meinung und der Meinung der Mehrheit
des Volkes auch in Westdeutschland nach eine ehrliche und tragfähige Basis .abgibt.
Die Aussprache ist eröffnet. — Das Wort hat der Abgeordnete Schröter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir dieses ostzonale „Fernschreiben" haben verlesen hören, beantrage ich erneut im Namen meiner politischen Freunde Übergang zur Tagesordnung.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Ich lasse abstimmen.
— Herr Abgeordneter, ich halte Ihre Phantasie für nicht so gering, daß ich hätte annehmen müssen, Sie hätten sich auf meine Frage, ob jemand das Wort wünscht, nicht gemeldet, wenn Sie zu der Sache hätten sprechen wollen.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag ist, — —
— Das tun Sie eben erst jetzt; ich konnte es nicht erraten!
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Ohne mir eine Korrektur an Ihrer Amtsführung erlauben zu wollen, darf ich Sie vielleicht doch darauf aufmerksam machen, daß Ihr Vorgänger, als bei dem vorigen Punkt derselbe Antrag von demselben Abgeordneten der CDU gestellt worden ist, laut Geschäftsordnung und laut einem Usus, der unter Demokraten üblich sein sollte,
doch immerhin die Frage gestellt hat, ob jemand laut Geschäftsordnung dafür oder dagegen sprechen will.
— Herr Präsident Ehlers, ich halte Sie nicht für einen Rückversicherer, sondern für einen Mann, der wenigstens bemüht ist, die Geschäftsordnung in etwa zu wahren.
Nun zur Sache selber! Wir erleben hier dasselbe Spiel, das wir bei dem vorigen Punkt erlebt haben. Wieder ist es ein Vertreter der CDU, der den Herrn Bundeskanzler Adenauer davor bewahren will, daß seine Erklärung, die unter den Umständen, wie ich sie hier wahrheitsgemäß vorgetragen habe, zustande gekommen ist, auf der also der Befehl des Petersberges lastet, die nicht dem Willen des deutschen Volkes, auch nicht dem Willen des Volkes in Westdeutschland entspricht, hier vor dem zuständigen Gremium, dem Bundestag, besprochen wird.
Sie schalten, Herr Abgeordneter Schröter, damit nicht nur den Bundestag bewußt aus; Sie hoffen auch, damit das Volk auszuschalten. Aber ich sage Thnen aus tiefster Überzeugung heraus: Ihr heutiger Antrag auf Übergang zur Tagesordnung wird die deutsch denkenden Menschen im Westen unseres Vaterlandes zu nur noch schärferem Kampf antreiben,
um das Gespräch zwischen Ost und West. die Vorausstzung für die Wiederherstellung der Einheit
Deutschlands und für die Wahrung des Friedens, allen Feinden des deutschen Volkes zum Trotz in Gang zu bringen.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Teh lasse abstimmen. Wer für den Antrag auf Obergang zur Tagesordnung ist, den bitte ich, die H nd zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion ist dieser Antrag angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend zollfreie Einfuhr von Tabak, Kaffee und Tee im kleinen Grenzverkehr .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung eine Redezeit von 5 Minuten und eine Gesamtaussprache von 40 Minuten vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kohl.
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir sind von dem Herrn Bundesfinanzminister Schäffer so manche Überraschung gewöhnt, und wir mußten uns hier schon mit Maßnahmen beschäftigen, bei denen es wirklich schwerfiel, die eigentlichen Ursachen zu ergründen. Eine solche Maßnahme, mit der wir uns heute beschäftigen müssen und gegen die wir uns in unserm Antrag Drucksache Nr. 1777 gewendet haben, ist die Tatsache, daß Herr Bundesfinanzminister Schäffer auf dem Verordnungswege am 15. November 1950 an der Schweizer Grenze un-verständlicherweise einen Zustand herbeigeführt hat, der nicht nur auf deutscher, sondern auch auf schweizerischer Seite neben der Überraschung eine ungeheure Verbitterung ausgelöst hat. Man könnte für diese Verordnung, die generell die Verzollung auch der kleinsten Warenmenge festlegt, vielleicht Verständnis besitzen, wenn es um neue Rechte ginge; aber die Rechte, die hier beseitigt wurden datieren bereits aus dem Jahre 1863.
Es handelt sich darum. daß der Eigenbedarf der Grenzgänger, die im Besitz des kleinen Grenzscheins sind, nun ebenfalls verzollt werden muß Damit wird ein Zustand geschaffen, der im Jahre 1933 von den Nazis dort eingeführt worden ist und der nun von dem Herrn Bundesfinanzminister Schäffer unter Stützung auf die damalige Gesetzgebung erneut in Kraft gesetzt worden ist. Diese Dinge bringen ja nur ein paar Groschen ein. Mar soll doch einmal feststellen, um welche Summer es sich dabei handelt und wie groß der Personenkreis ist, der hier in Frage kommt. Man wird dann die Verordnung des Herrn Finanzministers noch für viel unverständlicher halten. Vor allen Dingen ist es unverständlich, mit welch sturer Haltung man versucht, diese Maßnahme immer noch zu verteidigen. Bei einer Konferenz der Kreise dieses Gebietes, die am 11. Dezember 1950 stattgefunden hat, ist eindeutig zum Ausdruck gekommen, daß es viel zweckmäßiger wäre, endlich einmal an die Frage der Senkung der Kaffee-, der Tee- und der Tabaksteuar heranzugehen, statt einen Apparat ins Leben zu rufen, der in seiner praktischen Wirksamkeit nicht mehr verantwortet werden kann.
Ich hatte Gelegenheit, in den letzten Tagen auf einem andern Gebiet festzustellen, daß dort, wo in früheren Zeiten ein oder zwei Zollbeamte waren, es heute zehn und zwölf sind, die den Staat eine ungeheure Summe Geldes kosten, aber der Mentalität des Herrn Bundesfinanzministers, den Schmuggel so zu bekämpfen, entsprechen. Wir sind der Meinung, daß gerade in diesem Zusammenhang festgestellt werden muß, daß die beste Schmuggelbekämpfung die Senkung einer unverantwortlich hohen Steuer ist.
Wir haben aber weiter noch folgende Tatsache festzustellen. Beispielsweise im Landkreis Lörrach wird die Verordnung des Herrn Bundesfinanzministers einfach mißachtet. Der dortige Landrat erklärte, daß er sich bei der Aufrechterhaltung--der Rechte der Grenzbevölkerung auf die badische Verfassung stützt, die eindeutig besagt, daß bisher in Baden gültige nationalsozialistische Gesetze außer Kraft gesetzt sind. Wir erleben also das Groteske, daß dort im Grenzgebiet die Verordnung des Herrn Bundesfinanzministers verschieden gehandhabt wird. Das Finanzministerium vertritt die Meinung, daß für alle Grenzgebiete eine einheitliche Regelung gelten solle. Wir dagegen sind der Auffassung, daß, wenn die einheitliche Regelung in allen Grenzgebieten diesen Anfang nimmt, daß Rechte der ärmsten Bevölkerung außer Kraft gesetzt werden, mit dieser einheitlich geplanten Regelung nicht allzuviel anzufangen sein wird.
Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß es sich bei dieser Forderung, den bisherigen Zustand wiederherzustellen, nicht um irgendeinen Antrag der Kommunistischen Partei handelt, sondern daß es darum geht, die dort bestehende Einheit durch die Annahme unseres Antrages zu realisieren. Es trifft vor allen Dingen — und das soll eindeutig festgestellt werden — die Werktätigen, die arbeitende Bevölkerung, während der große Schmuggel davon in keiner Form irgendwie betroffen wird. Die Herren haben andere Möglichkeiten zu schmuggeln, während der Arbeiter, der Grenzgänger, bisher in bescheidenem und anständigem Maße von den Rechten Gebrauch gemacht hat.
Wir sind also der Auffassung, daß dieser Antrag eine Ausschußberatung nicht benötigt, sondern daß der Bundestag unserm Antrag zustimmen sollte, damit die Verordnung des Bundesfinanzministers aufgehoben wird und die alten Rechte wiederhergestellt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion beantragt, die Verfügung des Bundesfinanzministers vom 15. November 1950, die die zollfreie Einfuhr
von Tabak, Kaffee und Tee im kleinen Grenzverkehr an der badischen Grenze wesentlich einschränkt, außer Kraft zu setzen. Wir kennen die einzigartigen Verhältnisse, die dort oben im Schweizer kleinen Grenzverkehr mit den deutschen Gebieten üblich sind, nicht erst seit dem Tage, den der Abgeordnete der KPD eben genannt hat, sondern weitaus länger. Schon Jahrhunderte ist es ein Sonderrecht gewesen, gewisse Waren im kleinen Grenzverkehr zollfrei in dem Umfang einzuführen, wie er einem persönlichen Bedarf entspricht. Unterbrechungen dieses kleinen Grenzverkehrs sind durch den- Krieg mehrmals vorgekommen, und wir freuen uns, daß diese Einrichtung im Juli 1950 wieder neue Rechtskraft erlangte und daß dieser zollfreie kleine Grenzverkehr wieder gestattet wurde.
Wir verkennen aber keineswegs, daß wir im Augenblick dort oben in einer ganz anderen Situation leben als früher, und zwar wegen der erhöhten Zölle und der erhöhten Steuern, so daß diese Dinge sich nicht so realisieren lassen, wie es früher üblich war. Es hat sich herausgestellt, daß Mißstände eintraten, die unbedingt der Abstellung bedurften. Wegen dieser Mißbräuche ist dann die Verfügung des Ministeriums zustande gekommen, die am 15. November 1950 diesen zollfreien kleinen Grenzverkehr wesentlich einschränkte. Es stimmt, daß in unserm Gebiet Protestkundgebungen sehr stark in Erscheinung traten, einmal in den Interessentenkreisen, die sich dagegen wehrten, daß die Einschränkung erfolgte, auf der andern Seite aber auch in den Kreisen, die geschäftlich in diesen Branchen tätig sind und die auf Grund dieser zollfreien Einfuhren ihren Ruin befürchteten.
So war es zu verstehen, daß die von der Regierung getroffene Maßnahme bei dem größten Teil der Bevölkerung auf Widerstand stieß. Dann haben sich die Abgeordneten des Grenzgebietes intensiv für eine neue Regelung eingesetzt. In aller Kürze wird durch den Herrn Finanzminister eine Regelung erfolgen, die auch die Interessentenkreise dort oben wieder zufriedenstellen wird.
Wir glauben, daß dieser Antrag der KPD keinen andern Sinn hat, als eine besondere Agitation in diese Grenzkreise hineinzutragen.
— Während Sie schreiben und reden, haben die Abgeordneten des Grenzgebietes sich intensiv für die Regelung eingesetzt, und wie sie aussieht, werden Sie in den nächsten Tagen erfahren. Ich glaube, da ist auch all diesen Bedürfnissen des kleinen Grenzverkehrs Rechnung getragen. Es kann keinesfalls verantwortet werden, daß, wie es in der Vergangenheit sehr stark vorgekommen ist, diese Deckung des Eigenbedarfs, die zollfrei erfolgen sollte, zum erwerbsmäßigen Umsatz ausartet.
Jedenfalls werden die Abmachungen, die nun mit dem Herrn Finanzminister getroffen wurden, alle Teile dort oben so befriedigen, wie es im Augenblick möglich ist.
Ich glaube, die beste Antwort gegenüber dem Antrag, der heute von der KPD gestellt worden ist, ist die, daß wir über ihn zur Tagesordnung übergehen. Die Dinge sind im Lauf, und es kommt eine Regelung, die allen Teilen das gibt, was sie von ihr erwarten.
Herr Abgeordneter, haben Sie den Antrag gestellt, zur Tagesordnung überzugehen?
Ich beantrage hiermit offiziell, den Antrag für erledigt zu erklären, da die vorgesehene Regelung den Bedürfnissen der kleinen Grenzgänger voll Rechnung trägt.
Damit ist kein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt
Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube feststellen zu müssen, daß die jetzige Regelung des kleinen Grenzverkehrs doch sehr viel Unruhe geschaffen hat. Eine Rückfrage im Ministerium hat ergeben — und hier komme ich zu einer anderen Feststellung als mein Herr Vorredner —, daß eine Verfügung mit dem Datum 15. November von der Regierung überhaupt nicht erlassen worden ist. Zumindest konnte bei einer Rückfrage im Ministerium heute eine derartige Verfügung nicht vorgelegt werden. Wir sollten die Frage des kleinen Grenzverkehrs doch danach beurteilen, wie er sich seit Jahrhunderten entwickelt hat. Gewisse Gewohnheiten sind durch Regelungen mit Rechtskraft bestätigt worden. Es ist bekannt, daß das zuletzt gültige Gesetz bei Beginn des Krieges außer Kraft gesetzt wurde. Jetzt hat man sich darauf berufen, daß das Handelsabkommen mit der Schweiz, das diese Frage zwischen den Ländern Schweiz und Deutschland sogar gesetzmäßig regelte, im Jahre 1945 durch die französische Militärregierung aufgehoben bzw. außer Kraft gesetzt worden sei. Auf die Außerkraftsetzung dieses Handelsabkommens stützt sich die Regierung bei der Durchführung ihrer neuen Maßnahmen, die sie nicht in einer ,,Verfügung" angeordnet hat, sondern bei denen sie sich darauf beruft, daß sie geltendes Recht, von dem sie bisher nicht, und zwar bis in den November nicht gewußt habe, jetzt wieder zur Anwendung bringe.
Ich möchte dazu auch im Namen meiner Freunde sagen: es wäre richtiger gewesen, wenn die Regierung — nachdem sie angeblich geltendes Recht schon monatelang nicht gekannt hat —, ehe sie so umwälzende Maßnahmen für diesen einen unter den Grenzbezirken anordnete, dieses Gespräch, von dem mir vor einer Stunde noch nichts bekannt war und das erst jetzt in den letzten Minuten von der Regierung mit den Abgeordneten der Grenzgebiete vereinbart worden ist, vor Durchführung dieser Maßnahmen veranstaltet hätte. Dann wäre eine gewisse Beunruhigung erspart geblieben.
Es muß einmal deutlich ausgesprochen werden, daß durch das Einführen von 49 Gramm Kaffee oder Tee Zollausfälle nicht in dem Umfang eintreten können, wie sie durch den Großschmuggel an der deutschen Grenze entstehen. Ich könnte aus einzelnen Erlebnissen, die ich gerade in der letzten Woche hatte, einige Beispiele anführen, die die Regierung veranlassen sollten, ihre Aufmerksamkeit einmal dahin zu wenden. Ich war in der vergangenen Woche in einer Großstadt in Westdeutschland, wo mir, als ich meinen Wagen auf den Parkplatz stellte und die Tür noch nicht recht geschlossen hatte, Schweizer Uhren zum Preise von 60 DM angeboten wurden. In einer Großstadt in Norddeutschland wurden mir gestern, als ich über die Straße schritt. Devisen bereits im Straßenver-
kehr angeboten. Ich glaube, das Finanzministerium hätte die wesentlich wichtigere Aufgabe, Zollausfälle auf diesen Gebieten zu verhindern, denn solche Ausfälle sollen ja eine Begründung dafür liefern, daß der kleine Grenzverkehr derartigen Beschränkungen unterworfen wird.
Ich bin der Überzeugung, daß die Regierung einige Dinge auch bei den Grenzkontrollen besser beachten sollte. Mir ist mitgeteilt worden, daß Ausländer, wenn sie die deutsche Grenze passieren, häufig einer Grenzkontrolle unterworfen werden, die alles andere als das Verständnis für Deutschland fördert. So ist es unlängst an der Schweizer Grenze passiert, daß einer jüdischen Dame nur deswegen, weil sie Jüdin ist. gesagt wurde: „Na, wir kennen Sie ja!" In dieser Hinsicht hat sich nichts geändert. Mir sind ähnliche Entgleisungen unserer Grenzbeamten jetzt auch von der belgischen Grenze zur Kenntnis gekommen. Die Regierung möge also ihr Augenmerk auch einmal darauf richten. Der Grenzbeamte ist eine sehr wichtige Person, denn er kann dazu beitragen, daß das Ansehen Deutschlands im Auslande wieder so wird, wie wir es mit Recht erhoffen dürfen.
Man sollte diesen Antrag der kommunistischen Fraktion auf keinen Fall dadurch erledigen, daß man Übergang zur Tagesordnung beschließt. Wenn die Regierung diese Frage mit den zuständigen Abgeordneten behandeln will, dann ist zu sagen, daß der zuständige Ausschuß des Bundestages das richtige Gremium dafür ist. Ich beantrage, daß der Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen wird. Dann wissen wir. daß er in richtigen Händen ist. Ich glaube, diesem Antrage könnten alle zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einmal feststellen, daß der Antrag der Kommunistischen Partei insofern unvollziehbar ist, als er die Aufhebung einer „Anordnung vom 15. November 1950" verlangt, die überhaupt nie ergangen ist. Wenn eine Anordnung nie ergangen ist, kann sie selbstverständlich auch nicht aufgehoben werden.
Ich darf rein sachlich feststellen: es handelt sich um etwas ganz anderes. Es handelt sich darum, daß in meinem Ministerium lediglich die Anweisung an die Zollbehörden ergangen ist, die bestehenden gesetzlichen Vorschriften beim kleinen Grenzverkehr gegenüber der Schweiz anzuwenden. Dabei handelt es sich um folgende Punkte.
Erstens: im allgemeinen dürfen Waren aller Art in kleinen Mengen unter 50 Gramm abgabenfrei bei jedem Grenzübertritt eingeführt werden. Diese Abgabenbefreiung darf bei Kaffee und Tee nur einmal täglich gewährt werden. Für Tabak und Tabakwaren ist sie ganz ausgeschlossen.
Zweitens: außerdem können im Reiseverkehr als Reisebedarf kleine Mengen an Tabakerzeugnissen abgabenfrei eingebracht werden. Die Menge richtet sich nach der Dauer der Reise. Für Bewohner des Zollgrenzbezirks ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß bei der Bemessung des Reisebedarfs ein strenger Maßstab anzulegen ist.
Drittens: an der Schweizer Grenze bestanden früher besondere Bestimmungen. Im alten deutschschweizerischen Grenzvertrag war vereinbart, daß männliche Bewohner der einen Grenzzone im Alter von über 16 Jahren aus der anderen Grenzzone Tabakwaren zum persönlichen Verbrauch mitbringen dürfen. Die Menge war auf fünf Zigarren oder zehn Stumpen oder 25 Zigaretten oder 50 Gramm Rauchtabak täglich begrenzt. Dieser Vertrag ist jedoch im November 1945 durch eine Vereinbarung zwischen der Schweiz und der französischen Militärregierung ersetzt worden, das sogenannte Berner Abkommen. Artikel 8 dieser Vereinbarung überläßt die Festsetzung der kleinen Warenmengen, die von den Grenzbewohnern abgabenfrei über die Grenze gebracht werden dürfen, den autonomen Bestimmungen. In meinem Ministerium, das ja im Jahre 1945 noch nicht bestand und sich über die vielfachen neuen Bestimmungen in den einzelnen Ländern auch nicht sofort unterrichten konnte, bestanden zunächst Zweifel über das Verhältnis des Berner Abkommens zu dem früheren deutsch-schweizerischen Abkommen über den kleinen Grenzverkehr. Auch in Frankfurt bestand hierüber keine Klarheit. Die Zweifel konnten im November 1950 bei Verhandlungen mit der Schweiz zur Sprache gebracht werden. Es wurde dabei festgestellt. daß auch nach Ansicht der Schweiz das alte deutsch-schweizerische Abkommen durch das Berner Abkommen ersetzt worden ist.
Es ist demnach festzustellen, daß sich die Einfuhr von Tabakwaren zur Zeit nur nach den autonomen deutschen Bestimmungen zu richten hat, die ich Ihnen oben dargelegt habe.
Der Landrat von Lörrach, von dem der Herr Abgeordnete der Kommunistischen Partei gesprochen hat, hat mit den Zollbestimmungen nichts zu tun. Er war bei den Besprechungen, die ich gleich noch erwähnen werde, persönlich anwesend und hat dem Ergebnis dieser Besprechungen zugestimmt.
Nach Eröffnung des kleinen Grenzverkehrs mit der Schweiz am 1. August 1950 entwickelte sich sehr bald folgender Zustand. Täglich überschritten an den größeren Grenzübergängen — Konstanz, Laufen, Waldshut, Säckingen, Lörrach, Basel — Tausende von deutschen Grenzbewohnern die Grenze, um Tabak, Kaffee und Tee in fertig gepackten Kleinpackungen in der Schweiz einzukaufen und abgabenfrei über die Grenze zu bringen. Nach Feststellungen der Zollstellen zu verschiedenen Zeitpunkten überschritten täglich rund 33 000 Menschen die Grenze,
und zwar im wesentlichen nur zu dem Zweck, um diese Kleinmengen einzukaufen. Meine Damen und Herren, wenn die einzelnen Mengen auch klein sind, die Summe der Kleinmengen ist groß! Diese Kleinmengen, im Monat summiert, ergeben etwa 23 000 kg Kaffee, 3800 kg Tee, 6 Millionen Stück Zigaretten, 7000 kg Rauchtabak und 550 000 Stück Schweizer Stumpen. Der Abgabewert für diese Waren beträgt monatlich etwa 1,1 Millionen DM, jährlich also 13 Millionen DM!
Meine Damen und Herren, dazu kommt noch folgendes. Wir haben doch damit zu rechnen, daß die Grenze nicht nur gegenüber der Schweiz, sondern auch gegenüber den anderen Grenzländern geöffnet werden wird; und was im einen Gebiet zugelassen wird, wird im anderen Gebiet verlangt werden. Es wird sich also künftig nicht bloß um
die Schweizer Grenze, sondern um die deutsche Grenze überhaupt handeln. Sie können sich infolgedessen vorstellen, welche Auswirkungen diese Einfuhr auf den Handel in den Grenzbezirken und auf die Tabakwarenindustrie und den Tabakwarenhandel des deutschen Bundesgebietes hat. Es steht außerdem fest, daß diese Mengen weit über den eigenen Bedarf der Grenzbevölkerung hinausgingen und auf den „Grauen Markt" gelangt sind.
Auf Grund zahlreicher Hilferufe der betroffenen Gewerbezweige habe ich meine Referenten an die Schweizer Grenze gesandt, um die Verhältnisse an Ort und Stelle prüfen zu lassen und mit den beteiligten Organisationen zu verhandeln. Das ist Anfang Dezember 1950 geschehen. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, daß es zu Mißbräuchen gekommen ist und Abhilfe dringend notwendig ist.
Auf einer Sitzung der Industrie- und Handelskammer in Konstanz, auf der auch die Gewerkschaften vertreten waren, wurde ais Grundlage der künftigen Regelung übereinstimmend folgendes für notwendig gehalten: Der Grenzbevölkerung sollen für den eigenen Bedarf — aber nur für den eigenen Bedarf! — ausreichend bemessene Mengen an Tabak, Kaffee und Tee zur freien Einfuhr zugestanden werden. Die Einfuhr, die über diesen Rahmen hinausgeht, soll jedoch unterbunden werden, um mißbräuchliche Ausnutzung zu verhindern und um andererseits den Verkehr wieder auf ein normales Maß zurückzuschrauben. Dies ist auch deshalb notwendig, weil die vorhandenen Beamtenkräfte zur Überwachung dieses Grenzverkehrs bei weitem nicht mehr ausreichen und bei Fortdauer der Verhältnisse um ein Mehrfaches verstärkt werden müßten.
Im einzelnen wurde dort — bei dieser Besprechung — folgende Regelung für richtig gehalten: bei Tabakwaren für jede Person über
16 Jahre wöchentlich einmal eine Einfuhr von
5 Zigarren oder 10 Stumpen oder 20 Zigaretten oder 40 Gramm Rauchtabak, außerdem an den übrigen Wochentagen als Reisebedarf täglich eine Zigarre oder einen Stumpen oder zwei Zigaretten. An Kaffee sollten abgabenfrei wöchentlich bis zu 50 Gramm und an Tee wöchentlich bis zu 20 Gramm eingeführt werden dürfen. Für eine Familie von vier Köpfen ergeben sich dabei immerhin recht beträchtliche Mengen.
Eine entsprechende Regelung, die durch Rechtsverordnung des Bundesministers der Finanzen vorzunehmen ist, ist in Vorbereitung. Mit der eidgenössischen Oberzolldirektion ist deswegen Fühlung aufgenommen worden. Die betreffenden Herren haben für unsere Lage volles Verständnis gezeigt. Mit Abgeordneten dieses Hauses ist schon nach der Besprechung im Dezember Fühlung genommen worden. Wegen der starken Inanspruchnahme der verschiedenen Herren, die gleichzeitig an der Besprechung teilnehmen sollten, war es erst in den allerletzten Stunden möglich, die Besprechung zu einem Ergebnis zu führen. Als Ergebnis dieser Besprechung kann festgestellt werden: Das Bundesfinanzministerium wird eine Regelung dahin treffen, daß die zollfreie Einfuhr dieser Verbrauchsmengen nicht mehr einmal wöchentlich, sondern zweimal wöchentlich gestattet wird. Diese Verbrauchsmengen werden voraussichtlich bei Tabakwaren unverändert bleiben; sie werden bei Kaffee und Tee auf den Bedarf einer Familie beschränkt bleiben, um die Bereicherung des Grauen oder des Schwarzen Marktes zu verhindern, aber den Familienbedarf zu decken. Das Einverständnis
der Herren Abgeordneten der Grenzbezirke mit dieser Regelung dürfte ais grundsätzlich gegeben betrachtet werden. Ich glaube, daß damit die Frage grundsätzlich als geregelt betrachtet werden kann, und ich freue mich feststellen zu können, daß durch diese Besprechungen eine Frage sachlich erledigt und aus der immer vergiftenden Sphäre der Agitation herausgenommen worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Die letzte Rede des Herrn Finanzministers und die Worte des Herrn Abgeordneten Schüttler veranlassen mich, einiges zu dem Thema zu sagen. Ich weiß, Sie allein verdienen das Prädikat, die wirklichen Vertreter der Interessen des Volkes zu sein, und jeden Antrag, der Ihnen in seinem sachlichen Inhalt unbequem ist, bezeichnen Sie als Agitationsantrag oder so, wie es der Herr Bundesfinanzminister Schäffer in seinem letzten Satz erwähnte, als „vergiftende Agitation".
So liegen die Dinge doch nicht! Sie hätten dann die verdammte Pflicht und Schuldigkeit gehabt, eben diesen gesamten Kreis, der gegen die Maßnahmen des Finanzministeriums protestierte und über diese Maßnahmen erbittert war, als Agitatoren zu bezeichnen, die, die Atmosphäre vergiftet haben. Wenn wir also der Meinung sind, daß ein gesunder Zustand herbeigeführt werden soll, dann ist das keine Agitation, sondern das gute Recht jedes Abgeordneten, das zu sagen und das zu tun. Dazu sind wir hier!
Meine Damen und Herren! Nehmen Sie doch bitte nur einmal die Formulierung, die Herr Finanzminister Schäffer eingangs erwähnt hat, gefälligst zur Kenntnis. Er bestreitet, daß eine Verordnung vom 1 R. November besteht; aber im selben Atemzug gibt er zu, daß er am 15. November 1950 die Anweisung gegeben hat, den Zustand wiederherzustellen, der durch die Nazis dort eingeführt worden ist. So liegen doch die Dinge, und ich glaube, das soll man in aller Nüchternheit und Sachlichkeit feststellen. Es handelt sich hier gar nicht darum, irgendwelche Mißstände zu verteidigen, die immer wieder in Erscheinung treten werden, sondern es handelt sich darum, ein uraltes Recht der Grenzbevölkerung wiederherzustellen und zu garantieren. Das kann aber nicht in der Form garantiert werden, wie Herr Finanzminister Schäffer das sagte, indem er bereits jetzt in seiner sparsamen Art — sparsam wenigstens in diesen Fällen — vorschreiben will, was die Grenzbevölkerung ungefähr benötigt oder ob ihr einige Zigaretten oder eine Zigarre oder 5 Gramm Kaffee zugestanden werden dürfen, sondern es handelt sich darum, daß wir dort zu einer Regelung zurückkommen, wie sie unser Antrag im zweiten Absatz fordert und wie sie nach unserer Auffassung die einzig gerechte Lösung darstellt.
Herr Bundesfinanzminister, Sie dürfen sich nicht allein auf die Angaben Ihres Oberfinanzpräsidenten aus diesem Gebiet stützen! Der Herr Kollege Hilbert wird bestätigen müssen, daß gerade der Oberfinanzpräsident des dortigen Gebiets in den von mir bereits erwähnten Besprechungen auf stärksten Widerstand gestoßen ist. Das ist auch verständlich; der Mann betrachtet alles durch die fiskalische Brille. Wenn Sie, Herr Bundesfinanzminister, schon nicht gewillt sind, Ihre Steuerpolitik zu ändern, dann nehmen Sie wenigstens diese Fäll€
zum Anlaß, um hier im Bundestag die Interessen dieser Grenzbevölkerung nicht zu schädigen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen zwei Anträge vor. In dem einen, dem Antrag der Abgeordneten Schüttler und Gengler, wird beantragt, den Antrag durch die Maß ahmen der Bundesregierung für erledigt zu erklären. In dem andern Antrag, dem des Abgeordneten Heiland, wird Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beantragt. Der Überweisungsantrag hat den Vorrang. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! —
Darf ich um Wiederholung der Abstimmung bitten.
— Gegenprobe! — Danke! Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen. Damit ist Punkt 12 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 13:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Wer für die Annahme des interfraktionellen Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht Nr. 16 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen nach dem Stande vom 15. Januar 1951 .
Wer dafür ist, daß diesen Anträgen stattgegeben wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich habe nunmehr noch bekanntzugeben: Die SPD-Fraktion hält eine halbe Stunde nach Schluß der Plenarsitzung eine Sitzung ab. — Die 68. Sitzung des 3. Ausschusses, des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, findet am 26. Januar, vormittags 9 Uhr, statt. — Die FDP-Fraktion tagt heute gleich anschließend an die Plenarsitzung. — Die Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit, die auf den 25. Januar angesetzt war, findet nicht statt.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung, die 114. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Donnerstag, den 25. Januar, 13 Uhr 30 Minuten, ein.
Ich schließe die 113. Sitzung des Deutschen Bundestages.