Rede von
Dr.
Hermann
Pünder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf an die
Geschäftsordnungsdebatte anknüpfen, die wir heute
bei Beginn der Sitzung hatten, und muß bemerken, daß die Berichterstattung zu diesem Gesetzentwurf und seiner Anlage natürlich etwas schwierig ist, weil das Hauptstück dieses Gesetzes nicht
eilen Damen und Herren des Hohen Hauses vorliegt Ich habe aber bereits eingangs der Geschäftsordnungsdebatte gesagt, daß die Drucksache
Nr. 1655, mit der die Bundesregierung uns diesen
Gesetzentwurf vorgelegt hat, nicht nur inhalt-
reich, sondern auch sehr erschöpfend und klar ist, so daß jeder, der die Drucksache in sich aufgenommen hat, mit dem wichtigsten materiellen Inhalt vertraut ist. Immerhin — ich sagte es vorhin bereits — ist dieses Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion in einem ziemlich dicken Buch von 41 Seiten mit 36 Paragraphen und manchen Anlagen niedergelegt, und bei der Belastung des einzelnen würde mancher kaum in der Lage gewesen sein, den komplizierten Inhalt ganz in sich aufzunehmen.
Der Gesetzentwurf selber, der Ihnen vorliegt, ist in seinen drei knappen Artikeln in der bereits eingebürgerten Form solcher Ratifizierungsgesetze gegliedert. Erforderlich ist hier gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes eine Annahme des Abkommens durch den Bundestag, da, wie es in dem Artikel heißt, politische Beziehungen des Bundes geregelt werden.
Unser ERP-Ausschuß, dem dieses wichtige Gesetz federführend zugeleitet worden war, hat sich zusammen mit den beiden anderen beteiligten Ausschüssen, nämlich dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Ausschuß für Außenhandelsfragen, in zwei Sitzungen am 9. und 11. Januar 1951 eingehend mit diesem Gesetzentwurf und seiner Anlage befaßt und schlägt Ihnen — gemeinsam mit den beiden anderen Ausschüssen — vor, das Gesetz nebst seiner Anlage unverändert anzunehmen. Er hat diesen Beschluß einstimmig gefaßt, wie überhaupt in unserem ERP-Ausschuß bisher nur einstimmige Beschlüsse gefaßt worden sind.
— Verzeihen Sie, ich habe es nicht gehört!
- Nein, nein, das ist absolut, nicht richtig! Wir
haben sie gar nicht herausgeworfen. Bloß weil es
ein kleiner Ausschuß ist, haben Sie bei der ,,Größe"
Ihrer Fraktion nach dem Berechnungsverfahren
leider keinen Platz in diesem Ausschuß erhalten.
Wir haben niemanden herausgeworfen. Ich darf feststellen, daß zur Opposition auch die große SPD-Fraktion gehört, und die ist sehr zahlreich im Ausschuß vertreten.
- In Dialektik? Ich meine, wir sind beide von der Mosel, wir kennen uns ja schon seit einigen Jahren, und das reizt mich auch, wenn Sie so liebenswürdige Bemerkungen machen, zu versuchen, Ihnen ebenso liebenswürdig zu antworten, Herr Renner!
Nun zur Sache zurück! Von den 18 Unterzeichnern des bisher nur paraphierten Abkommens haben sich bereits zwei materiell zu ihm geäußert, das ist die Schweiz, die bereits ratifiziert hat, und ferner ist im englischen Unterhaus bereits - so, wie wir es heute hoffentlich auch hier haben werden — ein positives Votum erfolgt. Wir werden also voraussichtlich von den 18 Ländern das dritte Land sein, das ein positives Votum abgibt. Die Europäische Zahlungsunion ist bereits, wie Sie aus den Erläuterungen gesehen haben werden, am 1. Juli 1950 — also schon vor einem guten halben Jahr — auf Grund eines Zusatzprotokolls, das diesem Abkommen beigefügt war und das am gleichen Tage, nämlich am 19. September vorigen Jahres, unterzeichnet worden ist, in vorläufige Anwendung gekommen. Sowohl das Abkommen als auch dieses Protokoll sind von dem aus unserer Frankfurter Zeit schon bekannten ausgezeichneten Leiter unserer ERP-Mission in Paris, Herrn Dr. von Mangoldt, unterzeichnet worden.
Die Begründung der Europäischen Zahlungsunion ist die notwendige Folge der Liberalisierung des Handels. Diese Liberalisierung kann den mit ihr erstrebten freien Warenaustausch eben nur dann ermöglichen, wenn sie von einem Zahlungssystem begleitet wird, das die Währungen der europäischen Empfängerländer wieder untereinander austauschbar macht. Eine einheitliche europäische Währung wäre natürlich noch weit wünschenswerter gewesen, aber dieses Endziel mußte im Augenblick leider noch als unerreichbar zurückgestellt werden. Jedoch wird jeder Freund einer hoffentlich kommenden europäischen Einheit sehr begrüßen, daß wenigstens dieser wichtige erste Schritt der Gründung der Europäischen Zahlungsunion getan worden ist. Denn abgesehen von der Annahme der Ihnen bekannten Erklärung der Menschenrechte und ferner von der im Gang befindlichen Gründung des internationalen europäischen Flüchtlingsamts ist gerade das Ihnen vorliegende Abkommen der erste bedeutsame Schritt zu dieser europäischen Einheit. Wir müssen es mit Dankbarkeit anerkennen, daß es auch hier wieder die Vereingten Staaten gewesen sind, die die europäischen Länder zu diesem Schritt ermutigt haben. Im Dezember 1949 hatte die amerikanische Marshallplanverwaltung der OEEC in Paris den Vorschlag eines solchen umfassenden europäischen Zahlungsaustauschplanes gemacht.
Die Zahlungsunion stellt einen Vertrag der Mitgliedsstaaten dar, durch den diese ihre Zahlung;verbindlichkeiten untereinander nun nicht mehr bilateral, sondern multilateral verrechnen und ihre Defizite und Überschüsse durch Kreditgewährung oder Geldeinzahlungen ausgleichen müssen.
Der technische Apparat für diese in der praktischen Einzelausführung sehr komplizierten und schwierigen Vorgänge ist verhältnismäßig einfach. Die Tätigkeit dieser Union wird nach Weisung und unter Aufsicht des Rates der OEEC durch ein Direktorium und durch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel ausgeübt. Diesem Direktorium, das aus höchstens 7 Mitgliedern bestehen soll, wird auch ein deutscher Vertreter angehören. Wie wir gehört haben, wird der vorhin erwähnte Herr Dr. von Mangoldt das deutsche Mitglied dieses Direktoriums sein.
Meine Damen und Herren! Es wäre über diesen Gesetzentwurf mit seiner wichtigen Anlage noch viel zu bemerken. Ich will mich aber kurz fassen. An wichtigsten Einzelheiten ist vor allem festzuhalten: Die Länder der EZU — Europäische Zahlungsunion — verrechnen ihre im zweiseitigen Zahlungsverkehr auflaufenden Forderungen und Verbindlichkeiten nun nicht mehr von Land zu Land, sondern mittels des durch das Abkommen neugeschaffenen Abrechnungsverfahrens untereinander. Dies ist in einem Absatz der Begründung auf Seite 5 sehr anschaulich ausgeführt, auf den ich mit Erglaubnis des Herrn Präsidenten hinweisen darf. Da heißt es:
Für jedes Teilnehmerland ist damit nicht mehr der Stand seiner Zahlungsbilanz gegenüber einem andern Land, sondern gegenüber der Gesamtheit aller Mitgliedsländer wichtig. Während jedes Land bisher um einen möglichst ausgeglichenen Zahlungsverkehr mit jedem
einzelnen anderen Land besorgt sein mußte, kann es sich von jetzt ab bei einem andern Land oder mehreren z. B. durch Warenbezüge verschulden, wenn es durch verstärkte Leistungen bei anderen Ländern Guthaben erwirbt, mit denen es die Schulden über die Zahlungsunion tilgen kann. Waren und Dienstleistungen können damit unter den Teilnehmerstaaten ohne die Sorge um das Vorhandensein von Guthaben oder Krediten in bestimmten Währungen unter dem Gesichtspunkt der größten Leistungsfähigkeit und Preiswürdigkeit ausgetauscht werden.
Und dann das Beispiel:
Deutschland kann also mit Deviseneinnahmen aus Ausfuhrüberschüssen z. B. nach der Türkei, Griechenland und Österreich Importe z. B. aus Großbritannien bezahlen.
Zur praktischen Durchführung dieses neuen Verrechnungssystems sind selbstredend ganz bestimmte Vorkehrungen erforderlich gewesen, und zwar zunächst dahin, daß jedes der 18 Teilnehmerländer der Zahlungsunion einen Kredit einräumt und von ihr erhält. Für jedes Land ist die Höhe der Kredite verschieden. Im allgemeinen wurden — das bitte ich zu vermerken - 15% des Außenhandelsstatus von 1949 festgelegt, und zwar in sogenannten Rechnungseinheiten. Die deutsche Quote nach diesem Modus ist auf 370 Millionen solcher Rechnungseinheiten festgesetzt worden. Aber außer diesen Krediten der Teilnehmerländer ist in dem Abkommen eine USA-Hilfe in Höhe von 350 Millionen Dollar vorgesehen und gemäß Art. 23 des Abkommens bereits in den Fonds der EZU eingezahlt.
Hierbei ist Deutschland ein Anfangsguthaben nicht gewährt worden, weil es nach amerikanischer Auffassung wieder wie früher Überschüsse im Handel mit den Teilnehmerländern wahrscheinlich erzielen wird. Die Bundesregierung hat aber, falls sich die amerikanische Auffassung als unrichtig herausstellen sollte, nach den Bestimmungen dieses Abkommens bei der für die Folgezeit vorgesehenen Neufestsetzung dieser Anfangsguthaben die Gelegenheit, noch einmal die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik darzulegen und gleichfalls die Gewährung eines Anfangsguthabens zu erbitten.
Außerdem ist noch ein besonderer Hilfsfonds der Vereinigten Staaten aus ERP-Mitteln vorgesehen, aus dem nach dem Abkommen dann geholfen werden kann, wenn Schuldnerländer wider Erwarten in eine Notlage geraten und ihre Verpflichtungen gegenüber der EZU nicht erfüllen können. Dies gilt natürlich auch für die Bundesregierung. Aus diesem Hilfsfonds ist ihr inzwischen, soviel ich orientiert bin, bereits ein Betrag von 30 Millionen Dollar zugesichert worden.
Die Vorteile der deutschen Mitgliedschaft an diesem Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion sind auf der Schlußseite 8 der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 1655 gleichfalls sehr anschaulich dargelegt. Hier wird insbesondere noch einmal darauf hingewiesen, daß wir ja erfreulicherweise schon seit längerer Zeit in der OEEC gleichberechtigtes Mitglied dieser Gemeinschaft sind, wo wir durch den ERP-Minister, Herrn Bundesminister Blücher, vertreten sind. Diese Stellung, die wir bereits in der Organisation in Paris haben, wird naturgemäß verstärkt, wenn wir jetzt auch dieser Zahlungsunion beitreten. Ganz wesentlich ist für uns auch, daß die alten Schulden, die uns aus der Vergangenheit naturgemäß drücken — aus dem zweiseitigen Zahlungsverkehr mit anderen Ländern aus der früheren Zeit —, uns nicht mehr ganz so zu drücken brauchen, weil sie nämlich nicht mehr durch sofortige Devisenzahlungen oder Warenlieferungen an die einzelnen Gläubigerländer getilgt werden müssen, sondern nunmehr gleichfalls in das internationale Clearing eingegliedert werden. Schließlich wird noch darauf hingewiesen, daß Deutschland naturgemäß auch in den Genuß der zusätzlichen amerikanischen ERP-Mittel gelangt, über die ich Ihnen vorhin berichtet habe. In der Drucksache Nr. 1655 kommt daher die Bundesregierung nach Auffassung der beteiligten Ausschüsse mit Recht zu dem Schluß, daß die Zustimmung erteilt werden sollte.
In den eingehenden Überlegungen, die wir im ERP-Ausschuß zusammen mit unseren Kollegen aus den beiden anderen Ausschüssen angestellt haben, haben wir natürlich die Schwierigkeiten, die für uns aus dieser Zahlungsunion und der ihr zugrunde liegenden Liberalisierung des Handels erwachsen, auch nicht vergessen; sie sind ja hinlänglich bekannt, man könnte darüber stundenlang reden. Diese Schwierigkeiten beruhen nicht zuletzt auf der Festsetzung der deutschen Quote von 15%, über die ich Ihnen vorhin berichtet habe. Ich habe ausgeführt. daß diese 15% im wesentlichen unter Rückgriff auf die .Außenhandelszahlen des Jahres 1949 festgelegt worden sind. Während nun aber die anderen Empfangsländer des Marshallplans ihre Handelsbeziehungen fast durchweg schon im Jahre 1949 normalisiert hatten, war das in Deutschland nicht der Fall. Wir haben uns erlaubt, das in dem Zusatzantrag, der Ihnen ja in der Drucksache zu Drucksache Nr. 1770 vorliegt, darzulegen. Da wird darauf hingewiesen, daß Deutschland im Jahre 1949 erst einen Außenhandel in Höhe von 1123 Millionen Dollar, aber im Jahre 1950 von 2 Milliarden Dollar gehabt hat. Es ist deshalb ein dringender Wunsch unserer Ausschüsse, dem sich auch die Bundesregierung anschließt, daß die Quotenfestsetzung erneut überprüft wird. Wenn man bei 15% bleibt, muß bei uns jetzt ein Status angenommen werden, der mindestens dem Volumen von 1950 entspricht. Das ist der Inhalt des Ihnen vorliegenden Antrags in der Drucksache z u Drucksache Nr. 1770, worüber ich Ihnen berichtet habe. Der Antrag trägt — Herr Renner, zu Ihrem Kummer muß ich es bemerken — abermals die Unterschriften sämtlicher Fraktionen. Darunter sind also nicht nur die der Koalitionsparteien. sondern auch die große Oppositionspartei der SPD hat gern mitgewirkt. Wir möchten bitten, daß Sie auch diesem Antrag zustimmen, da er der Bundesregierung willkommene Gelegenheit geben wird, bei ihren bevorstehenden Verhandlungen darauf hinzuwirken, die deutsche Quote in der europäischen Zahlungsunion entsprechend zu erhöhen.
Abschließend darf ich daher an das Hohe Haus die Bitte richten, sowohl dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf nebst beiliegendem Abkommen wie aber auch namentlich der Entschließung zuzustimmen, die ich soeben vor Ihnen erörtert habe.