Rede von
Dr.
Anton
Besold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir waren erfreut, als der Interpellant heute seine Ausführungen mit dem Satz einleitete, daß wir doch im Grunde genommen alle Föderalisten seien, und wir waren überrascht, diese Äußerung hier im Bundestag zu hören.
Wir waren aber doch gleich wieder etwas ernüchtert, als wir vernehmen mußten, daß dieses föderalistische Denken sich nur in „preußischen Provinzen" bewegt hat.
Was hier zur Interpellation zu sagen ist, möchte ich vom Standpunkt der Länder aus etwas beleuchten. Ich möchte mich nicht mit den staatsrechtlichen und juristischen Auseinandersetzungen befassen, die sich bei der Auslegung der Militärregierungsgesetze und des Art. 134 des Grundgesetzes ergeben. Auf jeden Fall stehen wir auf dem Standpunkt, daß Art. 134 Abs. 1 des Grundgesetzes nur Richtlinien geben kann und daß Art. 134 Abs. 4 maßgebend für die Regelung der Eigentumsverhältnisse ist.
Folgende Gedanken wären hier noch zu berücksichtigen. Ich weiß nicht, ob der Bund so ausschließlich das Recht geltend machen soll, in all diesen Dingen Rechtsnachfolger des Dritten Reiches zu sein.
Man muß doch berücksichtigen, wie sich diese Vermögenswerte zusammensetzen. Es sind Truppenübungsplätze und Militärflugplätze mit allen dazugehörigen Anlagen, Kasernenbereiche, Verpflegungsämter, Kriegsstraßen, Magazine usw. Sie wissen, in welcher Art und Weise diese Liegenschaften den einzelnen Privateigentümern genommen worden sind. Zum großen Teil fehlt noch die Übertragung im Grundbuch. Verschiedene Privateigentümer sind überhaupt noch nicht entschädigt. Hier ist damals Privateigentum in einer Art und Weise zum Reichsvermögen geworden, die sich der Bund als Rechtsnachfolger nicht zu eigen machen sollte.
Ich rede jetzt nicht von den Ländern, sondern überhaupt von der Frage, wer rechtlich Eigentümer ist.
Auf der anderen Seite ist insbesondere bei den in der Viag zusammengefaßten Unternehmungen zu berücksichtigen, daß es sich dort — zumal im bayerischen Bereich — in erster Linie um Elektrizitäts-, Versorgungsbetriebe und Werke handelt, die auf der Elektrizität aufbauen und zum Teil deswegen nach Bayern gekommen sind, also zum Beispiel die Vereinigten Aluminiumwerke und die Süddeutschen Kalkstickstoffwerke AG. In den anderen Ländern — darauf möchte ich besonders hinweisen —, z. B. in Württemberg-Baden, in Nordrhein-Westfalen, gehören die Elektrizitätsunternehmen dem Staat oder den Kommunalverbänden. Nur in Bayern soll hier eine reine Zentralisierung vorgenommen werden.
Ich möchte also im Hinblick auf diese Ausführungen
die Mahnung aussprechen, man sollte bei der Rege-
lung der Rechtsnachfolge des Dritten Reiches nicht so rücksichtslos verfahren,
daß dessen brutale wirtschaftliche und politische Machtkonzentration erneuert wird.
Noch eine zweite Überlegung ist anzustellen. Man hat brandmarken wollen, daß die Länder hier nicht ordnungsgemäß verwaltet hätten.
Meine Damen und Herren, wäre es in diesen Zeiten nach dem Zusammenbruch richtiger gewesen, zu warten, bis die Rechtsfrage gelöst wird, und diese Gelände alle tot liegen zu lassen, oder war es nicht zweckmäßiger, hier wirtschaftlich und sozial rasch zu handeln?
Sinn und Zweck der Verwaltung war doch die Nutzbarmachung der Gelände, Bauten und Einrichtungen für die heimische Wirtschaft und die Bevölkerung. Das war wichtiger; und wenn in dem einen oder anderen Fall vielleicht Beanstandungen zu machen wären, so möge man doch das Große, nämlich die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge betrachten.
Ich möchte nur einige Zahlen in Verbindung mit der Verwaltung dieser Vermögenswerte in Bayern nennen. Ich entnehme diese aus dem Bayerischen Staatsanzeiger vom 5. August 1950. Am 1. April 1950 hatten auf ehemaligen Reichsliegenschaften in Bayern rund 42 000 Personen, meist Flüchtlinge, in 10 820 Wohnungen neue Heime gefunden. In 76 Lagern harren noch 28 500 Menschen auf wirklichen Wohnraum, haben aber doch damals ein provisorisches Obdach erhalten. Fast 3000 Betrieben konnten Platz und zum Teil Hilfseinrichtungen geboten werden, wodurch 37 000 Personen Arbeit und Verdienst und damit viele Flüchtlingsfamilien eine neue Lebensgrundlage fanden. Die Spanne der gewerblichen Betriebe reichte kleinsten
Ein-Mann-Handwerksbetrieb bis zum Zweigunternehmen von Weltfirmen mit Hunderten von Arbeitskräften.
Ich glaube, daß hier das Eingreifen der Länder weit richtiger war als ein Warten darauf, daß endlich der Bund etwas unternimmt; denn dann hätten zuerst die Rechtsfragen gelöst werden müssen.
Man muß damit rechnen, daß im Zuge der Entflechtung sehr schwierige Fragen auftreten werden, weil auf Grund dieser volkswirtschaftlich vertretbaren, nun einmal gegebenen Tatsachen viele Investierungen gemacht worden sind. Privatleute und Unternehmungen haben durch eigene Initiative und mit eigener Arbeit Bauten errichtet. Es sind hier Investierungen gemacht. worden, die der gesamten Volkswirtschaft von Nutzen waren und zu einer Besserung der sozialen Verhältnisse geführt haben. Hier kann nun nicht brutal eine „Verreichlichung" erfolgen, ohne daß die besonderen Interessen der Länder — und nur von diesem Gesichtspunkt aus kann man die einzelnen Fragen betrachten - wahrgenommen werden.
Wichtig ist also nicht die Lösung der Rechtsfrage, sondern eine im wirtschaftlichen und sozialen Sinne vernünftige Lösung. Wichtig ist allein die volkswirtschaftliche und die soziale Seite. Die vordringlichste Frage ist: Wie werden diese Werte am besten zum allgemeinen Nutzen verwendet zur Abhilfe gegen den Arbeitsplatz- und Wohnungsmangel? Bei der Unzahl individueller Einzelfragen, rein örtlicher oder regionaler Probleme - Industrieplanungen, Flüchtlingsdruck usw. — wird eine zentrale Verwaltungsentscheidung praktisch immer mit geringerem Wirkungsgrad arbeiten als die ortsnahe und deshalb zuständige Stelle. Dies vor allem wird über die rein juristische Eigentumsentscheidung hinaus zu beachten sein, die den primären wirtschaftlichen und sozialen Erfordernissen anzupassen wäre.