Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation wirft eine Frage auf, die zum Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern werden kann, die aber zu einer unmittelbaren Entscheidung drängt. Ich bitte daher, Verständnis dafür zu haben, wenn ich mich erstens auf die Beantwortung der in der Interpellation gestellten Fragen beschränke und sie zweitens ohne den Humor und ohne die Ablenkung, die in der Debatte inzwischen geherrscht haben, mit einem ruhigen und sachlichen Ernst beantworte.
Die Verwaltung des ehemaligen Reichsvermögens und der ehemaligen preußischen Beteiligungen liegt zur Zeit noch in den Händen der Länder. Die Länder leiten ihre Verwaltungsbefugnis aus Militärregierungsvorschriften her, die inhaltlich zum Teil in Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Im Rahmen dieser Verwaltung nehmen die Länder laufend Verfügungen über diese Werte — vor allem über ehemaliges Wehrmachtvermögen — ohne eine Mitwirkung des Bundes vor. Der Bundesregierung sind mehrfach Nachrichten darüber zugegangen, daß bei solchen Verfügungen zum Nacht eil dieser Vermögensmasse ungewöhnliche Bedingungen und Preise vereinbart worden seien. Eine Nachprüfung dieser Fälle war jedoch bisher nicht möglich, da die Länder die Verwaltung dieses Vermögens als ihre eigene Angelegenheit beanspruchen und der Bundesregierung Unterlagen über die Veräußerungen daher nicht zur Verfügung stehen.
Die Bundesregierung hat die Länder mehrfach auf die Bedenken hingewiesen, die gegen solche Veräußerungen erhoben werden müssen. Die Länder haben demgegenüber stets erklärt, daß alle von ihnen getroffenen Verfügungen nur ihm Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung und unter strenger Beachtung der Reichshaushaltsordnung und der Reichswirtschaftsbestimmungen vorgenommen seien: auch eine bundeseigene Verwaltung hätte nach Ansicht der Länder keine anderen Verfügungen treffen können. Die Bundesregierung wird in den noch zu erwähnenden Gesetzesvorlagen eine Nachprüfung aller von den Ländern getroffenen Maßnahmen vorsehen: nach Durchführung dieser Prüfung wird entschieden werden, ob die Verfügungen nachträglich genehmigt werden können. Eine solche Genehmigung wird zwar im Interesse der Rechtssicherheit selbstverständlich dann erteilt werden, wenn die Veräußerungen aus zurückliegender Zeit sachlich nicht zu be-
anstanden sind; die Erlöse aus genehmigten Geschäften werden für den Bund in Anspruch genommen werden.
Wenn aber soeben von mir zum Ausdruck gebracht worden ist, daß noch über die nachträgliche Genehmigung dieser Verfügungen zu entscheiden sein wird, so ist damit bereits angedeutet, daß die Bundesregierung diese Verfügungen für schwebend unwirksam hält. Nach ihrer Ansicht ergibt sich aus Fassung, Sinn und Zweck des Art. 134 des Grundgesetzes, daß der Gesetzgeber die Vermögenswerte des Deutschen Reiches zumindest der Bundesrepublik zur Übernahme als ihr Eigentum sichern, wenn nicht schon in ihr Eigentum übergegangen sehen wollte. Diese Auffassung gilt auch für die Vermögenswerte, die auf Grund des Gesetzes Nr. 19 der US-Militärregierung zunächst auf die Länder der US-Zone übergegangen waren. Denn dieser Rechtsübergang ist durch das Grundgesetz selbst rückgängig gemacht worden. Art. 134 Abs. 4 des Grundgesetzes bestimmt zwar, daß das Nähere durch ein Bundesgesetz geregelt werden soll. Dieser Hinweis auf ein besonderes Ausführungsgesetz betrifft jedoch nur die Klärung von Einzelheiten, die notwendig ist, um der grundsätzlichen Regelung des Art. 134 des Grundgesetzes auch in allen praktischen Fragen zur Wirksamkeit zu verhelfen. Da somit der Bund jedenfalls die Sicherheit haben soll, in alle Rechte des Deutschen Reiches einzutreten, können Verfügungen über Werte des Reichsvermögens nur durch ihn oder mit seiner Zustimmung getroffen werden.
Die Länder vertreten demgegenüber den Standpunkt, daß Art. 134 Abs. 1 des Grundgesetzes nur eine Richtlinie für die in Art. 134 Abs. 4 des Grundgesetzes vorgesehene Bundesgesetzgebung darstellt. Selbst wenn diese Auffassung zutreffend wäre, so würden die Länder mit Rücksicht auf Art. 134 des Grundgesetzes gleichwohl die ihnen auf Grund der Militärregierungsvorschriften zustehenden Befugnisse nur im Rahmen dieser Richtlinien, d. h. also auch nur unter Mitwirkung des Bundes ausüben können.
Die Bundesregierung führt seit einem Jahr Verhandlungen mit den Ländern über eine Verwaltungsvereinbarung, die dem Bund den notwendigen Einfluß auf die Verwaltung der Vermögenswerte einräumen soll. Sie hat ferner den Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen ausgearbeitet, der voraussichtlich in den nächsten Tagen dem Bundestag zugehen wird. Dieser Entwurf spricht im Interesse der Klarstellung die an sich durch das Grundgesetz bereits erfolgte Aufhebung der durch die Militärregierungsvorschriften angeordneten Eigentumsübertragungen auf die Länder noch einmal ausdrücklich aus. Er überträgt die Verwaltung der Vermögenswerte auf den Bund. Endlich hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung von Reichsvermögen und den Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung der Beteiligungen und anderer Vermögenswerte des ehemaligen Landes Preußen auf den Bund vorbereitet. Diese beiden Gesetze dienen der Ausführung der Art. 134 Abs. 1 und Art. 135 Abs. 4 und 6 des Grundgesetzes. Die Entwürfe werden dem Bundestag nach Abschluß der noch laufenden Erörterungen mit den Ländern zugeleitet werden. Der Abschluß dieser Erörterungen ist für den 31. Januar 1951 vorgesehen.
Ich darf im übrigen noch hervorheben, daß sich die Hohe Kommission ausdrücklich bereit erklärt hat, sämtliche Militärregierungsvorschriften über das Reichsvermögen auf Antrag der Bundesregierung jederzeit aufzuheben.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß von seiten der Bundesregierung alles getan worden ist, um auch die Zweifel, die hinsichtlich der Tragweite der oben erwähnten Militärregierungsvorschriften in etwa noch bestehen, zu beseitigen und das Reichsvermögen in seinem Bestand zu erhalten.
Die Interpellation bezieht sich auch auf Verfügungen der Länder über das Vermögen ehemaliger Reichsgesellschaften und ehemaliger preußischer Gesellschaften. Die Länder haben sich zum Teil auf den Standpunkt gestellt, daß dieses Vermögen als mittelbares Reichsvermögen oder preußisches Vermögen auf Grund der Militärregierungsvorschriften auf sie übergegangen sei. Die Bundesregierung hat diese völlig abwegige Auffassung vor allem im Interesse der Gläubiger dieser Gesellschaften von Anfang an mit aller Entschiedenheit bekämpft. Denn diese Auffassung hätte zur Folge gehabt, daß für diese Gläubiger nur die leere Rechtsform dieser Gesellschaften übriggeblieben wäre. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, daß bei allen Gesellschaften des Reichs und des ehemaligen Landes Preußen die im Handelsrecht vorgesehenen Organe bestellt werden. Soweit solche Gesellschaften nicht mehr lebensfähig oder nicht mehr existenzberechtigt sind, werden diese nach Maßgabe des geltenden Rechts, insbesondere also unter Beachtung der Gläubigerschutzbestimmungen liquidiert werden. Verfügungen der Länder über das Vermögen solcher Gesellschaften sind unwirksam. Die schon erwähnten Bundesgesetze werden dies noch einmal ausdrücklich klarstellen.
Die Interpellation führt schließlich aus, daß die Gerichte und Grundbuchämter die Berechtigung der Länder zu Verfügungen über die in Rede stehenden Vermögenswerte mehrfach in Zweifel gezogen hätten. Diese Angabe trifft zu. Darüber, daß in Einzelfällen versucht worden sei, die Gerichte durch Dienstaufsichtsbeschwerden von ihrer ablehnenden Haltung abzubringen, liegen indessen der Bundesregierung zuverlässige Angaben nicht vor. Die Bundesregierung wird jedoch versuchen, Näheres über solche Fälle zu ermitteln. Sollte sich hierbei, was die Bundesregierung allerdings kaum annehmen möchte, bestätigen, daß versucht worden ist, Gerichte oder Grundbuchämter im Dienstaufsichtswege zu beeinflussen, so würde die Bundesregierung eine öffentliche Untersuchung dieser Fälle herbeiführen.
Meine Damen und Herren, damit glaube ich die in der Interpellation gestellten Fragen sämtlich beantwortet zu haben. Ich möchte noch den Wunsch aussprechen, der föderative Gedanke des Grundgesetzes möge darin seinen Ausdruck finden, daß ihm von beiden Seiten in voller Loyalität Rechnung getragen wird.