Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube feststellen zu müssen, daß die jetzige Regelung des kleinen Grenzverkehrs doch sehr viel Unruhe geschaffen hat. Eine Rückfrage im Ministerium hat ergeben — und hier komme ich zu einer anderen Feststellung als mein Herr Vorredner —, daß eine Verfügung mit dem Datum 15. November von der Regierung überhaupt nicht erlassen worden ist. Zumindest konnte bei einer Rückfrage im Ministerium heute eine derartige Verfügung nicht vorgelegt werden. Wir sollten die Frage des kleinen Grenzverkehrs doch danach beurteilen, wie er sich seit Jahrhunderten entwickelt hat. Gewisse Gewohnheiten sind durch Regelungen mit Rechtskraft bestätigt worden. Es ist bekannt, daß das zuletzt gültige Gesetz bei Beginn des Krieges außer Kraft gesetzt wurde. Jetzt hat man sich darauf berufen, daß das Handelsabkommen mit der Schweiz, das diese Frage zwischen den Ländern Schweiz und Deutschland sogar gesetzmäßig regelte, im Jahre 1945 durch die französische Militärregierung aufgehoben bzw. außer Kraft gesetzt worden sei. Auf die Außerkraftsetzung dieses Handelsabkommens stützt sich die Regierung bei der Durchführung ihrer neuen Maßnahmen, die sie nicht in einer ,,Verfügung" angeordnet hat, sondern bei denen sie sich darauf beruft, daß sie geltendes Recht, von dem sie bisher nicht, und zwar bis in den November nicht gewußt habe, jetzt wieder zur Anwendung bringe.
Ich möchte dazu auch im Namen meiner Freunde sagen: es wäre richtiger gewesen, wenn die Regierung — nachdem sie angeblich geltendes Recht schon monatelang nicht gekannt hat —, ehe sie so umwälzende Maßnahmen für diesen einen unter den Grenzbezirken anordnete, dieses Gespräch, von dem mir vor einer Stunde noch nichts bekannt war und das erst jetzt in den letzten Minuten von der Regierung mit den Abgeordneten der Grenzgebiete vereinbart worden ist, vor Durchführung dieser Maßnahmen veranstaltet hätte. Dann wäre eine gewisse Beunruhigung erspart geblieben.
Es muß einmal deutlich ausgesprochen werden, daß durch das Einführen von 49 Gramm Kaffee oder Tee Zollausfälle nicht in dem Umfang eintreten können, wie sie durch den Großschmuggel an der deutschen Grenze entstehen. Ich könnte aus einzelnen Erlebnissen, die ich gerade in der letzten Woche hatte, einige Beispiele anführen, die die Regierung veranlassen sollten, ihre Aufmerksamkeit einmal dahin zu wenden. Ich war in der vergangenen Woche in einer Großstadt in Westdeutschland, wo mir, als ich meinen Wagen auf den Parkplatz stellte und die Tür noch nicht recht geschlossen hatte, Schweizer Uhren zum Preise von 60 DM angeboten wurden. In einer Großstadt in Norddeutschland wurden mir gestern, als ich über die Straße schritt. Devisen bereits im Straßenver-
kehr angeboten. Ich glaube, das Finanzministerium hätte die wesentlich wichtigere Aufgabe, Zollausfälle auf diesen Gebieten zu verhindern, denn solche Ausfälle sollen ja eine Begründung dafür liefern, daß der kleine Grenzverkehr derartigen Beschränkungen unterworfen wird.
Ich bin der Überzeugung, daß die Regierung einige Dinge auch bei den Grenzkontrollen besser beachten sollte. Mir ist mitgeteilt worden, daß Ausländer, wenn sie die deutsche Grenze passieren, häufig einer Grenzkontrolle unterworfen werden, die alles andere als das Verständnis für Deutschland fördert. So ist es unlängst an der Schweizer Grenze passiert, daß einer jüdischen Dame nur deswegen, weil sie Jüdin ist. gesagt wurde: „Na, wir kennen Sie ja!" In dieser Hinsicht hat sich nichts geändert. Mir sind ähnliche Entgleisungen unserer Grenzbeamten jetzt auch von der belgischen Grenze zur Kenntnis gekommen. Die Regierung möge also ihr Augenmerk auch einmal darauf richten. Der Grenzbeamte ist eine sehr wichtige Person, denn er kann dazu beitragen, daß das Ansehen Deutschlands im Auslande wieder so wird, wie wir es mit Recht erhoffen dürfen.
Man sollte diesen Antrag der kommunistischen Fraktion auf keinen Fall dadurch erledigen, daß man Übergang zur Tagesordnung beschließt. Wenn die Regierung diese Frage mit den zuständigen Abgeordneten behandeln will, dann ist zu sagen, daß der zuständige Ausschuß des Bundestages das richtige Gremium dafür ist. Ich beantrage, daß der Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen wird. Dann wissen wir. daß er in richtigen Händen ist. Ich glaube, diesem Antrage könnten alle zustimmen.