Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Seit dem 19. September, seit dem Tage, an dem das Kommuniqué der New Yorker Außenministerkonferenz veröffentlicht wurde, ist es offensichtlich geworden, welcher Art Leistungen die amerikanischen Kriegsinteressenten vom deutschen Volke verlangen. Seit diesem Tag ist es klar, daß sie an eine allgemeine Mobilisierung der deutschen Menschen und des deutschen Materials denken. Seit diesem Termin ist aber auch klar, daß die amerikanischen Kriegsinteressenten nicht so operieren können, wie sie wollen, ohne dabei auf den Widerstand breitester Schichten unseres Volkes zu stoßen. Ich denke, der Herr Bundeskanzler hat anläßlich seines Besuches in Stuttgart selbst erlebt, wie das Volk über diese Frage denkt, und auch die Ergebnisse der Landtagswahlen im November in Süddeutschland haben gezeigt, daß die Bevölkerung die Absicht hat, solchen Leuten ihre Stimme zu geben und ihr Vertrauen auszusprechen, von denen sie erwartet, daß sie gegen die Remilitarisierung Stellung nehmen. Ob sie dabei ihre Stimme am richtigen Schalter abgegeben haben, um ihren Willen durchzusetzen, das möchte ich allerdings bezweifeln.
Auch die zahlreichen Pressebefragungen in der letzten Zeit haben ein ganz eindeutiges Bild über die wirkliche Auffassung des Volkes über die amerikanischen Pläne gegeben.
Meine Damen und Herren! Es hat sich in der Zwischenzeit einiges ereignet, das die Hoffnungen breiter Schichten der deutschen Bevölkerung erweckt hat, Hoffnungen, daß es einen anderen als den Weg des Krieges zur Lösung der wichtigsten Probleme unserer Nation gibt.
Insbesondere seit dem 19. Oktober, seit der Bekanntgabe der Vorschläge der Außenministerkonferenz von Prag, seit dem Vorschlag der Sowjetregierung vom 3. November auf Einberufung einer neuen Konferenz des Außenministerrats und insbesondere auch seit der Absendung des Grotewohl-Briefes wird in allen Schichten unseres Vol-
kes die Meinung immer stärker, daß die Remilitarisierung verhindert werden muß und daß man alles tun muß, solange auch nur die geringste Möglichkeit einer Verständigung zwischen Ost und West besteht, die jede Remilitarisierung überflüssig macht.
Diesen Gedanken pflegen auch Menschen aus solchen Kreisen, die immer noch Opfer der nazistischen Zwecklüge in neuer Aufmachung von der „Gefahr aus dem Osten" sind. Auch sie glauben an die Möglichkeit, daß durch die neuen Ereignisse eine Lösung ohne Remilitarisierung, d. h. ohne Krieg angebahnt werden kann.
Der Bundeskanzler allerdings hat diesen Erwartungen und Hoffnungen nicht Rechnung getragen. Nicht einmal die allergeringste Erwartung, die in seine Handlungen gesetzt wurde, ist erfüllt worden, nämlich die Erwartung, daß er nichts in dieser Frage tut, ohne das Volk zu befragen, ohne die Meinung und den Willen des Volkes einzuholen. Er hat das Gegenteil getan. Er hat gemäß seiner bereits im August angewandten Methode alles getan, um in die Richtung der vollendeten Tatsachen zu drängen, um die amerikanischen Wünsche zu erfüllen. Gemäß seiner Politik, die er in dem Interview vom 18. August an eine amerikanische Zeitung eingeschlagen hat, gemäß der Absendung des Sicherheitsmemorandums ohne Kenntnis seiner eigenen Kabinettskollegen am 29. August — gemäß dieser Linie hat er auch seitdem alles getan, um dem amerikanischen Drängen nach Überwindung aller eingetretenen verzögernden Momente schnellstens zu entsprechen.
Es ist bekannt, daß es solche Faktoren der Verzögerung gibt. Es ist bekannt, daß der amerikanische Fahrplan nicht so hat durchgeführt werden konnen, wie man es sich drüben gedacht hat. Darum nicht, weil es in England, Frankreich und anderen Staaten immer mehr vernünftige Stimmen gibt, die sich der amerikanischen Wahnsinnspolitik widersetzen und die eine Perspektive vermeiden wollen, die mit Sicherheit nicht bloß zu weiteren internationalen Verwicklungen, sondern zum Krieg führen müßte. Den amerikanischen Plänemachern aber war jede Verzögerung peinlich, weil sie Westdeutschland brauchen für die Realisierung ihrer Pläne, die westdeutschen Menschen, das westdeutsche Material, seine Rohstoffe, seine Produktionskapazität. Darum auch hat es eine solche Aufforderung an die Bundesregierung gegeben, ihrerseits alles zu tun, um trotz der eingetretenen „Störungen" dem amerikanischen Fahrplan noch zur Durchführung zu verhelfen.
Nachdem ursprünglich Besprechungen über militärische Fragen wegen des Widerstandes von britischer und französischer Seite ausgesetzt wurden, nachdem sich der amerikanische Hohe Kommissar ursprünglich auf die Abhaltung „privater" und „unverbindlicher" Besprechungen beschränken wollte, ist dann die Mitteilung aufgetaucht, daß am 9. Januar 1951 offizielle Verhandlungen von offiziellen Militärvertretern der Westmächte mit einer Vertretung aus Bonn beginnen würden.
Ich möchte hier die Frage stellen: Wer hat den Bundeskanzler beauftragt, ehemalige Generale der Hitler-Armee nach dem Petersberg zu schicken, um dort nicht nur über militärische Fragen zu diskutieren, sondern Pläne zu entwerfen, die von weitreichenden Folgen für das Schicksal unseres ganzen Volkes und für den Frieden Europas sind? Eine maßgebliche Zeitung Westdeutschlands schrieb am 22. Dezember 1950:
Wenn sich die Ernennung der beiden Generale Speidel und Heusinger bewahrheiten sollte, so würde dies jetzt eine wesentliche Förderung bedeuten.
Jawohl, eine Förderung der amerikanischen Pläne, und diese Förderung wurde von der Regierung Adenauer auch prompt besorgt. Ich möchte fragen: Welche Gründe hat der Bundeskanzler für die völlige Geheimhaltung der Besprechungen auf dem Petersberg? Warum gibt der Bundespressechef Dr. Twardowski der Presse wohlgemeinte Ratschläge, diese Dinge „delikat" zu behandeln, über den Inhalt nichts verlauten zu lassen? Warum müssen wir erst aus ausländischen Zeitungen über den Inhalt dieser Besprechungen Kenntnis nehmen? Ich frage weiterhin: In welchen Organen hat der Bundeskanzler diese Fragen besprochen? Ich erinnere mich an eine Forderung der sozialdemokratischen Fraktion auf Berufung eines parlamentarischen Ausschusses zur Überwachung der militärischen Besprechungen. Ich frage die Bundesregierung: Wo ist ein solcher parlamentarischer Ausschuß, wo und wann hat er getagt, wo und wann ist er gewählt worden? Oder will Herr Adenauer uns weismachen, daß jenes geheime Gremium, von dessen Zusammenkunft wir wissen, etwa als ein parlamentarisches Organ anzusprechen ist?
Ich frage: In welchem Range befinden sich die Herren Generale, in welchem Range haben sie am Montagabend in Homburg mit dem amerikanischen Oberbefehlshaber der Atlantikpakt-Armee verhandelt? Ich frage: Welche „Sicherheitsgarantien", welche Erfüllung von gestellten Bedingungen kann der Bundeskanzler vorweisen, um sein Verhalten, seine geheimen Konspirationen hinter dem Rücken des Volkes zu begründen?