Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einmal feststellen, daß der Antrag der Kommunistischen Partei insofern unvollziehbar ist, als er die Aufhebung einer „Anordnung vom 15. November 1950" verlangt, die überhaupt nie ergangen ist. Wenn eine Anordnung nie ergangen ist, kann sie selbstverständlich auch nicht aufgehoben werden.
Ich darf rein sachlich feststellen: es handelt sich um etwas ganz anderes. Es handelt sich darum, daß in meinem Ministerium lediglich die Anweisung an die Zollbehörden ergangen ist, die bestehenden gesetzlichen Vorschriften beim kleinen Grenzverkehr gegenüber der Schweiz anzuwenden. Dabei handelt es sich um folgende Punkte.
Erstens: im allgemeinen dürfen Waren aller Art in kleinen Mengen unter 50 Gramm abgabenfrei bei jedem Grenzübertritt eingeführt werden. Diese Abgabenbefreiung darf bei Kaffee und Tee nur einmal täglich gewährt werden. Für Tabak und Tabakwaren ist sie ganz ausgeschlossen.
Zweitens: außerdem können im Reiseverkehr als Reisebedarf kleine Mengen an Tabakerzeugnissen abgabenfrei eingebracht werden. Die Menge richtet sich nach der Dauer der Reise. Für Bewohner des Zollgrenzbezirks ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß bei der Bemessung des Reisebedarfs ein strenger Maßstab anzulegen ist.
Drittens: an der Schweizer Grenze bestanden früher besondere Bestimmungen. Im alten deutschschweizerischen Grenzvertrag war vereinbart, daß männliche Bewohner der einen Grenzzone im Alter von über 16 Jahren aus der anderen Grenzzone Tabakwaren zum persönlichen Verbrauch mitbringen dürfen. Die Menge war auf fünf Zigarren oder zehn Stumpen oder 25 Zigaretten oder 50 Gramm Rauchtabak täglich begrenzt. Dieser Vertrag ist jedoch im November 1945 durch eine Vereinbarung zwischen der Schweiz und der französischen Militärregierung ersetzt worden, das sogenannte Berner Abkommen. Artikel 8 dieser Vereinbarung überläßt die Festsetzung der kleinen Warenmengen, die von den Grenzbewohnern abgabenfrei über die Grenze gebracht werden dürfen, den autonomen Bestimmungen. In meinem Ministerium, das ja im Jahre 1945 noch nicht bestand und sich über die vielfachen neuen Bestimmungen in den einzelnen Ländern auch nicht sofort unterrichten konnte, bestanden zunächst Zweifel über das Verhältnis des Berner Abkommens zu dem früheren deutsch-schweizerischen Abkommen über den kleinen Grenzverkehr. Auch in Frankfurt bestand hierüber keine Klarheit. Die Zweifel konnten im November 1950 bei Verhandlungen mit der Schweiz zur Sprache gebracht werden. Es wurde dabei festgestellt. daß auch nach Ansicht der Schweiz das alte deutsch-schweizerische Abkommen durch das Berner Abkommen ersetzt worden ist.
Es ist demnach festzustellen, daß sich die Einfuhr von Tabakwaren zur Zeit nur nach den autonomen deutschen Bestimmungen zu richten hat, die ich Ihnen oben dargelegt habe.
Der Landrat von Lörrach, von dem der Herr Abgeordnete der Kommunistischen Partei gesprochen hat, hat mit den Zollbestimmungen nichts zu tun. Er war bei den Besprechungen, die ich gleich noch erwähnen werde, persönlich anwesend und hat dem Ergebnis dieser Besprechungen zugestimmt.
Nach Eröffnung des kleinen Grenzverkehrs mit der Schweiz am 1. August 1950 entwickelte sich sehr bald folgender Zustand. Täglich überschritten an den größeren Grenzübergängen — Konstanz, Laufen, Waldshut, Säckingen, Lörrach, Basel — Tausende von deutschen Grenzbewohnern die Grenze, um Tabak, Kaffee und Tee in fertig gepackten Kleinpackungen in der Schweiz einzukaufen und abgabenfrei über die Grenze zu bringen. Nach Feststellungen der Zollstellen zu verschiedenen Zeitpunkten überschritten täglich rund 33 000 Menschen die Grenze,
und zwar im wesentlichen nur zu dem Zweck, um diese Kleinmengen einzukaufen. Meine Damen und Herren, wenn die einzelnen Mengen auch klein sind, die Summe der Kleinmengen ist groß! Diese Kleinmengen, im Monat summiert, ergeben etwa 23 000 kg Kaffee, 3800 kg Tee, 6 Millionen Stück Zigaretten, 7000 kg Rauchtabak und 550 000 Stück Schweizer Stumpen. Der Abgabewert für diese Waren beträgt monatlich etwa 1,1 Millionen DM, jährlich also 13 Millionen DM!
Meine Damen und Herren, dazu kommt noch folgendes. Wir haben doch damit zu rechnen, daß die Grenze nicht nur gegenüber der Schweiz, sondern auch gegenüber den anderen Grenzländern geöffnet werden wird; und was im einen Gebiet zugelassen wird, wird im anderen Gebiet verlangt werden. Es wird sich also künftig nicht bloß um
die Schweizer Grenze, sondern um die deutsche Grenze überhaupt handeln. Sie können sich infolgedessen vorstellen, welche Auswirkungen diese Einfuhr auf den Handel in den Grenzbezirken und auf die Tabakwarenindustrie und den Tabakwarenhandel des deutschen Bundesgebietes hat. Es steht außerdem fest, daß diese Mengen weit über den eigenen Bedarf der Grenzbevölkerung hinausgingen und auf den „Grauen Markt" gelangt sind.
Auf Grund zahlreicher Hilferufe der betroffenen Gewerbezweige habe ich meine Referenten an die Schweizer Grenze gesandt, um die Verhältnisse an Ort und Stelle prüfen zu lassen und mit den beteiligten Organisationen zu verhandeln. Das ist Anfang Dezember 1950 geschehen. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, daß es zu Mißbräuchen gekommen ist und Abhilfe dringend notwendig ist.
Auf einer Sitzung der Industrie- und Handelskammer in Konstanz, auf der auch die Gewerkschaften vertreten waren, wurde ais Grundlage der künftigen Regelung übereinstimmend folgendes für notwendig gehalten: Der Grenzbevölkerung sollen für den eigenen Bedarf — aber nur für den eigenen Bedarf! — ausreichend bemessene Mengen an Tabak, Kaffee und Tee zur freien Einfuhr zugestanden werden. Die Einfuhr, die über diesen Rahmen hinausgeht, soll jedoch unterbunden werden, um mißbräuchliche Ausnutzung zu verhindern und um andererseits den Verkehr wieder auf ein normales Maß zurückzuschrauben. Dies ist auch deshalb notwendig, weil die vorhandenen Beamtenkräfte zur Überwachung dieses Grenzverkehrs bei weitem nicht mehr ausreichen und bei Fortdauer der Verhältnisse um ein Mehrfaches verstärkt werden müßten.
Im einzelnen wurde dort — bei dieser Besprechung — folgende Regelung für richtig gehalten: bei Tabakwaren für jede Person über
16 Jahre wöchentlich einmal eine Einfuhr von
5 Zigarren oder 10 Stumpen oder 20 Zigaretten oder 40 Gramm Rauchtabak, außerdem an den übrigen Wochentagen als Reisebedarf täglich eine Zigarre oder einen Stumpen oder zwei Zigaretten. An Kaffee sollten abgabenfrei wöchentlich bis zu 50 Gramm und an Tee wöchentlich bis zu 20 Gramm eingeführt werden dürfen. Für eine Familie von vier Köpfen ergeben sich dabei immerhin recht beträchtliche Mengen.
Eine entsprechende Regelung, die durch Rechtsverordnung des Bundesministers der Finanzen vorzunehmen ist, ist in Vorbereitung. Mit der eidgenössischen Oberzolldirektion ist deswegen Fühlung aufgenommen worden. Die betreffenden Herren haben für unsere Lage volles Verständnis gezeigt. Mit Abgeordneten dieses Hauses ist schon nach der Besprechung im Dezember Fühlung genommen worden. Wegen der starken Inanspruchnahme der verschiedenen Herren, die gleichzeitig an der Besprechung teilnehmen sollten, war es erst in den allerletzten Stunden möglich, die Besprechung zu einem Ergebnis zu führen. Als Ergebnis dieser Besprechung kann festgestellt werden: Das Bundesfinanzministerium wird eine Regelung dahin treffen, daß die zollfreie Einfuhr dieser Verbrauchsmengen nicht mehr einmal wöchentlich, sondern zweimal wöchentlich gestattet wird. Diese Verbrauchsmengen werden voraussichtlich bei Tabakwaren unverändert bleiben; sie werden bei Kaffee und Tee auf den Bedarf einer Familie beschränkt bleiben, um die Bereicherung des Grauen oder des Schwarzen Marktes zu verhindern, aber den Familienbedarf zu decken. Das Einverständnis
der Herren Abgeordneten der Grenzbezirke mit dieser Regelung dürfte ais grundsätzlich gegeben betrachtet werden. Ich glaube, daß damit die Frage grundsätzlich als geregelt betrachtet werden kann, und ich freue mich feststellen zu können, daß durch diese Besprechungen eine Frage sachlich erledigt und aus der immer vergiftenden Sphäre der Agitation herausgenommen worden ist.