Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Das am 22. August 2003 in Kraft getretene Gesetz zurNeustrukturierung der Förderbanken des Bundes siehtvor, den Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederauf-bau um sieben Mitglieder zu erweitern, die vom Deut-schen Bundestag bestellt werden. Hierfür werden vorge-schlagen von der Fraktion der SPD die KolleginWaltraut Lehn sowie die Kollegen Ludwig Stieglerund Klaus Brandner, von der Fraktion der CDU/CSUdie Kollegen Dietrich Austermann, BartholomäusKalb und Friedrich Merz, von der Fraktion des Bünd-nisses 90/Die Grünen die Kollegin Christine Scheel.Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wider-spruch. Damit sind die genannten Kollegen als Mitglie-der des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für Wieder-aufbau bestellt.Durch Änderung des § 39 des Stasi-Unterlagen-Ge-setzes vom 14. August 2003 können nun acht statt bishersieben Mitglieder des Deutschen Bundestages in denBeirat des Bundesbeauftragten für die Unterlagen desStaatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR entsandtwerden. Die FDP-Fraktion kann somit ein Mitglied fürden Beirat nachbenennen. Sie schlägt die KolleginRedetGisela Piltz vor. Sind Sie damit einverstanden? – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist die Kollegin GiselaPiltz gemäß § 39 Abs. 1 des Stasi-Unterlagen-Gesetzesin den Beirat gewählt.Die Fraktion der CDU/CSU teilt mit, dass der KollegeMartin Hohmann sowohl aus dem Gemeinsamen Aus-schuss gemäß Art. 53 a des Grundgesetzes als auch ausdem Kontrollausschuss beim Bundesausgleichsamt alsstellvertretendes Mitglied ausscheidet. Für beide Gre-mien schlägt die Fraktion der CDU/CSU den KollegenDr. Jürgen Gehb als neues stellvertretendes Mitgliedvor. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wi-derspruch. Dann ist der Kollege Gehb jeweils atretendes Mitglied im Gemeinsamen Ausschusund in den Kontrollausschuss beim Bundesausgewählt.
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2004
– Drucksachen 15/1500, 15/1670 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-haltsausschusses zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungFinanzplan des Bundes 2003 bis 2007– Drucksachen 15/1501, 15/1670, 15/1924 –Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich AustermannWalter SchölerAntje HermenauDr. Günter RexrodtIch rufe dazu Punkt I.12 auf:a) Einzelplan 09Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeitext– Drucksachen 15/1909, 15/1921 –Berichterstattung:Abgeordnete Volker KröningHans-Joachim FuchtelKurt J. RossmanithAnja HajdukDr. Günter RexrodtDazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDPvor, über den wir später namentlich abstimmen werden.Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte I.12 bund c auf:te und dritte Beratung des von den Frak-n der SPD und des BÜNDNISSES 90/GRÜNEN eingebrachten Entwurfs einesen Gesetzes zur Änderung derls stellver-s bestimmtgleichsamtb) – ZweitioneDIEDritt
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Präsident Wolfgang ThierseHandwerksordnung und anderer hand-werksrechtlicher Vorschriften– Drucksache 15/1206 –
– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurfs einesDritten Gesetzes zur Änderung der Hand-werksordnung und anderer handwerksrechtli-cher Vorschriften– Drucksache 15/1481 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
– Drucksache 15/2083 –Berichterstattung:Abgeordneter Ernst Hinskenc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
– zu dem Antrag der Abgeordneten ErnstHinsken, Dagmar Wöhrl, Karl-JosefLaumann, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSUHandwerk mit Zukunft– zu dem Antrag der Abgeordneten RainerBrüderle, Angelika Brunkhorst, ErnstBurgbacher, weiterer Abgeordneter und derFraktion der FDPMeisterbrief erhalten und Handwerksord-nung zukunftsfest machen– Drucksachen 15/1107, 15/1108, 15/2083 –Berichterstattung:Abgeordneter Ernst HinskenZu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen zur Änderung der Hand-werksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vor-schriften liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion derFDP vor. Der gleich lautende Gesetzentwurf der Bun-desregierung soll abgesetzt werden. – Ich sehe, Sie sinddamit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache drei Stunden vorgesehen. – Ich höre kei-nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort demKollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Die Befürchtungen, die wir am Anfang dieser Wo-che im Hinblick auf die Entscheidung des Ecofin-RatesvsUKtdBszfdwtzmsdidDsdkgtddgtmaebmDpDntSsuKsSeBana
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Friedrich Merz– Herr Müntefering, die Zahl der Arbeitslosen ist inner-halb dieses einen Jahres im Durchschnitt um über200 000 gestiegen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosenin Deutschland ist ebenfalls um deutlich über 200 000gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten in unserem Landist in gut einem Jahr um mehr als 600 000 zurückgegan-gen.
Ich will die Lage nicht dramatisieren; aber die Ar-beitsmarktstatistik bringt die Lage weniger gut zum Aus-druck als die Beschäftigtenzahl. Die Tatsache, dassDeutschland mit 82 Millionen Einwohnern jetzt nurnoch etwas über 26 Millionen sozialversicherungspflich-tige Beschäftigte hat, ist das eigentliche Symptom fürdie Krise unserer Volkswirtschaft.
Darüber können Sie nicht einfach leichtfertig hinwegge-hen.Wir sind vor gut einem Jahr von Ihnen, Herr Clement,mit großen Ankündigungen konfrontiert worden. Sie ha-ben die Koalitionsfraktionen mit Ankündigungen darü-ber begeistert, wie die Bundesanstalt für Arbeit jetztendlich auf den richtigen Weg gebracht werden soll, umdie Vermittlungstätigkeit so zu verbessern, dass sie einennachhaltigen Beitrag zur Beseitigung der Arbeitslosig-keit leistet. Auch dazu eine kurze Jahresbilanz. Im Okto-ber 2003 sind insgesamt knapp 750 000 Menschen ausder Arbeitslosigkeit ausgeschieden. Von diesen 750 000hat die Bundesanstalt für Arbeit aber nur 67 000 erfolg-reich vermittelt. Das sind nicht einmal 9 Prozent.Im gleichen Zeitraum, innerhalb von Jahresfrist, hatsich aber die Zahl derer, die in den Vorruhestand einge-treten sind, also ein Instrument des Sozialgesetzbuches IIIin Anspruch genommen haben, fast verdreifacht. Über200 000 haben auch auf Drängen der Bundesanstalt fürArbeit von diesem Instrument Gebrauch gemacht, ob-wohl der Präsident der Bundesanstalt bei seinem Amtsan-tritt genau das Gegenteil gefordert hat, nämlich dieses In-strument solle nicht weiter in Anspruch genommenwerden, weil es ein falsches Instrument sei.Herr Clement, man sieht alleine an diesen Zahlen: Siesind nicht an einer einzigen Stelle in der Lage gewesen,die Strukturprobleme unseres Arbeitsmarktes zu lösen.Sie haben sich weiter verfestigt, weil Sie zu Beginn IhrerAmtszeit von einer fundamentalen Fehleinschätzung derLage ausgegangen sind und sich mit Ihren wenigen gu-ten Ansätzen in Ihrer eigenen Fraktion nicht habendurchsetzen können.
Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen.Sie haben uns im Frühjahr 2003 mit der Ankündigungaufgerüttelt, künftig werde Ihr Haus jeden Monat eineneue Reform auf den Weg bringen.
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itte tun Sie sich selbst und uns den Gefallen, dieseshema heute Morgen am besten gar nicht mehr zu er-ähnen, wenn Sie sich nicht selber der Lächerlichkeitreisgeben wollen.
Ein zweites Beispiel: Sie haben auch angekündigt,ass künftig jede Arbeit zumutbar sein solle, damit dieenschen einen Weg zurück in den Arbeitsmarkt finden.ies hat immer unsere Zustimmung gefunden. Wir wa-en auch in früheren Jahren der Auffassung, dass eineeringfügige Beschäftigung immer noch besser ist, alseiter in der Arbeitslosigkeit zu verbleiben.Was ist daraus geworden? Nach Herrn Clement müs-en jetzt Arbeitslosengeldempfänger, also diejenigen,ie eine Versicherungsleistung bekommen, für die sieorher Beiträge eingezahlt haben, in Zukunft jede zu-utbare Beschäftigung annehmen. Die Zumutbarkeits-egelungen sind richtigerweise geändert worden. Aberenjenigen, die in Zukunft – nach der Zusammenlegungon Arbeitslosen- und Sozialhilfe – Anspruch auf dasrbeitslosengeld II haben, muss jetzt der ortsüblicheohn gezahlt werden.Herr Clement, es wäre gut gewesen, wenn Sie dieseegelung in der Schlussphase der Verhandlungen mit Ih-en eigenen Leuten verhindert hätten. Sie hätten dabei
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Friedrich Merzauch auf das Sachverständigengutachten Bezug nehmenkönnen. Der Sachverständigenrat hat mit nicht zu über-bietender Klarheit festgestellt:Die beschäftigungsfeindliche Wirkung von staatli-chen Mindestlöhnen ist gut belegt. Deshalb mussauf diese generelle Mindestlohnregelung verzichtetwerden.Wenn Sie Ihrem eigenen Sachverständigenrat nichtglauben, dann werfen Sie einen Blick nach Frankreich!In Frankreich gibt es seit einigen Jahrzehnten einenstaatlichen Mindestlohn, wie Sie ihn jetzt in Deutsch-land faktisch einführen wollen. Ein staatlicher Mindest-lohn klingt zunächst gut. Viele Bürgerinnen und Bürgersind der Meinung, dass es eine Untergrenze geben mussund dass der Staat dies zu regeln hat. Das ist in der Tatauch ein zusätzlicher Schutz für die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer.In Frankreich können Sie aber die tatsächliche Wir-kung solcher Regelungen besichtigen. Die Tatsache,dass in Frankreich die Jugendarbeitslosigkeit überpro-portional hoch ist, hat etwas damit zu tun, dass denschlecht qualifizierten Jugendlichen der Zugang zum Ar-beitsmarkt durch den staatlich festgesetzten Mindestlohnverweigert und auf diese Weise Jugendarbeitslosigkeit ineiner Größenordnung verfestigt wird, die wir inDeutschland Gott sei Dank bis heute nicht zu beklagenhaben.Wenn Sie aber zulassen, dass dieses Vorhaben inDeutschland weiter verfolgt wird, dann – das sage ichIhnen voraus – werden in Deutschland in wenigen Jah-ren gerade bei der Jugendarbeitslosigkeit ähnlich hoheZuwachsraten zu verzeichnen sein wie in Frankreich.Lassen Sie das! Es hat keinen Sinn, diesen Weg zu ge-hen.Ein drittes Beispiel: Herr Clement, wir haben vor fastgenau einem Jahr im Zuge der Beratungen des Haushalts2003 in diesem Hause sehr darüber gestritten, wie wirdie Zeitarbeitsbranche in Zukunft tarifpolitisch behan-deln wollen. Ich habe Ihnen damals dringend geraten,bei dem zu bleiben, was Sie für richtig gehalten haben,und die Zeitarbeit nicht vom ersten Tage an gesetzlich inder Weise zu regeln, dass dort gleicher Lohn zu gleichenBedingungen gezahlt werden muss. Ferner haben wir Ih-nen dringend geraten, nicht die gesetzliche Verpflich-tung aufzunehmen, dies an entsprechende Tarifverträgezu binden.Was in diesen Tagen, ein Jahr später, in der Zeitar-beitsbranche auch im Hinblick auf das Datum 1. Januar2004 passiert – Sie haben damals eine Frist von etwasüber einem Jahr in das Gesetz hineingeschrieben –,zeigt, dass es weit schlimmer gekommen ist, als wir esvor einem Jahr befürchtet hatten. Es gibt nämlich nichtnur Tarifverträge, die als solche nicht zu kritisieren sind,sondern es gibt auch eine massive Konkurrenz der IGMetall insbesondere gegen die christlichen Gewerk-schaften.
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Auch diese Zwischenrufe sind bezeichnend. – Die fa-ale Folge dessen ist, dass die Zeitarbeitsbranche ineutschland zur Lösung der Probleme praktisch keineneitrag mehr leisten wird; dies verhindern die Funktio-äre der IG Metall.
Ich komme zu einem vierten großen Bereich, den Sieum Thema gemacht haben und bei dem Sie in denüngsten Tagen – Angela Merkel hat gestern schon dar-uf hingewiesen – total gescheitert sind, nämlich demhema Ausbildungsplatzabgabe. Herr Clement, Sie ha-en völlig zu Recht bis in die jüngsten Tagen hinein auchn Ihren eigenen Reihen gesagt, dass eine solche Abgabechädlich und falsch sei. Trotzdem ist sie auf dem Bun-esparteitag der SPD gegen Ihren erklärten Willen be-chlossen worden. Die Tatsache, dass Sie einen relativleinen Delegiertenschlüssel haben und viele Mitgliederer SPD-Bundestagsfraktion Delegierte auf Bundespar-eitagen sind, zeigt, dass Sie offensichtlich in Ihrer eige-en Fraktion keine Mehrheit für das gefunden haben,as Sie für richtig halten.
Entschuldigung, es ist doch offensichtlich so, wie ichs dargelegt habe: Das Thema Ausbildungsplatzabgabeird auf der Regierungsbank anders als in den Regie-ungsfraktionen, insbesondere in der SPD-Fraktion, ge-ehen.
Jetzt lese ich Ihnen etwas vor, was vor einigen Wo-hen ein betroffener Arbeitgeber in einem Leserbrief ge-chrieben hat.
Das mögen Sie nicht gern hören. Ich lese es Ihnenrotzdem vor. Er beschreibt seine Erfahrungen, wie es
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Friedrich Merzist, wenn er Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt undanschließend Bewerber in sein Unternehmen kommenund sich vorstellen.… auf reines Grundwissen zielende Testaufgabenund Fragen können nicht einmal in Ansatz und Ten-denz richtig gelöst und beantwortet werden, zumTeil kommen „weiße Blätter“ zurück. Verstehenund Erklären einfachster Konstruktionszeichnun-gen – Fehlanzeige. Mal die Homepage unseres Un-ternehmens angeschaut? Nein, nicht dran gedacht.Totaler Blackout beim Versuch eines Gesprächsüber Themen der Allgemeinbildung oder des aktu-ellen Tagesgeschehens; Geschichte, Geographie,Europa, simple weltpolitische Zusammenhänge –nicht der Schimmer einer Ahnung. Schulterzuckenauf die Frage nach Berufs- und Lebenszielen. Diesalles gepaart mit einem Sprachstil, der in Phonetikund Aussagesinn weithin unverständlich bleibt, undmit einem Auftreten, das oft die elementarsten Be-nimm-Regeln vermissen lässt.
– Was ich Ihnen vorlese, sind die Erfahrungen eines Un-ternehmers. Sie, meine Damen und Herren von der SPD,sind meilenweit davon entfernt, überhaupt noch zu wis-sen, was in den Betrieben heute passiert.
– Wenn man diese Zwischenrufe hört – leider können dieFernsehzuschauer nicht alles hören, was Sie dazwi-schenrufen –, dann könnte man annehmen, das Zitat, dasich hier gerade vortrage, stelle eine Situationsbeschrei-bung der SPD-Bundestagsfraktion dar.
Der Unternehmer schreibt weiter:Solange Computerspiele, Disco und Designerkla-motten die Kernkompetenzen vieler unserer 18 bis20 Jahre alten Schulabgänger sind und das fataleMotto „Erst der Spaß, dann das Vergnügen“ ihr Da-sein prägt, ist tiefste Besorgnis angesagt, dass diesehochprozentig ignorante Generation wählen darfund die Zukunft unserer Wirtschaft und Gesell-schaft gestalten soll.
Jetzt kommt der entscheidende Satz:Die geschilderten Erfahrungen aus der betriebli-chen Praxis beweisen zugleich den ganzenSchwachsinn einer Ausbildungsplatzabgabe.Dies ist sicherlich eine Momentaufnahme. Hier ist je-mand an die Öffentlichkeit gegangen, der sehr frustriertist und der Erfahrungen mit jungen Menschen gemachthat, die sicherlich nicht repräsentativ sind.
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Das, was diese Dame schreibt, unterliegt der Mei-nungsfreiheit in Deutschland und niemand bestreitet ihrdas Recht, so etwas zu schreiben. Aber von einem sol-chen Unsinn darf sich doch nicht ein ganzer Betrieb aufdem Weg aufhalten lassen, eine vom Tarifvertrag abwei-chende Vereinbarung zu treffen, die regelt, dass Beschäf-tigung gesichert werden kann.
Nicht nur diejenigen von Ihnen, die aus Baden-Württem-berg kommen, können sich das an Ort und Stelle anse-hen.Das Ergebnis dieser Intervention ist, dass diese Pro-duktionslinie dorthin nicht vergeben worden ist und dassdieser Standort wahrscheinlich mittelfristig geschlossenwird. Dahinter steht die Ignoranz von IG-Metall-Funkti-onären außerhalb der Betriebe. Dieser Fall dokumentiertgleichzeitig das hohe Maß an Vernunft von IG-Metall-Mitgliedern und -Betriebsräten in den Betrieben. HerrClement, es muss einen Weg geben, wie mit von Tarif-verträgen abweichenden Vereinbarungen betrieblicheBündnisse für Arbeit möglich werden. Wenn Sie unse-ren Weg nicht für richtig halten, aber gemeinsam mitdem Bundeskanzler der Auffassung sind, dass diesesZiel erreicht werden muss, dann zeigen Sie uns einen an-deren Weg auf. Ohne einen solchen Weg kommen wir inDeutschland aus der Beschäftigungskrise nicht heraus.Dieser Weg muss jetzt gemeinsam mit Ihnen beschrittenwerden.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Merz, wir befinden uns in der zweiten undritten Lesung des Bundeshaushaltes. Sie haben zu al-em geredet, nur nicht zum Einzelplan 09, der heuteorgen aufgerufen worden ist.
s ist ganz deutlich – ich glaube, niemand ist verstimmt,enn er diese Absicht erkennt –, dass Sie nicht zumaushalt, sondern zum Vermittlungsverfahren gespro-
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Volker Kröningchen haben. Wenn man Ihnen genau zugehört hat, dannmusste man den Eindruck bekommen, dass Sie wederdie Bereitschaft noch die Fähigkeit zum Kompromiss,den wir dringend brauchen, aufbringen.
Der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaftund Arbeit sieht nach der Bereinigungssitzung des Haus-haltsausschusses für das Jahr 2004 Gesamtausgaben inHöhe von 32,95 Milliarden Euro vor. Dies sind rund8 Milliarden Euro mehr, als im Regierungsentwurf vorge-sehen. Dieser Aufwuchs beruht darauf, dass im parlamen-tarischen Verfahren Haushaltsmittel zur Umsetzung derneuen Leistung veranschlagt worden sind, die nach demvom Deutschen Bundestag beschlossenen Vierten Gesetzfür moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt die bishe-rigen Leistungen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zurMitte des nächsten Jahres ablösen soll.Außerdem sind in der Bereinigungssitzung die haus-haltswirtschaftlichen Voraussetzungen für die An-schlussregelung zum Kohlekompromiss von 1997 fürdie Zeit ab 2006 geschaffen worden.
– Herr Austermann, Sie kommen heute offenbar nicht zuWort und deshalb müssen Sie Zwischenrufe machen.Schließlich haben wir im Rahmen des haushaltswirt-schaftlich Möglichen zukunftsorientierte Maßnahmenverstärkt, unter anderem durch zusätzliche Mittel für dieEnergieforschung und die Unterstützung des Exports imBereich erneuerbarer Energien, für die Verbesserung derMaterialeffizienz und für das Vorhaben Innovationsregi-onen im Rahmen des Bürokratieabbaus und der Deregu-lierung.In seiner Struktur wird dieser Haushalt weiterhindurch die arbeitsmarktbezogenen Leistungen domi-niert. Dafür werden rund 27,6 Milliarden Euro bereitge-stellt. 14,7 Milliarden Euro davon entfallen auf dieGrundsicherung für Arbeitsuchende. Im Gegenzug istder im Regierungsentwurf eingestellte Ansatz für Ar-beitslosenhilfe halbiert worden. Die Leistungen für dieGrundsicherung verteilen sich auf Leistungen zur Ein-gliederung in Arbeit mit rund 2,6 Milliarden Euro, aufdas Arbeitslosengeld II mit rund 10,6 Milliarden Euround auf die Erstattung der Verwaltungskosten mit rund1,5 Milliarden Euro. Für die Arbeitslosenhilfe sind rund6,7 Milliarden Euro und für den Zuschuss an die Bun-desagentur für Arbeit rund 5,2 Milliarden Euro veran-schlagt. Das Haushaltsgesetz ermächtigt den Bund, derBundesagentur Liquiditätsdarlehen von bis zu 7 Milliar-den Euro zu gewähren. Für Maßnahmen der aktiven Ar-beitsmarktpolitik, im Wesentlichen JUMP-Plus und Son-derprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit, werdenrund 970 Millionen Euro bereitgestellt.Es tut mir Leid, dass ich Sie mit diesen Einzelangabenin Ihrer Kampfeslust offenbar gestört habe.AdeWbEdniABbH2üu2MmAdgDdewDdvmWGpHhdsn
ber die Bürger und Bürgerinnen interessieren sich fürie Leistungen, die wir mit dem Bundeshaushalt für sierbringen, gerade auf den Gebieten Arbeitsmarkt undirtschaft.
Die Kalkulation der arbeitsmarktbezogenen Ansätzeeruht auf den aktualisierten gesamtwirtschaftlichenckwerten der Bundesregierung und setzt voraus, dassie mit den Gesetzen Hartz I und Hartz II beschlosse-en Konsolidierungsmaßnahmen im kommenden Jahrhre volle Wirksamkeit auf der Ausgabenseite entfalten.uf der Einnahmeseite ist der nach Hartz IV von derundesagentur an den Bund zu zahlende Aussteuerungs-etrag veranschlagt.Von dem verbleibenden Teil des BMWA-Haushalts inöhe von rund 5,4 Milliarden Euro entfallen rund,2 Milliarden Euro auf die Kohlehilfen. Das ist gegen-ber dem Ansatz 2003 ein Rückgang – ein Rückgang! –m 460 Millionen Euro, also mehr, als der Abbauschritt004 nach dem geltenden Kohlekompromiss vorsieht.
it der Veranschlagung einer neuen Verpflichtungser-ächtigung in Höhe von 6,079 Milliarden Euro wird dernschlussregelung ab 2006 Rechnung getragen,
amit schon 2004 entsprechende Finanzierungszusagenegeben werden können.
er Bund leistet seinen Beitrag unter der Voraussetzung,ass mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarlandine Verständigung über die Anschlussregelung erzieltird.
abei soll der Rückgang der Hilfen so flankiert werden,ass der unvermeidliche Personalabbau weiterhin sozial-erträglich stattfindet.Weitere 900 Millionen Euro entfallen auf die Ge-einschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalenirtschaftsstruktur“. Neben den Baransätzen für dieA-Ost und -West hatte der Regierungsentwurf Ver-flichtungsermächtigungen nur noch für die GA-Ost inöhe von 700 Millionen Euro vorgesehen. Da eine Er-öhung dieses Volumens zulasten des übrigen Haushaltsieses Ressorts oder zulasten des Gesamthaushalts aus-chied, hat der Haushaltsausschuss beschlossen, dass imächsten Jahr bis zu 100 Millionen Euro für die Jahre
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Volker Kröning2005 bis 2007 für die GA-West in Anspruch genommenwerden können. Dafür bleibt der Planungsausschuss ver-antwortlich, der für die Gemeinschaftsaufgabe insge-samt eine Klammer zwischen Ost und West bildet. Wennder Wille des Haushaltsgesetzgebers erfüllt werden soll,sollte der Bund seine Stimmen für eine strukturgerechteVerteilung der Mittel sowohl in Ost als auch in West ein-setzen. Es wäre gut, wenn der zuständige Unteraus-schuss des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit dieseEntwicklung weiterhin begleiten würde, gerade auch imHinblick auf die Zukunft der Strukturpolitik auf EU- undLänderebene.
Nun zum weiteren Förderungskatalog in der Reihen-folge der Titelgruppen, wobei die quantitativen Größen-ordnungen nichts über die qualitative Bedeutung bzw.die Schwerpunktsetzung aussagen.
– Herr Austermann, leider kann man das draußen nichthören.
Ich kann Ihnen nur entgegnen: Sie haben sich überhauptnicht beteiligt,
deshalb sind Sie gar nicht fähig, über die Bereinigungs-sitzung des Haushaltsausschusses zu berichten.
Für die Energieforschung sind rund 131 MillionenEuro vorgesehen, mehr als im Jahre 2003. Für Maßnah-men zur Förderung der rationellen und sparsamen Ener-gieverwendung stehen nach dem Übergang der Zustän-digkeit für das Marktanreizprogramm und für das100 000-Dächer-Programm auf das Bundesumweltmi-nisterium noch Mittel in Höhe von 25,6 Millionen Eurozur Verfügung. Der Ansatz für die 2003 begonnene Ex-portinitiative für erneuerbare Energien wird gegenüberdem Regierungsentwurf auf 18 Millionen Euro verstärkt.Die Mittel für Forschung und Entwicklung und fürInnovation im Mittelstandsbereich erhöhen sich auf432 Millionen Euro; nicht berücksichtigt ist dabei dieAbwicklung der Altfälle aus dem Programm Beteili-gungskapital für kleine Technologieunternehmen. Die in-dustrielle Gemeinschaftsforschung, das Projekt Multime-dia und das Programm Netzwerkmanagement Ost werdenauf hohem Niveau fortgeführt. Auf gleichem Niveau wieim Vorjahr wird auch die Förderung der Leistungs- undWettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unter-nehmen fortgeführt; die Beratung und Schulung vonExistenzgründern wird sogar gegenüber 2003 verstärkt.
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s wird höchste Zeit, dass sich die privaten Banken wieie öffentlichen Hände an der Lösung der Finanzkrisees Mittelstandes beteiligen.
ch kann jedenfalls für die Bundesregierung und die Ko-lition sagen: Mittelstands- und Innovationsförderungind keine Lippenbekenntnisse, sondern Schwerpunktenserer Politik.
Dem Mittelstand dient insbesondere die Außenwirt-chaftsförderung, die im Regierungsentwurf von21 Millionen Euro im Vorjahr auf knapp 170 Millionenuro aufgestockt wurde. Der Haushaltsausschuss hat da-an festgehalten. Im Vordergrund steht die Außenwirt-chaftsoffensive der Bundesregierung mit der neuennvest in Germany GmbH, mit dem Auslandsmessepro-ramm, dem Netz der Auslandshandelskammern undem Korrespondentennetz der Bundesagentur für Au-enwirtschaft. Die Rolle des Exports bei der Stabilisie-ung und Belebung der Konjunktur kann gar nicht ernstenug genommen werden; gerade das Engagement klei-er und mittlerer Unternehmen auf Auslandsmärktenient dem Standort Deutschland.
Für die Bereiche Luftfahrtforschung und -techno-ogie stehen 2004 fast dieselben Mittel wie 2003 zurerfügung, nämlich rund 74 Millionen Euro. Zur Ver-esserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschenerften wird ein Innovationshilfeprogramm aufgelegt,as mit jeweils 15 Millionen Euro zwischen 2004 und007 ausgestattet wird. Mit dem Programm sollen an-telle der klassischen Produktionshilfe anwendungsnahennovationen der Branche gefördert werden. Um die He-einnahme einer großen Zahl von Aufträgen noch in die-em Jahr sicherzustellen, kann auf die Mittel der Innova-ionshilfe zugegriffen werden; doch dies darf nicht diemstrukturierung der Werfthilfe gefährden.
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Volker Kröning– Ich freue mich ja, dass Sie im Saal bleiben und nichtrauslaufen.
Offenbar interessiert Sie doch, worüber ich spreche.
Schließlich berichte ich aus der Bereinigungssitzung,dass die Regulierungsbehörde für Telekommunika-tion und Post im Laufe des kommenden Jahres neue Zu-ständigkeiten, und zwar für die Bereiche Strom und Gas,erhalten soll. Dafür werden 60 neue Stellen vorgesehen,allerdings werden 42 Stellen gesperrt, von denen 15 ausPersonalüberhängen aus anderen Bundesbehörden be-setzt werden.
Der Haushaltsausschuss wird sich über verbleibendeFragen, die von der Aufstellung zum Vollzug hinüberrei-chen, informieren lassen.
Er hat Berichtsaufträge von der endgültigen Einigungzur Kohlehilfe über die Entscheidung des Planungsaus-schusses für die Gemeinschaftsaufgabe „RegionaleWirtschaftsstruktur“ bis zum Fortgang des Rechtsstreitesüber die Werfthilfe, der zwischen der EU und Südkoreageführt wird, beschlossen. Anfang bis Mitte 2004 wirddarüber zu berichten sein.
Weitere Einzelheiten des Haushaltsentwurfes erspareich Ihnen jetzt gerne; ich habe die Ergebnisse der Berei-nigungssitzung mitgeteilt.
– Sie reden alle von Reparlamentarisierung, auch im Zu-sammenhang mit der Föderalismuskommission, aber Sieleisten keinen Beitrag zu einem vernünftigen Parlamen-tarismusverständnis,
wenn Sie sich hier nicht über die Ergebnisse der Haus-haltsberatungen berichten lassen wollen.
Mit den 14 Millionen Euro für die kommunikativeBegleitung und die Evaluation wirtschafts- und arbeits-marktpolitischer Vorhaben, die das Ressort neben denallgemeinen Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit auch imkommenden Jahr erhält, soll die Initiative „Teamarbeitfür Deutschland“ fortgesetzt werden. Gerade die Ver-netzung von zentralen und dezentralen Anstrengungenauf dem Arbeitsmarkt und auch die Aktivitäten für mehrAusbildung erfordern solche Teamarbeit. Der Haushalts-ausschuss wird regelmäßig über die Effizienz und dieWHtSsgAtevkvsDfcggnIgliehdsVntwddWhk2omDkbdBgs
ie hat viel Vertrauen bei den örtlichen Akteuren ge-chaffen; das kann ich aus Bremen und aus anderen Re-ionen belegen.
Mit demselben Ansatz werden auch unterstützendektionen zum Bürokratieabbau fortgesetzt. Der Mas-rplan der Bundesregierung ist zu wesentlichen Teilenon dem Ressort BMWA umzusetzen. Ich kann nicht er-ennen, dass der Minister und sein Haus ihre Grundlinieerlassen hätten, wie uns Teile der Presse und der Oppo-ition in letzter Zeit glauben machen wollen.
ie Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-rage der Kollegen Bosbach und Röttgen widerlegt sol-he Behauptungen. Natürlich fällt der Abbau überflüssi-er Bürokratie schwer; zu Recht wird die Sorgeeäußert, dass der Saldo von Abbau alter und Aufbaueuer Bürokratie negativ bleiben könnte.
Deshalb hält die Koalition auch an dem Vorhaben dernnovationsregionen fest. Auf der Basis der Erfahrun-en mit den drei Testregionen Ostwestfalen-Lippe, west-ches Mecklenburg-Vorpommern und Bremen soll 2004in bundesweites Auswahlverfahren stattfinden. Ichoffe, dass alle Teile dieses Hauses und auch der Bun-esrat daran interessiert bleiben, dafür die gesetzgeberi-chen Voraussetzungen zu schaffen.Zur Innovationspolitik gehört auch das Vorhaben zurerbesserung der Materialeffizienz, das zunächst mit ei-em Baransatz von 1 Million Euro und einer Verpflich-ungsermächtigung über 2 Millionen Euro ausgestattetird. Die Vergabe der Studie und die Implementierungieses Ansatzes will und muss der Haushaltsausschussem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überlassen.ir würden es begrüßen, wenn das Vorhaben von vorn-erein mit der Industrie gemeinsam angegangen werdenönnte.
Ich muss noch auf das BTU-Programm eingehen. Wie003 und 2002 ist Mehrbedarf gegenüber dem Ansatzffenbar geworden. Ursache ist die Krise der Unterneh-en des so genannten Neuen Marktes.
och die Ausfälle bei den Beteiligungen der Förderban-en, die sich lange einer Schätzung entzogen hatten, ha-en sich unerwartet beruhigt. Kürzlich ist ein Artikel iner „Zeit“ erschienen – ein Vorabdruck aus einem neuenuch mit dem Titel „Next Economy“ –, der den Hinter-rund illustriert hat. Wir müssen und können uns zur Lö-ung des Problems auf einen Vermerk beschränken, der
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Volker Kröning^es erlaubt, die Ausgaben von bis zu 60 Millionen Eurodurch Einsparungen an anderer Stelle des Einzelplans zudecken. Ich hoffe, dass dieser Rahmen nicht ausge-schöpft werden wird.
Diese Notlösung offenbart allerdings ein Problem,das mehr politischer als rechtlicher Natur ist. Im Einzel-plan des Ministeriums ist eine globale Minderausgabein Höhe von 49,5 Millionen Euro vorgesehen,
die im Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden muss.65,7 Millionen Euro kommen als Ressortbeitrag zu derim Einzelplan 60 veranschlagten globalen Minderaus-gabe von 1 Milliarde Euro hinzu, und der Ressortbeitragzu der weiteren im Einzelplan 60 veranschlagten globa-len Minderausgabe in Höhe von 600 Millionen Euro istnoch offen.Darum ein generelles Wort zum Verhältnis vonHaushaltsaufstellung und Haushaltsvollzug: Die Ar-beitsmarktausgaben sind scharf kalkuliert und unaus-weichlich. Die Arbeitsmarktreform dient, ebenso wie dieArbeitsrechtsreform, der Senkung der so genannten Be-schäftigungsschwelle in Zeiten geringen Wachstums undist, wie die Reform der anderen sozialen Sicherungssys-teme, Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum. Da-rum sind die Spielräume in diesem Bereich extrem eng.
Auch bei der Linie der Steinkohlenhilfe lassen sichnur schwer weitergehende Einsparungen ansetzen. Ins-gesamt wird sie sich nach dem Kohlekompromiss zwi-schen 1998 und 2005 von 4,7 Milliarden auf2,7 Milliarden Euro reduziert haben, nach der An-schlussregelung zwischen 2006 und 2012 von 2,6 Milli-arden auf voraussichtlich 1,8 Milliarden Euro, alles injährlichen Schritten.Meine Damen und Herren, auch wenn der Haushalts-ausschuss die Verpflichtungsermächtigung für die Stein-kohlenhilfe gesperrt hat, weil wir uns bei der Kurzfris-tigkeit der Entscheidungen vorbehalten mussten, nochEinzelfragen zu klären, will ich vor dem aktuellen Hin-tergrund dieses Themas sagen: Diese Sperre ist keineReißleine für den neuen Kohlekompromiss.
Ich sage im Übrigen zu der globalen Minderausgabeauch deshalb noch einiges, weil das Vermittlungsverfah-ren, vor allen Dingen über das Haushaltsbegleitgesetz,die Frage aufwirft, wo überhaupt in diesem Haushaltnoch Kürzungen vorzunehmen sind. Das Problem ver-schärft sich dadurch, dass diese Aufgabe nicht mehr in diePhase der Haushaltsgesetzgebung fällt, sondern der Exe-kutive und dem Haushaltsausschuss überlassen bleibt.
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em Minister und seiner Verwaltung für die Lösung die-er schwierigen Aufgabe weiterhin eine gewissenhafteusammenarbeit an.Ich erwarte allerdings auch, dass zusammen mit demundesfinanzministerium über den Subventionsbegrifflarheit geschaffen wird, nicht nur auf der Ausgaben-,ondern auch auf der Einnahmenseite, und vor allen Din-en über eine Strategie, die nicht nur die Staatsausgabeneduziert, sondern auch ihre Qualität verbessert.Die beiden Fälle der Grundversorgung mit Steinkohlend des Umbaus der Werftindustrie zeigen, dass Subven-ionsabbau kein Selbstzweck ist und dass es vor allemarum geht, die Schwerpunkte von Finanzhilfen ebensoie von Steuervergünstigungen in zukunftsorientierteereiche zu verlagern. Auch die Wirtschaftsförderungient zentral wie dezentral, in den Ländern und Gemein-en, dem Strukturwandel. Das müssen die Planken fürie Erwirtschaftung der Minderausgaben nicht zuletzt iniesem Ressort sein. Wahrscheinlich müssen auch zu-ätzliche Bewirtschaftungsmaßnahmen über das Jahrinweg stattfinden. Ich wiederhole: Dabei kann kein Be-eich tabu sein.Die Auseinandersetzung um den Stabilitäts- undachstumspakt hat jenseits aller politischen und fachli-hen Differenzen gelehrt: Auch 2005 wird eisern zu spa-en sein; weitere Veränderungen in der Haushaltsstrukturleiben auch dem Einzelplan 09 nicht erspart. Haushalts-ollzug und Haushaltsaufstellung werden deshalb auchn Zukunft viel Arbeit machen.Ich danke zum Schluss beiden Ressorts, dem Ressortirtschaft und Arbeit sowie dem Ressort Finanzen, fürie gute Zusammenarbeit. Ich danke meinen Kollegin-en und Kollegen – besonders hebe ich meine Kolleginnja Hajduk hervor – für die Zusammenarbeit in der Be-ichterstatterrunde.
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Volker KröningIch kann zum Trost sagen: Die Zusammenarbeit mitder Opposition ist intern besser, als sie sich nach außendarstellt. Ein Grund für den Politikverdruss im Lande ist,dass man Ihnen Ihre Reaktionen in diesem Hause nichtmehr abnimmt. Man erwartet, dass die Zusammenarbeitintern besser funktioniert, als sich gerade bei Ihren Kin-dereien gezeigt hat.Ich bitte um Zustimmung zum Einzelplan 09.
Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Brüderle, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heutekönnen wir in den Zeitungen lesen: Ermahnung derOECD: Deutschland braucht mehr Reformen. Deutsch-land hängt zu einseitig vom Export ab.Wir kommen nicht voran. Das muss doch unserThema sein. Lieber Herr Kollege Kröning, was ist dasfür ein Politikverständnis, wenn man hier nur die Titel-gruppen des Haushalts buchhalterisch einsortiert? Wirmüssen doch die Wirtschaftspolitik, die Sie betreiben,politisch bewerten.
Wenn Sie Wirtschaftspolitik auf die Art und Weise be-treiben, wie Sie hier reden, dokumentieren Sie doch nurIhr Desinteresse an der Lösung der Probleme dieses Lan-des. Es als „Kinderei“ zu bezeichnen, dass wir eine poli-tische Bewertung durchführen wollen, ist falsch; denndazu ist das Parlament doch da. Ihre Rede führt dazu,dass draußen abgeschaltet wird.
Wir wollen aber, dass mehr Menschen anschalten, sichmit der Politik beschäftigen, teilhaben und nicht vor derPolitik weglaufen.
Der vorliegende Haushaltstorso ist – wir haben dasschon deutlich gesagt – nicht beratungsfähig. Er ist ver-fassungswidrig und verstößt gegen internationale Ver-einbarungen. Heute können Sie in den Zeitungen lesen:Frankreich fordert einen neuen Stabilitäts- und Wachs-tumspakt. Der italienische Finanzminister sagt: DerPakt I ist am Ende. Jetzt muss etwas ganz anderes kom-men.Sie haben mit Ihrem Vorgehen den Stabilitäts- undWachstumspakt gekillt. Mein Freund GuidoWesterwelle hat gestern deutlich gesagt, dass wir dielängste Wirtschaftskrise in der NachkriegsgeschichtehswntäZIligDASpnddmlSzhgtcGwpiaWwckgtmWmßDsfrhkVnRCd
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Rainer BrüderleNach dem Genossenparteitag in Bochum hat sich derZickzackkurs in der Wirtschaftspolitik noch verschlim-mert. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Lassen Sie KarlMarx im Museum in Trier! Der Wirtschaftspolitik fehltdie Linie. Sie hat keinen Charakter. Sie wird kein Ver-trauen schaffen. Auf dem Parteitag der SPD wurde denLinken Valium gegeben. Die Dosis war offenbar falsch.Die Verlängerung der Steinkohlesubventionen, die Aus-bildungsplatzabgabe und wiederentdeckte Arbeiterliederwerden es nicht bringen.Kollege Müntefering sagt wörtlich: Der liebe Gott istmit uns. – Vorsicht! „Gott mit uns“ gab es schon einmal.Ich habe dort nur den Erzengel Gabriel gesehen. Wennich Ihre Beschlüsse betrachte, muss ich sagen: Der Teu-fel hat Sie geritten.
Herr Clement, Sie mussten erneut eine herbe Heim-niederlage einstecken. Beim Ökostrom hat Herr TrittinSie eingedost. Beim Kündigungsschutz waren es die Ge-werkschaften und Ihre Fraktion. Die Ausbildungsplatz-abgabe kommt auf den Tisch. Wann ist eigentlich dieGrenze Ihrer Selbstachtung erreicht? Was sagen Sie Ih-ren Töchtern, wenn Sie ständig als Tiger losspringen undals Bettvorleger landen? Was ist das für eine Politik? Woliegt die Grenze der Selbstachtung? Was machen Sienoch mit?
Ich sage ganz offen und ehrlich: Sie haben bei vielenDingen richtig gelegen. Aber Sie haben nichts durchge-setzt. Wahrscheinlich sind Sie in der falschen Partei.
Die Ausbildungsplatzabgabe haben Sie als Verstaatli-chung der Berufsausbildung bezeichnet. Sie haben völligRecht. Nur haben Sie sie nicht verhindert. Frau Dückertspricht von einer Strafsteuer. Diese grün-rote Lehrlings-steuer wird keine Ausbildungsplätze bringen, sondernAusbildungsplätze kosten. Sie ist ein völlig falscher An-satz.
Auch die SPD-Wirtschaftsminister sehen es ähnlich.Herr Schartau hat sich gleich zu Wort gemeldet. Auch erhält sie für falsch. Aber die Experten haben bei dieserAnwandlung kollektiver Unvernunft offenbar keineChance.Bei den Steinkohlesubventionen wird die individu-elle Unvernunft des Bundeskanzlers kollektiviert. Er hatder Ruhrkohle nach Gutsherrenart 16 Milliarden Euroversprochen. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Wirdiskutieren und ringen hier miteinander über Subven-tionsabbau; gleichzeitig schustert der Bundeskanzler sei-nem früheren Wirtschaftsminister, den er beim Deal mitEbPmmptdKdMtsgbEsetnidKummtdMldpTEEgvsDsoOaD
nd Oskar Lafontaine sind damals mit den Kumpelsarschiert und haben vor der FDP-Zentrale Randale ge-acht. Sie haben sich damals für die Steinkohlesubven-ionen eingesetzt. Frau Sager, was Sie hier vorführen, ister Gipfel der Scheinheiligkeit.
Die Grünen machen immer nur Symbolpolitik.anchmal wird eine Zeche stillgelegt oder Sie feiern zu-asten der Steuerzahler eine geschmacklose Party wegener Stilllegung des Kernkraftwerks Stade. Eine energie-olitische Konzeption liegt aber bis heute nicht auf demisch.
s ist utopisch und gefährlich, allein auf erneuerbarenergien zu setzen. Für jede Kilowattstunde Windener-ie muss eine Kilowattstunde Atom- oder Kohlestromorgehalten werden. Wenn wir das nicht selbst tun, ge-chieht das in Frankreich oder in Ländern in Osteuropa.as ist die Wahrheit.Der Bundeskanzler schickt seinen Lieblingsgewerk-chafter Schmoldt vor, der wieder einmal anregen darf,b man über Kernenergie nicht neu nachdenken müsse.hne einen anderen Energiemix werden Sie die Import-bhängigkeit Deutschlands in der Energiepolitik aufauer nicht beseitigen können. Mit den Milliardensub-
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Rainer Brüderleventionen für die Windkraft und für die Kohle machenSie lupenreine grüne und rote Klientelpolitik.
Angesichts dessen ist es regelrecht eine Frechheit, unsbei der Handwerksordnung Klientelpolitik vorzuwer-fen.
Wir wollen keine müde Mark, keinen Euro für das Hand-werk. Wir wollen nur eine Reform, eine Chance für mit-telständische Strukturen. Der Grund für Ihr Vorgehen istdoch, dass Sie von nur wenigen Vertretern des Hand-werks gewählt werden. Sie wollen das deutsche Hand-werk dafür abstrafen, dass es nicht Grün-Rot wählt. Dasist die Absicht, die hinter Ihrem Handeln steht.
Wir wollen keine Unternehmenslandschaft, die nuraus hoch subventionierten Ich-AGs und wenigen Groß-konzernen besteht. Wir wollen auch eine mittelständischgeprägte Wirtschaft.
Wir wollen, dass die Hunderttausende von Handwerks-betrieben endlich von ihrer Unsicherheit befreit werden.Deshalb unterbreiten wir heute einen Vorschlag, auf denwir uns alle einigen können.Was die Beibehaltung des Meisterbriefs, der inWahrheit der Doktortitel der beruflichen Praxis ist, an-langt, wollen wir neben der unbestrittenen Gefahrenge-neigtheit noch ein zweites Segment hinzufügen. Nachder PISA-Studie der OECD reden wir alle von der Not-wendigkeit, auf hohem fachlichen Niveau auszubildenund dieses Niveau zu sichern. Deshalb sollten wir dievorbildliche Ausbildungsleistung des Handwerks – imHandwerk wird dreimal so viel ausgebildet wie im Restder deutschen Wirtschaft – auch anerkennen. Wir schla-gen deshalb ganz konkret vor: Ein Handwerkszweig, dermehr als 50 Prozent der Gesamtwirtschaft ausbildet, solldiese fachlich hoch stehende Ausbildung weiterhindurch den Meisterbrief legitimieren. Das wäre ein gutesKriterium. Wir entbinden damit 50 Prozent vom Meis-terbrief als Ausbildungsvoraussetzung. Gleichzeitig si-chern wir aber das hohe fachliche Niveau. Wir erkennengesellschaftlich an, was auf diesem Gebiet geleistetwird. Dieses Konzept ist eine tragfähige Brücke, überdie alle gehen können. Ich hoffe sehr, dass Sie bereitsind, im Vermittlungsausschuss diesen Weg zu gehen.
An die Adresse der Union sage ich, dass ein weiteresAufsatteln von Kriterien wie Verbraucher- oder Umwelt-schutzbelangen kontraproduktiv ist. Wir setzen auf denmündigen Verbraucher und die Rahmenregelungen. Esist ein guter Weg, die Ausbildungsleistung des Hand-werks anzuerkennen.neBwIrueiWdBbP1sndSSHsVwBdmtftdssdusBtBKd
Ich erteile das Wort Kollegen Fritz Kuhn, Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Merz, in Ihrer Rede gab es eine Stelle,ie ich perfide fand.
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Fritz KuhnDarauf will ich am Anfang meiner Rede kurz eingehen.Sie haben von diesem Platz aus in Bezug auf das Pro-blem der fehlenden Lehrstellen – versteckt hinter einemLeserbrief – das allgemeine Vorurteil bedient, die Schuldhätten im Großen und Ganzen die jungen Menschen, dienicht lesen und rechnen könnten. Das ist eine pauschaleDiskriminierung derjenigen jungen Menschen, die eineLehrstelle suchen.
Sie haben gesagt, dass Sie nicht generalisieren wollen.Dadurch, dass Sie diesen Leserbrief verlesen haben, ha-ben Sie auf eine Art und Weise generalisiert, die ichnicht akzeptieren kann.
Wir müssen natürlich in unserem Bildungssystem et-was tun. Sie haben aber nicht gesagt, was mit den Ju-gendlichen geschehen soll, die in diesen Tagen nochkeine Lehrstelle haben. Sie mahnen immer nur, so gehees nicht. Das ist Ihr Credo. Sie machen aber keinen prä-zisen Vorschlag, was geschehen soll.
Dabei gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder schafftdie Wirtschaft bis März nächsten Jahres die Lehrstellen,die noch fehlen, oder wir werden eine klug ausgestalteteAbgabe einführen. Dabei schwebt uns eine Stiftungslö-sung vor; das haben wir ja vorgeschlagen.
Kollege Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schauerte?
Ja, Herr Schauerte, bitte.
Herr Kollege Kuhn, Sie haben gerade gefordert, dass
wir Ihnen sagen sollen, wie man zusätzliche Lehrstellen
schaffen kann. Es gibt einen ganz zentralen Ansatz. Wir
diskutieren ja, wie Sie wissen, über die Reform der
Handwerksordnung. Lassen Sie die Handwerker, die
heute überproportional ausbilden, im Anhang A zur
Handwerksordnung. Schaffen Sie einen solchen Anreiz,
werden Sie eine hohe Ausbildungsbereitschaft vorfin-
den. Wenn Sie sie aber alle aus dem Anhang A heraus-
nehmen wollen – wie Sie das vorhaben –, dann wird die
Ausbildungsbereitschaft dramatisch abnehmen. Über
diese Sorgen müssen wir miteinander reden. Öffnen Sie
sich einem solchen modernen Ansatz!
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Wir müssen in der Debatte über folgende einfacherage reden: Wie kann man den Aufschwung, der sichbzeichnet, durch unsere Politik in Deutschland undurch die Entscheidungen im Vermittlungsausschusserstärken? Was muss geschehen, damit dies geschieht?ie „Financial Times“ hat gestern getitelt, Deutschlandetze zum Aufschwung an. Sie alle kennen die Parame-er. Einen großen Teil verdanken wir dem Export. Un-ere Aufgabe ist es nun, alles zu tun, damit im Binnen-arkt Belebung entsteht.Deswegen fordere ich Sie von der Union noch einmalanz klar auf: Sie müssen dem Vorziehen der Steuerre-ormstufe 2005 zustimmen, weil erstens der Konsumadurch belebt werden kann und weil es sich zweitensm die Steuerreform für die Personengesellschaften han-elt, die Sie seit langem angemahnt haben.
ie haben beklagt, dass die körperschaftsteuerpflichtigenetriebe zuerst entlastet wurden. Stehen Sie jetzt, da esm die Handwerksbetriebe und die kleinen und mittel-tändischen Betriebe geht, nicht auf der Bremse!
Frau Merkel, wenn Sie etwas für das Weihnachtsge-chäft tun wollen, dann müssen Sie jetzt und nicht erstm 10. Dezember 2003 oder sonst irgendwann ein Si-nal für das Vorziehen setzen. Gehen Sie herunter voner Bremse und tun Sie hier das Notwendige für dieonjunktur!
Herr Merz, wir müssen die Agenda 2010 konsequentmsetzen. Ich habe in Ihrer Rede kein konkretes Signalehört. Sie haben keinen der in der Union vorhandenenidersprüche aufgelöst und keinen konkreten Vorschlagn Richtung der Koalition gemacht. Ich kann Ihnen nuragen: Es ist kein Patriotismus, wenn man dem Auf-chwung nicht hilft, sondern auf der Bremse steht, wenn
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Fritz Kuhnes um Aufschwung geht. Wir haben gestern ja eine De-batte darüber geführt, was der richtige Patriotismus ist.Der größte gemeinsame Nenner bei der Union ist bis-her doch nur Ihre Vereinigung bei der Suche nach derAntwort auf die Frage, welche Vorschläge von Ihnen derSPD am meisten wehtun. Ihre konkrete Linie nennen Sieaber nicht. Ich will Ihnen einige Beispiele dafür nennen.Erstes Beispiel. Seit Monaten sagen Sie ständig, dieGemeinden sollten entlastet werden. Sie stehen aber aufder Bremse, wenn es darum geht, den Gemeinden mit ei-ner kommunalen Finanzreform jetzt zu helfen, damitsie 5 Milliarden Euro mehr erhalten; das steht in der Dis-kussion. Hier stellt sich die Frage, ob Sie blockieren odermitmachen.
Zweites Beispiel. Sie kritisieren den Haushalt 2004,der jetzt verabschiedet wird, und sagen, es werde zu we-nig gespart. Sie wollen noch 6 Milliarden Euro mehrsparen – siehe Europäische Kommission –, machen aberkeine konkreten Vorschläge, wie dies geschehen soll,und lehnen alle Einsparungen und Subventionskürzun-gen der Regierung pauschal ab. Soll das, was Sie hierbetreiben, Politik sein oder ist das Verweigerung?
Herr Merz, Sie machen Vorschläge für Steuersen-kungen und sind damit sehr populär. Sie vergessen aber,dass die Vorschläge, die Sie in der Sozialpolitik – Stich-wort: Herzog-Kommission – etwa bei der Kopfpau-schale machen, einfach nicht finanziert werden können.Die Deckungslücken betragen 20 bis 30 MilliardenEuro. Das sind wirklich sehr komfortable Vorschläge fürSteuersenkungen. Wir können auch welche machen,wenn Sie uns gestatten, mit solchen Deckungslücken zuoperieren.
Drittes Beispiel. Sie betreiben eine gefährliche Politikim Rentenbereich. Dass es bei den Renten im nächstenJahr zu einer Nullrunde kommen wird, lehnen Sie ab.
Sie sagen der Bevölkerung aber nicht laut und deutlichdazu, dass als Alternative die Rentenversicherungsbei-träge und die Lohnkosten steigen würden und die Ar-beitslosen somit noch weniger Chancen hätten, in derBundesrepublik Deutschland einen neuen Job zu bekom-men. Das ist eine einfache Politik: Sie sagen, was Sie ab-lehnen, aber nicht, was Sie stattdessen machen würden.Ich kann Ihnen nur sagen: Mit einer solch unkonstrukti-ven Politik können Sie keine Arbeitsplätze schaffen.jogkd3mfwdsshnBwMJloSnsabGdvkMdokfLDFSbk
Herr Merz, ich komme zur Zumutbarkeit der Mini-bs gemäß dem Hartz-Paket, die Sie kritisieren. Sie sa-en ganz elegant, was nicht geht, machen aber keinenonkreten Vorschlag dafür, wie man verhindern kann,ass jemand, dem ein 400-Euro-Job zugemutet wird,0 oder 35 Stunden pro Woche dafür arbeiten soll. Diesuss doch verhindert werden. Hier liegt der Ursprungür die Änderungen, die wir durchgeführt haben. Sieissen es doch: Wenn wir es nicht verhindern können,ann wird es einen flächendeckenden Niedriglohn-ektor geben. Sagen Sie, dass Sie das wollen. Herr Kochagt mit seinem Modell, das er aus Amerika abgekupfertat, dass er das will.Hier besteht eine politische Differenz. Wir halten ei-en breiten Niedriglohnsektor für falsch. Wir wollen dierücken in die Erwerbsarbeit gangbarer machen. Des-egen haben wir die Möglichkeiten dafür verstärkt, dassenschen zusätzliche Mittel erhalten, wenn sie einenob aufnehmen. Hierhinter stecken unterschiedliche Phi-sophien.
agen Sie den vielen Millionen Beschäftigten doch we-igstens, dass Sie einen Niedriglohnsektor wollen, undagen Sie dann auch dazu, welche Auswirkungen diesuf die Löhne hätte. Dann kann man ganz konkret darü-er reden, was die bessere Alternative ist.
Sie schlagen gemeinsam mit Herrn Koch vor, dass dieemeinden 1,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen, inie die Bezieher des Arbeitslosengeldes II zwangsweiseermittelt werden. Die Gemeinden hingegen haben er-lärt, dass sie dies weder können noch wollen, weil dieseaßnahmen zulasten des Handwerks vor Ort gehen wür-en. Das ist logisch und kann auch nicht anders sein. Sieperieren mit einem Konzept, das niemand will, und ver-aufen es noch als kommunalfreundlich. Das ist Blind-liegerpolitik, liebe Frau Merkel, und hat nichts mit derösung der konkreten Probleme in der Bundesrepublikeutschland zu tun.
Sie müssen bis zum 10. Dezember konkreter werden,rau Merkel. Gestern haben Sie sich nicht klar geäußert.ie haben nicht gesagt, was Sie machen wollen. Sie ha-en allgemein über Patriotismus philosophiert, abereine konkreten Vorschläge gemacht.
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Fritz KuhnWir müssen in Deutschland Folgendes machen: Wirmüssen im Sozialstaat mehr Flexibilität mit der Sicher-heit, die die Menschen brauchen, verbinden.
Auf diese Suche begeben wir uns. Ich glaube, dass mitden Hartz-Gesetzen gute Vorschläge auf dem Tisch lie-gen.Wir müssen die Lohnnebenkosten stabil halten bzw.weiter senken.
Wer es angesichts größter Arbeitslosigkeit und der aktu-ellen großen Wirtschaftskrise schafft, dass die Renten-versicherungsbeiträge nicht steigen, der hat für den Auf-schwung viel mehr als diejenigen getan, die immer nuralles ablehnen. Das müssen Sie uns einmal nachmachen.Wenn Sie sich die Geschichte der Lohnnebenkosten inDeutschland anschauen, werden Sie feststellen, dassdiese in Wirtschaftskrisen unter Ihrer Führung immergestiegen sind. Wir haben den ersten Schritt getan, damitmehr investiert wird.
Sie haben populistisch im Interesse der Rentnerinnenund Rentner argumentiert, dass dies nicht möglich sei.
Wir reagieren auf die demographische Entwicklung.Wir bauen die Bürokratie ab. In diesem Zusammenhangmöchte ich darauf verweisen: Bei der Handwerksord-nung wird und muss etwas passieren; denn man kannnicht von Entbürokratisierung in Deutschland reden unddie Handwerksordnung dabei außer Acht lassen. Dasfunktioniert nicht.
Ich will einige Punkte ansprechen, mit denen ich nochnicht zufrieden bin.
– Das Thema Kohle können wir sofort abhandeln. Dasswir bei diesem Thema anderer Meinung als unser Koali-tionspartner sind, ist offensichtlich.
Wir schätzen die Notwendigkeit der Kohleversorgung inDeutschland langfristig anders als unser Koalitionspart-ner ein. Durch die Haushaltssperre bei den Verpflich-tungsermächtigungen haben wir klar gemacht, wohin dieReise geht. Hier sind bestimmte Fragen noch zu klären.Das werden wir im Ausschuss zusammen beraten. Aberwas wir nicht machen werden, liebe Kolleginnen undKollegen von der FDP, ist,
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Ich will vier Punkte nennen, bei denen wir von deregierung den Druck erhöhen müssen.
Kollege Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Thiele?
Nein, das ist nicht nötig. Ich möchte jetzt meine Aus-ührungen fortsetzen.
Erster Punkt. Die Bildungsreform in Deutschlandeht auch aus wirtschaftlichen Gründen nach Auffas-ung meiner Fraktion viel zu langsam voran. Wenn wirrnsthaft darüber reden, wie man am Standort Deutsch-and mehr Qualität im Sinne von Innovationen schaffenann,
ann ist die Reform auf allen Stufen der Bildung, voner Vorschule bis zur Weiterbildung, das A und O. Dieanzen Konsequenzen aus der PISA-Studie dauern ausirtschaftlichen Gründen – ich betrachte das Ganze nurnter diesem Aspekt – vor dem Hintergrund von Bil-ungsplänen der Kultusministerkonferenz viel zu lange.Wer weiß, dass im Jahr 2010 die geburtenstarkenahrgänge nach und nach in Rente gehen werden, wereiß, welches Qualifikationsproblem wir dann ineutschland haben werden, der muss wirklich konse-uent auf allen Ebenen der Bildung den Turbo einschal-en, um Qualifikation, Weiterbildung und die schulischerstausbildung unserer Kinder zu verbessern. Wirt-chaftliche Entwicklung mit mittelfristiger Perspektivest nur möglich, wenn wir Bildungsreformen anpacken.enn wir sie nicht machen, sondern die Probleme aus-itzen, wird es ein böses Erwachen geben.Zweiter Punkt. Wir brauchen ein klares Signal in derinanz- und Steuerpolitik. Ich bin froh, dass die Finanz-olitik kohärenter wird. Unser Ziel ist, sie systematischu gestalten und die Bürger zu entlasten. Dies ist auchinsichtlich der Steuersätze eine wichtige Botschaft. Wiriskutieren über denselben Punkt. Denn es zeichnet sichin Konsens ab, dass ein einfaches Steuersystem auchin gerechteres Steuersystem ist. Das ist doch eine rich-ige Erkenntnis, die wir in die Diskussion der nächstenochen und Monate einbringen müssen.
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Fritz KuhnIn der Finanzpolitik wird auch klar, dass wir eine anti-zyklische Konsolidierungspolitik betreiben müssen.Wenn die wirtschaftliche Lage schlecht ist, muss manandere Beträge für die Tilgung der Schulden aufbringen,als wenn sie besser ist. Die große Stunde der Wahrheitfür die Koalition und für Sie kommt dann, wenn dieWirtschaft wieder wächst. Dann stellt sich die Frage, obman bereit ist, Schulden in größerem Umfang zu tilgenund den Haushalt zu konsolidieren, als es in einer Zeitmöglich ist, in der sich die Wirtschaft in der Talsohle be-findet.
Der dritte Punkt. Die Entbürokratisierung geht unszu langsam. Der Masterplan des Wirtschaftsministe-riums ist okay, aber an den Schnittstellen zwischenBund, Ländern und Gemeinden durch eine konkreteAufgabenkritik klar zu machen, was wir konsequent las-sen können und wo sich der Staat zurückziehen kann,damit es weniger Bürokratie gibt, ist eine Aufgabe, diemit mehr Druck und mehr Konsequenz angegangen wer-den muss, als dies gegenwärtig der Fall ist. Ich sage dasganz offen. Wir sagen nicht, dass alles immer prima sei.Die kleinen und mittleren Betriebe, die bei uns neue Ar-beitsplätze schaffen – da spielt in wirtschaftlicher Hin-sicht die Musik – leiden am meisten unter der Bürokra-tie, weil sie Kosten verursacht, weil der Umgang mit ihrfrustrierend ist und weil sie die Entwicklung der Be-triebe hemmt. Deswegen möchte ich dazu auffordern,dass mehr in Richtung Bürokratieabbau geschieht.
Der vierte Punkt betrifft die Banken. Die heutigeKrise der Finanzierung vor allem kleinerer und mittlererBetriebe ist zuvorderst eine Bankenkrise, weil die Ban-ken, anders als vor zwei oder drei Jahren, nicht mehr be-reit oder in der Lage sind, die Kredite zu geben, die not-wendig sind, um das Eigenkapital zu verstärken bzw.überhaupt einen Betrieb zu gründen. Deswegen sage ichganz deutlich: Es ist positiv, dass die Regierung über dieKfW einen neuen Dachfonds für innovative Finanzie-rung aufgelegt hat. Es ist aber auch notwendig, dass wirden Kreditinstituten, in denen wir Einflussmöglichkeitenhaben – hier sind viele Kommunalpolitiker, die in Auf-sichtsgremien der Sparkassen sitzen –, sagen, dass siedie Bremse lösen und die Wirtschaft durch Kredite för-dern müssen. Herr Minister Clement, ich bin gespannt,welche Vorschläge Sie in den nächsten Wochen und Mo-naten vorlegen, um die Finanzierungskrise des Mittel-standes und der Kleinbetriebe zu mildern. Die Politikkann die Probleme nicht alleine lösen, aber sie kann hel-fen und Programme auflegen, mit denen diese Problemeinsgesamt reduziert werden.
Ich komme zum Schluss. Ich habe einen Appell an dieUnion. Sie haben zwei verschiedene Möglichkeiten. Siekönnen darauf setzen, die Regierung in den Verhandlun-gen im Vermittlungsausschuss vorzuführen. Ich glaubenicht, dass Ihnen das gelingen wird. Oder Sie können immdDHMMdmADMsTsCKKtmpSedRhDhnB
as ist die Pflicht und die Aufgabe auch der Opposition.ören Sie dann aber auf, in jeder Rede, wie es Herrerz vorhin getan hat, zu sagen, in Deutschland sei allesist! Wenn man Sie, Herr Merz, im Fernsehen hört,ann hat man den Eindruck, an diesem Standort könnean überhaupt nicht mehr investieren.
bgeordnete des Bundesparlaments sollten nicht so übereutschland reden, wie Sie es tun. Hören Sie auf, Herrerz, die Arbeitslosen in Geiselhaft für Ihre strategi-chen und taktischen Spielchen zu nehmen!
ragen Sie vielmehr dazu bei, dass der Aufschwung ver-tärkt wird! Dann haben Sie Ihren Job gut gemacht.Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort Kollegin Dagmar Wöhrl, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer denollegen Kuhn gehört hat, hat fast das Gefühl, Herruhn ist nicht in der Regierung, sondern in der Opposi-ion.
Herr Kuhn, wenn ich Ihre Aussagen höre, dann kom-en Sie mir vor wie der kleine Fritz, der die Wirtschafts-olitik erklärt.
ie gehören einer Regierung an, die par ordre du muftirklärt hat, neue Subventionen in Höhe von 16 Milliar-en Euro zu gewähren. Das geschah so nebenbei in einerede, und das noch für einen Sektor, der keine Zukunftat.
amit haben Sie jede Glaubwürdigkeit verloren, über-aupt noch über Subventionsabbau zu reden.Noch nie war eine Reform der Reformfähigkeit sootwendig wie jetzt. Noch nie wurden so viele negativeotschaften über die deutsche Wirtschaftspolitik, die
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Dagmar WöhrlSozialpolitik und über die Finanzpolitik wie in den letz-ten Tagen, ja sogar in den letzten Stunden verkündet.
Ich möchte mich mit nur zwei Themen befassen: Sta-bilitätspakt und Ausbildungsplatzabgabe. Wir, dieDeutschen, waren doch diejenigen, die mit Vehemenzund Kraft für diesen Pakt gekämpft haben. Er wird mitt-lerweile von Ihnen mit Füßen getreten. Herr Eichel hatdieses Kernstück europäischer Wirtschaftsverfassungmit dem Segen des Kanzlers Schröder zu Grabe getra-gen.Ich warne davor, die Tragweite der entsprechendenBrüsseler Beschlüsse zu unterschätzen. Ich habe manch-mal das Gefühl, dass vielen die Tragweite dieser Brüsse-ler Beschlüsse nicht klar geworden ist. Dabei geht esnicht bloß um Finanzpolitik, sondern auch um eine zen-trale Grundlage der Wirtschaftspolitik. Wir brauchen einstabiles Preisniveau, um mehr Wachstum und mehr Be-schäftigung zu erreichen. Momentan sinkt die Zahl derBeschäftigten jeden Monat um 50 000. Das ist eine Ka-tastrophe.Eine Währungsunion lebt von dem Vertrauen darauf,dass sich die teilnehmenden Länder untereinander eini-germaßen vernünftig verhalten. Was wird daraus in derZukunft? In Zukunft wird doch jedes Land je nach Lustund Laune eine Verschuldungspolitik machen. Wen wer-den in Zukunft noch Strukturreformen interessieren? Wirwerden die Quittung für die Fehler von heute nicht mor-gen, auch nicht übermorgen bekommen; aber wir wer-den sie langfristig bekommen, nämlich in Form einer hö-heren Inflation und höherer Zinsen.
Was passiert, wenn die Staatsdefizite mehrerer Länderzukünftig aus dem Ruder geraten? Die EZB wird dieZinsen erhöhen. Ich bin gespannt, ob dann der Kanzlerauch bei der EZB Druck hinsichtlich der Erhöhung derZinsen ausüben wird. Die „FAZ“ hat zu Recht gesagt:Wo ein Stabilitätswille fehlt, ist auf kurz oder langdie Unabhängigkeit der Notenbank in Gefahr.
Was bedeuten höhere Zinsen? Sie führen zu weniger In-vestitionen. Weniger Investitionen führen wiederum zuweniger Arbeitsplätzen. Das ist doch ein Teufelskreis.Herr Clement, ich wundere mich darüber, wie Sie sichin dieser Sache verhalten haben. Warum haben Sie hier-bei nicht interveniert? Sie haben beim Euro-Stabilitäts-pakt, also an einer wirtschaftspolitisch wirklich zentra-len Stelle, versagt, weil Sie nicht aufgestanden sind undnicht gesagt haben: Hier werden langfristige wirtschaft-liche Chancen vertan; tut das nicht!Bei der Ausbildungsplatzabgabe konnten Sie sichebenfalls nicht durchsetzen. Es ist genau das eingetre-ten, was Herr Müntefering vorgegeben hat. HerrMvKdlemdmJgpKKDJiEnWWdvkktiMnnWsStfitztisEnksaG
Sie vernichten mit dieser Maßnahme die Ausbil-ungschancen sehr vieler junger Menschen.Ich sage Ihnen aber auch: Die momentane Lehrstel-ensituation ist zwar bedauerlich, aber die Situation aniner anderen Stelle, am Arbeitsmarkt, ist viel schlim-er. Was nützt einem Jugendlichen eine gute Ausbil-ung, wenn er danach keinen Arbeitsplatz findet? Mo-entan ist eine halbe Million junger Menschen unter 25ahren in Deutschland arbeitslos. Davon sind 300 000ut ausgebildet. Trotzdem finden sie keinen Arbeits-latz. Deswegen brauchen wir in diesem Bereich eineurskorrektur.Die erste Aufgabe muss sein, mehr Vertrauen bei denonsumenten und bei den Investoren zu gewinnen.
ie Investitionsausgaben sind im dritten Quartal diesesahres so drastisch eingebrochen, wie es das letzte Maln der Rezession 1993 der Fall war. Es stimmt, dass derxport zunimmt. Das ist auch gut so. Man darf aber auchicht vergessen, dass der Export nur ein Drittel unsererirtschaftsleistung ausmacht. Er macht nicht die ganzeirtschaftsleistung aus. Deswegen gebe ich Ihnen nuren Rat: Lesen Sie die Ihnen vorliegenden Gutachtenom Sachverständigenrat und von den Instituten! Dortönnen Sie lesen, was der Grund für unsere Wirtschafts-rise ist: Ihre Politik, die Sie auch noch Wirtschaftspoli-ik nennen. Sie ist eine reine Katastrophe und bringt unsmmer mehr zurück, anstatt uns nach vorne zu bringen.Wir brauchen eine Trendwende. Denken Sie an dieaxime von Ludwig Erhard: Die beste Sozialpolitikützt nichts, wenn sich nicht Wirtschafts- und Sozialord-ung gegenseitig ergänzen. Sozialordnung, Markt undirtschaft sind die Räder, die ineinander greifen müs-en. Das ist bei Ihrer Politik aber nicht der Fall; durchie blockieren sich die Räder gegenseitig.Die Schere zwischen Sozialleistungen und Investi-ionen öffnet sich immer weiter. Anfang der 70er-Jahreloss noch ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts jeweilsn das soziale Netz und in die Investitionen. Gegenwär-ig beläuft sich die Investitionsquote auf unter 10 Pro-ent, während mehr als 32 Prozent der Wirtschaftsleis-ung für den sozialen Bereich aufgebracht werden. Dasst ein Missverhältnis; die Schere muss sich wiederchließen.Unsere Sozialbeiträge steigen stetig an, Herr Kuhn.in Ende des Anstiegs ist nicht in Sicht. Sie schaffen esicht, Reformen auf den Weg zu bringen, die eine Ab-ehr von dieser steigenden Tendenz ermöglichen. Dieozialen Belastungen belaufen sich inzwischen auf mehrls 41 Prozent. Die Menschen haben immer wenigereld in der Tasche.
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Dagmar WöhrlDie Tatsache, dass die Schwarzarbeit um weitere3,5 Prozent zugenommen hat – sie beträgt inzwischenmehr als 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts –, zeigt,dass zwar Arbeit vorhanden ist, aber nicht zu bezahlba-ren Preisen. Das sind Fakten, vor denen man nicht dieAugen verschließen darf.Der Mittelstand steht inzwischen mit dem Rücken zurWand und weiß nicht mehr, wie er über die Rundenkommen soll. Den Betrieben fehlen Aufträge. Die rie-sige Pleitewelle spricht für sich. Angesichts der Tatsa-che, dass inzwischen ein Drittel der mittelständischenUnternehmen keinen Gewinn mehr erwirtschaften, mussman sich wundern, woher sie die Kraft nehmen, weiter-zuarbeiten.Aus der neusten Ausgabe der „Wirtschaftswoche“geht hervor, dass die KfW ihre Mittelstandsförderungdrastisch zurückfahren will;
sie hat offenbar kein Eigenkapital mehr, weil Herr Eichelim Rahmen von Platzhaltergeschäften durch den Verkaufvon Aktien der Telekom und der Deutschen Post mehrals 20 Milliarden Euro aus der KfW herausgezogen hat.In diesem Zusammenhang frage ich Sie, Herr Clement:Wo bleibt Ihr Aufschrei? In welcher Form intervenierenSie dagegen?
Ich appelliere an Sie mit einem Zitat von Lincoln, derdie richtigen Worte gefunden hat:Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihrdie Starken schwächt. Ihr werdet Schwierigkeitenbekommen, wenn ihr mehr ausgebt, als ihr verdient.Ihr werdet den Menschen nie auf Dauer helfen,wenn ihr für sie tut, was sie selbst für sich tun könn-ten.Hängen Sie sich dieses Zitat über Ihr Bett und schauenSie es sich morgens und abends an!
Das ist die Richtschnur, nach der die Politik gestaltetwerden muss.Was aber machen Sie? Auf Ihrem Parteitag ist mit derDiskussion um die Erbschaftsteuer wieder das Neidfeuereröffnet worden – Trittin will zudem die Vermögen-steuer reanimieren. Sie vergessen immer wieder eines:Wie wird denn Vermögen geschaffen? Vom Aufbau ei-nes Vermögens profitieren viele. Wer Vermögen schafft,zahlt Steuern. Ein Unternehmen leistet aber auch nocheinen weiteren Beitrag: Es schafft Arbeitsplätze. DassVermögen nur mithilfe eines bereits versteuerten Ein-kommens aufgebaut werden kann, scheinen Sie auch im-mer wieder zu vergessen. Sie versuchen, die Leistungs-starken ausbluten zu lassen und eine DDR de luxe zuschaffen. Das ist aber keine Lösung.sefvEtdtSüEnDszhimssfMluBUSsWbMWuwJ
tatt die Erbschaftsteuer zu erhöhen, müssen wir dazubergehen, die Erbschaftsteuer zu stunden, wenn einrbe die Firma seines Vaters oder seiner Mutter über-immt, und sie nach zehn Jahren vollständig zu erlassen.enn er hat in diesem Zeitraum mehr für die Volkswirt-chaft getan, als wenn er einmalig Erbschaftsteuer ge-ahlt hätte.
Es ist an der Zeit, dass die Belastungen nach unten ge-en, anstatt mit Neidsteuern unternehmerische Initiative Keim zu ersticken. Wir brauchen die unternehmeri-che Initiative; sie ist das Fundament unserer Volkswirt-chaft, auf dem Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaf-en werden. Wir brauchen einen leistungsstarkenittelstand. Wir brauchen Investitionslust und Konsum-st, die sich aber nicht stärken lassen, indem Sie denürgern immer tiefer in die Taschen greifen.
Meine Damen und Herren, vor vielen Jahren hat dienion einen Wahlkampf mit dem Slogan „Freiheit oderozialismus“ geführt. Zu Beginn dieses Jahrhundertstehen wir erneut vor dieser Grundsatzentscheidung:
ollen wir mehr Markt oder mehr Staat? Ich sage: Wirrauchen mehr Markt. Wir sollten uns auf unsere sozialearktwirtschaft zurückbesinnen und neu starten.Vielen Dank.
Ich erteile Bundesminister Wolfgang Clement dasort.
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftnd Arbeit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe,ir alle wissen, dass wir diese Tage und Wochen bis zumahresende nutzen müssen, weil sie eine große Bedeutung
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Bundesminister Wolfgang Clementfür die Zukunft unseres Landes haben. Wir müssen inDeutschland beweisen, dass wir zu Reformen fähig sind.Wir werden dazu Besitzstandswahrung und die Neigungzum Kirchtumsdenken überwinden müssen,
aber auch die Neigung zu Besserwisserei, Herr KollegeMerz.
Davon, dass uns dies gelingt, hängt sehr viel ab.Wir müssen ein Paket aus Strukturreformen, Wachs-tumsimpulsen und Maßnahmen zur Haushaltssanierungschnüren und gemeinsam schultern. Ich bin davon über-zeugt, dass wir es schultern können. Ich bin aber ebensodavon überzeugt, Frau Vorsitzende Merkel, dass es hiereine Pflicht zum Kompromiss gibt.
Diese Pflicht zum Kompromiss gibt es gerade jetzt. Sieschließt ein, dass man sich aufeinander zubewegt.
All das, was ich in den letzten Tagen und Stunden dazugehört habe, welche Bedingungen erfüllt sein müssen,um beispielsweise eine Steuerreform durchzusetzen– einmal ist es der Arbeitsmarkt, dann ist es der Kündi-gungsschutz, dann das Tarifvertragsrecht –, ist nicht ge-eignet, um zu einem Kompromiss zu kommen.
Wenn ich höre, Herr Kollege Merz, wie Sie und andereKrokodilstränen über das Leid der Europäischen Kom-mission vergießen und noch ein paar Sparmaßnahmenmehr für Deutschland fordern, wenn Sie gleichzeitigmehr Gegenfinanzierung für das Vorziehen der nächstenStufe der Steuerreform fordern und im selben Atemzugall das ablehnen, was von der Bundesregierung vorge-legt worden ist, um Steuervergünstigungen, Subventio-nen und andere Haushaltsbelastungen abzubauen, dannmuss ich sagen: Was Sie machen, ist „Ball paradox“.
Vielleicht ist das alles durch den bevorstehendenCDU-Parteitag und manche Diskussionen erklärbar, diees auch bei Ihnen gibt.
Wenn wir aber zu Ergebnissen kommen wollen – wirmüssen bis zum 10. Dezember zu Ergebnissen kom-men –, dürfen Sie die Möglichkeiten der Regierung undder Koalition nicht unterschätzen. Wenn Sie mit uns zugemeinsamen Ergebnissen kommen wollen – das ist imInteresse unseres Landes –, dann müssen Sie erkennen,dklrvüszssdrlshstSlwetSltddVddAbMsdhDDtsswmBnrdzzc
Wie ist die Lage in Deutschland? Die Wirtschafts-eistung in Deutschland ist im dritten Quartal dieses Jah-es wieder leicht um 0,2 Prozent angestiegen. Dies istor allen Dingen auf eine deutliche Erhöhung der Export-berschüsse um 1,8 Prozent zurückzuführen. Die deut-chen Exporte sind mit plus 3,2 Prozent gegenüber demweiten Quartal geradezu sprunghaft angestiegen. Espricht jetzt einiges dafür, dass wir die Trendwendechaffen können und dass sich der Erholungsprozess dereutschen Volkswirtschaft im letzten Quartal dieses Jah-es fortsetzen kann, um dann in eine wirtschaftliche Be-ebung überzugehen. Die Chancen dafür stehen nichtchlecht. Das Geschäftsklima verbessert sich seit einemalben Jahr Monat für Monat. Die Lagebeurteilung hatich deutlich verbessert. Der Auftragseingang der Indus-rie weist einen deutlichen Aufwärtstrend auf.
Wir dürfen uns aber nicht täuschen. Die Daten destatistischen Bundesamtes zeigen, dass das Bruttoin-andsprodukt im ersten und zweiten Quartal rückläufigar. Entgegen den ersten Zahlen und Erwartungen gabs im dritten Quartal keine Verbesserungen beim priva-en Konsum und bei den Investitionen. Im Gegenteil:owohl Konsum als auch Investitionen sind noch rück-äufig. Das gilt insbesondere für die Ausrüstungsinvesti-ionen.Eine weitere Feststellung: Die Defizitausweitung inen letzten drei Jahren war nicht etwa die Folge fehlen-er Konsolidierungsmaßnahmen, Herr Kollege Merz.ielmehr ist für jeden, der genau hinschaut, erkennbar,ass die Mindereinnahmen und die Mehrausgaben aufie weltweit schwache Konjunktur zurückzuführen sind.n Ihre Adresse, Frau Wöhrl, die Sie starke Worte ge-raucht haben, sage ich deshalb deutlich: Durch dieaßnahmen zur Defizitbekämpfung, die die Europäi-che Kommission vorgeschlagen hat, wären eindeutigie kurzfristigen gesamtwirtschaftlichen Zusammen-änge in der Europäischen Union, insbesondere ineutschland, vernachlässigt worden.
iese Maßnahmen – es sind nicht wenige, die das bestä-igen – würden, wenn sie umgesetzt worden wären, inehr starkem Maße prozyklisch wirken. Die Phase derchwachen Binnennachfrage wäre also noch verlängertorden und die wirtschaftliche Erholung wäre nochehr erschwert worden. Deshalb ist das Konzept, das dieundesregierung verfolgt und das der Bundesfinanzmi-ister in Brüssel vertreten hat, aus unserer Sicht absolutichtig. Wir wollen die dritte Stufe der Steuerreform – umas ganz klar zu sagen – bei nur teilweiser Gegenfinan-ierung vorziehen. Eine Gegenfinanzierung von 75 Pro-ent wäre falsch; denn das brächte nicht den erforderli-hen Wachstumsimpuls, den wir benötigen. Richtig ist
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Bundesminister Wolfgang Clementstattdessen, auf den Subventionsabbau zu setzen und sozu einer zeitversetzten, mittelfristigen Gegenfinanzie-rung zu kommen und gleichzeitig die Agenda 2010durchzusetzen.
Herr Kollege Merz und Herr Kollege Brüderle, wennSie sich die wirtschaftlichen Bewertungen des Interna-tionalen Währungsfonds sowie der Sachverständigen– von Washington über Paris, Brüssel bis Berlin – an-schauen, dann stellen Sie fest, dass alle die Richtigkeitunseres Konzeptes bestätigen. Uns werden ständig an-dere Länder als Vorbild vorgehalten. Schauen Sie sichdoch die USA an! Tatsächlich hängen die weltweite Er-holung und damit auch unser wirtschaftlicher Auf-schwung in sehr starkem Maße von dem Erfolg derUSA ab. Aber worauf ist die gegenwärtige Erholung deramerikanischen Wirtschaft zurückzuführen? Es gab eine13-malige Zinssenkung auf 1 Prozentpunkt, massiveSteuerentlastungen und Ausgabenausweitungen, was zudem höchsten Defizit in den USA seit Jahren geführthat. Dies erinnert an die Situation von 1992/93. Damalshat das Staatsdefizit in den USA 5,9 Prozent betragen.Wenn man auch nur eine annähernd erfolgreiche Politikwie die USA machen will, dann muss man jetzt dieSteuern massiv senken, Herr Kollege Brüderle – ich er-warte, dass uns insbesondere Ihre Fraktion dabei unter-stützt –, und zwar ohne komplette Gegenfinanzierung.
Frau Merkel, Sie haben einmal behauptet, dass diePolitik der Regierung nichts anderes bedeute, als Geldvon der linken Tasche in die rechte Tasche zu stecken.Aber Ihre Empfehlung – auch Herr Merz hat das in sei-ner heutigen Rede vorgeschlagen –, das Vorziehen derdritten Stufe der Steuerreform müsse beinahe kom-plett gegenfinanziert werden, bedeutet nichts anderesund bringt nichts für die Konjunktur. Für ihre Erholungmüssen wir die dritte Stufe der Steuerreform vorziehen!
Schauen Sie sich an, was die Institute, der Sachver-ständigenrat, die Europäische Kommission und der IWFsagen! Verlauf und Stärke der wirtschaftlichen Erholungin Deutschland werden davon beeinflusst, wie konse-quent wir die Reformmaßnahmen umsetzen und insbe-sondere ob und, wenn ja, wie wir die dritte Stufe derSteuerreform vorziehen. Darauf können wir jetzt nichtverzichten. Das Vorziehen der letzten Stufe der Steuerre-form stärkt sowohl die Nachfrage- als auch die Ange-botsseite. Herr Kollege Merz, lesen Sie einmal nach, wasdas ZEW gesagt hat. Es sagt voraus – Sie verweisendoch immer gerne auf die Unternehmen –: Die dritteStufe der Steuerreform reduziert die Steuerbelastung derUnternehmen bei der Beschäftigung von hoch qualifi-zierten Arbeitskräften um 5 Prozent der durchschnittli-chen Steuer- und Abgabenbelastungen und verbessertselbstverständlich die Standortbedingungen der Unter-nmnhsSsgumWbMDKDldtSalsKbsoS–wgwMlHHgbegk–donb
Herr Kollege Merz, Sie waren ja so freundlich, auf ei-ige Dinge hinzuweisen, die ich in letzter Zeit getanabe. Ich möchte darauf eingehen, um das einmal im Zu-ammenhang darzustellen. Wir haben eine Vielzahl vontrukturreformen auf den Weg gebracht. Dazu gehörenelbstverständlich die Steuerreform sowie die grundle-enden Reformen betreffend die Krankenversicherungnd die Rentenversicherung, die Sie nur teilweise – zuehr konnten Sie sich nicht durchringen – unterstützen.ir haben Arbeitsmarktreformen auf den Weg ge-racht, Stichwort: Leih- und Zeitarbeit. Herr Kollegeerz, wollen Sie die Auseinandersetzung zwischenGB und christlichen Gewerkschaften ernsthaft zumnackpunkt der Diskussion über Leih- und Zeitarbeit ineutschland machen? Was Sie da betreiben, ist dochachhaft.
Ich empfehle Ihnen, sich einmal mit den Vertreterner Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland zu unterhal-en. Sie werden Ihnen etwas anderes sagen als das, wasie hören wollen. Man hat sich in diesen Unternehmenuf die rechtliche Situation, die wir geschaffen haben,ängst eingestellt. Lassen Sie uns über die neuen Be-chäftigungsmöglichkeiten reden und nicht über denleinkram, den Sie erwähnt haben! Über 200 000 Ar-eitslose haben in diesem Jahr den Weg in die Selbst-tändigkeit riskiert, indem sie eine Ich-AG gegründetder das Brückengeld in Anspruch genommen haben. Inonntagsreden sind Sie allesamt für diesen Weg.
Herr Hinsken, Sie wollen ausschließlich für das Hand-erk tätig sein. Das verstehe ich. Ich werde Ihnen dazuleich noch etwas sagen.Wer den unternehmerischen Geist in Deutschlandirklich fördern will, der muss dankbar sein, dass esenschen gibt, die den Mut haben, sich aus der Arbeits-osigkeit heraus selbstständig zu machen.
err Kollege Hinsken, ich werde über die Reform desandwerkrechts gleich noch reden.Wir haben der Schwäche des Kreditmarkts entgegen-ewirkt, indem wir die Gründung der KfW-Mittelstands-ank auf den Weg gebracht haben. Außerdem haben wiriniges getan, um den Bürokratieabbau voranzubrin-en. Herr Kollege Kuhn, ich bin für jeden geeignetenonkreten Vorschlag zum weiteren Bürokratieabbaunicht für pauschale Reden; die kenne ich zur Genüge –ankbar. Wir sitzen an der Reform der Arbeitsstättenver-rdnung und wir haben die Verpflichtungen der Unter-ehmen zur Erstellung von Statistiken verringert. Dieürokratischen Regelungen im Bereich der Ausbildung
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Bundesminister Wolfgang Clementhaben wir schon vereinfacht. Ich erinnere auch an das,was wir beim Kleinunternehmerförderungsgesetz getanhaben.Wir haben die Weiterentwicklung der Netze Telekom-munikation, Strom und Gas teilweise auf den Weg ge-bracht. Diese Veränderungen sind voll im Gang. Wir ha-ben neue Strukturen der Energiewirtschaft entwickelt.Wir werden diesen Prozess fortsetzen.Herr Kollege Merz, ich habe Sie extra ins Wirt-schaftsministerium eingeladen. Ich habe gedacht, Siehätten dort ein bisschen gelernt. Heute haben Sie allesignoriert, was Sie von mir dort erfahren haben.
Verbuchen Sie das unter „Arroganz“; das ist in Ordnung.Vollziehen Sie einmal sämtliche dringend notwendi-gen Reformen in Deutschland, die wir zuwege gebrachthaben, nach! Wenn Sie das tun, dann können Sie nichtbestreiten, dass wir das, was notwendig ist, um dieWachstumsdynamik in Deutschland zu stärken und dieBeschäftigungsintensität zu erhöhen, ein Stück weitvorangebracht haben.Ich habe nie verkündet, dass es irgendwelche Patent-rezepte gibt, um den Arbeitsmarkt in Ordnung zu brin-gen. Sie werden mich nicht los. Sie müssen sich daraufverlassen, dass ich den Prozess der Arbeitsmarktreformmit aller Energie fortsetzen werde.
Ich will die Diskussionen, die im Vermittlungsaus-schuss und in den einschlägigen Arbeitsgruppen geführtwerden, hier nicht aufgreifen. Sie haben auf all das ver-wiesen, was Sie tun wollen, um die Bundesanstalt fürArbeit von bestimmten Aufgaben zu entlasten und umden Kommunen diese Aufgaben – sie wollen diese Auf-gaben, zum Beispiel die Verantwortung für alle Lang-zeitarbeitslosen, gar nicht haben, weil sie zu deren Be-wältigung gar nicht in der Lage sind – zu übertragen.Das, was Sie vorhaben, finde ich nicht besonders hilf-reich. Ich hoffe noch, dass wir in diesem Bereich zu Er-gebnissen kommen können.Bei dieser Gelegenheit sage ich eines ganz deutlich:Die Kritik, die es an der Bundesanstalt für Arbeitgibt – –
– Herr Kauder, an der Entstehung und an der Entwick-lung der Bundesanstalt für Arbeit waren die CDU, dieCSU, die FDP und die SPD maßgeblich beteiligt. Für dieArbeitsweise dieser gigantischen Bürokratie tragen inerster Linie nicht diejenigen die Verantwortung, die dorttätig sind, sondern der Gesetzgeber und diejenigen, diepolitisch verantwortlich sind.
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Um es hier und heute klar zu sagen: Das gilt auch füren Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit. Das, wasan in dieser gewaltigen Einrichtung – es handelt sichm eine Bürokratie, die sich über Jahrzehnte entwickeltat – nach wenigen Monaten zuwege gebracht hat, umie Arbeitsweise und die Arbeitsmethodik des Hausesmzustellen – man hat versucht, von Administration undon der Finanzierung von Arbeitslosigkeit wegzukom-en und die Vermittlung in Arbeit zu verbessern –, findech gut. Dieser Weg wird fortgesetzt.Ich werde mich demjenigen mit aller Kraft entgegen-tellen, der glaubt, die Arbeit dieser Einrichtung auf-rund möglicherweise begangener einzelner Fehler ins-esamt diskreditieren zu können.
iejenigen, die den Job übernommen haben, diese Ein-ichtung zu reformieren, haben eine verdammt schwereufgabe. Der Kanzler hat völlig Recht: Das ist die här-este Baustelle, die es in Deutschland zurzeit gibt. Ichin denjenigen, die diesen Job machen, dankbar. Ichmpfehle uns im Interesse des großen Ganzen, das, wasn der Bundesanstalt für Arbeit geschieht, um ihre etwa00 000 Beschäftigten auf das neue Ziel – Arbeitslose inrbeit zu vermitteln – hin auszurichten, nicht zu zerre-en. Das gelingt sehr viel besser, als es in manchen Dis-ussionsbeiträgen und übrigens auch in manchen öffent-ichen Bewertungen zu hören ist.Wir müssen doch sehen, was in der Kommunikationlles notwendig ist. Wir alle feiern die Unternehmen, dieit Marketingmaßnahmen im Markt Erfolg haben,ber wenn eine solche Bundesanstalt endlich das Image,en Makel von ein paar Jahrzehnten abschütteln soll undin neues Bild entwickeln muss,
ermittlungsarbeit leisten muss und dafür Geld einsetzt,ann wird das in Bausch und Bogen verurteilt. Das istoch lachhaft. Was dort stattfindet, hat mit sachlicherritik nichts mehr zu tun.
Wir werden noch weiter über das zu diskutieren ha-en, was im Bereich des Arbeitsrechts und des Tarifver-ragsrechts geschehen soll. Das gehört mit in das Ver-ittlungsverfahren.
ir werden das noch im Einzelnen erörtern. Wir werdenns dabei, so hoffe ich, auch bewegen.
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Bundesminister Wolfgang ClementDer Wissenschaftliche Beirat meines Ministeriumswird sich heute in seiner eigenen Zuständigkeit für Öff-nungsklauseln in Tarifverträgen aussprechen. In der Ver-öffentlichung wird es heißen: in unbedingter Form undvon Gesetzes wegen. Ich will gleich sagen, dass ich mirdas nicht zu Eigen mache. Ich fürchte nämlich, dass diesdas Ende von Flächentarifverträgen und auf längereSicht auch das Ende der Tarifautonomie wäre. SolcheAnsätze kann man entwickeln, aber man muss sie zudem in Beziehung setzen, was in unserer Volkswirtschaftbisher geschehen ist, und das war, wenn ich das Ganzenehme, außerordentlich erfolgreich.Unbestritten ist, dass das System der Tarifautonomieunter hohem Anpassungsdruck steht, ökonomisch, aberauch im Hinblick auf die Sicherung der Akzeptanz derUnternehmen und Arbeitnehmer. Unbestritten ist auch,dass sich die Tarifautonomie weiterentwickeln muss,dass wir Raum für Flexibilität und Differenzierung brau-chen und dass sich die Verbände auf beiden Seiten stär-ker zu Serviceeinrichtungen entwickeln müssen.Ich setze aber darauf – da bin ich offensichtlich ande-rer Meinung als manche, nicht alle, von Ihnen –, dass dieTarifparteien die Zeichen der Zeit erkennen und selbsteiner vernünftigen Weiterentwicklung der Tarifautono-mie den Weg bahnen werden. Ich möchte gern, dass wirdiesem Weg den Vorzug geben. Hier sind die Verbändeauf beiden Seiten gefordert, sich zu bewegen.Herr Kollege Merz, Sie haben dieses Beispiel eineseinzelnen Unternehmens aus Baden-Württemberg ge-nannt. Ich kann Ihnen Hunderte von Unternehmen nen-nen,
übrigens auch im Bereich der Metallindustrie, in denensolche betrieblichen Vereinbarungen zum Wohl derUnternehmen zustande gekommen sind. Im Tarifbereichgibt es – wie Sie wissen – auf beiden Seiten Bewegung,die sehr viel weiter geht, als man gemeinhin annimmt.Sie wissen auch, dass es auf beiden Seiten sehr vernünf-tige Persönlichkeiten gibt, die den Flächentarifvertragaußerordentlich hoch achten und wenig von gesetzlichenEingriffen halten, solche Eingriffe allenfalls als die aller-letzte Möglichkeit betrachten.Der Vorschlag, der vonseiten der CDU/CSU und derFDP eingebracht worden ist, ist aus meiner Sicht – dashabe ich schon mehrfach gesagt – verfassungsrechtlichnicht haltbar. Er ist aus meiner Sicht verfassungswidrig.
Deshalb glaube ich nicht, dass Sie damit Erfolg habenkönnen. Herr Kollege Merz, wenn ich das richtig verfolgthabe, haben Sie selbst schon Kritik aufgenommen, bei-spielsweise die, die vom früheren Präsidenten des Bun-desarbeitsgerichts geäußert worden ist. Ich empfehle,dass wir von den Schlagworten wegkommen, uns der Re-alität zuwenden und vor allem den Verbänden, den Tarif-pdonSIItsksWnhgsvSudutpedfrkvKeadSmSlSöSdWJgAu–GbddDg
Es tut mir Leid, Herr Kollege, ich weiß, dass dieseresichtspunkt in Bayern nur schwer vermittelbar ist. Ichitte Sie aber dabei um Hilfe, dass endlich deutlich wird,ass wir im Saarland und in Nordrhein-Westfalen miter Steinkohle nicht nur einiges für den Aufbaueutschlands getan haben, sondern dort auch Technolo-ien entwickelt haben und bis auf den heutigen Tag
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Bundesminister Wolfgang Clemententwickeln, die auf dem Weltmarkt eine sehr viel grö-ßere Rolle spielen werden, als es manchem von uns be-wusst ist. Das sage ich auch an die Adresse der Grünen,Herr Kollege Kuhn.
Was wir an Kraftwerkskompetenz bis hin zum CO2-freien Kraftwerk entwickeln, kann übrigens, wenn dasvernünftig eingesetzt wird, dazu beitragen, dass wir kos-tengünstiger mehr für den Umwelt- und Klimaschutzleisten als mit manchen Investitionen in erneuerbareEnergien. Ich will das keineswegs gegeneinander aus-spielen, aber das muss klar gesehen werden: Wir müssenalle Möglichkeiten im Prozess der energiewirtschaftli-chen und -politischen Steuerung einsetzen. Daran arbei-ten wir; vonseiten der Opposition hören wir dazu aller-dings, wie ich finde, erstaunlich wenig. Dieses Themascheinen Sie offensichtlich zurzeit ausgeblendet zu ha-ben.Ich kann und will jetzt nicht zu den Einzelmaßnah-men und den einzelnen Bereichen, in denen das Wirt-schaftsministerium tätig ist und die sich alle im Haushaltwiderspiegeln, etwas sagen, also zur Energieforschung,zu Forschung und Entwicklung, zu Innovationen im Mit-telstand, zur Förderung der Leistungs- und Wettbewerbs-fähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen, zurLuftfahrtforschung, zur Außenwirtschaftsförderung undzu Ähnlichem.Lassen Sie mich nur anmerken – ich habe das schongesagt, Herr Kollege Kuhn –: Die KfW-Mittelstands-bank, die wir aufgebaut haben, hat schon all das vorbe-reitet und teilweise auf den Weg gebracht, was aus mei-ner Sicht geschehen muss, um vor allen Dingen diekleinen und mittleren Unternehmen sowohl auf demKreditmarkt wie bei der Eigenkapitalbildung als auchbei der Akquirierung von Beteiligungskapital zu unter-stützen. Es gibt Pakete, die teilweise am 1. Januar inKraft treten werden. Ich nenne die Unternehmerkredite,die so kostengünstig wie möglich angeboten werden, dieEigenkapitalstärkung durch Nachrangdarlehen, also dieFörderung durch mezzanine Mittel, und das Paket fürBeteiligungskapital in Höhe von 500 Millionen Euro,das wir gemeinsam mit der Europäischen Investitions-bank und unserem ERP-Fonds auf den Markt bringen,um nicht nur technologieorientierte, sondern mittelstän-dische Unternehmen insgesamt in ihren Bemühungen zuunterstützen, auf dem Markt Kapital zu akquirieren. Hiermuss die Situation in Deutschland deutlich verbessertwerden. Ich gebe Ihnen Recht: Die Hausbanken müssenihrer Aufgabe, den Mittelstand ausreichend mit Kreditenauszustatten, gerecht werden und sich, wenn erforderlichund möglich, stärker engagieren.
Lassen Sie mich weiter über Bürokratieabbau reden:Hierzu gehört das, was sich auch die Europäische Kom-mission vorgenommen hat, nämlich eine Novellierungdes Handwerksrechts und des Rechts der Berufsständesowie der Honorarordnungen. Sie wissen doch, dass dasvonseiten der Europäischen Kommission ohnehin einge-fordert werden wird und wir gezwungen werden, das zutVNazHHawpRdzlumHHumsHBmDstkzHurtmSasfnbCDHest
ie so genannten einfachen handwerklichen Tätigkeitenind inzwischen schon höchstrichterlich definiert als Tä-igkeiten, die man binnen eines Vierteljahres lernenann.Wenn Sie verfolgen, wie der Streit und die Diskussionwischen dem ZDH, dem Zentralverband des Deutschenandwerks, und dem DIHK, dem Deutschen Industrie-nd Handelskammertag, verlaufen, dann sehen Sie, wo-an wir leiden: Wir haben dort eine Menge an Bürokra-ie, die kaum zu überwinden ist, Verkrustungen undangelnde Beweglichkeit.
ie werden nicht im Ernst annehmen, dass wir uns damitbfinden. Wir werden dort zu Bewegung kommen müs-en. Sie kritisieren ja meine „mangelnde Durchsetzungs-ähigkeit“ – das mag ja sein –, aber unterschätzen Sieicht meine Zähigkeit. Ich werde an diesem Thema dran-leiben wie an allen anderen, etwa an der Ausbildung.Herr Merz, der Kollege Kuhn hat doch Recht: Ihreharakterisierung der jungen Leute ist doch absurd.
ass es im Bildungsbereich Schwächen gibt, darauf haterr Kuhn zu Recht hingewiesen; diese Diskussion istigentlich wichtiger als die, die wir im wirtschaftspoliti-chen Bereich an manchen Stellen führen.Aber ich würde Ihnen sehr gerne einmal von den gu-en Erfahrungen berichten, die ich mache, wenn ich Un-
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Bundesminister Wolfgang Clementternehmen besuche: Ich stelle fest, dass es hervorra-gende junge Leute in Deutschland gibt, hervorragendqualifizierte Leute,
die an ihrer Karriere, ihrer beruflichen Entwicklung inte-ressiert sind. Das trifft immer noch auf die große Mehr-heit der jungen Leute zu. Ich würde sie gerne darin un-terstützen und mit Ihnen und vielen anderen dafürsorgen, dass sie eine vernünftige berufliche Ausbildungbekommen.
Herr Schleyer – das ist der Generalsekretär des Zen-tralverbands des Deutschen Handwerks, wie Sie wis-sen – hat sich kürzlich über unsere Reformfähigkeit inDeutschland wie folgt geäußert: In der Reformwerkstattdarf nicht nur an Detaillösungen gewerkelt werden. Wirbrauchen dringend einen Befreiungsschlag! Ärmel hoch-krempeln – so lösen wir im Handwerk Probleme. Sofunktioniert es auch in der Politik!
Ich lasse einmal dahingestellt, ob die Diskussion imHandwerk diesem eigenen Anspruch gerecht wird,
aber Recht in der Sache hat er.Meine Damen und Herren, wir sind gehalten, diesenBefreiungsschlag zu machen, indem wir über die Refor-menvorschläge, die jetzt auf dem Tisch liegen – zu de-nen es von Ihnen teilweise Gegenentwürfe gibt –, zu ge-meinsamen Lösungen kommen. Ich gehöre immer nochzu denen, die der Meinung sind: Wir können das schaf-fen. Meine Zuversicht ist allerdings in den letzten Tagennicht gewachsen, um das sehr deutlich zu sagen. Ichsetze darauf, dass sich das in den nächsten Tagen underst recht nach dem CDU-Parteitag verändern wird. Wirstehen nämlich unter massivstem Zeitdruck. Ich werdeanschließend aber auch nicht anstehen, ebenso deutlichzu sagen, woran es liegt, wenn wir scheitern sollten. Ichtue alles, um einen Erfolg möglich zu machen.Ich danke Ihnen.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
Kollegen Friedrich Merz.
Herr Clement, ich will zunächst einmal wiederholen,
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as ich in meiner Rede gesagt habe – das geht auch an
hre Adresse –: Es fällt auf Sie selbst zurück, wie Sie
ich verhalten.
ch sage das auch an die Adresse des Kollegen Kuhn: Ich
abe aus einem Leserbrief zitiert und ausdrücklich ge-
agt, dass ich dies so nicht verallgemeinere, dass es aber
in Schlaglicht wirft auf die häufig anzutreffende man-
elnde Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber
m Ausbildungsplätze. Ich bleibe dabei, dass dies ein
roblem ist, ein größeres Problem als in anderen Berei-
hen. Das Problem mit der Ausbildungsplatzabgabe se-
en offensichtlich wir beide, Herr Clement, gleicherma-
en.
Zweitens zur Person des Präsidenten der Bundesan-
talt für Arbeit: Ich habe sehr wohl registriert, dass Sie
ier zunehmend dünnhäutig reagieren, wenn dieses
hema angesprochen wird; das kann ich sehr gut verste-
en. Herr Clement, wir kritisieren nicht, dass die Bun-
esanstalt für Arbeit PR-Kampagnen macht – das ist si-
herlich auch notwendig für diese Institution. Aber wir
ritisieren die Art und Weise, wie dies gemacht worden
t; wir stellen die Frage, ob eine Ausschreibung stattge-
unden hat. Die Tatsache, dass der Beratervertrag jetzt
ufgelöst wird, zeigt doch, dass unsere Kritik – jeden-
alls in Teilen – berechtigt gewesen ist.
Beklagen Sie als Dienstherr dieser Institution sich im
brigen nicht, dass Sie hier zur Rechenschaft gezogen
erden. Einerseits erklärt der Präsident der Bundesan-
talt für Arbeit öffentlich, dass er dem Deutschen Bun-
estag gegenüber keine Rechenschaft abzulegen habe.
ndererseits befremdet es doch sehr, wenn derselbe Herr
ann am Ende des Jahres 5 bis 10 Milliarden Euro Zu-
chuss für diese Bundesanstalt für Arbeit haben will,
eil er mit dem Geld nicht auskommt. Wir können ihn
icht zwingen, hier anzutreten, aber wir können Sie,
err Clement, um Rede und Antwort bitten. Deshalb
itte ich doch herzlich darum, dass Sie dann nicht so re-
gieren, wie Sie das gerade hier am Rednerpult getan ha-
en. Sie jedenfalls sind dem Deutschen Bundestag Re-
henschaft schuldig.
Wenn Sie sagen, dass wir Sie nicht so schnell loswer-
en, dann beschwert mich das bei Ihnen weniger als bei
nderen, die dort auf der Regierungsbank sitzen. Aber
mgekehrt werden auch Sie uns nicht los in unserer par-
mentarischen Verpflichtung, nachzufragen, was da ei-
entlich stattgefunden hat.
Herr Minister, Sie haben das Wort.
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6892 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Merz,zunächst zur Ausbildung. Herr Kollege Kuhn hat dieSorge geäußert, die ich auch habe, dass Sie, wenn Sie ei-nen solchen Brief verlesen, damit einen Eindruck überdie Auszubildenden und die Situation am Ausbildungs-markt erwecken, der unrichtig ist.
Deshalb habe ich Ihnen so widersprochen und ich tuedas mit einer gewissen Leidenschaft, die Sie mit Dünn-häutigkeit verwechseln. Dann kann ich viel schlimmerwerden; das sollten Sie nicht falsch einschätzen.
Ich engagiere mich bei diesem Thema seit vielen Jah-ren. Andere tun das auch; ich reklamiere da keineswegseinen Exklusivanspruch für mich. Ich sage Ihnen aber:Die Lage der Ausbildung ist sehr differenziert zu sehenund sie verlangt sehr differenzierte Antworten. Es reichtnicht, einen solchen Brief vorzulesen, der einen falschenEindruck erweckt. Darum geht es.Natürlich haben wir Probleme. Natürlich gibt es dasProblem, dass 10 000 junge Leute, die schon einen Aus-bildungsplatz hatten, inzwischen die Ausbildung schonwieder abgebrochen oder teilweise den Ausbildungs-platz gar nicht angetreten haben. Es gibt gravierende fa-miliäre, familienpolitische und gesellschaftliche Pro-bleme.
Deshalb nutze ich von hier aus die Möglichkeit, wieich das ständig tue, nicht wie Sie „Hört! Hört!“ zu rufen,sondern an diejenigen zu appellieren, die ausbilden kön-nen und ausbilden wollen – auch an die Initiativen, vondenen es Hunderte oder Tausende gibt –, in ihren Bemü-hungen nicht nachzulassen, damit wir in diesem Jahr dienotwendige Zahl von Ausbildungsplätzen zusammenbe-kommen.
Es wäre sehr gut, wenn das gelänge. Das würde viele an-dere Probleme lösen und viele Fragen beantworten.Zu Herrn Gerster. Auch da reagiere ich nicht dünn-häutig, um das klar zu sagen.
– Ich will Ihnen jetzt ja keine Charakteristik von mir ge-ben, wie ich wann reagiere. Ich will Ihnen nur sagen:Erstens. Ich verteidige es und ich stehe dafür ein.Wenn Sie wollen, dass ich dazu Rede und Antwort stehe,stehe ich selbstverständlich jederzeit Rede und Antwort.Herr Gerster wird aber morgen im Ausschuss für Wirt-schaft und Arbeit Rede und Antwort stehen. Wenn Siewollen, dass ich irgendwo zu den Vorgängen Stellungnehme: sehr gern.Zweitens. Dieser Vorstand hat eine gewaltige Auf-gabe. Das wissen auch Sie. Dieser Vorstand ist erst sehrkäAnwnncPeleAmdzosdVaEsdAzddbwbvdgnKmslämdmmbgEmsWS
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6893
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Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Minister Clement, ich habe zwar nicht vonAnfang an mitgezählt, aber ich meine, Sie hätten in IhrerRede den Kollegen Kuhn von den Grünen mindestenssiebenmal namentlich angesprochen, davon fünfmal inwerbender Form, dass er doch bitte Ihre Politik unter-stützen möchte. Diese Redezeit hätten Sie sich sparenkönnen. Sie werden nachher bei der namentlichen Ab-stimmung über die Erweiterung der Steinkohlesubventio-nen um 16 Milliarden Euro feststellen, dass die Grünensowieso zustimmen werden, weil sie keinerlei eigeneÜberzeugungen in diesen Politikfeldern haben.
Wir diskutieren in dieser Woche einen von Ihnen vor-gelegten Haushalt, der dem Deutschen Bundestag vonAnfang an vorsätzlich in verfassungswidriger Form zu-geleitet worden ist. Auch der Haushalt Ihres Ressortsweist einige Gefahrenpotenziale auf. Ich möchte nur inErinnerung rufen, dass Sie auch in diesem Haushaltsjahrsukzessive die Erwartungen bezüglich des Wirtschafts-wachstums nach unten bis zu einer rot-grünen Null kor-rigieren mussten und dass die Zahlen der Arbeitslosendoch höher waren, als Sie sie eingeschätzt haben. AuchIhre Prognose für das nächste Jahr leistet nur das, wasman von einer Prognose erwarten kann, und hängt zu-dem unmittelbar von den politischen Rahmenbedingun-gen ab, die wir in diesem Hause beschließen.Darüber hinaus haben Sie in Ihrem Haushalt immernoch vorgesehen, die neue Leistung Arbeitslosengeld IIin der dem Vermittlungsausschuss zugeleiteten Fassung,also mit allen haushälterischen Risiken, die das mit sichbringt, einzuführen. Dabei wissen Sie erstens gar nicht,ob es das Gesetz überhaupt geben wird. Bei allem kon-struktiven Verhalten der Opposition hängt es auch sehrvon Ihrer Bewegungsfähigkeit ab. Zweitens wissen Sienicht, unter welchen Voraussetzungen das Gesetz inKraft tritt. Denn die Diskussion der letzten Tage zeigtganz deutlich: Die Bundesanstalt für Arbeit ist wahr-scheinlich die ungeeignetste Institution, um diese neueLeistung zu administrieren.
Wir diskutieren hier heute also über nicht mehr undnicht weniger als über einen Haushalt für Arbeitslosen-hilfe und Steinkohlesubventionen. Das bringt mich zudem, was Sie vorhin angesprochen haben. In der letztenSitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit hatHnadrAuwd5gDaSEDsugMRtdwsWßF„sgszwbKddnendelt
Wir diskutieren Ihren Haushalt für Arbeitslosenhilfend Steinkohlesubventionen. Aber der Bereich, in demirklich die Musik spielt – das ist der Haushalt der Bun-esanstalt für Arbeit mit einem Volumen von3 Milliarden Euro –, ist dem Zugriff des Parlamentsänzlich entzogen.
ieser Haushalt wird nämlich vom Vorstand der Bundes-nstalt für Arbeit aufgestellt. Er wird festgestellt von denelbstverwaltungsgremien, unter anderem von Fraungelen-Kefer, und genehmigt von der Bundesregierung.
as Parlament hat also keinen Einfluss. Wir sind tat-ächlich außen vor. Aber angesichts der hohen Summennd der Art und Weise, wie mit diesen Geldern umge-angen wird, ist es skandalös und politisch in höchstemaße instinktlos, wenn man hier nicht endlich zu eineredemokratisierung der Arbeitsmarktpolitik kommt.
Ich kritisiere die Auftragsvergabe, weil ich sie poli-isch für instinktlos halte und den Menschen angesichtser notwendigen Sozialreformen nicht vermittelbar ist,as da passiert ist. Aber weil das Leben manchmal viel-chichtiger ist, frage ich nach: Wem nützt es denn? –enn Sie sagen, der Reformprozess dürfe weder von au-en noch von innen angegriffen werden, dann wird dieserage noch viel berechtigter.Der Bundeskanzler hat – wörtliches Zitat – seinenbesten Mann“ auf seine „wichtigste Baustelle“ ge-chickt. Wenn ich aber sehe, dass er auf dieser Baustelleleich einzementiert worden ist zwischen dem Hauptper-onalrat, der kaum bereit ist, einer wirklichen Reformuzustimmen, der paritätischen Selbstverwaltung zu je-eils einem Drittel aus Gewerkschaftsfunktionären, Ar-eitgeberfunktionären und denen, die, mit Frau Engelen-efer an der Spitze, ihre öffentlichen Hände meistens inen Taschen der Bürger haben, sowie einer SPD-Bun-estagsfraktion, die die Reformwilligkeit nun wirklichicht mit Löffeln gegessen hat, dann muss ich angesichtsines Wustes von Gesetzen, Vorschriften und Verord-ungen schon sagen, dass es für ihn sehr schwierig ist.Die ersten kleinen Reformschritte haben dazu geführt,ass die Gelder in der Weiterbildungsindustrie effizienteringesetzt werden. Von diesen Reformbemühungen wirk-ich schmerzhaft getroffen wurde die Arbeitslosenindus-rie. Die Deutsche Angestellten-Akademie – sie gehört
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Dirk Niebeldem grünen Gewerkschafter Bsirske von Verdi –, dasBFW des DGB – es gehört Frau Engelen-Kefer – und dasBildungswerk der Bayerischen Wirtschaft sind die größ-ten Bildungsträger in der Bundesrepublik Deutschland.Es wundert mich daher nicht, dass es intern offenkundigeine große Anzahl von Personen gibt, die Herrn Gersterentweder loswerden oder zumindest so beschädigen wol-len, dass er ihnen nicht weiter wehtut.Aber der Bundeskanzler wird ihn gar nicht fallen las-sen können. Denn wenn einer seinen „besten Mann“ fal-len lässt, dann fällt dieser ihm gleich auf die Füße. Ichbin sehr gespannt, wie es morgen weitergeht.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Werner Schulz,Bündnis 90/Die Grünen.Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! KollegeNiebel, nur keinen Neid, weil Sie in der Rede des Minis-ters nicht genannt worden sind!Es ist nicht nur Usus, sondern äußerst vernünftig, dasswir bei der Debatte des Einzelplans 09 einen Ausblickauf das künftige Wirtschaftsgeschehen geben und eineBilanz des laufenden Wirtschaftsjahres ziehen.Wir bewegen uns jetzt aus der Stagnation heraus.Diese Wirtschaftsflaute war nicht nur ein deutsches Phä-nomen. Sie hatte den gesamten europäischen Raum er-fasst. Ich erinnere an den Irakkrieg, an die SARS-Epide-mie und an die Unsicherheiten der amerikanischen undder japanischen Konjunktur, die den Attentismus der In-vestoren und die Zurückhaltung der Verbraucher ver-stärkt haben.
– In Deutschland besonders stark. Aber wir haben auchseit 1990 besondere Bedingungen zu schultern.
Herr Austermann, Sie wissen das bestens. Sie plagensich damit im Haushaltsausschuss herum. Wir haben unsdarüber oft genug unterhalten.Mittlerweile ist Deutschland wieder Exportweltmeis-ter. Aber Ihnen, Herr Austermann, genügt das offenbarnicht. Sie möchten auch Weltmeister im Lamentierenwerden. Dieses Nationaltheater der Selbstzerfleischung,in dem man die Wirtschaftsbelebung klein- und denStandort schlechtredet, bringt uns überhaupt nicht wei-ter, sondern macht uns zunehmend zu schaffen.
Sowohl die führenden Wirtschaftsforschungsinstituteals auch der Sachverständigenrat stellen einen deutlichenKdwaBsnhhdwagsElSaFwlwsJFdcletSccbisnaussPvrbbspwadIz
in solcher Positionswechsel von Schwarz auf Weiß ge-ingt einem sonst nur, wenn man gegen sich selberchach spielt. Das tun Sie momentan im Vermittlungs-usschuss.Es ist offensichtlich wichtig, Zuversicht zu verbreiten.ür viele ist entscheidend, dass sich überhaupt etwas be-egt. Sie merken, dass nichts mehr weitergeht, wenn al-es so weiterläuft wie bisher. Es geht um den Rückge-inn von Vertrauen, Zuverlässigkeit der Politik undicherlich auch um Planungssicherheit, die in den letztenahren infrage stand.Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zum siebten Mal inolge gestiegen. Auch das ist ein deutliches Zeichen,ass dieses Vertrauen sich langsam wieder aufbaut. Si-her, diese Konjunktur bekommt ihren Treibstoff vor al-em aus Übersee und wir hoffen, dass der Binnenmarktbenfalls anspringt. Hier macht mir weniger der Stabili-ätspakt als vielmehr das Leistungsbilanzdefizit der USAorgen. Wir wissen genau, dass die Märkte es mögli-herweise sehr schnell durch eine deutliche Abschwä-hung des Dollars korrigieren werden. Dann haben wireim Export ein Problem.Die Aufregung um den europäischen Stabilitätspaktt eigentlich nicht zu verstehen, weil es sich internatio-al durchaus bewährt hat, in der Geld- und Finanzpolitikntizyklisch zu handeln. Im Übrigen haben die Geld-nd Finanzmärkte sehr cool darauf reagiert. Der Euro isttabil geblieben. Im Stabilitätspakt sind im Übrigen aucholche Möglichkeiten vorgesehen. Die Haltung vonedro Solbes, dem Währungskommissar, ist kaum nach-ollziehbar, der ja, Herr Austermann, immer wieder da-auf hinweist, dass wir infolge der deutschen Einheitesondere Lasten zu tragen haben, die eine Ausnahme-ehandlung rechtfertigen. Wenn wir diese aber in An-pruch nehmen, reagiert man plötzlich restriktiv. Dasasst irgendwie nicht zusammen.Dennoch ist Vorsicht geboten, weil es doch sehr frag-ürdig ist, ob allein ein wirtschaftlicher Aufschwunglle Probleme lösen kann. Es gibt noch sehr viele, dieiesen Glauben an den Wirtschaftsaufschwung haben.ch empfehle Ihnen, sich im Jahresgutachten das Kapitelur Entwicklung des Produktionspotenzials anzu-
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Werner Schulz
schauen. Wir haben seit etwa 15 Jahren einen Rückgangdes Potenzials – gemeint ist das Anlagenpotenzial, dasHumankapital sowie Forschung und Entwicklung – zuverzeichnen. Diesen Trend werden wir nicht durch kurz-fristige Konjunkturimpulse auffangen können. Diesesehr interessante Analyse muss uns zu ganz anderenSchlussfolgerungen führen, nämlich dazu, dass wir trotzder relativ geringen durchschnittlichen Wachstumsraten,die wir übrigens seit Jahrzehnten haben, eine hohe Be-schäftigungsquote erreichen müssen. Das wird die großeAufgabe sein.
Das ist ein Schwerpunkt, den wir auch auf der Agendawesentlich weiter nach vorn rücken müssen. Hier gibt esenorme Potenziale. Ich denke vor allen Dingen an die Po-tenziale in der Material- und Energieökonomie. Es istrelativ einfach, Leute zu entlassen, also die Kosten in denBetrieben durch Personalabbau zu reduzieren. Ein Top-manager hat unlängst gesagt: Wer so etwas tut, lässtRückschlüsse auf das schlechte Management zu.
Die Wirtschaftsinstitute haben ausgerechnet, dass dasPotenzial, das in der Material- und Energieeffizienzliegt, etwa 180 Milliarden Euro ausmacht. Diesem Kapi-tel werden wir uns nähern müssen.Oder schauen wir uns die Lohnnebenkosten an. Ichempfehle Ihnen, sich bei der Auseinandersetzung mitFlorian Gerster nicht nur mit den Punkten zu beschäfti-gen, für die ihm offenbar das Gespür fehlt, sondern auchdamit, wo er die wunden Punkte trifft. In der letztenSonntagsausgabe der „FAZ“ hat er zum Beispiel gesagt,das Sozialbudget sei überproportional erhöht worden.Eine Folge daraus sei der Weg in die Verschuldung, vorallem aber hätten wir die Abgaben auf Arbeit drastischerhöht. Allein vier Prozentpunkte des Gesamtbeitrageszur Sozialversicherung seien auf die systemwidrige Fi-nanzierung der Folgen der deutschen Einheit zurückzu-führen. Wenn wir über Patriotismus reden, sollten wiruns diesen großen Brocken vornehmen.Ich frage Sie: Wo ist eigentlich der Beitrag des natio-nalen Kapitals in unserem Land geblieben, dessen Pul-ver in den 90er-Jahren unter der Kohl-Regierung nochdurch hochrentierliche Staatsanleihen vergoldet wordenist? Darüber sollten wir kritisch diskutieren.
– Nein, Sie haben uns riesige Probleme hinterlassen. Dasist das Problem.Ich möchte Sie vor allen Dingen davor warnen, denVermittlungsausschuss zu missbrauchen, die Tarifauto-nomie aufzubrechen, was Sie offensichtlich vorhaben.Was ich von dem Kollegen Brüderle höre – Tarifkartellkaputtmachen oder Einbruch in die Tarifautonomie –,
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Ja.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Schulz. – Sie habenuf Versäumnisse in der Vergangenheit hingewiesen,obei Rot-Grün jetzt schon fünf Jahre an der Regierungst. Es geht nicht immer nur um die Bewältigung derergangenheit, sondern auch um die Gestaltung der Zu-unft.
Am Ende der Debatte werden wir über einen Ände-ungsantrag der FDP eine namentliche Abstimmungurchführen. Im Haushaltsplan des Wirtschaftsministersurde in Bezug auf diesen Punkt in der Ziffer 5 der ver-indlichen Erläuterungen festgehalten, dass für deneutschen Steinkohlebergbau im Zeitraum 2006 bis012 bis zu 15 870 Millionen Euro, also fast 16 Milliar-en Euro, zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein Zu-unftsprojekt.
Ich höre Stimmen aus den Reihen von Rot-Grün, dassie diese Regelung so nicht mittragen wollen. Ich frageie: Wie stehen Sie zu dem Antrag der FDP? Die Aus-ede des Kollegen Kuhn, dies sei gesperrt, ist nicht zu-reffend.
s steht im Haushaltsplan, dass die Verpflichtungser-ächtigung gesperrt ist. Die Verpflichtungsermächti-ung hat aber nichts damit zu tun; denn dies ist nach denerpflichtungsermächtigungen und nach der Sperre alserbindliche Erläuterung des Haushaltstextes angege-en.
Ich möchte wissen, wie die Grünen zu dieser verbind-ichen Erklärung stehen. Das wird auch die Öffentlich-eit interessieren. Sie machen es sich immer sehr ein-ach, wenn Sie sagen: Wir stimmen dem nicht zu, was
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Carl-Ludwig Thieledie SPD macht. – Wir zwingen Sie heute durch die Ab-stimmung über diesen Antrag, Farbe zu bekennen. Abervorher interessiert mich, mit welcher Begründung Siedem Antrag der FDP zustimmen werden. Denn anderskönnen Sie gar nicht vorgehen, wenn Sie 16 MilliardenEuro von 2006 bis 2012 für die Steinkohle nicht bereit-stellen wollen.
Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Herr Kollege Thiele, ich freue mich darüber, dass sichnun auch die FDP ernsthaft vorgenommen hat, die Stein-kohlesubventionen zurückzufahren. Das ist löblich.
Ihr Antrag ist aber ein Vorführantrag. Solche Vorführan-träge kenne ich zur Genüge: Sie werden im Grunde ge-nommen nur zu dem Zweck geschrieben, um die Partnerder Regierungskoalition in Verlegenheit zu bringen.Das wird Ihnen bei uns nicht gelingen. Wir haben indieser Frage seit vielen Jahren einen festen Standpunktund kämpfen sehr energisch dafür, die Steinkohlesub-ventionen zu reduzieren. Das ist unglaublich schwierig.Sie helfen uns nicht, indem Sie immer wieder das legen-däre Beispiel bringen – Herr Brüderle hat das heute wie-der genannt –, dass Joschka Fischer den Steinkohlekum-peln angeblich zur Hilfe geeilt sein soll.
Ich war glücklicherweise dabei, als die Kumpel in Bonndemonstriert haben. Wir haben uns ihre Sorgen angehört,weil sich das für Vertreter der Politik einfach gehört.
Ich hätte mir nur gewünscht – das ist die andere Seiteder Medaille, Kollege Brüderle –, dass Ihr KollegeRexrodt zu der Zeit, als er Wirtschaftsminister war, denKohlepfennig, der von den Verbrauchern bis dahin zurSteinkohlesubvention aufgebracht werden musste, abge-schafft hätte, anstatt ihn für den Staatshaushalt zu nut-zen. Sie haben die Steinkohlesubventionen doch erstnoch hochgefahren! Das war die Politik der FDP.
– Das ist Tatsache, Kollege Brüderle. Sie müssen sichnur schlau machen. Ich weiß aber nicht, ob das bei Ihnennoch geht.
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Das entscheidende Problem, das wir bei der Arbeitslo-igkeit haben, ist die geringe Qualifizierung. Die meis-en Arbeitslosen haben eine mangelhafte oder gar keineualifizierung. Das ist ein Problem, das wir durch ver-tärkte Investitionen in Bildung und Umschulungen lö-en müssen. Die Vorschläge zum Niedriglohnsektor, wieie sie vorgelegt haben, oder der Vorschlag, den Rolandoch gemacht hat, der glaubt, mit Stundenlöhnen von,50 Euro die Textilindustrie aus Asien nach Deutschlandurückbringen zu können, sind der falsche Weg.Dazu gehört auch, zu sagen, wo der Rest des Einkom-ens herkommen soll, dass man in Deutschland mit ei-er solchen Tätigkeit leben kann. Wenn die Orientierunguf den globalen Wettbewerb so aussieht – rumänischeacharbeiterlöhne, amerikanische Vorstandsbezüge undhinesisches Arbeitsrecht –, bringt uns das mit Sicher-eit nicht weiter, sondern erhöht im Gegenteil die sozia-en Spannungen.Wir sind uns sicher und verfolgen den Weg, dass deresellschaftliche Wandel in unserem Land mit Sicherheitnd vor allen Dingen mit sozialer Gerechtigkeit gestalteterden muss.Ich danke Ihnen.
Ich gebe dem Kollegen Carl-Ludwig Thiele das Wort
u einer Kurzintervention.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich kann hier nur fest-tellen, dass die FDP beantragt hat, die Streichung diesericht ordnungsgemäß beschlossenen Erklärung, dieurch einen Umdruck ins Haushaltsverfahren einge-racht worden ist, zur namentlichen Abstimmung zutellen, und dass ich auf die Frage, wie die Grünen votie-en werden, keine Antwort vom Kollegen Schulz erhal-en habe.
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Ich finde es bedauerlich, dass unser Antrag, eine kon-krete Passage des Haushaltsgesetzes, welches wir heuteberaten und über dessen Einzelpläne wir einzeln abstim-men, zu streichen, als Schaufensterantrag bezeichnetwird. Das ist kein vernünftiger Umgang mit einem Ge-setz, das Sie ja immerhin wollen. Das ist kein Schaufens-terantrag, sondern ein sehr konkreter Antrag.Die Sperre – ich sage das hier noch einmal, weil dieseAusflucht überhaupt nicht gelten kann – bezieht sich aufdie Verpflichtungsermächtigung. Die Verpflichtungser-mächtigung hat aber nichts mit der verbindlichen Erklä-rung zu tun. In der verbindlichen Erklärung wurde zuge-sagt, dass die deutsche Steinkohle zwischen 2006 und2012 mit weiteren 16 Milliarden Euro gefördert werdensoll.
Das finde ich skandalös: Wir beraten hier einen Haushaltund die Bundesregierung erklärt, sie könne nicht mehrsparen. Bei der Bildung, der Forschung und in anderenBereichen fehlen Gelder und hier kommt es zu einerVorfestlegung der Bundesregierung, nach der in sechsJahren 16 Milliarden Euro gezahlt werden. Das ist nichtvermittelbar. Deshalb muss hierzu eine namentliche Ab-stimmung stattfinden.Ich bitte diejenigen, die nicht in die Vergangenheit,sondern in die Zukunft unseres Landes investieren wol-len, dieser Streichung zuzustimmen. Um es deutlich zusagen: Mit der Streichung würde noch nicht festgelegtwerden, was in dem Zeitraum passiert. Dass hier vonheute auf morgen nicht alles auf null gefahren werdenkann, ist auch für uns Liberale vollkommen klar. WieRot-Grün aber in der heutigen Situation dazu kommt,diese Zahlen für verbindlich zu erklären, ist mir unbe-greiflich. Das halte ich für skandalös. Wir hoffen, dassder eine oder andere von Rot-Grün dieser Argumenta-tion in der namentlichen Abstimmung folgen wird.
Herr Kollege Schulz verzichtet auf eine Erwide-
rung. – Der Kollege Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-
Fraktion, hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fast je-der Redner der Koalition hat die Verpflichtung der Haus-banken angemahnt. Diese sollen mehr tun, um die Wirt-schaft zu fördern. Aus dem Mund von Rot-Grün kannman das nicht mehr akzeptieren.
Ich nenne drei Argumente – man könnte noch vielmehr nennen –: Erstens. Kapital ist so scheu wie einReh. Solange Sie ständig über Erbschaftsteuer, Vermö-gswiZbccDrdündlA–WEocnkbHeKekdgstZWwWMwsEhGm
weitens. Ihre Gesetze und Vorschläge sind sehr kurzle-ig. Deshalb fehlt die Verlässlichkeit, die ein wesentli-hes Element ist, um Vertrauen zu erwirtschaften, wel-hes Voraussetzung für ein größeres Engagement ist.rittens. Durch die Rekordpleitenwelle wird den kleine-en Banken die Substanz dafür entzogen, dass sie sichort weiter engagieren können.Bringen Sie das alles in Ordnung! Dann können Sieber dieses Thema wieder ernsthaft mitsprechen.
Herr Minister Clement, wenn ich mich richtig erin-ere, sind Sie mal als Superminister geholt worden, umie Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Man hat Ihnen wirk-ich sämtliche Kompetenzen gegeben, damit Sie dieseufgabe angehen können.
Ich sehe, Sie bestätigen das. Aber ich muss Sie fragen:as haben Sie daraus gemacht?
ine Rekordarbeitslosigkeit haben Sie daraus gemacht,bwohl Sie alle Kompetenzen besitzen, um entspre-hend durchzugreifen. Leider sind Sie mit Ihrem Etatur bei der Schuldenmacherei Superminister.
Am Anfang dieses Jahres hat man festgelegt, dass eseine neuen Zuschüsse für die Bundesanstalt für Ar-eit gibt. Als es dann anders kam, hat man dies mit demartz-Konzept verteidigt. Der Kollege Kröning lächeltin wenig; er kennt offensichtlich einige Interna. Derollege Schulz hat selbst im Ausschuss angemahnt, dasss zu einem Argumentationsbruch bei der Koalitionommen könnte. Am Ende des Jahres wurde nicht mehras Hartz-Konzept als Argument für die Zuschüsse an-eführt, auf einmal war die schlechte Konjunktur aus-chlaggebend. Wer soll einem solchen Wirtschaftsminis-er noch glauben? Wer soll dessen Argumente undahlen noch ernst nehmen? Wer erwartet von diesemirtschaftsminister noch die Verlässlichkeit, die not-endig ist, um die Wirtschaft in Gang zu bringen?Das Problem ist: Der Haushalt dieses Arbeits- undirtschaftsministers beinhaltet Risiken von mehrerenilliarden Euro. Darüber ist heute gar nicht gesprochenorden. Am Ende des Jahres werden Sie mit einem un-chuldigen Augenaufschlag wieder ein paar Milliardenuro für die Bundesanstalt für Arbeit überweisen. Dasilft niemandem. Am wenigsten hilft es den nächstenenerationen. Um sie müssen wir uns sorgen. Für sieüssen wir Politik machen.
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Hans-Joachim FuchtelDie zu erwartenden Einspareffekte sind nicht sospektakulär, wie sie manchmal dargestellt werden. Mankönnte fast den Eindruck gewinnen, dass das Rad neu er-funden worden ist. Ich kann Ihnen, ohne zu tief einstei-gen zu müssen, sagen: Mit der Union wären diese Ein-sparungen schon vor einigen Jahren erzielt worden.Wenn wir dies getan hätten, wären wir heute weiter.
– Sie lachen, Herr Brandner – wie immer! 4,5 MillionenArbeitslose, das kann Sie offenbar nicht erschüttern.
Sie sollten über diese Dinge ein wenig ernster mit unssprechen. Was muss denn noch alles in diesem Land ge-schehen, damit Sie mit Ihrer arroganten Art aufhören?
Sie haben doch die Zumutbarkeitsregeln wieder zu-rückgeschraubt
und dann vier Jahre nichts getan. Erst jetzt fangen Siemit ersten Maßnahmen an. Das ist zu wenig, um wirklicherfolgreich zu sein.
Ein anderes Stichwort sind die Meldekontrollen. Siehaben diese Meldekontrollen bis aufs Messer bekämpft.Jetzt brauchen Sie zur Umsetzung dieser Maßnahme vielPersonal. Trotzdem bleibt die Arbeitslosigkeit auf Re-kordniveau. Das können wir doch nicht als Leistung an-erkennen.
– Herr Kuhn, Sie waren doch damals noch im Landtag.Sie können gar nicht mitreden.Damals hat bei Ihnen jede Leistungseinschränkungsofort eine Grundsatzdiskussion über Armut in Deutsch-land ausgelöst. Jetzt gelten bei Ihnen diese Argumentenicht mehr. Nun ist es an uns, sich der Armen in diesemLande stärker als bisher anzunehmen. Das ist die Wahr-heit.
Die Union ist die Partei, die die soziale Marktwirtschaftverteidigt, weil Sie mit Ihren Maßnahmen das sozialeGleichgewicht durcheinander bringen.Ich frage Sie: Was ist das für eine Leistung, wennman die Bundesanstalt für Arbeit auf jetzt 90 000 Mitar-beiter aufbläht?
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unächst einmal: Es ist nicht so gewesen, dass der Herrinister und sein Staatssekretär überrascht wurden. Manat uns trotz dreimaliger Intervention dreimal abblitzenssen und uns keine Information gegeben. Wenn gesternn der Zeitung zu lesen war „Clement wundert sich übererster“, dann ist die Information falsch.
hr Haus hat alle diese Dinge vorher gewusst. Sie solltenas zugeben und sich nicht davonstehlen,
ie Sie es gerade mit Ihrer Zwischenintervention ver-ucht haben, in der Sie gesagt haben, das habe dieechtsabteilung geprüft und da diese das für gut emp-unden habe, hätten Sie keine Einwände erhoben.
ir haben bei anderer Gelegenheit – da ging es um einuropäisches Thema – schon einmal feststellen müssen,ass Ihr Haus informiert war, woraufhin schließlich eintaatssekretär gehen musste.Meine Damen und Herren, wenn Sie sich bis jetztoch nicht über diese Bundesanstalt gewundert haben,ann nehmen Sie noch einige Punkte mit, über die Sieich künftig noch mehr wundern können. Mir ist ein In-erat der Bundesanstalt für Arbeit in die Hand gefallen.s ist ordentlich groß; man könnte denken, sie suche ei-en Generaldirektor. Sie sucht aber einen Universitäts-bsolventen, nämlich einen Diplom-Informatiker. Wiraben 4,5 Millionen Arbeitslose. Trotzdem muss dieundesanstalt für Arbeit eine Agentur einschalten,
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Hans-Joachim Fuchteldie ein Inserat in der Zeitung aufgibt, mit dem ein Di-plom-Informatiker gesucht wird. Wo ist die Kompetenzdieser Behörde, in der so etwas vorkommt? Es sind andie 10 000 Euro, die alleine für dieses Inserat ausgege-ben werden.
Dafür müssen 300 Beitragszahler ihren Monatsbeitragabliefern. Ich habe versucht, dies einmal in Gedichtformzu kommentieren: „Bei schlechter politischer Figur be-schäftigen wir eine Agentur.“ So kommt mir das vor.Der Kollege Kröning hat hier zwar als Berichterstat-ter im wahrsten Sinne des Wortes Bericht erstattet – in-sofern möchte ich ihn in Schutz nehmen; auch das mussin einer Haushaltsdebatte noch möglich sein –, nichtaber über den Öffentlichkeitsetat. Lieber KollegeKröning, warum sind Sie denn eigentlich über diesePosition hinweggeglitten? Das ist doch sonst nicht IhreArt. Wenn unsere Partei betroffen gewesen wäre, hättenSie eine halbe Stunde darüber referiert und eine Verlän-gerung der Redezeit verlangt.
Dieses Ministerium hat sich im Bereich der Öffent-lichkeitsarbeit einen Mittelaufwuchs von 300 Prozentgenehmigt.
Nur macht man es da etwas anders als die anderen; mansagt einfach: Das Hartz-Konzept erfordert eine eigeneAbteilung für Öffentlichkeitsarbeit.
Dafür allein werden 15 Millionen Euro im Jahr ausgege-ben. Wenn Sie nicht sensibel genug sind, um zu merken,dass das Volk von einer solchen Politik langsam genughat, dann tun Sie uns Leid. Hören Sie auf, eine solchePolitik zu machen, damit die politische Landschaft nichtnoch mehr an Vertrauen verliert. Machen Sie mit unsSachpolitik und versuchen Sie nicht, den abgeplatztenLack durch zusätzliche Kosmetik zulasten der Steuer-zahler zu polieren.
In dem Sinne hoffe ich, dass Sie nach dem Erlebnis mitGerster wenigstens in diesem Bereich etwas mehr Sorg-falt walten lassen.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Brandner,
SPD-Fraktion.
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Die wirtschaftliche Lage ist schwierig, das wissenir, aber unser Minister hat gesagt, wir können siechultern. Das ist so. Die Opposition diskutiert, als wennie die Veränderungen des letzten halben Jahres über-aupt nicht mitbekommen hätte. Merz spricht vonchweren Verstimmungen, es wird ihm angst und bange.abei ist die Stimmung in diesem Land deutlich besser,ls Sie uns glauben machen wollen.
Um es deutlich zu sagen: Der Ifo-Index ist vorgesternum achten Mal in Folge angestiegen. Die Beurteilunger wirtschaftlichen Lage ist zum zweiten Mal positiv,as heißt: Festigung der konjunkturpolitischen Erwar-ungen. Auch die realwirtschaftlichen Indikatoren zei-en nach oben. Im dritten Quartal verzeichneten dasruttoinlandsprodukt ein Plus von 0,2 Prozent und dieuftragseingänge der Industrie ein Plus von 1,2 Prozent.as zeigt: Deutschland ist auf gutem Weg und wir soll-en aus pessimistischen Debatten herauskommen.Dass Deutschland auf gutem Weg ist, hat auch deranzler in New York zu spüren bekommen, als die Top-anager wichtiger US-Unternehmen ihm verkündeten:ermany is back.
uch die neue Chip-Fabrik in Dresden ist ein gutes Zei-hen. Ihr Schlechtreden nutzt dem Lande nicht, sondernchadet eher. Sie führen uns Wirklichkeitsverweigerungor; mit geschlossenen Augen kann man keine Politikür die Zukunft gestalten.
Herr Brüderle bezog sich in diesem Zusammenhanguf die letzten OECD-Studien. Die Ticker meldetenerade gestern erst: OECD sieht Konjunkturwende,eutschland vor verhaltenem Aufschwung, Lob fürtrukturreformen der Bundesregierung. – Das ist dieahrheit, Herr Brüderle.
eiter heißt es in dieser Meldung:„Wir glauben, dass die Wende da ist“, sagt OECD-Ökonom Eckhard Wurzel. „Ein Vorziehen der Steu-erreform auf das nächste Jahr könnte der Konjunk-tur ein weiteres Plus bis 0,3 Prozentpunkte brin-gen.“
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6900 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Klaus BrandnerÜbernehmen Sie endlich Verantwortung, beenden SieIhre Blockadepolitik! Damit helfen Sie den Menschenund ganz besonders der Wirtschaft in unserem Land.
Für den Mittelstand ist das Vorziehen der Steuer-reform ein eminent wichtiger Schritt. Allein der Mittel-stand würde in einer wirtschaftlich schwierigen Situationum 10 Milliarden Euro entlastet. Das ist ein klares Si-gnal für weniger Steuern, mehr Investitionen und mehrBeschäftigung. Das muss die Botschaft der Zeit sein.Wir müssen mit der Steuerreform dem Mittelstand dieGelegenheit geben, seine Eigenkapitaldecke zu stärken.Das bringt Sicherheit auch in schwierigen Zeiten undwird dazu beitragen, dass die Insolvenzquote in diesemLand deutlich gesenkt werden kann. Ich frage mich, wa-rum Sie die Signale nicht hören: Die Führungskräfte inunserem Land haben sich gestern zu Wort gemeldet undgesagt, sie erwarteten von der Union jetzt endlich einEinlenken zum Vorziehen der Steuerreform. Recht habensie; dort versteht man mehr von Wirtschaft als Sie mitIhrer taktikbezogenen Politik.
Die Prognosen der Bundesregierung für das Wirt-schaftswachstum 2004 liegen bei 1,7 Prozent. Das istaus meiner Sicht im unteren Schätzspektrum; internatio-nale Banken gehen von höheren Werten aus. Deshalbkönnen wir zu Recht annehmen, dass Deutschland imnächsten Jahr im Mittelfeld der EU-Wachstumsraten lie-gen wird.
Der Arbeitsmarkt folgt der positiven Entwicklung wieüblich mit Verzögerung. Schon jetzt sind die ersten Si-gnale deutlich zu vernehmen. Im Oktober gab es saison-bereinigt 12 000 Arbeitslose weniger. Das bestätigt, dassdie Maßnahmen, die wir durch Hartz I und II auf denWeg gebracht haben, greifen. Diese Zahlen spiegeln sichauch im Haushalt des Bundesministeriums für Wirt-schaft und Arbeit wider,
in dem zum Beispiel der Bundeszuschuss in Höhe von7 Milliarden Euro in 2003 auf 5,2 Milliarden Euro in2004 reduziert wird.Die Strukturreformen wirken und weisen auch in derHaushaltsdebatte in die richtige Richtung.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen Dank an un-seren Haushälter richten, der zwar nicht so spaßig wieHerr Fuchtel vorgetragen hat, dafür aber sehr konkretwar. Ich hatte während seiner sachlich vorgetragenenRede den Eindruck, dass Sie sich arrogant und dummgSMRRrPHwdJtilethaEtdwWnHtidiliDWfdVte
Nun haben Sie angemahnt: „Ein Jahr Clement, jedenonat eine neue Reform!“ Wann hat es eigentlich mehreformen gegeben als in diesem Jahr, wann sind mehreformen auf den Weg gebracht worden?Ich habe den Eindruck, Sie haben die Übersicht verlo-en. Wenn Sie nicht den Reformprozess in wesentlichenunkten – zum Beispiel das Gesetz zur Novelle imandwerk und das Kleinunternehmergesetz – blockierenürden,
ann würde die wirtschaftliche Entwicklung in diesemahr noch besser verlaufen, als es bedingt durch die poli-schen Veränderungen, die durch unsere Politik einge-itet worden sind, ohnehin der Fall ist.
Wir wissen, dass wir unser Land nur durch Innova-ionen nach vorne bringen können. Notwendig ist eineohe Konzentration auf Innovationen. Trotz aller Spar-nstrengungen haben wir die Mittel für Forschung undntwicklung im Haushalt erhöhen können. Auch Exis-enzgründer und der Mittelstand werden stärker geför-ert als im Vorjahr. Unser Ziel ist es, eine Gründungs-elle auszulösen.
ir wollen den Aufbruch hin zu einem stärkeren Unter-ehmergeist erreichen. In diesem Zusammenhang musserr Merz zur Kenntnis nehmen, dass zwar die Beschäf-gung auf der Stelle tritt,
ass aber die Zahl der Existenzgründungen steigt. Dasst unser Ziel: Wir wollen in diesem Land die wirtschaft-che Dynamik erhöhen.
amit unterstützen wir die Innovation in der deutschenirtschaft.Auch mit den Ich-AGs haben wir – wie Sie zu Rechtestgestellt haben – sehr erfolgreich Veränderungen aufen Weg gebracht und das Unternehmertum aus kleinenerhältnissen nach vorne gebracht. Wir haben damit un-r anderem das hervorragende Potenzial zur Innovation
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6901
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Klaus Brandnerin unserem Land genutzt, um mehr Beschäftigung zuschaffen, den Verbrauchern mehr und bessere Produkteanbieten zu können und zu einem geringeren Verbrauchvon Ressourcen beizutragen. Das muss das Ziel der In-novationspolitik sein.Innovationspolitik wird zum Motor der Agenda 2010.Wir können uns auf die Innovationsfähigkeit der Men-schen und der Unternehmen in unserem Land verlassen.Dafür haben wir mit unserem Reformprojekt die Wei-chen gestellt. Die Agenda 2010 sorgt für eine positiveDynamik. Es geht dabei um grundsätzliche Weichenstel-lungen und weit reichende Umstrukturierungen in denBereichen Finanzen, Wirtschaft und Arbeit und in densozialen Sicherungssystemen. Das Ziel ist eine neue Ba-lance zwischen ökonomischer Notwendigkeit, sozialemZusammenhalt und gesellschaftlichem Aufbruch. Esgeht um die Modernisierung unserer Wirtschaft, ohnesoziale Gerechtigkeit preiszugeben.Die Erfolge von Hartz I und Hartz II – ich habe es be-reits angesprochen – sind bereits jetzt deutlich erkenn-bar: mehr als 200 000 Existenzgründungen mit arbeits-marktpolitischen Förderinstrumenten in diesem Jahr!Das ist ein Erfolg, der sich sehen lassen kann.
Auch die Minijobs leisten einen erheblichen Beitragzur Flexibilisierung, ohne die sozialen Sicherungssys-teme zu belasten.
– Herr Schauerte, ich habe doch an den Gesprächen inder Arbeitsgruppe teilgenommen. Wir haben dafür ge-sorgt, dass Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wer-den, damit die Sozialkassen nicht geplündert werden. Siehingegen haben einen allgemeinen Steuerbeitrag befür-wortet. Insofern müssten Sie uns dafür dankbar sein,dass wir im Vermittlungsverfahren diese Position bezo-gen haben: einfaches Verfahren, Sozialkassen nicht be-lasten, Flexibilität gewährleisten!
Das ist allenfalls unser gemeinsames Werk, aber Siekönnen den Erfolg nicht für sich allein beanspruchen.
Mit Hartz III und IV runden wir die Reformen ab.Jetzt geht es um das Kernstück, nämlich erhebliche Effi-zienzsteigerungen, die wir zum Beispiel dadurch errei-chen wollen, dass in den Jobcentern die Betreuung auseiner Hand sichergestellt wird. Anstelle von Verschiebe-bahnhöfen soll es klare Zuständigkeiten und aktivie-rende Maßnahmen in einer Hand geben. Fördern undFordern ist unser Prinzip für eine aktivierende Sozial-politik. Das wollen wir mit Hartz III und IV umsetzen.Dafür muss die Bundesanstalt für Arbeit zu einem mo-dernen und kundenorientierten Dienstleister für Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch für die Arbeit-geber umgebaut werden.aszsSlatetissArpSmdnWdmEnADAemvlreancuZnfk
Erhebliche Vorteile werden den Kommunen auch da-urch erwachsen, dass sie durch die Hartz-IV-Reform fi-anziell entlastet werden.
ir stehen zu unserem Wort, auch wenn es zu einer an-eren als der ursprünglich geplanten Finanzierung kom-en kann: Entlastungen in Höhe von 2,5 Milliardenuro sollen bei den deutschen Kommunen ankommen.Wichtig ist, dass die neuen Bundesländer bei unsicht hinten runterfallen. Der Schwerpunkt der aktivenrbeitsmarktpolitik liegt weiterhin eindeutig im Osten.ie Vorschläge des bayerischen Ministerpräsidenten,BM zu streichen, kommen für uns nicht infrage.
Auch Friedrich Merz macht Schnellschüsse, wenn errhebliche Einsparungen bei der BA fordert. Arbeits-arktpolitik ist keine Manövriermasse. Das Streichenon ABM bringt übrigens keine Einsparungen von Mil-iarden, wie es öffentlich dargestellt wird, sondern ge-ade einmal 100 Millionen. Sofort mehr Geld in Lohn-rsatzleistungen, Löcher auf der einen Seite zustopfen,uf der anderen Seite aufreißen – das ist keine konti-uierliche Politik und deshalb mit uns auch nicht zu ma-hen.
Die Kommunen wollen wir noch stärker einbinden,nd zwar nicht nur rechtlich. Es geht dabei nicht nur umusammenarbeit, sondern auch darum, durch die Über-ahme finanzieller Verpflichtungen einen Anreiz auchür die Kommunen zu schaffen, aktiv etwas zur Be-ämpfung der Arbeitslosigkeit zu tun.
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6902 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Klaus BrandnerDas bringen wir im Vermittlungsausschuss auf den Weg.Wir gehen auf die Union zu. Sie haben keinen Grundmehr, sich zu verweigern, meine Damen und Herren.
Zu der Frage der Arbeitsmarktreform als eines eigen-ständigen Projekts erinnere ich daran, dass selbst derSachverständigenrat Ihr politisches Junktim zwischenSteuerreform und Arbeitsmarktreform für abwegig hält.Wo ist der Zusammenhang zwischen Steuerreform,Handwerksordnung und Tarifautonomie? Oder ist IhrBlockademanöver ein taktisches Manöver? Dann solltenSie es offen zugeben. Jedenfalls lassen wir Sie damitnicht einfach durchkommen.
Herr Kollege Brandner, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme zum Schluss.
Für taktische Manöver im Rahmen der Tarifautono-
mie haben wir in der Tat keinen Raum. Wir sind dank-
bar, dass der zuständige Minister hierzu eine klare Aus-
sage im Parlament gemacht hat. Dies zeigt, dass sich
unsere Fraktion zu diesem Thema politisch eindeutig
verhält.
Mein Fazit: Deutschland ist auf dem Weg nach vorn.
Dies wird durch die konjunkturellen Daten und durch die
Wissenschaft belegt. Internationale Institute loben die
Reformpolitik. Alle Indikatoren zeigen nach oben. Das
Boot nimmt wieder Fahrt auf. Wir dürfen nicht über die
geflickten Löcher lamentieren, sondern sollten uns über
die neuen, besseren Segel freuen, die wir durch die Re-
formpolitik gesetzt haben. Wir haben im Vermittlungs-
ausschuss die Verantwortung und bitten Sie, sie auch
wahrzunehmen. Nehmen Sie sie gemeinsam mit uns
wahr, damit Deutschland im Reformprozess wieder nach
vorne kommt.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Für die PDS im Bundestag gehören die Arbeitsmarkt-,Sozial- und Wirtschaftspolitik zu den zentralen aktuellenPolitikbereichen. Dies sind zugleich die Themen, die ne-ben der Friedensfrage nahezu jeden bewegen und sehrviele Menschen betreffen. Jüngst war ich in Erfurt, Thü-ringen. Dort ist jeder Fünfte arbeitslos und nicht wenigesind inzwischen hoffnungslos. Dasselbe habe ich in Bre-mBmhmAcUPMSSddSdSkbhAinPtvDAgsM44buK„dZKhdsw
Ich weiß sehr wohl, dass ich hier gegen eine großeehrheit rede. Die Opposition zur Rechten liegt imtreit mit sich selbst. Sie sucht ihren Superstar. Merkel,toiber, Koch oder Merz? Mit sozialer Gerechtigkeit hatas, was Sie aufführen, nichts zu tun. Allerdings lauertahinter die Frage: Wie verdeckt oder offen lässt sich derozialstaat entsorgen? Frau Merkel steht für die ver-eckte Variante, Herr Koch für die brutale und Herrtoiber für die egoistische. Der Rest des ganzen Spekta-els ist Parteitaktik. Sie hilft aber niemandem ohne Ar-eit oder ohne Lehrstelle.
Früher bot die SPD dazu das Kontrastprogramm. Nunat sie aber in Bochum getagt und grünes Licht für diegenda 2010 gegeben, die unsozial und auch ungerechtst. Es war – leider – nichts anderes zu erwarten. Span-end war für mich nur das Rahmenprogramm des SPD-arteitages in Bochum. „Das Wichtige tun“ hieß die Par-eitagslosung. So habe ich immerhin gelernt: Die SPDersteht sich als Partei der Wichtigtuer.
ann wurde auf diesem Parteitag auch gewählt. Wer diegenda 2010 verbrochen hatte, wurde bestraft, wer da-egen war, ebenso. Zum Schluss wurde auch noch ge-ungen. Etwas kläglich, aber drohend kündigten Sie an:it uns zieht die neue Zeit!Der Kardinalfehler der Agenda 2010 ist: Sie machenMillionen Arbeitslose dafür verantwortlich, dass esMillionen Arbeitslose gibt. Das Wesen Ihrer Agendaesteht darin, die Betroffenen zu ermitteln, anzuklagennd abzustrafen. Arbeitslosen wird die Hilfe gekappt.ranke werden abkassiert. Alten wird die Rente gekürzt.Damit machen wir“ – so meinte der Bundeskanzler iner gestrigen Debatte – „Ressourcen frei für wesentlicheukunftsaufgaben.“ Mir fällt dabei das Märchen vomaiser mit den neuen Kleidern ein, die kein anderer se-en kann.
Die PDS im Bundestag hat nie behauptet, sie habeen Stein der Weisen gefunden. Wir haben immer ge-agt: Es muss grundlegende Reformen geben. Das habenir übrigens schon gesagt, als sich die offizielle Altbun-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6903
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Petra Paudesrepublik noch für den letzten Schluss aller Ge-schichte hielt. Bereits damals war die Arbeitslosigkeitextrem hoch und die Staatsverschuldung mehr als be-denklich. Auch andere Fragen, etwa die demographischeEntwicklung, drängten längst. Dass die Arbeitswelt im21. Jahrhundert anders sein wird als im 19. Jahrhundert,wusste – mit Verlaub – schon Karl Marx. Insofern wün-sche ich mir, dass er morgen im ZDF zum „besten Deut-schen“ gewählt wird.
Die eigentliche Frage ist also nicht, ob etwas verän-dert werden muss. Die spannende Frage ist vielmehr,welchem Ziel die Reformen dienen sollen. Ihre Refor-men brechen mit den guten sozialdemokratischen Wer-ten wie Solidarität und Gerechtigkeit. Das Schlimme ist,dass Sie das wissen. Es ist doch kein Zufall, wenn dieBundesanstalt für Arbeit Millionen für PR-Arbeit zumFenster hinauswirft. Die Bundesregierung macht dochnichts anderes. Sie lässt landauf, landab Großplakatekleben, um die Agenda 2010 schönzumalen. Keine Bür-gerin und kein Bürger hat sie bestellt. Aber alle müssensie bezahlen, und zwar sowohl die Plakate als auch dieAgenda 2010.
Geradezu obszön wird es, wenn die neuen Bundes-länder zum gelobten Land gekürt werden. Allein derGlaube, mehr Billigjobs seien gut gegen die Arbeitslo-sigkeit, ist absurd. Der Osten ist bereits ein Billiglohn-land. Die Forderungen nach längeren Arbeitszeiten wer-den immer lauter. Aber im Osten wird schon längergearbeitet. Sie fordern außerdem eine Lockerung des Ta-rifrechts. Im Osten ist es bereits so locker wie nirgendwosonst in Deutschland. All diese Heilslehren werden inden neuen Bundesländern also längst praktiziert. Dieneuen Bundesländer belegen aber beispielhaft: DieseHeilslehren machen nicht gesünder, sondern kränker.Deshalb lehnt die PDS im Bundestag die Agenda 2010ab.
Hinzu kommt: Arbeitsbeschaffungs- sowie Ausbil-dungsmaßnahmen sollen abgebaut und Fördermittel ge-kürzt werden. Das verschärft die Lage auf dem Arbeits-markt und der strukturschwachen Regionen.Fazit: Die PDS im Bundestag wird auch diesen Teildes Haushaltes ablehnen müssen.
Nächster Redner ist der Kollege Kurt Rossmanith,
CDU/CSU-Fraktion.
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ahrscheinlich wird der Bundestag diese Haushaltsvor-age heute in zweiter und morgen in dritter Lesung ver-bschieden und damit einen Verfassungsbruch begehen.azu kommt das, was Bundesminister Eichel in Brüsseluropa und unserem Land, Deutschland, angetan hat.olger Steltzner hat dies vorgestern in der „FAZ“ zuecht mit den Worten „Verspielen des letzten Vertrau-ns“ betitelt.
Wir erleben dergleichen praktisch seit 1998 – also seitahren –, als man angetreten ist, ganz Deutschland neuu gestalten. Thomas Wels schreibt in der „Rheinischenost“: „Deutschland zertrümmert den Euro“ undDeutschlands Verhalten ist ein Skandal“. Leider Gottesuss ich sagen: Beide, Steltzner und Wels, haben Recht.
Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhardchröder hangelt sich von einer Unwahrheit zur nächs-n. Zahlen werden erst einmal geschönt; wenn die Fak-en dann auf dem Tisch liegen, wird das, was man vorherräsentiert hat, in immer kürzeren Intervallen als Lügentlarvt.Herr Kollege Klaus Brandner, vor dem Mut, den Sieier gezeigt haben, muss man fast Respekt haben.
Ich wollte es nicht ganz so drastisch sagen; aber anich müsste man es so formulieren. – Sie haben nämlichesagt, die OECD verlange von uns, die Steuersenkungorzuziehen. Vielleicht hatten Sie heute noch nicht dieöglichkeit, die Zeitung zu lesen; das sehe ich Ihnenach. Allerdings ging schon gestern über den Ticker,ass die OECD vor einer Steuersenkung auf Pump – et-as anderes fällt Ihnen ja nicht ein – warnt.
ie schwadronieren von diesem und jenem. Was machenie? – Pump, Pump, Pump und noch einmal mehr Schul-en.Ein weiterer Beweis dafür, dass Lügen kurze Beineaben, ist Folgendes: Als diese Bundesregierung am. Juli dieses Jahres den Haushaltsentwurf für dasahr 2004 beschlossen hat, wurde noch großspurig ver-ündet, das Wirtschaftswachstum im Jahr 2003 liegeei 1 Prozent und im Jahr 2004 bei 2,5 Prozent. Daserbstgutachten, das vor wenigen Wochen veröffentlichturde – seit dem 2. Juli waren kaum mehr als drei
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6904 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Kurt J. RossmanithMonate vergangen –, besagt, Herr Bundeswirtschaftsmi-nister, dass das Wirtschaftswachstum dieses Jahres bei0 Prozent und im kommenden Jahr, 2004, bei maximal1,7 Prozent liegen wird. Man muss wissen, dass0,5 Prozentpunkte bis 0,6 Prozentpunkte dieser 1,7 Pro-zent Wachstum dadurch zustande kommen, dass imJahr 2004 mehr Feiertage auf das Wochenende fallenwerden.
Herr Kollege Rossmanith, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Brandner?
Aber selbstverständlich, sehr gern. Ich habe gar nicht
gesehen, dass er eine Zwischenfrage stellen möchte.
Sie haben gerade davon gesprochen, dass Lügen ver-
breitet werden. Die AP schreibt am 26. November 2003
– wollen Sie das bestreiten? –:
Die OECD sieht Deutschland vor einem verhalte-
nen Aufschwung und hat die Bundesregierung zu
weiteren Strukturreformen ermuntert.
Diese Reformen nehmen wir gerade vor. Etwas weiter
unten heißt es:
„Wir glauben, dass die Wende da ist“, sagte OECD-
Ökonom Eckhard Wurzel. Ein Vorziehen der Steu-
erreform auf nächstes Jahr könne der Konjunktur
ein weiteres Plus bis 0,3 Prozentpunkten bringen.
– Im Weiteren ist zu lesen, dass der Reformprozess, den
die Bundesregierung in Angriff genommen hat, richtig
ist, dass aber noch weitere Anstrengungen notwendig
sind, beispielsweise zur Verlängerung der Lebensarbeits-
zeit. – Alles das sind Maßnahmen, die in der Rentenge-
setzgebung jetzt ganz konkret angegangen werden.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Erstens. Wol-
len Sie unterstellen, dass ich Lügen vorgetragen habe?
Zweitens. Wollen Sie zur Kenntnis nehmen, dass die
OECD davon ausgeht, dass das Vorziehen der Steuerre-
form dringend notwendig ist, um mehr wirtschaftliches
Wachstum in diesem Land zu erzeugen?
Herr Kollege Brandner, ich bleibe bei meiner Aus-
sage;
denn ich habe Ihnen ja zugehört. Sie haben gesagt: Die
OECD verlangt von Deutschland, die Steuerreform vor-
zuziehen. – Das ist falsch.
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atsächlich muss man aber den Eindruck haben, dass Sie
ich – Herr Brandner, damit meine ich Ihre Partei, nicht
ie persönlich – der 4,5 Millionen Arbeitslosen mehr
der weniger überhaupt nicht annehmen, dass Sie sich
ür sie mehr oder weniger gar nicht interessieren. Die
aßnahmen, die notwendig wären, um den Arbeitsplatz-
bbau zu stoppen, um wieder mehr Beschäftigung zu
chaffen, um wieder Menschen in Arbeit und Brot zu
ringen, werden nicht getroffen. Es geht dabei nicht al-
ein um die, die jetzt im Arbeitsprozess sind, auch wenn
ie ebenfalls Angst um ihren Arbeitsplatz haben, son-
ern um die 4,5 Millionen Arbeitslosen, die wieder eine
eschäftigung brauchen. Um diese Menschen müssen
ir uns genauso sorgen, vielleicht noch mehr als um je-
anden, der einen sicheren Arbeitsplatz als Präsident ir-
endeiner riesigen Anstalt mit 80 000 Mitarbeitern hat.
Herr Kollege Rossmanith, gestatten Sie eine weitere
wischenfrage, nämlich des Kollegen Brüderle?
Aber selbstverständlich, Herr Kollege.
Kollege Rossmanith, sind Sie bereit, mir darin zuzu-timmen, dass diese OECD-Studie, auf die sich Herrrandner beruft, noch ganz andere markante Sätze bein-altet? Ich zitiere einmal: Der Chefökonom der OECDarnt vor überzogenen Erwartungen. Wurzel bezweifelttwa, dass das Vorziehen der Steuersenkung 2004 einenositiven konjunkturellen Effekt hat, wenn sie nicht vollurch Ausgabenkürzungen, etwa Subventionsabbau,ompensiert wird.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6905
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Rainer BrüderleHundertprozentige Kompensation durch Ausgabenkür-zung ist also die Forderung der OECD. Das unterschla-gen Sie!Es heißt da weiter: Für einen nachhaltigen Auf-schwung braucht Deutschland nach Ansicht der OECD– alles wörtliches Zitat – eine dauerhafte Stärkung derBinnennachfrage. – Sie haben gehört, was Herr Clementdazu gesagt hat. – Dafür seien die Reformen unerlässlichund müssten unbedingt weitergeführt werden, auf demArbeitsmarkt wie bei der gesetzlichen Renten- undKrankenversicherung.Damit, Herr Kollege, wird durch Herrn Brandnerdoch ein völlig falscher Eindruck erweckt; er will vonder wahren Lage ablenken. Kommen Sie doch endlich inder Realität an!
Herr Kollege Brüderle, haben Sie eine Frage an Herrn
Rossmanith gestellt?
Frau Präsidentin, ich habe die Frage sehr wohl ver-
standen.
Ich bin dem Kollegen sehr dankbar dafür, dass er es mir
abgenommen hat, weite Teile der OECD-Studie vorzule-
sen. Ich wollte die Debatte hier nicht unnötig verlängern.
Herr Kollege Rainer Brüderle, ich kann Ihnen unein-
geschränkt zustimmen. Genau das ist es, was ich dem
Kollegen Klaus Brandner und vielen seiner Parteigenos-
sinnen und Parteigenossen vorwerfe, nämlich dass sie
eine Politik der Beliebigkeit betreiben, dass sie sich Stu-
dien immer zurechtbiegen,
so wie sich der Herr Bundesminister Eichel den Haushalt
so zurechtbiegt, wie er ihn gerade haben will. Wir kön-
nen dann im Januar sofort am Nachtragshaushalt für das
Jahr 2004 zu arbeiten beginnen. Diesen Haushalt jetzt in
zweiter und morgen in dritter Lesung zu beschließen ist
geradezu hanebüchen.
Wer sich damit befasst, der müsste über dieses Parlament
lachen. In dieser Debatte deutlich zu machen, was insbe-
sondere Bundeskanzler Schröder von sich gibt, der sich
gleichsam als neuer Ludwig XIV. aufführt und nach dem
Motto „Der Staat bin ich“ handelt, entspricht ja auch un-
serem Auftrag.
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Liebe Frau Präsidentin, Sie sind mir lieb und teuer.ch mag Sie persönlich auch sehr. Ich kritisiere Sie nicht,öchte aber feststellen, dass ich noch bei der Antwortar. Ich sage damit nur, was ich getan habe. – Ich dankehnen, Herr Brüderle, noch einmal sehr herzlich.
Herr Kollege Brandner, erinnern Sie sich noch an denahlkampf 2002? Sie haben eine geradezu kultischeeihehandlung im Deutschen Dom am Gendarmen-arkt vollzogen, als Sie das Hartz-Konzept vorstellten.ch habe mich gewundert, dass so viele Medien daraufereingefallen sind und dabei mitgemacht haben. Dennas kam heraus? – Nichts. Von einer Eins-zu-eins-Um-etzung von Hartz spricht keiner mehr.
ch möchte hier Bundesminister Clement fast etwas inchutz nehmen. Er bemüht sich ja ernsthaft. Zwarchafft er außer Ankündigungen auch nichts, doch sei-en Genossen geht es selbst noch zu weit, dass er über-aupt Ankündigungen macht. Denn wie verfahren sieit ihm? Auf dem Parteitag in Bochum straften sie ihnb. 44 Prozent der Parteigenossen sagten Nein zu demigenen amtierenden Wirtschaftsminister.
an muss sich wohl wirklich Gedanken darüber ma-hen, welche Stellung er noch in dieser Regierung und inieser Partei hat, die er mitvertreten soll.Der Haushaltsansatz Ihres Hauses, der am 2. Juli be-chlossen wurde – der Kollege Fuchtel ist ja schon da-auf eingegangen –, betrug 25 Milliarden Euro. Dannurden so einfach mir nichts, dir nichts 8 Milliardeninzugefügt. Jetzt haben wir fast 33 Milliarden – einnormer Zuwachs innerhalb von ganz wenigen Wochen.Auch der Kanzler nimmt Sie überhaupt nicht mehrrnst. Ich habe vorhin gesagt, dass er sich wie ein zweiterudwig XIV. verhält und nach dem Motto „Der Staat binch“ verfährt. Er schüttelt nämlich am Steinkohletag ein-ach so 16 Milliarden Euro aus dem Ärmel und sagt sieem Steinkohlebergbau zu. Das sind über 31 Milliarden
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6906 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Kurt J. RossmanithDeutsche Mark, um das auch noch einmal in der altenWährung zu sagen. Damit sollen 20 000 Arbeitsplätzegesichert werden. Es wird niemand gefragt, weder Sienoch das Parlament, das ja dies beschließen muss und da-für auch Verantwortung trägt. Es ist keine Vereinbarungoder irgendetwas anderes beschlossen worden; es liegtnoch nichts auf dem Tisch, aber der Genosse der Bossesagt schlicht und einfach schnell 16 Milliarden Euro zu.Zugleich nimmt er dem Mittelstand die Luft weg.Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet für daskommende Jahr – dazu haben Sie überhaupt nichts ge-sagt, Herr Bundesminister Clement – mit 43 000 Insol-venzen. Wir haben in diesem Jahr schon netto600 000 Arbeitsplätze verloren. Das interessiert Sie bzw.diesen Bundeskanzler aber überhaupt nicht.Für vieles andere haben Sie aber Geld. Ich will nurein kleines Beispiel nennen; Sie mögen es als Petitesseabtun, aber 200 000 Euro sind immerhin auch schon et-was; dafür kann man sich durchaus ein kleines Häuschenhinstellen.
– Bei mir im Allgäu ist das halt so. Da sind die Grund-stückpreise etwas höher.
– Und die Allgäuer werden allergisch, wenn Sie kom-men, Herr Kuhn.
Deshalb bleiben Sie lieber weg und verschonen Sie unsmit Ihrer politischen Anwesenheit.
Die Grünen stellen einen Antrag auf 200 000 Eurofür nachhaltigen Tourismus. Die Frage, was das eigent-lich sein solle, konnte niemand beantworten. Allerdingswurde dann erklärt, man wisse, wer wisse, was nachhal-tiger Tourismus sei. Aber beschlossen musste es werden.Dass es bei der Gemeinschaftsaufgabe etwas Bewe-gung gegeben hat, will ich positiv erwähnen, lieber Kol-lege Kröning. Auch die Wettbewerbshilfe für dieSchiffswerften ist ein wesentlicher Punkt. Ebenso willich die Luftfahrtförderung positiv erwähnen, auch wennes mehr hätte sein können. Sie wird ja gegenüber denvergangenen Jahren leicht zurückgefahren.Herr Bundesminister Clement, Sie haben den Exportangesprochen. Weltweit steigt der Export um 7,4 Pro-zent. Bei uns wird die Steigerung deutlich unter der5-Prozent-Marke liegen. Das heißt, auch hier sind wirmehr oder weniger im Minus, und das in einem Bereich,der uns noch einigermaßen über Wasser gehalten hat.dWILiDzdBCKumdTMGviwWtfHwddls
mmerhin erkennt er damit an, dass wir im Moment die
etzten in Europa sind und alles tun müssen, um wieder
n die Spitzenklasse Europas zu gelangen.
azu ist es notwendig, eine verantwortungsvolle Politik
u gestalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass
iese Bundesregierung ihre Arbeit schleunigst beendet.
Wir müssen den Einzelplan 09 zu unserem großen
edauern ablehnen.
Nächster Redner ist der Kollege Ernst Hinsken, CDU/
SU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen undollegen! Ein wesentlicher Teil der heutigen Debattend der Abstimmungen ist dem Handwerksrecht gewid-et. Deshalb möchte ich mich insbesondere der Novelleer Handwerksordnung zuwenden; denn kein andereshema hat das Handwerk in den letzten Wochen undonaten mehr beschäftigt als die Novellierung diesesesetzes.Die Änderung der Handwerksordnung ist derzeit inieler Munde, besonders in Handwerkskreisen. Noch niest in den Medien so viel Unfug über die Rolle des Hand-erks und über das Handwerk als Wirtschaftsgruppe inort, Schrift und Bild publiziert worden wie in den letz-en Wochen.Eines möchte ich in aller Deutlichkeit gleich eingangseststellen: Wir von der CDU/CSU sehen auch beimandwerksrecht dringenden Handlungsbedarf. Aber wirollen gemeinsam mit dem Handwerk eine Änderunger Handwerksordnung herbeiführen, die die Selbststän-igkeit fördert, den Zugang zum Handwerk europataug-ich macht, die Ausbildung sichert, die Verbraucherchützt und die Qualität in den Vordergrund stellt.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6907
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Ernst HinskenWir wollen eine Modernisierung der Handwerksordnungmit Verstand, Maß und Ziel, Herr Minister Clement.Qualität, Flexibilität und Nachhaltigkeit wollen wir glei-chermaßen sichern. Wir wenden uns deshalb massiv ge-gen einen Kahlschlag in der Handwerksordnung. Dennwas Sie von Rot-Grün und von der Bundesregierung pla-nen, sind in der Tat keine Nadelstiche mehr, sondernDolchstöße, die für das Handwerk lebensgefährlich sind.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Regierungs-entwurf zur Änderung der Handwerksordnung ist wahr-lich keine Meisterleistung, sondern ein ausgemachterPfusch. Ich werde den Eindruck nicht los, dass Sie damitIhren eigenen Pfusch zum Standard erklären möchten.Ein Blick auf die LKW-Maut und das Dosenpfand zei-gen dies ganz deutlich.
Jetzt ist die Handwerksordnung dran. Meine Damenund Herren, hierzu gibt es nur ein Fazit: Diese Bundesre-gierung denkt nichts richtig an, denkt nichts richtigdurch, denkt auch nicht richtig zu Ende und denkt schongar nicht an die Folgen. Meine Damen und Herren vonder Bundesregierung, Sie machen schon beim DenkenDenkfehler.
Sie, meine Damen und Herren, sind selbst die Fehler, diewir in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnenhaben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine richtigeHandwerksreform – ja. Ein europafester Meisterbrief –auch ja. Viele wettbewerbsfähige Betriebe – ebenso ja.Goldener Boden für das Handwerk, wie es früher hieß –auch ja. Aber das Kind mit dem Bade ausschütten undden Meistertitel über Bord werfen – grundsätzlich nein.
Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr ist mit43 000 Firmenpleiten mit einem neuen Pleitenrekordbeim Mittelstand zu rechnen. Darunter sind über 10 000Handwerksbetriebe. Das ist katastrophal. Die Bundesre-gierung verschließt davor die Augen. Diese 43 000 Be-triebe können auch nicht mehr ausbilden. Dadurch sindwiederum 80 000 Ausbildungsplätze flöten gegangen,wie mir Kollege Feibel noch einmal sagte.
Die Bundesregierung nimmt das einfach nicht zurKenntnis. Wenn Mittelständler, die vor Jahren nochzwölf Beschäftigte hatten, nunmehr nur noch zwei ha-ben, dann ist Feuer auf dem Dach. Der deutsche Mittel-stand ist nach über fünf Jahren Rot-Grün völlig ausge-blutet und steht mit dem Rücken zur Wand. Jetzt geratenauch gestandene Firmen, die sich zum Teil jahrzehnte-lang im harten Wettbewerb bewährt haben, in den Ab-wjbdWwichünawdnsHGdmhHLüwsCJmssStsjWmwAcnDHdBfMü
Meine Damen und Herren, Bundeskanzler Schröderäre gut beraten, den Mittelstand und das Handwerk sons Herz zu schließen, wie er das bei Holzmann, bei Bab-ock und bei Mobilcom getan hat. Beim Mittelstandätte er zumindest mehr Erfolg. Aber leider redet manber den Mittelstand nur und tut für ihn zu guter Letztichts.Lassen Sie mich, verehrte Kolleginnen und Kollegen,uf die aktuelle Lage bei der Novellierung der Hand-erksordnung eingehen. Dabei geht es um das Gesetz zuen Ich-AGs und die große Novelle zur Handwerksord-ung. Beide Gesetze müssen in einem engen Gesamtzu-ammenhang betrachtet werden. Deshalb begrüße ich,err Minister Clement, dass man bereit ist, die beidenesetze, zum einen die Handwerksordnung und zum an-eren das Kleinunternehmergesetz, zusammen im Ver-ittlungsausschuss zu beraten. Ich gehe davon aus, dassier vernünftige Grundlagen geschaffen werden, die demandwerk das Leben nicht erschweren, sondern ihm daseben erleichtern, damit die Betriebe in Zukunft besserber die Runden kommen.Ich meine, dass gerade bei den Ich-AGs darauf ver-iesen werden muss, dass sie bei weitem nicht das inich bergen, was vielfach behauptet wird. Herr Ministerlement, ich prophezeie Ihnen, dass wir im kommendenahr Tausende und Abertausende von Ich-AGs bekom-en werden, aber ich prophezeie Ihnen in diesem Zu-ammenhang auch, dass sie in drei Jahren, wenn sietaatlich nicht mehr subventioniert werden, wenn sieteuern zahlen müssen und verschiedene andere Belas-ungen wie die Normalbetriebe zu tragen haben, genausochnell wieder von der Bildfläche verschwinden, wie sieetzt ins Leben gerufen werden.
Ich frage Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen:ie soll zum Beispiel ein Friseur- oder ein Steinmetz-eister animiert werden, mehr Lehrlinge auszubilden,enn er weiß, dass diese nach der Ausbildung als Ich-Gler seine größten Konkurrenten werden? Sie brau-hen keine Meisterprüfung mehr, werden dafür aberoch durch den Staat subventioniert.
amit wird das Handwerksrecht systematisch durch dieintertür ausgehöhlt. Deshalb müssen die Ich-AGs aufen Bereich der bisherigen Anlage B beschränkt werden.ei in Anlage A befindlichen Berufen darf es keine ein-achen Tätigkeiten in Teilbereichen geben. Denn, Herrinister Clement: Wie wollen Sie diese Teilbereicheberhaupt abgrenzen? Wie wollen Sie überprüfen, ob
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6908 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Ernst Hinskensolche Arbeiten, die in Zukunft nach drei Monaten aus-geführt werden dürfen, erlernt wurden und das Erlernteausreicht?
Zudem ist klarzustellen, dass die Gewerke des Hand-werks nicht atomisiert werden dürfen. Es ist deshalb einKumulationsverbot bei den einfachen Tätigkeiten er-forderlich. Wenn die Position des Handwerks durch dieIch-AG systematisch untergraben wird, dann ist die ge-samte HwO-Novelle nur noch eine Farce. Unsere Deviselautet immer: Nicht gegen, sondern mit dem Handwerkwollen wir den modernen, dynamischen, zukunftstaugli-chen und europafesten Meister schaffen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einige wenige wich-tige Punkte ansprechen. Der Vorschlag der Bundesregie-rung, für eine Einstufung in die Anlage A nur das Krite-rium „Gefahrengeneigtheit“ heranzuziehen, bedeutetdie Abschaffung des Meisterbriefs und das Ende seinereinzigartigen Erfolgsgeschichte. Zudem wird einer derbedeutendsten Ausbildungsmotoren unserer Wirtschaftbrutal abgewürgt und das duale System, um das uns dieganze Welt beneidet, völlig an die Wand gefahren. Dasmachen wir nicht mit.
Für die Union ist es deshalb unverzichtbar, weitereKriterien für die Einstufung der Gewerke in dieAnlage A zuzulassen. An erster Stelle sind hier zusätz-lich die Ausbildungsleistung und der Schutz wichtigerGemeinschaftsgüter zu nennen. – Herr Kollege Brüderle,ich bedanke mich, dass Ihre Ausführungen in die gleicheRichtung gingen. – Nur damit ist das Handwerk auchweiterhin noch in der Lage, die dringend benötigtenAusbildungsplätze für unsere Jugendlichen anzubieten.Wir dürfen doch nicht übersehen, dass das Handwerkderzeit rund 527 000 jungen Menschen den Einstieg inihre berufliche Zukunft bietet. Das Handwerk ist derAusbildungsmotor Nummer eins in der BundesrepublikDeutschland. Dafür sollten wir dankbar sein. Wir solltenaber nicht das Handwerk bestrafen.
Ich fordere Sie, verehrter Herr BundesministerClement, und ebenso die Fraktionen von SPD und Grü-nen auf, im Interesse der Ausbildung unserer Jugend denhier eingeschlagenen falschen Weg zu verlassen und um-zukehren. Noch ist es nicht zu spät. Mit einem Kahl-schlag bei den Meisterberufen, wie er bisher von Rot-Grün geplant ist, wird sich die wirtschaftliche TalfahrtDeutschlands weiter beschleunigen. Wer glaubt, nach ei-ner Zerstörung handwerklicher Strukturen werde es einhöheres Wirtschaftswachstum geben, der ist völlig aufdem Holzweg.
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m Interesse des Erhalts und des Ausbaus der wirtschaft-chen Leistungsfähigkeit und der Ausbildungsfähigkeiter Handwerksbetriebe kann nicht auf die Forderungerzichtet werden – das ist der entscheidende Punkt,err Kollege Kuhn –, dass ein solcher Geselle, der dieoraussetzungen erfüllt, wenigstens den Nachweis er-ringen muss, dass er etwas von Ausbildung und vonetriebsleitung versteht.
Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr.
ie haben Ihre Redezeit deutlich überzogen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzent-
urf, eingebracht von der Bundesregierung, kann unter
einen Umständen unsere Unterstützung finden.
ir werden im Vermittlungsausschuss versuchen, dass
ie Regierenden – momentan sind es die Roten und die
rünen –, die in diesem Gremium sitzen, auf den Pfad
er Tugend zurückgeführt werden –
Herr Kollege, Sie sprechen auf Kosten Ihres Frak-
ionskollegen, der nach Ihnen noch spricht.
– und dass somit sichergestellt wird, dass sich das
andwerk weiterhin behaupten kann.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Christian Lange,
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir heuteber den Haushalt des Bundeswirtschaftsministers spre-hen und dass gleichzeitig die zweite und dritte Lesunger Novelle zur Handwerksordnung auf der Tagesord-ung steht. Im Mittelpunkt muss dabei stehen: Was kannie aufkeimenden konjunkturellen Besserungen unter-
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Christian Lange
stützen und was nicht? Verehrter Herr Kollege Hinsken,was das Handwerk noch mehr umtreibt als die Hand-werksordnung, ist die Frage: Wie können wir die Bin-nenkonjunktur in Deutschland ankurbeln, damit es mehrAufträge für das Handwerk gibt?
Meine Damen und Herren von der Opposition, HerrHinsken, wenn Sie schon den Wirtschaftsinstituten nichtglauben, dann sollten Sie zumindest dem Zentralverbanddes Deutschen Handwerks glauben. Lassen Sie michdeshalb eine Presseerklärung von Herrn Philipp vom12. November 2003 zitieren. Er sagt:Ein Scheitern der noch im parlamentarischen Ent-scheidungsprozess befindlichen Reformen hätte in-sofern katastrophale Folgen. Dies gilt insbesonderefür das Vorziehen der Steuerentlastungsstufe 2005als ersten Schritt in eine grundlegende Steuerreformmit weiteren Entlastungen und Vereinfachungen.Ich sage Ihnen: Herr Philipp und das deutsche Hand-werk haben Recht. Deswegen hätte ich von Ihnen erwar-tet, dass Sie hier ein klares Bekenntnis zum Vorziehender Steuerreform ablegen.
Deutschland ist zwar Exportweltmeister. Aber um dieBinnenkaufkraft zu stimulieren, müssen wir es errei-chen, dass ein Familienvater mit zwei Kindern – derBundeskanzler hat dies in seiner Regierungserklärungdeutlich gemacht – erst ab einem Einkommen von37 500 Euro den ersten Euro zu versteuern hat. Sie allewissen: Wenn wir über das Handwerk reden, dann spre-chen wir über Personengesellschaften und damit überUnternehmen, die nach dem Einkommensteuerrecht ver-anlagt werden. Sie warten darauf, dass sie erst ab einemEinkommen von 37 500 Euro den ersten Euro versteuernmüssen. Das ist Politik für das Handwerk. Wir erwartenvon Ihnen, dass Sie dem zustimmen.
Sie nehmen zwar die Auffassungen der Institute nichtzur Kenntnis; aber zumindest Folgendes muss ich Ihnenvorhalten dürfen: Das Zentrum für Europäische Wirt-schaftsforschung hat den Fokus auf das Handwerk ge-richtet und festgestellt: Die Entwicklung der Unterneh-mensgründungen im Handwerk bleibt deutlich hinterder Entwicklung der Unternehmensgründungen imNichthandwerk zurück. Dies gilt für alle hier betrachte-ten Wirtschaftszweige, unabhängig vom Technolo-giegrad und unabhängig davon, ob die Branchen der In-dustrie oder dem Dienstleistungssektor zuzurechnensind. Es ist kein Zufall, dass wir im Handwerk leider nureine Gründungsquote von 4 Prozent und in anderen Be-reichen von 13 Prozent haben. Deshalb brauchen wirmehr Luft und etwas mehr Freiheit in der Handwerks-ordnung. Unsere Novelle ist daher ein Beitrag zur Förde-rung des Handwerks in Deutschland und nicht das Ge-genteil.osndOIdng1wDnblb–Lcvuttd„B
Damit bin ich beim Kern der Novelle zur Handwerks-rdnung, die wir heute in zweiter und dritter Lesung be-chließen werden. Unser Ziel ist es, die Handwerksord-ung zukunftssicher und europafest zu machen. Beiiesem Punkt muss ich mich auch einmal der kleinerenpposition zuwenden, verehrter Herr Kollege Brüderle.ch weiß nicht, ob Sie die Beschlusslagen in Ihren Lan-esverbänden oder gar die Ihres Parteivorsitzenden ken-en. Ich will einmal mit der Beschlusslage in Hessen be-innen. Auf dem hessischen Landesparteitag wurde am5. November dieses Jahres beschlossen:Die FDP Hessen schätzt den Meisterbrief als Aus-druck hohen Ausbildungsstands und Qualität imdeutschen Handwerk. Dieses Qualitätsniveau ist sohoch, dass es keiner wettbewerbshemmenden Vor-schriften bedarf. Die FDP Hessen fordert deshalbeine weitestmögliche Liberalisierung der deutschenHandwerksordnung. Grundsätzlich abzuschaffen istder Zwang zum Meisterbrief für einen selbstständi-gen deutschen Handwerker, dessen in Deutschlandtätiger EU-Kollege den Meisterbrief nicht benötigt.Genau in diese Richtung versuchen wir das Hand-erk mitzunehmen und es europafest zu machen.
enn wenn wir das nicht täten – das wissen Sie ganz ge-au –, wird der Europäische Gerichtshof beim Meister-rief einen Strich durch die Rechnung machen. Das wol-en wir nicht; denn er hat sich im Kern bewährt. Deshalbrauchen wir eine Novelle zur Handwerksordnung.
Herr Kollege Lange, einen kleinen Augenblick bitte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem Kollegen
ange spricht noch ein Redner. Sie können Ihre Gesprä-
he also durchaus noch in die Lobby vor dem Plenarsaal
erlegen. Dann könnten wir in Ruhe dem Herrn Lange
nd dem Herrn Fuchs zuhören.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich hoffe, dass ichrotz des Geräuschpegels durchdringe.Herr Kollege Brüderle, ich will Ihnen noch ein zwei-es Zitat – aus Ihrer eigenen Fraktion – vorhalten, dases Kollegen Westerwelle, der in seiner PositionsschriftFür die freie und faire Gesellschaft“ einen interessanteneitrag zum Handwerk geleistet hat. Darin schreibt er:Es ist unfair, wenn jeder einen Laden aufmachenkann, um Computer zu reparieren, aber derjenige,der einen Laden aufmacht, um Schuhe herzustellen,einen Meisterbrief braucht.
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Christian Lange
Wenn das kein Widerspruch ist, dann fordere ich dieFDP-Fraktion auf, der Novelle der Handwerksordnungzuzustimmen. Genau das ist unser Ansatz.
Der Meister wird übrigens in Zukunft nicht nur ge-stärkt, sondern er wird in Deutschland auch häufigervorkommen. Kern der Novelle der Handwerksordnungist es, den Meisterbrief als Qualitätssiegel Nummer einsin Deutschland zu etablieren. Das ist das Ziel dieser No-vellierung. Deshalb wird es in Deutschland durch dieseNovelle am Ende mehr Meister geben als je zuvor.
Wir werden dafür sorgen, dass nicht nur diejenigen,die unter Anlage A der Handwerksordnung fallen, einenMeisterbrief machen können, sondern auch all diejeni-gen, die unter Anlage B fallen und ihn heute nicht ma-chen können. Der Verbraucher wartet darauf, ein Signaldafür zu bekommen, wer gute und wer schlechte Arbeitleistet. Genau das machen wir.
Deshalb wundere ich mich, dass Sie, Herr KollegeHinsken, den langjährigen Gesellinnen und Gesellenein solch starkes Misstrauen entgegenbringen. VerehrterHerr Kollege Hinsken, Sie kennen offensichtlich die be-rufliche Praxis in Ihrem eigenen Laden nicht. Ich weißja, dass Sie Bäckermeister sind.Diejenigen, die eine mehr als 10-jährige Berufserfah-rung haben – und das womöglich auch noch in herausge-hobener Stellung – bilden das Rückgrat der kleinenHandwerksbetriebe. Diesen wollen wir es ermöglichen,dass sie, statt ein Leben lang Angestellte bleiben zu müs-sen, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und sichselbstständig machen können. Diese sind heute dasRückgrat der Meisterbetriebe.
Diese sollen auch in Zukunft selbstständig sein können.Ich glaube, auf diesem Gebiet brauchen wir in Deutsch-land dringend mehr Dynamik.
Deshalb ist es Sinn und Zweck unseres Gesetzentwur-fes, von den ursprünglich 94 Handwerken in Zukunft nurnoch 29 der Anlage A zu unterwerfen. Das sind 414 300Betriebe. 62 Prozent davon sind Handwerksbetriebe undhandwerksähnliche Betriebe. Diese werden auch zu-künftig der Anlage A unterliegen.Unserer sozialdemokratischen Fraktion ist die Quali-tät der Ausbildung ein ganz besonderes Anliegen. Siesind darauf eingegangen.wepTwlFSkbwsSmmidUdzDdQDtdnVfsAd
Ich sage Ihnen: Mein Bundesland Baden-Württem-erg – und allen voran die IG-Metall – sorgt dafür, dassir für jedes betriebliche Problem eine passgenaue Lö-ung finden.
Deswegen sage ich Ihnen: Wer für immer wenigertaat sorgen will, der muss bitte schön zur Kenntnis neh-en, dass die Tarifautonomie Deutschland stark ge-acht hat. Sie ist staatsfrei und muss diesen Status auchn Zukunft behalten. Sie ist ein Erfolgsrezept für dieeutsche Wirtschaft.
Ich war beim Thema Ausbildung stehen geblieben.ns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten liegtie Qualität der Ausbildung ganz besonders am Her-en.
eshalb ist mir wichtig, in dieser Debatte zu sagen, dassurch die Novellierung der Handwerksordnung an derualität der Ausbildung nicht gerüttelt wird.
as ist deshalb von so großer Bedeutung, weil die Quali-ät der Ausbildung im Handwerk durch das Berufsbil-ungsgesetz sichergestellt wird. Wir – das wissen Sie ge-au – ändern an § 76 des Berufsbildungsgesetzes, der dieoraussetzungen für die Berechtigung zur Ausbildungestlegt, nichts. Wir haben das auch nicht vor. Deshalbtellen Sie bitte schön Ihre Propaganda ein. Denn dieusbildungsbetriebe im Handwerk werden nicht durchen Gesetzentwurf verunsichert, sondern durch Ihr Ge-
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Christian Lange
rede wider besseres Wissen. Ich bitte Sie in unserem ge-meinsamen Interesse, damit endlich aufzuhören.
Ich sage dies auch deshalb, weil wir es in Bezug aufdie Ausbildung in den nächsten drei bis fünf Jahren mitgeburtenstarken Jahrgängen zu tun haben werden. Da-nach wird die Welt anders aussehen; das wissen Sie. DieBetriebe werden um jeden Auszubildenden froh sein,weil diese dafür sorgen können, dass der Betrieb weiter-hin bestehen bleibt.
Auszubildende sind also ein wichtiger wirtschaftlicherVorteil für jedes Unternehmen. Deshalb bitte ich Sie,Ihre Propaganda einzustellen. Sie ist weder im Interesseder Jugendlichen in Deutschland, noch der Unternehme-rinnen und Unternehmer.
Zum Schluss möchte ich, Herr Kollege Hinsken, dasThema Ich-AG aufgreifen. Ich wundere mich sehr, aufwelche Weise Sie versuchen, die Kleinunternehmer inunserem Land zu diffamieren.
Die meisten Unternehmer in Deutschland haben kleinangefangen. Darüber, dass diejenigen, die aus der Lang-zeitarbeitslosigkeit herauskommen wollen, es ganz be-sonders schwer haben, brauchen wir uns doch wohl nichtzu unterhalten. Sie aber äußern sich über diese Men-schen schlecht. In den Redebeiträgen heute war das nichtder Fall, aber ich erinnere mich an Ihre Veranstaltungunweit von hier. Auf dieser Veranstaltung haben Sie die-jenigen, die eine Ich-AG gegründet haben, als Unterneh-merproletariat bezeichnet. Diese Menschen haben all ih-ren Mut zusammennehmen müssen und Unterstützungerfahren, um ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen zukönnen. Solche Sprüche sind schon happig.
Ich bin mir nicht sicher, ob Ludwig Erhard eine solchePosition seiner Partei unterstützt hätte. Ludwig Erhardwürde sich im Grabe umdrehen, wenn er mitbekommenwürde, wie Sie mit Leuten umgehen, die den Mut auf-bringen, sich selbstständig zu machen.
Ich komme zum Schluss. Wir werden mit der so ge-nannten kleinen Handwerksnovelle sicherstellen, dassdie Ich-AG auf einem guten Weg ist. Wir werden dafürsorgen – ich greife auf, was Sie zu den anstehenden Ver-handlungen im Vermittlungsausschuss gesagt haben –,dass wir bei der großen Novelle zu einem Kompromisskommen. Dabei haben wir immer fest im Auge, dass wirmehr Wachstum und mehr Dynamik in der deutschenWirtschaft brauchen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.DgsHztBwembImJpedmgrisJhes2bDnnkl1inhnUw
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
r. Michael Fuchs, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-en! Die heutige Debatte über den Haushalt für Wirt-chaft und Arbeit kann man so zusammenfassen: Deraushalt ist genauso katastrophal wie die Arbeitslosen-ahlen, die Sie mit Ihren Haushalten, Herr Bundesminis-er, produziert haben.
Herr Bundesminister, lieber Herr Clement, in vielenereichen wollten Sie Besseres erreichen – das wissenir –, man hat Sie nur nicht gelassen. Das haben Sieben in Ihrer Rede dadurch deutlich gemacht, dass Sieehrmals den Oppositionspolitiker Kuhn erwähnt ha-en. Man sieht, wo die wahre Opposition gegen Ihredeen ist. Aber auch das, was Ihre Partei seit einiger Zeitit Ihnen macht, finde ich nicht besonders nett. Deruso-Vorsitzende Annen zum Beispiel hat Sie als Su-erankündigungsminister bezeichnet.Am 7. November 2002 haben Sie gesagt: Es ist dasrste große Gesetz, – es ging um Hartz I und Hartz II –,as zu tief greifender Strukturveränderung des Arbeits-arktes in Deutschland führen wird. Ich muss Sie fra-en: Wo sind denn die tief greifenden Strukturverände-ungen? Was hat sich denn verändert? Was mussten wirn diesem Jahr alles erleben: Die Arbeitslosenzahlenteigen in die Höhe. Der Haushaltsentwurf für dasahr 2004 wird mit Sicherheit nicht einzuhalten sein. Sieaben 13,4 Milliarden Euro für die Arbeitslosenhilfeingeplant. Diesen Betrag werden Sie wie schon in die-em Jahr auch im nächsten Jahr überschreiten. Es sollte003 keinen Bundeszuschuss zur Bundesanstalt für Ar-eit geben, jetzt wird er bei 8 Milliarden Euro liegen.as wird auch im nächsten Jahr so sein.Von einer Belebung des Arbeitsmarktes können wiricht mehr sprechen. Die Beschäftigungsschwelle liegtach wie vor bei über 2 Prozent Wachstum. Es wird alsoeine Bewegung in den Arbeitsmarkt kommen, schließ-ich wird das Wachstum, wie Sie selbst sagen, bei,7 Prozent liegen.Die Situation bei der Entwicklung der Arbeitsplätzest ziemlich dramatisch. Die Präsidentin hat mir acht Mi-uten Redezeit zugestanden. In diesen acht Minuten ge-en in Deutschland acht Arbeitsplätze verloren, pro Mi-ute einer. Das ist der Erfolg Ihrer Politik.
nd was macht Ihre Partei, Herr Clement? Fundamentalichtige Reformen am Arbeitsmarkt, wie die Eröffnung
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6912 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Dr. Michael Fuchsder Möglichkeit betrieblicher Bündnisse für Arbeit oderausreichende Änderungen beim Kündigungsschutz, wer-den von den gewerkschaftshörigen Traditions- und Ver-hinderungsbataillonen bis zum heutigen Tag blockiert.
Deswegen werden wir nicht mitmachen, falls Sie nur dieSteuerreform durchführen wollen. Nein, gerade auf demArbeitsmarkt müssen Sie Veränderungen schaffen.
Permanente Ankündigungen gibt es auch beimThema Bürokratieabbau, das Sie als Erfolgsstory vor-hin ein wenig katalogisiert haben. Ich bin etwas tiefer hi-neingegangen. Bei der Arbeitsstättenverordnung habenSie beispielsweise etwas getan, jawohl. Sie haben 58 Pa-ragraphen auf zehn reduziert. Trickreich, wie Sie sind,haben Sie den Inhalt dieser 58 Paragraphen anschließendaber ganz einfach in Verordnungen hinübergeschoben.Es hat sich also gar nichts verändert.
Daneben wollen Sie einen Ausschuss für Arbeitsstät-ten aus Vertretern der Arbeitgeber, der Gewerkschaften,der Länder und noch weiteren Personen bilden. Wir ha-ben ja noch nicht genug Ausschüsse in diesem Lande!Dieser soll Regeln für Arbeitsstätten aufstellen. Schaffenwir so Bürokratie ab oder bauen wir neue auf? Nichts an-deres, als neue aufzubauen, tun wir.
Meine Damen und Herren, ich muss noch einmal aufdie Sparquote in Deutschland zu sprechen kommen.Wir haben in unserem Land eine nie gekannte Privat-sparquote. Sie ist von 2000 bis 2003 von 9,8 Prozent auf11,0 Prozent gestiegen. Zum Vergleich sollte man sichdie letzte Legislaturperiode unter Kohl anschauen; Sietun das sonst immer besonders gerne. Von 1992 bis 1998ist die Sparquote von 13 Prozent auf 10,3 Prozent gesun-ken. Wissen Sie, warum das so war? Das war so, weil dieMenschen damals noch Zutrauen in die Regierung hat-ten,
weil sie gewusst haben, dass etwas passiert und dass sieihr Geld ausgeben konnten, ohne Angst haben zu müs-sen.
Ich will Ihnen das belegen. Ich kann jeden Bürger,jede Bürgerin, jeden Unternehmer und jede Unternehme-rin verstehen, wenn nicht investiert und kein Geld ausge-geben wird. Schauen wir uns – ich mache es mir jetztganz einfach – nur die letzten vier Wochen an:In der 43. Woche sagte Herr Eichel: Die Renten müs-sen besteuert werden. In der 44. Woche sagte HerrSchily: Auch bei Beamten wird es zu Rentenkürzungenin Form von erhöhten Pflegebeiträgen kommen. In der4eIRmzt4mwgCwmwbGiFWDwzmADdwwwlUumausDesWH
em will ich nur noch hinzufügen: Ich hätte sie gar nichtrst eingestellt.
Ich schließe die Aussprache.
Für eine persönliche Erklärung nach § 31 unserer Ge-
chäftsordnung gebe ich dem Kollegen Laumann das
ort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen underren! Nach § 31 unserer Geschäftsordnung erkläre ich
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Karl-Josef Laumannzugleich im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktionzu unserem Abstimmungsverhalten zum Antrag der FDPauf Drucksache 15/2088 zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Wirtschaft und Arbeit Folgendes:Die von der Bundesregierung und den Koalitionsfrak-tionen vorgesehenen Festlegungen für eine Anschlussre-gelung zur Förderung der Steinkohle sind weder im Ver-fahren noch in der Höhe akzeptabel. Für die festgelegteGrößenordnung der Anschlussregelung hat es weder dienotwendige parlamentarische Beratung gegeben,
noch liegen die Finanzierungszusagen der betroffenenBundesländer Nordrhein-Westfalen und Saarland in denangegebenen Größenordnungen vor. Wir lehnen dieseFestlegungen ab und stimmen daher dem Änderungsan-trag der FDP zu.
Zugleich weisen wir darauf hin,
dass wir selbstverständlich eine Anschlussregelung fürdie Förderung der Steinkohle nach Auslaufen der derzei-tigen Regelung 2005 für notwendig halten und unterstüt-zen.
– Hören Sie doch einmal zu!
Herr Kollege Laumann, Sie geben eine persönliche
Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung ab. Sie
sollten sich an eine persönliche Erklärung zur Abstim-
mung halten.
Genau das ist es. Es ist eine Anschlussregelung not-
wendig, mit der die bisherige Degressionslinie der För-
derung der Steinkohle in den letzten Jahren auch für ei-
nen nächsten überschaubaren Zeitraum festgelegt wird.
Schönen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan09, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, in derAusschussfassung. Dazu liegen persönliche Erklärungenvon 36 Abgeordneten vor.1)Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDPauf Drucksache 15/2088 vor, über den wir zuerst abstim-men. Die Fraktion der FDP verlangt namentliche Ab-stimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind diePölgsudllFewsWnGIs–eaauGWwms1WßhgsAfADkGlmmfF„fle1) Anlage 2
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Vollmer:legen, die unterbrocheneu Protokoll, dass die Ab-öning eine Erklärung zurAGbbuAhgt1)homas Dörflingerarie-Luise Döttaria Eichhornainer Eppelmannnke Eymer
eorg Fahrenschonse Falkr. Hans Georg Faustlbrecht Feibelgrid Fischbachartwig Fischer
irk Fischer
r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Peter Gauweilerr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischichael Glosalf Göbelr. Reinhard Göhneranja Gönnereter GötzSUMJEPRKJHSDPBSIBSVGEJJKMHTRMGGDDbstimmung zu Tagesordnungesetz zur Änderung der Hanen haben, wonach sie sich den.1)Ich gebe Ihnen nun das vond Schriftführern ermittelte Ebstimmung bekannt. Abgegebaben gestimmt 286, mit Neinab keine Enthaltungen. Der Äion der FDP ist somit abgelehnAnlage 3iegfried Heliasda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbaueroachim Hörsterubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrrof. Dr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampeterrmgard Karwatzkiernhard Kaster
olker Kaudererlinde Kaupackart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerristina Köhler
anfred Kolbeartmut Koschykhomas Kossendeyudolf Krausichael Kretschmerünther Krichbaumünter Kringsr. Martina Krogmannr. Hermann KuesDDSCDWDDFLDMHKMSBDHBMGDFEMRDUDSDB
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CSU):lleginnen und Kollegen!meiner Frau darüber ge-m Einzelplan 15 reden: Landesverrat!)um Inhalt dieses Einzel-]: Ja, was sagt Frau)Bernd Scheelen Wolfgang ThierseFranz Thönnes Kerstin Andreae Ursula SowaHeinz PaulaJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeKarin Rehbock-ZureichGerold ReichenbachDr. Carola ReimannChristel Riemann-HanewinckelWalter RiesterReinhold RobbeRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth
Michael Roth
Gerhard RübenkönigOrtwin RundeMarlene Rupprecht
Thomas SauerAnton SchaafAxel Schäfer
Gudrun Schaich-WalchGerhard SchröderBrigitte Schulte
Reinhard Schultz
Swen Schulz
Dr. Angelica Schwall-DürenDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltLudwig StieglerRolf StöckelChristoph SträsserRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJörg TaussDr. Gerald ThalheimDJDLIDAJHDBEBDVWHUMDB
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Ich denke, meine Frau hat Recht:
Es lohnt sich nicht, über den Haushalt zu reden, weil derHaushalt eigentlich das Papier nicht wert ist, auf dem ersteht.
In einem Haushalt sind normalerweise die zu erwar-tenden Soll-Einnahmen und -Ausgaben aufgeführt. DerHaushalt 2004 aber enthält Wunschzahlen, die mit derRealität wenig zu tun haben.
Ich will Ihnen gern an dem Beispiel des Einzelplan 15aufzeigen, warum das so ist. In diesem Einzelplan ist eineglobale Minderausgabe in Höhe von 157,7 MillionenEuro ausgewiesen. Ich frage Sie, Frau Ministerin undFrau Lehn als Hauptberichterstatterin: Wie sollen diese157,7 Millionen Euro aufgelöst werden?
Das scheint auf den ersten Blick kein Problem zusein. Denn gemessen am gesamten Haushalt des Bun-desministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung,der 83,65 Milliarden Euro umfasst, entsprechen die157,7 Millionen Euro einem Anteil von lediglich0,19 Prozent. Das aufzulösen scheint einfach zu sein.
Aber vielleicht sollte man einen genaueren Blick aufdie Struktur des Haushaltes werfen. Ich beginne bei demgrößten Posten, dem Kap. 15/13 – Sozialversicherung –mit einem Volumen von 79,1 Milliarden Euro. Hierbeihandelt es sich im Wesentlichen um die Zuschüsse an dieRentenkasse und zukünftig auch an die Krankenkassen.Die Titelausgaben in diesem großen Kapitel stehen imWesentlichen fest, sodass mir die Auflösung einer globa-len Minderausgabe an dieser Stelle nicht möglich er-scheint.Im Gegenteil: Gerade bei diesem Kapitel bestehen er-hebliche Haushaltsrisiken. Bei Umsetzung der politi-schen Zielsetzung eines Rentenbeitragssatzes von 19,5Prozent fehlen den Rentenkassen 2004 8 MilliardenEuro. Zur Gegenfinanzierung soll wieder einmal – zumdritten Mal in Folge – auf die Schwankungsreserve zu-rückgegriffen werden, die nun auf einen Zielwert von20 Prozent der Monatsausgabe einer Rentenzahlung ge-senkt wird.
f2sDBsbvnBZwAVcmZgddd2IdncFdgKddipnüEü
Die Gefahr, dass das passiert, ist real, schon weil Sieei dieser Rechnung von einem Wirtschaftswachstumon 1,7 Prozent und 4,3 Millionen Arbeitslosen imächsten Jahr ausgehen. Der Sachverständigenrat desundeswirtschaftsministers hat aber schon zu diesemeitpunkt festgestellt, dass nur mit einem Wirtschafts-achstum von 1,5 Prozent bei einer größeren Zahl vonrbeitslosen, nämlich 4,4 Millionen, zu rechnen ist.Aus diesem Grund werden die im Haushalt 2004 zurerfügung stehenden Mittel wahrscheinlich nicht ausrei-hen, sodass die Bundesgarantie greifen muss. Deshalbeine ich, dass das Kap. 15/13 das Papier, auf dem dieahlen stehen, nicht wert ist. Eine globale Minderaus-abe ist an dieser Stelle nicht aufzulösen.
Im Übrigen ist Folgendes interessant – das will ich anieser Stelle erwähnen –: Das Haushaltsbegleitgesetz,as zurzeit dem Bundesrat zur Beratung vorliegt, enthältie Vorschrift, dass der Bundeszuschuss umMilliarden Euro gesenkt wird.
ch frage mich, was passiert, wenn der Bundesrat
em Wunsch von Rot-Grün folgt.Im Übrigen fand ich es im Verlauf dieses Jahres span-end, dass die Abgeordnete Ulla Schmidt, ihres Zei-hens auch Bundesministerin, noch an dem bewusstenreitag namentlich der Senkung zugestimmt, aber amarauf folgenden Montag in der Klausurtagung dagegenearbeitet hat. Wissen Sie überhaupt, was Sie wollen?
Ich komme zum nächsten großen Haushaltskapitel,riegsopferfürsorge, das ein Volumen von 3,4 Milliar-en Euro aufweist. Ich habe in den letzten Jahren erlebt,ass Sie dieses Kapitel immer als Sparbüchse benutzen,n der Regel mit dem Argument, alle Titel in diesem Ka-itel seien gegenseitig deckungsfähig, weswegen esicht so schlimm sei, wenn ein Titel, anders als geplant,berschritten werde. Im Jahre 2002 führte dies zu demrgebnis, dass ein Haushaltstitel um 61 Millionen Euroberschritten worden ist.
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6918 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Dr. Michael LutherSie haben dann aber im letzten Jahr, um die Pockenimpf-stoffe zu finanzieren, aus diesem Kapitel einfach einmal13 Millionen Euro herausgekürzt, was irgendwie gingund nicht weiter auffiel.
Das Volumen dieses Kapitels ist relativ groß. Wassind da schon 13 Millionen Euro? Im Jahre 2003 undvermutlich auch im Jahre 2004 werden die wesentlich zuniedrigen Ansätze nicht ausreichen, sodass es hier zuüberplanmäßigen Ausgaben kommen wird. Aus diesemGrunde kann man auch an dieser Stelle keine globaleMehrausgabe auflösen.Dieses Beispiel für den Umgang mit dem Haushaltmacht sehr deutlich, dass Rot-Grün etwas unter Reali-tätsverlust leidet.
Der Haushaltsplan ist nichts weiter als eine Wunschvor-stellung von Rot-Grün. Dies lässt sich im Hinblick aufden gesamten Haushalt damit dokumentieren, dass Sienoch im Frühjahr 2003 einen Haushalt mit einer Neuver-schuldung von 18,9 Milliarden Euro aufgestellt haben.Ein halbes Jahr später müssen wir feststellen, dass Siesich um 24,5 Milliarden Euro verschätzt haben.
Wer so Haushaltspolitik betreibt, dem braucht mannichts zu glauben.
Unter diesen Umständen war der Haushaltsentwurf fürdas Jahr 2003 nichts wert. Genauso ist es mit dem Haus-haltsentwurf für 2004; auch er wird nichts wert sein.
– Das Schöne dabei ist, dass meine Frau im Gegensatzzu Ihnen das, was ich hier sage, versteht. Sie sagt auch,dass man das so nicht machen kann.
Auch bei diesem Kapitel wird es also schwierig sein,eine globale Minderausgabe seriös aufzulösen.Zum Bundesministerium gehört noch eine Reihe vonInstituten: das BfArM, die Bundeszentrale für gesund-heitliche Aufklärung, das Paul-Ehrlich-Institut, dasRobert-Koch-Institut, das DIMDI, das Bundesversi-cherungsamt und das Bundessozialgericht. Das Budgetdieser Institute beträgt insgesamt 206 Millionen Euro.Ich warne nachdrücklich davor, hier eine globale Min-derausgabe auflösen zu wollen. Das RKI hat eine großeVhtennEs–SwmnkPedDbzeadtueHBhliIsfFdkPnüptennWBmz
eispiel Öffentlichkeitsarbeit: Im Vergleich zum Haus-altstitel im Jahr 2003 werden die Mittel für die Öffent-chkeitsarbeit im Jahr 2004 um 21 Prozent aufgestockt.ch meine, dass hier ein schrödersches Politikprinzipichtbar wird: Je schlechter die Politik, desto mehr Öf-entlichkeitsarbeit!
rau Schmidt, halten Sie die Menschen eigentlich fürumm? Sie sollten lieber gute Politik machen. Dannönnen die Menschen selber erkennen, was ihnen dieolitik in ihrem täglichen Leben bringt, und dann kön-en Sie die Öffentlichkeitsarbeit getrost den Medienberlassen, die das, was wir hier tun, intensiv begleiten.
Nach meiner Meinung kann man sich auch den ge-lanten Neubau in Bonn ersparen. Die Begründung lau-t nämlich – hören Sie einmal aufmerksam zu – : Er istötig, weil der Büroraum in Bonn nach dem Umzugach Berlin nicht mehr ausreicht.
enn es in Zeiten knapper Kassen gelingen würde, denüroraum in Berlin effektiver zu nutzen, dann könntean sich – erstens – den Neubau ersparen und würde –weitens – im Titel Dienstreisen, der in Folge des Dop-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6919
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Dr. Michael Lutherpelstandorts des Ministeriums in Bonn und Berlin stän-dig anwächst, etwas einsparen.
Einsparen kann die Ministerin ebenfalls bei den Mo-dellprojekten. Wozu braucht Deutschland Erkenntnisseüber die „Wirkungskontrolle im Rahmen der Armut- undReichtumsberichterstattung“ oder über die „soziale Aus-grenzung im internationalen Kontext“? Das ist mir imBerichterstattergespräch nicht deutlich geworden.
Ich meine, dass man in Zeiten knapper Kassen bei einpaar solcher Modellprojekte einsparen kann.
In den Kapiteln 15 01 und 15 02 sind, wie gesagt, großeEinsparpotenziale vorhanden. Bei einem Gesamtvolumenvon 755 Millionen Euro muss aber berücksichtigt werden,dass gesetzliche Leistungen, wie die Erstattung vonFahrgeldausfällen gemäß §§ 145 ff. SGB IX in Höhevon 220 Millionen Euro oder die vertraglich gebundenenPflegeeinrichtungsinvestitionen in Höhe von 221 Millio-nen Euro, fest gebunden sind. Bei dem jetzt noch nichtweiter spezifizierten Teil von 314 Millionen Euro kön-nen vor diesem Hintergrund vielleicht 10 Prozent, mög-licherweise sogar 20 Prozent, nicht aber 157 MillionenEuro eingespart werden.
– Meine Frau kann offensichtlich besser rechnen als Sie.
– Frau Lehn, ich finde es interessant, dass Sie soebendem Satz zugestimmt haben: Meine Frau kann besserrechnen als Sie.
– Nein, meine Frau.
Das, was ich vorgerechnet habe, ist beeindruckendund zeigt, wie die Haushaltssituation tatsächlich ist.Ich stelle fest: Nicht nur der Einzelplan 15, sondernder gesamte Bundeshaushalt 2004 ist nicht in Ordnung.Dafür ist die rot-grüne Politik der letzten fünf Jahre ver-antwortlich zu machen. Wir brauchen grundsätzlicheStrukturreformen in diesem Land; das ist klar. DieCDU und die CSU werden die Strukturreformen – übereinen Teil dieser Reformen wurde ja bereits heute ver-handelt – im Bundesrat nicht blockieren. Wir werdenvlNvs2gpaRdHuuIusswluEhadsid
Das Wort hat jetzt die Kollegin Waltraud Lehn.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Luther, ich stimme Ihrer Rede in einem Punkt vollnd ganz zu: Frauen sind in der Tat gute Rechnerinnennd für die Stabilisierung vieler Männer unverzichtbar.
ch glaube, damit sind die Gemeinsamkeiten zwischenns aber weitgehend erschöpft.
Der Haushalt 2004 des Bundesministeriums für Ge-undheit und Soziale Sicherung ist vor dem Hintergrundchwieriger sozialpolitischer Entscheidungen beratenorden. Gleich vorweg: Das Ergebnis kann sich sehenassen. Selten wurde ein Ergebnis so schnell, so effizientnd unter dem Strich so sozial ausgewogen präsentiert.
Mit einem Gesamtvolumen von gut 83 Milliardenuro ist dieser Einzelplan der mit Abstand größte Haus-alt. Wir geben für keinen anderen Bereich so viel Geldus wie für die Sicherung der Renten;
ies macht allein 78 Milliarden Euro aus.
Das ist bei den so genannten Fremdleistungen, bei-pielsweise bei der Anerkennung von Erziehungszeitenn der Rentenversicherung, politisch gewollt. Unter an-erem dafür haben wir die Ökosteuer eingeführt.
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Waltraud LehnMan stelle sich nur einmal vor, wo der Rentenversiche-rungsbeitrag heute ohne die 54 Milliarden Euro, die seitder Einführung der Ökosteuer in die Rentenversicherunggeflossen sind, stehen würde.
Aber es gibt auch einen Zuwachs bei Kap. 15 13, alsobei der Rentenversicherung, der ungewollt ist. Drei JahreWachstumsschwäche haben die Finanzsituation der ge-setzlichen Rentenversicherung auf das Äußerste ange-spannt. So besteht allein für 2004 ein rechnerisches De-fizit von rund 8 Milliarden Euro.
Das ist vor allem auf erhebliche Beitragsausfälle auf-grund der übergroßen Arbeitslosigkeit zurückzuführen.Wir standen vor der schwierigen Aufgabe, den Anstiegder Rentenversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer undder Arbeitgeber auf über 20 Prozent zu verhindern; denndies hätte die dringend benötigte Konjunkturbelebung inDeutschland erschwert. Es musste also ein Weg gefun-den werden, mit dem man die langfristigen Finanzpro-bleme der Rentenversicherung in den Griff bekommt,ohne dass die arbeitenden Menschen in Deutschland mitimmer mehr Abgaben belastet werden.Wir arbeiten zurzeit in einem ungeheuren Kraftaktdarauf hin, die letzte Stufe der Steuerreform auf den Be-ginn des Jahres 2004 vorzuziehen, damit mehr Geld indie Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerfließt.
Zu diesem Vorziehen wird es allerdings nur dann kom-men, wenn sich auch die rechte Seite dieses Hauses dazudurchringen kann, diesen Schritt im Interesse der Wirt-schaft und im Interesse der Menschen dieses Landes zuunterstützen.
Es wäre in einer solchen Situation fatal, wenn das ganzezusätzliche Geld durch den Anstieg der Sozialausgabengleich wieder einkassiert würde. Das würde keinen Sinnmachen und deswegen darf es nicht so weit kommen.Um die Alterssicherung zu stabilisieren, braucht dieRentenversicherung ein finanzierbares Fundament.
Gleichzeitig muss der Grundsatz der Generationenge-rechtigkeit gewahrt bleiben: Wir dürfen weder die Jun-gen noch die Alten übermäßig belasten.Um dem Rechnung zu tragen, haben wir – auch daswill ich in Erinnerung rufen – mit der Einführung derRmuBlidL1Eb1abnnnnflcBb3unzeganDsszdeDADtkdeaAr8uvs
Um diese Lücke zwischen den Einnahmen auf der ei-en Seite und den Ausgaben auf der anderen Seite nichtur durch höhere Beiträge zu schließen, hat der Bund dieehlenden Mittel aus Steuergeldern bereitgestellt. In denetzten elf Jahren sind die dadurch entstandenen zusätzli-hen Belastungen für den Bund ständig gestiegen. Derundesanteil an den Rentenausgaben, der 1992 nochei etwa 20 Prozent gelegen hat, beträgt heute nahezu3 Prozent. Das bedeutet, dass die Rente jedes Rentnersnd jeder Rentnerin heute zu mehr als einem Drittelicht mehr durch Beiträge, sondern durch Steuern finan-iert wird. Es ist völlig klar, dass sich dieser Trend nichtinfach weiter fortsetzen darf – auf 36, 37, 40, 45 oderar 50 Prozent Bundesanteil in absehbarer Zeit. Er musslso gestoppt werden.Neben der Sicherstellung der Renten brauchen wirämlich Handlungsspielräume für die Zukunfteutschlands. Ich nenne hier beispielhaft Bildung, For-chung und auch Infrastruktur. Dieser Wille zur Ge-taltung der Zukunft wird trotz der schwierigen finan-iellen Lage bereits in diesem Haushalt für das Jahr 2004eutlich. Bei den großen Forschungseinrichtungen gibts ein Plus, zwar nur von 3 Prozent, aber eben ein Plus.ie Erfolgsgeschichte des BAföG wird fortgesetzt. Diensatzerhöhung beträgt 61 Millionen Euro.
as Investitionsprogramm zum Ausbau der Ganztagsbe-reuung an Schulen wird ohne Abstriche fortgesetzt. Soönnte ich noch vieles nennen. Wenn aber 77,85 Milliar-en Euro – ich nenne die Zahl noch einmal; das ist gutin Drittel vom Gesamthaushalt – allein für die Renteusgegeben werden, dann bleibt für andere wichtigeufgaben eben nicht so viel, wie wir eigentlich investie-en wollen und auch investieren müssen.Da bereits jetzt absehbar ist, dass für das nächste JahrMilliarden Euro in der Rentenkasse fehlen, konntennd wollten wir die eigentlich notwendige Einsparungon 2 Milliarden Euro im Bundeshaushalt in dieserchwierigen Lage nicht noch zusätzlich obendrauf legen.
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Waltraud LehnDeshalb haben wir auf eine Kürzung des Bundeszu-schusses verzichtet.Stattdessen hat die Bundesregierung zwei Gesetzent-würfe vorgelegt, mit denen der Beitragssatz bei19,5 Prozent stabilisiert werden kann. Dies ist aber nichtmöglich – das muss man klar sagen – ohne eine aktiveBeteiligung der Rentnerinnen und Rentner. DieserSchritt war für uns schmerzhaft, aber er war nicht zu ver-meiden.
Wir müssen den Jüngeren wie auch den Älteren sa-gen: Die Sicherung der Rente ist eine gemeinsame Auf-gabe, die jeden und jede etwas angeht.
Um diese Aufgabe zu erfüllen, waren kurzfristige Maß-nahmen ebenso notwendig wie strukturelle, in die Zu-kunft hineinwirkende Maßnahmen.
– Wenn Sie fragen: „Wann kommen die denn?“, dannzeigt das, dass Sie sich noch nicht einmal die Mühe ge-macht haben, die in den letzten Wochen behandelten Ge-setze zu lesen, und das finde ich durchaus blamabel.
Um den Beitragssatz im nächsten Jahr bei 19,5 Pro-zent stabil zu halten, wird die Rentenanpassung zum1. Juli 2004 ausgesetzt.
Ich bin sicher, dass die Mehrzahl der Rentnerinnen undRentner dafür Verständnis hat. Nicht zuletzt dient das ih-ren Kindern und ihren Enkeln. Aber es ist nicht nur fürdie gut, sondern schon mittelfristig auch für die Rentne-rinnen und Rentner selbst. Je mehr Menschen in Arbeitsind und je höher die Einnahmen in der Sozialversiche-rung sind, desto stärker werden die Rente und der Zu-wachs der Rente gesichert. Also ist das ein Beitrag nichtnur für die Zukunft der Kinder und Enkel, sondern auchfür die Zukunft derjenigen, die heute Rente erhalten.
Nun empört sich, wie wir ja gerade gehört haben, dieOpposition darüber und vergisst dabei völlig, dass wäh-rend der letzten sechs Jahre ihrer Regierung, also zwi-schen 1992 und 1998, die Renten insgesamt geringer alsdie Inflationsrate gestiegen sind.
Der Durchschnittsrentner hat in den letzten Jahren derKohl-Regierung monatlich gegenüber einem Arbeitneh-mer bzw. einer Arbeitnehmerin durchschnittlich 38 Euroverloren.Dw7a3RkisÜd2cdstindzrszuvn–ndgsaatrRhtutehs2leIs
as Aussetzen der nächsten Rentenerhöhung, also das,as wir vorhaben, bedeutet für einen Rentner, der00 Euro im Monat bekommt, dagegen einen Verzichtuf 3,65 Euro monatlich.
,65 Euro hat ein Rentner aufgrund des Aussetzens derentenerhöhung weniger, wenn er 700 Euro Rente be-ommt.Eine weitere Maßnahme, die uns nicht leicht gefallent, die aber ebenfalls notwendig war, ist die vollständigebernahme des Beitrags zur Pflegeversicherungurch die Rentnerinnen und Rentner ab dem 1. April004. Bislang war es in der gesetzlichen Rentenversi-herung so geregelt, dass dieser Beitrag je zur Hälfte vonen Rentnerinnen und Rentnern und von der Rentenver-icherung aufzubringen war. Wer kritisiert, dass zukünf-g der gesamte Betrag von den Rentnerinnen und Rent-ern aufgebracht werden soll, der sollte bedenken, dassie Generation der heutigen Rentnerinnen und Rentnerum großen Teil von den Leistungen der Pflegeversiche-ung profitiert, obwohl sie in diese 1995 eingeführte Ver-icherung nur kurz bzw. überwiegend gar nicht einge-ahlt haben.Was macht das nun aus? Was bedeutet das in Eurond Cent? Es bedeutet, dass bei einer monatlichen Renteon 700 Euro ab 1. April 2004 monatlich 5,95 Euro we-iger zur Verfügung stehen.
Das sind 10 Euro, aber immer noch keine 38 Euro.Im Gegenzug zu diesen Belastungen durch die Über-ahme der vollen Beiträge zur Pflegeversicherung wer-en die Rentnerinnen und Rentner Beitragsentlastun-en bei der Krankenversicherung schneller als bisherpüren. Darüber hinaus soll der Zeitpunkt der Renten-uszahlung für zukünftige Rentnerinnen und Rentneruf das Monatsende verlegt werden. Das ist eine ver-etbare Regelung, weil diejenigen, die in Zukunft inente gehen – und nur für die gilt das ja –, damit so be-andelt werden wie viele Erwerbstätige die ihre Leis-ngen in der Regel ohnehin erst am Monatsende erhal-n.Als letzte kurzfristige Maßnahme haben wir vorgese-en, die Mindestschwankungsreserve – darüber hatich ja Herr Luther so aufgeregt – von 50 Prozent auf0 Prozent einer Monatsausgabe zu senken. Was um al-s in der Welt ist daran so schlimm?
m schlimmsten Fall muss der Bund eine Monatsrate Zu-chuss an die Rentenversicherung eher auszahlen, als er
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Waltraud Lehnes eingeplant hat. Kein Rentner wartet eine Stunde län-ger auf seine Rente, als das heute der Fall ist.
Sie konstruieren da einen Konflikt, den es in der Realitätüberhaupt nicht gibt.
Trotzdem sage ich: Das kann nur eine vorübergehendeMaßnahme sein.
– Aber selbstverständlich, und zwar deswegen, weil mannur einmal den Effekt erzielt, also ihn in den nachfolgen-den Jahren nicht mehr erzielen kann. Deswegen habenwir, und zwar mit Erfolg, darüber diskutiert, ob wir dieSchwankungsreserve umbauen und ihr in Zukunft aucheine Bedeutung für die Stabilisierung der Rentenversi-cherungsbeiträge angesichts konjunktureller Schwan-kungen zusprechen sollen.
Ich glaube, dass es eine ausgesprochen gute Regelungist, eine Nachhaltigkeitsrücklage aufzubauen und unsvon der alten Schwankungsrücklage zu trennen.Im Einzelnen – ich fasse es zusammen – konnten die0,8 Prozentpunkte folgendermaßen eingespart werden:Die Absenkung des unteren Zielwertes der Schwan-kungsreserve bringt 0,5 Prozentpunkte. Die Aussetzungder Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 bringt 0,1 Pro-zentpunkte. Die Übernahme des vollen Beitragssatzesder Pflegeversicherung durch die Rentner bringt 0,1 Pro-zentpunkte. Die Verschiebung des Rentenauszahlungs-termins auf das Monatsende – für die neuen Rentner, abApril 2004 – bringt ebenfalls 0,1 Prozentpunkte.
Neben diesen kurzfristigen Maßnahmen müssen undwerden wir aber auch langfristige Maßnahmen ergreifen.Ich habe es schon gesagt: Einen Meilenstein haben wirmit der Riester-Rente gesetzt.Erfreulicherweise leben die Menschen heute immerlänger. Allein das garantiert uns heute eine im Durch-schnitt acht Jahre längere Rentenbezugsdauer, als sieetwa noch die Generation unserer Eltern oder Großelternhatte. Der Rentenbezug verlängert sich nochmals umdrei bis fünf Jahre, weil die Mehrzahl der Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer heute weit vor ihrem65. Lebensjahr in Rente geht. 1960 – so lange ist das janoch nicht her – bezog ein Rentner in Deutschland imDurchschnitt sechs Jahre lang Rente. Heute sind es14 Jahre bei den Männern und 18 Jahre bei den Frauen.DkdgtWstuAgehdgzhksgH6Zds2Lefsdilvsk
ass das neue Antworten verlangt, muss doch jedemlar sein!
Hinzu kommt – das ist eine Entwicklung, die sich lei-er negativ fortsetzt –, dass in Deutschland immer weni-er Kinder geboren werden und immer weniger Bei-ragszahler immer mehr Rentnern gegenüberstehen.
ir haben uns deshalb entschlossen, die Rentenanpas-ungsformel zu ändern und einen Nachhaltigkeitsfak-or einzuführen. Ich räume gerne ein, dass das bereitsnter Ihrem Minister Blüm angegangen wurde.
ber ich denke, dass unser Nachhaltigkeitsfaktor mehrerechte Elemente enthält als der, den Sie ursprünglichingeführt haben.
Wir brauchen derzeit keine Diskussion über eine Er-öhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Was wirerzeit brauchen – und was genau in diese Richtungeht –, ist, dass die Menschen zukünftig tatsächlich bisu ihrem 65. Lebensjahr arbeiten.Das Alter, in dem Berufstätige bei uns in Rente ge-en, ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesun-en. 1960 lag es noch bei 64,7 Jahren. Noch mehr Men-chen als heute haben damals 40, 45 oder sogar 50 Jahreearbeitet.
eute gehen die Menschen im Durchschnitt mit2,4 Jahren in Rente und eigentlich stimmt selbst dieseahl nicht, denn wenn man die Renten wegen vermin-erter Erwerbsfähigkeit hinzunimmt, liegt das durch-chnittliche Eintrittsalter sogar bei nur 60,2 Jahren.
Nach Angaben des VDR sind von den knapp0 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in diesemand rund 2,4 Millionen Frührentner. Wir können es unsinfach nicht länger leisten, wenn zum Beispiel im öf-entlichen Dienst noch nicht einmal 6 Prozent der Be-chäftigten bis zum Alter von 65 Jahren arbeiten, nochazu in einem Bereich, der von Kündigung nicht bedrohtst, in dem es also nicht um die Regulierung von Arbeits-osigkeit geht. Die Politik der Frühverrentung, dieiele Unternehmen bisher benutzt haben, um ihre Beleg-chaft zu verjüngen, wird zu Recht kritisiert. Hinzuommt noch eine veränderte Haltung der Menschen.
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Waltraud LehnViele sehen es als selbstverständlich an, nicht mehr biszum Alter von 65 Jahren zu arbeiten. Wer es trotzdemtut, wird von seinen Kollegen durchaus als Exot angese-hen. Das ist etwas, was man im Bewusstsein der Men-schen mit den Menschen verändern muss. Wir müssenden Menschen klar machen, dass diese weit verbreiteteEinstellung auf Kosten der Kinder und Enkel, aber auchauf Kosten der eigenen Rente geht. Die Kinder und En-kel werden später die Rechnung für die Annehmlichkeiteines frühen Ruhestandes bezahlen müssen.
Würde sich das tatsächliche Renteneintrittsalter um einJahr erhöhen, könnten die Rentenausgaben kurzfristig umbis zu 10 Milliarden Euro jährlich gesenkt werden.
Der VDR hat außerdem ausgerechnet und deutlich ge-sagt, dass mit jedem Jahr, um das das durchschnittlicheRenteneintrittsalter erhöht wird, der Beitragssatz um0,8 Prozentpunkte verringert werden könnte. Deshalbmüssen und werden wir hier etwas tun.Damit niemand von dieser Neuregelung kalt erwischtwird, muss er sich darauf einstellen können. Wir werdenfür rentennahe Jahrgänge besondere Vertrauensschutzre-gelungen erarbeiten und ins Verfahren geben.
Liebe Frau Kollegin, Sie haben noch viel zu sagen,
aber nur noch ganz wenig Zeit. Die Zeit ist sogar schon
überschritten.
Das ist bedauerlicherweise wahr. Ich kann es aber
zum Schluss kurz machen, weil ich weiß, dass die Nach-
rednerinnen meiner Fraktion
– man beachte an dieser Stelle die Stärke der Frauen –
noch auf die wichtigen Bereiche Gesundheit und Pflege
eingehen werden. Deshalb kann ich darauf verzichten.
Lassen Sie mich zum Schluss der Frau Ministerin,
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses und
des Finanzministeriums sowie den Kolleginnen und Kol-
legen, die mit mir gemeinsam den Haushalt beraten ha-
ben, herzlich danken.
Vielen Dank für Ihre Geduld.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinrich Kolb.
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enn das ist die bittere Wahrheit in Deutschland im No-ember 2003: Die Systeme der sozialen Sicherung inhrer tradierten umlagefinanzierten Form tragen nichtehr, und das nicht nur wegen der aktuellen Problemeuf der Einnahmeseite,
ie konjunkturell bedingt sind, sondern mehr noch we-en der absehbaren, ungleich schwerer wiegenden de-ographischen Probleme, die wir ab 2010 haben wer-en.
Die Beiträge können nur noch mit Mühe stabilisierterden. Aufwändig erarbeitete Reformgesetze im Be-eich der Gesundheit entfalten nicht die Wirkung, dieich die Beteiligten erhofft hatten, sondern verschaffenur eine kurze Atempause.Alle wissen eigentlich, dass etwas geschehen muss,ber die rot-grüne Koalition ist nicht bereit bzw. hat we-en innerparteilicher Rücksichtnahmen – das konntean auf dem SPD-Parteitag sehr deutlich beobachten –
icht die Kraft, die notwendigen Reformen durchzuset-en.
Die Sozialpolitik in Deutschland steht an einer Weg-cheide. Ich will an einigen Beispielen deutlich machen,ohin nach Auffassung der FDP-Bundestagsfraktion dieeise gehen muss.Gestatten Sie mir noch eine Vorbemerkung zumhema „soziale Gerechtigkeit“. Sie, liebe Kolleginnennd Kollegen von Rot-Grün, lassen sich ja immer vonem Anspruch einer sozial gerechten Politik leiten undlauben offensichtlich, eine gerechte Sozialpolitik seior allem eine Frage von größtmöglicher Umverteilung.ch halte es diesbezüglich eher mit dem Nobelpreisträgerilton Friedman, der gesagt hat:Ich glaube nicht, dass es so etwas wie soziale Ge-rechtigkeit gibt. Gerechtigkeit hat etwas mit demIndividuum zu tun und nicht mit der Gesellschaftals Ganzes.
Gerecht aus Sicht der Individuen ist eine Sozialpoli-ik, die die notwendigen Reformen mutig vorantreibt, dieuf Verantwortung, Freiheit und Transparenz ohne
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Dr. Heinrich L. Kolbbürokratische Fallstricke setzt und die sich auch darumsorgt, dass die nachwachsenden Generationen nicht dieZeche einer verfehlten Volksbeglückung zu zahlen ha-ben.
Was heißt das jetzt konkret für die Handlungsfelder,Gesundheitspolitik als erstes? Die FDP lehnt eine Bür-gerversicherung ab. Sie ist eine Zwangsversicherungsozialistischer Machart und löst keines der Probleme dergesetzlichen Krankenversicherung.
Allerdings hüllen Sie das sehr geschickt in das Deck-mäntelchen eines wohlklingenden Begriffs und versehenes auch noch mit einem Etikett der Solidarität. Aber esist nach unserer Auffassung alles andere als solidarisch,immer mehr Menschen in ein marodes System zu zwin-gen.Psychologisch gesehen ist es wahrscheinlich ein Aktder Verdrängung, wenn Sie sich trotz der Tatsache, dassSie nicht einmal die Kraft haben, die aktuellen Problemeder GKV zu lösen, jetzt daran machen wollen, einegrundlegende Systemumstellung in Richtung Bürgerver-sicherung zu wagen, nach dem Motto: Wenn wir schonnicht auf den Hügel kommen, dann besteigen wir ebeneinen Berg. Man muss sehr deutlich sagen, dass das, wasSie hier machen, Traumtänzerei ist.
Zweitens. Wir wollen den unverzüglichen System-wechsel, also weg von der umlagefinanzierten hin zumehr privater kapitalgedeckter Sicherung.
Sie, Frau Ministerin, wollten die Beitragssätze in derGKV auf 13,6 Prozent senken; das haben Sie jedenfallsvollmundig angekündigt. Wir haben Ihnen schon im Au-gust gesagt, dass Sie das nicht schaffen werden, weil Sienicht den Mut für die notwendige Einsparung von20 Milliarden Euro hatten.
Jetzt steht die groß-grüne Gesundheitskoalition kleinlautvor dem Scherbenhaufen und muss erkennen, dass imgünstigsten aller Fälle der Beitragssatz von heute14,3 Prozent im Durchschnitt auf 14 Prozent sinkenwird, und das wahrscheinlich erst im Laufe des nächstenJahres.
Sie haben in Gesprächen mit den Krankenkassen fest-stellen müssen, dass selbst Sie, Frau Ministerin, dieGrundrechenarten nicht außer Kraft setzen können. Dasist auch gut so.vCbnbhdsFdwdstilöIlisIwggadsekwcv4IFRcEsHlicVs
ch denke, dass das – ebenso wie die Abschaffung derrühverrentung – eine wichtige Weiterentwicklung desentensystems ist. Man muss es allerdings richtig ma-hen, Herr Dreßen, und nicht so, wie Sie es mit Ihremntwurf eines Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsge-etzes vorgesehen haben. Was Sie machen, ist nichtsalbes und nichts Ganzes. Sie beenden nicht die Mög-chkeit, Ansprüche zu begründen. Das ist weder ein Zei-hen von klarer Konzeption noch von Berechenbarkeit.
Letzter Punkt: Die FDP-Bundestagsfraktion will dieereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit verbes-ern, die Erwerbsquote von Frauen erhöhen
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Dr. Heinrich L. Kolbund durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen fürFamilien positiv auf die Geburtenentwicklung einwir-ken. Denn: Wir brauchen zur Stabilisierung der Systemeder sozialen Sicherung wieder mehr Kinder. Diese För-derung muss aber nach unserer Auffassung im Steuer-recht erfolgen und darf nicht auf spätere Rentenzahlun-gen vertagt werden. Deswegen erteilen wir denVorschlägen des Ministerpräsidenten Stoiber eine klareAbsage.
Wir wollen den vollen Grundfreibetrag von7 500 Euro auch für Kinder, einen Rechtsanspruch aufeinen kostenlosen Kindergartenplatz – halbtags ab demdritten Lebensjahr – und auch die steuerliche Absetzbar-keit der Aufwendungen für die Kinderbetreuung. Manmuss ehrlicherweise sagen, Herr Dreßen: Hier könnenviele Arbeitsplätze neu geschaffen werden.
Durch diese Maßnahmen werden Frauen in die Lage ver-setzt, Karriere und Beruf mit Familie und Kindern zuvereinbaren.
Schlussbemerkung: Der von der rot-grünen Koalitionvorgelegte Haushalt ist verfassungswidrig. Mehr als das:Er ist auch extrem auf Kante genäht. Die Systeme dersozialen Sicherung in Deutschland stehen vor einem äu-ßerst schwierigen Jahr 2004. Ohne eine wirtschaftlicheBelebung kann und wird es keine Entspannung geben.Die Prognosen der Bundesregierung sind meines Erach-tens in jeder Hinsicht optimistisch. Erfüllen sie sichnicht, wird der Druck auf die Beiträge in allen Zweigender Sozialversicherung dramatisch anwachsen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Birgitt Bender.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichmöchte die Haushaltsdebatte zum Anlass nehmen, überdie Modernisierung der sozialen Sicherungssystemeund die unterschiedlichen Vorstellungen zu sprechen, diedazu auf der einen Seite Rot-Grün und auf der anderenSeite die Union hat. Es ist ja als solches nicht drama-tisch, festzustellen, dass die Regierungsparteien bzw. dieGrünen eine andere Vorstellung haben als die Union.
Aber es lohnt schon, die Vorstellungen der Union einmalunter die Lupe zu nehmen. Denn meine These ist, liebeKolleginnen und Kollegen von der Union, dass Sie, sowie Sie die Modernisierung des Sozialstaates angehen,jegliche Reformbereitschaft der Menschen ersticken.Ich will Ihnen sagen, warum.vuDMbnjwhnudKlAbhmzFsgsggAwSdaAw
Sie schlagen als Ergebnis der Herzog-Kommissionor, die Gesundheitsversorgung auf ein Kopfgeldsystemmzustellen. Erst einmal werden Leistungen gestrichen.iese werden nicht mehr sozialstaatlich bezahlt; dieenschen müssen sie vielmehr privat aus ihrem Geld-eutel bezahlen. Hinzu kommt ein Kopfgeld von – jeachdem – 200 bis 260 Euro. Die Beträge ändern sich jaede Woche; in der Tendenz werden sie immer niedriger,
eil Sie merken, dass Sie da ein Vermittlungsproblemaben. Dabei kommt eine Entlastung der Besserverdie-enden
nd eine Belastung der Geringverdienenden, insbeson-ere der Familien, heraus, die bisher sehr viel geringererankenkassenbeiträge zahlen. Weil das die Leute natür-ich merken, sagen Sie anschließend, dass ein sozialerusgleich aus Steuermitteln vorgesehen ist. Dafürräuchten Sie 10 Milliarden Euro. Im Herzog-Konzeptaben Sie offen gelassen, woher diese Milliarden kom-en sollen.
Frau Merkel spricht zwar auf den Regionalkonferen-en von einem sozialen Ausgleich. Aber Herr Merz, Ihrinanzexperte,
ingt zugleich das Lied von der Steuersenkung. Ich willar nicht darauf eingehen, ob sein Konzept in sichchlüssig ist. Fest steht aber: Die für den sozialen Aus-leich notwendigen 10 Milliarden Euro finden sich nir-endwo in diesem Steuerkonzept.
Das heißt, die Union redet mit gespaltener Zunge.
uf der einen Seite versprechen Sie den Leuten, dass sieeniger Steuern zu zahlen brauchen. Auf der andereneite schlagen Sie ein Modell vor, von dem Sie sagen,ass es zwar für etliche sozial nicht verkraftbar sei, esber den großen Steuertopf gebe, aus dem der sozialeusgleich bezahlt werden könne. Wer soll Ihnen so et-as noch glauben?
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Birgitt BenderDann laufen noch so marodierende Sozialstaatszersä-ger wie der Herr Mißfelder herum, der den alten Men-schen keine neuen Hüftgelenke gewähren will.
Was soll dabei herauskommen? Das Ergebnis ist: Siemachen den Leuten Angst. Damit entstehen Reformblo-ckaden und keine Reformbereitschaft; das sollte sichauch eine Opposition einmal überlegen.
In der Wirkung ist das, was Sie bei der Rente tun,nicht sehr viel anders.
Sie fordern im Herzog-Konzept, das Rentenniveau sollesinken, und zwar 10 Prozent unter das Niveau, das HerrRürup vorgeschlagen hat. Darüber könnte man ja disku-tieren. Aber anschließend sagen Sie: Wer 45 Jahre Bei-träge eingezahlt hat, bekommt sowieso die volle Rente.Das heißt, Sie schaffen eine Ungleichbehandlung, jenachdem, wann jemand in das Berufsleben eingetretenist, und benachteiligen dabei insbesondere die Frauen.
Dann kündigen Sie an, die Kindererziehung werdebesser gestellt, als es im bisherigen Recht der Fall ist.Nun mag es ja sein, dass Sie die bisherige Förderung derKindererziehung in der Rentenversicherung, die uns im-merhin 12 Milliarden Euro kostet, für nicht ausreichendhalten; das sollten Sie dann begründen. Aber Sie solltenvor allem darstellen, woher jetzt die nächsten Steuermit-tel in Höhe von 10 Milliarden Euro kommen sollen,
mit denen Sie dies finanzieren wollen. Ich sage nur: HerrMerz lässt grüßen. Das Motto der Union lautet: Steuer-senkung. Wo sind diese nächsten 10 Milliarden Euro, dieSie hier versprechen? Ich kann sie nirgends entdecken.
Nur nebenbei zum Streit zwischen CDU und CSU;das mutet beinahe schon kurios an. Die CSU fordert:Weniger einzahlen, mehr herausbekommen! Bezahlensollen dies die bösen Kinderlosen. Immerhin, von denGrundrechenarten her, ist dies fast überzeugender als dasKonzept der Union.EebdSmdaLnMtlgsnomnksbdvcBkIah
s hat nur einen anderen Nachteil; das meine ich ganzrnst. Sie beginnen damit eine gnadenlose Sozialneidde-atte. Die nützt niemandem, am allerwenigsten den Kin-ern.
ie sollten sich gut überlegen, ob Sie das damit weiter-achen wollen.
So, wie Sie vorgehen, nimmt man die Menschen beien Reformen nicht mit, die wir brauchen, um die sozi-le Sicherung zukunftsfest zu machen. Man darf deneuten keine Wohltaten versprechen – das tun wir auchicht –, die nicht zu finanzieren sind.
an muss ihnen hingegen die Reformschritte vermit-eln, die jetzt notwendig sind, und ihnen zeigen, wie dieängerfristigen Perspektiven aussehen.
Wir gehen diesen Weg etwa bei der Rente. Die Kolle-in Lehn hat die kurz- und mittelfristigen Reform-chritte, die wir anvisieren, ausführlich erläutert. Ich willur sagen, dass so etwas wie der Nachhaltigkeitsfaktorder auch der Abbau der Frühverrentung Strukturele-ente sind, die einen fairen Ausgleich zwischen den Ge-erationen gewährleisten, weil es immer auch darauf an-ommt, wie hoch die Beitragsbelastungen in der Zukunftind. Deswegen halten wir das für richtige und vermittel-are Schritte.Wir werden auch die Riester-Rente vereinfachen,
amit die Menschen stärker motiviert werden, eine pri-ate Vorsorge aufzubauen. Das ist der Weg zur Alterssi-herung, der nicht in die Altersarmut führt, aber auch dieeiträge in diesem System bezahlbar hält.
Die Grünen sagen auch, wie wir uns die weitere Zu-unft vorstellen.
nsbesondere bei der Gesundheitsversorgung setzen wiruf das Modell Bürgerversicherung. Frau Kollegin, daseißt, alle zahlen ein und alle Einkommensarten werden
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Birgitt Benderberücksichtigt. Das bedeutet, dass Gesundheitsleistun-gen auch in Zukunft für alle finanzierbar sind.
– Das ist mit der Verfassung vereinbar. Fragen Sie dazueinmal Ihre Juristen. Sie haben ja auch welche.Das bedeutet auch Gerechtigkeit, weil es dann gleicheSpielregeln für alle gibt. Wir wollen keine Zweiklassen-medizin, bei der sich die Besserverdienenden in die pri-vate Versicherung verabschieden und dann Ärzten ge-genübersitzen, die mit ihrer Behandlung mehr als mit derBehandlung von Kassenpatienten verdienen. Das kannnicht richtig sein.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kolb?
Nein, denn meine Redezeit ist leider schon fast abge-
laufen.
– Gut, dann stellen Sie Ihre Frage.
Ich bedanke mich, Frau Kollegin Bender, dass ich die
Zwischenfrage stellen darf. Jetzt habe ich allerdings den
Faden verloren.
Jetzt haben Sie vergessen, was Sie fragen wollten?
Geben Sie mir bitte noch einmal das Stichwort dazu.
Ich war bei der Bürgerversicherung.
Ja, die Besserverdienenden. Jetzt habe ich es.
Es ist doch so, Frau Kollegin Bender, dass Sie – wenn
ich Sie richtig verstanden habe – die Beitragsbemes-
sungsgrenze nicht anheben wollen. Stimmen Sie mir
dann zu, dass bei Ihrem Modell zukünftig vor allem die
Mittelschicht stärker belastet wird, also die Lohnemp-
fänger, die ein wenig Kapital auf die Seite gelegt haben,
möglicherweise eine Eigentumswohnung vermietet ha-
ben und dann auf diese zusätzlichen Einkünfte einen
Beitrag leisten müssen und damit höher belastet werden
als bisher? Stimmen Sie mir zu, dass vor diesem Hinter-
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Wir konnten in den letzten Jahrzehnten beobachten,
ass der Anteil der Lohneinkünfte am Volkseinkommen
bnimmt,
ingegen Mieterträge und Erträge aus Kapitaleinkünften
mmer mehr an Bedeutung gewinnen.
as soll denn daran richtig sein, dass beispielsweise ein
eicher Erbe, der nur noch einer Teilzeitarbeit nachgeht,
ur die dementsprechend niedrigeren Beiträge bezahlt,
uf den Rest seiner Einkünfte aber nicht,
bwohl er leistungsfähig ist? Uns geht es um eine Bei-
ragsleistung nach der Leistungsfähigkeit. Das nenne ich
oziale Gerechtigkeit. Aber darunter verstehe ich auch
twas anderes als die FDP.
Zur Bürgerversicherung will ich nur sagen: Ich kann
hnen versichern, dass die Halbwertszeit unseres Kon-
epts länger ist als die bei manch anderem in diesem
ause.
ir Grüne werden nicht sagen: Das war ja nur so eine
dee von uns. Wir wollen vielmehr eine Grundentschei-
ung bis zum Ende der Legislaturperiode.
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Zöller.
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Grüß Gott, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Was wir hier erleben, ist schon mehr als selt-sam. Da stellt sich Rot-Grün über Monate hin und hältder Opposition vor, sie habe keine Konzepte. FrauBender, Sie haben jetzt 90 Prozent Ihrer Redezeit daraufverwendet, über die Konzepte der Union zu diskutieren.Das ist ein leichter Widerspruch.
Nachdem hier schon Abgeordnete – und deren Fami-lienangehörige – das Notwendige zu den Eckdaten desHaushaltsplans gesagt haben, möchte ich einen Punktansprechen, und zwar die Öffentlichkeitsarbeit, sprichWerbung. Ich kritisiere nicht die Höhe des Titels für Öf-fentlichkeitsarbeit, sondern das Verfahren, wie er zu-stande gekommen ist.
Wenn ich ein Gesetz verabschiede, das die Menschen imLande nicht verstehen, dann muss ich mich nicht wun-dern, dass sehr viel Aufklärungsarbeit betrieben werdenmuss, um ihnen den Sinn zu vermitteln.Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl wir diesesGesetz im Konsens erarbeitet haben, sind wir im Ansatzunterschiedlicher Auffassung: Rot-Grün ist nach wie vorder Meinung, man könnte mehr über Reglementierungerreichen;
wir dagegen sind fest davon überzeugt, dass Ziele durchmehr Wettbewerb wesentlich besser erreicht werdenkönnen.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen – ich habe ge-hofft, dass Sie an dieser Stelle einen Zwischenruf ma-chen –, an dem die verschiedenen Auffassungen deutlichwerden. Bei der Versorgung chronisch Kranker warenwir alle der Auffassung, dass die Versorgung verbessertwerden muss und die Finanzmittel gerechter verteiltwerden müssen. Doch was kommt auf die Ärzte zu?– Das will ich Ihnen zeigen: Dies ist der Strukturvertragfür die Behandlung chronisch kranker Diabetiker. Eskommt aber noch dicker. Die Ärzte müssen bei der Be-handlung eines jeden Patienten acht Seiten ausfüllen.
Das führt dazu, dass viele Ärzte dies nicht mehr anbie-ten.
Im Ziel war es gut gemeint, in der Praxis ist es aber nichtumsetzbar.encstGfvwsVAdkKPvndkVkjEldGhk2vnuWszgkms
Wenn man Insider danach fragt, sagen sie einem, dasss den Großteil dieser Regelungen, dieser Formalitätenicht deswegen gibt, um die Qualität der Versorgung derhronisch Kranken zu verbessern,
ondern weil diese bei der Verwaltung im Risikostruk-urausgleich berücksichtigt werden müssen. Wir gebeneld an der verkehrten Stelle aus, nämlich mehr Geldür die Verwaltung und weniger Geld für die Behandlungon Kranken. Das kann nicht unser Ziel sein.
Ich möchte Ihnen nun aber auch ein Beispiel nennen,ie man es mustergültig machen kann. Wir haben gemein-am § 65 a SGB V – Bonus für gesundheitsbewussteserhalten – erarbeitet. Es steht im Gesetz:Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung bestim-men, unter welchen Voraussetzungen Versicherte ...Anspruch auf einen Bonus haben.ufgrund dieser einfachen Botschaft sind Ideen entstan-en, von denen wir vor einigen Jahren nur träumenonnten. Es gab fast schon einen Ideenwettbewerb. Dieassen bieten nun Individualtarife, maßgeschneiderteakete für Versicherte an, was versorgungspolitisch sinn-oll ist. Bisher konkurrierten sie fast ausschließlich durchiedrige Beitragssätze. Jetzt wird eine Konkurrenz durchie besonderen Leistungspakete hinzukommen. Dadurchommen wir – auch das ist ein wichtiger Punkt – von derollkaskomentalität weg hin zu der Stärkung der Gedan-en der Prävention und der Eigenverantwortung. Dieseretzt entstehende Wettbewerb beweist, dass freiheitlichelemente einer starren Reglementierung eindeutig über-egen sind.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen,er die gegenwärtig geführten Diskussionen zuresundheitsreform betrifft. Ich sage unumwunden: Ichalte diese Diskussionen zum jetzigen Zeitpunkt fürontraproduktiv. Das Gesetz, das erst zum 1. Januar004 in Kraft treten wird, weist immerhin einen Umfangon über 20 Milliarden Euro auf. Wenn dieses Gesetzicht richtig umgesetzt wird, wird die Reformfähigkeitnd die Reformwilligkeit in Deutschland abnehmen.enn das Reformgesetz, das die großen Parteien be-chlossen haben, nicht zum Ziel führt, werden sich vieleurücklehnen und sich fragen, warum sie die Regelun-en dieses Gesetzes umsetzen sollten, schließlichomme bald sowieso ein neues. Wenn wir so verfahren,achen wir über alle Parteigrenzen hinweg einen ent-cheidenden strategischen Fehler.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6929
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Wolfgang ZöllerWir können über die verschiedenen Systeme streiten.Ich sage Ihnen: Wir müssen ganz anders vorgehen. Wirmüssen uns auf Grundsätze verständigen, anhand derenwir diese Modelle beurteilen und messen. Ein neues undzukunftssicheres Finanzierungssystem muss für meineBegriffe folgenden Punkten gerecht werden:Erstens. Realisierung des Prinzips der Nachhaltigkeitin der Finanzierung.Zweitens. Entkopplung von den Lohnkosten, um denFaktor Arbeit zu entlasten.Drittens. Langfristige Berücksichtigung der demogra-phischen Entwicklung.Viertens. Sicherung der Solidarität zwischen Jung undAlt sowie Arm und Reich. Dabei muss auch die Famili-enkomponente berücksichtigt werden.Fünftens. Keine weitere Bürokratisierung. Im Gegen-teil: Es muss ein Abbau solcher Hemmnisse erfolgen.
Nicht nur in der gesetzlichen, sondern auch in der pri-vaten Krankenversicherung brauchen wir mehr Spiel-raum. Zurzeit ist ein Wechsel von einer privaten Kran-kenversicherung zur anderen kaum möglich, weil dieÜbertragbarkeit der Altersrückstellungen nicht gewähr-leistet ist. Auch hier sollten wir eine realitätsbezogenegemeinsame Lösung anstreben.
Dennoch sage ich: Wir müssen zeigen, dass aufgrunddieser aktuellen Reform die Chance besteht, das Finan-zierungsproblem mittelfristig zu lösen, sodass wir dielangfristige Finanzierungsproblematik in dem jetzt gege-benen Zeitfenster bis 2006 fachlich sauber lösen können.Das Gleiche gilt auch für die Rentenreform. Auchhier warne ich vor unsachlichen Debatten. Wir solltenversuchen, uns darüber zu einigen, was durch diese Re-form eigentlich geleistet werden soll. Hier müssen wirehrlich sagen: Die Wahrung des Besitzstandes darf nichthöher geschätzt werden als das Streben nach Gerechtig-keit – ganz speziell bezogen auf die Familien. Frau Kol-legin Bender, man muss das Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts nur richtig deuten. Bezüglich derPflegeversicherung heißt es dort nämlich:Beitragszahler, die zusätzlich Kinder erziehen, sindgegenüber jenen benachteiligt, die keine Kinder er-ziehen. Dies muss im Beitragssystem ausgeglichenwerden.
Bevor wir jetzt weiter über ein System A, B und Cdiskutieren, sollten wir vielleicht versuchen, folgendeFragen gemeinsam zu beantworten: Erstens. Wie siehtdie Gestaltung der Beitragshöhe aus? Es ist doch unum-stritten, dass ein stabiler Beitragssatz den Spielraum derjungen Generation für mehr private Vorsorge vergrößert.Der stabile Beitragssatz ist gleichzeitig auch ein BeitragzovadsndwhccmhdAkRpdktürVvsekMIdmzdnnNarsescshSsde
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6930 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Helga Kühn-
Mengel.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Herr Kollege Zöller, aus dem, was Sie gerade vor-getragen haben, kann ich nur eines schließen: dass Sieim Bundesrat unseren Reformpaketen zustimmen wer-den.
Wir haben in den letzten Monaten wirklich einigesgeleistet, um unsere sozialen Sicherungssysteme, die wirerhaltenswert finden, zu stabilisieren und zukunftsfest zumachen. Sie hingegen wurden sich in der Zwischenzeitmit Ihren vielen unterschiedlichen Konzepten nicht ei-nig. Sie haben sich darum entschlossen, davon abzulen-ken und den Karren im Bundesrat gegen die Wand fah-ren zu lassen,
indem Sie blockieren und Reformen verhindern, um amEnde wie ein Phönix aus der Asche zu steigen.
Dies wird Ihnen aber nicht gelingen; denn die Menschenspüren, dass dies reines Machtkalkül ist. Wir werden denMenschen im Land sagen, wie es sich wirklich verhält.Wir haben Deutschlands Zukunft mit der Agenda2010 auf starke Säulen gestellt. Wir senden mit den Re-formen eine ehrliche Botschaft aus: Wer den Sozialstaaterhalten will, der muss dafür sorgen, dass den Menschenauch in Zukunft Schutz vor den großen Lebensrisikenzugute kommt. Keiner darf sich um die Frage der Finan-zierbarkeit von sozialen Leistungen drücken.
Das gilt für unser Gesundheitssystem und die Rentenver-sicherung. Die Rente ist nicht per se sicher, sondern nurdann, wenn sie bezahlbar bleibt.
Wir Gesundheitspolitiker und Gesundheitspolitikerinnenvon Rot-Grün haben aus tiefster Überzeugung dafür ge-kämpft, die Chancen und die Rechte auch der wirtschaft-lidünShwmSsBaAdIuzdAdkpRpDCGuM
Sie beklagen ein marodes Gesundheitssystem, ob-ohl Sie immer nur Vorschläge zur Kostendämpfung ge-acht haben. Sie haben niemals Veränderungen an dertruktur und der Qualität im Sinne einer besseren Ver-orgung vorgenommen. Sie haben sehr viel versäumt.
Die Investitionen in Innovationen, die Investitionen inildung, die Investitionen in Kinder und ihre Zukunft,ll dies leisten wir mit den unterschiedlichen Gesetzen.
uch versuchen wir, die Erosion des Arbeitsmarktesurch die Hartz-Gesetzgebung zu kompensieren.
hre Politik hat dafür gesorgt, dass ältere Arbeitnehmernd Arbeitnehmerinnen mit öffentlichen, steuerfinan-ierten und beitragsfinanzierten Geldern weggefegt wur-en.
ll dies wird jetzt durch unsere Gesetze wieder geän-ert. Es wird Zeit, dass das endlich geschieht. Insofernann ich sie nur noch einmal auffordern, diesen Reform-aketen zuzustimmen.
Die CDU/CSU will das individuelle Risiko bei derente und der Gesundheit stärker berücksichtigen. Sielädiert für die Kopfpauschale.
iese lehnen wir ab. Es kann doch nicht wahr sein, dasshefärztin und Pfleger das gleiche Risiko haben, dasleiche zahlen
nd der Staat die Mindereinnahmen mit zweistelligenilliardensummen kompensieren muss. Das belastet die
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6931
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Helga Kühn-Mengeleinkommensschwachen Familien und die Steuerzahler.Wir lehnen das ab.
Wir wollen, dass auch in Zukunft die breiteren Schulternmehr tragen als die schmaleren und das Band der Solida-rität in den Sozialsystemen weiterhin gilt. Gleichzeitigachten wir darauf, dass die Systeme bezahlbar bleiben.
Zur Gesundheitsreform. Herr Kollege Zöller, ich habemich gewundert, dass Sie sagen, die Disease-Manage-ment-Programme, die strukturierten Behandlungspro-gramme erforderten so viel Bürokratie. Diese Pro-gramme waren uns sehr wichtig.
Den Ärzten war es wichtig, dabei sehr viele Aspekte zuberücksichtigen. Vielleicht hatten sie sogar die Hoff-nung, dass die Bürokratie diese Programme erstickenwürde. Wir werden dafür sorgen, dass die Disease-Ma-nagement-Programme, wo es möglich ist, verschlanktwerden. Aber sie haben ihren Sinn und werden Qualitätund Wirtschaftlichkeit in das System bringen.
Der FDP als Gralshüter der freien Berufe und desWettbewerbs kann ich nur sagen:
Ich kann mich daran erinnern, dass die FDP in der kur-zen Zeit, in der sie bei den Kompromissrunden beteiligtwar, für eine Gruppe von Leistungsanbietern ein Reser-vat, einen Schutzraum errichten wollte. Sie wollte über-haupt keinen Wettbewerb. Wir waren diejenigen, diemehr Wettbewerb haben wollten. Wir wollten die Ein-zelverträge und wir wollten das Monopol der Kassen-ärztlichen Vereinigungen zumindest modifizieren.
Wir wollten noch mehr Bewegung in den Gesundheits-markt bringen. Sie haben dies verhindert.Wir haben einen Kompromiss geschlossen und dieserKompromiss ist besser, als häufig dargestellt wird. Wirwerden im nächsten Jahr sehen:
mehr Transparenz, mehr Qualität. Wir stärken die Pati-entenrechte und wir haben die Tür weiter für die inte-grierte Versorgung und die ambulante Versorgung inKrankenhäusern geöffnet.mKbdSbSJmWdmjukrmWoeDwhPsnhnddfuHi
Weiterhin bringen wir mehr Ordnung in den Arznei-ittelmarkt. Insofern setzen wir uns deutlich von Ihrerritik ab. Sie wollen den Wettbewerb nur, wenn er Ar-eitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft. Wenn es umie Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt geht, dann sindie ohne Rücksicht auf Verluste dafür, aber mehr Wett-ewerb zwischen Ärzten und Apothekern bezeichnenie als sozialistische Verirrungen.
a, wir wollen die Bürgerversicherung. Sie ist ein Ele-ent der nachhaltigen Finanzierung.
ir lehnen die Individualisierung und den Vorschlager CDU/CSU betreffend eine risikobezogene Kopfprä-ie ab. Wir wollen den Weg gehen, dass jeder Mann,ede Frau und jedes Kind in diesem Land versichert istnd die Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähig-eit Beiträge zahlen. Dabei achten wir auf die Finanzie-ung des Systems und auch auf die strukturellen Ele-ente.
ir werden die Prävention stärken. Das wird eine nati-nale Aufgabe werden. Wir wissen, dass die Präventionine Antwort auf die demographische Entwicklung ist.eswegen hat diese Regierung nicht nur die Präventionieder im SGB V verankert –, die Sie gestrichenatten –, sondern wir werden mit einem großen eigenenräventionsgesetz diesem Bereich endlich die Aufmerk-amkeit geben, die ihm zukommt.Meine Redezeit ist leider um. Ich fordere Sie auf,icht Ihrem Kollegen Kauder zu folgen, der angekündigtat, die Reform der Rente, auch die kurzfristigen Maß-ahmen, komplett abzulehnen. Damit zieht die Unionen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes den Bo-en unter den Füßen weg und verspielt unsere Zukunfts-ähigkeit. Verlassen Sie diesen Weg! Unterstützen Siens bei den Reformpaketen!
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Fricke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Frau Kühn-Mengel und auch Frau Bender habenn ihrer Rede – ich bin sicher, wir werden das gleich
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Otto Frickeauch in der Rede von Herrn Kurth erleben – nichts überden Haushalt gesagt.
Über den Haushalt zu reden muss ganz schrecklich fürSie sein, deshalb suchen Sie sich lieber etwas anderes,das Sie angreifen können. Als Haushälter sage ich Ihnen:Sie müssen sich mit dem Ist auseinander setzen; dennnur auf dieser Grundlage können Sie etwas Besseres fürdie Zukunft schaffen.
Eine kleine Anmerkung zu Ihnen, Herr Luther. Es istsicherlich gut, dass Sie mit Ihrer Frau über den Haushaltreden. Da Sie wie ich Vater dreier Kinder sind, solltenSie auch einmal mit Ihren Kindern darüber reden. DerKern des Problems, mit dem wir uns beschäftigen müs-sen, ist doch, dass wir die Zukunft unserer Kinder heuteund insbesondere in diesem Haushalt verfrühstücken.
Als Haushälter möchte ich ausdrücklich sagen, dasswir sachliche Beratungen durchgeführt haben. Wir ha-ben uns mit vielen Aspekten detailliert beschäftigt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Hajduk?
Selbstverständlich, besonders gern von der Kollegin
Hajduk.
– Wir arbeiten kollegial zusammen, Herr Kollege, das
heißt aber nicht, dass wir in der Sache gleicher Meinung
sein müssen.
Herr Kollege Fricke, Sie haben darauf angespielt,
dass die Kollegen meiner Fraktion nicht über den Haus-
halt des Gesundheitsministeriums reden wollten. Ich
möchte Sie daher fragen: Ist Ihnen eigentlich klar, dass
die Diskussion über die Rente in einem engen Zusam-
menhang mit dem Haushalt des Gesundheitsministeri-
ums – der Bund hat die Garantiefunktion inne – und im
weiteren Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt steht
und die Beiträge der Kolleginnen Waltraud Lehn und
Birgitt Bender daher sogar den Kern der Problematik in
der Haushaltspolitik und Rentenversicherung herausar-
beiten? Ist Ihnen dieser Zusammenhang bekannt?
Liebe Kollegin Hajduk, Sie werden überrascht sein,aber mir ist der Zusammenhang durchaus bekannt. Daswissen Sie auch aus den Berichterstattergesprächen. Da-mgwDCnkBt–rDAwawÜmIenbRkwdsKbkBa2Eddgd–wh
Sie wissen, dass ich es nicht schätze, über Inhalte dererichterstattergespräche in der Öffentlichkeit zu disku-ieren. Aber von Frau Bender wurde über Detailfragenum wie viele Milliarden geht es? – überhaupt nicht ge-edet.
ie Schwankungsreserve wurde nicht angesprochen.uch über die Frage, welche Rentengesetze beschlossenurden, die noch nicht in Kraft gesetzt worden sind,ber dennoch Einfluss auf den Haushalt haben werden,urde von ihr nicht geredet. Das war mein Ansatz. Imbrigen gebe ich Ihnen Recht: Es besteht ein Zusam-enhang.
Wir haben beim Bundessozialgericht etwas erreicht.n diesem Zusammenhang möchte ich meine Mitbericht-rstatter loben. Wir haben es geschafft, die Ausgabe ei-es hohen Millionenbetrages um ein Jahr zu verschie-en, weil wir gesagt haben, wir warten ab, wie dieenovierung des Bundessozialgerichts läuft. Das ist einleiner Punkt, den ich aber ansprechen wollte. Dennenn man auf der einen Seite Kritik übt, muss man aufer anderen Seite auch die Dinge loben, die in Ordnungind.Der Bericht des Bundesrechnungshofes zum Robert-och-Institut ist nicht in Ordnung, Frau Ministerin. Wirefinden uns ja schon in der Karnevalszeit und daherann ich sagen: Es ist bemerkenswert, wenn Geld für dasüro eines Vizepräsidenten, den es noch gar nicht gibt,usgegeben wird. Das ist schon ein Treppenwitz.Der Einzelplan 15 hat das größte Budget. Im Jahr004 wird das zu einem großen Risiko werden.
ines kann ich Ihnen garantieren, Frau Ministerin: Iniesem Jahr war der Haushalt des Wirtschaftsministersas größte Risiko. Er hat für einen Nachtragshaushaltesorgt. Im kommenden Jahr werden Sie es sein. Ich willamit nicht unterstellen, dass Sie das wollen
nein, dann würden Sie mich missverstehen –, aber esird genau darauf hinauslaufen.Ich begründe das gerne. Wir haben gesehen, wie Sieinsichtlich der globalen Minderausgabe vorgegangen
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6933
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Otto Frickesind, und wir haben in den Berichterstattergesprächenerlebt, liebe Kollegin Hajduk, dass uns die Ministerinund die Staatssekretärin auf unsere Bitte um konkreteAngaben zu der Frage, wie die 1 Milliarde Euro einge-spart werden soll, eine entsprechende Auskunft zugesagthaben. Am Montag darauf war das aber alles perdu. Zudiesem Zeitpunkt war klar, dass die Einsparvorschlägenicht vorgelegt werden müssen, sondern dass der Fi-nanzstaatssekretär Diller fleißig nach anderen Einspar-möglichkeiten im Haushalt suchen muss.Ich will nicht alles aufzählen. Das wäre eine Wieder-holung und damit höchst kritisch einzuschätzen. Ichmöchte aber einen Punkt ansprechen und die Kollegenvon der CDU/CSU bitten, über die Frage nachzudenken,wie wir Kinderlose davon überzeugen können, diejeni-gen zu unterstützen, die Kinder haben. Es kann dochnicht sein, liebe Kollegen von der CDU/CSU, dass durcheine falsche Prononcierung bei Kinderlosen das Gefühlentsteht, sie seien die Melkkühe der Nation. Wir müssendiese Leute bei den Reformen mitnehmen. Das ist mei-ner Ansicht nach nicht möglich, wenn Kinderlose höhereBeiträge zahlen müssen. Ich glaube, wir alle – das giltfür das ganze Haus – müssen vielmehr verstärkt daraufachten, die Leute mitzunehmen und zu zeigen, dass wirbereit sind, andere zu unterstützen, die im Sinne der So-lidarität – wie es die SPD so schätzt – etwas für unsereAltersvorsorge tun.Ich komme nun zur Rentenreform. Frau Ministerin,ob 1,5, 1,3 oder 1,2 Prozentpunkte – ich bin sehr ge-spannt darauf, auf welchen Prozentsatz die Beiträgeschließlich hinauslaufen werden und zu welchem Zeit-punkt die Frage geklärt wird, wann und in welcher Formdie Renten angepasst werden.Jetzt zu der Aussage, dass die Absenkung derSchwankungsreserve nicht so schlimm sei, Frau Lehn.Herr Diller wird zwar auch dafür eine Lösung finden– das ist auch im Nachtragshaushalt möglich –, aber ei-nem Rentner kommt es nicht nur darauf an, ob er amMonatsanfang oder -ende sein Geld bekommt. Wir soll-ten vielmehr vermeiden, immer wieder den Eindruck zuerwecken, dass wir uns ständig mit der Frage befassen,woher wir dieses Geld eigentlich nehmen sollen.
– Das tun wir auch nicht. Die Meldung lautet doch nicht:Die FDP und die CDU/CSU reden dem Bürger etwasein.
Die deutschen Journalisten – insofern habe ich ein star-kes Vertrauen zu ihnen – werden vielmehr feststellen:Während früher das Geld aus der Schwankungsreservezur Verfügung stand, muss der Staat jetzt schon so weitgehen, seine stillen Reserven zu verbrauchen.Für uns als Haushälter mag es dabei zunächst einmalnur um die Verrechnung von Posten gehen. Aber demRentner draußen im Lande macht dieser Zustand Angst.DamSWdWSsszsbgZmbtirauqfTssDhsn
Für mich zeigt sich bei der Rente, dass hier sozusagenit Verschiebebahnhöfen gearbeitet wird: Mal ist es derüdbahnhof, mal der Nordbahnhof, mal der Ostbahnhof.as aber fehlt, Frau Ministerin, ist,
ass Sie endlich einmal den Hauptbahnhof erreichen.
as das Thema Prävention angeht, bin ich gespannt, wieie Ihre Vorhaben finanzieren wollen.
Ich komme zu einem letzten Punkt. Ein weiteres Ri-iko in Ihrem Haushalt ergibt sich aus dem AAÜG hin-ichtlich der Sonderrenten Ost. Frau Lehn, Sie haben esu Recht immer wieder im Haushaltsausschuss ange-prochen: Die Sonderrenten Ost stellen ein riesiges Pro-lem dar. Ich möchte davor warnen, dass die Bundesre-ierung im Vermittlungsausschuss das AAÜG und dieahlungen der Länder sozusagen als Köder benutzt, da-it der Fisch zuschnappt, indem sich die neuen Länderereit erklären mitzumachen, weil sie sich davon Entlas-ungen versprechen. Es geht auf keinen Fall an, dass esn diesem Bereich zu weiteren Zahlungen kommt. Be-eits jetzt drohen Zahlungen, die durch die Gerichte ver-nlasst werden.Ich komme zum letzten Punkt: Gesundheitsreformnd Tabaksteuer.
Herr Kollege!
Ich komme zum Schluss. – Dass es nicht sehr konse-
uent ist, sich auf der einen Seite an der Gesundheitsre-
orm beteiligen zu wollen und auf der anderen Seite die
abaksteuerreform zu blockieren, ist eines. Aber
chlimm ist, dass die Umsetzung der Tabaksteuer nicht
o funktioniert wie vorgesehen. Das hat der Kollege
iller inzwischen auch bestätigt. Darin liegt ein weiteres
ohes Risiko.
Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung.
Nein, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. Ich warchon bei Ihrem Kollegen sehr großzügig. Es nütztichts, immer wieder mit der Präsidentin zu verhandeln.
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Erlauben Sie mir noch einen letzten Satz zur Gesund-
heitsreform und zur Tabaksteuer und zwar ein abgewan-
deltes Zitat von Wilhelm Busch:
Zwei Wochen war der Bürger krank. Jetzt raucht er
wieder, Gott sei Dank.
Ob das jeder versteht? Das Wort hat jetzt der Abge-
ordnete Markus Kurth.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Ich könnte jetztmit einem Busch-Zitat fortsetzen: „Ach, was muss manoft von bösen Buben hören oder lesen.“ Dieses Zitatdrängt sich einem in der Tat auf.
Wenn man die gesamte Haushaltsdebatte Revue pas-sieren lässt, dann fällt vor allen Dingen mit Blick auf dieCDU/CSU die Beliebigkeit auf, mit der Sie in den De-batten über die verschiedenen Einzelpläne haushalts-wirksame Forderungen ohne jeden Bezug zur prekärenHaushaltssituation des Bundes stellen.
In der Finanzdebatte klagen Sie über die Totengräber desStabilitätspakts; hier aber und in den Debatten in IhrerPartei stellen Sie politische Forderungen, die zum TeilAusgaben in zweistelliger Milliardenhöhe zur Folge hät-ten. Das passt nicht zusammen.
– Ich sage Ihnen gleich, wo.Ich wundere mich nicht über inhaltliche Unterschiedezwischen Regierung und Opposition in den Einzelvor-schlägen. Ich wundere mich nicht darüber, dass die Kol-legin Maria Eichhorn gestern in der familienpolitischenDebatte ein Erziehungsgeld in Höhe von monatlich500 Euro bis zum dritten Lebensjahr fordert. Man kannes einerseits als „Heim- und Herdprämie“ sehen, weil esfür Frauen negative Beschäftigungsanreize setzt, ande-rerseits kostet es zig Milliarden Euro.
Ich wundere mich nicht, dass der Abgeordnete MichaelMeister kurzerhand Kürzungen bei der Jugendhilfe, Ein-gliederungshilfe und Grundsicherung fordert. Ich wun-dere mich schon gar nicht über den Abgeordneten Merz,der ein Steuerkonzept vorlegt, das auf den ersten Blickrelativ einfach und charming zu sein scheint, das aberetwa die allein erziehende Krankenschwester im Ver-gleich zu heute erheblich benachteiligte und außerdemzb–zlweesdsgSSssAbdSPduwszRfppV
Wir schaffen einen neuen Freibetrag für die Alleiner-iehenden; das wissen Sie ganz genau.Ich wundere mich auch nicht über das Kopfpauscha-enmodell Ihrer Herzog-Kommission, das äußerst frag-ürdige Verteilungswirkungen hätte und darüber hinausin enormes Umverteilungsvolumen über Steuermittelrforderte.
Wenn ich diese Kakophonie verschiedener Vor-chläge höre, dann wundere ich mich aber sehr darüber,ass Sie nicht zu sehen scheinen, dass sich die Vor-chläge in der Gesamtschau widersprechen und zu einemewaltigen Defizit auftürmen, das bei EU-Kommissarolbes mit Sicherheit zu einer Herzattacke führte. Redenie denn gar nicht miteinander? Bestellt bei Ihnen jedereinen eigenen Vorgarten? Macht in dieser Debatte jedereine Vorschläge nach eigenem Gutdünken?
uf der einen Seite klagen Sie uns in der Haushaltsde-atte an, auf der anderen Seite machen Sie Vorschläge,ie viel Geld erfordern.
ie haben nicht nur ein Puzzle, Sie werfen verschiedeneuzzles ineinander. Sie verzichten wohl bedacht darauf,en Versuch zu machen, ein Gesamtbild zu zeichnen
nd sich miteinander ins Benehmen zu setzen, weil Sieissen, dass die verschiedenen Vorschläge, über die Sieich zum Teil auch untereinander streiten, einfach nichtusammenpassen.In diesem Zusammenhang will ich noch kurz auf denentenvorschlag von Herrn Stoiber eingehen: Bei ihmällt auf, wie sehr Sie eigentlich noch in der Verteilungs-olitik stecken, die Herr Kolb beinahe zu Recht ange-rangert hat, und wie wenig Sie Strukturfragen in denordergrund stellen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6935
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Markus KurthSie wollen die Kinderlosen belasten, Sie wollen die Fa-milien fördern.
– Bitte, Frau Widmann-Mauz, unterlassen Sie diesenpermanenten Geräuschhintergrund! Seien Sie einfachdie restlichen drei Minuten meiner Redezeit still und hö-ren Sie meiner Rede zu!
Ist denjenigen Frauen, die keinen Arbeitsplatz habenkönnen, weil es ihnen an Betreuungsmöglichkeiten fürKinder im Alter von null bis drei Jahren – nicht erst abdrei Jahren, wie Herr Kolb sagt – fehlt,
denn wirklich damit geholfen, wenn sie weniger Renten-beiträge zahlen sollen? Wo setzen wir denn gezielt un-sere Mittel ein?
In diesem Punkt unterscheiden sich die Regierungund diese Seite des Parlaments von Ihnen sehr, weil wirhier vernetzt denken. Wenn wir zum Beispiel über dieRegelsätze in der Sozialhilfe nachdenken, dann realisie-ren wir den Mehrbedarf bei den Alleinerziehenden imArbeitslosengeld II. Gleichzeitig gibt es den Erwerbstä-tigenzuschlag vonseiten des Familienministeriums fürdiejenigen, die im Bereich des Arbeitslosengeldes II er-werbstätig sind, und wir verbessern die Kinderbetreuungfür die Null- bis Dreijährigen, um die Erwerbstätigkeitzu steigern. Diese vernetzte, verschiedene Ressorts über-greifende Politik führt zu einer Steigerung des Erwerbs-tätigkeitsniveaus und legt das Fundament für eine nach-haltige Sozialpolitik.
Das könnte ich noch für eine ganze Reihe andererThemenbereiche durchdeklinieren. Da ich leider nichtmehr so viel Redezeit habe, möchte ich nur noch kurzauf zwei Bereiche eingehen, in denen die eben geschil-derten Zusammenhänge deutlich werden. Nach derjüngsten Studie des Statistischen Bundesamtes mit demTitel „40 Jahre Sozialhilfe in Deutschland“ ist der Anteilder Sozialhilfebezieher bei den Migrantinnen und Mig-ranten, also den ausländischen Mitbürgern der zweitenGeneration, überproportional hoch. Insgesamt liegt derAnteil der Ausländer an den Sozialhilfebeziehern bei22 Prozent. Natürlich kann man angesichts dessen wieHerr Beckstein sagen, dass wir mehr Menschen brau-chen, die uns nutzen, als solche, die uns ausnutzen.
– Mir war klar, dass Sie an der falschen Stelle klatschenwerden.Man kann aber auch zielgruppengerechte Programmeauflegen, um diese Menschen in das Erwerbsleben zu in-tegrieren. Dafür braucht man keine kommunalen Ar-bgdbeBWevvshsKaWipfmrnwdsfPTRdJSItsfsdK
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Andreas Storm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habeeute manchmal den Eindruck, auf der falschen Veran-taltung zu sein. Frau Kollegin Bender, Herr Kollegeurth, ich lade Sie ganz herzlich zu unserem Parteitagm kommenden Montag und Dienstag in Leipzig ein.enn Sie an ihm teilnehmen, dann werden Sie vielleichtn Zukunft nicht mehr so viel Unfug über unser Partei-rogramm reden. Es ist aber bezeichnend, dass Sie beideast kein Wort über das eigentliche Thema dieses Nach-ittags verloren haben, nämlich den Sozialhaushalt derot-grünen Bundesregierung. Das kommt sicherlichicht von ungefähr.
Einen Fortschritt gibt es: Nach derzeitigem Standird die zuständige Fachministerin, Frau Schmidt, heuteas Wort ergreifen. Bei der zweiten und der dritten Le-ung der Rentenreform, die vor wenigen Wochen statt-and, hat die Fachministerin – das war ein Novum in derarlamentsgeschichte – nicht zu diesem wichtigenhema gesprochen, das vor allem die Rentnerinnen undentner betrifft; denn zum ersten Mal in der Geschichteer Rentenversicherung werden die Renten im nächstenahr effektiv gekürzt.
Bei der Verabschiedung des Haushalts 2001 habenie in diesem Haus erklärt, beim Thema Rente hätten Siehre Hausaufgaben gemacht. Wenige Monate zuvor hat-en Sie nämlich die riestersche Rentenreform be-chlossen. Heute, zwei Jahre später, müssen wir abereststellen, dass sich die Sozialversicherung in derchwersten Finanzierungskrise ihrer Geschichte befin-et.
Im zweiten Jahr hintereinander weist die gesetzlicherankenversicherung ein Defizit von 3 Milliarden
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6936 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Andreas StormEuro auf. Ohne unsere Bereitschaft im Sommer diesesJahres, die dringendsten Finanzierungsprobleme derKrankenkassen gemeinsam zu lösen, würde sich die Bei-tragsspirale im kommenden Jahr unverändert weiterdre-hen und würde sich der Beitragssatz auf die 15-Prozent-Marke zubewegen. In wenigen Wochen werden Sie einneues Rekorddefizit – es wird wahrscheinlich bei über700 Millionen Euro liegen – in der Pflegeversicherungbekannt geben müssen.
Sie mussten ja bereits vor sechseinhalb Wochen, als Sieauf dem Krisengipfel im Kanzleramt nach einer Lösunggesucht haben, das größte Loch in der Geschichte derRentenversicherung – 8 Milliarden Euro – bekannt ge-ben.
Dies alles verschärft die Probleme der öffentlichenHaushalte gewaltig. Den meisten ist es nicht bewusst,aber das deutsche Haushaltsdefizit wird allein durch dieFinanzmisere der Sozialversicherung um 6,4 MilliardenEuro in diesem Jahr vergrößert. Dafür sind Sie verant-wortlich, Frau Schmidt.
Wie absurd die Renten- und die Sozialpolitik vonRot-Grün ist, zeigt sich daran, dass der Bundesfinanzmi-nister das Rekordloch in der Rentenversicherung nochvergrößern wollte. Auch das ist einmalig. Sie erinnernsich vielleicht an Folgendes:
Am Freitag vor sechs Wochen hat Rot-Grün mit seinerMehrheit ein Haushaltsbegleitgesetz beschlossen, dasvorsah, dass der Bundeszuschuss im kommenden Jahrum 2 Milliarden Euro reduziert wird.
Diese Entscheidung haben Sie zwei Tage später beimKanzlergipfel rückgängig gemacht.
Das ist kabarettreif und hat nichts mehr mit einer ernst-haften Renten- und Sozialpolitik zu tun.
Eine Verbesserung der Finanzlage der Rentenkasse istnicht in Sicht. Im Gegenteil: Im Jahr 2004 wird die Ren-tenkasse vor Problemen stehen, die sie in ihrer Ge-schichte noch nicht hatte.
BgmüzdbndkRdsdviDtmndo–ddSbautimmuFEgdR
Drittens. Die Rentenpolitik wird gewissermaßen im-er kurzatmiger. Deshalb muss bald möglicherweiseicht nur im Herbst, sondern auch unterjährig entschie-en werden, ob der Beitrag zur Rentenversicherung nachben angepasst wird.
Frau Bender, Sie fragen immer wieder: Was bedeutetenn das?
Viertens. Wenn der Finanzminister seine Finger beier Rentenauszahlung direkt im Spiel hat, dann bringenie – das ist völlig klar – die Rentenkasse an das Gängel-and des Finanzministers.Wenn wir im kommenden November die gleiche Situ-tion wie in diesem Jahr vorfinden, dann brauchen wirns über eine neue Rentenformel, über einen Nachhal-gkeitsfaktor oder über einen Demographiefaktor nichtehr zu unterhalten, dann entscheidet nämlich nichtehr die Rentenformel darüber, ob die Rentnerinnennd Rentner eine Rentenerhöhung erhalten, sondern derinanzminister.
ine Rente nach Kassenlage wollen wir nicht. Das Er-ebnis von sechs Jahren rot-grüner Rentenpolitik wirdie Ablösung der Rente nach Kassenlage durch eineente auf Pump sein.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6937
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Hajduk?
Aber gerne.
Herr Kollege, Sie sind ein Experte Ihrer Fraktion für
die Rentenfinanzierung.
Sie greifen in Ihrer Rede die Finanzierungsprobleme
auf und machen uns den Vorwurf, dass es – ich denke,
ich habe das richtig verstanden – unterjährig zu Beitrags-
satzschwankungen kommen könnte. Sie reden von den
Belastungen, haben aber noch keine Lösungen angebo-
ten. Darf ich Sie fragen, ob Sie uns empfohlen hätten,
den Beitragssatz in einem Zuge um knapp einen Prozent-
punkt anzuheben? Wie hätten Sie sich verhalten?
Frau Hajduk, als Sie hier vor zwei Jahren die Riester-Rente beschlossen haben, erklärten Sie, der Rentenbei-trag werde im darauf folgenden Jahr 18,7 Prozent betra-gen. Ohne diese Notmaßnahmen wäre der Rentenbeitragnun bei 20,3 Prozent. Dies ist das Ergebnis einer verfehl-ten rot-grünen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.
Deswegen ist es für die Lösung der Rentenprobleme ent-scheidend, dass die Arbeitsmarktprobleme gelöst wer-den.Zum Thema Schwankungsreserve will ich Ihnen ei-nes ganz deutlich sagen, weil Sie damit im Moment janoch nicht klarkommen. Die Kollegen aus der SPD-Fraktion sagen: Wir wissen gar nicht so recht, warumdas Ministerium eigentlich will, dass diese Rücklagewieder aufgebaut wird.
Es ist entscheidend, dass die Rentenkasse in den nächs-ten Jahren wieder eine Rücklage von mindestens zweiMonatsausgaben bekommt. Deswegen ist die ehrlicheAntwort, dass wir in diesem Jahrzehnt wahrscheinlichkeinen Spielraum mehr für die Senkung der Rentenbei-träge haben werden.Wenn es ein ganz großes Problem bei der Finanzierungder Rentenversicherung gibt, dann ist es die permanenteAbhängigkeit der Rentenbeiträge von der Konjunktur-entwicklung mit der Folge, dass steigende Rentenbei-träge die Arbeitsmarktmisere verschärfen. Deswegen istder Abbau der Rücklage der größte Fehler. Sie müssendie Rücklage in den nächsten Jahren wieder auf mindes-tens zwei Monatsausgaben erhöhen.WwnSesgrSsGdwwPgvvDTssmGdknmdes
enn dies nicht Gegenstand einer großen Rentenreformird, dann kann eine solche Rentenreform am Endeicht erfolgreich sein.
Jetzt komme ich zum SPD-Parteitag.
ie haben offenbar gegen den Willen des Bundeskanzlersinen Lösungsweg aufgezeigt, der die Probleme weiter ver-chärft, anstatt auch nur näherungsweise für Abhilfe zu sor-en. Sie haben nämlich vorgeschlagen, die Rentenversiche-ung zu einer Erwerbstätigenversicherung auszuweiten.
ie wollen die Beamten und die Freiberufler in die ge-etzliche Rentenversicherung aufnehmen.
Auf diesen Gedanken ist auch schon der Deutscheewerkschaftsbund gekommen. Er hat vor zwei Jahrenie Hans-Böckler-Stiftung prüfen lassen, was passiert,enn die Beamten und die Freiberufler aufgenommenerden. Ergebnis ist, dass es dann in der kritischenhase der Rentenversicherung, nach dem Jahr 2030, so-ar höhere Beiträge gibt, als wenn diese Gruppen außenor sind. All diese Erkenntnisse lagen vor.So hat auch der Bundeskanzler im „Spiegel“-Inter-iew dieser Woche erklärt – ich zitiere wörtlich –:Wenn man eine vernünftige Lösung will, muss manabwägen zwischen dem Geld, das durch das Einbe-ziehen neuer Gruppen in die Kasse kommt, und denAnsprüchen, die daraus entstehen. Bei dieser Ab-wägung könnte herauskommen, dass das bisherigeSystem sehr viel effektiver ist als das neue.as bedeutet: Der Bundeskanzler hat sich bereits dreiage nach Ihrem Parteitag von Ihrem Parteitagsbe-chluss verabschiedet. Nun könnte man aufatmen undagen: Das klingt nach Beerdigung dritter Klasse. Nur,an kann sich bei der derzeitigen Verfasstheit von Rot-rün eben nicht sicher sein.
Wenn Sie die ideologischen Scheuklappen bereits aufem Parteitag beiseite gelegt hätten, wenn Sie diese Er-enntnisse, die sogar den Gewerkschaften vorliegen, ge-utzt hätten, wären Sie nie auf den Gedanken gekom-en, eine Erwerbstätigenversicherung zu fordern.Wir brauchen also eine Sozialreform, die das Übel beien Wurzeln packt. Die Frage ist: Welches sind denn dientscheidenden Probleme bei den sozialen Sicherungs-ystemen? Wenn Sie sich einmal einen Vergleich mit
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Andreas Stormunseren europäischen Nachbarn anschauen, dann stellenSie fest: Es gibt kein anderes Land, das in dem Umfangwie Deutschland soziale Sicherheit über lohnbezogeneSozialabgaben finanziert.
Bei uns wird ein großer Teil der Arbeitskosten für so-ziale Sicherung aufgewendet.Deshalb ist ein Kernpunkt für die Lösung des Problems,zumindest für einen großen Teilbereich – das ist in ersterLinie das Gesundheitswesen – eine Abkopplung von denArbeitskosten zu erreichen. Das bedeutet auch – ehrlicheAntwort –, dass wir soziale Sicherheit ein Stück weitmehr als bisher aus Steuermitteln finanzieren müssen.Eine ehrliche Antwort zum Rentensystem ist auch,dass wir eine offene Flanke des Generationenvertragsvon 1957 schließen müssen. Dieser Generationenvertragzur Rente war nur ein Zweigenerationenvertrag. Er hatdie aktive Generation und die Rentnergeneration um-fasst. Jetzt müssen wir die Aufgabe bewältigen, auch diedritte Generation einzubeziehen und die Beitragsleis-tung, die jemand dadurch erbringt, dass er Kinder er-zieht, mit zu honorieren. Dass man dabei nicht über dasZiel hinausschießen darf und dass dabei keine einseitigeBelastung der Kinderlosen infrage kommt, ist richtig.Aber ohne Schließen dieser offenen Flanke der Renten-reform von 1957 werden Sie eine tragfähige Sozialre-form nicht schaffen.
Deswegen, meine Damen und Herren, dürfen wirkeine Zeit mehr verlieren. Wir sind bereit, an einergrundlegenden Erneuerung unserer sozialen Sicherungs-systeme mitzuwirken.
Mit Schlagworten wie Bürgerversicherung oder Er-werbstätigenversicherung lösen Sie kein einziges Pro-blem der Rentenversicherung.
Aber nach wie vor hängt die Erwerbstätigenversicherungals Damoklesschwert über der künftigen Rentenreform.Das sind Vorzeichen, die nichts Gutes erwarten lassen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gesine Lötzsch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-ehrte Gäste, ich bin Abgeordnete der PDS.
Alle Abgeordneten haben von der Gesundheitsminis-terin eine dicke Werbemappe bekommen mit der rotenAufschrift: Damit Deutschland gesund bleibt.IaevzssrsvRsDggguterv–bgG–dBd1legwzm
ch glaube, dass man mit Werbung viel erreichen kann,ber man kann den Menschen nicht dauerhaft ein X fürin U vormachen. Die von einer ganz großen Koalition,on SPD, CDU/CSU und Grünen konstruierten Gesetzeur Gesundheitspolitik
ind der Abschied von einer solidarischen Krankenver-orgung.
Ob Sie nun von Kopfpauschale oder Bürgerversiche-ung sprechen – Sie wollen nur eines, nämlich den Aus-tieg aus der paritätischen Finanzierung der Kranken-ersicherung. Die ersten Schritte haben Sie mit deneformen beim Krankengeld und beim Zahnersatzchon gemacht. Weitere Schritte werden folgen.
ie Grünen denken laut über das Einfrieren des Arbeit-eberanteils nach, die CDU möchte die Arbeitgeberanz aus der Verantwortung entlassen. Wir als PDS sindegen den CDU-Vorschlag einer Kopfpauschale
nd warnen die SPD und die Grünen vor einem Etiket-nschwindel: Führen Sie nicht über die Bürgerversiche-ung eine verkappte Kopfpauschale ein!
Meine Damen und Herren, Sie reden von mehr Eigen-erantwortung
wir stimmen im Bundesrat natürlich nicht zu, mein lie-er Kollege Kampeter –, meinen aber mehr Zuzahlun-en, und schröpfen die Bürger, ohne dass sie dafür mehresundheitsleistungen bekommen.
Weder Berlin noch Mecklenburg-Vorpommern habener Gesundheitsreform im Bundesrat zugestimmt. Ihreehauptung entspricht nicht der Sachlage. Sie könnenas im Protokoll des Bundesrates nachlesen.Im nächsten Jahr sollen die Krankenkassen um0 Milliarden Euro entlastet werden, 8,5 Milliarden sol-n die Versicherten selber finanzieren. Durch Eintritts-eld beim Arzt oder Zuzahlungen bei Medikamentenerden die Kranken immer mehr zur Kasse gebeten.Meine Damen und Herren, hoch spezialisierte Medi-intechnologien und die Neuentwicklung von Medika-enten treiben die Gesundheitsausgaben in den Indus-
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Dr. Gesine Lötzschtriestaaten in die Höhe. Deutschland gehört seit Jahrenbei den Gesundheitsausgaben zur Spitze, ohne dass Ge-sundheitszustand sowie Lebenserwartung ebenso Spitzesind. Die Österreicher zum Beispiel haben eine höhereLebenserwartung als die Deutschen und trotzdem einpreiswerteres Gesundheitssystem als wir. Der Beitrags-satz beträgt dort nur 7,3 Prozent einschließlich Arbeitge-beranteil und ist damit nur halb so hoch wie hier. In Ös-terreich zahlen allerdings alle in das Solidarsystem ein,also auch Minister, Beamte und Selbstständige. Dass alleeinzahlen ist des Rätsels Lösung.
Ich will ein kleines Beispiel dafür nennen, wie Sie mitIhrer so genannten Gesundheitsreform Arbeitsplätze ver-nichten, ohne letztendlich wirklich Geld einzusparen. Ichdenke an die Fahrtkosten für Taxis, die zukünftig bei ambu-lanter Versorgung grundsätzlich nicht mehr erstattet wer-den. Bezahlt werden nur noch Fahrten zur stationärenBehandlung. Diese Pläne bedrohen besonders die Exis-tenz von Unternehmen im ländlichen Raum. Billigerwird es aber trotzdem nicht. Die Gesundheitsökonomenmüssten hier eigentlich Protest anmelden; denn die Re-gelung führt zu einer Verlagerung von der vergleichs-weise preiswerten Beförderung mit Taxiunternehmenhin zu Krankentransporten bzw. der Beförderung durchRettungsdienste. Nach dem Wegfall zahlreicher Bus-und Bahnverbindungen, insbesondere in den Flächenlän-dern, ist für ältere Menschen das Taxi oftmals die ein-zige Möglichkeit, zum Arzt zu kommen.
Ich könnte Ihnen noch weitere Beispiele dafür nennen,dass durch Ihre Gesundheitsreform nicht nur Nachteilefür Patienten entstehen, sondern auch Arbeitsplätze ver-nichtet werden.An diesen wenigen Beispielen wird deutlich: Ihre Ge-sundheitsreform zieht nicht nur den Patientinnen und Pa-tienten das Geld aus der Tasche; sie vernichtet auch Ar-beitsplätze und wird das Gesundheitssystem nichtbilliger, sondern teurer machen.
Die schwerwiegendste Folge ist aber: Ihre Reform führtnicht zu mehr, sondern zu weniger Gesundheit bei denMenschen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Frau Bundesministerin UllaSchmidt.Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit undSoziale Sicherung:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Kollegin Lötzsch, Sie haben unser Informationspa-kududbbsA5HnghwdtguMrBsaJnzhsBDdmIIHbie
Der Bundestag und der Bundesrat haben ein Gesetzeschlossen, das viele Veränderungen für die Menschenringt. Da ist es nur richtig, Material zur Verfügung zutellen, damit alle Abgeordneten in ihren Wahlkreisenuskunft geben können. Weil das Gesetz nämlich fast00 Seiten stark ist; ist Öffentlichkeitsarbeit notwendig,err Kollege Zöller.Wir beraten heute über den Haushalt des Bundesmi-isteriums für Gesundheit und Soziale Sicherung, denrößten Einzelplan im Bundeshaushalt. Wir könnteneute über viele Einzelheiten reden, etwa darüber, dassir den Neubau auf dem Gelände in der Rochusstraßeurchführen, weil sich dort bundeseigene Liegenschaf-en befinden. Es ist allemal wirtschaftlicher, bundesei-ene Liegenschaften zu nutzen und die Mitarbeiterinnennd Mitarbeiter zusammenzuführen, als weiterhin hoheieten zu zahlen, die im Übrigen von Verträgen herrüh-en, die von der alten Regierung abgeschlossen wurden.
Ich könnte ferner etwas sagen über den Bericht desundesrechnungshofes zum Ausbau der Büros des Prä-identen des Robert-Koch-Institutes. Dann müsste ichllerdings darauf hinweisen, dass die Beschlüsse imahre 1997 gefasst wurden.
Man tut also immer gut daran, sich in Debatten, in de-en man glaubt, der Regierung alles vor die Füße werfenu können, daran zu erinnern, dass es noch nicht so langeer ist, dass CDU/CSU und FDP Verantwortung in die-em Lande getragen haben und mit ihrer Mehrheit dieeschlüsse gefasst haben.
azu zählte auch der Beschluss über Baumaßnahmenes Robert-Koch-Institutes. Zu Einzelheiten will ichich jetzt gar nicht weiter äußern.
ch weiß, Sie hören das nicht gerne, aber Sie haben mithren Vorwürfen danebengegriffen.Sprechen wir über den Haushalt. Der größte Teil desaushaltes wird für die Sozialversicherung und die Sta-ilisierung der Rentenversicherung aufgewendet. Ebenst gesagt worden: Es muss aufhören, dass so viele Steu-rgelder in die Rentenversicherung fließen. – Dann
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Bundesministerin Ulla Schmidtmüssen wir uns entscheiden; wir lassen nämlich keineneinzigen Steuereuro in die Rentenversicherung fließen,um etwa Beitragsausfälle auszugleichen.
Wir haben in diesem Hause vor vielen Jahren einenBundeszuschuss für die Rentenversicherung vielmehrdeshalb beschlossen, weil die Rentenversicherung Auf-gaben wahrnehmen muss, die nicht zu ihren originärenAufgaben gehören, sondern die die gesamte Gesellschaftbetreffen.
Es kann nicht allein Aufgabe der Beitragszahler und Bei-tragszahlerinnen sein, für diese Aufgaben aufzukom-men. Stattdessen müssen alle – über die Steuer – an derFinanzierung dieser Leistungen beteiligt werden.
Es ist eine Mär, dass der Bundeszuschuss deshalbständig steige, etwa weil die Einnahmen in der gesetzli-chen Rentenversicherung zurückgingen; das wird auchdurch noch so vieles Wiederholen – von allen Seiten –nicht wahr. Der Bundeszuschuss ist von 1960 bis 1989gesunken, und zwar von 25 auf 20 Prozent. Er wurde an-gehoben, damit die Rentenversicherung gesamtdeutscheAufgaben wahrnehmen konnte:
Die Rentenversicherung musste die Zusammenführungzweier Systeme leisten, das der Menschen in Ost-deutschland mit ihren berechtigten Rentenansprüchenund das der Menschen in Westdeutschland.
Als der Zuschuss 1997 angehoben werden musste, ha-ben wir gemeinsam – Bund und Länder – beschlossen,die Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt zu erhöhen, undzwar um Fremdrenten und einigungsbedingte Leistun-gen erbringen zu können sowie der Forderung des Bun-desverfassungsgerichts nach einer Höherbewertung vonKindererziehungszeiten nachzukommen.
Wir finanzieren mit Einnahmen aus der Ökosteuerweitere gesamtgesellschaftliche Aufgaben, weil wirmöchten, dass Kindererziehung berücksichtigt wird undnicht derjenige einen Vorteil hat, der in der Lage ist, er-werbstätig zu sein, weil er keine Kinder erzieht, und eindurchschnittliches Einkommen erzielt. Dahin fließen diezusätzlichen Einnahmen aus der Ökosteuer. Wer darüberredet, dass der Bundeszuschuss zurückgeführt werdenmuss, der muss auch sagen, welche Leistungen der Ren-tenversicherung demnächst gestrichen werden sollen.
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n dem wir feststellen müssen, dass die sozialen Siche-ungssysteme in Deutschland nicht mehr tragen.
Dazu sage ich Ihnen: Sie irren sehr,
enn Sie sagen, dass die sozialen Sicherungssystemeicht mehr tragen.
ch leugne nicht, dass wir einen dringenden Reformbe-arf haben.
ber Sie sind im Unrecht, wenn Sie behaupten, die sozia-en Sicherungssysteme tragen nicht mehr, weil wir dieemographischen Probleme nicht lösen können und weils konjunkturelle Schwierigkeiten gibt.
ie deutsche Rentenversicherung leistet Jahr für Jahrit einem Transfer von 10 Milliarden Euro, die vomesten in den Osten fließen, einen Beitrag zur Anglei-hung der Lebensverhältnisse.
ie sozialen Sicherungssysteme haben den gesamtenrozess der deutschen Vereinigung mit getragen. Sieissen, dass es ein elementarer Fehler Ihrer Regierungar, Aufgaben im Zusammenhang mit der deutscheninheit über die Sozialversicherungssysteme anstattber Steuern zu finanzieren.
enn wir in unseren sozialen Sicherungssystemen dieseufgaben nicht mehr wahrnehmen müssten, hätten wirm 4 Prozentpunkte niedrigere allgemeine Beitragssätzend kein Mensch würde in diesem Hause darüber reden,ass diese Systeme vor dem Kollaps stehen oder nichtehr tragen.
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Bundesministerin Ulla SchmidtHerr Kollege Kolb, Sie sagen, diese Systeme tragennicht mehr, und fordern Privatisierung anstelle der soli-darischen Umlagefinanzierung. Dem halte ich entgegen:Wo wären wir denn, wenn wir ein rein kapitalgedecktesSystem hätten? Wäre es bei uns dann so wie in den Ver-einigten Staaten? Dort müssen wegen der Börsenverlusteauch Menschen über 70 wieder arbeiten gehen. Ichnenne als Beispiel nur General Motors mit 19,3 Milliar-den Dollar Verlusten in der Pensionskasse. In derSchweiz hat die Regierung 20 Milliarden Euro nach-schießen müssen. Bei den rein kapitalgestützten Pensi-onsfonds gab es im Jahr 2002 weltweit insgesamt1 400 Milliarden Dollar Verluste als Folge der Schwie-rigkeiten im Börsengeschäft. Da soll jemand sagen, einsolches System sei besser als die Reform des umlage-finanzierten solidarischen Systems, das wir hier inDeutschland haben
und um das uns, Kollege Kolb, die Mehrheit der Men-schen auf dieser Welt beneidet! Die hätten gern unserSozialsystem, dann würden sie nämlich wesentlich bes-ser leben.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kolb? – Bitte schön, Herr Kolb.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich sage schon ein-mal voraus: Wir werden im nächsten Jahr im Novemberan dieser Stelle wieder eine Debatte führen und ichwerde Ihnen das, was Sie heute hier gesagt haben, vor-halten. Das als Vorbemerkung.
Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich da-von gesprochen habe, dass die Systeme in ihrer bisheri-gen umlagefinanzierten Form nicht mehr tragen? SindSie ferner bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass man dasam Beispiel der Rente sehr gut belegen kann?Sie haben mit dem Vorschaltgesetz alle Stellschrau-ben im System der umlagefinanzierten gesetzlichen Ren-tenversicherung bis zum Anschlag angezogen.
Sie setzen mit Ihren wirtschaftlichen Prognosen auf dasPrinzip Hoffnung. Ich sage Ihnen voraus: Wenn sich einWirtschaftswachstum von 1,6 Prozent im nächsten Jahrnicht einstellen wird und es nur bei 0,8 oder 1,0 Prozentliegt, dann wird das zutreffen, was der Kollege FrickeIhnen prophezeit hat, nämlich dass Ihr Ministerium An-lass für einen Nachtragshaushalt geben wird.Ich verstehe nicht, wie Sie in dieser Situation so tunkönnen, als wenn wir in der umlagefinanzierten gesetzli-chen Rentenversicherung keine Probleme hätten.DrIMShiSdfMg––vkaL–knnisEingrbh
as gilt in ähnlicher Weise auch für den Gesundheitsbe-eich.
ch frage, ob Sie bereit sind, das zur Kenntnis zu nehmen.ich erschreckt, dass Sie die Tragweite der Probleme imystem der sozialen Sicherung entweder nicht erkanntaben oder sie verdrängen. Zu diesen Problemen hättech gerne Ihre Einschätzung gehört.
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit undoziale Sicherung:Herr Kollege Kolb, es ist entscheidend, festzuhalten,ass wir eine Diskussion über Reformen innerhalb einesunktionierenden Systems führen, in dem bis heute jedenonat allen Rentnern und Rentnerinnen ihre Rente aus-ezahlt wird.
Ich schaue nach vorne. Bleiben Sie nur stehen!
Sich zwischendurch zu bewegen ist gesund. Wir sitzeniel zu viel.Es hat nach der staatlichen Vereinigung, die sehrompliziert war, keinen einzigen Tag gegeben, an demuch nur ein Rentner oder eine Rentnerin in den neuenändern seine bzw. ihre Rente nicht erhalten hätte.
Sie müssen ein bisschen mehr Geduld haben, sonstönnen Sie an dem Punktesammeln im Rahmen der Bo-usprogramme in der gesetzlichen Krankenversicherungicht teilnehmen, Herr Kollege Kolb.
Sie haben davon gesprochen, dass das System marodet. Ich sage Ihnen, das System ist nicht marode; es trägt.s ist unverantwortlich, die Menschen zu verunsichern,dem man behauptet, das System würde nicht mehr tra-en.
Herr Kollege Storm, Sie waren bei meiner Rede wäh-end der ersten Lesung anwesend. Ich werde in Zukunfterücksichtigen, dass Sie mich bei jeder Debatte redenören wollen, weil es Ihnen anscheinend so viel Spaß
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Bundesministerin Ulla Schmidtmacht. Ich habe bei dieser Gelegenheit gesagt, dass wiruns dafür entschieden haben, eine Beitragssatzanhebungzu vermeiden. Selbstverständlich setzen wir damit vollauf Wachstum.
– Ich bin noch nicht mit meiner Antwort fertig, HerrKollege Kolb. Bleiben Sie bitte stehen!
Wir setzen auf die Karte Wachstum. Es gibt immermehr belastbare Anzeichen dafür, dass Wachstum ein-setzt und der Aufschwung kommt. Dieses Wirtschafts-wachstum will ich nicht durch eine Beitragssatzerhö-hung gefährden.Keine Sozialversicherung kann die Probleme lösen,die sich ergeben würden, wenn das Wachstum inDeutschland im vierten Jahr hintereinander bei null lie-gen würde. Dann müssten wir ganz andere Maßnahmenin diesem Haus diskutieren. Wir setzen auf Wachstumund haben daher diesen Weg gewählt. Ich vertrete in die-sem Zusammenhang auch die Einschnitte bei der älterenGeneration, die niemand gerne macht, die aber notwen-dig sind.
Sie müssen sein, weil wir sonst die notwendige Finanz-kraft nicht aufbringen können.Ich setzte auf Wachstum, Aufschwung und darauf,dass es mehr Beschäftigung in diesem Land gibt. Einesist unbestritten: Ohne Beschäftigte, die in die Sozialkas-sen einzahlen, ist kein System tragfähig.
Unbestritten ist aber auch: Ein kapitalgestütztes Systemwürde noch schneller an seine Grenzen stoßen.Herr Kollege Kolb, Sie müssen unterscheiden, ob einSystem reformbedürftig oder marode ist. Man muss sichgut überlegen, ob man von der Umlagefinanzierung undder solidarischen Finanzierung weg und hin zu Eigen-verantwortung und zu privater Absicherung geht. Das istja auch das Motto Ihres Vorsitzenden: Wenn jeder ansich selber denkt, dann ist an alle gedacht. – Das ist nichtunser Weg in der Politik.
Wir wollen vielmehr Sozialsysteme, in denen der Starkefür den Schwachen, der Gesunde für den Kranken,Singles für Familien und diejenigen, die mehr Geld ha-ben, für diejenigen, die weniger Geld haben, einstehen.
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ondern auch mit 45 Entgeltpunkten ohne Abschläge inente gehen kann, dann würde das System schnell ma-ode. Denn diese 45 Entgeltpunkte hat ein Gutverdienen-er schon nach 25 Beitragsjahren erreicht. Dann stimmtn der Folge das Verhältnis zwischen dem Eingezahltennd der Anzahl der Jahre, in denen Leistungen bezogenerden, nicht mehr.
ir haben einen großen Informations- und Diskussions-edarf. Dem werden wir Rechnung tragen.Das, was Kollege Zöller vorgetragen hat, ist eine guteasis, über die nächsten Schritte zur langfristigen Siche-ung der gesetzlichen Rentenversicherung zu reden.ch weiß, dass Sie bei den Kurzfristmaßnahmen nichtitmachen; die beschließen wir allein. Aber wir solltenns überlegen, ob es für das Vertrauen der Menschen inie gesetzliche Rentenversicherung gut ist, wenn wir unsie die Kesselflicker streiten. Ich halte es für besser,enn wir versuchen, unsere gemeinsamen Ziele in eineemeinsame Politik münden zu lassen. Wir verfolgen,enn ich Sie richtig verstanden habe, gemeinsam dasiel, das System der umlagefinanzierten Rente zu erhal-en. Wir wissen, dass die umlagefinanzierte Rente dereutigen jungen Generation nicht mehr die Lebensstan-ardsicherung bietet, wie es bei der jetzigen Rentnerge-eration der Fall ist.
eshalb haben wir den Mut gehabt, Frau Widmann-auz, neben der umlagefinanzierten Rente eine kapital-estützte Säule aufzubauen.
Ich habe das System verteidigt. Es wäre mir neu, dassie CDU/CSU ein rein kapitalgestütztes System fordert.ir haben in der letzten Legislaturperiode festgelegt:ie umlagefinanzierte Rente ist die Hauptsäule. Dieunge Generation braucht aber zusätzlich eine betriebli-he oder eine private Vorsorge. Nur in einer Kombina-ion zwischen Umlagefinanzierung und zusätzlicher pri-ater kapitalgestützter Säule wird die junge Generation
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Bundesministerin Ulla Schmidtdie notwendige Sicherheit erreichen können, in30 Jahren ihren Lebensabend finanzieren zu können.
– Nein, die FDP will nur eine private Rente.
Wir haben dafür gesorgt, dass die betrieblicheAltersvorsorge eine Renaissance erlebt. Mittlerweilehaben 57 Prozent aller Beschäftigten eine betrieblicheAltersvorsorge abgeschlossen. Unsere gemeinsame Auf-gabe wird es sein, dafür zu werben, dass jeder und jedeso etwas macht. In den letzten zwei Jahren hat es hier Er-folge gegeben. Sie stellen uns zwar nicht zufrieden; aberimmerhin ist der Anteil der Frauen, die eine betrieblicheAltersvorsorge abschließen, auf 29 Prozent gestiegen. Inden neuen Bundesländern gibt es einen Anstieg von19 auf 27 Prozent. Dieser Aufgabe müssen wir uns ge-meinsam widmen.Herr Kollege Zöller, ich teile Ihre Auffassung, dassderjenige, der ein Leben lang gearbeitet und Beiträge ge-zahlt hat, und zwar in der Kombination aus umlagefinan-zierter und privater Säule, am Ende eine Rente erhaltenmuss, die höher ist als die Sozialhilfe, die jemand im Al-ter bekommt, weil er – aus welchen Gründen auch im-mer – keine Beiträge zahlen konnte.Vor diesem Hintergrund müsste man einmal überle-gen, wohin die Begrenzung auf einen Beitragssatz von20 Prozent führt, die ja auch die CSU fordert. AlleWege, die wir gehen – sei es die Einführung eines Nach-haltigkeitsfaktors oder auch die verlangsamte Anpas-sung der Renten –, führen zu einer langsameren Absen-kung des Niveaus, was bei den Jüngeren durch einehöhere kapitalgestützte Säule ausgeglichen werden soll.In der gesetzlichen Rentenversicherung müssen dieBeiträge gerade für die jüngere Generation bezahlbarbleiben und muss ein gewisses Rentenniveau gesichertwerden. Ansonsten funktioniert der Generationenvertragnicht mehr. Dieser Aufgabe müssen wir uns alle stellen.
Man muss sich die Frage stellen, ob ein Rentenniveauausreicht, das unter 40 Prozent des durchschnittlichenBruttoeinkommens liegt, oder ob wir hier gemeinsam zuneuen Lösungen kommen müssen.Wir wollen noch in diesem Jahr unseren Gesetzent-wurf zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungs-grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung in denDeutschen Bundestag einbringen. Wir wollen die Ren-tenanpassungsformel verändern. Dazu haben Koalitionund Opposition ähnliche Vorstellungen. Wir wollen indiesem Jahrzehnt das tatsächliche Renteneintrittsalteran das gesetzliche Renteneintrittsalter anpassen. IchgümdteBhgzngBafddgshAdCShDda–hnd01dsDas
as werden wir alles auf den Weg bringen.
Zur Schwankungsreserve ist zu sagen: Wir möchtenie Schwankungsreserve als eine Nachhaltigkeitsreserveuffüllen.
Ja, natürlich. Wir haben sie gesenkt. Meine Herren, ichabe heute schon ein paar Mal erlebt, dass das Gedächt-is bei Ihnen manchmal nachlässt. Von 1992 bis 1996 istie Schwankungsreserve von 2,6 Monatsraten auf,6 Monatsraten gesenkt worden.
998 haben wir sie wieder etwas aufgefüllt. Wenn aberie Kassen leer sind, kann man nicht aus dem Vollenchöpfen.
ann muss man die Schwankungsreserve vielleicht auchuf 0,2 Monatsraten reduzieren. Ich stehe zu dieser Ent-cheidung,
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Bundesministerin Ulla Schmidtdenn vor die Wahl gestellt, die Beitragssätze anzuhebenoder zusätzliche 4,8 Milliarden Euro bei den Rentnerin-nen und Rentnern einzusparen, entscheide ich mich da-für, die Schwankungsreserve zu senken.Herr Kollege Storm, selbst wenn es so wäre, dass derBundesfinanzminister den Bundeszuschuss im kommen-den Jahr einen Monat vorziehen müsste, wäre dies keinProblem. Das Gleiche hat 1985 auch MinisterStoltenberg getan. Es war auch damals kein Problem. Soviel dazu, wann in dieser Republik welche Entscheidungzum ersten Mal gefällt worden ist.
Damals ist die Rente auch über Steuern finanziertworden. Das tut niemandem weh. Aber weitere4,8 Milliarden Euro bei den Rentnerinnen und Rentnerneinzusparen hätte wehgetan. Es wäre auch schmerzhaftgewesen, die Beitragssätze zu erhöhen, um die4,8 Milliarden Euro einzunehmen. Deshalb stehe ich zuder Entscheidung.Sobald der Konjunkturmotor anspringt und sich dieEinnahmesitutation bei der Rentenversicherung verbes-sert, werden wir die Schwankungsreserve auf 1,5 Mo-natsraten auffüllen – so steht es im Referentenentwurf.
Ob diese Entscheidung im Laufe der Beratungen geän-dert wird, wird man sehen.
Wir haben einen Vorschlag gemacht.Zum Abschluss möchte ich auf die von Ihnen, HerrKollege Storm, verbreitete Mär zu sprechen kommen. Esist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass die Rent-nerinnen und Rentner weniger Geld ausbezahlt bekom-men. Zum 1. Januar 1995 haben Sie die Pflegeversiche-rung eingeführt. Auch die Rentnerinnen und Rentnerhaben einen Beitrag dazu leisten müssen.
– Das werfe ich niemandem vor. – Mit Formulierungenwie „zum ersten Mal“ sollte man aber vorsichtig sein.
Wir haben damals die Einführung der Pflegeversiche-rung unterstützt. Der Weg war richtig.Wir müssen nun Entscheidungen treffen, um die Bei-tragssätze stabil zu halten. Nur so eröffnen wir den jun-gen Menschen Perspektiven und schaffen Beschäfti-gung. Auf Dauer sind die Renten nur dann sicher, wennsie bezahlbar sind. Wir müssen dafür sorgen, dass dieArbeitslosigkeit bekämpft wird und die Menschen Be-schäftigung haben. Dann werden die Rentnerinnen undRentner auch wieder am Wachstum teilhaben können.KzdmwhndAisüngwnz1ddsRztgssdSwkdsGrush
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der
ollegin Petra Pau.
Frau Ministerin, Sie haben mir Informationsmaterialukommen lassen, wofür ich mich bedankt habe. Außer-em habe ich Sie darum gebeten, mir noch weitere Infor-ationsmappen zu übersenden.Das Grundverständnis der PDS im Bundestag ist, dassir als Bundestagsabgeordnete nicht nur die Aufgabeaben, Gesetzesvorlagen zuzustimmen oder sie abzuleh-en, sondern dass wir die Menschen im Lande auch überie Risiken und Nebenwirkungen wie auch über dieuswirkungen unseres Tuns aufklären müssen. So habech die erste Informationsmappe meiner Hausärztin ge-chenkt, die diese in ihrem Wartezimmer ausgelegt hat.Sollten Sie mir die gewünschten weiteren Materialienbersenden, werde ich eine Informationsmappe in mei-er Wahlkreissprechstunde für die Information der Bür-erinnen und Bürger nutzen. Eine Informationsmappeerde ich immer in der Tasche haben, um den Bürgerin-en und Bürgern, die mich danach fragen, was auf sieukommt, zu erklären, dass ab Januar pro Quartal0 Euro Eintrittsgebühr für die Arztpraxis fällig werden,ass sie ab Januar bei Arznei- und Verbandsmitteln min-estens 5 Euro pro Verordnung zuzahlen müssen, dassie auch bei Heil- und Hilfsmitteln wie zum Beispielollstühlen zuzahlen müssen – das ist in Ihrem Geset-espaket vorgesehen –, und um zu erklären, welche Leis-ungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkasseestrichen werden; meine Kollegin Lötzsch hat daschon aufgezählt.
Eine Antwort auf die wohl wichtigste Frage findetich allerdings weder in Ihrem Werbematerial noch aufen Werbeplakaten zur Agenda 2010, die uns in diesertadt und im Rest der Republik belästigen, nämlich wieir dem Trend zur Aufsplittung der Sozialkassen in Teil-askoversicherungen endlich entgegentreten und uns aufen Sinn des solidarischen Sicherungssystems zurückbe-innen können. Der Gedanke, der dahinter steht, lautet:esunde helfen Kranken, materiell Stärkere helfen mate-iell Schwächeren. Denn das schafft Zusammenhalt innserer Gesellschaft. Diese Antwort bleiben Sie unschuldig. Deswegen werden wir mit Ihnen auch weiter-in darüber streiten.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6945
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Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kolle-
gin Annette Widmann-Mauz von der CDU/CSU-Frak-
tion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Frau Ministerin Schmidt, ich habe Sie in diesem Hauseschon häufiger reden hören, aber so widersprüchlich wieam heutigen Nachmittag war Ihre Rede selten.Als wir in den 90er-Jahren die Pflegeversicherungeingeführt haben, haben die Rentnerinnen und Rentnerim Juli vor der Einführung und im Juli nach der Einfüh-rung Rentenerhöhungen erhalten;
das wissen Sie ganz genau. Außerdem stehen hinter denBeiträgen für die Pflegeversicherung, die natürlich eineBelastung darstellen, auch Leistungen.
Das, was Sie vorhaben, bedeutet Nullrunden mit Mehr-belastungen für die Rentnerinnen und Rentner. Es han-delt sich also um reale Rentenkürzungen.
Ich war gespannt, ob ich heute von Ihnen etwas zurErwerbstätigenversicherung zu hören bekomme, die dieSPD auf dem Bundesparteitag beschlossen hat. Dass Sienichts dazu gesagt haben, bestärkt mich in meiner Hal-tung, dass Sie nichts davon halten und damit der glei-chen Meinung sind wie der Bundeskanzler.Sie behaupten hier ständig, dass unsere Systeme inOrdnung seien und alles wunderbar funktioniere. Warumaber funktioniert denn scheinbar noch alles? Das ist dochnur deshalb der Fall, weil Sie Monat für Monat, Jahr fürJahr und in immer stärkerem Maße Zuschüsse aus demBundeshaushalt in Anspruch nehmen. Deshalb: Für dieZukunft ist noch kein Problem gelöst; im Gegenteil, eswird von Jahr zu Jahr schlimmer.
Sie sagen: Wenn in der Kasse nichts drin ist – Sie habendas auf die Schwankungsreserve bezogen –, dann kannman auch nicht aus dem Vollen schöpfen. Warum schöp-fen Sie denn dann noch einmal und senken die Schwan-kungsreserve in diesem Umfang ab, obwohl ohnehinschon so wenig drin ist?Im Übrigen war ich total darüber verwundert, wie Siesich – es war im Mittelteil Ihrer Rede – zu kapitalge-deckten Systemen geäußert haben. Ich dachte schon, Siewollten die Riester-Rente glatt wieder abschaffen.
Mann konnte fast den Eindruck gewinnen, das Grund-übel sei, dass wir in unserem Land kapitalgedeckte Si-cGAhuhmddWetoNkMBpWKaghdumkdSdeMUmvkmssgzddna
Frau Ministerin Schmidt, durch das, was Sie heuteier abgeliefert haben, bestätigen Sie die Bevölkerungnseres Landes, in der eine enorme Verunsicherungerrscht. Die Menschen wissen doch überhaupt nichtehr, woran sie sind. Das Ziel, das mit der Umsetzunger Agenda 2010 in Angriff genommen werden soll, istraußen überhaupt nicht erkennbar. Das Warum undozu der Reformen bleibt unklar. Deutschland steht nuninmal am Scheideweg: Zwingen wir die Menschen wei-er in Systeme, die nicht länger zukunftsweisend sind,der wagen wir Reformen, die von Verantwortung undachhaltigkeit geprägt sind?
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sieönnen das Wort „Nachhaltigkeit“ noch so häufig imunde führen: Die Finanz- und Haushaltspolitik dieserundesregierung ist sicher nicht von Nachhaltigkeit ge-rägt. Sie schaffen diese Tatsache nicht damit aus derelt, dass Sie sie einfach ignorieren. Lieber Kollegeurth, eine schmerzliche Wahrheit ist manchmal besserls das Verdrängen. Machen wir uns doch nichts vor: Esibt eigentlich nur zwei Gründe, warum Hans Eichel ameutigen Tag noch im Amt ist: erstens, weil Sie nieman-en haben, der aus diesem Job etwas machen könnte,
nd zweitens, weil wir von der Union in diesem Sommerit dem GMG unseren kleinen Beitrag zu einem Sparpa-et geleistet haben. Durch uns hat Hans Eichel zumin-est kurzfristig ein klein wenig Luft bekommen.Sie werden sich fragen, warum: Die Defizite undchulden der Krankenkassen von insgesamt 9 Milliar-en Euro gehen in die Gesamtverschuldung des Staatesin. Sie sind für die Einhaltung der Kriterien vonaastricht also relevant. Darauf haben wir von dernion schon in der vergangenen Legislaturperiode im-er wieder hingewiesen. Frau Schmidt, Sie wollten da-on nichts wissen. Ich erinnere mich an spannende Dis-ussionen hier im Haus.In diesem Sommer haben wir die Gesundheitsreformit einem Einsparvolumen von 20 Milliarden Euro be-chlossen. Eine so gewaltige Summe wurde in der ge-etzlichen Krankenversicherung noch niemals zuvor ein-espart. Die Kraftanstrengung war notwendig, und zwarum einen, um die aufgelaufenen Defizite und Schuldener Kassen abbauen zu können, und zum anderen, umie Beiträge in Richtung von 13 Prozent drücken zu kön-en. Alleine hätten Sie das nicht gepackt; das wissen Sieuch. Sie brauchen die Kraft der Union.
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6946 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Annette Widmann-MauzHohe Sozialversicherungsbeiträge sind Gift für dieWirtschaft. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile sogarin Ihren Reihen zum Allgemeingut entwickelt. Alleinseit September dieses Jahres
– Sie müssen aufpassen – sind die Einnahmen in der ge-setzlichen Krankenversicherung um 0,9 Prozent zurück-gegangen. Das entspricht 1,2 Milliarden Euro. Verglei-chen wir einmal die beitragspflichtigen Einnahmen: ImOktober dieses Jahres liegen sie um 8,2 Milliarden Eurounter denen des Vergleichsmonats im Vorjahr.Am 4. Dezember wird der Schätzerkreis wieder ein-mal tagen. Die Tendenz wird lauten: Es wird nochschlechter werden. Frau Schmidt, rechnet man alleinedas hoch, was wir in den letzten zwei Monaten erlebt ha-ben, dann kann man wahrlich nicht davon sprechen, dassunsere Systeme funktionieren. Insbesondere für die ge-setzliche Krankenversicherung ist die Lage bedrohlich.
Damit wird einmal mehr deutlich, was der Grund fürdiese Krise in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.Der Grund ist die zunehmende Arbeitslosigkeit auf-grund der strukturellen wirtschaftlichen Schwäche, derlahmenden Konjunktur und Ihrer falschen Wirtschafts-und Sozialpolitik in unserem Land. Die Ausgaben stei-gen und die Einnahmen brechen weg, weil die Beiträgean Löhne und Gehälter gekoppelt sind. Die höheren Bei-träge drücken wieder auf die Arbeitskosten und heizenso die Spirale der Arbeitslosigkeit weiter an.Aus dieser vertrackten Situation führt eine bloße Er-weiterung des Versichertenkreises auch dann nichtheraus, wenn sie um eine Verbreiterung der Bemessungs-grundlage ergänzt wird. Dies wird das Finanzierungspro-blem allenfalls etwas abmildern, aber im Kern auf keinenFall lösen. Mit Ihren Ankündigungen geben Sie keineAntwort auf den demographischen Wandel in Verbin-dung mit dem medizinisch-technischen Fortschritt. Wirkommen um wirkliche Reformen nicht herum.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der ge-samtwirtschaftlichen Entwicklung teilt unsere Einschät-zung. Er befürchtet, dass bei Einführung einer kollekti-ven Bürgerzwangsversicherung Wachstum und weitere1 Million Arbeitsplätze verloren gehen. Er führt aus:Eine Bürgerversicherung dagegen ist mit einemdeutlichen Beschäftigungsrückgang von bis3,0 v. H. verbunden.
Wie erwartet wirkt vor allem die Anhebung derBeitragsbemessungsgrenze und die Einbeziehungvon Vermögenseinkommen in die Bemessungs-grundlage besonders beschäftigungsfeindlich.Das sollten Sie sich einmal durchlesen. Sie würden wirk-liche Erkenntnisse gewinnen.
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Was wir brauchen, sind keine schönen neuen Begriffeie Bürgerversicherung.
as wir brauchen, ist ein System, das die Einnahmentabilisiert, die Abhängigkeit der Einnahmeentwicklunger gesetzlichen Krankenversicherung von Löhnen undehältern reduziert und für einen zielgenaueren sozialenusgleich zwischen Personen mit einem hohen Einkom-en und Personen mit einem geringeren Einkommenorgt.
Anders als von den Anhängern der Bürgerversiche-ung – Sie alle schreien wieder laut durcheinander – be-auptet wird, ist der Solidarausgleich in der gesetzlichenrankenversicherung alles andere als gerecht. Ich würdeich freuen, wenn Sie darüber einmal Klage führenürden. So zahlt zum Beispiel ein berufstätiges Ehepaarn der Summe wesentlich höhere Beiträge als ein Ehe-aar mit nur einem Verdiener und demselben Gesamtein-ommen. Noch besser stellt sich derjenige in der gesetz-ichen Krankenversicherung, der ein geringes Gehalt,ber hohe Kapitaleinkünfte hat.
r zahlt den geringsten Beitrag, weil er nur mit seinerente oder seinem Gehalt veranschlagt wird. Die weite-en Einkünfte bleiben also außen vor.
Frau Bender, Sie müssen jetzt aufpassen. Hören Sieuch bei meinem nächsten Punkt zu. Dann werden Sieerken, dass Sie mit Ihren Vorschlägen völlig falsch lie-en.Ein steuerfinanzierter Ausgleich sorgt an dieser Stelleür mehr Gerechtigkeit; das wissen Sie doch auch.
ufgrund der Steuerprogression findet eine zielgenaueremverteilung zwischen Arm und Reich statt. Auch wer-en dann die Beamten und Selbstständigen an dem Soli-
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Annette Widmann-Mauzdarausgleich nach ihrer Leistungsfähigkeit und nicht nurbis zur Beitragsbemessungsgrenze beteiligt.
Deshalb ist ein Prämienmodell einer Bürgerversicherungeindeutig überlegen.
Keine Zukunft vermag gutzumachen, was in der Ge-genwart versäumt wird. Die Bundesregierung muss um-denken und handeln. Sie muss in zukunftsträchtigeTechnologien, in Medizin und Gentechnik, in Bildung,Forschung, Infrastruktur und den Dienstleistungssektorinvestieren und nicht nur das Marketing einer ohnehinschon miserablen Politik betreiben.Es ist schon erstaunlich, wie erfinderisch Sie seinkönnen, wenn es gilt, Ihre Dummheiten vor sich selbstzu rechtfertigen.
Allein die Vermarktung der Gesundheitsreform lässt sichdie Bundesregierung 3,5 Millionen Euro kosten.
Das festzustellen ist wichtig, wenn den Bürgern sachge-rechte Informationen vermittelt werden sollen. Aber Siehaben mit der Vermarktung schon im Juli begonnen – zueiner Zeit, als wir noch nicht einmal den Verhandlungs-raum verlassen hatten und überhaupt noch nicht dieRede von Ergebnissen und konkreter und seriöser Infor-mation sein konnte. Es ist sehr grotesk, etwas zu verkau-fen, was es noch gar nicht gibt. Eine solche Werbekam-pagne schmeckt nicht jedem. Und: Sie hilft auch nicht.
Frau Schmidt, es ist der Öffentlichkeit im Grundenicht zu vermitteln, dass Sie in Ihrem Haushalt insge-samt für Öffentlichkeitsarbeit so viel Geld ausgebenwie für Forschung. Sparen Sie bei der Werbung und in-vestieren Sie in die Zukunft! Das wäre das Beste für diezukünftigen Generationen.
Bedenken Sie Ihre Redezeit bitte, Frau Kollegin!
Ja. – Wir haben die Aufgabe, unser über 100 Jahre al-
tes Sozialsystem unter völlig veränderten ökonomischen
Verhältnissen neu zu gestalten, und zwar so, dass wir
wettbewerbsfähig bleiben und es auch in den kommen-
den Jahren seine wichtigsten Aufgaben erfüllen kann,
nämlich die großen Risiken solidarisch abzusichern
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gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demÜbereinkommen aufgrund von Art. K.3 desVertrags über die Europäische Union vom26. Juli 1995 über den Einsatz der Informa-tionstechnologie im Zollbereich– Drucksache 15/1969 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeitb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausfüh-rung des Übereinkommens aufgrund von Art. K.3des Vertrags über die Europäische Union vom26. Juli 1995 über den Einsatz der Informati-onstechnologie im Zollbereich, zu dem Protokollgemäß Art. 34 des Vertrags über die EuropäischeUnion vom 8. Mai 2003 zur Änderung des Über-einkommens über den Einsatz der Informati-onstechnologie im Zollbereich hinsichtlich derEinrichtung eines Aktennachweissystems für Zoll-zwecke sowie zur Verordnung Nr. 515/97des Rates vom 13. März 1997 über die gegensei-tige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehördender Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit die-ser Behörde mit der Kommission im Hinblick aufdie ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- undAgrarregelung
– Drucksache 15/1970 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit
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6948 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsc) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Um-setzung des Rahmenbeschlusses über den Euro-päischen Haftbefehl und die Übergabeverfahrenzwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
– Drucksache 15/1718 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität undGeschäftsordnungInnenausschussAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uniond) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil-dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
gemäß § 56 a der Geschäftsord-
nungTechnikfolgenabschätzunghier: Vorstudie „Folgen von Umwelt- und Res-sourcenschutz für Ausbildung, Qualifikationund Beschäftigung“– Drucksache 14/9459 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitInterfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Wir kommen nun zu den Beschlussfassungen zuVorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt IVa:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfund-dreißigsten Strafrechtsänderungsgesetzes zurUmsetzung des Rahmenbeschlusses des Ratesder Europäischen Union vom 28. Mai 2001 zurBekämpfung von Betrug und Fälschung imZusammenhang mit unbaren Zahlungsmit-teln
– Drucksache 15/1720 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 15/2046 –Berichterstattung:Abgeordnete Dirk ManzewskiSiegfried Kauder
Hans-Christian StröbeleJörg van EssenewdssinusGsasdwheumtumcElus
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zu dem Antrag der Abgeordne-
ter und der Fraktion der SPD sowie derAbgeordneten Dr. Antje Vollmer, Grietje Bettin,Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager undder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENDen Deutschen Musikrat stärken– Drucksachen 15/48, 15/266 –Berichterstattung:Abgeordnete Erika SteinbachDr. Antje VollmerHans-Joachim Otto
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck-sache 15/48 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluss-empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-fraktionen und der FDP-Fraktion bei Enthaltung derCDU/CSU-Fraktion angenommen.Tagesordnungspunkt IV e:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
zu der Verordnung der Bundesre-
gierungSechzigste Verordnung zur Änderung der Au-ßenwirtschaftsverordnung
– Drucksachen 15/1499, 15/1546 Nr. 2.1, 15/2012 –Berichterstattung:Abgeordneter Werner Schulz
Der Ausschuss empfiehlt, die Aufhebung der Verord-nung nicht zu verlangen. Wer stimmt für diese Beschluss-eBtihnhahDZ–––dm
Das Stimmverhalten war unterschiedlich.
Die CDU/CSU hat also abgelehnt.
Die FDP auch. – Die Sammelübersicht 80 ist also miten Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim-en der CDU/CSU und FDP angenommen.Wir setzen die Haushaltsberatungen fort.Ich rufe Einzelplan 12 auf:Einzelplan 12Bundesministerium für Verkehr, Bau- undWohnungswesen– Drucksachen 15/1911, 15/1921 –Berichterstattung:Abgeordnete Bartholomäus KalbNorbert Barthle
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6950 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsGunter WeißgerberUwe GöllnerFranziska Eichstädt-BohligDr. Günter RexrodtEs liegt ein Änderungsantrag der AbgeordnetenDr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat dasWort der Kollege Bartholomäus Kalb von der CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kalb.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Ich hätte es vorgezogen, nicht zu Beginn dieser De-batte zu sprechen, weil ich vor meiner Rede gern gehörthätte, was die Koalitionsabgeordneten zu den neuestenEntwicklungen im Verkehrsetat zu sagen haben. Wenn eseines Beweises bedurft hätte, dass wir Recht damit ha-ben, dass dieser Haushalt nicht seriös ist und nicht or-dentlich beratungsfähig war, dann zeigen dies die Vor-gänge um den Verkehrsetat.Während wir den Haushalt beraten, laufen Meldungenüber die Medien, dass im Verkehrsetat bei den Investitioneneine zusätzliche Kürzung in Höhe von 1,35 MilliardenEuro erfolgen soll.Die „Süddeutsche Zeitung“ titelt in ihrer heutigenAusgabe:Neue Kredite für neue Bahnlinien und Straßen – Stolpesucht nach Auswegen aus dem Desaster bei der LKW-Maut – Beckenbauer warnt vor Folgen für WM 2006
Das war auch gestern schon auf der Internetseite der„SZ“ zu lesen.„Der neue Tag“ hat berichtet, dass Geld für den Bauder A 6 bereitsteht. Das war aber schon 2002 und ist aufInitiative von Herrn Eichel erfolgt. Heute schreibt „Derneue Tag“, dass der Bau der A 6 stark gefährdet sei, undzwar wegen des Desasters bei der LKW-Maut. In demArtikel ist des Weiteren zu lesen, dass Herr Zirpel, derSprecher des Bundesverkehrsministeriums, von „keineroffiziellen Liste“ und einer „Momentaufnahme auf Ar-beitsebene“ spricht.Im Grunde bestätigt Herr Zirpel damit, dass entspre-chende Listen existieren und ihre Wirkung entfalten.Was sich in diesem Bereich abspielt, ist eine einzigeTragödie.
Bei den Bundeswasserstraßen soll eine Kürzung inHöhe von weiteren 150 Millionen Euro erfolgen. Dasbedeutet einen sofortigen Baustopp, keinen BaubeginnigHtBBfnnkEcwshbtsVnobdEwfsZbzfNPmMtEh
bwohl die Verkehrsteilnehmer noch nie zuvor so starkelastet worden sind wie zurzeit.Wir müssen über den Bundesverkehrswegeplan iniesem Hause nicht mehr diskutieren, wenn schon derinstieg in die Finanzierung so grundlegend falsch ist,ie es derzeit der Fall ist. Dies alles ist eine Katastropheür die Bauwirtschaft und die dort beschäftigten Men-chen. Es ist auch eine Katastrophe im Hinblick auf dieukunft unseres Landes.
Nicht einmal die im Haushaltsentwurf zunächst gege-ene Zusage, wonach die Mehreinnahmen aus der Mautusätzlich für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen zur Ver-ügung gestellt werden, war man bereit einzuhalten.och im Juli – mit Schreiben vom 31. Juli 2003 – hat diearlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanz-inister, Frau Dr. Barbara Hendricks, bestätigt:Gemäß § 11 ABMG werden Ausgaben für Betrieb,Überwachung und Kontrolle des Mautsystems ausdem Mautaufkommen geleistet. Das verbleibendeMautaufkommen wird zusätzlich dem Verkehrshaus-halt zugeführt und in vollem Umfang zweckgebun-den für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur,überwiegend für den Bundesfernstraßenbau, verwen-det.Nichts davon wurde eingehalten. Selbst wenn dieaut eingeführt worden wäre, hätten Sie die Investi-ionsmittel für die Verkehrsträger um 300 Millionenuro gekürzt. Wie weit die Kluft jetzt auseinander geht,abe ich bereits dargestellt. Das ist eine Politik gegen
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Bartholomäus KalbTreu und Glauben und gegen alle sachlichen Notwendig-keiten.
Viele, die der LKW-Maut zugestimmt haben, habendies getan, weil sie sich darauf verlassen haben, dass da-mit auch mehr Investitionen in die Verkehrswege mög-lich würden.
Jetzt stellt sich die Maut als eine branchenbezogene Son-dersteuer dar. Ich hoffe nur, dass sie nicht dasselbeSchicksal wie der Kohlepfennig erleiden wird, sofern je-mand auf die Idee kommen sollte, diese Frage vor demBundesverfassungsgericht klären zu lassen.Das Thema Maut ist mittlerweile ein einziges Trauer-spiel und gerät zur Blamage für die beteiligten Unterneh-men, aber auch für ganz Deutschland. Niemand weißzurzeit, wann das System wirklich funktionieren wird.Es ist keine Frage, dass es sich um eine anspruchsvolleTechnologie handelt; ich möchte sie auch nicht schlecht-reden. Aber sie müsste dann auch zu dem vertraglichvereinbarten Termin funktionieren. Wenn Termine nichtgehalten werden können, wäre es unter seriösen Ge-schäftspartnern üblich, dass sich der Auftragnehmer mitdem Auftraggeber auseinander setzt und klärt, welcheMaßnahmen ergriffen werden können, um Schaden ab-zuwenden.
Ich gehe davon aus, dass Toll Collect sehr lange– auch Ihnen, Herr Bundesminister – nicht die volleWahrheit gesagt hat,
zumindest nach all dem nicht, was öffentlich zu verneh-men war. Das war nach meiner Überzeugung kein seriö-ses Geschäftsgebaren.Nach dem Vertrag hätte das System am 21. Mai funk-tionsfähig sein müssen; am 16. Juni hätte der Probebe-trieb beginnen sollen. Beide Termine wurden nicht ge-halten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste jedemklar gewesen sein, dass die Maut nie und nimmer zumursprünglich gesetzten Termin erhoben werden könnte.Ich will jetzt gar nicht die Frage stellen, was Ihren Amts-vorgänger Bodewig bewogen hat, wenige Tage vor derBundestagswahl einen solchen Vertrag zu unterzeichnen.
Jedenfalls wäre es notwendig gewesen, ein strenges Pro-jekt- und Zeitmanagement einzuführen, um den Schadenso gering wie möglich zu halten.Jetzt haben wir den Schaden. Ich habe vorhin davongesprochen, wo uns das Geld fehlt. Der entstandeneSchaden für die Verkehrsinvestitionen und den Bundes-hmWgEmwzrsvzAOsdASnsSfTrvMFfsArgbcs–zbWrdT
ie anderen pflegen das grüne Gemüt, am besten durchblehnung von Technologie- und Verkehrsprojekten.ie sind gegen Autobahnbaumaßnahmen, gegen Schie-enneubaustrecken, gegen den Ausbau von Binnenwas-erstraßen und gegen den Transrapid.
Es war die Entscheidung dieser Bundesregierung, dietrecke Hamburg–Berlin aufzugeben, gleichzeitig aberestzulegen, dass die Mittel für die Anwendung derransrapidtechnologie erhalten blieben. Die Länder wa-en aufgefordert, Alternativstrecken zu entwickeln undorzuschlagen. Am Ende blieb nur noch das Projektünchen, nämlich die Strecke vom Hauptbahnhof zumlughafen, übrig. Dies macht auch Sinn, weil so die dortehlende Eisenbahnanbindung des Flughafens Münchenubstituiert werden kann.
lle die, die sich darum bemühen, müssen sich aber da-auf verlassen können, dass ein einmal vereinbarter Wegemeinsam zu Ende gegangen wird. Insbesondere dieeteiligten Unternehmen und der Freistaat Bayern brau-hen Verlässlichkeit, wenn sie sich weiterhin engagierenollen.Ich hoffe, dass durch gemeinsame Anstrengungenich registriere wohlwollend die sehr enge Abstimmungwischen Ihnen, Herr Bundesminister Stolpe, und demayerischen Wirtschaftsminister, Herrn Dr. Ottoiesheu – die Transrapidtechnologie in Deutschlandealisiert werden kann. Deutschland und insbesondereie deutsche Wirtschaft brauchen den Erfolg dieserechnologie.Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Gunter Weißgerber
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Bartholomäus Kalb, das war starker Tobak. Es gibt na-türlich Risiken im Verkehrshaushalt, Stichwort „Maut“.Darum braucht man erst gar nicht herumzureden. Aberder Weltuntergang – diesen Eindruck hatte ich, als ichdeine Rede gehört habe – ist das noch nicht. Angesichtsdeiner Ausführungen erstaunt es mich schon, dass wirüberhaupt in der Lage sind, dem Transrapid in Münchenauf die Beine zu helfen. So schlimm scheint es also nichtzu sein.
Für den Einzelplan 12 – Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen – sind insgesamt 25,6 Milliarden Euro an-gesetzt. Im Vergleich zum Regierungsentwurf ist daseine leichte Senkung.
Die Investitionssumme für den Verkehr beträgt20,743 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von176,1 Millionen Euro. Der Investitionsanteil im Ver-kehrsetat liegt bei 54,92 Prozent. Damit haben wir trotzder Senkung des Gesamtetats den Investitionsanteil imBereich des Verkehrs erhöht. Das bitte ich doch wenigs-tens anzuerkennen.
– Auch Sie würden die Mauteinnahmen einrechnen,wenn Sie dafür verantwortlich wären.
Wir halten also die Investitionen weiterhin auf hohemNiveau. Leichter würde es uns allerdings fallen, wenndie Opposition den Entwurf eines Steuervergünstigungs-abbaugesetzes unterstützt hätte. Auch die Milliarden, diedurch dieses Gesetz hätten erzielt werden sollen, fehlenuns sehr.
Natürlich stellen die eingeplanten Mauteinnahmen inHöhe von 2,8 Milliarden Euro ein Risiko dar. Die Betrei-ber des Mautsystems sind momentan nicht in der Lage,die Maut einzutreiben. Das ist das Verschulden der Be-treiber und nicht der Bundesregierung.
Die Betreiber haben ihre Fähigkeiten überschätzt, als sieden Vertrag unterschrieben haben. Wir haben bereitsDruck auf die Betreiber ausgeübt. Wir gehen jedenfallsdfhbgFuaveLdrnJnebgfFbwWdPns–eEHe6nlWv2kGisSdein
nd können kontrollieren. Mit dieser Sperre sind wirlso parlamentarisch weiterhin im Spiel. Das ist auchernünftig.Momentan gibt es eine Diskussion über die Wieder-inführung der Vignette. Inzwischen müssten auch dieetzten wissen, dass diese neun Monate vor Einführunger Maut gekündigt werden musste. Die Wiedereinfüh-ung dauert etwa ein Jahr. Wir befinden uns quasi in ei-er Falle. Aber angesichts eines Zeitraums von einemahr – davon ist definitiv auszugehen – ist es nicht ver-ünftig, die Wiedereinführung der Vignette zu fordern,s sei denn, dass es möglich ist, die Wiedereinführung zueschleunigen. Das halte ich allerdings für ziemlich aus-eschlossen.Nun wird behauptet, dass die Olympiaprojekte ge-ährdet seien. Das halte ich für eine Phantomdiskussion.ür das IOC ist lediglich wichtig, dass die Bewerbungis zum 15. Januar nächsten Jahres erfolgt und dass klarird, wie die Bundesregierung zu den Projekten steht.ir werden ein entsprechendes Konzept entwickeln, ausem deutlich hervorgeht, dass die Bundesregierung dierojekte unterstützt. Alles andere interessiert das IOCicht. Bis zur WM wird auch die A 38 fertig gestelltein. Für viele Projekte sind unter der Regierung Kohldafür ist die A 38 ein Beispiel – überhaupt keine Mittelingestellt worden. Dafür haben erst wir gesorgt.
s ist nur verkauft worden, finanziert wurde nichts.
Zur Schiene, ebenfalls ein Schwerpunkt in diesemaushalt. Wir legen mit dem Gleisanschlussprogrammin neues Pilotprojekt auf, für das im nächsten JahrMillionen Euro bereitgestellt werden. Für den kombi-ierten Verkehr und die Förderung neuer Verkehre stel-en wir 5 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist reineirtschaftsförderung. Die Baukostenzuschüsse für In-estitionen in die Schienenwege erhöhen wir um2 Millionen Euro. Damit – das ist unerhört wichtig –ommen wir über die magische 4-Milliarden-Euro-renze beim Investitionsanteil des Bundes. Allerdingst zu bedenken, dass von den Aufwendungen für diechiene inzwischen ungefähr die Hälfte in die Erhaltunges vorhandenen Netzes fließt. Dafür muss also einnormer Aufwand getätigt werden.Zum Transrapid. Nach dem Wegfall des Metrorapid NRW ist das Münchener Projekt das einzige Magnet-
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Gunter Weißgerberschwebebahnprojekt in Deutschland. Die Koalition stehtzu diesem Projekt.
Deshalb verstehe ich die Beschimpfung der Grünen andieser Stelle nicht ganz. Ohne die Grünen hätten wir die-ses Projekt nicht zustande gebracht, Kollege Kalb.
Im nächsten Jahr fließen Mittel in Höhe von 40 Millio-nen Euro nach Bayern. Für die VE sind 510 MillionenEuro veranschlagt. Insgesamt fließen also 550 MillionenEuro in dieses Projekt. Diese Zahl hat Otto Wiesheu inmehreren Gesprächen mit verschiedenen Haushältern imMai dieses Jahres genannt. Umso befremdlicher ist esfür mich, dass er jetzt mehr Geld haben will. Wir habenuns genau an das gehalten, was er im Mai dieses Jahresverlangt hat.
Jetzt sind die Bayern am Zuge; wir werden sehen, wasdabei herauskommt. Jedenfalls bekommen sie vomBund das Geld, das für das Gelingen dieses Projektesnötig ist.
Das Münchener Projekt allein sichert die Magnet-bahntechnik natürlich nicht; deshalb fördern wir auchdas Programm zur Weiterentwicklung des Transrapid inKassel und Lathen im Emsland mit 40 Millionen Euro.Uns ist schließlich klar, dass niemand auf der Welt denTransrapid kauft, wenn wir das Werk in Kassel schlie-ßen. Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass dieKoalition zu ihren Zusagen steht. Die Grünen sind dabei,Kollege Kalb.
An dieser Stelle möchte ich ein paar persönliche An-merkungen zum Transrapid machen. Ich habe ein techni-sches Studium absolviert und komme aus dem Osten; ichweiß, welche Technik besonders stinkt, ich weiß, welcheTechnik besonders viel Krach macht und besonders um-weltschädlich ist. Der Transrapid gehört mit Sicherheitnicht dazu.
Auch deswegen bin ich froh, dass wir diese Technik för-dern.Aus meiner Sicht steht der Transrapid symbolisch fürein Dilemma unseres Staates: Es muss immer das Ge-genteil von dem behauptet werden, was die Konkurrenzgerade sagt. Das ist ein Stück Impotenz in unserem Sys-tem. Das bisherige Scheitern des Transrapid hat damit zutdHlDwtrkinDdwbfLdrmRngHdsnzrgKkhge1wkdMn
iese Anträge enthielten keine Zahlen, sondern immerieder das Wort „Erörterungsbedarf“. Mit solchen An-ägen können wir nichts anfangen; das ist auch nichtonstruktiv. Dem hätte man nicht zustimmen können.
Zum Schluss bedanke ich mich bei den Kollegen, die den Gesprächen sehr engagiert mitgearbeitet haben.ieser Dank richtet sich ebenfalls an die Kollegen voner Union, auch wenn ihre Anträge wirklich nichts wertaren. Ich danke auch dem Minister und seinen Mitar-eitern. Die Freunde von der Opposition möchte ich auf-ordern, mitzumachen und nicht zu blockieren. Demand kann das nur gut tun.Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Horst Friedrich von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Herr Kollege Weißgerber, die Koalitionsfraktionenachen offensichtlich den Fehler, ihren Wunsch mit derealität gleichzusetzen; das haben die von Ihnen ge-annten Zahlen deutlich gezeigt. Vor diesem Hinter-rund überrascht es nicht, dass Sie versuchen, einenaushalt für das Jahr 2004 zu beschließen, der wederem Kriterium der Klarheit noch dem der Wahrheit ent-pricht noch die Kriterien der Verfassungsmäßigkeit an-ähernd erfüllt. Sie legen einen Haushalt vor, der nichtustimmungsfähig ist, weil er gegen die elementaren Vo-aussetzungen der Verfassung verstößt. Das wird nir-endwo so deutlich wie beim Verkehrshaushalt. Herrollege, ich werde darauf im Einzelnen zu sprechenommen.Sie haben die Differenz zum Regierungsentwurf – esandelt sich um 900 Millionen Euro – als eine geringfü-ige Reduzierung bezeichnet. Wer so spricht, der zeigtigentlich, dass er entweder nur mit großen Zahlen – ab Milliarde aufwärts – rechnen kann oder nicht weiß,as 900 Millionen Euro bedeuten. Dass Sie im Ver-ehrshaushalt auch noch 250 Millionen Euro im Zugees Rentenkompromisses und im Rahmen der globaleninderausgabe erwirtschaften müssen, haben Sie garicht mehr angesprochen.
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Horst Friedrich
Wie groß Ihre Not ist, wenn es darum geht, aus demMautdebakel herauszukommen, zeigt die vom Ministeröffentlich verkündete Botschaft, die Verkehrsinfra-strukturfinanzierungsgesellschaft möge Zwischenkre-dite aufnehmen.
Wissen Sie eigentlich, Herr Kollege, was in IhremEntwurf des Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesell-schaftsgesetzes vom 17. Dezember 2002 steht? – In§ 2 – Gegenstand der Gesellschaft – heißt es unter ande-rem:Die Gesellschaft ist nicht berechtigt,– ich betone: nicht berechtigt –Anleihen und Kredite aufzunehmen, Bürgschaften,Garantien oder ähnliche Haftungen zu übernehmenoder Kredite zu gewähren.Entweder weiß der Minister nicht, was im Gesetzsteht, oder er glaubt, er könne uns davon überzeugen, in-soweit eine Änderung vorzunehmen.
Ich fühle mich bestätigt, weil die Kollegin Eichstädt-Bohlig gegenüber Reuters erklärt hat: Das ist mit unsnicht zu machen. – Das hat sie schon mehrfach erklärt;meist hat sie es dann doch gemacht.
Das würde uns in diesem Fall nicht stören.Das Problem ist ziemlich deutlich. Der Präsident derBauindustrie meint, damit den Königsweg aufgezeigt zuhaben. Es wird auch dadurch nicht besser. Sicherlich:Die Bauindustrie hat Probleme. Aber wir haben vor Ver-abschiedung des Gesetzes darauf hingewiesen, dass hierordnungspolitisch nicht sauber gearbeitet wird
und dass Sie diese Gesellschaft ganz bewusst nur zu ei-nem Zweck gründen: Einsammeln von Geld, Abliefernbeim Finanzminister, Warten in devoter Haltung mitHänden an der Hosennaht, bis die Liste aus dem Minis-terium und das Geld vom Finanzminister kommen,Bauen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger sollte dieseGesellschaft machen. Das Gegenteil davon brauchtenSie eigentlich jetzt. Sie haben sich selbst dieser Instru-mentarien beraubt. Das zeigt, dass Sie gar nicht willenssind, ordnungspolitisch über das Thema zu diskutieren.Deswegen stehen Sie jetzt auch vor dem Problem.
Nun kommen wir zur Maut.
Das ist schon interessant. Die FDP-Fraktion hat im Som-mer dieses Jahres – wohlgemerkt: dieses Jahres, nichtdes letzten Jahres – die Regierung gefragt, wann denndrEnnWADSrksWisdrPddSuk
s wird dann eingeschränkt:Aus diesem Grund und zur Sicherstellung einesnutzerfreundlichen Betriebs mit einer erhöhten An-zahl an On-Board-Units … hat sich die Bundesre-gierung mit TC darauf verständigt, dass dieser Startmit einer zweimonatigen aktiven Einführungsphaseverbunden werden soll, in der keine Mautgebührenerhoben werden.Ich stelle also fest: Wir sind immer noch in der so ge-annten aktiven Einführungsphase. Allerdings dauert sieun schon etwas länger als beabsichtigt.Noch interessanter: Unsere Frage 7 lautet:Wie hoch sind die Einnahmeausfälle … und wie be-absichtigt die Bundesregierung diese Ausfälle zukompensieren?Ist geplant, Infrastrukturvorhaben zu verschieben,Mittel aus dem Schienenbereich in den Straßenbe-reich umzuschichten oder die Kreditaufnahme zuerhöhen?Antwort – man höre und staune –:Es ist nicht geplant, Infrastrukturvorhaben zu ver-schieben, Mittel aus dem Schienenbereich in denStraßenbereich umzuschichten oder die Kreditauf-nahme zu erhöhen.
ie die Realität aussieht, kann man selber feststellen.Nun gibt es ja eine Liste, die es angeblich nicht gibt.us meinem Bereich kann ich da nur die A 6 nennen.er Bundeskanzler war in der Oberpfalz mit Ludwigtiegler. Der Minister war am 1. September dieses Jah-es dort – ein Schelm, der Böses dabei denkt; es ist jaein Wahlkampf gewesen – und hat erklärt: Selbstver-tändlich, die A 6 wird im Jahr 2004 begonnen.
as lesen wir als erstes in der Liste, die nicht existentt? – Der Baubeginn ist gestrichen. Das betrifft genauie Lücke – Herr Kollege Stiegler, damit nehme ich Ih-en Zwischenruf auf – zwischen Amberg-Ost undfreimd. Das Stück ist eben noch nicht im Bau.Das wird im Endeffekt auch dadurch nicht besser,ass sich Herr Staatssekretär Nagel am 16. Novemberieses Jahres bei der Jahresversammlung des Deutschenpeditions- und Logistikverbandes auf das Podium stelltnd erklärt – wortwörtlich –, trotz Mautdebakel werdeein Verkehrsprojekt verschoben. Das steht so nicht nur
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Horst Friedrich
in der Zeitung; ich kann das bestätigen, weil ich dabeiwar. Ich habe schon da den Kopf geschüttelt.Noch schlimmer wird es, wenn man sich anschaut,was die Bahn im Endeffekt zu gewärtigen hat. Herr Kol-lege Weißgerber, die „vier“ bei den Milliarden ist wahr-scheinlich nicht realistisch. Gehen Sie doch einmal vonungefähr 3,3 Milliarden aus, die Sie überhaupt noch zurVerfügung haben, und planen Sie das in Ihre Systematikein!Eines wird deutlich: Ohne die Sondereinnahmen ausder UMTS-Lizenz-Versteigerung wären Sie mit Ihren In-vestitionen sowohl in die Schiene als auch in die Straßeweit hinter den Ansätzen, die wir zu unserer Regierungs-zeit hatten, zurückgeblieben.
Die Folgen davon zeigen sich jetzt: Sie können die An-sätze nicht mehr halten und stehen jetzt mit leeren Ho-sentaschen da
und wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll.Vor diesem Hintergrund können wir dem verkehrspo-litischen Teil dieses Haushaltes sicherlich nicht zustim-men. Wir werden ihn ablehnen. Wir sind nach wie vorder Meinung: Dieser Haushalt war, ist und wird nichtverfassungskonform sein.
Als nächste Rednerin hat das Wort die KolleginFranziska Eichstädt-Bohlig von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichwill nicht drum herum reden: Es ist tatsächlich so, dassder Verkehrs- und Bauetat einige Risiken enthält, undzwar nicht nur aufgrund der Situation bei der Maut, son-dern vor allen Dingen auch aufgrund der Vorschläge vonKoch und Steinbrück, die ja im Vermittlungsausschussverhandelt werden. Auch darüber muss hier gesprochenwerden.Trotzdem vorab einige Aussagen zum Thema Maut.Als ich endlich Einblick in das berühmte Last-and-final-Angebot von dem entsprechenden Konsortium hatte,stieß ich als Erstes auf das Anschreiben. Das enthält denSatz: „möchten wir ankündigen, dass wir zu einem frü-heren Systemstart durchaus in der Lage sind“. Unter-schrieben war es von sehr namhaften Firmenbossen.
Heute warten wir immer noch auf einen verbindlichenEinstiegstermin.gARmgnNasawprKsdbdEvmdngtdtNaSsWwdgchsn–issisSsKhdzg
Nachdem wir den Vertrag eingesehen haben, wissenir, dass ab 1. Dezember eine geringe Sanktionszahlungro Tag zu leisten ist – wir erwarten, dass das Ministe-ium diese Tag für Tag einfordert –, der frühestmöglicheündigungstermin jedoch der 15. Dezember ist. Vor die-em Hintergrund erheben wir Grüne zwei konkrete For-erungen: Entweder ist Toll Collect bis zum 15. Dezem-er in der Lage, ein ganz klares Datum zu nennen, anem die Einführung dann auch wirklich klappt, oder derinnahmeausfall, den letztendlich der Steuerzahler zuerkraften hat, muss, falls das nicht der Fall sein sollte,it höheren Entschädigungsleistungen sanktioniert wer-en. Falls Toll Collect sich darauf nicht einlässt, mussach unserer Ansicht der Bund diesen Vertrag aufkündi-en, so hart, wie das dann auch in der Folge ist. Wir hal-en es für nicht verantwortbar, dass weiterhin wir alle,ie Regierung und das Parlament insgesamt, also Koali-ionsfraktionen und Opposition, von Toll Collect an derase herumgeführt werden. Ich hoffe, dass wir uns hieruf einen gemeinsamen Standpunkt einigen können.tatt uns gegenseitig zu beschimpfen sollten wir gemein-am darauf hinarbeiten, dass endlich auf vernünftigeeise Mauteinnahmen realisiert werden.
Noch ein Zweites zum Thema Maut. Es ist so, dassir bei den Ausgaben, die durch Mauteinnahmen ge-eckt werden sollten, erst einmal Sperrvermerke anbrin-en mussten. Natürlich sind wir in großer Sorge, in wel-her Höhe diese Ansätze gehalten werden können. Wiroffen sehr, dass es gelingt, jeweils die maximalen An-ätze freizugeben; sicher können wir da zu dieser Stundeatürlich nicht sein.
Dazu macht man Sperrvermerke, lieber Kollege. Dast nun einfach einmal im Haushaltsrecht so. Wenn manich in Sachen Ausgaben oder Einnahmen nicht sichert, dann muss da auf diese Weise nachgeholfen werden.Als Nächstes möchte ich zu Investitionen in Schiene,traße und Wasserstraße sprechen. Wir haben die An-ätze tatsächlich auf einem hohen Stand gehalten, wie esollege Weißgerber eben schon dargestellt hat. Dasalte ich für richtig. Allerdings gibt es eine globale Min-erausgabe von 293 Millionen Euro, teilweise im Ein-elplan 60, teilweise im Einzelplan 12. Ich habe die drin-ende Bitte an das Ministerium, dass zur Deckung dieser
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Franziska Eichstädt-Bohligglobalen Minderausgabe wirklich ein Maximum im kon-sumtiven Bereich geholt wird und die Zuwendungen unddie Zuschüsse im nicht investiven Bereich noch einmalgeprüft werden. Ich bin der Meinung, dass hier ein klei-ner bescheidener Rasenmäher von 2 Prozent bei denSachmitteln und 2 Prozent bei den nicht investiven Zu-schüssen und Zuwendungen sehr wohl reicht, denn dasbringt über 200 Millionen. Man braucht also nicht aufdie von Koch und Steinbrück vorgeschlagene Rasenmä-hermethode zurückzugreifen. Auf diese Weise könnteder Investivbereich deutlich geschont werden. Ich werbesehr dafür, sich die Etatansätze sehr genau anzuschauen.Kollegen von Ihnen aus dem Haushaltsausschuss habenAnträge gestellt, die zwar nicht dem Rasenmäherprinzipentsprechen, sondern mehr oder weniger willkürlichsind, aber sie sind schon ein Stück weit der Versuch, et-was einzusparen.
Als Zweites sagen wir ganz deutlich: Wenn bei Inves-titionen schon gekürzt werden muss, dann dürfen keineeinseitigen Kürzungen zulasten der Schiene gemachtwerden, dann müssen Straße, Schiene und Wasserstraßeanteilig belastet werden; anders ist das nicht zu machen.
Als Nächstes möchte ich auf den sehr schwierigenBereich „Koch/Steinbrück-Rasenmäher“ eingehen. Erbirgt nämlich eine Reihe von Risiken für genau unserenEtat. Wir haben in den Bereichen, die den Einzelplan 12betreffen, zwei sehr wichtige Kürzungen vorgeschlagen:Das eine ist die Entfernungspauschale, und zwar dieAbsenkung der Pendlerpauschale auf einheitliche15 Cent pro Kilometer. Wir werben nachdrücklich dafür.Natürlich wissen wir, dass das für die Pendler hart ist.Dennoch ist es gerecht; außerdem erfolgen die Einspa-rungen im konsumtiven Bereich.Der zweite Punkt betrifft die Eigenheimzulage. DieKürzung der Mittel bringt Bund, Ländern und Kommu-nen à la longue 8,5 Milliarden Euro. Jeder Jahrgang, indem die Eigenheimzulage gewährt wird, bindet für achtJahre Mittel in diesem Volumen. Das ist Geld, das wirdringend brauchen könnten, gerade dort, wo uns Investi-tionsmittel fehlen.Ich spreche diesen Punkt deswegen an, weil nach demKoch/Steinbrück-Modell nicht Straße, nicht Luftverkehr,nicht Binnenschifffahrt, aber Schiene und gemeindlicherund regionaler ÖPNV drastisch gekürzt werden sollen:27 Prozent des gesamten Einsparvolumens des Koch-Steinbrück-Modells sollen aus diesem Bereich geholtwerden. Ich sage ganz deutlich: Ich bin sehr dafür, dasswir überall da kürzen, wo Sparmaßnahmen sinnvoll undvertretbar sind. Wir brauchen aber dringend eine öffent-liche Infrastruktur, die in der Lage ist, das Verkehrsvolu-men aufzunehmen und gerecht zwischen Straße undSchiene zu verteilen. Bei den Leistungen nach demGemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz soll nach Koch/Steinbrück um 120 Millionen Euro in drei Schritten umjeweils 4 Prozentpunkte gekürzt werden. Beim Regiona-liwElivInSLasKtisngaeEpdGlognsgfnhLdwdwlsitMddtwbgwkag
Doch noch ein paar Ausführungen zur Eigenheimzu-age, weil ich schon wieder dieses genüssliche Nickenehe. Da Sie uns ideologische Politik unterstellen, kannch an dieser Stelle nur immer wieder sagen: Wenn Sierotz aller öffentlicher Verschuldung und trotz der großenaastricht-Inszenierung, die der Kollege Merz Anfanger Woche gemacht hat, Ihre Forderung für den Erhalter Eigenheimzulage jeden Tag wie eine Monstranz wei-er vor sich hertragen, dann ist das wirklich unverant-ortlich. Es ist sozial ungerecht gegenüber jedem Ar-eitslosen in unserem Land. Es ist sozial ungerechtegenüber all denen, die Steuern zahlen, damit irgend-elche Zahnärzte und andere ihr Häusle gefördert be-ommen. Das ist ungerecht in Zeiten, in denen wir dasus Schulden bezahlen und die Finanzierung der nachfol-enden Generation auflasten.
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Franziska Eichstädt-BohligObendrein ist das Ganze städtebaulich absurd, denndie Kommunen ertrinken schon heute in den Lasten undKosten der Infrastruktur. Mit jeder neuen Siedlung wer-den den Kommunen trotz einer zukünftig rückläufigenBevölkerung praktisch mehr Infrastrukturkosten aufge-bürdet, die in zehn, 20, 30 oder 40 Jahren niemand mehrbezahlen kann. Von daher ist es auch eine Sache der öko-nomischen volkswirtschaftlichen Vernunft, dass wir un-sere Siedlungsräume nicht ständig erweitern, sondernlieber den vorhandenen Städtebau und Siedlungsbereichstärken.
Von daher möchte ich noch einmal eindeutig für dasKonzept der Bundesregierung werben.Jetzt sage ich es noch einmal in Bezug auf unserenHaushalt – das möchte ich retten und ich werbe dafür –:25 Prozent des Einsparvolumens bei der Eigenheimzu-lage gehen in die Stärkung der Städte, in den StadtumbauOst, in die Städtebauförderung vor allem in West-deutschland, in die Stärkung von Eigentumsbildung inden Städten und – auch das haben wir im Haushaltsver-fahren erreicht – in Zukunft mit 315 Millionen auch indie Altschuldenentlastung der Wohnungswirtschaft imOsten, die enorm unter dem Leerstand und den Schul-den, die auf dem Leerstand lasten, leidet. Dafür werbeich.
Frau Kollegin – –
Ich komme zum Schluss. – Ich bitte Sie – –
Nein, Sie kommen bitte gleich zum Schluss, weil Sie
Ihre Redezeit schon weit überzogen haben.
Ich komme zum Schluss. – Ich bitte Sie, das mit zu
unterstützen, statt immer wieder andersherum zu sagen,
es müsse alles aufrechterhalten werden, was bisher ge-
golten hat. Das ist Vergangenheit, aber nicht Zukunft.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dirk Fischer von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Ein Zitat:SLwSwzvüwslShvfg1edMhrec–BrgAszMsz
o Minister Stolpe am 11. September 2003 in der erstenesung des Bundeshaushalts 2004. Dieses, so darf manohl feststellen, war eine grobe Falschdarstellung.
Die Bundesregierung und Herr Verkehrsministertolpe haben im Vermittlungsverfahren zwar die Ver-endung der Mauteinnahmen gemäß § 11 Mautgesetzusätzlich zu den bestehenden Haushaltsansätzen für In-estitionen in die Verkehrsinfrastruktur zugesagt, davonberwiegend in den Straßenbau, aber bei der ersten An-endung des gerade von Bundestag und Bundesrat be-chlossenen Gesetzes haben sie dieses neue Recht ver-etzt.
ie haben das Gesetz gebrochen. Mit diesen Äußerungenaben Sie, Herr Minister Stolpe, doch versucht, Rechts-erletzung und Wortbruch zu kaschieren, denn von An-ang an waren im Entwurf für 2004 mit vollständig ein-eplanten Mauteinnahmen über das ganze Jahr11 Millionen Euro weniger für Verkehrsinfrastrukturingeplant als 2003 weitgehend ohne Mauteinnahmen.Dieser Umgang der Bundesregierung mit dem, waser Gesetzgeber entschieden hat, erfordert nach meinereinung allerhöchste Verurteilung. So kann es nicht ge-en, dass wir hier Gesetze machen und dort die Regie-ung sitzt und sagt: Was juckt uns, was der Gesetzgeberntscheidet? Das ist für uns nicht maßgebend; wir ma-hen andere Entwürfe.
Herr Kollege Weis, es würde Sie ehren, wenn Sie dieedeutung des Parlaments auch gegenüber einer Regie-ung verteidigen würden, die mit Ihnen ja auch so um-eht, als hätten Sie hier nichts zu sagen.
uch Sie sollten einfordern, dass die Regierung die Ge-etze, die wir verabschieden, zu respektieren und danachu verfahren hat.
Ungeachtet dessen ist heute, elf Wochen später, dasautdesaster größer und der Kahlschlag bei den Infra-trukturinvestitionen sehr viel weitreichender als jemalsuvor angenommen. Die Folge der Mautkatastrophe ist:
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Dirk Fischer
eine Haushaltssperre für Verkehrsinvestitionen in Höhevon über 1 Milliarde Euro plus nicht aufgefangene Ein-nahmeausfälle aus 2003 und die globale Minderausgabeaufgrund der Einsparungen für die Rente in Höhe vonfast 300 Millionen Euro, die noch zusätzlich von IhremHaus aufgebracht werden müssen. Ein derartiges Haus-haltschaos hatten wir noch nie.
Alle Zahlen, über die wir bisher diskutiert haben unddie der Haushaltsausschuss bei dem Erlass der Haus-haltssperre zugrunde gelegt hat, basieren darauf, dassdas System am 1. Juli 2004 betriebsbereit ist und Maut-einnahmen fließen werden. Das ist aber heute unter denExperten eine ausgesprochen optimistische Annahme.
Wenn dieser Termin nicht eingehalten werden kann,wird sich das Problem immer weiter zuspitzen.Aber Minister Dr. Stolpe fühlt sich offenbar nicht zu-ständig. Er sagt, der Starttermin sei Sache des Industrie-konsortiums, das Controlling sei Sache des BAG, überHarmonisierungsfragen werde in Brüssel entschieden– auch heute kam er nicht mit einem Ergebnis nachHause – und zusätzliches Geld für die Infrastrukturmüsse schließlich Hans Eichel besorgen. Stolpe spieltoffenbar die Rolle des Hohepriesters nach dem Motto:Seid friedlich und mehret euch!
So kann es nach meiner Überzeugung nicht weitergehen.Die Schadensbilanz ist erschreckend. 2003 betrugder Schaden 718 Millionen Euro. Die monatlichen Ein-nahmeausfälle von Januar bis März 2004 werden jeweilsbei 175,5 Millionen Euro und die monatlichen Einnah-meausfälle ab April 2004 werden jeweils bei 168 Millio-nen Euro liegen. Wenn das System tatsächlich am 1. Juli2004 in Betrieb ist und die Mauteinnahmen fließen, dannbeträgt der Gesamtschaden 1,8 Milliarden Euro. Solltedie Mauterhebung 2004 überhaupt nicht gelingen,
wäre der Gesamtschaden sogar über 2,8 Milliarden Euro.
Nicht unberücksichtigt bleiben darf die Tatsache, dasseine Infrastrukturfinanzierungsgesellschaft sinnloser-weise etabliert wurde, die über viele Monate überhauptkeine Einnahmen haben wird, aber Kosten verursacht,
und dass sich beim BAG in Köln 1 000 zusätzliche Mit-arbeiter, die für die Kontrollen zuständig sind, immermehr im Däumchen drehen und Skat spielen werdenüben müssen. So sind locker Ausgaben von 50 MillionenEuro für die Katz. Das ist die Realität.
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an kann die Öffentlichkeit auch täuschen, indem manie wesentlichen Tatsachen verschweigt. Das ist hier ge-chehen; das kritisiere ich.
Am 29. Juli 2003 haben Sie Ihren Pressesprecher er-lären lassen, dass die Maut, wie geplant, zum1. August 2003 starten würde. Auf Rückfrage von Jour-alisten, ob es Überlegungen gebe, die Einführung zuerschieben, haben Sie gesagt: Nein, im Ministeriumibt es solche Überlegungen nicht. Einen Tag später ha-en Sie das Eckpunktepapier unterschrieben und dentart auf den 2. November 2003 verschoben.Von Toll Collect erfuhren wir später, dass man bereitsm 20. Juli 2003 mit Ihnen im Ministerium zusammen-esessen hat, um über eine Verschiebung zu beraten.ier ist also die Öffentlichkeit wiederum falsch infor-iert worden. Diesen Täuschungsakt kritisiere ich. Ichlaube, dieses unwürdige Verwirrspiel, das inszeniertorden ist, fällt auf Sie zurück.Sie haben Ihre Grundsatzabteilung wegen des Haus-altsdesasters um eine Streichliste für Infrastrukturpro-ekte gebeten. Das ist im Anschreiben, wie Sie wissen,usdrücklich enthalten. Als wir diese bei der „Süddeut-chen Zeitung“ nachlesen konnten, ließen Sie Ihr Hausrklären, es handele sich nur um eine Momentaufnahmend nicht um eine Streichliste. Warum erneut diese Irre-ührung, wenn es denn in diesem Papier unter anderemusdrücklich heißt: „Keine Baubeginne in 2004!“?
Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Stroth-
ann?
Ja, gerne.
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Bitte schön.
Herr Kollege Fischer, können Sie mir die Frage be-
antworten, warum mir die Bundesregierung meine An-
frage, ob es bei der Planung von Bauprojekten in NRW
Streichungen, Verlegungen oder Veränderungen gibt, am
3. November dieses Jahres mit einem klaren Nein beant-
wortet hat?
Das überrascht mich. In dem Papier an den Minister
heißt es unter anderem ausdrücklich zu Nordrhein-West-
falen: Streichung folgender Maßnahmen: A 1 Einhau-
sung bei Lövenich für die WM 2006, A 1 Landesgrenze
Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen, Kreuz Lotte.
Die Kollegin Strothmann ist also eindeutig in einer abso-
lut unzutreffenden Weise informiert worden. Ich kann
dazu nur sagen: Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass
Parlament und Öffentlichkeit brutal belogen worden
sind, was wir nicht weiter hinnehmen dürfen.
Kollege Horst Friedrich hat schon darauf verwiesen,
dass der Verkehrshaushalt allen Haushaltsgrundsätzen
widerspricht. Er ist nicht zustimmungsfähig. Er ist der
große Steinbruch schröderscher und eichelscher Haus-
haltspolitik. Man fragt sich: Wann endlich will Minister
Stolpe Gegenwehr leisten? Denn es gibt massive Ein-
schnitte in die Verkehrsinfrastruktur bzw. eine gewaltige
Streichliste. Auf Deutsch gesagt, Herr Minister Stolpe:
Jetzt ist die Katze aus dem Sack gelassen worden; jetzt
wissen wir, was kommt.
Sie müssen rund 1,4 Milliarden Euro streichen: bei
der Straße 685 Millionen Euro, bei der Schiene
513 Millionen Euro und bei den Wasserstraßen 155 Mil-
lionen Euro – und dies immer unter der sehr optimisti-
schen Annahme, dass ab 1. Juli Geld fließt. Es soll im
Jahr 2004 bei Straße, Schiene und Bundeswasserstraße
keinerlei Baubeginne geben. Es kommt zu massiven
Eingriffen in laufende Bauvorhaben bei Straße und
Schiene. Verkehrsfreigaben verzögern sich. Projekte sol-
len stillgelegt, andere ganz gestoppt werden. Im Straßen-
bau ist eine Kürzung der Erhaltungsmittel um rund ein
Drittel vorgesehen. Die Folge ist: noch schlechtere Stra-
ßen und damit verbunden dramatisch zunehmende Ver-
kehrsbeeinträchtigungen. Betroffen sind insbesondere
Projekte von volkswirtschaftlicher und standortpoliti-
scher Bedeutung.
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aggerungen zur Erhaltung der erforderlichen Fahrwas-
ertiefen in den seewärtigen Zufahrten zu den deutschen
eehäfen sowie Aufwendungen für die maritime Notfall-
ersorgung. – Das alles sind nur einzelne Beispiele.
Dabei sagten Sie, Herr Dr. Stolpe, noch am
. September 2003 vor dem Verkehrsausschuss, dass die
ittel für das Anti-Stau-Programm in diesem Jahr nicht
ekürzt werden sollen und dass der Bundesfinanzminis-
er einem finanziellen Ausgleich bis 2006 zugestimmt
abe.
ch kann dazu nur sagen: Viele Tiefbaufirmen mit Zehn-
ausenden von Arbeitsplätzen sind in Gefahr, wenn ein
erart hohes Auftragsvolumen ausfällt. Sie werden das
icht überstehen.
Herr Dr. Stolpe, ich kann nur feststellen: Sie haben
undeskanzler Schröder einmal als einen Helden der Po-
itik bezeichnet. Sie sind heute für mich ein ganz beson-
erer, quasi unüberbietbarer Held der Maut. Am Ende
rage ich mich wirklich: Wo bleiben Ihre Erfolge? Es
ibt sie nicht bei der Maut, nicht bei der Bahn, nicht im
usammenhang mit der EU-Osterweiterung oder dem
lughafen Schönefeld. Ein bundesweites Luftverkehrs-
onzept lässt auf sich warten. Sie haben ein regelrechtes
nfrastrukturdesaster zu verantworten. Wo ist die ange-
ündigte Fluglärmschutznovelle? Man könnte diese
iste endlos verlängern.
Wir sind gespannt, ob Sie bis 2006 überhaupt noch ei-
en Erfolg zu vermelden haben. Bisher hat immer nur
egolten: Viel versprochen und alles gebrochen!
Das Wort hat jetzt der Kollege Uwe Göllner von derPD.
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6960 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Der Umgang der Regierung mit dem Parlament, denHerr Kollege Fischer gerade festgestellt hat, muss einsehr subjektiver sein;
denn die Regierungsmitglieder haben durch die Bank imHaushaltsausschuss einen sehr fairen Umgang mit demParlament attestiert bekommen. Das ist doch auch dieErfahrung, die wir alle durchweg machen.
Herr Kollege Fischer, gestatten Sie mir einen persön-lichen Hinweis: Es heißt in der Bibel nicht „Seid wach-sam und mehret euch“, sondern „Seid fruchtsam undmehret euch“.
: Hat er
auch gesagt! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Ich habe „friedlich“ gesagt! –Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Er hat„friedlich“ gesagt!)Das sagte auch kein Hohepriester, sondern Gott persön-lich.
Der Kollege Friedrich begann seinen Redebeitrag da-mit, dass er uns erzählte, er glaube zu träumen. KollegeFriedrich, ich gratuliere Ihnen dazu; denn nur werträumt, der lebt noch. Ich habe auch geträumt.
Herr Friedrich, ich habe heute Morgen geträumt, dieUnion und die FDP hätten im Frühjahr dieses Jahresdem Steuervergünstigungsabbaugesetz zugestimmt.
Dann hätten wir manche Haushaltsprobleme, um die wiruns heute schlagen, nicht.
Dass wir diese Probleme haben, Herr Kollege Friedrich,hat viele Gründe. Ein Grund ist, dass wir uns gerade da-ranmachen, den 33. Bundeshaushalt in Folge zu verab-schieden, der nur durch Schulden gedeckt wird.
Die Zahl 33 zeigt, dass wir alle nicht mehr im Zustandder Unschuld sind. Ihre Partei hat von den 33 Jahren diemeiste Zeit mitregiert.
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Wir haben die Städtebauförderung kräftig aufge-tockt. Die Einsparungen bei der Umgestaltung der Ei-enheimzulage wollen wir nutzen, um die Städtebauför-erung für die alten Länder und die Finanzhilfen imahmen des überaus erfolgreichen Programms „Sozialetadt“ zu erhöhen. Insgesamt stellen wir hierfür58 Millionen Euro zur Verfügung.
ir unterstützen damit die Anpassung der Städte an dierfordernisse der Zukunft und leisten einen nachhaltigeneitrag zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik sowie zurchaffung von Ausbildungsplätzen im Baugewerbe undm Handwerk.Wir haben die Neuorientierung der Städtebau- undohnungspolitik eingeleitet und werden diese intensiveiterentwickeln. Unsere Städtebau- und Wohnungspo-itik konzentriert sich stärker auf den Erhalt, auf die Sa-ierung und auf die Modernisierung des Wohnungsbe-tands, als es früher der Fall war. Wir verbindentädtebau- und Wohnungspolitik. Wir unterstützen inte-rative Ansätze, die die wichtigen Bereiche der Arbeits-arktpolitik und der Wirtschaftsförderung einbeziehen.ir fördern insbesondere die Wohneigentumsbildung innnerstädtischen Altbauquartieren, um die Bildung vonohneigentum stärker in die Innenstädte zu verlagern.iese Politik bremst die Zersiedelung unserer Land-chaft und soll das Abwandern aus den Großstädten insmland stoppen. Schauen Sie sich die Stadt Berlin an,enn Sie Zeit dazu haben, liebe Kolleginnen und Kolle-en. Hier stehen 140 000 Wohnungen leer.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6961
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Uwe GöllnerDas ist nicht allein ein Berliner Problem; das kann Ihnenin allen Großstädten unserer Republik auffallen. UnsereStädtebau- und Wohnungspolitik hat zum Ziel, diesenTrend aufzuhalten. Unsere Politik ist nachhaltig. Sie sollerreichen, dass unsere Innenstädte an Lebens-, Wohn-und Aufenthaltsqualität gewinnen.
Gleichzeitig setzen wir die bisherige Städtebauförde-rung auf dem in der mittelfristigen Finanzplanung ausge-wiesenen relativ hohen Niveau fort. Mit diesen Finanzhil-fen fördern wir städtebauliche Sanierungs- undEntwicklungsmaßnahmen sowie in den neuen Ländernzusätzlich den städtebaulichen Denkmalschutz. 215 Mil-lionen Euro dieser klassischen Städtebauförderung flie-ßen in die neuen Länder, 40 Millionen Euro in die alten.Im Zuge des Auslaufens der Eigenheimzulage wollen wirdie Finanzmittel für die alten Länder kräftig anheben,nämlich insgesamt auf rund 212 Millionen Euro. Mit die-sen Mitteln unterstützen wir insbesondere die Kommu-nen.Das von der Bundesregierung 1999 aufgelegte Pro-gramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“– kurz: „Soziale Stadt“ – ist überaus erfolgreich. Die Fi-nanzhilfen des Bundes werden für Investitionen zur in-novativen und nachhaltigen Stadtentwicklung eingesetzt.Das Programm „Soziale Stadt“ ist aber nicht nur einstädtebauliches Investitionsprogramm, sondern auch einzukunftsweisendes integratives Förderkonzept zur Stabi-lisierung sozialer Brennpunkte. Einzelne Stadtteile, indenen sich soziale, wirtschaftliche und städtebaulicheProbleme verschärfen, werden durch die Vernetzung dervielfältigen finanziellen und organisatorischen Ressourcenaller Politikbereiche auf Bundes-, Landes- und Gemeinde-ebene gezielt gefördert. Die Integration unterschiedlicherPolitikfelder wie Wohnungsbau, Arbeitsmarkt und Wirt-schaftsförderung sowie Jugend- und Sozialpolitik leisteteinen wirksamen Beitrag zur nachhaltigen Steigerungder Wohn- und Lebensqualität in den betroffenen Stadt-teilen. Im Rahmen dieses Programms werden Eigeniniti-ative und Selbsthilfepotenziale aktiviert, ein gemeinsa-mes Bewusstsein entwickelt und die nachbarschaftlichenBeziehungen gefestigt.Wegen des großen Erfolges des Programms haben wirdie Finanzhilfen des Bundes bereits im laufenden Jahrvon 76 Millionen Euro auf 80 Millionen Euro erhöht. Sokonnten neue Vorhaben in das Bundesprogramm aufge-nommen werden und die Förderung laufender Maßnah-men auf hohem Niveau fortgesetzt werden. Im Rahmender mittelfristigen Finanzplanung wird für das Programm„Soziale Stadt“ ein Verpflichtungsrahmen von 50 Millio-nen Euro bereitgestellt. Wir wollen den sozialen Zusam-menhalt noch weiter stärken und die Entwicklung sozia-ler Brennpunkte frühzeitig stoppen. Deshalb sollen dieseMittel bei Auslaufen der Eigenheimzulage um weitereknapp 86 Millionen Euro aufgestockt werden.Das im Jahr 2002 von der Bundesregierung gestarteteProgramm „Stadtumbau Ost“ ist von den fachlich undpolitisch Beteiligten als wichtiger und notwendigerSwDbsdsuWdbaznsnEneOWWE3hhHsmBrmdKb
er Verpflichtungsrahmen des Programms wird auf demisherigen Niveau von circa 153 Millionen Euro festge-etzt. Insbesondere Städte und Gemeinden in Ost-eutschland, die besonders vom Leerstand betroffenind, bekommen Finanzhilfen des Bundes, zum einen,m leerstehende und langfristig nicht mehr benötigteohngebäude zurückzubauen, und zum anderen, um inie Aufwertung der betroffenen Stadtteile zu investieren.Darüber hinaus werden wir das Programm „Stadtum-au Ost“ und die Altschuldenhilfe stärker aufeinanderbstimmen und so die Handlungsspielräume der Länderur Unterstützung in ihrer Existenz gefährdeter Woh-ungsunternehmen erheblich erweitern.Mit der Härtefallregelung auf Grundlage des Alt-chuldenhilfe-Gesetzes gewähren wir gefährdeten Woh-ungsunternehmen in den neuen Ländern zusätzlichentlastungen von Altschulden. Die starke Inanspruch-ahme zeigt, wie wirkungsvoll diese Hilfe ist. Sie istine wirksame Ergänzung des Programms „Stadtumbaust“ und wird sowohl den Wohnungsmarkt als auch dieohnungswirtschaft in Ostdeutschland stabilisieren.
ir haben das Finanzvolumen von bisher 658 Millionenuro im Rahmen dieser Haushaltsberatungen daher um50 Millionen Euro aufgestockt. Jedoch ist diese Erhö-ung abhängig von den Einsparungen bei der Eigen-eimzulage und damit vom Vermittlungsergebnis zumaushaltsbegleitgesetz.
Meine Damen und Herren von der Opposition, nunind Sie in der Verantwortung, schließlich gibt es ein Ver-ittlungsverfahren. Ich hoffe, dass Sie – anders als in deneratungen in den Ausschüssen – im Vermittlungsverfah-en Ihrer Verantwortung gerecht werden und Ihre Zustim-ung geben, um so unser Land nach vorne zu bringen.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Günther von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ollege Friedrich und die Kollegen von der CDU habenereits auf die Ausfälle bei der Maut hingewiesen.
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6962 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Joachim Günther
Ich möchte nun ein anderes Beispiel bringen und da-bei den Blick auf die EU-Osterweiterung richten.Herr Minister Stolpe, Sie haben am 11. September2003 hier noch einmal darauf hingewiesen, dass die Ver-stärkung der Verkehrsinfrastruktur Hauptaufgabe der Po-litik ist. Das ist richtig. In dem Jahreshaushaltsplan sehenwir aber genau das Gegenteil davon. Die Verkehrsinfra-struktur ist eine Lebensader der Wirtschaft. Sie ist aberauch eine Voraussetzung für die anstehende EU-Oster-weiterung.
Hier sehe ich eine große Gefahr auf uns zukommen.Aufgrund der monatlichen Ausfälle von circa 160 Mil-lionen Euro wird nicht nur die so genannte Streichlistebetroffen sein, sondern es werden auch unbedingt not-wendige Verbindungen in Richtung Osteuropa unbe-rücksichtigt bleiben.
Wer in den Zweiten Fortschrittsbericht über die wirt-schaftliche Entwicklung in Ostdeutschland schaut – auchdas ist interessant –, der wird sehen, dass sich Ausfälleim Bereich der Verkehrsinfrastruktur im Osten unseresLandes besonders katastrophal auswirken und dass sie inden gesamtwirtschaftlichen Kreislauf eingreifen. Des-halb fordere ich die Bundesregierung auf – dies wurdehier entsprechend vorgetragen und früher auch immerversichert –, an dieser Verkehrsinfrastruktur keinerleiAbstriche zuzulassen.Ich bin diesbezüglich auch deshalb misstrauisch ge-worden, weil ich im Fortschrittsbericht 2002 der neuenLänder, der jährlich anzufertigen und vorzulegen ist, aufetwas Interessantes gestoßen bin.
– Ja, dort können wir darüber sprechen. – Schauen Siesich zum Beispiel die Berichte der Länder Berlin undSachsen-Anhalt an. Die Sonderbedarfszuweisungenwurden hier häufig eben nicht, wie vorgeschrieben, fürInfrastrukturmaßnahmen verwendet, sondern sie sind inden allgemeinen Haushalt geflossen. Auf meine Nach-frage im Ministerium der Finanzen – Herr Diller, IhreKollegin hat sie beantwortet – wurde mir Folgendes ge-sagt:
Die Bundesregierung ist in ihrer Stellungnahme zuden Fortschrittsberichten der Länder zwar auch zu demErgebnis gekommen, dass die Mittel in einigen Ländernzu großen Teilen in den allgemeinen Haushalt geflossenund eben nicht für Investitionen verwendet wurden. Eshat sich aber nachträglich herausgestellt, dass dieses Er-gebnis wegen unterschiedlicher methodischer und statis-tischer Ansätze bei der Erstellung der Berichte zustandegekommen ist.nBÜHvVNLSsOuurghBmBssdMninSliudsgnuwazElämdaz
ier muss Einfluss genommen werden, sodass sie richtigerwendet werden.
or dem Hintergrund des nach wie vor bestehendenachholbedarfs bezüglich der Infrastruktur in den neuenändern ist es deshalb besonders wichtig, dass auch derolidarpakt näher betrachtet wird und auch diese Mittelo eingesetzt werden, wie es im Gesetz vorgesehen ist.Wir alle sind uns darüber im Klaren, dass mit der EU-sterweiterung im Jahre 2004 neue Anforderungen anns gestellt werden. Auch hier sind die neuen Ländernd Bayern besonders betroffen. Bislang gibt es von Ih-er Regierung kein Konzept, wie die Anschlüsse erfol-en werden. Ich mache mir vor allem um den grenzna-en Raum Sorgen. Auf tschechischer Seite werden zumeispiel Straßen gebaut, während bei uns noch nicht ein-al die Planung durchgeführt wurde. Ein besondereseispiel ist die Sachsen-Franken-Magistrale der Deut-chen Bahn AG. Hier gibt es wiederum eine sehr inten-ive Diskussion. Auf Ihrer indirekten Streichliste befin-et sich eine der traditionsreichsten Strecken, die vonünchen oder Stuttgart über Nürnberg und Dresden bisach Breslau verläuft. Das ist also wirklich eine Schiene Richtung der EU-Osterweiterung. Wer eine solchetrecke auf die Streichliste setzt, der blickt in Europa po-tisch nicht nach vorn.
Lassen Sie mich noch einige Worte zur Baupolitiknd zum Städtebau sagen. Nach wie vor ist die Lage inen ost- und inzwischen zum Teil auch in den norddeut-chen Ländern durch einen hohen Wohnungsleerstandekennzeichnet. Kollegin Eichstädt-Bohlig, ich gebe Ih-en Recht: Das Programm Aufbau Ost ist angekommennd wird auch umgesetzt. Es ist aber unzureichend,enn man an die Geschwindigkeit der Abwanderungus den ostdeutschen Ländern denkt. Das heißt, im Prin-ip laufen wir mit diesem Programm hinterher. Meinesrachtens sind wir uns darüber auch einig.
2002 sind 80 000 Einwohner aus den neuen Bundes-ndern abgewandert. Das entspricht der Größe einerittleren Stadt. Wenn es uns in solchen Städten, in denenie Abwanderung hoch ist, nicht gelingt, Stadtquartierettraktiv zu erhalten und den Bürgern eine Perspektiveu geben, sodass sie nicht immer im Hinterkopf haben
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Joachim Günther
müssen, wann das Theater geschlossen und dasSchwimmbad zugemacht wird, dann wird sich dieserProzess weiter verselbstständigen; er wird voranschrei-ten. Hier muss ein Durchbruch erzielt werden.
Eine Chance dafür wäre zum Beispiel – darübermüsste diskutiert werden –, die im Rahmen des Alt-schuldenhilfe-Gesetzes vom Bund zur Verfügung ge-stellten Mittel für die Jahre 2005 ff. vorzuziehen – Kol-lege Göllner hat es vorhin angesprochen –, damit derAbriss schneller vonstatten gehen kann; denn mit demAbriss erhalten wir ein attraktives Stadtbild und außer-dem – dies ist im Osten Deutschlands dringend notwen-dig – endlich wieder eine Struktur im Wohnungsbereich,durch die die Immobilienwirtschaft wieder auf einiger-maßen gesunde Beine gestellt werden kann.
Um zu zeigen, dass es hierzu tolle Ideen gibt, möchteich auf einen Artikel im „Spiegel“ vom 17. Novemberdieses Jahres verweisen. Er ist eindrucksvoll. Darin wirdbewiesen, dass man mit unternehmerischen Findigkeiteneiniges erreichen kann. Ein holländischer Unterneh-mer kauft im großen Stil abbruchreife Platten in den ost-deutschen Kommunen und bringt diese als neues Pro-dukt in ost- und südosteuropäischen Ländern auf denMarkt. Auch in einem solchen Bereich kann man Fort-schritte erzielen. Wir unterstützen diese Privatinitiativen,die im Endeffekt effektiver und schneller Wirkung erzie-len.
Zum Schluss möchte ich meine Hoffnung zum Aus-druck bringen, dass sich an den Ergebnissen des Haus-halts durch die Verhandlungen im Vermittlungsaus-schuss einiges ändert; denn mit seinen Geisterzahlen ister jetzt nicht nur verfassungswidrig, sondern auch beimbesten Willen nicht anzunehmen. Deshalb lehnen wir ihnab.
Das Wort hat der Kollege Albert Schmidt von Bünd-nis 90/Die Grünen.Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Kein anderer Haushalt ist mit derart vielen und großenRisiken wie der Einzelplan 12 belastet, den wir heutediskutieren. Es hilft nichts, darum herumzureden.
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Viertens. Über all dem – dabei sollten wir zusammen-rbeiten – schwebt als Damoklesschwert im Vermittlungs-usschuss die Bedrohung durch die Koch-Steinbrück-orschläge, deren Umsetzung alleine und ausschließlicheim Verkehrsträger Schiene in den kommenden dreiahren über 2 Milliarden Euro an Kürzungen beim Zug-ngebot – dies wird durch Kürzung der Regionalisie-ungsmittel erreicht – und beim Streckenausbau mit sichringen würde.Wer so etwas will, bringt keinen Rasenmäher in Stellung,ondern er legt die Axt an die Wurzeln der Bahnreform. Erefährdet den Erfolg der Bahnreform und das Bundesun-ernehmen Deutsche Bahn AG mitten in einer schwieri-en Sanierungsphase.
iese Kürzungsvorschläge träfen ausschließlich und bru-l allein die Schiene. Dies wäre übrigens ein Rückfall inie letzten Amtsjahre von Wissmann und Waigel – ich er-nnere mich sehr gut, mein Gedächtnis reicht so weit –,
ls nämlich die Bahn – das haben Sie ganz ohne Mautde-akel hinbekommen – Jahr für Jahr als Steinbruch zuraushaltskonsolidierung herhalten musste. Dies wäreine Wende rückwärts in der Verkehrspolitik, die jeden-alls mit unserer Fraktion nicht zu machen sein wird.
Das unterscheidet uns, Kollege. Sie haben ganz ohneie Mautprobleme die Kürzung des Bahnetats fertig ge-racht.
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Albert Schmidt
Wie ernst und dramatisch die Lage nun ist, hat in derTat die Liste aus dem Bundesverkehrsministerium deut-lich gemacht, die in diesen Tagen durch die Presse ging.
Herr Kollege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Kalb?
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Aber gerne.
Herr Kalb, bitte.
Herr Kollege Schmidt, Ihre Befürchtungen im Hin-
blick auf die Zukunft der Investitionsmittel für die Bahn
teile ich. Aber wären Sie bitte bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass in den zurückliegenden Jahren, von 1995
bis 2000, der Bahn jeweils mehr Investitionsmittel zur
Verfügung standen, als sie verbauen konnte?
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Lieber Herr Kollege Kalb, ich konstatiere gerne, dass
die Bahn in den letzten drei Jahren alle Mühe hatte und
es manchmal gar nicht geschafft hat, die von uns großzü-
gigerweise massiv erhöhten Mittel für Investitionen auch
tatsächlich zweckgerecht und bestimmungsgemäß abzu-
rufen. Als wir allerdings die Regierungsverantwortung
1998 übernommen haben, da lagen die Bahninvestitio-
nen unter 5 Milliarden DM. Heute sind wir bei 4 Milliar-
den Euro. Das ist der Unterschied zwischen unserer Poli-
tik und Ihrer Politik.
Wie dramatisch die Lage ist, hat diese Liste, die jetzt
durch die Presse geistert, in der Tat deutlich gemacht. Es
drohen – da hilft kein Drumherumreden – die Verschie-
bung, die Streckung und die Streichung von Projekten
bis hin zur Stilllegung von Baustellen. Das ist der Ernst
der Situation.
Der Hauptverursacher dieser Misere hat einen Na-
men: Toll Collect. Um dies festzustellen, braucht man
keinen Untersuchungsausschuss. Da genügt ein Blick in
die Tageszeitungen. Wenn dieses Konsortium weiterhin
nicht in der Lage ist, das vertraglich zugesicherte Maut-
system auf die Beine zu stellen, und wenn es noch nicht
einmal in der Lage ist, einen verbindlichen Zeit- und Ar-
beitsplan bis zum Funktionieren vorzulegen, dann ver-
sündigt sich die Industrie am Standort Deutschland.
Denn 2 Milliarden Euro weniger im nächsten Jahr be-
deuten Zigtausende von Arbeitsplätzen weniger in
Deutschland mit all den Folgekosten für die Arbeitslo-
senversicherung und die Rentenkasse.
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as ist nicht mehr lustig. Für mich verdichtet sich der
indruck, dass die Industrie offenbar einen Vertrag un-
rschrieben hat, obwohl es nicht den Hauch einer
hance gab, die zugesagten Termine einzuhalten. Das
renzt für mich an Betrug.
as kann und darf in einem Rechtsstaat nicht folgenlos
leiben.
Die Maut sollte ein Projekt der öffentlich-privaten
artnerschaft sein. Die Privaten haben das Blaue vom
immel versprochen. Aber kaum versagen sie – jetzt
ird es spannend –, kommt die Bauindustrie, aus ver-
tändlicher Sorge übrigens, und verlangt Ersatzzahlun-
en nicht etwa von Toll Collect, sondern – so Ignaz
alter in seinem Brief an den Bundeskanzler – Steuermil-
arden. Diese öffentlich-private Partnerschaft funktio-
iert nach dem Motto: Klappt es mit der Maut, dann ma-
hen wir ein Geschäft, klappt es nicht, muss eben der
und einen neuen Milliarden-Euro-Scheck auf den
isch legen und neue Schulden machen. Auf diese Art
on öffentlich-privater Partnerschaft können wir in Zu-
unft verzichten.
Herr Kollege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Lintner?
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
Gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege Schmidt, würden Sie mir bestätigen,ass selbst dann, wenn das System von Toll Collect tech-isch funktionieren würde, die Durchsetzung der Mautegenüber ausländischen Fahrzeughaltern deshalb nichtesichert wäre, weil das Ministerium es versäumt hat,echtlich verbindliche Zusagen aus dem Ausland einzu-olen? Es gibt also zwei wichtige Faktoren für dascheitern: die technische Seite, aber leider auch dieangelnde vertragliche Vorsorge seitens des Bundesver-ehrsministeriums.
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Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Das kann ich nicht bestätigen, Herr Kollege Lintner.Dazu habe ich überhaupt keine Veranlassung, im Gegen-teil. Seit dieser Bundesverkehrsminister im Amt ist, hater permanent gegenüber der Europäischen Kommissionund den europäischen Nachbarn deutlich gemacht, waswir wollen, wohin wir wollen,
welchen Stand der Realisierung wir erreicht bzw. nochnicht erreicht haben und welche Bedingungen das aus-ländische Speditionsgewerbe künftig hier vorfindet.Diese Sorge, Herr Kollege Lintner, ist im Moment meineallergeringste. Ich habe ganz andere Sorgen, wie ich vor-hin dargestellt habe.Ich möchte zum Schluss kommen. Wenn Toll Collect– das sage ich in allem Ernst – bis Mitte Dezember, demfrühestmöglichen Kündigungstermin, nicht bereit odernicht in der Lage ist, einen verbindlichen Starttermin fürdieses Mautsystem zu benennen und Schadensersatz-pflicht zu garantieren, und wenn Toll Collect weiterhinnicht bereit sein sollte, für bereits entstandene giganti-sche Einnahmeverluste mit einzustehen, dann muss derBund, ob er will oder nicht, die rote Karte ziehen. Nie-mand kann diese Entwicklung wollen, aber der Bundkann sich nicht ewig auf der Nase herumtanzen lassen.Wenn es bei diesem Projekt keine Chance auf Vertrauenund Erfolg mehr gibt, dann ist mir ein Ende mit Schre-cken lieber als ein Schrecken ohne Ende.
Denn dann müssen schleunigst alternative Lösungenund Übergangslösungen gesucht werden und es darfnicht länger auf vertragsbrüchige Partner gewartet wer-den.In jedem Fall aber werden die Probleme für die Ver-kehrsfinanzierung im nächsten Jahr und in den darauffol-genden Jahren gewaltig sein. Wir werden sie gemeinsamlösen müssen, auch wenn andere die Hauptverursachersind. Ich hoffe hier auf das Zusammenstehen aller Ver-kehrspolitiker, besonders wenn es jetzt darum geht, dieKoch-Steinbrück-Attacke auf den Schienenverkehr ge-meinsam abzuwehren.Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert Barthle,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Die Rede des Kollegen Schmidt war diebeste Argumentation dafür, dass die Aussage gilt: DieserHaushalt ist weder beratungsfähig noch beschlussfähigund bestätigt uns in voller Linie.
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s heißt bei Matthäus, Kapitel 7, Vers 26 und 27:Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht,der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus aufSand baute.
Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamenund die Winde wehten und stießen an das Haus, dafiel es ein, und sein Fall war groß.
Meine Damen und Herren, das Wasser kam; dieinde wehten. Sie stießen an Ihren Haushalt und er fielm. Das werden wir schon in wenigen Tagen feststellenüssen. Deswegen stimmen wir diesem Unsinn nicht zu.
Das Wort hat nun der Kollege Reinhard Weis, SPD-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Es hat weiß Gott schon einmal mehr Spaß ge-acht, im Plenum zum Einzelplan 12 zu sprechen.
ine Reihe von Risiken werfen ihre Schatten auf dasahlenwerk. Das ist ein gefundenes Fressen für all dieje-igen, die auf eine Katastrophenstimmung aus sind.Das Wehklagen von Herrn Barthle über die verringer-en Haushaltsansätze ist meiner Ansicht nach heuchle-isch. Denn es gab – wie Gunter Weißgerber schon fest-estellt hat – seitens der CDU/CSU keine Anträge auf
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Reinhard Weis
Erhöhung von Haushaltsansätzen. Da Ihrerseits keinekonstruktiven Vorschläge vorgelegt wurden, dürfen Siejetzt auch nicht beklagen, dass die Haushaltsansätze zuniedrig sind.
Was die Schatten angeht, die auf unseren Haushaltfallen, so stellen die Unsicherheiten bei der Mautein-führung sozusagen einen großen Brocken dar, der nochnicht weggeräumt worden ist. Das ist zwar richtig, aber,meine Damen und Herren von der Opposition, das solltefür Sie kein Anlass zur Häme sein.
Es gibt noch andere Unwägbarkeiten, für die Sie un-mittelbar verantwortlich sind.
Ihre Verhinderungs- und Verzögerungsstrategie im Ver-mittlungsausschuss, die Chaotisierung des Vermittlungs-verfahrens ist durchaus Teil dieser Unsicherheiten, dieSie jetzt mit Krokodilstränen beweinen.
Die Unsicherheiten hinsichtlich der Mauteinführungsind nicht ausgeräumt. In der Öffentlichkeit wird bereitsdarüber spekuliert, ob das Mautkonsortium selbst über-haupt noch Interesse an dem gemeinsamen Projekt hat.Jedem ist inzwischen offenkundig, dass die Industriesich übernommen hat. Sie hat einen Vertrag unterschrie-ben, den sie nicht eingehalten hat. Sie hat Produkte aus-geliefert, die nicht funktionieren und die offensichtlichauch nicht ausgereift waren. Sie hat sich auf Terminket-ten verpflichtet, die sich inzwischen als reine Luftnum-mern erwiesen haben.
Das weiß auch die Opposition. Deshalb ist es inhöchstem Maß unredlich, nun Bundesminister Stolpe fürdas Versagen der Industrie verantwortlich machen zuwollen.
Auch ist es sachlich falsch und unredlich, über das Mi-nisterium sowie das Bundesamt für Güterverkehr unddie dort Verantwortung tragenden Mitarbeiter herzufal-len. Dort wird, wie die Opposition weiß, buchstäblichbis zur Erschöpfung gearbeitet, um ein dichtes Control-ling sicherzustellen, allen möglichen Fehlern auf dieSpur zu kommen und das Mautsystem so zügig wie ir-gend möglich einzuführen. Ich bin davon überzeugt,dssdBaPr–bzIswzÜmaDlverdgDZddssAsvsDwsI
Es ist übrigens auch ein Märchen, die Bundesregie-ung habe der Industrie Daumenschrauben angelegtentsprechende Zwischenrufe hat es hier ja schon gege-en – und sie auf die Festlegung eines unrealistisch kur-en Zeitplans verpflichtet. Richtig ist vielmehr, dass demndustriekonsortium die Einführung der Maut gar nichtchnell genug gehen konnte. Man kann nicht oft genugiederholen, was Franziska Eichstädt-Bohlig hier schonitiert hat. Im April 2002 schrieb das Konsortium bei derbersendung des endgültigen Angebots der Bieterge-einschaft ETC in nicht zu überbietendem Optimismusn den Minister:… möchten wir Ihnen gleichwohl ankündigen, dasswir zu einem früheren Systemstart aufgrund unsererVorarbeiten durchaus in der Lage sind.
amals konnten die Herren von der Telekom, von Daim-er Chrysler Services und von Cofiroute offensichtlichor Kraft kaum laufen. Mir ist wichtig, dies hier nochinmal klar zu machen, weil sich immer wieder das Ge-ücht hält, der damalige Bundesminister Bodewig habeas Konsortium in einen selbstmörderischen Zeitplanehetzt.
as ist schlicht falsch; das von mir eben vorgetrageneitat widerlegt diese Behauptung ebenfalls.
Ich sage dies übrigens ohne Häme gegenüber der In-ustrie. Vielleicht müssen wir alle unsere Gläubigkeit inie Technik und die Schnelligkeit, mit der wir techni-ches Neuland erobern können, grundsätzlich infragetellen.
uch die Damen und Herren von der Opposition habenich blenden lassen. Ich erinnere an die Demonstrationon Toll Collect kurz vor der Sommerpause im Aus-chuss. Wir müssen ferner bedenken, dass Telekom undaimler Chrysler Services bisher nicht dafür bekanntaren, in hohem Maße leichtfertig zu sein. Es handeltich immerhin um zwei der Flaggschiffe der deutschenndustrie. Auch sie haben sich geirrt.
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Reinhard Weis
All dies gilt es zu bedenken, wenn nun manche voll-mundig über Vertragskündigungen schwadronieren. Ichsage in eure Richtung, Franziska und Ali, dass ich eurenVorschlag, zum 15. Dezember ein Ultimatum zu setzen,nicht nachvollziehen kann. Sicherlich ist es nicht nur le-gitim, sondern auch notwendig, sich Vorstellungen überalle Optionen sowie über klare Kosten-Nutzen-Analysenzu verschaffen. Dazu gehört auch die Option der Kündi-gung. Schließlich muss aber sehr sorgfältig abgewogenwerden, welche der möglichen Optionen den Schadenfür die Bundesrepublik am geringsten hält. Aus heutigerSicht spricht eher alles dafür, mit aller Energie weiterzu-machen und mit dem bisherigen Vertragspartner dasMautprojekt zu realisieren.Ein Wort zur FDP und einem ihrer Lieblingsthemen,der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.Heute hast du, Horst, diese Forderung ja verschämt ver-schwiegen, die am vergangenen Wochenende nochhochaktuell war. Vielleicht habt ihr in der Zwischenzeiteingesehen, dass daraus kein Problemlösungsansatz er-wächst, abgesehen davon, dass die Industrie bei ihremBesuch bei Frau Merkel möglicherweise sehr deutlichgemacht hat, dass sie kein Interesse an einem Untersu-chungsausschuss hat.
Natürlich machen wir uns Sorgen über die Mautaus-fälle und deren Auswirkung auf unseren Haushalt undinsbesondere auf die Verkehrsinvestitionen. Ich nehmedeshalb Bezug auf die angebliche Streichliste. Niemandkann heute eine belastbare Liste vorlegen oder konkreteProjekte benennen, und zwar auch deshalb nicht, weilwegen Ihrer destruktiven Haltung im Vermittlungsaus-schuss noch nicht abschätzbar ist, welche Probleme aufden Einzelplan 12 tatsächlich zukommen. Hier sind auchSie in der Verantwortung.
Ich sehe diese Liste als Mahnung an den Vermitt-lungsausschuss, die Länder und an Sie, die Sie die Mehr-heit im Bundesrat haben.
– Richtig, auch an den Finanzminister. – Denn wegender großen Bedeutung, die die Investitionsausgaben un-seres Etats für den Gesamthaushalt haben, muss über ei-nen fiskalischen Ausgleich möglicher gravierender Aus-fälle nachgedacht werden. Aber es gibt noch einenanderen Aspekt, den bislang niemand angesprochen hat.Wir unterstützen ausdrücklich Bundesminister Stolpe beiseinen Verhandlungen mit Toll Collect über Schadener-satzzahlungen. Diese würden natürlich als Kompensa-tion der Mautausfälle zur Verfügung stehen.Wir müssen uns aber auch Gedanken über neue Fi-nanzierungsformen machen, um unsere Spielräume zuerweitern.
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uch dies ist für mich eher ein Grund dafür, an den bis-erigen Vertragspartnern festzuhalten, als ihnen sofortu kündigen. Letzteres wäre ein Schnellschuss.Ich möchte den Einzelplan 12 auch in Verbindung miter großen Aufgabe Aufbau Ost bringen. Mit deminzelplan 12 werden wichtige finanzielle Akzente aufntscheidenden Politikfeldern gesetzt. Heute fand inerlin ein Kongress zum Austausch von Erfahrungenit dem Programm „Stadtumbau Ost“ statt. Die Woh-ungswirtschaft hat dort die Botschaft formuliert: Stadt-mbau Ost ist Aufbau Ost. Allen ist sicherlich klar, dassas nicht der einzige Aspekt ist. Aber es wurde deutlichemacht, dass der Aufbau Ost scheitert, wenn der Stadt-mbau Ost nicht gelingt. Angesichts der Wichtigkeit die-es Themas frage ich mich, warum die Wohnungspoliti-er der CDU/CSU-Fraktion an diesem Kongress nichtilgenommen haben.Eine Forderung von Herrn Günther geht ebenfalls inseere. Auf dem Kongress hat nämlich die Wohnungs-irtschaft gefordert, die Jahresquote für die Mittel, dieer Bund für das Abrissprogramm zu Verfügung stellt,ignifikant zu erhöhen. Diese Forderung wird erfüllt, ge-auso wie die nach Finanzierung gemäß Altschulden-ilfe-Gesetz. Wir, das Parlament, sind heute Morgen vonen Vertretern der Wohnungswirtschaft ausdrücklich da-ür gelobt worden, dass wir den Haushaltsansatz – des-en Verdoppelung wurde schon in diesem Jahr erreicht –o erhöht haben, dass zusätzlich 315 Millionen Euro zurerfügung gestellt werden können.Nun schaue ich wieder in Ihre Richtung. Jetzt trägter Bundesrat – Sie haben dort eine Mehrheit – eineroße Verantwortung.
er Haushaltsansatz kann nur umgesetzt werden, wennie über Einsparungen, zum Beispiel bei der Eigenheim-ulage, nicht nur schwadronieren, sondern auch dafürorgen, dass Butter bei die Fische kommt und Nägel mit
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Reinhard Weis
Köpfen gemacht werden. Nur so können die Erwartun-gen der ostdeutschen Wohnungswirtschaft erfüllt wer-den.Im Zusammenhang mit dem Stadtumbau Ost und mitdem Städtebau allgemein begrüße ich ganz ausdrücklich,dass eine Möglichkeit geschaffen wird, das Instrumenta-rium, mit dem bei der Sanierung der ostdeutschenBraunkohlereviere positive Erfahrungen gemacht wur-den – mit Arbeitsförderungsmitteln wurden wichtigestrukturverbessernde Maßnahmen realisiert –, auch imStädtebaubereich anzuwenden. Es ist eine zusätzlicheMöglichkeit, Mittel aus der Arbeitsförderung zielgerich-tet einzusetzen.
Dieses Instrumentarium spielt bei der Beseitigung derDefizite auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Bundeslän-dern eine ganz wichtige Rolle.Ich komme auf die Leerstandsproblematik zu spre-chen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der heutigenOpposition, eine wichtige Ursache dieser ausuferndenProblematik stammt aus der Zeit, in der Sie Regierungs-verantwortung trugen: Viel zu lange haben Sie an der un-sinnigen Förderung des Geschosswohnungsbaus festge-halten und im Osten auf Halde bauen lassen. Das warnicht nur eine Verschwendung von Steuermitteln, son-dern führte auch zu einer Verschärfung der Leerstands-problematik, die wir heute mit großem Aufwand be-kämpfen müssen.
Ich möchte nun einige Gedanken zum Wohnraum-modernisierungsprogramm für Kommunen in struk-turschwachen Regionen – es umfasst zinsverbilligte Kre-dite – äußern. Ich erinnere mich, dass große Skepsisherrschte, als dieses Programm auf den Weg gebrachtwurde. Man war sich nicht sicher, ob die Mittel abgeru-fen werden können. Ihr Beitrag beschränkte sich aufSchwarzmalerei und die Formulierung von Bedenken.Das Programm war aber so attraktiv, dass die Mittel inHöhe von 1 Milliarde Euro inzwischen abgerufen wor-den sind.Die ostdeutsche Landesgruppe unserer Fraktion hatsich deshalb mit der Bitte, die Mittel aufzustocken, anden Minister gewandt, um den Kommunen verstärkt zuhelfen. Ich freue mich, dass Minister Stolpe uns mittei-len konnte, dass tatsächlich zusätzlich 1 Milliarde Eurobei der KfW zum Abruf bereit steht. Ich denke, damitsetzen wir ein richtiges Signal, auch um den Aufbau Ostvoranzubringen.Danke.
Der Kollege Horst Friedrich erhält das Wort zu einer
Kurzintervention.
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Ich muss also darauf hoffen, dass die Union irgend-
ann einmal zu der Überzeugung kommt, dass es wegen
er großen Probleme richtig ist, sich uns anzuschließen.
iesbezüglich bin ich relativ zuversichtlich: Mit jedem
ag, den der Herrgott werden lässt, werden die Probleme
m die Maut größer und das Desaster schlimmer.
Aus diesem Grund bin ich relativ zuversichtlich, dass
ir uns zu gegebener Zeit wieder mit diesem Thema
useinander setzen werden. Die Kollegin Hustedt meint,
ie müsse meine Äußerungen etwas ins Lächerliche
iehen; aber auch bei den Liberalen ist immer noch ein
isschen Christlichkeit vorhanden. Ich habe mich also
us gutem Grund so geäußert.
Danke sehr.
Ich erteile dem Kollegen Weis das Wort zur Erwide-
ung.
In Kenntnis der Begleitumstände, die es euch nicht er-
öglichen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen,
in ich der Meinung, dass die Meldung nur eine vorder-
ründige Effekthascherei war, um eine Pressemitteilung
eröffentlichen zu können.
Nun hat der Kollege Klaus Minkel, CDU/CSU-Frak-
ion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einhrlicher Haushalt vom Bundesfinanzminister wäre einearität wie das Wunder von Bern oder die Auferstehunges Lazarus.
ir alle wissen, dass dieser Haushalt grottenschlecht ist.enn der Gesamthaushalt so schlecht ist, dann kann
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6970 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Klaus Minkelauch der Ressortminister nicht mit seinem Haushaltglänzen, vor allem dann nicht, wenn auch noch hausge-machte Fehler hinzukommen.Das Volumen des Wohnungshaushalts ist im nächstenJahr erstmals seit langem wieder rückläufig. Das hängtdamit zusammen, dass die Mittel für das Wohngeld auf-grund der Hartz-Gesetze aus dem Wohnungshaushalt he-rausgenommen werden.Für die Unionsfraktionen ist es sehr erfreulich, dass dieMittel für die Altschuldenhilfe von 45 Millionen Euroauf 143 Millionen Euro aufgestockt werden.
Das haben wir an dieser Stelle schon vor einem Jahr ge-fordert. Es hat also ein Jahr gedauert, bis auch Sie end-lich so weit waren. Auch wenn wir uns über dieses Er-gebnis freuen, können wir dem Finanzierungsweg nichtin vollem Umfang zustimmen. Sie brauchten dazu näm-lich einen Notabort, eine Notabtreibung: Sie haben dasProgramm „Wohnen in städtischen Quartieren“ mit ei-nem Umfang von 43 Millionen Euro eingestampft, be-vor es das Licht der Welt erblicken konnte.Die Mittel für die Städtebauförderung steigen von374 Millionen Euro auf 522 Millionen Euro. Das siehtbesser aus, als es ist. 77 Millionen Euro dieser Aufsto-ckung stammen aus der Eingliederung des Programms„Soziale Stadt“.Sehr betrüblich ist der starke Rückgang der Mittel fürdie soziale Wohnraumförderung. Statt 595 Millio-nen Euro sind es nur noch 450,8 Millionen Euro.Die Mittel für das Neubauprogramm 2004 belaufensich auf 230 Millionen Euro statt zuvor 280 Millio-nen Euro. Das ist die Mindestförderung. Das zeigt mehrals viele Worte, dass diese Bundesregierung mit der sozia-len Wohnraumförderung nichts mehr am Hut hat.
Man könnte damit leben, wenn die eigentlichenSchlechtigkeiten nicht außerhalb des Wohnungshaus-halts stattfänden. Der Fachminister, Minister Stolpe, hates entweder nicht vermocht oder nicht gewollt, diesenEingriffen entgegenzutreten. Das zeigt, dass erstmals inder Nachkriegsgeschichte die Bauwirtschaft wie auchdie Bauhandwerker und die Bauarbeiter in der Regie-rung keinen Fürsprecher mehr haben.
Der schwerwiegendste Eingriff ist die gänzliche Strei-chung der Eigenheimzulage. Die Eigenheimzulage istunverzichtbar, solange die Belastung der Arbeitnehmer-löhne in diesem Land so hoch ist, wie sie ist.
Es ist eine grobe Verfälschung der Tatsachen, wenn dieKollegin Eichstädt-Bohlig die Eigenheimförderung alsZdSwEdhpetezmwBadleIüSwSsddSPEzinzsihofz
o viele Zahnärzte gibt es in diesem Land nicht. Es gibteitere Millionen Familien, die noch in den Genuss derigenheimförderung kommen wollen.Ein weiterer schwerwiegender Eingriff, dessen Be-eutung Sie wahrscheinlich überhaupt nicht verstandenaben, ist die vollständige Abschaffung der Bauspar-rämie. Sie treffen damit nicht 33 Millionäre, sondernin Kollektiv von 33 Millionen Bausparern.
Es gehört zum Bausparprinzip, dass ständig neue Mit-l nachfließen müssen, damit die Verträge auch einmalugeteilt werden können, damit unsere Bürger auch ein-al bauen können. Wenn dieser Zufluss gestört wird,eil Sie die Eigenheimförderung abschaffen, weil Sie dieausparprämie abschaffen, dann werden die Bauspareruf die Zuteilung warten müssen, bis sie schwarz wer-en, und dann wird das ganze System, das ein Drittel al-r privaten Baufinanzierungen trägt, zusammenbrechen.ch frage mich, ob die Kürzung um 500 Millionen Euroberhaupt in einem vernünftigen Verhältnis zu demchaden steht, den Sie für unsere Wirtschaft anrichtenerden.
Ein weiterer Punkt:
ie tun hier so, als ob Sie die Protagonisten der Innen-tadtsanierung wären. Aber wenn es um Taten geht,ann verhalten Sie sich ganz anders. Sie wollen nämlichie Möglichkeit, Sanierungsaufwendungen von derteuer abzusetzen, verschlechtern. Auch das ist in deraketlösung Ihres Steueränderungsgesetzes vorgesehen.
s ist vor allem auf den Widerstand von Union und FDPurückzuführen, dass der Finanzminister an dieser Stellezwischen zurückrudert.Ein weiterer Punkt: Sie wärmen die unselige Begren-ung der Verlustabzugsmöglichkeiten für die Bauwirt-chaft wieder auf. Die Bauwirtschaft wäre davon wegenrer Spezialität, in Form von Arbeitsgemeinschaftender Projektgesellschaften zu agieren, besonders betrof-en. Sie wollen also wieder zur Substanzbesteuerungurück, die nicht nur ich als unsittlich empfinde.
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Klaus MinkelWenn Sie mit dem Wort Substanzbesteuerung nichts an-fangen können, dann sei es Ihnen an einem Beispiel ver-deutlicht: Sie wollen die willige Kuh nicht nur melken,sondern ihr anschließend auch noch das Euter abschnei-den.
– Ich hoffe, dass durch die Unruhe nicht meine Redezeitverkürzt wird.
Die Union ist bereit, die Eigenheimzulage angemes-sen zu kürzen, wenn auch an anderen Stellen gekürztwird. Wir sind auch zu einer Reform und Schärfung die-ses Förderinstruments bereit. Unsere Vorschläge sindbeim Vermittlungsausschuss hinterlegt.
Bei der Abschaffung der Zulage, wie Sie es wollen, han-delt es sich jedoch um keine Reform, sondern um dasGegenteil. Das möchte ich einmal festhalten.
Wir sind der Auffassung, dass die Eigenheimzulageund die Bausparförderung in der heutigen Zeit nötigerdenn je sind;
denn ab dem 1. Januar 2004 wird Basel II probeweiseangewendet. Das hat zur Folge, dass die Baufinanzie-rung für die Reichen leichter wird, aber Ärmere künftigmehr zahlen müssen. Wenn die Ärmeren schon bei denfreien Krediten mehr zahlen müssen, dann dürfen Sie ih-nen nicht noch weitere Finanzierungssäulen wie die Ei-genheimzulage und die Bausparförderung wegschlagen.Im Ergebnis führte Ihre verfehlte Politik dazu, dass sichin diesem Lande künftig nur noch Reiche ein Eigenheimleisten können, aber nicht mehr Ärmere. Das ist mit derUnion nicht zu machen.Vielen Dank.
Ich erteile dem Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen, Manfred Stolpe, das Wort.
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ch bin – wie Sie – der Meinung, dass wir die bestehendeigenheimzulage nicht restlos wegfegen sollten.
Ja, ich höre Ihnen ja auch immer brav zu; das habenie im Verlaufe des letzten Jahres gemerkt.Wir wollen, dass die Zulage effizienter wird, wir wol-en sie zu einer Wohneigentumszulage erweitern, dieuch für den Wohnungsbestand gilt. Wir wollen Mög-ichkeiten erschließen, durch den Städtebau – nach Be-arf und nach Notwendigkeiten, gerade auch in struktur-chwachen Regionen – Städte gesund zu machen.Wir haben viele strukturschwache Regionen im Os-en Deutschlands, aber längst nicht nur im Osten. Auchür die anderen strukturschwachen Regionen wollen wirerantwortung tragen. Über Fördermöglichkeiten kannicht allein nach der Himmelsrichtung entschieden wer-en. Maßgeblich sein muss der Bedarf; das ist meineeste Überzeugung.
Hier ist schon angesprochen worden, was wir in die-em Zusammenhang neu angedacht haben, nämlich dassir bei der Altschuldenhilfe noch einiges tun wollen. Ichoffe, dass wir bei den bevorstehenden diesbezüglichen
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Bundesminister Dr. h. c. Manfred StolpeVerhandlungen im Vermittlungsausschuss zu Lösungenkommen werden, die der Breite der Aufgaben durchausauch im Interesse der Bauwirtschaft gerecht werden. Ichwill an dieser Stelle meine Erwartung zum Ausdruckbringen, dass gerade die Fachleute, die sich im Bereichvon Bau, Wohnen und Verkehr seit Jahren engagieren, imHinblick auf die Verhandlungen, die im Vermittlungsaus-schuss stattfinden werden, ein Wörtchen mitreden wer-den.Natürlich haben wir auch darüber nachgedacht, waszusätzlich aktiviert werden kann. Sie wissen, dass wirEnde April dieses Jahres Kreditprogramme im Umfangvon 15 Milliarden Euro aufgelegt haben. Wir musstenden Haushalt dafür kaum belasten, sondern konnten dieMittel über die KfW erschließen. Diese Mittel werden inerheblichem Maße abgerufen: Gerade der Kreditrahmenmit den günstigsten Bedingungen im Umfang von1 Milliarde Euro, der für die Kommunen in struktur-schwachen Regionen – wiederum quer durch Deutsch-land – gedacht ist, ist bereits völlig ausgeschöpft.Es gab deshalb Anstöße, hier noch etwas draufzule-gen. Sie haben vielleicht gemerkt, dass auch der Abge-ordnete Siegfried Scheffler eine entsprechende Initiativeergriffen hat. Wir haben mit dem Finanzminister kurz-fristig aushandeln können – Sie könnten ruhig einmalfröhlich gucken, Herr Staatssekretär –, dass eine weitereMilliarde dazukommt, die ab sofort für Kommunen insolchen Regionen zur Verfügung steht und sicher schnellabgerufen werden wird.Wir wollen, dass die Möglichkeiten für die Sanierungvon Städten, für die Verbesserung von Wohnwert, aberauch – ich sage das aus ehrlichem Herzen, Herr Minkel –als Hilfen für die Bauwirtschaft, die diese wirklichbraucht, genutzt werden.
Wir haben uns darüber hinaus verständigen können– auch mit dem Bundesministerium für Wirtschaft undArbeit –, dass wir das im Sozialgesetzbuch vorgesehenearbeitsmarktpolitische Instrument der Beschäftigung beiInfrastrukturmaßnahmen im Bereich der städtischenInfrastruktur nutzen können. Das ist ein Instrument, dassich bereits über Jahre bei der Sanierung der Braunkoh-legebiete bewährt hat; und hier insbesondere bei der Sa-nierung der Braunkohlegebiete in Sachsen, Brandenburgund Sachsen-Anhalt. Wir haben jetzt die Möglichkeit,dieses Instrument auch zu nutzen, um in strukturschwa-chen Regionen Arbeit zu schaffen; das wird zusammenmit der Bauwirtschaft möglich sein. Wir haben zu dieserIdee Zustimmung von der Bauwirtschaft erfahren, derdadurch weitere Aufträge, aber auch die Sicherung undSchaffung von Arbeitsplätzen ermöglicht werden. Wirwollen solche Möglichkeiten erschließen.
Natürlich ist – das ist in dieser Aussprache sehr deut-lich geworden – der größte Posten im Einzelplan 12 derVerkehrsbereich; durchaus mit Recht: Daran hängt dieMobilität, daran hängt die wirtschaftliche Entwicklungunseres Landes. Wir müssen alles daransetzen, Überlas-tungen im Bereich des Straßenverkehrs abzubauen undMsrMdatV„iDbaztSwDdvwmpShkmzdskddvnadDdB
ie Verschiebung der Einführung der Maut ist ein Pro-lem. Es birgt ohne Zweifel Haushaltsrisiken in sich,ber diese Haushaltsrisiken – das ist meine feste Über-eugung – dürfen nicht zulasten von Verkehrsinfrastruk-ur gehen. Natürlich macht man sich quer durchs Landorgen, wie Sie unter Hinweis auf Papiere, die erstelltorden sind, heute hier artikuliert haben.
as Problem geistert seit Wochen im Lande herum. Je-er sieht die Mautausfälle, befürchtet, dass das Geldielleicht irgendwo im Haushalt fehlt, und fragt sich,as man da machen kann. Hier sind Angstlisten zusam-engestellt worden. Man ist besorgt und fragt sich, wasassieren könnte, wenn der Super-GAU eintritt. Diesenuper-GAU können wir allerdings alle gemeinsam ver-indern, davon bin ich fest überzeugt. Es darf nicht dazuommen, dass entsprechende Regelungen Platz greifenüssen.Ich habe jedenfalls die feste Absicht, alles mir Möglicheu tun – dafür brauche ich natürlich viele Verbündete –, umie geplanten Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen zu reali-ieren. Das Land braucht sie. Versäumnisse bei der Ver-ehrsinfrastruktur schaden der Wirtschaft und sie scha-en damit uns allen. Das will ich hier noch einmaleutlich sagen.
Insofern betrachte ich den zurzeit im Einzelplan 12orgehaltenen Sperrvermerk tatsächlich als einen Erin-erungsposten,
ls eine Mahnung, dass wir hier etwas tun müssen undass wir, wenn wir eine vertretbare Verkehrspolitik ineutschland betreiben wollen, in jedem Fall und um je-en Preis Einbrüche bei unverzichtbaren Maßnahmen imereich der Verkehrsinfrastruktur verhindern müssen.
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Bundesminister Dr. h. c. Manfred StolpeDass wir in dem Zusammenhang nicht nur die Ängstezusammentragen und diese nach dem Motto: „Ruhigbleiben, hier darf es keine Debatte geben“ unterdrücken,sondern durchaus auch einmal einen Super-GAU illus-trieren, liegt auf der Hand. Genauso müssen wir uns na-türlich auch darüber Gedanken machen, wie wir trotz derangespannten Finanzsituation die Erfüllung der Aufga-ben sicherstellen können.Ich will es hier noch einmal sagen: Von der Versteti-gung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen auf einenBetrag zwischen 10 und 11 Milliarden Euro jährlich wirdEntscheidendes abhängen. Gelingt diese Verstetigungnicht, wird ein wirtschaftlicher Rückgang die Strafe sein.Davon darf nicht abgewichen werden. Ich bitte Sie alleherzlich, dabei mitzuhelfen, dass wir wirklich durchhal-ten. Im Etat steht dieser Betrag jetzt und den können wirhalten. Mit dem Sperrvermerk für die 244 Millionen Eurokönnen wir umgehen und wir können diese Verkehrsin-frastruktur sichern.
– Sie werden mich dann auch wieder zitieren können.Ich hoffe, zum Guten.Meine Damen und Herren, trotz der deutlichen Ver-zögerung stehen wir aber auch dazu, dass das mit TollCollect vereinbarte Mautsystem aufgebaut werden kannund auch aufgebaut werden sollte. Ich habe heute beisehr konstruktiven Gesprächen in Brüssel wieder her-ausfinden können, dass die Satellitenortung, ein satelli-tengestütztes Mauterfassungs- und -abrechnungssys-tem, wirklich als die zukunftsweisende Technik inEuropa angesehen wird, als eine Möglichkeit, die in ei-nigen Jahren dann auch mit „Galileo“ kombiniert wer-den kann.
Wenn nun allerdings Toll Collect dieses System nichterrichten kann, dann haften die Unternehmen – das istganz eindeutig und unzweifelhaft – bis zur Höhe der ent-gangenen Mautgebühren.
Der Aufbau des Systems dauert offenkundig erheblichlänger, als die Unternehmen im Vertrag zugesagt haben.Die Unternehmen haben sich übernommen, das ist deut-lich. Sie sind im Vorfeld zu sehr unrealistischen Ein-schätzungen gekommen. Deshalb war es übrigens auchrichtig, dass wir die Projektleitung beim Bundesamt fürGüterverkehr und die Experten unseres Hauses für einsehr kritisches Controlling eingesetzt haben. Dieses Vor-gehen bewährte sich in den letzten Wochen. Ich habe dasGefühl, dass man auf einem sehr vernünftigen Weg inRichtung eines weiteren Fortschritts ist.Ich werde keine Prognosen hinsichtlich der Termineabgeben. Ich werde mich aber ganz stark dafür einset-zen, dass die Maßnahmen zur Erreichung der Ziele, diejnledekdbeg1ivzsghmPrdkEZseWdgfsdvkddsSdd
Ich komme zurück zur Maut. Wir haben parallel zuem Verhandlungsprozess, in dem wir uns zurzeit befin-en, natürlich auch die Alternativen zu prüfen: Was ist
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Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpezu tun, wenn das Projekt nicht vorankommt? Wir habendem Bundestag bereits über die Überlegungen zur Wie-dereinführung der Eurovignette berichtet. Es geht aberauch darum, Alternativen zum geplanten System undden entsprechenden Partnerschaften zu entwickeln. Ichbleibe aber dabei, dass wir das Projekt mit Toll Collectrealisieren wollen, wenn sich Toll Collect in der Lagesieht, eine zeitnahe Lösung für das Mautsystem inDeutschland zu erarbeiten.Ich muss Ihnen sagen, dass uns das Thema Maut nocheinige Zeit erhalten bleiben wird. Wir werden uns sichernoch einige Male darüber streiten. Ich verspreche Ihnenaber, dass wir die Zahlen offen legen und dass wir nichtVersteck spielen wollen. Wir haben schon gesagt, dasssich ganz erhebliche Probleme ergeben können, wenn alldie Schwierigkeiten, die sich abzeichnen, auch wirklicheintreten würden. Wir werden die Probleme entschlossenangehen. So werden wir die Maut voranbringen.Wir brauchen die Maut. Europa schaut auf uns.
Unsere Erwartungen mit Blick auf die deutsche Industriesind sehr groß.
– Lachen Sie, wenn Sie mit Vertretern der Firmen zu-sammentreffen.
Die Firmen brauchen den Druck von der politischenEbene. Ich glaube aber, dass wir das Mautsystem auf dieReihe bekommen werden.Wir haben in der Verkehrspolitik eine genauso großeVerantwortung wie für die Erhaltung der Städte. Nichtzuletzt haben wir auch eine Verantwortung für die struk-turschwachen Regionen, insbesondere in Ostdeutsch-land. Ich werde das mir Mögliche in diesem Feld mit Be-harrlichkeit und langem Atem tun. Ich sage es nocheinmal: Abgerechnet wird später und nicht mitten imGetöse.Schönen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Arnold Vaatz, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Minister Stolpe, Sie haben uns jetzt ange-kündigt, wie Sie eine Vielzahl der Dinge, die hier kriti-siert worden sind,
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Sie haben in den letzten Monaten bei einer Fülle voningen eine Lösung angekündigt und gesagt, dass Sieuf einem guten Wege seien. Am Ende müssen wir im-er wieder feststellen: Nichts von dem ist wahr.
it dem Papier, auf das Sie Ihre Ankündigungen schrei-en, können Sie vielleicht im Winter Ihre nassen Stiefelusstopfen; aber mehr können Sie damit nicht anfangen.
Nun zum Thema Wohnungswirtschaft. Das soll keinusätzlicher Kritikpunkt, sondern nur ein Beispiel dafürein, wie Sie mit den Dingen, die Ihnen aufgetragen wor-en sind, in Wirklichkeit umgehen. Über die Krise in derohnungswirtschaft sprechen wir seit mindestens einemahr. Wir haben Vorschläge dazu gemacht, wie man die-er Krise beikommen kann.
Wir haben zum Beispiel vor einiger Zeit den Vor-chlag gemacht, bei Fusionen von Wohnungsbaugesell-chaften eine befristete Grunderwerbsteuerbefreiunguszusprechen.
Herr Schmidt, Sie haben gerade gefragt, wie wir das fi-anzieren wollen. Ich will Ihnen Folgendes erklären: Dieindereinnahme, die durch diese befristete Steuerbefrei-ng entstehen würde, ist fiktiv, weil gerade deswegen,eil diese Steuerpflicht besteht, keine Fusionen stattfin-en.
Aus diesem Grunde beantragen alle fünf ostdeutschenänder eine solche Grunderwerbsteuerbefreiung. Dasären die Nutznießer; denn dies ist eine Ländersteuer.ie haben sich diesem Thema aber erst dann genähert,ls der Druck so stark war, dass Sie nicht mehr andersandeln konnten. Wir brauchen kein Ministerium Stolpe,as zu Weihnachten begreift, was man ihm Allerheiligenesagt hat, und das dann am Ende doch noch das Falscheut.
Ein nächster Punkt in diesem Zusammenhang. Herreis, Sie haben gesagt, Sie hätten mit den 315 Millionenuro, die immer im Haushalt – auch im letzten – gestan-en haben
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Arnold Vaatz– natürlich –, das Altschuldenproblem gelöst. Das zeigt,dass Sie nichts verstanden haben.Das Problem ist folgendes: Sie müssen die Wohnungs-unternehmen von ihren Altschulden entlasten, weil Siesonst keine Marktbereinigung erreichen werden; das ist dieTatsache. Dazu müssen Sie das Altschuldenhilfe-Gesetznovellieren und diese Gelder in den Erblastentilgungsfondseinstellen. Das haben Sie bisher aber nicht getan. Deshalbist das, was Sie da tun, wieder nur Stückwerk. Dies wird dieWohnungsbaukrise in Ostdeutschland nicht beenden.Wenn wir jetzt nicht aufpassen, stehen wir vor einer In-solvenzwelle, die eine veritable Bankenkrise nach sichziehen kann.
– Später. Ich möchte meine Ausführungen zu diesemThema zunächst fortsetzen.Ich frage mich manchmal, ob es sich überhaupt lohnt,die Fehlleistungen Ihres Ministeriums und Ihre persönli-chen Fehlleistungen, Herr Minister Stolpe, zu kritisieren.Denn am meisten Angst macht mir die provozierendeFröhlichkeit, mit der Sie Dinge quittieren, die diesesLand, wenn sie sich fortsetzen, in den Ruin treiben wer-den.
Dies ist eine Angelegenheit, die mich zutiefst entmutigt.Viele sehen bei Ihnen einen Mangel an Fähigkeit zurSelbstkritik, einen Mangel an kritischem Verhalten ge-genüber den eigenen Fehlleistungen. Wenn die Leute inOstdeutschland ausdrücken wollen: „Das ist mir egal“bzw. „Das ist mir gleichgültig“, dann sagen sie neuer-dings: Das ist mir „stolpe“.
Sie meinen damit, dass dem Minister sein Aufgabenbe-reich relativ gleichgültig ist.
– Ich habe lediglich etwas wiedergegeben, was mir desÖfteren begegnet ist.
Diese Gleichgültigkeit und diese Selbstgenügsamkeitbeim Verharren in unnützem Tun ist das, was ich an Ih-nen kritisiere.Ich will dazu einmal ein einfaches Beispiel nennen.
Ich hatte früher einmal einen älteren Nachbarn, der jahr-aus, jahrein seine Zeit damit zugebracht hat, dass er alte,kHODHteIQicwEvsDHdShdgEGSDvABiswrwAtmb
as wird im Übrigen aus Ihren eigenen Reihen bestätigt.err Hilsberg hat deutlich gesagt: Dieser Mann verwal-t den Status quo. Von Herrn Stolpe sind tatsächlich nulldeen gekommen.Das wirft natürlich die Frage auf: Wo ist denn dieualifikation dieses Ministers für sein Amt? Nun willh nicht mit Rücktrittsforderungen kommen, aber ichill Ihnen sagen: Mittlerweile häuft Herr Stolpe einerblast für einen eventuellen Nachfolger auf, die jedemernünftigen Menschen den Mut nehmen könnte, einolches Erbe jemals anzutreten.
eshalb fordere ich Sie auf: Ändern Sie prinzipiell ihrealtung zu den Problemen in Ostdeutschland. Rufen Sieen Ausschuss für Aufbau Ost wieder ins Leben!
orgen Sie dafür, dass sich jemand um diese Angelegen-eit kümmert! Das Ministerium selbst ist dazu nicht iner Lage. Ihr Kollege Meckel hat das selbst vorgeschla-en.Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention erhält die Kolleginichstädt-Bohlig das Wort.
Herr Kollege Vaatz, ich bin doch etwas irritiert, dassie offenbar nicht ganz auf der Höhe der Zeit sind.
Erstens zum Thema Grunderwerbsteuerbefreiung.er Gesetzentwurf des Bundesrates ist dem Parlamenton der Regierung zugeleitet worden, und zwar mit derufgabe, ein entsprechendes Gesetz mit Blick auf daseihilferecht europatauglich zu machen. Das ist zurzeitn Arbeit; von daher gibt es da überhaupt keinen Dis-ens. Das muss aber erst konkret geklärt werden, weilir über das Thema nicht erst endlos in Brüssel diskutie-en wollen; denn es geht ja um eine befristete Grunder-erbsteuerbefreiung. Dabei sind auch der Ost-West-usgleich, die Gewerbewohnungswirtschaft und so wei-er zu berücksichtigen.Zweitens zum Thema Altschuldenhilfe. Wir habenit dem § 6 a seit längerer Zeit die Regelung, die wirrauchen, um der ostdeutschen Wohnungswirtschaft bei
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Franziska Eichstädt-Bohligleer stehenden Wohnungen zu helfen. Der Erblastentil-gungsfonds wird, seit Rot-Grün an der Regierung ist,nicht mehr als Schattenhaushalt geführt, sondern ist inden allgemeinen Haushalt integriert. Für die Altschul-denhilfe hatten wir im Regierungsentwurf bereits95 Millionen Euro an Barmitteln vorgesehen, haben un-sererseits noch 48 Millionen Euro draufgesattelt und ha-ben 266 Millionen Euro an Verpflichtungsermächtigun-gen vorgesehen. Das ist unabhängig von dem Geld, dasim Bereich Altschuldenhilfe bisher abgeflossen ist.Allerdings – auch das haben sachkundige Kollegensowohl von der Opposition als auch von der Koalitionhier dargelegt – hängt dieser Aufwuchs bei der Altschul-denhilfe davon ab, wie es mit der Eigenheimzulage wei-tergeht; denn bei uns pflegt man Geld nicht einfach imKeller schwarz zu drucken, sondern man muss es erwirt-schaften und durch Ausgabenkürzungen an andererStelle gegenfinanzieren.Vielen Dank.
Zur Erwiderung, Herr Kollege Vaatz.
Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, ich habe Ihnen nicht
vorgeworfen, dass Sie die Grunderwerbsteuerbefreiung
nicht durchführen wollen. Vielmehr habe ich Ihnen vor-
geworfen, dass Sie nicht agiert, sondern reagiert haben.
Sie haben eben nicht von sich aus die Initiative ergriffen.
Es musste erst – das hat sehr viel Mühe gemacht – die
Initiative der Länder her, bevor Sie überhaupt bereit wa-
ren, sich mit diesem Thema zu befassen. Darüber ist ein
Jahr vergangen.
Der zweite Punkt ist, dass das per Bundesgesetz geän-
dert werden muss; das wissen Sie.
– Ich habe vorhin von diesem Pult aus erwähnt, dass das
eine Ländersteuer ist. Ich habe auch erwähnt, dass von
den Ländern selbst die Bitte an den Bund herangetragen
worden ist, diese Ländersteuer befristet auszusetzen.
Demzufolge verstehe ich Ihren Einwand nicht.
Was die Altschuldenhilfe betrifft, müssen wir uns na-
türlich über die Größenordnung klar werden. Wir müs-
sen fragen, ob mit den Maßnahmen, die Sie vorgesehen
haben, das Problem tatsächlich gelöst werden kann. Hier
besteht ein schwerwiegender Dissens. Die Mehrzahl der
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Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
erner Kuhn für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Zielbestimmung dieses Einzelplans mit sei-er finanziellen Veranlagung für die Bereiche Verkehr,au- und Wohnungswesen liegt in ureigener Weise immbau der ost- und mitteldeutschen Länder. Ich denke,s ist von allen in diesem Hause unbestritten, dass dieenschen in der ehemaligen DDR, aber auch die Men-chen in Westdeutschland mit der Wiedervereinigungine Herausforderung angenommen haben, die ihresglei-hen sucht. Wir aus diesem Fachausschuss, der sehrechnisch ausgerichtet ist, können das Thema „Aufbaust“ auch in dieser Haushaltsdebatte nur im Rahmen deresamten Diskussion behandeln und nicht als eigenstän-iges Thema. Das habe ich schon oft kritisiert.Wir reden darüber, was wir in den Jahren seit deriedervereinigung geschafft haben, und das natürlichuch dank der klugen Weichenstellung Ihrer Vorgänger-egierung unter der Führung von Helmut Kohl. Dasuss immer aufs Neue wiederholt werden. Denn Sieerfen uns nur den Schuldenberg vor, auf dem wir sit-en.
as ist denn mit den Verkehrsprojekten „Deutsche Ein-eit“, mit der Städtebausanierung und Investpauschalenür Krankenhäuser, Schulen und Altenheime? Das allesaben wir befördert, damit in Ostdeutschland auch dieeichen Standortfaktoren für den Wettbewerb vernünf-ig sind.
ie DDR hat von der Substanz gelebt. Deshalb sind wiro weit ins Hintertreffen gekommen.
Wir müssen heute feststellen, dass der Aufbau Ostittlerweile ins Stocken geraten ist. Seit 1991 sind wirum ersten Mal in einer Rezession, die Wirtschaftchrumpft. Die Arbeitslosigkeit – über dieses Thema isteute noch gar nicht gesprochen worden – liegt bei0 Prozent. Das ist hochdramatisch. Die Auftragslage istehr schlecht, und zwar nicht nur in Ostdeutschland, son-ern in Deutschland insgesamt. Das liegt daran, dass po-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6977
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Werner Kuhn
tenzielle Auftraggeber nicht in der Lage sind, Aufträge zuvergeben. Sehen Sie sich nur den öffentlichen Sektor an.Aber auch bei den Privathaushalten ist das zurzeit derFall. Sie richten ihre Blicke auf die Bundesregierung, umzu erfahren, wann sie mit den strukturellen Reformen beider Kranken- und der Rentenversicherung endlich fertigist.
Denn sie wollen wissen, wie viel sie zukünftig für pri-vate Vorsorge zahlen müssen. So lange behalten sie ihrGeld für sich. Die Folge: Die Spareinlagen steigen, dieBanken sitzen auf Geld, die Leitzinsen sind so niedrigwie noch nie. Es ist also ausreichend Kapital vorhanden.Aber Sie sind nicht in der Lage, den Impuls zu gebenund einen Aufschwung zu generieren, damit wir inDeutschland wieder vorwärts kommen.
Folgenden Punkt muss ich kritisch ansprechen. DieFinanzzuweisungen für den Solidarpakt von 2005 bis2019 sind vernünftig angelegt. Er hat ein Gesamtvolu-men von über 100 Milliarden Euro. Er ist aber so ange-legt, dass die Mittel für Infrastrukturmaßnahmen, alsosozusagen für die Hardware, verwendet werden müssen.Sachsen ist das einzige Land – das können Sie in der„FAZ“ vom 24. November dieses Jahres nachlesen –,das die Mittel dem Zweck entsprechend eingesetzt hat.In anderen Bundesländern – Brandenburg und Berlinsind schon angesprochen worden, aber auch mein Hei-matland Mecklenburg-Vorpommern zählt dazu – warendas nur 50 Prozent. Die restlichen Mittel sind in denkonsumtiven Bereich geflossen. Das muss ich hier kri-tisch anmerken. Ich fordere die Bundesregierung des-halb auf, dass sie vernünftige Verwendungsnachweisefür diese Mittel erbringt. Diese Mittel sind nämlich Hilfezur Selbsthilfe. Nur so bekommen wir die Wirtschaftwieder flott.
Ein Synonym für den Aufbau Ost ist die Gemein-schaftsaufgabe – dieses Thema betrifft nicht direkt Ih-ren Haushalt, Herr Stolpe –, über die wir heute Vormit-tag schon einiges gehört haben. Wenn man für dieBereiche Infrastruktur oder Städtebausanierung verant-wortlich ist und auch dafür, einen Standortwettbewerbherbeizuführen, dann muss ich natürlich auch die Wirt-schaftsförderung im Auge behalten. Man muss sich docheinfach einmal klar machen, dass Milliarden für die In-frastruktur ausgegeben werden. Wo ist denn die Renditedabei? Das muss für die gesamte Volkswirtschaft hoch-gerechnet werden. Wir müssen die Wirtschaftsförder-instrumente nach wie vor funktionsfähig halten.Die 700 Millionen Euro, die für die Gemeinschafts-aufgabe Aufbau Ost verwendet werden, müssen für denOsten auch weiterhin zur Verfügung stehen. Auch dieschwachen Regionen in den alten Bundesländern – obdas Ostfriesland oder Ostbayern ist – brauchen nach wievnsuedear–tnCmsdmbvetFfMbEpudndgDlnsk
Die Investitionszulage spielt natürlich nach wie vorine Rolle. Wenn man die Wirtschaft nämlich tatsächlichufbauen will, dann braucht man eine Anschubfinanzie-ung, die einen steuerlichen Vorteil bringt. Dies mussdarauf möchte ich hinweisen – zukünftig in Kombina-ion mit der Gemeinschaftsaufgabe geschehen, damiticht nur flächendeckend gefördert wird. Wir müssen dielusterbildung auch in Ostdeutschland in Angriff neh-en. Das bedeutet, der Umbau der alten Industriegesell-chaft in eine Wissens- und Servicegesellschaft darf nichtazu führen, dass wir überhaupt keine Industriestandorteehr haben und nur noch im Servicebereich arbeiten. Wirrauchen das Call-Business und wir brauchen nach wieor unsere Technologieführerschaft, sodass wir Produktentwickeln können. Dies müssen wir universitär beglei-en. Daneben brauchen wir auch die außeruniversitäreorschung, zum Beispiel die der Leibniz-Institute.In der letzten Zeit habe ich das interessante Wort Ent-lechtungsdebatte gelesen.
an könnte sich ja vorstellen, dass die Entflechtungsde-atte etwas mit Bürokratieabbau, Durchschaubarkeit undrleichterung zu tun hat. Nein, es handelt sich um einenlumpen Rückzug: Der Bund zieht sich aus der außer-niversitären Förderung zurück. Im 21. Jahrhundert, inem wir die alte Industriegesellschaft umbauen und In-ovationen nach Deutschland holen wollen, wollen Sieie Mittel komplett den Ländern, die ohnehin nicht mehrenug Mittel zur Verfügung haben, aufs Auge drücken.as kann doch wohl nicht die Zukunft sein.
Herr Kollege Kuhn, wir könnten Ihnen noch stunden-
ang zuhören,
ur lässt Ihre Redezeit das bedauerlicherweise nicht zu.
Es ist sicher bedauerlich, dass ich Ihnen diese wirt-chaftlichen Zusammenhänge nur ansatzweise vortragenann.
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6978 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Werner Kuhn
Sie vergessen tatsächlich, dass es nicht nur Hardware,also Straßen, Umgehungsstraßen und Bundesverkehrs-wege gibt. Hier muss Leben rein. Es muss zur wirt-schaftlichen Entwicklung kommen, wenn wir den Auf-bau Ost tatsächlich verwirklichen wollen.
Das wäre ein wunderschöner Schlusssatz gewesen,
Herr Kollege Kuhn.
Wir brauchen eine Aufbruchstimmung, die von der
Bundesregierung ausgeht. Sie darf nicht nur mit einem
offenen Mantel aus Brüssel zurückkommen und sagen,
dass sie dort einen Sieg errungen hat.
Es war ein Pyrrhussieg, durch den die Stabilität der euro-
päischen Währung beeinflusst wird. Wolkenschieberei
alleine reicht nicht.
Herr Kollege Kuhn, ich halte meine Vermutung auf-
recht, dass der vorletzte Satz als Schluss mindestens so
gut geeignet gewesen wäre wie der letzte.
Ich komme nun zur Abstimmung über den
Einzelplan 12, Bundesministerium für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen, in der Ausschussfassung. Dazu
liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine
Lötzsch und Petra Pau vor, über den wir zuerst abstim-
men. Sie finden diesen Änderungsantrag auf der Druck-
sache 15/2072. Wer stimmt für diesen Änderungsan-
trag? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? –
Dann ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 12 in der Aus-
schussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann ist der
Einzelplan 12 mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 15 a und b auf:
a) Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
– Drucksachen 15/1914, 15/1921 –
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nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-
Energien-Gesetzes
– Drucksache 15/1974 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit
– Drucksache 15/2084 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Marco Bülow
Doris Meyer
Michaele Hustedt
Birgit Homburger
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich
einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
er Kollege Albrecht Feibel für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Diese Bundesregierung wird in das Guinnessbucher Rekorde eingehen; denn es ist die erste Regierung, iner jeder Minister ohne Ausnahme alle Energie darauferwendet, den europäischen Stabilitäts- und Wachs-umspakt auszuhebeln, so gut er nur kann.Umweltminister Trittin – wenn er auch nur einen rela-iv kleinen Etat verwaltet – ist dabei besonders erfolg-eich. Respekt vor den Steuergeldern, die ihm treuhände-isch anvertraut sind, ist ihm offensichtlich fremd. Dasaushaltsrecht besagt unmissverständlich, wie mit demeld der Bürger umzugehen ist. Deshalb gibt es denrundsatz von Haushaltsklarheit und Haushaltswahr-eit. Aber es gibt auch die Grundsätze von Wirtschaft-ichkeit und Sparsamkeit.Hier einige Beispiele, wie der Minister gegen dieserundsätze des Haushalts handelt. Das Bundesumwelt-inisterium bläht seine Verwaltung ständig auf. Dieom Finanzminister geforderte Einsparung bei den Per-onalkosten wird zwar vordergründig bei den reguläreneschäftigten erbracht. Parallel dazu werden aber rei-enweise Aushilfskräfte eingestellt, die dann bis zumahresende erhebliche Mehrkosten produzieren. Wennuch im Haushalt für das Jahr 2004 geringere Ansätzeür die Aushilfskräfte vorgesehen sind, so wissen wir auser Praxis des laufenden Jahres und der vorangegange-en Jahre, dass an den Personalkosten nicht gespartird.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6979
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Albrecht FeibelZu diesem eigenen Personal im Ministerium kommendann noch externe Fachleute hinzu, beispielsweise Ver-bandsvertreter. Sie werden kostenaufwendig beschäftigt,um die Gesetze vorzubereiten, von denen sie selbst be-troffen sind. Wie demotivierend muss es für die Mitar-beiter im Ministerium sein, wenn sie für solche Aufga-ben offensichtlich nicht geeignet zu sein scheinen.Das Ministerium unterhält nicht nur ein Umweltbun-desamt, sondern zusätzlich ein Bundesamt für Natur-schutz. Letzteres hat die Aufgabe, abweichend von densachlichen Notwendigkeiten des Ministers, ideologiebe-frachtete Politik umzusetzen.
So wandert die Zuständigkeit für die Gentechnik, die ei-gentlich zu Recht und der Kompetenz wegen beim Um-weltbundesamtes angesiedelt war, zum Bundesamt für Na-turschutz. Diese Änderung wird durchgezogen – koste es,was es wolle –, weil dort die Parteigänger des Ministerssitzen. An eine Verschlankung dieser Behörden denktder Minister keinen Augenblick. Dabei hat ihm derBundesrechnungshof eine Zusammenlegung der Ämterdringend empfohlen, um erhebliche Synergieeffekte zunutzen, Aufgaben effizienter wahrzunehmen und gleich-zeitig deutliche Einsparungen bei Haushaltsmitteln undPersonal zu erzielen.Auch die Gelder für die Öffentlichkeitsarbeit unter-liegen im Umweltministerium offensichtlich keinerleiKontrolle. Sie, Herr Minister, verfolgen wohl die Strate-gie der gesamten Bundesregierung: Wenn man schoneine schlechte Politik macht, soll man sie wenigstens gutverkaufen.
Aber das hilft nicht den Bürgern und löst auch keine Pro-bleme. Für das Verkaufen der so genannten Umweltpoli-tik gibt der Minister das Geld mit vollen Händen aus,zum Beispiel beim Dosenpfand, im Volksmund auchschon Doofenpfand genannt. Diese unselige trittinscheAktivität hat er in einer teuren Anzeigenaktion feiernlassen. Die Aktion „Dosenpfand wirkt“, die in ihrer Ge-staltung kaum von grüner Parteiwerbung zu unterschei-den ist, kostete den Steuerzahler und pfandbelastetenBürger rund 112 000 Euro.Der kostenträchtigen Anzeigenkampagne nicht ge-nug, musste auch noch der verschwenderische Kinospot„Blechstunde mit Dr. Trittin und Team“ – offensichtlichwurde da viel Blech geredet – her. Er verschlang an Pro-duktions- und Schaltkosten rund 85 000 Euro. Die Ak-tion Dosenpfand hätte, wäre sie professionell durchge-führt worden, ausreichend für sich selbst gesprochen undgewirkt. Eigentlich ließe sich die Aufzählung endlosfortsetzen, allein die begrenzte Redezeit verbietet dies.Ich möchte aber noch kurz auf die Reisekosten zusprechen kommen, weil hier offensichtlich sehr ver-schwenderisch mit Steuergeldern umgegangen wird.
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Angeblich, so der Minister vor dem Haushaltsaus-chuss des Bundestages, war die Abwicklung diesereise mit Linienmaschinen geplant. Trotzdem bestellteerr Trittin parallel noch ein Flugzeug der Bundesluft-affe, das leer nach Brasilien fliegen und mit dem dortie innerbrasilianischen Flüge abgewickelt werden soll-n. Aus dieser Geldverschwendungsaktion ergeben sichine Reihe von Fragen.Warum sollte die Bundeswehr-Challenger ohne Pas-agiere nach Brasilien fliegen und nicht schon einige De-egationsmitglieder mitnehmen, die für viel Geld mit Li-ienmaschinen fliegen mussten? Warum haben Sie, Herrinister, nicht von Anfang an alle Flüge mit Linienma-chinen gebucht und Mitte August bei der Flugbereit-chaft die Challenger zusätzlich angefordert? Diese Ma-chine wurde dann kurzfristig erst am 23. Oktoberbbestellt, war aber, weil sie als Mittelstreckenflugzeugwischenlanden muss, bereits zwischen den Kanarennd den Kapverden unterwegs, musste umkehren undnverrichteter Dinge wieder nach Deutschland zurück-liegen.
Wenn das nicht zur Umweltpolitik gehört, lieber Herrollege, dann weiß ich nicht, was sonst. Hören Sie ge-au zu! Dann werden Sie merken, was das für eine Um-eltpolitik ist.Warum wurde diese außerordentlich kostenaufwen-ige Reiseart gewählt, obwohl klar war, dass der ganzemwelttrip alleine für die Challenger Kosten von50 000 Euro verursacht hätte, wäre die Maschineurchgeflogen? Was man da einsparen kann, kann manirklich für sinnvollere Umweltprojekte nutzen.
arum haben Sie nicht in Erwägung gezogen, für mögli-he problematische Inlandsflüge in Brasilien dort eineaschine zu chartern? Die Strecken wären zu einemreis von etwa 48 000 Euro beflogen worden. Man hätteund 200 000 Euro von vornherein einsparen können.arum haben Sie, Herr Minister, dem Haushaltsaus-chuss bei Ihrem Bericht ganz wesentliche Informatio-en zu dieser Reise verschwiegen, wie beispielsweiseas Bestelldatum für die Challenger?
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6980 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Albrecht FeibelWir können uns des Eindrucks nicht erwehren, HerrMinister Trittin, dass Sie sehr gerne anderen Menschenvorschreiben, wie diese umweltbewusst reisen sollen,während Sie, wie das Beispiel Brasilien zeigt, genau dasGegenteil davon zu tun pflegen. Sie predigen jahrausund jahrein, dass der Luftverkehr eine der am schnells-ten wachsenden Quellen von Treibhausgasen sei. Trotz-dem wollten Sie einen Jet leer von Köln nach São Paulound wieder zurück nach Köln fliegen lassen,
obwohl Sie wussten, dass Sie damit die Atmosphäre mitmindestens 20 Tonnen Kerosin zusätzlich belasten wür-den, ganz zu schweigen von der absolut unnötigen Geld-verschwendung.Offen bleibt natürlich auch die Frage, was Ihr Tripnach Südamerika für die Umwelt – außer einer unnöti-gen Luftbelastung – überhaupt gebracht hat.
Einer solchen Umweltpolitik und einer solchen Geld-verschwendung kann man in der Tat nicht zustimmen.
Deshalb lehnen wir den Einzelplan des Umweltministersab.Danke schön.
Ich erteile das Wort der Kollegin Elke Ferner, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ei-
gentlich dienen die Haushaltsberatungen dazu,
die unterschiedlichen Schwerpunkte zwischen Regie-
rung und Opposition deutlich zu machen, insbesondere
gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Aber die
größte Oppositionsfraktion hat sich dieser Aufgabe in
dieser Haushaltsberatung komplett verweigert.
Sie lassen für dieses Jahr die Leitlinie gelten: Wasch mir
den Pelz, aber mach mich nicht nass. Denn Sie blockie-
ren im Bundestag – das gilt allerdings nur bedingt, weil
Sie da keine Mehrheit haben – und im Bundesrat alle
Vorhaben, die unser Land voranbringen können. In
Sonntagsreden fordern Sie Subventionsabbau, aber
wenn es dann konkret wird, zum Beispiel beim Steuer-
vergünstigungsabbaugesetz, das von Ihnen im Bundesrat
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Wir sind beim Haushalt, werter Herr Paziorek, falls Sie
as noch nicht begriffen haben. Dazu zählen die Einnah-
en und die Ausgaben. Aber das scheint bei Ihnen noch
icht angekommen zu sein.
Hinsichtlich der Steuervergünstigungen, die Sie in
hrem Modell abschaffen wollen, ist natürlich keine
teuererhöhung enthalten.
Frau Kollegin Ferner, ich habe den Eindruck, dass
wischen den Kollegen der Koalition wie auch der Op-
osition dringender Klärungsbedarf besteht. Ich wollte
hnen anbieten, dass ich die Uhr so lange anhalte, bis sie
as geklärt haben.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Jetzt können Sie weiterreden, bitte schön.
Darüber hinaus wollen Sie noch weitere Steuerver-ünstigungen abbauen, die insbesondere die Arbeitneh-er und Arbeitnehmerinnen treffen und letztendlich be-irken, dass trotz niedrigerer Steuersätze nachher mehrteuern gezahlt werden müssen.Sie lehnen das Vorziehen der letzten Stufe der Steuer-eform von 2005 auf 2004 ab, obwohl sich einige Ihreränder schon überlegt haben, vielleicht zuzustimmen.ch hoffe nur, dass Sie im Vermittlungsausschuss nochur Besinnung kommen und das Vorziehen der Steuerre-orm, das Impulse für die Wirtschaft geben könnte, mög-ich machen.
Zur Ökosteuer, werte Kollegin, liegt im Moment ineinem Gremium, weder im Bundesrat noch im Bundes-ag, eine Gesetzesinitiative von Ihnen oder einem CDU/SU-regierten Land vor, die zum Ziel hat, die Ökosteuer
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6981
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Elke Fernerabzuschaffen. Im Übrigen müssten Sie dann auch erklä-ren, ob Sie die Renten kürzen wollen oder ob Sie dieRentenversicherungsbeiträge erhöhen wollen. Das wärenämlich die Konsequenz aus so einer Operation.
Sie beklagen die schlechten Steuereinnahmen auf al-len staatlichen Ebenen und gleichzeitig verhindern Sieeine Verbesserung der Steuereinnahmen von Gemein-den, Ländern und auch des Bundes durch die Ablehnungdes Steuervergünstigungsabbaugesetzes, durch die Ab-lehnung der Gemeindefinanzreform, durch die Ableh-nung der Reformgesetze für den Arbeitsmarkt und durchdie Ablehnung des Haushaltsbegleitgesetzes. Sie sagenNein, aber Sie zeigen keine Alternativen auf. Trotzdembeklagen Sie, dass kein Geld da ist. Das ist nicht ehrlich;das ist feige, vor allen Dingen, weil Sie keine eigenenVorschläge machen.
Sie blockieren damit aber auch aus parteitaktischenErwägungen die notwendigen Wachstumsimpulse, diedie Binnennachfrage und auch die Investitionstätigkeitder Gemeinden wieder ankurbeln und damit auch diedeutsche Wirtschaft in Schwung bringen könnten.Sie verweigern sich jeglicher Verantwortung für unserLand. Wenn es um konkrete Sachfragen geht, dann sa-gen Sie immer nur, was Sie nicht wollen, aber nie, wasSie anders machen wollen. Das ist unverantwortlich.
– Sie hatten in den vergangenen Wochen bei den Bera-tungen im Haushaltsausschuss die Gelegenheit, IhreSparvorschläge einzubringen. Stattdessen haben SieBerge von Papier vorgelegt. Das scheint Ihr persönlicherBeitrag zum Umweltschutz zu sein. Dieses Papier, dasüber eine ganze Wahlperiode als Schmierpapier reicht,war Ihr Beitrag zu den Haushaltsberatungen. Auf diesemPapier war das Wort „Erörterungsbedarf“ zu lesen. AlsSie diese Peinlichkeit bemerkt haben, haben Sie die Pa-pierstapel am nächsten Morgen schnell wieder zurückge-zogen.Das sind Haushaltsberatungen à la CDU/CSU: ohneSubstanz, eigene Vorschläge und Perspektive. Das istdieses Hohen Hauses unwürdig. Sie kommen Ihrer Auf-gabe damit nicht nach.
Wenn Ihre Leistungen in den diesjährigen Haushalts-beratungen in einem Schulzeugnis zu bewerten wären,dann würden Sie nicht versetzt werden. In einem Ar-beitszeugnis würde Ihnen noch nicht einmal bescheinigt,dass Sie sich bemüht haben, Ihre Aufgaben zu erfüllen.
Das glaube ich nicht. Sie hätten schließlich Ihre Vor-chläge einbringen können. Aber dazu waren Sie nicht iner Lage.Wir haben einen Haushalt vorgelegt. Wir haben un-ere Aufgaben erfüllt.
ir haben uns als Koalitionsfraktionen in den Haus-altsberatungen eingebracht. Wir konsolidieren weiter.ir gehen die notwendigen Reformen an und setzen dieichtigen Schwerpunkte. Wir halten die Investitionen desundes mit 24,6 Milliarden Euro auf einem nach wieor hohen Niveau und setzen auch mit unserem Ganz-gsschulprogramm, in der Forschungsförderung, bei derereinbarkeit von Familie und Beruf sowie im Umwelt-aushalt die richtigen Prioritäten.Wir haben das Marktanreizprogramm für erneuer-are Energien auf nunmehr 200 Millionen Euro aufge-tockt. Seitens der Koalitionsfraktionen haben wirleichzeitig dafür gesorgt, dass bis zu 15 Millionen Euroieses Betrags für die Bereiche Geothermie, Biomassend Offshorewindanlagen eingesetzt werden können.adurch werden die nach dem Auslaufen des Zukunfts-vestitionsprogramms fehlenden Mittel teilweise kom-ensiert.An die Regierung gewandt, wünsche ich mir, dassiese 15 Millionen Euro im Haushalt 2005 komplett inen Energieforschungstitel umgeschichtet werden, damitus diesen Mitteln auch auf Dauer angelegte, mehrjäh-ige Projekte finanziert werden können. Das werden wir Zusammenhang mit dem Haushalt 2005 zu diskutie-en haben.
Wir haben 1998 den Ausstieg aus der Kernenergieersprochen. In der vergangenen Woche ist das ersteKW nach dem Zustandekommen des Atomkonsensesbgeschaltet worden.
eitere werden folgen.Die FDP hat in der Beratung des Bundeshaushaltsenigstens noch Anträge gestellt, wenn auch aus unserericht die falschen. Die Union hat auf Anträge verzichtet.ie FDP hat mit ihren Anträgen deutlich gemacht, dassie nicht an dem Ausstieg aus der Atomenergie festhal-en will. Sie möchte den Wiedereinstieg in die Atom-nergie erreichen.
as ist nicht nur energiepolitischer Unsinn, sondernuch rückwärts gewandt statt zukunftsorientiert.
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Elke FernerSie finden – das wissen Sie auch genau – weder in derBevölkerung noch im Parlament eine Mehrheit für dieRückkehr zur Kernenergie.
– Erkundigen Sie sich bitte bei Ihrem Kollegen, der dasim Haushaltsausschuss ausdrücklich begründet hat!Dann klappen Ihre internen Absprachen vielleicht einbisschen besser, als es derzeit offenbar der Fall ist.
Wir haben dagegen den Anteil der erneuerbaren Ener-gien um fast 30 Prozent seit dem Jahr 2000 erhöht. Wirwollen den Anteil der erneuerbaren Energien bis zumJahr 2010 verdoppeln. Damit haben wir nicht nur eineWende in der Energiepolitik erreicht, sondern auch vieleArbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen ge-schaffen. Die Beschäftigungseffekte im Bereich der er-neuerbaren Energien sind enorm; im Jahr 2001 lagen siebei circa 130 000 Beschäftigten. Sie aber wollen, wieman hört, dies alles wieder zurückdrehen.Bis wir unsere Energieversorgung grundlegend umge-stellt haben werden, brauchen wir Übergänge. Wir müs-sen die vorhandenen Energieeinsparpotenziale mobili-sieren, die erneuerbaren Energien konsequent ausbauenund die fossilen Energieträger so umweltschonend wiemöglich und mit der größtmöglichen Effizienz zur Ener-gieerzeugung einsetzen.
– Ja, jetzt kommen wir zur Kohle, Frau Homburger; Siehaben es richtig erkannt.Aus Gründen der nationalen Versorgungssicherheit,aber auch wegen der Exportchancen für die Bergbauzu-liefererindustrie und die Kraftwerksindustrie brauchenwir auch weiterhin einen Sockel an heimischer Stein-kohle in der Energieerzeugung. Ich habe bisher von nie-mandem hier im Hause gehört, dass man auf den Einsatzvon Steinkohle – egal ob einheimische oder Import-kohle – sofort komplett verzichten möchte. Deshalbzieht auch das CO2-Argument überhaupt nicht; denn– das können Sie sich auch in vielen Bereichen an-schauen, falls es Sie interessiert – in der Kraftwerkstech-nik wie in der Fördertechnik sind in der Vergangenheitenorme Fortschritte gemacht worden. Der deutscheBergbau repräsentiert eine moderne Spitzentechnologie,die große Chancen auf dem Weltmarkt hat. – Es freutmich, dass der Kollege Feibel nickt; im Saarland tutseine eigene Landesregierung ja so, als wolle sie nichtsmehr mit dem Bergbau zu tun haben.
– Dies ist sehr erhellend. Wir werden darüber in denkommenden Monaten im Kommunalwahlkampf wie imLandtagswahlkampf miteinander zu diskutieren haben.
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Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Kauch,
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Grünacht schlapp“ – so titelte die „Zeit“ in ihrer Ausgabe
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6983
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Michael Kauchvom 3. November dieses Jahres. Antiöko, sagt FrauZahrnt, die Vorsitzende des BUND, sei die Stimmung imLand. Umweltschutz wird zunehmend als Last empfun-den, und das unter einem grünen Umweltminister!
In parteipolitischer Hinsicht könnten wir uns kurzfristigvielleicht darüber freuen, dass sich der Umweltministermit Ökosteuerfrust und Dosenchaos diskreditiert. Aberlangfristig schadet es den künftigen Generationen, wennÖkologie von den Menschen nur noch als Last empfun-den wird und wenn die Menschen nachhaltige Politiknicht mehr akzeptieren.
Wenn wir weiterhin die Umwelt schützen wollen– das wollen wir alle in diesem Haus –, dann muss derUmweltschutz billiger und wirtschaftlicher werden. HerrTrittin, Sie machen unentwegt das Gegenteil. Sie betrei-ben Umweltpolitik nach dem Motto „Koste es, was eswolle“, und seien es Arbeitsplätze oder die ökologischeVernunft.
Nehmen wir als Beispiel die Mülltrennung. Die Re-gierung aus Union und FDP hat Anfang der 90er-Jahredas duale System mit Mülltrennung zu Hause und perHand eingeführt. Das war zum damaligen Zeitpunkt einesinnvolle Entscheidung. Doch heute gibt es neue Tech-nologien, die die Mülltrennung im Haushalt überflüssigmachen. Sie könnten nicht nur dafür sorgen, dass dieMülltrennung billiger und einfacher wird. Diese Techno-logien scheinen vielmehr auch in ökologischer Hinsichtsinnvoller zu sein. Graue und gelbe Tonnen in einerFuhre abzufahren spart Geld und CO2. Die Qualität derautomatischen Mülltrennung ist heute weit besser alsdie, die die Haushalte per Handsortierung erreichen.
42 Prozent des Inhalts der gelben Tonnen sind laut Bun-desregierung heute nicht verwertbar. Das BayerischeLandesamt für Umweltschutz stellte in einer kürzlichdurchgeführten Erhebung fest, dass fast 50 Prozent des-sen, was in den Hausmülltonnen ist, Wertstoffe sind.Doch welche Konsequenzen ziehen Sie daraus, Herr Mi-nister? – Keine! In Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrageder FDP-Fraktion lehnten Sie jede Veränderung vonvornherein ab. Schließlich haben wir alle jahrelang dieBürger zum Mülltrennen angehalten. Das ist für Sie of-fenbar zu schön, als dass Sie das aufgeben wollen.Sehr geehrter Herr Trittin, in guter alter 68er-Manierwollen Sie die Menschen zu besseren Menschen erzie-hen. Wenn Sie aber der Umwelt und den nachfolgendenGenerationen gerecht werden und ihnen einen Dienst er-weisen wollen, dann sollten Sie endlich der ökonomi-schen und der ökologischen Vernunft folgen. Die Men-schen haben die Nase voll davon, dass Sie Deutschlandals Besserungsanstalt organisieren wollen.
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arin sind wir uns einig. Wenn wir das Erneuerbare-nergien-Gesetz, das EEG, in seiner heutigen Fassungblehnen, dann nicht, weil wir gegen erneuerbare Ener-ien sind. Wir, die FDP, wollen Windkraft, Solarenergie,eothermie, Biomasse und Wasserkraft. Aber wir sinduch der Auffassung, dass die bisherige Förderung mit-els garantierter Einspeisungspreise der in ordnungspoli-ischer Hinsicht krasseste Eingriff in den Markt ist. Dieberförderung der Windenergie hat gezeigt – ich hoffe,ass Sie mir zustimmen –: Bei technischem Fortschritterden garantierte Preise zur Lizenz zum Gelddrucken.
ür die FDP als Partei des Eigentums ist der Bestands-chutz für die Förderung bestehender Anlagen nach demEG selbstverständlich. Aber in Zukunft setzt die FDPem EEG, das die Preise garantiert, ein eigenes markt-irtschaftliches Modell entgegen.
Wir werden das Photovoltaikgesetz ablehnen, weilir seine Grundlage, das EEG, für verfehlt halten. Dieollegen von der Union möchte ich an dieser Stelle war-en: Legen Sie mit der Zustimmung zu diesem Gesetzicht den Grundstein für eine neue Überförderung à laindkraft, der Steinkohle der Zukunft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,as Potenzial der erneuerbaren Energien liegt nicht nurn der Stromeinspeisung. Ich frage mich schon sehrrnsthaft, warum Sie unseren Antrag, in dem wir mehreld für Speichertechnologien fordern, abgelehnt ha-en. Diese Technologien könnte man nutzen, wenn dieonne nicht scheint und wenn der Wind nicht weht. Dientwort lautet wahrscheinlich: weil dieser Antrag voner FDP kam.
ch habe deshalb die Bitte: Stehlen Sie im nächsten Jahrnsere Idee – damit tun Sie etwas für die kommendenenerationen – und beschließen Sie den entsprechenden,ann von Ihnen eingebrachten Antrag! Damit haben Siea Erfahrung; schließlich machen Sie es bei dergenda 2010 genauso.
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6984 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Michael KauchSie haben unsere Haushaltsanträge, wie üblich, abge-lehnt. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wirwelche gestellt haben. In diesen Anträgen ging es umReaktorsicherheit, um Endlagerung und nicht um denAusstieg aus dem Ausstieg. Unabhängig davon, wielange Kernspaltung zur Energieerzeugung genutzt wer-den soll, gilt: Wir brauchen die Forschung zur weiterenVerbesserung des sicheren Betriebs der Kernkraft-werke – auch Sie wollen sie bis 2032 laufen lassen –und zur überfälligen Lösung des Endlagerproblems. Dassind wir den kommenden Generationen schuldig.
Apropos Kernenergie: Es ist schon drollig, dass derMinister das Abschalten eines Kraftwerks in Zeitungsan-zeigen feiert, obwohl es sowieso, also auch ohne Rot-Grün, abgeschaltet worden wäre.
Weniger drollig ist, dass der Minister Geld des Steuer-zahlers für Anzeigen und Siegesfeiern mit alten Wegge-fährten verpulvert. Herr Trittin, wenn Sie mit Freundenfeiern wollen, dann zahlen Sie die Party doch demnächstselbst!
Was hat der Minister außer EEG und Atomausstiegs-feiern noch zu bieten? – Nicht mehr so viel.Stichwort Lärm. Das 32 Jahre alte Lärmschutzgesetzist so aktuell, dass der Schallpegel auf dem Flughafenmeines Wahlkreises in Dortmund gerade einmal auf derStartbahn erreicht wird. Dort ist die Schutzzone I nachdem Fluglärmgesetz. Rot-Grün verspricht den Men-schen, die in der Einflugschneise wohnen, seit fünf Jah-ren ein neues Fluglärmgesetz. Dieses Gesetz gibt es bisheute nicht.
Stichwort Mobilfunk. Der Verbraucher sollte beimKauf eines Handys informiert sein, ob das Gerät strah-lungsarm ist oder nicht. Sie, Herr Trittin, haben vor ei-nem Jahr ein Gütesiegel eingeführt. Die Hersteller boy-kottieren es bis heute und Sie nehmen das hin. Veränderthat sich auch hierbei nichts.
Stichwort Hochwasserschutz. Die FDP hat im Julieinen umfassenden Antrag zum Hochwasserschutz ein-gebracht. Statt darauf mit einer Rede oder mit der Ein-bringung eines Gesetzentwurfs zu reagieren, haben Sieder Öffentlichkeit am Jahrestag des Hochwassers inDresden, quasi auf dem Deich, einen Gesetzentwurf an-gekündigt.
Diesen Gesetzentwurf gibt es bis heute nicht. BringenSie ihn bitte in den Deutschen Bundestag ein!
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ie Befragung von Prognos und FU Berlin im Umwelt-usschuss hat gezeigt, dass Sie aus journalistischen Re-herchen Studien machen, Ergebnisse abenteuerlichochrechnen und die Wahrheit so lange verdrehen, bishnen die Zahlen passen. Das Prognos-Gutachten hat er-eben: Verlierer sind 10 000 Menschen, die ihren Ar-eitsplatz verloren haben.
Ich war selbst bei der Betriebsversammlung einerrauerei in meinem Wahlkreis. Dort mussten Arbeiteruf Teile ihres Lohns verzichten, um ihren Arbeitsplatzu erhalten, weil das Dosenpfand die Umsätze hat ein-rechen lassen. Ich empfehle Ihnen, einmal zu solcheneranstaltungen zu gehen oder Ihren Staatssekretär dort-in zu schicken. Die Kollegen von Rot-Grün aus mei-em Wahlkreis sind jedenfalls der Einladung von Be-iebsrat und Gewerkschaft nicht gefolgt. Sie wusstenohl, warum: weil sie Sie nicht verteidigen wollten.
Dieser Haushalt ist verfassungswidrig, wir werdenn deshalb ablehnen. Wir, die FDP, werden Ihnen aucheiterhin Ihre umweltpolitische Untätigkeit – außerhalbon Dosenpfand und EEG – nicht durchgehen lassen.Sie experimentieren mit Steuern und Abgaben unduschüssen, ohne zu wissen, welche ökologische Wir-ung das hat. Wir setzen auf ökologische Treffsicherheiturch Mengensteuerung. Wir wollen Umweltschutzreiswerter und unbürokratischer machen. Die FDP setzteue Akzente in der Umweltpolitik. Wir befinden uns imrogrammatischen Aufbruch, während Sie von der pro-rammatischen Substanz leben. „Grün macht schlapp“,err Minister; die erneuerte FDP wird die Lücke füllen,ie Sie hinterlassen.Vielen Dank.
Herr Kollege Kauch, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-en Rede im Plenum des Deutschen Bundestages underbinde das mit allen guten Wünschen für die weiterearlamentarische Arbeit.
Nun hat der Kollege Winfried Hermann, Bündnis 90/ie Grünen, das Wort.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6985
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! So viel Optimismus macht Freude. Mich erin-
nert das an das Projekt 18.
Wenn die FDP die Grünen ökologisch überholen will,
dann muss sie allerdings noch früher aufstehen.
Herr Kauch, ich werde mich im Laufe meiner Rede
auch auf Sie beziehen, aber gestatten Sie zunächst ein
paar grundsätzliche Bemerkungen; Sie sehen dann auch
gleich den Bezug.
Umweltpolitik tut sich in Zeiten von Wirtschaftskrise,
von hoher Arbeitslosigkeit, von Krisen überall auf der
Welt ausgesprochen schwer. Immer häufiger werden An-
würfe vorgebracht, die wir von früher kennen. Von der
FDP haben wir eben die Variante gehört, Umweltschutz
sei zu teuer, Umweltschutz schade der Wirtschaft,
gefährde den Standort – nein, diese Plattitüde haben Sie
heute nicht gebracht –, gefährde Arbeitsplätze – diese
Plattitüde haben Sie gebracht.
Sozusagen als Krönung sagen Sie, Sie wollten eine
effiziente Umweltpolitik, eine preiswerte Umweltpolitik,
die eigentlich nichts kostet, eine Umweltpolitik mit an-
deren Instrumenten. Wenn man dann fragt: „Was ist Ihr
Instrument?“, erhält man keine Antwort.
Entweder empfehlen Sie etwas, was nachweislich nicht
funktioniert, oder Sie empfehlen Ihr Dauerinstrument:
Markt, Markt, Markt. Der Markt soll es richten. Dabei
wissen wir aus der Geschichte: Er hat es nie gerichtet, al-
lenfalls falsch gerichtet, jedenfalls nie ökologisch ge-
richtet.
Es ist ein Totschlagsargument, eines dieser Argumente
also, die die Debatte nicht weiterbringen.
Alle Umweltpolitiker – da appelliere ich durchaus
auch an die Opposition – sollten sich diesem neuen
Trend, der eigentlich ein alter Trend ist, entgegenstellen,
nämlich dem Trend, dass gesagt wird, Umweltschutz
schade der Wirtschaft. Dabei ist doch offenkundig, dass
gerade moderne Umweltpolitik im Sinne einer nachhal-
tigen Umweltpolitik sozial und ökologisch ausgewogen
ist und auch Arbeitsmarktfragen berücksichtigt. In Ihrer
Rede habe ich zum Beispiel eine Aussage dazu vermisst,
was Ihr Ziel ist, was Sie wirklich erreichen wollen, wen
Sie schützen wollen.
Es ist schon ziemlich scheinheilig, wenn Sie über ver-
loren gegangene Arbeitsplätze in der Dosenwirtschaft
Tränen vergießen, aber nicht danach fragen, welche Ar-
beitsplätze etwa im Bereich von Mehrweg gefährdet
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Ökologische Politik muss aber auch die Belastungs-
renzen für die Umwelt in den Mittelpunkt stellen. Öko-
gische Politik muss darauf hinweisen, dass es solche
renzen gibt und dass wir als Politiker und Politikerin-
en reagieren müssen, wahrscheinlich mehr reagieren
üssen, als es bisher geschehen ist.
Beispiel Flutkatastrophe. Hierbei ist klar geworden:
enn wir Flusssysteme weiter wie Kanalsysteme oder
ie große Straßen behandeln, dann können sie im Falle
on hohen Niederschlägen die Mengen nicht mehr auf-
ehmen.
Beispiel Klimaschutz. Wir wissen es schon lange,
ber der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung
Globale Umweltveränderungen“ hat es erneut sehr
eutlich gesagt: Wir sind auf einem hochgefährlichen
eg. Es ist völlig klar, dass das oberste Ziel moderner
mweltpolitik eine konsequente Klimaschutzpolitik sein
uss.
Die beiden Parlamentsfraktionen von Rot-Grün haben
it dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit dem Vor-
chaltgesetz zur Photovoltaik und jetzt mit der Novelle
mwelt- und Klimaschutzpolitik in diesem Sinne voran-
etrieben. Sie haben immer nur marktwirtschaftliche
inwendungen vorgebracht, aber keinen substanziellen
orschlag gehabt, der deutlich gemacht hätte, wie man
uf anderem Wege erfolgreich sein könnte.
Ich möchte an einigen Beispielen zeigen, was nach
nserem Verständnis moderne, nachhaltigkeitsorientierte
mweltpolitik ist.
Beispiel eins – ich habe es schon erwähnt –: Hoch-
asserschutz. Hochwasserschutz ist ein klassisches
uerschnittsfeld, schwierig, weil man in die Bau-, in die
erkehrs-, aber auch in die Agrarpolitik eingreifen muss.
er Umweltminister hat in Zusammenarbeit mit den
raktionen – Sie haben das eingeklagt – einen ambitio-
ierten Gesetzentwurf erarbeitet, der sich gerade in der
bstimmung mit den anderen Ressorts befindet. Darin
ind Bebauungsverbote, Maßnahmen zum naturnahen
ochwasserschutz, Vorschläge zur Nutzungsbeschrän-
ung usw. vorgesehen. Das heißt, wir haben gearbeitet.
ch bin gespannt, welche Vorschläge die FDP und die
DU/CSU zum Beispiel zum Thema Hochwasserschutz
ringen. Es genügt nicht, zu sagen, man müsse etwas
un. Legen Sie doch einmal etwas vor!
Herr Kollege Hermann, darf der Kollege Kauch eine
wischenfrage stellen?
Ja.
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6986 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Herr Kollege Hermann, stimmen Sie mir zu, dass das
Bundesumweltministerium schon im Jahr 2000 einen
Entwurf zu einem Fluglärmgesetz auf seiner Internet-
seite veröffentlicht hat, dieser Entwurf aber in der Res-
sortabstimmung, offensichtlich insbesondere vonseiten
des Bundesverkehrsministeriums, nicht befürwortet
wurde, Sie dann jahrelang nichts getan haben und erst
jetzt, da die FDP eine Kleine Anfrage zum Fluglärm ge-
stellt hat, den Entwurf ganz schnell aus der Schublade
geholt haben
und am heutigen Tag, also am Tag dieser Debatte, mit
der Ressortabstimmung begonnen haben?
Herr Kollege, ich sehe Ihnen nach, dass Sie nicht alleswissen, weil Sie noch nicht so lange dabei sind. In derTat gab es in der letzten Legislaturperiode einen ambitio-nierten Entwurf vonseiten des Bundesumweltministeri-ums. Dieser ambitionierte Entwurf wurde von beidenKoalitionsfraktionen unterstützt, aber im Bundesratschwer bekämpft.
Die Bundesländer als Eigner von Flughäfen haben unssignalisiert, dass sie da nicht mitmachen, da das zu vielkoste usw. Genau dieselben Argumente, die ich vorhinangeführt habe, sind gekommen.
Aus diesen Gründen haben wir den Gesetzentwurf danngar nicht erst eingebracht.Ich verspreche Ihnen aber, dass wir in dieser Legisla-turperiode, und zwar im nächsten Jahr, einen neuen An-lauf unternehmen werden. Wir befinden uns in Gesprä-chen mit dem Umweltministerium und mit der SPD-Fraktion. Wir bereiten dieses Fluglärmgesetz bereits vor.
Ich werde übrigens nachher noch einmal etwas zumThema Lärm sagen. Ich kann Ihnen versprechen, dasswir mit großem Engagement daran arbeiten werden. Ichbin einmal gespannt, ob die FDP zustimmt. In der Regelstellt sich die FDP ja am Schluss immer auf die Seite de-rer, die fragen, was das denn koste. Sie werden dann ar-gumentieren, das sei doch viel zu teuer und gefährde dieArbeitsplätze in der deutschen Flugwirtschaft.
Ich mache weiter mit einem zweiten Bereich, nämlichden Schadstoffemissionen. Wir haben einige Vor-schläge zur Verbesserung der Luftreinhaltung gemacht.Wir wissen, dass in den vergangenen Jahren viel gesche-hen und manches besser geworden ist. In manchen Be-reichen gibt es aber noch Nachholbedarf. Beispielsweisegab es bei Anlagen, die Zement produzieren, bei derMrnmnmTkSfgWdwrwtrSaafdwdUtinSWfngekWlbgMItFusss
Vierter Bereich: Lärmschutz. Ich habe schon Aus-ührungen zum Fluglärm gemacht. Wir werden aberoch weiter gehen. Wir sind der Meinung, dass Lärm einroßes Problem ist, denn es betrifft fast alle. Der Lärmntsteht überwiegend im Verkehrsbereich: Straßenver-ehr, Flugverkehr.
ir werden zwei EU-Richtlinien, nämlich die EU-Richt-inie zu Umgebungslärm und die EU-Richtlinie zu lärm-edingten Betriebsbeschränkungen an Flughäfen, auf-reifen und im nächsten Jahr für Deutschland gesetzlicheaßnahmen ergreifen.
ch verspreche Ihnen: Wir werden Ihnen ein ambitionier-es Lärmbekämpfungspaket vorlegen. Auch in diesemall werde ich Ihnen die Frage stellen: Tragen Sie mitns gemeinsam zum Menschenschutz und Gesundheits-chutz bei oder werden Sie wieder die Bedenkenträgerein, die sagen, dass das zu viel koste und der Wirtschaftchade? Das wird die Gretchenfrage an Sie sein.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6987
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Winfried HermannMein letztes Beispiel. Nachhaltigkeit heißt aus unse-rer Sicht auch, Risiken frühzeitig zu erkennen und sierechtzeitig einzudämmen. Ein Problemfeld sind die Die-selfahrzeuge. Wir haben über Jahre hinweg – übrigensaus Umweltschutzgründen – das Fahren von Dieselfahr-zeugen gefördert. Nun wissen wir aber aus neueren Un-tersuchungen, dass die neue Dieselgeneration, die inDeutschland sehr verbreitet ist, die nämlich etwa 30 Pro-zent aller Fahrzeuge ausmacht, aufgrund der Feinstparti-kel im Ruß erhebliche Krebsrisiken birgt. Hier ist Um-weltvorsorgepolitik gefragt, hier müssen wir handeln.Das Umweltministerium hat versucht, zusammen mitder Wirtschaft eine Lösung zu finden:
Auf europäischer Ebene soll die Euro-5-Norm, ein kla-res Bekenntnis zur Minimierung der Partikel, etabliertwerden, was faktisch bedeutet, dass wir eine Art Rußfil-ter bekommen. Auch hier war der Einwand der deut-schen Automobilindustrie: Das ist uns zu teuer.
Es ist wirklich ein Ärgernis, dass die deutsche Auto-mobilindustrie, obwohl sie über einen Rußpartikelfilterschon verfügt und ihn einbauen könnte, sich weigert, dasserienmäßig zu tun. Sie wartet, bis die Politik Druckmacht. Das ist eine Schande.
Herr Kollege Hermann, gestatten Sie noch eine Zwi-
schenfrage, und zwar des Kollegen Feibel?
Gerne; das verlängert ja meine Redezeit. Nur zu!
Ihre Redezeit ist im Übrigen ohnehin durch ein Strei-
ken der Uhr künstlich verlängert worden, wenn ich das
zwischendurch einmal anmerken darf.
Ich wunderte mich schon, dass er so lange redet; ei-
gentlich hat er wesentlich weniger Redezeit als ich, ich
habe aber das Empfinden, er spricht länger.
Kollege Hermann, ist Ihnen bekannt, dass die deut-
sche Automobilzulieferindustrie dabei ist, eine „Com-
mon Rail“-Einspritzpumpe weiterzuentwickeln, die der-
zeit mit 1 600 Bar arbeitet und später mit 2 000 Bar
arbeiten wird, wodurch jegliche Rußpartikelfilter, die ja
sehr aufwendig und auch sehr belastend sind, überflüssig
werden? Ist das den Grünen überhaupt bekannt?
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as wir aber wollen und woran wir mit dem Umweltmi-isterium gearbeitet haben, ist die Absenkung derrenzwerte für Rußpartikel und übrigens auch für Stick-toffverbindungen, und wir sind der Meinung, dass dieutomobilfirmen und ihre Zulieferer diese Grenzwerterreichen müssen, mit welcher Technik auch immer.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat übrigens ei-en Preisträger aus Karlsruhe ausgezeichnet, der eineolche Anlage herstellt.
wollte ich auch gerade sagen! – Ulrich Kelber[SPD]: Den habt ihr vertrieben!) Okay, er hat eine Niederlassung im Sauerland, warumuch immer.
edenfalls gibt es Techniken; es gibt den Partikelfilternd bestimmte Einspritzsysteme. Es wäre also möglich.rotzdem hat sich unsere Automobilindustrie mit derranzösischen Automobilindustrie gemein gemacht undnsere Initiative bezüglich einer schnellen Regelung aufuropäischer Ebene bekämpft. Sie wollten diese Techni-en nicht, denn die Grenzwerte waren ihnen zu niedrig.
Wir werden als Koalitionsfraktionen eine Initiativetarten; denn ich finde, Umweltpolitik muss vor allemesundheitsschutzpolitik sein und Vorsorge treffen. Dasird unser Handeln bestimmen. Wir werden schon imächsten Jahr eine gemeinsame rot-grüne Initiative star-en, begleitet übrigens von den Umweltorganisationen.ir werden es der Automobilindustrie ungemütlich ma-hen. Wir werden sie durch öffentlichen und politischenruck dazu bringen, dass sie eine neue Euro-5-Norm ak-eptiert, die dann auch wirklich die Möglichkeit für eineteuerpolitik in Deutschland eröffnet, die die modernenbgastechniken fördert. Übrigens hat interessanterweiseer Bundesrat schon einen Beschluss in dieser Richtungefasst. Sie können also auch hier mit uns eine Partner-chaft eingehen und mit uns für einen ambitionierten undachhaltigen Umweltschutz kämpfen.Vielen Dank.
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6988 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Ich erteile das Wort Kollegen Klaus Lippold, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich hoffe, Sie behandeln mich bei der Redezeitgenauso gnädig wie den Kollegen Hermann. Das würdemir helfen.Umweltschutz ist für die Union Gesundheitsschutzund Schutz zukünftiger Generationen. Die zentralenZiele für die Union sind: Klimaschutz, Schutz der Welt-meere, Arterhaltung, Schutz der Wälder, Schutz vor zu-nehmender Desertifikation. Soweit zu den Zielkatalo-gen, Herr Hermann, die Sie angemahnt haben. Daranhaben wir in der Vergangenheit gearbeitet; ich sage: er-folgreicher als Sie.
Daran werden wir in Zukunft wieder arbeiten; ich sage:erfolgreicher als Sie.Wir müssen – das sage ich ganz deutlich – internatio-nal wesentlich mehr tun. Darauf komme ich nochzurück, denn da liegt eine besondere Schwäche diesesUmweltministers. Wir müssen natürlich auch nationalhandeln, damit wir unsere internationale Glaubwürdig-keit nicht verlieren. Da fängt es an. Bei dieser Aufgabeversagt dieser Bundesminister mit einer rückwärts ge-wandten Politik, die sich auf eine veraltete Verpackungs-verordnungspolitik beschränkt,
und mit einem völlig falschen Energiekonzept, wobeidieses Energiekonzept im Grunde gar kein geschlosse-nes Konzept ist. Das ist der eigentliche Punkt.
Das Klimaschutzziel, das wir uns für 2005 gemein-schaftlich gesetzt haben – Reduktion um 25 Prozent –wurde von Ihnen aufgegeben.
Es wird gar nicht mehr dargestellt. Dass Sie das für 2005gesetzte Ziel nicht erreichen, verschleiern Sie jetzt ne-belhaft durch die Ankündigung, dass Sie 2020 etwasganz Unheimliches erreichen wollen. Das ist dochQuatsch. Erreichen Sie erst einmal die nahe liegendenZiele und vertrösten Sie uns nicht immer auf die Zu-kunft!
Ich habe gerade hier Herrn Stolpe erlebt – nichts alsAnkündigungen. Dann kommt Herr Hermann und sagt:„Das werden wir“ und „Das wollen wir“. Sagen Sie unsdoch einmal: „Das haben wir.“
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eshalb ist das keine Trendwende, sondern nur eineolge Ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik, die so ruinösst, dass die Arbeitslosigkeit in ungekannte Höhen steigt.ie tun nichts dagegen und haben kein Konzept. Das istirklich nicht zu verantworten. Glauben Sie doch nicht,ass Sie mit der Politik von Rentenklau und Verunsiche-ung, die Sie betreiben, den Verbrauch stabilisieren.
enn irgendwann einmal wieder eine Regierung dieirtschaft auf Wachstumskurs bringt, dann werden wirehen, dass man ganz andere Maßnahmen braucht.Sie setzen auf Kernenergieausstieg. Wir halten dasür falsch. Sie tun nichts für die Effizienzsteigerung vonohle- und Ölkraftwerken.
as, was Sie dazu andeuten, haben Sie aus unserem Pro-ramm geklaut. Aber Sie bringen keine effizienten Maß-ahmen auf den Weg. Damit verspielen Sie Exportchan-en.Sie haben auch kein schlüssiges Konzept zur Ener-ieeinsparung. Das ist aber eine ganz wesentlicherage. Der Kollege von der FDP hat in seiner Jungfern-ede deutlich gemacht, dass man nicht automatisch ge-en regenerative Energien ist, wenn man gegen eine Po-itik ist, die hinsichtlich regenerativer Energienneffizient ist und keinen Anreiz für Innovation bietet,
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6989
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Dr. Klaus W. Lippold
weil dahinter kein Konzept steht. Das ist der Punkt, denwir kritisieren.
Aber darüber – da hat der Kollege Kauch völlig Recht –denken Sie überhaupt nicht nach. Dieser Umweltminis-ter denkt in eingefahrenen Bahnen, aber nicht innovativ.Das muss man ihm vorhalten.Deshalb sagen wir: Wir brauchen eine Wirtschafts-politik, die der Wirtschaft und auch den VerbrauchernGeld für Innovationen lässt. Mit diesen Innovationenund Investitionen kann mehr zum Umweltschutz beige-tragen werden, als das sonst der Fall ist. Wer alte Ma-schinen behält – Beispiel: die frühere DDR –, wird nieetwas für den Umweltschutz tun können. Nur wer inneue Technologien und neue Anlagen investiert, derkann wirklich Ergebnisse erzielen. Genau das wollenwir. Aber mit Ihrer Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- undSteuerpolitik machen Sie das kaputt.
Wir stehen vor der ganz schwierigen Frage, wie Siemit dem Instrument Emissionshandel umgehen werden.Wir wissen immer noch nicht, wie Sie Early Action ein-bauen wollen, wie Sie es mit der Vorleistung bei der Kli-magasreduktion halten wollen und wie Sie – umweltver-träglich – Flexibilität für die Wirtschaft schaffen wollen,was dann zu Produktionserweiterungen und zu Existenz-gründungen führt. Es ist auch nicht klar, welchen Aus-gleich Sie für die nach dem von Ihnen vorgesehenenAusstieg fehlende Kernenergie vorsehen. Die fehlendeEnergie werden Sie durch Energie ersetzen müssen, de-ren Produktion CO2-haltig ist – zumindest in großen Tei-len.Wann bringen Sie den nationalen Allokationsplan insParlament? Wir werden nicht zulassen, dass bei einer derwichtigsten Entscheidungen der Nachkriegszeit hinsicht-lich der Umwelt- und Wirtschaftspolitik diese Regierungim Alleingang handelt.
Bei einer anderen Regierung könnte man so verfahren.Aber doch nicht bei diesem Umweltminister, der vonLenkungsideologie, die wir ablehnen, geprägt ist. Des-halb wollen wir von Ihnen eine Antwort auf diese Fragehaben.
Was tun Sie eigentlich auf höchster Ebene, damit dasKioto-Protokoll in Kraft tritt? Da gibt es – davon hörtman immer wieder – diese unsägliche Achse Ber-lin–Moskau.
Was leistet diese Achse Berlin–Moskau? Außer dass sieuns im östlichen Europa unglaubwürdig macht, leistetsie bislang gar nichts. Es ist nicht absehbar, dass Moskaujetzt bereit ist, das Kioto-Protokoll zu ratifizieren. JetztbEEwsaSvtumogendddlmkelSdgdwZeSKmeTswODisggPA
s fehlt auch der nötige Druck. Diesen Vorwurf könnenir Ihnen nicht ersparen.Herr Hermann hat schon viel zu den Schadstoffen ge-agt. Wenn ich mir überlege, was wir in diesem Bereichuf den Weg gebracht haben, dann muss ich sagen, dassie dem wenig hinzugefügt haben. Das heißt, Sie lebenon unseren Vorleistungen wie in der Klimaschutzpoli-ik.Mich stört auch, dass Sie immer nur an Bürokratiend an Verbürokratisierung, aber nicht an Kooperationit den Menschen denken. Ob es um die Landwirtschaftder ob es um andere Bereiche geht: Sie machen Aufla-en und verabschieden Verordnungen, die die Menscheninengen und die ihnen die Möglichkeit zum Handelnehmen. Aber es gibt keine Kooperation, die dafür sorgt,ass man mit den Menschen eine gemeinsame Basis fin-et.
Der Waldschutz ist ein spezifisch nationaler Bereich,er aber gleichzeitig zu Konsequenzen auf internationa-er Ebene führt. Sie haben sich mittlerweile sagen lassenüssen, dass man der Bodenversauerung durch Verkal-ung begegnen kann. Aber was tun Sie? Sie kürzen dientsprechenden Mittel. Das ist doch keine sinnvolle Po-itik. Sie haben uns damals erklärt – obgleich wir für denchutz des Tropenwalds Mittel wie kein anderes Lander Erde zur Verfügung gestellt haben –, dass da mehretan werden müsse. Aber jetzt kürzen Sie die Mittel fürie Wälder im internationalen Bereich. Das kann es dochohl nicht sein.
wischen Reden im Bundestag und der Realität klafftine ganz erhebliche Lücke.
Herr Hermann, wir setzen nicht auf Belastungen wieteuern, Abgaben und Gebühren, sondern wir setzen aufooperation, Selbstverpflichtung und darauf, dassarktwirtschaftliche Instrumente greifen. Ich sage nochinmal: Es darf keine Selbstverpflichtung à la Baake undrittin geben. Das würde die Denaturierung dieses In-truments bedeuten. Sie sagen: Wenn ihr nicht macht,as wir wollen, dann setzen wir unsere Ziele mit demrdnungsrecht um. – So läuft es bei Ihnen. Das ist dieenaturierung eines der erfolgreichsten Umweltschutz-nstrumente, die wir haben und dieses Instrument müs-en wir weiter fördern.Wir werden auch in Zukunft die regenerativen Ener-ien fördern, aber wir werden auch eine Deckelung ins-esamt einführen. So wird es eine Deckelung bei derhotovoltaik geben. Ich füge hinzu: Wir werden mit derusschreibung für mehr Innovation sorgen. Das heißt,)
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6990 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Dr. Klaus W. Lippold
wir wollen mehr Leistung bei gleichem Geld. Sie aberwollen mehr Geld bei weniger Leistung. Darin unter-scheiden wir uns.
Wir wollen eine Industriepolitik, die in Zukunft aufDauer ermöglicht, dass die Dinge effektiv gehandhabtwerden und es Investitionen in neue Anlagen gibt, diemehr Umweltschutz mit sich bringen. Das sollte auch fürdie Verbraucher gelten. Denn wenn Sie den Verbrau-chern das letzte Geld wegnehmen, kann nicht in den Alt-baubestand investiert werden. Das alles sollten Sie be-herzigen.Ich möchte ein Letztes feststellen – Herr Trittin, dieshabe ich Ihnen schon einmal gesagt; vor dem Hinter-grund der jüngsten Ereignisse sage ich es erneut –: Ichhalte es für völlig falsch, wie die Spitze des Hauses – dasbetrifft Sie und Herrn Baake – mit Menschen umgeht.Herr Baake sagt, die Arbeitsplatzvernichtung sei ge-wollt. Sie feiern die Vernichtung von Arbeitsplätzen inKernkraftwerken mit Sekt. Das halte ich für eine Unan-ständigkeit ersten Ranges. Sie geben dafür Geld aus. Dasist Steuergeld; das muss man ganz deutlich sagen.Stattdessen machen Sie Vorschläge – diese könnteneinen möglichen Aufschwung ruinieren –, wie man dieErbschaftsteuer erhöhen und die Vermögensteuer wiedereinführen könnte. Wenn man eine solche Politik macht,wie Sie bzw. die Bundesregierung es tun, nämlich à laGerster in Kommunikation zu investieren, ohne dasseine reale Leistung dahinter steht, dann bleibt auf Dauernichts anderes übrig, als die Erbschaftsteuer zu erhöhenund die Vermögensteuer wieder einzuführen. Aber dasist ein völlig falscher Weg. Deshalb: Hören Sie auf da-mit, solche Feten zu feiern! Das ist unanständig.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
gen Reinhard Loske.
Herr Lippold, Sie haben drei Dinge angesprochen, auf
die ich kurz replizieren möchte. Sie haben erstens ge-
sagt, die Regierung tue nichts für die Altbausanierung
und die Effizienz. Zweitens haben Sie festgestellt, sie tue
nichts dafür, dass die Effizienz von Gaskraftwerken
steige. Drittens haben Sie gesagt, die Bundesregierung de-
naturiere – so haben Sie sich, glaube ich, ausgedrückt –
das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung.
Dazu drei Antworten:
Erstens zum Thema Altbausanierung. Als wir im
Jahre 1998 an die Regierung kamen, lag der Haushalts-
ansatz der Bundesregierung für das KfW-CO2-Minde-rungsprogramm bei 20 Millionen DM. Dieser Ansatz
liegt heute bei 380 Millionen Euro pro anno. Das ist ein
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o weit zur historischen Wahrheit.
Zweitens. Sie haben gesagt, es werde nichts für die
ffizienz von Gaskraftwerken getan. Fakt ist, dass
iese Regierung 1999 eingeführt hat, dass Erdgas, wenn
s in hocheffizienten Kraftwerken eingesetzt wird, jen-
eits eines bestimmten Wirkungsgrades von der Erdgas-
teuer befreit wird. Das haben wir jetzt umgesetzt. Das
ird dazu führen, dass in Lubmin bei Greifswald, in
ürth bei Köln und möglicherweise auch an anderen
tandorten hocheffiziente, moderne Gas- und Dampftur-
inenkraftwerke gebaut werden.
Das heißt, diese Regierung tut auf technologiepoliti-
chem Gebiet und im Rahmen steuerlicher Anreize sehr
iel dafür, dass neue, hocheffiziente Kraftwerke entste-
en. Das trifft übrigens auch für Kraft-Wärme-Kopp-
ungsanlagen zu, die wir jenseits eines Wirkungsgrades
on 70 Prozent generell von der Ökosteuer freigestellt
aben. Kleine Anlagen, also Blockheizkraftwerke, sind
ogar von der Stromsteuer und der Erdgassteuer befreit.
s ist also völlig unwahr, wenn Sie sagen, es werde sei-
ens der Regierung nichts für eine hocheffiziente Kraft-
erkstechnik getan. Das ist einfach falsch. Bitte nehmen
ie das zur Kenntnis!
Drittens zur freiwilligen Selbstverpflichtung. – Dies ist
ein letzter Punkt; meine Redezeit ist gleich vorbei. – Kurz
ur Historie: 1995, als die Bundesregierung unter Helmut
ohl die freiwillige Selbstverpflichtung eingeführt hat, hat
ie gesagt: Wir werden darauf verzichten, das Instrument
er Wärmenutzungsverordnung und der ökologischen
teuerreform einzuführen, wenn verbindliche freiwillige
elbstverpflichtungen eingegangen werden. – Das ist
ollkommen vernünftig gewesen. Denn Freiwilligkeit
eißt, dass immer dann, wenn freiwillige Zusagen nicht
rreicht oder nicht eingehalten werden, das Ordnungs-
echt greift. Das ist der tiefere Sinn. Denn als zahnloser
iger, so wie Sie das vorhatten, sind freiwillige Selbst-
erpflichtungen ganz und gar ungeeignet.
Danke schön.
Kollege Lippold, bitte.
Damit wir uns richtig verstehen, Herr Loske: Derrste Punkt ist, dass ich nicht von Gaskraftwerken ge-prochen habe. Ich habe generell von den fossilen Ener-ieträgern gesprochen. Sie wissen ganz genau, dass eineer zentralen Fragen ist, wie wir in der Grundlast vonohle und Öl wegkommen. Wir sollten bei diesen Tech-
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Dr. Klaus W. Lippold
nologien etwas tun. In den letzten Verlautbarungen derGrünen zu dieser Sache habe ich gelesen, dass Sie unse-ren Ideen zu folgen scheinen. Wir propagieren schon seitvielen Jahren, dass wesentlich mehr Aufwand in die Ef-fizienzverbesserung gesteckt werden müsste.Der zweite Punkt, auf den ich jetzt noch einmal einge-hen will, ist, dass wir bei der KWK darauf achten müs-sen – das berücksichtigen Sie nach meinem Dafürhaltennicht hinreichend –, dass wir ausschließlich wirklichwärmegeführte KWK haben, weil ansonsten die Effizi-enz, die Sie reklamieren, nicht gegeben ist. Das ist derKernpunkt, den man im Auge haben muss.Der dritte Punkt sind die freiwilligen Selbstverpflich-tungen. Sie wissen, dass man in der Frage des Ziels sehrhart miteinander ringen muss. Das haben wir gemacht;wir sind ja keine Kinder, die nicht wissen, wie die Reali-tät in dieser Welt aussieht. Aber wenn Sie bezüglich derInstrumente Überlegungen stellen und vorschreiben wol-len, wie die vereinbarten Ziele erreicht werden müssen,bewirkt das eine Bürokratisierung und macht die Selbst-verpflichtungen ineffizient und führt sie letztlich ad ab-surdum. Deshalb, Herr Loske, sind wir mit der Frage derWirksamkeit dieses Instruments wesentlich besser um-gegangen, als es die jetzige Regierung tut. Ich sage ja garnicht, wie Sie es gemacht hätten. Ich erinnere mich anIhre früheren Kritiken an diesem Umweltminister. Daskönnten wir jetzt alles noch im Detail abhandeln. Jeden-falls sind wir mit diesem Instrument wesentlich besserund wesentlich verträglicher umgegangen, als Sie es tun.Sie sagen: Wir wollen dieses Ziel mit diesen Instrumen-ten auf diesem Weg und bis zu diesem Zeitpunkt errei-chen. Bei Ihnen ist das alles nicht mehr verhandelbar.Wer Herrn Baake kennt, weiß, was das heißt: unter-schreiben oder verordnet bekommen. Das ist der falscheWeg, Herr Loske.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Ulrich Kelber,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Herr Kauch, ich würde gern noch etwas zu IhrerRede sagen. Es war ja ihre Jungfernrede; Sie haben ge-merkt, dass wir weder Zwischenrufe gemacht noch Fra-gen gestellt haben.
– Ja, das ist sehr schwer gefallen. – Aber auf einen sehrwichtigen Punkt, den Sie in Ihrer Rede angesprochen ha-ben, muss ich noch eingehen.Sie haben gesagt, dass sich der Kollege Bülow, meinSPD-Parteifreund und Ihr Kollege aus Dortmund, vor ei-ner Betriebsversammlung in einer Brauerei in Dortmundgedrückt habe. Es wäre gut gewesen, wenn Sie als Dort-munder erwähnt hätten, dass er zu diesem Zeitpunkt we-gen einer schweren Erkrankung im Krankenhaus gele-gsl2sdzsgdmizSSbnSUssdgBDlbWdargasBnGnrbSghl
Organisation und Durchführung des Umweltschutzesind in der Bundesregierung und im Bundeshaushalt mo-ern geregelt. Diese Aussage kann man auch leicht bele-en. Nur 18 Prozent der Ausgaben für Umweltschutz imundeshaushalt sind im Haushalt des BMU zu finden.as heißt doch nichts anderes, als dass Umweltschutzängst zur Querschnittsaufgabe geworden ist. Das ha-en wir Umweltschützer uns doch immer gewünscht.enn Sie das jetzt als Opposition kritisieren, würde ichas als scheinheilig bezeichnen.
Die Umweltschutzausgaben im Haushalt teilen sichber nicht nur auf unterschiedliche Ressorts auf. Im Be-eich des BMU selbst teilen sich die Ausgaben aufgaben-erecht in Projektmittel und direkte Ministeriumstiteluf. Die angeblich immer höheren Verwaltungsausgabenind kurz angesprochen worden. Aber was ist denn zumeispiel falsch daran, Experten für Naturschutz ins Mi-isterium und in ein Bundesamt zu holen, statt für vieleld externe Aufträge zu vergeben, die in der Regelicht einmal in direkter Abstimmung mit dem Ministe-ium und mit der gleichen Qualität wie im Ministeriumearbeitet werden? Die gleiche Arbeit wird gemacht undie beschweren sich darüber, an welcher Stelle in ir-endeiner langen Liste die Mittel dafür stehen. Auch dasat mit einer Diskussion über die Inhalte von Umweltpo-itik überhaupt nichts zu tun.
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6992 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Ulrich KelberNaturschutz ist eines der Erfolgsthemen dieser Koa-lition und des Bundeshaushalts im Umweltbereich. Trotzaller Sparbemühungen können die Gelder für die Natur-schutzverbände auf einem Niveau gehalten werden, dasdem des Vorjahres entspricht. Trotz aller Sparbemühun-gen steht auch für Naturschutzgroßprojekte sowie für Er-probungs- und Entwicklungsmaßnahmen auf dem Ge-biet des Naturschutzes weiter Geld zur Verfügung.In keinem anderen Bereich sind die Unterschiedezwischen den einzelnen Parteien so leicht zu erkennenwie im Naturschutz. Das möchte ich am Beispiel des sogenannten Vertragsnaturschutzes deutlich machen.CDU/CSU und FDP wollen eine bestimmte Gruppe vonLandwirten und andere Personen mit Steuergeldern da-für bezahlen, dass sie die Umwelt nicht zerstören. Wirsind der Meinung: Es muss doch selbstverständlich sein,sich umweltgerecht zu verhalten.
Dafür bezahlen zu wollen grenzt an eine Veruntreuungvon Steuergeldern. Richtig wäre es, Menschen dafür zubezahlen, dass sie über die gute fachliche Praxis hinausetwas für die Umwelt tun, zum Beispiel bei der Land-schaftspflege. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Eine solche Klientelpolitik darf keinen Niederschlag imBundeshaushalt finden; sie hat dort nichts zu suchen.Deswegen folgen wir nicht den Vorschlägen der Opposi-tion, sondern betreiben eine andere Politik.
Ein anderer Bereich des Naturschutzes, der für denHaushalt ebenfalls relevant ist, betrifft Hochwasser undFlüsse. Wir geben den Flüssen wieder Raum und schaf-fen naturnahe Flächen. Wir haben den Ausbau von Flüs-sen fast zu Kanälen, den CDU/CSU und FDP betriebenhaben, beendet. So sorgen wir nicht nur für Artenviel-falt, sondern betreiben auch vorbeugenden Hochwasser-schutz.
Wer noch immer glaubt, dass es sinnvoll ist, Flüsse zuschieren Kanälen auszubauen, selbst wenn nur ein gerin-ges Verkehrsaufkommen herrscht – diese Vorschläge fin-den wir in den Anträgen der Opposition immer wieder –,dem kann ich nur sagen: Jedes Kind weiß, dass sichdurch den Ausbau von Flüssen die Hochwassergefahr er-höht. Nachdem Gelder für den Ausbau der Flüsse ver-schleudert worden sind, muss meist auch Geld fürDeichbauten und irgendwann für die Beseitigung vonHochwasserfolgen bereitgestellt werden. Ich sage Ihnenals Abgeordneter einer Stadt, durch die ein großer Fluss,der Rhein, fließt: So einen Unsinn machen wir nicht mit.
Wichtige Hilfen für den Naturschutz, aber auch für fastalle anderen Bereiche der Umweltpolitik sind ProgrammezUduBeswHhgtnzvgnggmtUMdEugmsdiikumcBasdglgwnSisah
Wenn ich schon über die Forschung spreche, muss ichls Umweltpolitiker natürlich auch auf die Energiefor-chung eingehen. Ich danke Ihnen, Frau Ferner, dass Sieieses Thema vorhin schon angesprochen haben. Es istut, dass die Koalition dafür gesorgt hat, dass das Aus-aufen des Zukunftsinvestitionsprogramms in der Ener-ieforschung finanziell zumindest teilweise kompensierturde. Ich sage aber auch ganz offen: Dieses Geld reichticht. Wir werden mehr Geld für Effizienztechniken,peicherforschung und andere Technologien, vor allemm Bereich der erneuerbaren Energien und des Klima-chutzes, zur Verfügung stellen müssen.
Neben der Erhöhung der Gelder brauchen wir aberuch eine Umverteilung. Es macht keinen Sinn, weiter-in so viel Geld wie bisher für die Fusionsforschung aus-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6993
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Ulrich Kelberzugeben und viel weniger Geld für die wirklich zu-kunftsträchtigen neuen Techniken im Bereich dererneuerbaren Energien.
Ich hoffe hier auf mehr Gemeinsamkeit im Bundestag.Der Bundeshaushalt 2004 ist ein schwieriger Haus-halt. Das ist nach drei Jahren ohne nennenswertes wirt-schaftliches Wachstum auch nicht verwunderlich. Wirsetzen in diesem Bundeshaushalt die Akzente aber nichtnur in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und For-schung, auch der Umweltschutz kommt nicht zu kurz.Vieles von der Kritik, die ich gehört habe, verrät ein um-weltpolitisches Denken, das schon vor 20 Jahren über-holt war. Die Schwerpunkte sind richtig gesetzt. Das be-stätigen für den Gesamthaushalt die Sachverständigenfür Wirtschaft und für den Bereich der Umweltpolitikdie Experten für Umwelt.Nachher wird auch noch mein Kollege Bülow für dieSPD sprechen. Er wird natürlich auf den Bereich der er-neuerbaren Energien eingehen.Eines findet man in diesem Haushalt nicht: Es gibtkeine staatlichen Mittel für die Einspeisevergütung beierneuerbaren Energien. Politiker von CDU/CSU undFDP behaupten ja immer, dass die Einspeisevergütungfür erneuerbare Energien massiv subventioniert würde.Selbst die Spitzen wie Merkel, Stoiber, Merz undWesterwelle wiederholen dies häufig, obwohl sie wis-sen, dass es inhaltlich falsch ist.Um es noch einmal festzuhalten: Die Einspeisevergü-tung zur Förderung der erneuerbaren Energien kommtnicht aus Steuergeldern.
Das sei vielleicht auch einmal an die hinteren Reihen derUnion gesagt. Es handelt sich um eine verursacherge-rechte Umlegung auf alle klimabelastenden Arten derEnergieerzeugung.Abschließend insbesondere noch ein Hinweis an Sie,Frau Homburger: Ein Blick ins Gesetz und in den Haus-halt erleichtert die Wahrheitsfindung.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile Kollegen Albrecht Feibel das Wort zu einer
Kurzintervention.
Sehr geehrter Herr Kollege Kelber, ich möchte gegen-
über Ihnen und Ihren Vorrednern noch einmal begründen,
warum wir an der Beratung des Haushaltes nicht teilge-
nommen haben: Ein verfassungswidriger Haushalt ist
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ann werden Sie feststellen, dass nicht die richtigen Ak-
ente gesetzt worden sind, weil nicht gespart wird. Ich
abe das vorhin schon ausdrücklich gesagt: Um die Fi-
anzierung eines Haushaltes sicherzustellen und das
orziehen einer Steuerreform gegenzufinanzieren, kann
an überlegen, ob es nicht Positionen gibt, bei denen
an Geld sparen kann.
Typisch dafür, dass man nicht sparen will, ist das Ver-
alten des Bundesumweltministers. Mir kommt meine
erufserfahrung als Reiseverkehrskaufmann sehr zu-
ute. Dafür brauche ich mich auch nicht zu schämen,
err Kelber. Ich habe in meinem Leben als Unternehmer
ielleicht mehr Arbeitsplätze geschaffen, als Sie je gese-
en haben.
ch hätte dem Bundesumweltminister sagen können, wie
an Geld spart, wenn man reist. Vielleicht kann er da-
auf noch einmal zurückkommen. Das, was im Zusam-
enhang mit Brasilien geschehen ist, ist ein eindeutiges
eichen dafür, dass jemand verantwortungslos mit Geld
mgeht und es verantwortungslos ausgibt, weil es offen-
ichtlich nicht aus seiner Tasche kommt.
Dann noch zu der Frage, warum wir kein Wirtschafts-
achstum haben: Wenn Sie die Wirtschaft ständig mit
eiteren Abgaben und unangemessen hohen Energie-
osten belasten,
rauchen Sie sich nicht zu wundern, dass es so viele
onkurse gibt, und nicht zu fragen, warum so viele Ar-
eits- und Ausbildungsplätze wegfallen.
Sie sollten die Zusammenhänge erkennen. Dann wer-
en Sie sagen: Der Haushalt hat nicht das hergegeben,
as Sie und wir alle gerne gehabt hätten, nämlich bera-
ungsfähig zu sein.
Kollege Kelber.
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6994 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Herr Kollege Feibel, ich kann Ihnen nur dringend
empfehlen, erstens in das Handbuch für Abgeordnete zu
schauen und zweitens auf meine Webseite zu gehen.
Dann hätten Sie Ihre Bemerkung bezüglich der Arbeits-
plätze wahrscheinlich nicht gemacht. Um auf die gleiche
Größenordnung zu kommen, müssten Sie sich noch
ziemlich anstrengen.
Wir hätten uns gefreut, wenn wir Einsparvorschläge
von Ihnen gesehen hätten. Wir hätten uns hier im Bun-
destag und unsere Kollegen aus den Ländern hätten sich
im Bundesrat gefreut, wenn nicht jede Einsparung von
Ausgaben als versteckte Steuererhöhung bezeichnet
worden, dann aber in Ihren eigenen Papieren wieder auf-
getaucht wäre. Natürlich ist es schwierig, wenn man aus
einer Partei kommt, die im Augenblick wie eine Ge-
meinschaft unabhängiger Sprecher fungiert und jeder al-
les vorschlagen darf. Denn dann weiß man gar nicht, was
man wirklich beantragen darf – sofern man nicht gerade
Merkel, Stoiber oder Koch heißt –; schließlich will man
sich ja nicht seine spätere Karriere verscherzen. Vor al-
lem wenn man aus Hessen kommt, darf man dem Herrn
Koch natürlich nicht widersprechen, obwohl er seiner-
seits der Frau Merkel, Ihrer Fraktionsvorsitzenden, im-
mer widerspricht.
Von daher wäre es vielleicht gut, wenn Sie sich eini-
gen würden, welche Kürzungen Sie wollen. Wenn Sie
unsere nicht wollen, dann machen Sie andere Vor-
schläge. Aber einfach zu sagen „Sparen Sie mal, wir ma-
chen keine Vorschläge!“ – da nimmt Ihnen doch nie-
mand Ihr ernsthaftes Bemühen ab. Oder meinen Sie,
dass das auch nur ansatzweise etwas bringt? Wenn Sie
die Haushaltsberatungen in den nächsten Jahren so fort-
setzen wollen, dann möchte ich mich schon jetzt für
diese leichte Aufgabe bedanken.
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Paziorek, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-lege Kelber, Sie haben gerade sehr viel und intensiv ge-redet. Aber es stellt sich wirklich die Frage, ob Sie dieumweltpolitischen Probleme, die Sie angesprochen ha-ben, richtig dargestellt haben.
– Das kann er auch nicht.Erstens. Mit einem Hinweis auf Frau Merkel habenSie erklärt, es werde zur Subventionierung der erneuer-baren Energien nichts aus Haushaltsmitteln beglichen.
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Zweitens. Sie haben gerade ganz allgemein von derpposition in Sachen Hochwasserschutz gesprochennd uns vorgeworfen, dass wir kein richtiges Flussma-agement vorweisen können. Ich kann mich sehr gut da-an erinnern, dass wir vor einigen Wochen einen Antragum Hochwasserschutz eingebracht haben. Diesen An-rag werden wir erst noch beraten – das muss man derffentlichkeit auch sagen –, und zwar im Ausschuss undm Plenum des Bundestages. Sie aber kommen gleich zuem Ergebnis, dass wir alles ablehnen werden.Ich habe sogar in einer Presseerklärung gesagt: Aus-ahmsweise geht dieser Gesetzentwurf in die richtigeichtung. Weiterhin habe ich jedoch gefragt, Herrelber: Was passiert mit den Auflagen für die Landwirt-chaft, zum Beispiel im Gebiet der Ems in Niedersach-en? Dort hieß es, im Einzugsbereich der Ems könne zu-ünftig keine Landwirtschaft mehr betrieben werden. Imesetzentwurf ist aber nicht geregelt, wer die Landwirten dieser Sache entschädigt. Darauf hätten Sie eine Ant-ort geben müssen. Das haben Sie im Gesetzentwurficht getan. Wir sind sehr gespannt, was Sie bei derrage der Entschädigung auf den Tisch legen werden.
Drittens. Der Punkt Lärmschutz ist nicht von Herrnelber, sondern spontan von Ihnen, Herr Hermann, ge-annt worden. Sie haben sogar Ihr Ehrenwort gegeben,m nächsten Jahr wird es etwas in Sachen Lärmschutzeben. Ich bin schon gespannt. Seit fünf oder sechs Jah-en warten wir auf die Einhaltung dieses Ehrenwortes,ass etwas in Sachen Fluglärmschutz gemacht wird.inister Trittin hat sich da über Jahre hinweg noch nichturchgesetzt, egal welcher Verkehrsminister gerade immt ist. Es ist erstaunlich, wie voll Herr Kelber denund nimmt und dass auch in jeder Koalitionsvereinba-ung ein Fluglärmschutzgesetz angekündigt wird, aber in
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 6995
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Dr. Peter PaziorekWirklichkeit nichts passiert. Das ist rot-grüne Umwelt-politik: Backe voll und bei der Realisierung abtauchen!
– Ich habe ganz bewusst Herrn Hermann angesprochen,Herr Kelber. Aber so läuft das bei Ihnen. Das ist einWechselspiel.Viertens. Auch das Naturschutzgesetz wurde spontanangesprochen. Sie meinen, es sei unredlich, LandwirtenEntschädigungen zu zahlen, wenn diese den Stand derTechnik – in der Landwirtschaft heißt es: die gute fachlichePraxis – einhalten. So haben Sie es formuliert; ob das, wasSie gesagt haben, richtig ist, darüber müssen wir im Detailstreiten. Eines aber muss man wissen: Wenn Sie das so ri-goros durchsetzen wollen, wie Sie das konkret angekündigthaben, bedeutet das, dass in anderen Staaten der EU für ver-gleichbare Maßnahmen Entschädigungsleistungen derEuropäischen Union für die heimische Landwirtschaft kas-siert werden können, weil dort die Standards nicht so hochgesetzt sind. Bei uns wird dies nicht der Fall sein, weil Siedie Standards so hoch gesetzt haben. Die EU wird daherdie Fördermittel nach Italien und Spanien geben; denndie Deutschen haben die Standards bereits so hoch fest-gesetzt. Diese Fragen müssen Sie den heimischen Land-wirten beantworten. Warum bekommen Landwirte inSpanien und Italien eine Förderung für das gleiche Ziel-niveau? In Deutschland wird rot-grüne Umweltpolitikgemacht, um dem Papier Genüge zu tun. An die heimi-sche Landwirtschaft wird dabei nicht gedacht. Das wer-fen wir Ihnen vor.
Damit ist für mich für heute das Thema Umwelt erle-digt. – Wir beraten heute ja auch noch in zweiter unddritter Lesung das Vorschaltgesetz Photovoltaik zum Er-neuerbare-Energien-Gesetz. Hier sagen wir ganz klarund deutlich: Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktionwerden diesem Vorschaltgesetz zur Photovoltaik zu-stimmen; denn mit diesem Gesetz erhält die Photovolta-ikbranche in Deutschland endlich Planungs- und Investi-tionssicherheit. Diese Sicherheit ist durch rot-grüneVerzögerung und Unentschlossenheit in den letzten Mo-naten leider verloren gegangen.
Ich habe dazu schon bei der ersten Lesung zu diesemGesetzentwurf ausgeführt, muss das aber heute wieder-holen: Seit dem Auslaufen des 100 000-Dächer-Pro-gramms im Frühsommer dieses Jahres ist die deutschePhotovoltaikindustrie in eine große Krise geraten. Dieshaben Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün,ganz allein zu verantworten, denn Sie haben es ver-säumt, rechtzeitig eine Anschlussregelung vorzulegen.Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass wirhektisch Fehler Ihrer Gesetzgebung und Ihrer Förderpo-litik bei den erneuerbaren Energien korrigieren müssen.Sie arbeiten einfach nicht sorgfältig genug.
hvaFusgaiaPksummanDpldddßlJuawvdAtGdGmw
Kollege Paziorek, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Fell?
Gerne.
Herr Kollege Paziorek, Sie haben gerade behauptet,ass sich die deutsche Photovoltaikindustrie in einer gro-en Krise befinde. Ist Ihnen bekannt, dass mit dem Aus-aufen des 100 000-Dächer-Programms im Juni diesesahres ein unglaublicher Auftragsboom entstanden istnd die Industrie die Aufträge bis zur Stunde noch nichtbgearbeitet hat, dass sehr viele Überstunden gemachterden müssen, um die Aufträge abzuarbeiten, und da-on ausgegangen wird, dass erst im nächsten Jahr, inem eine neue Einspeisevergütung erwartet wird, dieserufschwung der Photovoltaik weitergeht?Wie können Sie angesichts dieser Tatsache behaup-en, dass die Photovoltaikindustrie aktuell wegen Rot-rün in einer Krise ist? Denn unsere Beobachtung ist,ass das glatte Gegenteil der Fall ist. Erst durch Rot-rün gab es diesen großen Aufschwung. Dadurch war esöglich, dieses Vorschaltgesetz rechtzeitig zu bringen,enn auch dank Ihrer Mithilfe.
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Sehr geehrter Herr Kollege, jetzt bin ich aber wirklichplatt. Ihre Kolleginnen und Kollegen im Umweltaus-schuss begründen die Tatsache, dass wir uns jetzt ganzschnell entscheiden müssen, damit, dass feststeht, dassdie Auftragsdelle schon ab dem Januar nächsten Jahresda sein wird. Die Betriebsräte rufen bei uns an und sa-gen, dass noch vor Weihnachten arbeitsplatzrelevanteEntscheidungen zu treffen sind, wenn der Deutsche Bun-destag nicht heute, zwei Sitzungswochen vor der Weih-nachtspause, die entsprechenden Signale sende, wie esab dem 1. Januar 2004 weitergeht. Herr Fell, wie kommtdenn diese Beschreibung der Firmenchefs, des Bundes-verbandes Solarindustrie und auch der Betriebsräte vordem Hintergrund Ihrer Aussage zustande?
Lieber Herr Fell, ich halte es für nicht hinnehmbar– als Kollege schätze ich Sie ja durchaus –, dass Sie dieSorgen, die gerade aus dem Arbeitnehmerbereich derSolarwirtschaft in den letzten Tagen massiv geäußertworden sind, in dieser Art und Weise abtun wollen. Dassollte man bei aller Erfolgsbilanz, die Sie für die rot-grüne Regierungskoalition darstellen wollen – das ver-stehe ich –, nicht hinnehmen. Deshalb habe ich die Bitte,dass Sie noch einmal überlegen, ob Ihre Aussage vordem Hintergrund der wirklich großen Besorgnisse imBereich der Photovoltaik gerechtfertigt war.
Eines aber stimmt, Herr Fell: Der Union wurde eine Zu-stimmung letztlich nur möglich, weil Sie – insofern willich den kooperativen Stil durchaus erwähnen – bereit ge-wesen sind, auch über die Fördersätze im Einzelnennachzudenken.Ich muss an dieser Stelle auch der Solarindustrie ganzklar und deutlich sagen: Ich fand es sehr gut, dass manbereit gewesen ist, mit uns kooperativ über diese Fragenzu sprechen, und dass wir geprüft haben, an welchenStellen die angedachten Fördersätze noch reduziert wer-den konnten. Ich weiß, dass wir auch der Solarindustriedamit sehr viel zumuten und dass das eine harte Vorgabeist. Aber dieser Schritt war notwendig. Denn wir müssenimmer darauf achten – auch wenn man in der Fördersys-tematik bleibt –, dass die Förderkosten nicht ausufern.Deshalb war es wichtig, dass wir an dieser Stelledeutlich gemacht haben: Wir werden uns die Fördersätzeim Einzelnen anschauen. Denn wir wollen erreichen,dass es bei den Förderkosten einen gesamtwirtschaftli-chen Deckel gibt, und wir werden alles tun, um diesenSpagat erfolgreich zu bewältigen, nämlich erneuerbareEnergien zu fördern und gleichzeitig die Förderkostenunter Kontrolle zu halten. Das ist ein verantwortungsbe-wusstes Vorgehen in diesem Bereich.
Natürlich ist uns bekannt, dass die indirekten Sub-ventionskosten bei der Photovoltaik – Herr Kelber, nen-nen wir sie einfach einmal so – noch sehr hoch sind. FürdvvlVfdduuZbBwaFnzdemnsNKfpJsmDbWbMmdüsteb
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Wenn Sie sich mit der Materie genauer beschäftigt ha-
ben, können Sie vielleicht auch Fragen beantworten.
Welche Meinung vertreten Sie zum Beispiel in der Che-
miepolitik? Teilen Sie die Position des Bundesverbandes
der Deutschen Industrie, der den neuen Ansatz in der
Chemikalienpolitik rundweg und fundamentalistisch
ablehnt? Oder sind Sie mit der Bundesregierung, mit der
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie
und dem Verband der Chemischen Industrie der Auffas-
sung, dass man in der Chemikalienpolitik weitergehen
muss, als es die Kommission vorgeschlagen hat, dass
zum Beispiel auch bei Chemikalien mit weniger als
10 Jahrestonnen wenigstens ein Basisdatensatz notwen-
dig ist, um einschätzen zu können, ob diese Stoffe
krebserzeugend oder erbgutverändernd wirken?
Auf wen zählen Sie? Auf die Fundis in den Lobbyver-
bänden oder auf die Branche, die die notwendige Fach-
kunde aufweist und mit der Bundesregierung zusam-
menarbeitet?
Ich bin aber geneigt, solche Dinge ein bisschen humo-
istisch zu betrachten. Wenn die FDP, die über Jahre hin-
eg jeden Ansatz zur Förderung der erneuerbaren Ener-
ien bekämpft hat, sich nun dafür ausspricht, dann
önnte ich feststellen: Hic Rhodus, hic salta! Irgend-
ann musste das ja kommen. Das erlaubt mir die Über-
eitung zu dem Kollegen Lippold, der eben mit etwas
äuerlicher Miene den hörenswerten Ausführungen von
errn Paziorek gefolgt ist.
Wenn Sie danach fragen, wo Deutschland internatio-
ales Ansehen genießt, dann empfehle ich Ihnen, sich
inmal umzusehen. Zum Beispiel wird im World Watch
eport nicht nur unsere Politik im Zusammenhang mit
em Atomausstieg, sondern insbesondere auch die För-
erung der erneuerbaren Energien als weltweit vorbild-
ich betrachtet.
icht umsonst haben wir hier ja auch die größten Steige-
ungsraten. Aber Sie müssen denen nicht glauben; das
ind ja nur „irgendwelche Ökos“. Aber glauben Sie we-
igstens Ihren Parteifreunden, den Konservativen in
panien und Frankreich. Jacques Chirac ist kein Sozia-
ist; er ist auch kein Grüner. Trotzdem haben die Regie-
ungen dieser beiden Länder unsere Einspeiseregelungen
ür das Erneuerbare-Energien-Gesetz übernommen. Sie
aben sich dafür entschieden, weil sie wissen, dass sie
ostengünstiger und effizienter sind als die Ausschrei-
ungsmodelle. Wir liegen mit den Einspeisevergütungen
bis 3 Cent unter den Ausschreibungsmodellen, die in
roßbritannien zur Anwendung kamen, und haben sie
ogar noch weiter gesenkt. Das nenne ich Führungskraft
nd Voranschreiten! So stellt sich eine internationale
orreiterrolle auf dem Gebiet der Umwelt- und Klima-
olitik dar!
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Ramsauer?
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Bitte, Herr Ramsauer.
Herr Bundesminister Trittin, wenn Sie uns als Oppo-itionsfraktion inzidenter vorwerfen, dass wir gegen er-euerbare Energien sind, dann frage ich Sie: Ist Ihnenekannt, dass das Vorgängergesetz des EEG, das Strom-inspeisungsgesetz, 1990 von der Regierung Kohl ge-chaffen worden ist,
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Dr. Peter Ramsauer dass die damalige Opposition aus SPD und Grünen die-sem Gesetz nur widerwilligst zugestimmt hat und dasssich die CDU/CSU genau deshalb heute als erfolg-reichste Erneuerbare-Energien-Partei bezeichnen kann,die es in Deutschland je gegeben hat?
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Lieber Herr Kollege Ramsauer, mir ist bekannt, wiees mit dem Stromeinspeisungsgesetz anfing. Mir ist auchbekannt, dass es dringenden Veränderungsbedarf gab,den wir dann aufgegriffen haben. Wir müssen uns andieser Stelle doch gar nicht streiten. Ich habe ja mitFreude zur Kenntnis genommen, dass die Union zumin-dest bei der Photovoltaik die Koalition in der Oppositionmit den Neoliberalen aufgekündigt hat und nun tatsäch-lich mit Taten zu ihren Worten steht. Deswegen konnteich der Rede unseres Kollegen Paziorek mit großemWohlwollen und großer Freude folgen. Hier bildet sichwieder der parteiübergreifende Konsens heraus, den esbei der Verabschiedung des Stromeinspeisungsgesetzesgegeben hat und der besagte, dass es notwendig ist, er-neuerbare Energien zu fördern. Deswegen sollten wirdies gemeinsam machen.
Meine Damen und Herren, hier ist auch vom Klima-schutz die Rede gewesen. Man kann nicht sagen, mansei für Klimaschutz, und dann von 18 Klimaschutzmaß-nahmen 16 ablehnen. Die FDP hat sogar – das war dasProjekt 18 – alle 18 Maßnahmen abgelehnt. Aber Siewerden an dieser Stelle auch zum Schwur kommen müs-sen. Mit dem System des Emissionshandels wird für je-den sichtbar, was das von uns gemeinsam verabschiedeteKioto-Protokoll bedeutet: im Jahre 2010 846 MillionenTonnen CO2, keine Tonne mehr. Dann werden Sie sichdazu sehr praktisch verhalten müssen. Wie wollen Siedamit umgehen, dass an dieser Stelle alle Sektoren derGesellschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müs-sen?Wir werden uns dann gemeinsam darüber unterhalten,ob der Zustand beibehalten werden kann, der unterCDU/CSU und FDP anhielt, dass zwar die Industrie-emissionen gesenkt wurden – Sie haben die Industrie ein-seitig belastet –, aber die Emissionen aus den Haushaltenund aus dem Verkehr sprunghaft nach oben gegangensind. Diese Regierung hat hier eine Wende eingeleitet
und dafür gesorgt, dass in wenigen Jahren die Haushalte18 Prozentpunkte CO2 weniger als 1998 emittieren.Wenn Sie, meine Damen und Herren, uns noch einmaletwas über Klimaschutz erzählen, dann sollten wir unsanhand von Tonnenvergleichen über die konkreten Maß-nahmen unterhalten.
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Eine letzte Bemerkung: Sie reden von Selbstver-flichtung und sehen als Alternative nur Sanktionen.ieses System haben Sie doch erfunden; Kollege Loskeat darauf hingewiesen. Das Prinzip, im Gegenzug zurelbstverpflichtung auf die Ökosteuer und die Wärme-erordnung zu verzichten, war bisher Konsens zwischenns. Dieses Prinzip habe ich erst jüngst in einem Vortragon Klaus Töpfer wieder gehört. Warum ist das, was Sieemacht haben, verkehrt, wenn wir es machen? Aller-ings sind wir der Auffassung, dass es verkehrt wäre,elbstverpflichtungen ohne eine Sanktion bei Zielver-ehlung einzuführen.Ich nenne Ihnen dafür ein ganz praktisches Beispiel:ie europäische Automobilindustrie hat versprochen,ass ihre Fahrzeuge bis zum Jahre 2010 im Flotten-urchschnitt nur noch 120 Gramm CO2 pro Kilometermittieren. Das ist eine ambitionierte Selbstverpflich-ung. Da wir wollen, dass dieses Ziel erreicht wird, be-auere ich es sehr, dass jetzt von der Automobilindustrieas Signal gesetzt wird, sich von dieser Selbstverpflich-ung zu verabschieden. Ich wünsche mir, dass sie esicht tut, weil ich dieses Instrument der Selbstverpflich-ung nicht desavouiert sehen möchte. Aber über einesollten wir uns jetzt verständigen: Wenn diese Selbstver-flichtung aufgekündigt wird, dann möchte ich nicht,ass die daraus zu ziehenden Konsequenzen von Ihnenritisiert werden; denn die Verkehrswirtschaft und insbe-ondere die Autoindustrie werden wie wir alle einen Bei-rag zum Klimaschutz leisten müssen. Es wird keineöglichkeit geben, dass sich ein Sektor zulasten einesnderen einen schlanken Fuß macht.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Doris Meyer, CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damennd Herren! „Eine fröhliche Beerdigung“ titelte vor etwawei Wochen eine namhafte deutsche Tageszeitung.
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Doris Meyer
– Nein, es ging noch nicht um die rot-grüne Koalition.Anlass dieses so überschriebenen Berichts war vielmehreine Feier des Bundesumweltministers Jürgen Trittin.Gefeiert hat er nicht etwa seinen Haushalt 2004 – diesergäbe eher Anlass zum Weinen, erst recht für einen Um-weltminister der Grünen –, sondern das Abschalten desKernkraftwerkes Stade bei Hamburg. Diese Feier kos-tet die Steuerzahler rund 36 000 Euro. 36 000 Euro inZeiten fehlenden wirtschaftlichen Aufschwungs, ausge-geben von einem Minister, dessen Haushalt immer klei-ner wird. 36 000 Euro zum Feiern eines Ereignisses, zudem der Minister wenig beigetragen hat; das KraftwerkStade wird vom Betreiber aus rein wirtschaftlichenGründen vorzeitig stillgelegt. 36 000 Euro, zu denenrund 100 000 Euro hinzukommen. In einer groß angeleg-ten Kampagne wurde das Abschalten des Kernkraft-werks Stade mit Anzeigen wie dieser hier gezeigten be-worben. Nach unseren Schätzungen dürften sich dieKosten für diese Aktion in mehreren bundesweit erschei-nenden Zeitungen auf rund 100 000 Euro belaufen.Wie hoch die Kosten der Kampagne zum Dosen-pfand sind, die in Kinospots beworben wurde, haben wirheute schon erfahren. Ich wiederhole die Zahlen: 83 000Euro für die Kinospots und 112 000 Euro für die Anzei-gen. Ob es ein würdiger Grund zum Feiern war, wirdsich erst in der Zukunft zeigen, wenn die jetzige Regie-rungskoalition zwar nicht mehr im Amt ist, aber wir alledie Auswirkungen ihrer bisherigen Politik zu spüren be-kommen.
Herr Bundesminister, Sie haben das Abschalten alseinen „Meilenstein rot-grüner Energiepolitik“ bezeich-net. Ein Stein des Anstoßes ist dies bestimmt. DieserStein wiegt sehr schwer und muss von den künftigen Ge-nerationen erst noch getragen werden. Ich frage Sie,Herr Trittin: Wo ist Ihr Konzept für eine zukunftsfähigeEnergiepolitik in Deutschland für die nächsten 30 bis50 Jahre?
Ich vermisse es bis heute. Oder entwirft das Wirtschafts-ministerium ein solches Konzept wieder einmal ohneAbstimmung mit Ihnen? Mir ist bange um die künftigeEnergieversorgung in Deutschland.Wir brauchen einen Energiemix aus herkömmlichenund erneuerbaren Energien. Eine einseitige Förderungder einen und auf Kosten der anderen Energieart darfnicht sein. Ökologische und ökonomische Aspekte müs-sen gleichermaßen berücksichtigt werden. Sie könnendoch nicht Stück für Stück ein Land von einer sicherenEnergieversorgung abkoppeln und dabei offen lassen,wie die Versorgung in Zukunft funktionieren soll. Das istunverantwortlich. Sie, Herr Trittin, bleiben den Wähle-rinnen und Wählern eine Antwort schuldig.
Sie zeigen der Bevölkerung ganz deutlich, wie sehrSie dieses Problem beschäftigt: Sie feiern trotzdem.Oder vielleicht sogar, um die eigenen Probleme zu ver-drängen. Mir ist schleierhaft, wie Sie noch guten Gewis-sIMSAFabiPaDwB3–giHdawZDsIddaHHtd
ie Reise geht nicht in Richtung Umwelt und Natur-chutz, sondern in Richtung Ideologie und Bürokratie.hre Politik verliert zusehends an Bedeutung.
Herr Minister Trittin, in Zeiten des Sparens Steuergel-er derart zu verschwenden, wie Sie es tun, und sichann noch dermaßen salopp zu rechtfertigen, ist unver-ntwortlich.
aushalten Sie effizient mit den Mitteln, die Ihnen in dieand gegeben werden!
Ich erteile dem Kollegen Marco Bülow, SPD-Frak-
ion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bei-en heute diskutierten Punkte – der Haushalt und die
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7000 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Marco BülowFörderung der erneuerbaren Energien – haben zwar kei-nen direkten Zusammenhang – Herr Kelber hat schondarauf hingewiesen –; aber eine vernünftige Anschub-förderung kann den Haushalt mittelfristig entlasten. DieFörderung der erneuerbaren Energien ist vernünftig. Ichbin mir sicher: Die Investitionen in die Zukunft werdenden Haushalt irgendwann entlasten.Die Zukunft der Energieversorgung beruht meinesErachtens auf zwei Säulen, auf denen weiter aufgebautwerden muss: erstens der stetigen Steigerung der Effi-zienz und zweitens dem stetigen Ausbau der erneuerba-ren Energien. Ich bin mir sicher, dass sich auch in die-sem Bereich die Vernunft durchsetzen wird.
Dazu passen die positiven Signale und Meldungender letzten Zeit: Der Mineralölkonzern Total will massivin die Windkraft investieren. RWE hat den ersten großenOffshore-Windpark Großbritanniens in Betrieb genom-men. In Kalifornien werden die Ziele hochgeschraubt:Der Anteil der erneuerbaren Energien soll bis 2010 von7 Prozent auf 20 Prozent erhöht werden. Dahinter kön-nen wir uns fast noch verstecken. Gleichzeitig wird inden USA von renommierten Wissenschaftlern ein Weiß-buch aufgelegt, das folgende Zahlen – wir kennen sieschon, aber das bestätigt es noch einmal – beinhaltet: Esist locker möglich, bis 2050 einen Anteil von 50 Prozentan der gesamten Energieversorgung der Welt aus erneu-erbaren Energien zu gewinnen. Deswegen ist es auchhier möglich.
Wir stehen vor der ersten Weltkonferenz für erneuerbareEnergien. Ich denke, wir werden auch dort Signale set-zen.Auch wenn immer wieder Angriffe auf die erneuerba-ren Energien gestartet werden, zeigen alle Umfragen,dass ihre Akzeptanz bei 80 Prozent oder sogar bei über90 Prozent liegt. Es gibt keine andere Energieform, diesolch hohe Werte erhält.Es gibt eine aktuelle Umfrage vom Marktforschungs-institut IRES. Dabei geht es um die Faszinationsskala.Da liegen die erneuerbaren Energien an der Spitze – vorFußball und Formel 1. Das ist, denke ich, einen Applauswert, weil das zeigt: Die Bürger haben es begriffen.
In Neustadt-Glewe wurde das erste Geothermiekraft-werk in Betrieb genommen. Wir werden heute das Vor-schaltgesetz verabschieden, das ein gutes Signal an dieWirtschaft ist. Auch in der Union – siehe: Vorschaltge-setz – wächst die Zustimmung zu den erneuerbarenEnergien. Ich wünsche den Gutwilligen in der Unions-fraktion eine Menge Kraft bei den Diskussionen. Bei-träge wie der Beitrag von Herrn Lippold zeigen, dass danoch viel zu tun ist.
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Wir spüren also eine Gutwetterlage für die erneuerba-en Energien – trotz aller Attacken, trotz der unfairenostendiskussion mit Halbwahrheiten, mit Übertreibun-en und mit Unterschlagungen. Dazu kurz drei Beispiele:Erstens. Herr Rüttgers erstellt eine Rechnung zu denosten der Windkraft, ohne einzubeziehen, dass derert der Windkraft an sich da ist, während er bei denossilen Energieträgern erst entstehen müsste. Das ver-chweigt er bei dieser Kostendiskussion.
Zweitens. Es gibt den Vorwurf der explodierendenauersubvention – es gibt viele, die ihn erheben –, undwar – damit wir uns richtig verstehen – der staatlichenubvention. Dazu hat Herr Kelber gerade schon etwasesagt. Staatliche Subventionen geben wir sowiesoicht. Außerdem sieht schon die geltende Fassung desEG Degressionsstufen vor, beispielsweise bei Photo-oltaik in Höhe von 5 Prozent. Der Förderungszeitraumst auch begrenzt. Deswegen kann es keine Dauersub-ention sein.Insgesamt werden die erneuerbaren Energien immerünstiger, während sich die fossilen Energieträger ver-euern, sodass sich die Schere irgendwann schließenird. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen.
Drittens. Frau Brunkhorst, Sie haben uns in der letz-en Sitzungswoche in diesem Haus erklärt, Photovoltaikrauche 100 Jahre, um wettbewerbsfähig zu werden. Esind zehn Jahre. Sie haben darauf verwiesen, dass dasine Zahl der Branche sei. Die Branche hat sofort eineressemitteilung herausgegeben, in der steht, dass esich um zehn Jahre und nicht um 100 Jahre handelt.
Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen.Aber selbst dann, wenn man die falschen Zahlen bei-eite lässt, gibt es noch keinen fairen Kostenvergleich.iele Kosten muss die Bevölkerung tragen, auch wennie nicht auf der Stromrechnung erscheinen. Sie werdenn die ganze Diskussion nicht einbezogen. Ein Beispielind die externen Kosten. Wir wissen, dass die erneuer-aren Energien einen Haushalt ungefähr mit 1 Euro be-asten.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7001
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Marco BülowDas Umweltbundesamt hat eine Rechnung angestelltund festgestellt, dass die erneuerbaren Energien jedenHaushalt um 4 Euro entlasten. Das heißt, es gibt einenGewinn von 3 Euro. Ich bitte Sie, auch das zur Kenntniszu nehmen.
Hören wir also endlich damit auf, zu verschleiern, wasuns der Raubbau und die Verfeuerung der herkömmlichenRessourcen kosten! Das kostet uns im Endeffekt mehr.
– Pro Monat.
– Ich bin mir sicher.
Zurück zum Kostenvergleich. Ich gebe ein paar wei-tere Beispiele für Kosten, die nicht auf der Stromrech-nung auftauchen. Es sind zum Beispiel die Fördersum-men, die in den Atomstrom geflossen sind und nochimmer reichlich fließen,
die aber in diese Rechnungen nicht einbezogen werden.Wir wissen, dass es weitere versteckte und offene Kos-ten gibt, beispielsweise für Versicherungen, die nichtrichtig ausgewiesen sind, beispielsweise für die Endla-gerung, die letztlich auch die Bürgerinnen und Bürger zuzahlen haben. Wir sollten auch einmal über die Verfüg-barkeit von Ressourcen sprechen, damit klar wird, wannwas billiger und wann was teurer wird.Der sicherheitspolitische Aspekt taucht nicht auf.Wir wissen aber, dass einige fossile Ressourcen, bei-spielsweise Öl, hauptsächlich dort vorhanden sind, wo essicherheitspolitisch prekär ist. Wir wissen nicht, ob wirin Zukunft die Ressource noch bekommen können.Außerdem wird nicht einbezogen, wie hoch der Be-schäftigungsgrad ist. Die IG Metall geht nach denvorliegenden Zahlen davon aus, dass die Windkraft imVergleich zum Atom einen zehnmal höheren Beschäfti-gungsgrad hat. Andere sprechen von einem achtmalhöheren Beschäftigungsgrad. Auf jeden Fall gibt es dorteinen höheren Beschäftigungsgrad und auch das musserwähnt werden.
Natürlich geht es auch um unsere Umwelt, um unsereLebensgrundlage. Es geht um den Klimawandel.Auch aus ökonomischen Gründen muss die effizienteNutzung erneuerbarer Energien eine Säule unserer Poli-tik werden. Es geht nicht um Umwelt gegen Wirtschaft,siDndsSWgnifbtbbnfWewWWtdzramvsbrmwdsb
ie Bevölkerung hat das kapiert. Sie begreift die Faszi-ation der erneuerbaren Energien und die damit verbun-ene Perspektive. Sie will sich das nicht zerreden lassen;ie sieht darin eine Chance. Wir stehen in der Pflicht.Ein passendes Sprichwort sagt: Chancen sind wieonnenaufgänge. Wer zu lange wartet, verpasst sie. –ir haben mit zahlreichen Initiativen und Gesetzen eineute Grundlage geschaffen, damit der Sonnenaufgangicht verpasst wird. Wir wissen aber auch – das meinech durchaus auch als Selbstkritik –, dass das nur der An-ang war, dass wir ein umfassendes Energiekonzeptrauchen. Daran arbeiten wir.Wir wissen, dass wir im Bereich Effizienz noch mehrun müssen. Wir wissen, dass wir im Bereich Verkehr,eispielsweise im Luftverkehr, erhebliche Probleme ha-en. Wir wissen auch – in diesem Punkt stimme ich Ih-en zu –, dass wir die internationale Diskussion weiterorcieren müssen. Dazu haben wir die Weltkonferenz.ir brauchen aber auch eine Energieagentur, die sich umrneuerbare Energien kümmert. Auch das muss forcierterden.
ir haben also viel vor der Brust.
ir fangen heute mit dem Vorschaltgesetz für Photovol-aik an, um einen Fadenriss zu verhindern. Ich bin froh,ass die Union das Signal gegeben hat, dem Gesetz zu-ustimmen.Ich weiß, dass es im Biogasbereich ähnliche Schwie-igkeiten gibt und wir auch auf diesem Gebiet einiges er-rbeiten müssen. Ich denke, dass wir auch hierbei gutit der Union zusammenarbeiten werden.Wir bieten Ihnen die Zusammenarbeit bei einer No-ellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes an. Wirollten die einzelnen Teile dieses Gesetzes ausführlicheraten. Mir liegt es am Herzen, dass wir die erneuerba-en Energien gemeinsam fördern. Wir sollten zusam-enarbeiten.
Ich bin überzeugt, dass sich die Vernunft durchsetzenird. Es gibt viele ermunternde Signale. Noch haben wiren Sonnenaufgang nicht verpasst. Lasst uns alle gemein-am die Chancen nutzen, um dem Aufgang der erneuer-aren Energien zum nachhaltigen Erfolg zu verhelfen.Ich danke Ihnen. Glück auf!
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7002 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 16 – Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit – in der Ausschussfassung.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Der Einzelplan 16 ist mit den Stimmen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP angenommen.
Tagesordnungspunkt I. 15 b: Abstimmung über den
von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes, Drucksache 15/1974.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 15/2084, den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und
Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Dazu liegen schriftliche Er-
klärungen nach § 31 der Geschäftsordnung von sechs
Kollegen der CDU/CSU-Fraktion vor.1) Ich bitte diejeni-
gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu
erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist mit der gleichen Mehrheit wie bei der
zweiten Beratung angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 16 auf:
a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz
– Drucksachen 15/1907, 15/1921 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Heinz Köhler
Norbert Barthle
Alexander Bonde
Otto Fricke
b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
–Drucksachen 15/1916, 15/1921 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Otto Fricke
Dr. Heinz Köhler
Bernhard Kaster
Alexander Bonde
c) – Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNIS-
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1) Anlage 4
ir wissen: Es ist der unsolideste Haushalt in der Ge-chichte dieser Republik. Wenn Sie ehrlich sind, liebeolleginnen und Kollegen auf der linken Seite, dannüssen Sie das auch zugeben.
Einen solchen Haushalt zu beraten macht im Grundeenommen wenig Vergnügen, insbesondere dann, ver-hrte Frau Ministerin Zypries, wenn es um den Justizetateht; denn gerade bei dem Justizetat halten wir Haushäl-er und Berichterstatter zusammen wie Pech und Schwe-el.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7003
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Norbert BarthleEr nimmt eine Sonderstellung ein, wenn es darum geht,nach Sparreserven zu suchen; denn dieser Etat ist ausge-lutscht. Alle weiteren Einsparungen gingen an die Sub-stanz und wären deshalb nicht mehr zu verantworten.Das können wir uns auch angesichts eines gegenüber2003 um 5,2 Millionen Euro verminderten Gesamtvolu-mens nicht leisten. Wir können es uns ebenfalls ange-sichts der Tatsache, dass die EigenfinanzierungsquoteIhres Haushalts bei über 90 Prozent liegt, nicht leisten.Dazu will ich mich nicht weiter äußern.
Was mir allerdings etwas Sorge bereitet, ist die glo-bale Minderausgabe in Höhe von 3 Millionen Euro, beider ich mich frage, wie sie umgesetzt werden soll. ImGrunde genommen bleibt Ihnen als einziger Steinbruchder Generalbundesanwalt, Stichwort „Entschädigungs-fonds für Opfer terroristischer Gewalt“. Da muss ich sa-gen: Wie eine Kürzung an dieser Stelle mit der derzeitsteigenden Bedrohung durch den internationalen Terro-rismus zusammenpassen soll, ist mir nicht klar. Ichmeine, hier brauchen wir einen Notgroschen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle – nach dem Motto:Steter Tropfen höhlt den Stein – einen weiteren unausge-wogenen Etatposten benennen: Härteleistungen aus-schließlich für Opfer rechtsextremistischer Übergriffevorzusehen ist einäugig und ungerecht, Frau Ministerin;das passt nicht.
Den Opfern, Herr Ströbele, ist es nämlich egal, ob sievon Rechts- oder Linksextremisten verletzt werden.
Sie müssen sich die Opfer vornehmen; das ist das Ent-scheidende.Deshalb, liebe Frau Ministerin: Was spricht dagegen,diesen Titel in „Härteleistungen für Opfer extremisti-scher Übergriffe“ umzubenennen? Ich fordere Sie erneutauf: Setzen Sie Ihre parteipolitische Brille ab, legen Siedas parteipolitisch straffe Korsett Ihrer Vorgängerin abund handeln Sie so, wie man es von einer Justizministe-rin erwarten darf.
Einen fachlichen Aspekt möchte ich noch ansprechen,der mich persönlich interessiert. Frau MinisterinZypries, Sie haben am 29. Oktober in Brüssel zumThema Embryonenforschung etwas gesagt, was fürmich nicht akzeptabel ist. Menschenwürde darf nicht in-teressengeleitet von außen zugewiesen werden. DasRecht auf den Schutz der Menschenwürde wird genaudbvtupvksAZgvgE–sSsdmimamAdnFrgsvnfmuUläHaFK
Das ist keine Unterstellung, ich bitte Sie. Den Zwi-chenruf können Sie zurücknehmen.Zurück zum Haushalt. Frau Ministerin, politisch sindie natürlich auch in der Mitverantwortung für den ge-amten Haushalt. Die Bundesregierung bemüht sich jaerzeit ständig, von einem Dreiklang aus Strukturrefor-en, rigider Haushaltskonsolidierung und Wachstums-pulsen zu sprechen. Wenn ich mir den Haushalt unduch das Ergebnis der Haushaltsberatungen anschaue,uss ich feststellen: Dieser Dreiklang besteht aus mehrusgaben, weniger Investitionen und drastisch steigen-er Nettokreditaufnahme. Das allerdings ist kein harmo-isch klingender Akkord, das ist ein schiefer Akkord,urcht einflößend schief.Wenn man sich dann noch überlegt, was „Konsolidie-ung“ eigentlich heißt, nämlich etwas Bestehendes festi-en und sichern, dann frage ich mich schon, ob mit die-em Haushalt der Marsch in immer mehr Schuldenerfestigt und verstetigt werden soll. Das kann ja wohlicht wahr sein. Dann hätten wir schlechte Perspektivenür unser Land.Die Perspektiven haben dazu geführt, dass immerehr Menschen das Vertrauen in diese Bundesregierungnd in den Finanzminister verlieren. Auch wir von dernion haben das Vertrauen in diesen Finanzministerngst verloren. Wir haben auch das Vertrauen in diesenaushalt verloren. Deshalb werden wir den Einzelplan 07blehnen.Danke.
Ich erteile das Wort Kollegen Heinz Köhler, SPD-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Der Bundeshaushalt symbolisiert den
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7004 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Dr. Heinz KöhlerDreiklang aus Strukturreformen der Agenda 2010, derHaushaltskonsolidierung sowie der Konjunkturstärkungdurch die vorgezogene Steuerreform. Um dieses Ziel zuerreichen, haben alle Einzelpläne ihren Beitrag leistenmüssen und auch geleistet.Das war in diesem Jahr ein schwieriges Unterfangen.Ich darf mich daher ausdrücklich beim Justizministeriumbedanken, das uns von Anfang an durch gute Vorarbeitdie Arbeit leicht gemacht hat.
Das Bundesjustizministerium musste, wie bereits2003, eine globale Minderausgabe in Höhe von6,6 Millionen Euro leisten, die bei den Ansätzen beimGeneralbundesanwalt, beim Bundesverwaltungsgerichtund beim DPMA vollständig aufgelöst wurde. Der Ein-zelplan 07 ist der kleinste Haushalt. Hinzu kommt: DerJustizhaushalt ist vornehmlich ein Personalhaushalt, wasEinsparungen besonders schwierig macht. Dennoch sinddie Einnahmen gegenüber dem Vorjahr um 11,2 Millio-nen Euro gestiegen, während die Ausgaben um 1 MillionEuro niedriger sind. Damit weist der Justizhaushalt mitüber 90 Prozent die mit Abstand höchste Deckungsquoteunter den Ressorts auf.
Es war möglich, den Ausgabenansatz auf 340 MillionenEuro zurückzuführen. Der Einzelplan 07 liegt somit umgut 4 Millionen Euro unter dem Ansatz von 2003.
Meine Damen und Herren, Haushaltspolitik ist auchKonsolidierungspolitik. Konsolidierungspolitik mussStrukturreformen dienen. Konsolidierung ist keinSelbstzweck, sondern muss immer der Anpassung an diegeänderten Verhältnisse dienen und Antworten auf neueHerausforderungen geben. Im Einzelplan 07 muss sieder Modernisierung der Justiz dienen. Dies haben wirseit 1998 getan. Ich will nur zwei herausragende Bei-spiele der letzten Legislaturperiode nennen: die Schuld-rechtsreform und die ZPO-Reform.
Wir werden den eingeschlagenen Weg in dieser Le-gislaturperiode fortsetzen. Ich darf das Justizmoderni-sierungsgsetz nennen oder auch die Einführung deselektronischen Rechtsverkehrs sowie das Kostenrechts-modernisierungsgesetz, das die zum Teil 120 Jahre alteRechtsanwaltsgebührenordnung ablösen wird.
Alle diese Gesetze werden den Rechtsstaat modernisie-ren und zukunftsfest machen.Im Einzelplan 07 wurden wieder einige Schwer-punkte gesetzt. So wurde beim BGH die bedarfsge-rechte Veranschlagung der Finanzierung von Hilfskräf-ten insbesondere für die aus den Ländern abgeordnetenRichter und Staatsanwälte vorgenommen.mAtchdDtdDhsGDsnAndfauszmsKEl1nwaOd
em Institut, das noch in der Aufbauphase ist, konnteier geholfen und damit die Arbeit des Instituts unter-tützt werden.Für die Leistungen an Opfer rechtsextremistischerewalt wurden weiterhin 1 Million Euro veranschlagt.ass dieser Titel notwendig ist, zeigt am besten die Tat-ache, dass die rechtsextreme Gewalt 2002 wieder zuge-ommen hat.
llein im Jahre 2002 gab es 772 – im Vorjahr waren esur 705 – Gewalttaten bei rechtsextremen Straftaten. Mitiesem Haushaltstitel haben wir ein Zeichen für die Op-er gesetzt. Herr Barthle, es stünde der CDU/CSU gutn, diesen Titel endlich zu akzeptieren
nd gerade jetzt nach den jüngsten Ereignissen – ichage das mit Nachdruck – eine Grenze nach rechts zuiehen, waren doch 28 Gewalttaten darunter, die antise-itischer Art waren.Für den Entschädigungsfonds für die Opfer terroristi-cher Gewalt haben wir 4 Millionen Euro eingesetzt.
Kollege Köhler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Siegfried Kauder?
Ja.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass der Etat zurntschädigung von Opfern terroristischer Gewalt imetzten Haushalt 9 Millionen Euro betrug, wovon,7 Millionen Euro verwendet wurden, und dass jetzt nuroch 1 Million Euro dafür in den Haushalt eingestellterden? Sind Sie der Meinung, dass es ein Fortschrittuf dem Gebiet des Opferschutzes ist, wenn man denpfern jetzt weniger gibt, als es beim letzten Haushalter Fall war?
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Sie haben zwei Titel verwechselt. Es ist richtig, dass
für den Entschädigungsfonds für die Opfer terroristi-
scher Gewalt im letzten Jahr 9 Millionen Euro eingesetzt
wurden.
Dafür haben wir nun 4 Millionen Euro eingesetzt und
nicht 1 Million Euro, wie Sie gesagt haben. Die Summe
von 1 Million Euro haben wir für die Leistungen an Op-
fer rechtsextremer Gewalt vorgesehen.
Nach den Anschlägen von New York, auf Djerba und
auf Bali haben wir erfreulicherweise keine Opfer durch
terroristische Gewalt zu verzeichnen gehabt. Aber die
Vorgänge in Istanbul zeigen deutlich, dass die Gefahr
allgegenwärtig ist und dass wir hier vorbeugend einen
Titel aufnehmen müssen.
Der Schwerpunkt des Justizhaushaltes – geht man
von dem Einnahmevolumen aus – liegt beim Deutschen
Patent- und Markenamt. Ich stelle noch einmal fest: Das
DPMA ist für unsere Wirtschaft und den Industriestand-
ort von erheblicher Bedeutung. Deutschland ist ein
Hochtechnologieland. Wir leben von unseren Erfindun-
gen. So sind die Patentanmeldungen von 1993 bis zum
Jahr 2001 um 54,55 Prozent gestiegen. Beim Markenamt
gab es eine Zunahme der Anmeldungen von 50 083 im
Jahr 1996 auf 78 300 im Jahre 2001. Prüfung und Re-
cherche bei der Patentanmeldung gingen aber im glei-
chen Zeitraum nur um 44 Prozent nach oben, sodass die
Verfahren immer länger wurden.
Es war daher ein Wendepunkt, dass die rot-grüne
Bundesregierung mit dem Haushalt 2002 ein Zeichen
setzte und das auf drei Jahre begrenzte Stauabbaukon-
zept in Kraft setzte.
Dieses Programm hatte zum Ziel, dass
180 Prüfungsbeamte und 20 Markenprüfer im Zeitraum
von drei Jahren eingestellt werden. Dieses Ziel wird im
Haushalt 2004 mit der letztmaligen Einstellung von
60 Prüfern plus der Einrichtung von 20 Stellen für unter-
stützende Dienste erreicht. Das DPMA wird jetzt endlich
die Bugwelle, nämlich die kohlsche Altlast, die es vor
sich herschiebt, abbauen können.
Zum Schluss gilt mein Dank den Mitberichterstattern
der anderen Fraktionen, die konstruktiv mitgewirkt ha-
ben, sodass die Behandlung des Einzelplans 07 kein Pro-
blem darstellte.
Herzlichen Dank.
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m Aktienrecht und im Finanzmarktrecht müssen diempfehlungen der Kommissionen zur Corporate Gover-ance umgesetzt werden.Frau Ministerin, am 31. Dezember 2004 läuft eineichtige Frist im HGB ab.
enn dann müssen wir die Bilanzierungsregeln neu be-timmt haben, insbesondere die für international tätigeonzerne. Da ist bislang noch nichts geschehen. Icheiß nicht, wie Sie sich das vorstellen. Wollen Sie ge-auso arbeiten wie der Finanzminister, nämlich Gesetzerst am 19. Dezember im Bundestag verabschieden, dieann schon ab 1. Januar gelten sollen? Das geht im Bi-anzrecht nicht; denn da brauchen Sie lange Vorlaufzei-en. Kommen Sie deswegen bitte bald mit dem Konzern-ilanzrecht über! Denn das braucht die deutschenternational tätige Wirtschaft auf jeden Fall.
Generell ist auch wichtig, das Wirtschaftsrecht an dieeuen technischen und europarechtlichen Entwicklun-en der vergangenen Jahre anzupassen. Besondere An-trengungen sind von der Bundesjustizministerin auf
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Rainer Funkedem Weg zu einer einheitlichen europäischen Rechts-ordnung und Rechtspolitik zu erwarten. Parallel zu derEinführung eines europäischen Haftbefehls müssen ver-stärkte Anstrengungen unternommen werden, um in Eu-ropa zu einem einheitlichen Straf- und Strafprozessrechtmit einheitlichen strafprozessualen Verfahrensgarantienzu gelangen.
Frau Ministerin, wir haben uns in der letzten Legisla-turperiode – im Übrigen interfraktionell – im Zusam-menhang mit einem neuen Betreuungsrecht großeMühe gemacht. Frau von Renesse von der sozialdemo-kratischen Partei ist da besonders aktiv gewesen. Ichdanke ihr an dieser Stelle für ihre Arbeit.
Damit diese Arbeit auch umgesetzt werden kann,braucht es ein neues Betreuungsrecht, und zwar schnell.Der Bundesrat will zwar eine entsprechende Novellie-rung vorlegen. Diese Novellierung ist aber rein fiska-lisch bestimmt, was man zum Beispiel an den Vollmach-ten für Familienangehörige erkennen kann; das ist eineZwangsvollmacht. Das kann ja wohl nicht im Sinne die-ses Hohen Hauses sein. Insoweit bitte ich darum, dasswir hier wieder interfraktionell tätig werden, um das Be-treuungsrecht zu novellieren.
Ich bin mir auch sicher, dass wir dies hier gemeinsamim Konsens schaffen können. Überhaupt hoffe ich, dasswieder mehr Gesetze im Konsens verabschiedet werdenkönnen. Dies ist in der letzten Wahlperiode aus den be-kannten Gründen leider versäumt worden. Jetzt muss dieChance ergriffen werden, um wichtige Reformprojektein diesem Haus gemeinsam voranzubringen. Beim Kos-tenrechtsmodernisierungsgesetz ist ein guter Anfanggemacht worden. Zuversichtlich bin ich auch beim Op-ferschutz; da haben alle Fraktionen sehr sinnvolle Vor-schläge unterbreitet. Es wäre sehr zu wünschen, wennsich dieser Stil im Bereich der Rechtspolitik in den kom-menden Jahren durchsetzen würde.Es verwundert aber, dass das Bundesjustizministe-rium in letzter Zeit seine Funktion als Hüter der Verfas-sung bzw. als Wahrer der Rechtsförmlichkeit bei Bun-desgesetzen immer weniger wahrnimmt. Ein Beispiel istder Bundeshaushalt; denn wir werden einen Bundes-haushalt von Ihnen verabschiedet sehen, der verfas-sungswidrig ist.
Ich hätte eigentlich erwartet, dass die Bundesjustiz-ministerin dem Einhalt gebietet. Vielleicht ist sie abergegenüber dem Bundesfinanzminister nicht stark genug.WeFGHnHddadvlTBRDfvsKG
ir sollten ihr wenigstens den Rücken stärken, damit sieinmal gegen verfassungswidrige Gesetze vorgeht.Viele Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Christian Ströbele,
raktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
err Kollege Barthle, Ihnen kann ich meinen Dank jetzt
icht abstatten, weil Sie sich der Diskussion dieses
aushalts und selbst der Diskussion des Etats des Bun-
esverfassungsgerichts verweigern. Ich weiß nicht, wie
as Bundesverfassungsgericht im nächsten Jahr weiter
rbeiten sollte, wenn man dem konsequent folgen würde.
Wenn Sie sich mit dem Haushalt beschäftigt hätten,
ann hätten Sie beispielsweise im Haushalt des Bundes-
erfassungsgerichts gefunden, dass dieses Gericht ledig-
ich 8 000 Euro im Jahr für Öffentlichkeitsarbeit ausgibt.
rotzdem ist der Ruf dieser Verfassungsinstitution in der
evölkerung der Bundesrepublik Deutschland – zu
echt – ganz hervorragend.
as zeigt, dass man bei guter Sacharbeit kein Geld oder
ast kein Geld für Öffentlichkeitsarbeit braucht.
Aber auch der Etat des Bundesjustizministeriums ist
orbildlich; auch das hätten Sie sehen können, wenn Sie
ich mit dem Haushalt beschäftigt hätten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage desollegen Benneter?
Ja.
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Herr Kollege Ströbele, sehe ich das richtig, dass dasBundesverfassungsgericht nicht so umfassend umgebautwurde wie andere Bundesbehörden?
Das ist richtig. Das war beim Bundesverfassungsge-richt auch nicht notwendig, weil, wie wir alle wissen,das Bundesverfassungsgericht unendlich viel für die Be-völkerung und für den Rechtsstaat leistet. Wenn maneinmal in Vergleich setzt, was das Bundesverfassungsge-richt die Bevölkerung kostet und was dabei heraus-kommt, dann muss man feststellen, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei dieser Institution besonders her-vorragend ist.
Wenn Sie sich mit dem Haushalt des Bundesministe-riums der Justiz befasst hätten, dann hätten Sie festge-stellt, dass das ein ganz vorbildlicher Haushalt ist. DieserHaushalt ist, wenn ich das richtig überschlagen habe, dereinzige Haushalt, der sich in diesem hohen Maße selbstfinanziert.
Das geschieht in einer Weise, dass ganze Bereiche sogarGewinne erwirtschaften.
Das Bundesjustizministerium nimmt insgesamt etwa dieHälfte des Geldes ein, das ausgegeben wird. Insofern istder Haushalt dieses Ministeriums vorbildlich.Aber auch die Politik, die das Bundesjustizministe-rium gemeinsam mit den Koalisationsfraktionen macht,kann sich sehen lassen.
Wir haben im ersten Jahr dieser Legislaturperiode Her-vorragendes auf den Weg gebracht, Hervorragendes ge-leistet. Leider haben Sie Ihre Hauptaufgabe darin gese-hen, das immer wieder im Bundesrat anzuhalten, wiezum Beispiel bei der sehr schwierigen Gesetzesgeburtdes § 129 a StGB. Ich gebe zu, da habe auch ich großeProbleme gehabt. Wir waren von der EuropäischenUnion verpflichtet, diesen Paragraphen neu zu gestaltenund ihn an den Vorgaben der Europäischen Union zumessen. Wir haben diese Aufgabe in vollem Umfangeerfüllt und haben darüber hinaus das Versprechen einge-halten, dass wir aus den Vorgaben der EuropäischenUnion nicht nur die Verschärfungen, sondern auch dieTeile übernehmen, die mehr Rechtsstaat in die bundes-deutsche Gesetzgebung hineinbringen können. Wir sindnicht so vermessen, dass wir denken, die bundesdeut-schen Gesetze seien die vorbildlichsten Gesetze in ganzEuropa, sondern prüfen alle Vorgaben ganz genau.MroivdkgnlVugvBnwwggaBgksdGs–cgneBarDo–APdjv
hne uns an einem Straftatenkatalog zu orientieren. Dasst ein Fortschritt. Viele frühere Regierungen haben dasersucht; es ist ihnen aber nicht gelungen. Ich glaube,as Ergebnis kann sich sehen lassen. Es gibt überhaupteinen Grund, warum Sie das Gesetzgebungsverfahrenestoppt haben, warum es im Bundesrat hängt und nochicht verabschiedet werden konnte.
Aufgabe der Justiz, der Justizministerin und der Koa-ition ist es, dafür zu sorgen, dass die gesellschaftlicheneränderungen in den Gesetzen Berücksichtigung findennd die Gesetzeslage den gesellschaftlichen Veränderun-en angepasst wird. Wir haben in einer ganzen Reiheon Bereichen Änderungen vorgenommen, wie zumeispiel beim Kostenrecht; das haben Sie schon ge-annt. Die Änderung beim Kostenrecht ist für die An-älte, aber auch für die Justiz und die Gerichte sehrichtig. Gemeinsam mit Ihnen haben wir die Anwalts-ebühren etwas angehoben und auf diese Weise ange-lichen. Das war richtig und vernünftig. Leider hängtuch dieser Entwurf im Bundesrat. Wir hoffen, dass dieedenken, die vor allen Dingen von den von Ihnen re-ierten Bundesländern kommen, ausgeräumt werdenönnen,
odass wir die von der Justiz, vor allem aber auch vonen Anwälten seit langem erwartete und benötigte neueebührenordnung endlich verabschieden und ins Ge-etzblatt aufnehmen können.
Als weiteres Vorhaben der Gesetzgebung steht anHerr Kollege Funke, das haben Sie bereits angespro-hen –, auch die Strafprozessordnung der verändertenesellschaftlichen Situation anzupassen. Ich hatte vor ei-igen Tagen das etwas zweifelhafte Vergnügen, wiederinmal in einem Gerichtssaal zu sitzen.
ei dieser Gelegenheit habe ich wieder gesehen, was ichus 30-jähriger Praxis als Rechtsanwalt kenne: Die Ge-ichte haben über moderne Sachverhalte zu entscheiden.azu zählen zum Beispiel Themen wie Kommunikati-nsarten, Kommunikations- und Verhandlungsmittelhier ist der genetische Fingerabdruck sowie dessennwendung zu nennen –, der IMSI-Catcher oder dierepaid-Card, hinsichtlich der die Frage zu klären ist, obie Anwendung verfassungsgemäß ist oder nicht.Das Verfahren vor Gericht läuft aber noch wie eh unde ab. Man trifft noch immer auf eine Protokollführerin,on der man den Eindruck hat, sie komme von Kleists
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Hans-Christian StröbeleDorfrichter Adam. Sie sitzt zwar nicht mehr mit Kielund Tintenfass, aber doch mit dem Griffel in der Handdort und soll auf alte Weise die Gerichtsverhandlungwiedergeben und Protokoll führen. Ich denke, das ist einBeispiel dafür, dass unsere Strafprozessordnung in vie-len Bereichen modernisierungsbedürftig ist. ModerneKommunikationsmittel müssen Eingang in die Gerichts-säle finden.
Auch deshalb müssen wir unsere Strafprozessordnungverändern. Daran arbeiten wir und werden Ihnen inBälde den Wunsch erfüllen und einen vernünftigen Vor-schlag vorlegen.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen, beidem vielleicht keine so große Begeisterung aufkommenwird. Wir halten es für richtig, ein Antidiskriminie-rungsgesetz zu verabschieden. Gott sei Dank hat dieSPD auf ihrem Parteitag dazu einen sehr vernünftigenBeschluss gefasst, wonach wir ein umfassendes Antidis-kriminierungsgesetz schaffen müssen, das alle Diskrimi-nierungstatbestände aufnimmt und sanktioniert.
Das war dringend erforderlich. Ein solches Gesetz gibtes in vielen anderen Ländern der Erde, das muss es auchin der Bundesrepublik Deutschland geben. Das gehört zueiner fortschrittlichen Gesetzgebung einfach dazu.
Ich komme zum Abschluss auf eine wichtige gesell-schaftliche Entwicklung zu sprechen. Wir sind zu einerrelativ späten Abendstunde hier versammelt. Ich gehedavon aus, dass die eine oder der andere von denen, diehier sitzen, anschließend ein Glas Wein oder ein GlasBier trinken wird, vielleicht auch zwei oder drei Gläser.
Gestatten Sie zuvor eine Zwischenfrage des Kollegen
Fricke?
Nein, ich möchte das gerne zu Ende führen.
Wie gesagt: Ich gehe davon aus, dass der eine oder
andere ein Glas Wein oder ein Glas Bier zu sich nehmen
wird, um sich anschließend mit einem kleinen Räusch-
chen oder einem kleinen Rausch von der anstrengenden
Arbeit als Bundestagsabgeordneter zu entspannen.
Ich gönne es Ihnen, obwohl ich weiß, dass es gesund-
heitsschädlich ist und dass in der Bundesrepublik
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Wir wissen, dass das im Bundestag noch keine über-
ältigende Mehrheit findet. Wir setzen uns aber weiter
afür ein. Es gibt bereits erste ganz kleine Ansätze in un-
erer Koalitionsvereinbarung.
Kollege Ströbele, Sie reden so lange, dass unser Fei-
rabend, von dem Sie immerfort reden, gar nicht mehr
rreichbar ist.
Dadurch kann ich vielleicht viele, die anschließend
auchen oder trinken gehen würden, davon abhalten.
ielleicht tue ich ihnen damit etwas Gutes.
Herr Präsident, ich will damit abkürzen. Ich halte es
ür eine der großen gesellschaftlichen Lügen und Unge-
echtigkeiten, dass diese verschiedenen Suchtmittel so
ngleich behandelt werden. Die gefährlicheren Sucht-
ittel erlaubt man und die anderen stellt man unter er-
ebliche Strafe. Deren Genuss und Besitz in größeren
engen ist verboten.
Ich erteile Kollegin Andrea Voßhoff, CDU/CSU-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!err Kollege Ströbele, bevor wir uns mit den Räusch-hen und dem Rausch beschäftigen, muss ich Ihnen sa-en, dass ich in Ihren Ausführungen etwas vermisstabe. Sie haben sich und die Regierungskoalition gelobt.ie Politik könne sich mit dem, was sie alles auf den
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Andrea Astrid VoßhoffWeg gebracht hat, sehen lassen. Was ist denn mit denGraffitis und der Schließung der Strafbarkeitslücke?
In einer der letzten Debatten hat der Kollege Stünker ge-sagt, es gebe eine quälende Diskussion mit den Grünen.Auf diesem Gebiet ist bei Ihnen leider noch nichts pas-siert. Die Menschen warten darauf.
Aus Zeitgründen verbinden wir die heutige Haus-haltsdebatte über den Einzelplan der Justiz mit der ab-schließenden Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zurÄnderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften. Ichbitte deshalb um Verständnis, dass ich nicht zum Haus-halt, sondern zu diesem, wie ich finde, nicht unwichtigenGesetzesentwurf reden möchte.Es geht bei diesem Gesetz wieder einmal um die Ver-längerung von Antragsfristen zur Rehabilitierung derOpfer der SED-Diktatur. Die Zeit drängt deshalb, weildie Fristen der strafrechtlichen, verwaltungs- und berufs-rechtlichen Rehabilitierung von Opfern der SED-Dikta-tur zum Jahresende 2003 auslaufen. Es ist ja wahrlichnicht das erste Mal, dass wir kurz vor Toresschluss übereine Verlängerung von Antragsfristen in diesem HohenHause beraten. Alle beteiligten Kollegen und auch diebetroffenen Opferverbände wissen dies – leidvoll, mussich dazusagen.Das Spannungsfeld, mit dem wir es hier konkret zutun haben, ist auf der einen Seite die Frage nach derrechtlichen Notwendigkeit, Ausschlussfristen gesetzlichfestzulegen, damit ein überschaubarer Zeitrahmen fürdie Rechtsgemeinschaft erkennbar ist und auch der Fi-nanzierungsbedarf verlässlicher festgestellt werdenkann. Auf der anderen Seite stehen aber die Opfer desSED-Regimes, deren Schicksale, denen wir gerecht wer-den müssen, uns in besonderer Weise verpflichten. Dazugehört deshalb auch der sorgfältige Umgang mit derFrage, ob und wann wir es zulassen wollen, dass berech-tigte Ansprüche als verfristet anzusehen sind; denn miteiner Verfristung droht den Opfern der dauerhafte Aus-schluss von Rehabilitierung und Ausgleichsleistung unddamit auch die Gefährdung der mit dem Rehabilitie-rungsgesetz beabsichtigten Intention.Meine Damen und Herren Kollegen von der Regie-rungskoalition, in der dazu notwendigen sensiblen Ab-wägung kann ich es Ihnen nicht ersparen, Ihnen in Ihrrechtspolitisches Stammbuch zu schreiben, dass Sie beiden Antragsfristen in der Vergangenheit leider keineklare Linie im Interesse der betroffenen Opfer haben er-kennen lassen. Sie haben vielmehr einen rechtspoliti-schen Zickzackkurs hingelegt.
Noch vor zwei Jahren hat die SPD an dieser Stelle er-klärt – Herr Kollege Hacker, Sie waren das –, es bedürfelediglich einer Verlängerung der Fristen zur strafrechtli-chen Rehabilitierung, und zwar nur noch bis zumJahr 2003.EvnRAgasuebeARDc2VssarAdRiJkrnrL2stlAgbda
ine Verlängerung der Fristen bei der beruflichen underwaltungsrechtlichen Rehabilitierung haben Sie alsicht mehr notwendig erachtet.Sie haben deshalb unseren Antrag im Jahr 2001 imechtsausschuss, mit dem wir die infrage kommendenntragsfristen generell bis 2006 verlängern wollten, ab-elehnt. Es waren der Bundesrat und der Vermittlungs-usschuss, Herr Kollege Hacker, die diese falsche Ent-cheidung, die Sie dann getroffen haben, aufgehaltennd eine Verlängerung auch der anderen Fristen bis 2003rreicht haben.
Im Koalitionsvertrag von Rot-Grün vom Okto-er 2002, also knapp ein Jahr später, haben Sie erneutine völlige Kehrtwende vollzogen. Darin war von denntragsfristen der strafrechtlichen Rehabilitierung keineede mehr.
afür sollten aber wieder die Antragsfristen der berufli-hen und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung bis006 verlängert werden.
Neben dem erneuten Hin und Her bei der Frage dererlängerung war dies auch inhaltlich ein falscher An-atz; denn gerade dem Personenkreis, der durch Haft be-onderer Verfolgung ausgesetzt war, sollte, weil nötig,uch über 2003 hinaus die Möglichkeit einer Rehabilitie-ung eingeräumt werden.
ußerdem ist die strafrechtliche Rehabilitierung oftmalser Einstieg für die berufliche und verwaltungsrechtlicheehabilitierung.Für die Notwendigkeit sprechen die Antragszahlenn allen drei Bereichen; das wissen Sie. Diese sind in denahren 2002 und 2003 nicht zurückgegangen, sondernontinuierlich auf hohem Niveau geblieben. Bei den Ge-ichten der neuen Länder gingen allein im Jahr 2002och über 4 000 Anträge auf strafrechtliche Rehabilitie-ung ein. Bei den Regulierungsbehörden der neuenänder gingen im Jahr 2002 insgesamt noch über700 Anträge auf Entschädigungsleistungen nach dertrafrechtlichen, über 4 500 Anträge nach der verwal-ungsrechtlichen und über 6 700 Anträge nach der beruf-ichen Rehabilitierung ein.Die Zahl derjenigen Betroffenen, die von ihrenntragsmöglichkeiten bislang noch keinen Gebrauchemacht hat, ist offenbar nicht gering. So habeneispielsweise nach Schätzungen des thüringischen Lan-esbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheitllein in Thüringen 4 000 bis 5 000 SED-Opfer noch
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Andrea Astrid Voßhoffkeinen Antrag gestellt. Die Ursachen dafür sind vielfäl-tig. Dabei geht es nicht allein um die noch immer vor-handene Unkenntnis der Opfer ob der Gesetzeslage, derpraktischen Probleme der Antragstellung oder der Frage,welche Behörde zuständig ist. Es fehlt vielen Betroffe-nen auch 13 Jahre nach der Wende noch die Kraft, sichim Rahmen des Antragsverfahrens nochmals mit derpersönlichen Vergangenheit und dem erlittenen Schick-sal auseinander zu setzen.Wir müssen den Menschen, die bisher nicht die Krafthatten, Anträge zu stellen, weitere Zeit geben, um sie vordem Verlust berechtigter Ansprüche zu bewahren. Dassind wir ihnen auch 13 Jahre nach der Wende schuldig.
Deshalb haben die Länder Sachsen, Thüringen undSachsen-Anhalt einen Bundesratsantrag in den Bundes-tag eingebracht und um erneute Verlängerung gebetenbzw. sie eingefordert. Dass wir uns schließlich interfrak-tionell auf den heutigen Gesetzentwurf verständigenkonnten, begrüße ich ausdrücklich.
Zu begrüßen ist aber insbesondere, meine Damen undHerren von den Regierungsfraktionen, dass Sie sich vonIhren engen Befristungen lösen und zusammen mit derCDU/CSU und der FDP die Antragsfristen in den dreiRehabilitierungsgesetzen bis zum 31. Dezember 2007verlängern wollen. Auch ist es zu begrüßen, dass dieAusgleichsleistungen für die berufliche Rehabilitierung,wenn auch nur gering, aber dennoch um den Inflations-ausgleichsbetrag angehoben wurden.Mit dem vorliegenden gemeinsamen Gesetzentwurfverbinden wir auch die Hoffnung, dass bei der dringenderforderlichen Pensionsanhebung für SED-Opfer eingemeinsamer Weg gefunden wird. Diese sind bekannt-lich seit dem Rentenurteil des Bundesverfassungsge-richts gegenüber ehemaligen staatsnahen Personen bishin zu Stasimitarbeitern erneut ins Hintertreffen geraten.
Es gilt, eine Gerechtigkeitslücke in dieser Frage – daswissen Sie – abzumildern. Bundespräsident JohannesRau und der damalige Bundesratspräsident und Minis-terpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer,hatten sich bereits in der Feierstunde im Reichstag zur50. Wiederkehr des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953in diesem Jahr für eine Besserbehandlung der SED-Op-fer ausgesprochen.Jedem von uns ist bewusst, dass wir dadurch das inder DDR begangene Unrecht nicht ungeschehen machenkönnen. Wir können gestohlene Lebenszeit und Lebens-chancen nicht zurückgeben. Wir sollten aber gemeinsamversuchen, die bestehende Gerechtigkeitslücke zumin-dest abzumildern.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Joachim Hacker,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iebe Frau Voßhoff, in der letzten Runde haben Sie dieurve gerade noch geschafft
nd das Ziel gefunden, auf das wir gemeinsam losgegan-en sind, nämlich in dieser Gesetzgebung einen gemein-amen Standpunkt zu suchen. Das ist uns auch gelungen.oweit Sie die Problematik, um die es hier geht, darge-tellt haben, nämlich die Verlängerung der Antragsfris-en in den drei Rehabilitierungsgesetzen über den1. Dezember 2003 hinaus bis zum 31. Dezember 2007,st das richtig.Genauso richtig ist die Bewertung, dass wir für dieeruflich Rehabilitierten eine Erhöhung der Entschädi-ungsleistungen einführen. Für die Menschen, denen eseute auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht guteht und bei denen die Folgen der politischen Verfol-ung nachwirken, ist das wichtig. Wir erhöhen diese Be-räge von bisher 153 Euro auf 184 Euro pro Monat. Füriejenigen, die bereits Rente erhalten, wird der Betragon 102 Euro auf 123 Euro pro Monat angepasst.Die Antragsfristverlängerung ist mit erheblichen fi-anziellen Aufwendungen verbunden. Das ist nach unse-en heutigen Berechnungen – die Summe kann sicherlichrst anhand der eingehenden Anträge genau bezifferterden – vielleicht ein Betrag von 24 Millionen Euro.uch die zusätzlichen Leistungen im Rahmen der beruf-ichen Rehabilitierung bewegen sich in einer Größenord-ung von jährlich ungefähr 230 000 Euro für die von derED-Diktatur verfolgten Menschen. Diese Beträge sindicht unbedeutend.Ich stimme mit Ihnen überein, dass wir mit all dieseneistungen das Schicksal nicht ungeschehen machenönnen, aber wir sind gefordert, Hilfe in dem Rahmen zueben, in dem wir sie leisten können.Frau Voßhoff, Sie sollten keine Legenden bilden, in-em Sie sagen, wir hätten die Problematik der Fristenicht im Auge gehabt. Ich habe immer gesagt und tueas heute wieder: Leute, die ihr in der DDR verfolgtart, stellt Anträge! Wartet nicht darauf, dass der Ge-etzgeber irgendwann neue Antragsfristen regelt! Stellture Anträge und nehmt eure Rechte wahr! Das ist meinppell an die Betroffenen und vor allen Dingen an dierganisationen, die sich mit vielen Briefen an uns wen-en. Sie sollen den Menschen helfen, damit die Leute zuhrem Recht kommen, zu einem Recht, das wir geschaf-en haben.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7011
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Hans-Joachim HackerIch will deutlich sagen: Der heutige Gesetzentwurf, deram Ende zum Glück fraktionsübergreifend gestaltetwurde, ist eine Initiative der SPD-Bundestagsfraktionund der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hier imParlament. Ich freue mich, dass wir am Ende zu einemErgebnis gekommen sind, das alle Fraktionen mittragen.Das sage ich insbesondere in Richtung der FDP.
Der politische Streit, der bei anderen Gesetzesvorha-ben zum Kriegsfolgenrecht und zum SED-Unrecht ge-führt worden ist, darf nicht auf dem Rücken der Betrof-fenen ausgetragen werden. Wir haben kein Recht dazu,hier unser politisches Süppchen – das brauche ich nichtzu erklären, denn das ist nicht unsere Politik – zu ko-chen, und das zulasten von Betroffenengruppen.Die Verbesserung der Situation der Opfer der SED-Diktatur – Frau Voßhoff, das will ich hier noch einmaldeutlich hervorheben – hat uns von der SPD immer amHerzen gelegen. Wir haben die Gesetzgebung in den90er-Jahren aus Verantwortung mitgetragen. Wir alle ha-ben damals den Widerstand des Finanzministers ertragenmüssen. Sie, Herr Funke, haben damals die Verhandlun-gen geführt. Wir wissen, dass die Rahmengesetzgebungder 90er-Jahre unbefriedigend war.Wir haben nach der Regierungsübernahme die Zusa-gen eingelöst und im Jahr 1999 die Defizite und deutli-chen Ungerechtigkeiten, die in der Gesetzgebung der90er-Jahre entstanden waren, abgestellt. Wir haben dieKapitalentschädigung auf einheitlich 600 DM – ichnenne noch die DM-Beträge, die damals im Gesetz ge-standen haben – erhöht. Wir haben einer Gruppe Hilfezuteil werden lassen, die besonders stark von Verfol-gungsmaßnahmen betroffen war, nämlich den Angehöri-gen derjenigen, die in der politischen Haft umgekommensind. Denjenigen, die sonst nur in Sonntagsreden be-dacht werden, haben wir 1999 geholfen. Wir haben auchden Angehörigen der Opfer der Mauer geholfen, die nurwenige 100 Meter von hier erschossen worden sind.1999 haben wir erstmals eine Regelung für die Entschä-digung eingeführt, eine Ausgleichsleistung für die Ange-hörigen.Ein anderer Punkt, den Kollegen aus Ihrer Fraktionhier immer wieder aufgreifen, ist die Entschädigungfür die Zwangsdeportierten, die wir mit der Gesetzge-bung des Jahres 1999 geschaffen haben. Wir haben dieLeistungen deutlich verbessert. Wir haben die spärlicheSumme von 300 000 DM im Jahr, die Sie, Herr Funke,eingestellt haben, auf 1,5 Millionen DM erhöht.
Wir haben in der Haushaltsberatung 2001 nochmals Mil-lionenbeträge bewegt.Wir wissen alle, dass diese Maßnahmen vielen nichtausreichend erscheinen, aber das sind Zahlen, die sichsehen lassen können. Uns muss es darauf ankommen,dass die Menschen jetzt endlich zu ihrem Recht kom-mOSgfwMhkgndKdmstdzgkrE–zhhswsenk
Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Götzer von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undollegen! Ich habe mit dieser Lesung ein Problem. Seiter ersten Lesung im September ist im Grunde genom-en auf dem Gebiet der Rechtspolitik fast nichts pas-iert. Es gibt fast nichts Neues. Die rot-grüne Rechtspoli-ik kommt einfach nicht in Gang. Vielleicht liegt es anem grünen Sand im Getriebe; ich weiß es nicht. Die Sit-ungen im Rechtsausschuss werden immer kürzer. Esibt kaum federführende Initiativen. Die Regierungs-oalition übernimmt identisch Vorlagen von der Bundes-egierung als ihre Entwürfe.
s gibt nicht allzu viele, die der Rede wert wären.
Wir holen euch bald ein. Wenn ich einmal Bilanziehe, wie viele Gesetzentwürfe die Union eingebrachtat, dann sieht die Regierungskoalition ganz alt aus. Ichabe mich vorher darüber informiert. Sonst hätte ich daso nicht gesagt.
Liebe Frau Ministerin Zypries, vielleicht ist es dochahr, dass der Bundeskanzler gesagt hat, nach denchwierigen Jahren mit Ihrer Vorgängerin möchte er erstinmal so wenig wie möglich aus dem Bundesjustizmi-isterium hören. Liegt es daran, dass wieder Ruhe ein-ehrt?
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7012 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Dr. Wolfgang GötzerOder nimmt die Lust einfach ab, wenn man sich mitideologischen Querschlägern und Grabenkämpfern derganz alten Schule,
Herr Kollege Ströbele, immer wieder zusammenraufenmuss, was offensichtlich nicht von Erfolg gekrönt ist?
Ich weiß es nicht.
– Ich habe es jetzt leider nicht gehört, sonst würde ichgern mit lachen, Herr Ströbele.
Liebe Frau Ministerin, ich biete Ihnen Zusammenar-beit an. Das hat in ein paar Bereichen schon ganz gutfunktioniert,
beispielsweise beim Kostenrechtsänderungsgesetz, ins-besondere beim RVG. Ich denke, es gibt ein paar Fragen,bei denen wir uns durchaus gut verstehen und zu gutenErgebnissen kommen können.
Erwähnenswert wäre vielleicht seit der ersten Lesungim September das Opferrechtsreformgesetz. In derletzten Sitzungswoche hatten wir darüber eine Debatte.Der Kollege Dr. Röttgen hat eindrucksvoll dargelegt,dass es in großen Teilen mit dem Entwurf der Unionidentisch ist.In dem Fall möchte ich die Gelegenheit nutzen, liebeFrau Zypries, etwas zum Thema Stil zu sagen. Es darfnicht einreißen, dass die Länder zur Stellungnahme nurnoch eine so kurze Frist bekommen, wie das gerade beidiesem Gesetz der Fall war. Hier hatte man in der Som-merpause nur ein paar Tage Zeit, um die Sicht der Län-der einzubringen. Ich glaube, wenn man ernsthaft an ei-ner Zusammenarbeit interessiert ist, sollte man dasausweiten und die Frist etwas großzügiger gestalten.
– Ach, da sind Sie. Schön, dass auch Sie da sind, meineDamen und Herren von der SPD. Sie kommen ja in derRechtspolitik nicht vor. Deswegen nehmen wir Sie alsVertreter von Rot-Grün kaum wahr, liebe Kolleginnenund Kollegen von der SPD und vom Bündnis 90/DieGrünen.sDsfbsmdkagDbmhdjüfduDaUstetenSliAsVVleMs
Frau Ministerin, Sie haben in der ersten Beratung aus-eführt:Wir haben unseren Beitrag zur Bekämpfung des in-ternationalen Terrorismus geleistet.ie Umsetzung des Rahmenbeschlusses hätte allerdingsereits zum 31. Dezember vergangenen Jahres erfolgenüssen.
Was meint die Ministerin mit der Formulierung „Wiraben geleistet“? War das schon alles? Das geht doch beier Bekämpfung des Terrorismus nicht an. Gerade diengsten terroristischen Anschläge zeigen, dass die Ge-ahr seit dem 11. September unverändert groß ist undass wir alles tun müssen, um auch in diesem Bereichnserer Pflicht als Gesetzgeber in der Bundesrepublikeutschland Genüge zu tun.
Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses reicht nichtus und setzt falsche Signale. Es ist keine Eins-zu-eins-msetzung in deutsches Recht erfolgt. In dem Beschlussind nämlich viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthal-n. Diese in Gesetzessprache umzusetzen würde bedeu-n, Rechtsunsicherheit zu schaffen. Wir werden erken-en, dass dieses Gesetz nicht justiziabel ist.Der neue § 129 Abs. 2 StGB legt die Hürden für dietrafbarkeit extrem hoch. Das führt zu einer Entkrimina-sierung terroristischen Verhaltens.
ußerdem besteht eine Lücke hinsichtlich der terroristi-chen Einzeltäter.Die Forderung im Rahmenbeschluss ist eindeutig.erlangt wird die Brandmarkung jedes terroristischenerhaltens. Nach dem Willen der Bundesregierung sol-n aber nur die Gründung, die Unterstützung und dieitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen strafbarein.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7013
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Dr. Wolfgang Götzer
Das heißt, der terroristische Einzeltäter wird nicht härterals jeder andere Straftäter bestraft.
Auch künftig bleibt es im Übrigen dabei – wir habendas immer wieder thematisiert –, dass in Deutschlandstraffrei für Terrororganisationen geworben werden darf.Ich halte das für einen unerträglichen Zustand.
Dieser Gesetzentwurf bringt keine Verbesserung, son-dern Verschlechterungen. Das ist auch seinerzeit in derSachverständigenanhörung deutlich geworden.Ich möchte noch etwas zum Thema innere Sicherheitanmerken und bitte Sie, etwas ernster zu werden; dennangesichts der Bedrohung durch den Terrorismus hörtbei diesem Thema der Spaß auf.Sie haben sicherlich verfolgt, was gestern der Vorsit-zende Richter Breidling anlässlich des Urteils im Pro-zess gegen ein Mitglied der islamistischen Terrorgruppeal-Tawhid zur Kronzeugenregelung ausführte. Ich zi-tiere aus dem Vorwort des gestrigen Urteilsspruchs:In diesem Zusammenhang sei mit allem Ernst ausder Erfahrung nun auch mit diesem Strafverfahrenangemerkt: eine Kronzeugenregelung ist zur Be-kämpfung des organisierten Terrorismus unver-zichtbar ... Die fehlende Möglichkeit der gesetzlichabgesicherten Zusage einer Vergünstigung er-schwert, ja behindert die Aufklärung begangenerund die Verhinderung weiterer terroristischer Straf-taten … Deshalb geht der dringende Appell an denGesetzgeber, sich aufgrund der Erfahrungen mit
Mich würde im Übrigen interessieren, was Sie zu einerrechtspolitischen Debatte sachkundig beizutragen haben.
Wir werden unverzüglich einen erneuten Vorstoß un-ternehmen und einen entsprechenden Gesetzentwurf ein-bringen.DdcSGWzgfeSglin–nnarbZSsszgdwsrTdhwßdGd
enn dieser dringende Appell des Vorsitzenden Richterses OLG Düsseldorf spricht für sich.Das Thema Graffiti ist heute schon kurz angespro-hen worden. Hier herrscht ein unglaublicher Zustand.eit Jahren drängen wir darauf, dass endlich ein griffigesesetz verabschiedet wird.
ir brauchen nur eine ganz kleine Änderung. Vor kur-em wurde uns vom Parlamentarischen Staatssekretär,laube ich, avisiert, man könne sich mit der Bundesrats-ormulierung anfreunden. Was ist dann geschehen, ver-hrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün? Seit derommerpause hat es kein Berichterstattergespräch mehregeben. Hier tut sich gar nichts; das ist doch unglaub-ch.
Auch beim Antidiskriminierungsgesetz tut sichichts, worüber wir allerdings nicht weiter traurig sind.
Herr Kollege Ströbele, die Parteitagsbeschlüsse kön-en Sie im Aktenordner abheften. Ich hoffe, dass sieicht umgesetzt werden. Hierbei setzen wir jedenfallsuf die Bundesjustizministerin.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zum Sanktionen-echt ist ein Referentenentwurf eingebracht worden, derei der Justizministerkonferenz nicht gerade auf großeustimmung gestoßen ist. Angesichts der abgegebenentellungnahmen stehen die Chancen für eine Umsetzungchlecht.Ich möchte die vielen anderen Defizite nicht mehr an-prechen. Mir ist es tatsächlich gelungen, meine Rede-eit nur mit dem auszufüllen, was Sie in letzter Zeit nichteschafft haben. Ihre Bilanz ist dürftig. Es fehlt Ihnen iner Rechtspolitik an Gestaltungskraft und Gestaltungs-illen. Deswegen
ind wir der Meinung, dass wir die Rede, Frau Ministe-in Zypries, die Sie an der Humboldt-Universität zumhema Embryonenschutz und den sich aus Art. 1 und 2es Grundgesetzes ergebenden Grundrechten gehaltenaben und die aus unserer Sicht einen völligen Kurs-echsel an der Spitze des BMJ bedeutet, nicht nur au-erhalb des Parlaments diskutieren sollten. Ich bitte Sieaher, dies auch im Parlament anzusprechen, damit wirelegenheit haben, im Rechtsausschuss darüber zu re-en.
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Dr. Wolfgang GötzerDas Thema ist sehr wichtig. Hier gilt es, wachsam zusein. Ich freue mich auf eine Erörterung dieser elementa-ren Frage.Vielen Dank
Für die Bundesregierung spricht jetzt die Ministerin
Brigitte Zypries.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Herr Funke, herzlichen Dank, dassSie die Bedeutung des Haushalts der Justiz hier so plas-tisch dargestellt haben. Sie haben Recht: Die Justiz istwirklich ein sehr wichtiger Faktor in dieser Republik.
Wir brauchen eine funktionierende Justiz, um denRechtsstaat zu erhalten.Ich bedanke mich bei allen Berichterstattern rechtherzlich dafür, dass sie den Haushalt meines Bundesmi-nisteriums so sachgerecht, kompetent und offen mit unsberaten haben, sieht man einmal von ganz wenigen Aus-nahmen ab.
Ich bedanke mich auch herzlich bei den Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern meines Hauses, die die entschei-denden Vorarbeiten dafür geleistet haben.
Dank Ihrer Beratung in der Bereinigungssitzung am13. November, meine Damen und Herren, haben wirjetzt sowohl einen abgeschlossenen Sachhaushalt alsauch einen abgeschlossenen Personalhaushalt. Der Sach-haushalt – dies ist jetzt schon des Öfteren gesagtworden – ist klein genug, sodass ich nicht auf ihn einge-hen möchte.
– Darf ich hier noch in Ruhe reden?
Ich bedanke mich dafür, dass Sie beim DeutschenPatent- und Markenamt wieder 60 Stellen für Patent-prüfer in den Haushalt eingestellt haben. Die Bedeutungdessen ist in der Beratung schon gewürdigt worden. DasDeutsche Patent- und Markenamt ist – Herr Köhler hatdarauf hingewiesen – die größte Behörde in unserem Ge-schäftsbereich. Sie ist von großer Bedeutung für denWirtschaftsstandort Deutschland. Nun können wir denunbedingt nötigen Stauabbau mit diesen 60 Stellen undmit 20 weiteren Stellen in der Patentverwaltung fortfüh-ren.hunVrvSbsawkdwvizbnÜsjlsttVKmsdEGewthbazZkb
Ich bedanke mich auch dafür, dass Sie es ermöglichtaben, dass wir beim Generalbundesanwalt die Kosten-nd Leistungsrechnung einführen können. Dies ist ei-es der Pilotprojekte im Rahmen der Modernisierung dererwaltung. Ich hoffe sehr, dass wir hier ebenso erfolg-eich wie bei anderen Projekten sein werden, die bereitson Herrn Köhler genannt wurden.Last, but not least möchte ich mich auch für die dreitellen für das Deutsche Institut für Menschenrechteedanken, das bei uns mit im Plan ist und mit dem wirtändig im Gespräch sind. Die Mitarbeiterinnen und Mit-rbeiter werden es Ihnen danken.
Der Sachhaushalt – darauf ist bereits hingewiesenorden – sinkt um 1,5 Prozent und ist in der Tat derleinste unter den Ressorthaushalten. Gleichwohl hatas Bundesministerium der Justiz sehr viel Arbeit zu be-ältigen. Wir haben zahlreiche eigene Projekte, sind anielen Prüfungen anderer Ressorts beteiligt und habenm Rahmen der Europäischen Union immer mehr Arbeitu leisten und uns dort verstärkt einzubringen. Deshalbedanke ich mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiterin-en und Mitarbeitern, die das alles – teilweise in vielenberstunden – möglich machen.
Herr Götzer, Sie haben vor allem auf das hingewie-en, was wir nicht tun; trotzdem sind einige unserer Pro-ekte bereits angesprochen worden. Aber in diesem Di-emma befinden wir uns schon länger. Sie behauptentändig, die Bundesregierung habe in der letzten Legisla-urperiode viel zu viel gemacht und alles sei viel zu hek-isch gewesen. Wenn wir aber jetzt mit Ihnen über dieorbereitung der Richtlinien, deren Umsetzung uns dieommission aufgegeben hat, diskutieren und Kompro-isse finden wollen, bevor wir die entsprechenden Ge-etzentwürfe einbringen, sagen Sie, dass alles zu langeauere.
s geht immer nur eines. Ich bin froh, dass wir dasanze in ruhiges Fahrwasser gebracht haben, was es unsrmöglicht, eine sachgerechte Justizpolitik zu machen.Herr Funke, ich kann Ihnen versichern, dass der Ent-urf eines Gesetzes betreffend das Versicherungsver-ragsrecht kommen wird. Sie wissen, dass sich die Ver-andlungen mit der Kommission auf einem guten Wegefinden. Die StPO-Reform ist schon von Herrn Ströbelengesprochen worden. Deshalb möchte ich nur ergän-end sagen: § 100 a wird kommen. Wir sind hier voll imeitplan. Dagegen kann man überhaupt nichts sagen. Sieennen auch unseren Zeitplan für die Umsetzungenetreffend das Aktienrecht und den Bereich Corporate
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Bundesministerin Brigitte ZypriesGovernance. Erst Anfang 2005 muss das alles gesetzlichumgesetzt sein.Die von Ihnen angesprochene Reform des Betreu-ungsrechts ist eines der Projekte, die nun anstehen. HerrFunke, ich stimme Ihnen zu, dass es notwendig ist, dasswir hier über den Vorschlag, der jetzt in den Bundesrateingebracht wird, sorgfältig diskutieren.
Ich persönlich habe ebenfalls erhebliche Probleme miteiner Zwangsvollmacht für Angehörige. Wir sollten ge-meinsam Zeit investieren, um darüber nachzudenken,wie wir den berechtigten Interessen der Länder, denennach eigenen Angaben die Kosten davonlaufen, gerechtwerden können und wie wir gleichzeitig im Sinne desBetreuungsrechts und der Menschen rechtsstaatlich ver-nünftig Regelungen erarbeiten können, ohne – auch da-ran ist mir gelegen – die Standards zu senken.
Ich hoffe nicht, dass hier die Quadratur des Kreises not-wendig sein wird. Es wäre schön, wenn es zu einer frak-tionsübergreifenden Zusammenarbeit käme.Im Hinblick auf die Arbeit der Bundesregierung, ins-besondere des Justizministeriums, in der EuropäischenUnion möchte ich gerne noch die Übernahmerichtlinieansprechen. Für die Zusammenarbeit bei diesem Themamöchte ich mich bei allen Abgeordneten der CDU/CSUbedanken. Der Kanzler hat gestern erwähnt, wie zäh undzeitintensiv die Verhandlungen in Brüssel waren. Heutegab es endlich einen politischen Kompromiss. An dieserStelle möchte ich mich recht herzlich bei Herrn Lehnebedanken, der für die CDU im Europaparlament sitztund der sich sehr darum gekümmert hat. Es ist nun einKompromiss gefunden worden, mit dem wir in Deutsch-land gut leben können. Die Mitgliedstaaten haben dieMöglichkeit, an ihren bisherigen Abwehrmaßnahmenfestzuhalten. Den Unternehmen wird ermöglicht, sich in-dividuell einzuwählen und gleichwohl die anderen Maß-nahmen anzuerkennen. Dieser Kompromiss hat in derTat eine Menge Arbeit gekostet. Aber im Endeffekt istalles gut gelaufen.Ich möchte noch ein anderes Thema ansprechen– Herr Funke, Sie haben das bereits erwähnt –, das damiteng zusammenhängt. Wir brauchen eine einheitliche eu-ropäische Rechtspolitik, insbesondere im Strafrecht. Wirhaben uns heute auch politisch auf Mindeststandards fürStrafrahmen bei Drogendelikten verständigt. Das be-deutet, dass es in Zukunft in Europa nicht nur eine ein-heitliche Definition der Drogenhandelsdelikte, sondernerstmalig auch einheitliche Mindestrahmen bei den je-weils anzudrohenden Freiheitsstrafen geben wird. Dasbedeutet für Deutschland keine Verpflichtung zur Um-setzung, weil es bei uns die Strafrahmen, die die EU vor-sieht, bereits gibt. Das heißt, wir müssen auf diesem Ge-biet nichts nacharbeiten.Wichtig erscheint mir diese Angelegenheit trotzdem,und zwar im Hinblick auf eine einheitliche europäischeRlthSpffdrevSidkWdFmbsKGdkbehJdLsaVdiKsgsV
ie wissen, dass die Bundesrechtsanwaltskammer heutehren parlamentarischen Abend veranstaltet. Ich denke,ass zumindest der überwiegende Teil der Rechtspoliti-er noch dort hingehen wird, um gemeinsam ein Glasein zu trinken.Ich möchte noch ganz kurz auf die Modernisierunges Kostenrechts eingehen. Ich bedanke mich bei allenraktionen des Hauses dafür, dass es während der Som-erpause gelungen ist, einen Kompromiss zustande zuringen, sodass alle Fraktionen einen gemeinsamen Ge-etzentwurf einbringen können.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Siegfried Kauder?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber bitte.
Frau Ministerin, es ist nicht so, dass ich Ihnen daslas Wein nicht gönne. Da ich noch nicht so lange wieer Kollege Funke im Bundestag bin, habe ich vielleichteinen Anspruch auf ein Geschenk, wie er es im Hin-lick auf das Handelsrecht bekommt.Vielleicht haben Opfer von Straftaten Anspruch aufin Geschenk. Opferschutz hat seine Grenzen da – wiraben schon einmal darüber gesprochen –, wo es um dasugendstrafverfahren geht. Da ist Nachbesserungsbe-arf vorhanden. Könnten Sie uns mitteilen, wann dieseücke geschlossen wird?Ich möchte noch auf eine zweite offene Flanke zuprechen kommen. Ein Bürger hat sich an den Petitions-usschuss gewendet, weil er der Meinung ist, dass derollzug seiner Strafe verfassungswidrig sei. Ich bin faster Auffassung, dass er Recht hat; was dort stattfindet,st nämlich der Vollzug von Jugendstrafe. In namhaftenommentaren wird gerügt, dass der Vollzug der Jugend-trafe verfassungswidrig sei, weil es an einem notwendi-en Gesetz fehlt. Das heißt, wir tolerieren einen verfas-ungswidrigen Zustand, obwohl wir alle an dieerfassung gebunden sind.
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7016 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Siegfried Kauder
– Zuzuhören wäre vielleicht besser, als dazwischenzu-blaffen. Auch Sie sind an die Verfassung gebunden.Meine Frage lautet also: Wann wollen wir diesen verfas-sungswidrigen Zustand beenden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kauder, da dieser verfassungswidrige Zustand in
der Zeit, als Sie regierten, nicht geändert wurde,
habe ich, als ich mein Ministeramt angetreten habe, den
Auftrag gegeben, dieses Projekt in Angriff zu nehmen.
Wir sind dabei, ein Jugendstrafvollzugsgesetz zu erar-
beiten.
Was Ihre erste Frage anbelangt: Ich habe Ihnen schon
in der letzten Debatte hier im Plenum gesagt, dass wir
darüber in den Sachverständigenanhörungen diskutieren
werden. Dabei bleibt es auch.
Jetzt möchte ich noch einmal auf die Kostenrechts-
modernisierung zu sprechen kommen. Wie gesagt, ich
danke allen Fraktionen dafür, dass wir uns in dieser An-
gelegenheit anscheinend verständigen und in der Lage
sein werden, sie sachgerecht und im Konsens mit der
Anwaltschaft und im Wesentlichen auch mit den Versi-
cherungsverbänden zu klären. Im Moment gibt es in der
Tat nur noch Probleme bei der ARAG. Mit ihr befinden
wir uns noch im Gespräch.
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der an-
stehenden Teilnahme am parlamentarischen Abend, den
wir ernst nehmen sollten – schließlich sind die Rechtsan-
wälte unsere Gesprächspartner –, möchte ich jetzt kein
anderes Thema mehr ansprechen.
Ich bedanke mich für die – nur mäßige – Aufmerk-
samkeit.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen.
Einzelplan 07 – Bundesministerium der Justiz – in der
Ausschussfassung: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Einzelplan 07
mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Abstimmung über den Einzelplan 19 – Bundesverfas-
sungsgericht – in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-
für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt I. 16 Buchstabe c: Abstimmung
über den von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des
Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP eingebrachten
Gesetzentwurf zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7017
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– Das ist korrekt. Aber morgen ist nur noch die dritte Le-sung. Die Debatte im Detail zu den Einzelplänen wirdheute beendet.
Das trifft sicherlich jedes Ressort einmal. Ich hoffe, dassin dem Fall Position und Inhalt nicht übereinstimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es dürfte Sie allenicht überraschen, dass ich hier wiederhole, dass dervom Bundesfinanzminister vorgelegte Etat und auch dasjetzt erreichte Ergebnis wertlos sind – das ist im Laufeder Woche schon öfter gesagt worden –, weil im Dezem-ber nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens nochGesetze beschlossen werden sollen, die erhebliche Ver-änderungen in den Einzelplänen zur Folge haben wer-den.Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Mehr-heitsfraktionen, Sie haben Finanzmittel in Ihren Haus-halt eingerechnet, die in diesem Umfang nicht zur Verfü-gung stehen werden. Sie verteilen sozusagen das Fell desBären, bevor er erlegt wurde. Das hat für mich mit seriö-ser Haushaltsplanung nichts zu tun.
Deshalb kann ich nur wiederholen: Eine seriöse und so-lide Beratung des Etats nach dem Vermittlungsergebnishätte etwas mehr Sinn gemacht.
Lassen Sie mich dennoch einiges zum Zahlenwerkund damit auch zu den Gestaltungsmöglichkeiten des In-nenministers sagen. Herr Minister, in Ihrer Einbrin-gungsrede haben Sie noch darlegen können, dass derEtat 2004 einen Aufwuchs von 168 Millionen Euro, alsoum 4,3 Prozent, gegenüber dem Vorjahresansatz ver-zeichnet. Aufgrund der auferlegten Sparzwänge – überderen Ursache und Wirkung ist in dieser Woche schongenügend diskutiert worden – ist in dem jetzt festge-schriebenen Etat nur noch ein Aufwuchs von 3,4 Prozentzu verzeichnen, und das, obwohl Ihr Etat – das mussman fairerweise zugeben – ein wenig verschont wurde.Aber auch dieser Betrag entspricht nicht der RealitätWichtig ist, dass die globale Minderausgabe bei die-sem Etat, die im Jahre 2003 noch bei rund 61 MillionenEuro lag, bis zum Jahr 2004 auf 155 Millionen Euro ver-dreifacht worden ist. Und das ist noch nicht das Ende derFahnenstange. Im Januar wird die berühmte Summe Xaus der zweiten Milliarde für die Rentenkassen hinzu-kommen.
wkdgnssbteevn–ssdpFDkwddOmnbrHz–VnndWbWaesdw
Da der Etat stark durch Personalkosten geprägt ist,üssen auch dazu einige Worte gesagt werden. Herr Mi-ister, Sie haben in Ihrer Einbringungsrede den Polizei-eamtinnen und -beamten ausdrücklich für ihre hervor-agende Arbeit gedankt. Dieser Punkt ist in diesemause völlig unstrittig. Dafür haben Sie die Unterstüt-ung der Unionsfraktionen erhalten.Der Bundestag hat auf Wunsch des Bundesratesauch mit unseren Stimmen – mit dem Besoldungs- undersorgungsanpassungsgesetz die so genannten Öff-ungsklauseln beschlossen. Dennoch halten wir esicht für kreativ, den Haupteinsparbeitrag des Etats überie Besoldungsbezüge zu erbringen.
ir fordern, dass die Beamtinnen und Beamten sehrald eine Antwort auf ihre Frage nach den zukünftigenochenarbeitszeitstunden bekommen. Die Antwortuf die Frage der Kollegin Hajduk im Ausschuss warxemplarisch: Herr Minister, Sie sind sehr ausdrucks-tark!
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein beson-eres Problem ansprechen. Mit dem Haushaltsgesetzird jährlich eine globale Stelleneinsparung in Höhe
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7018 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Susanne Jaffkevon 1,5 Prozent verabschiedet. Das ist korrekt. Das istseit Mitte der 90er-Jahre der Fall. Das gewählte Verfah-ren war durchaus erfolgreich. Weiterhin ist es korrekt,dass die Stellen im Vollzugsdienst von dieser globalenStellenkürzung ausgenommen werden. Wenn nun abersowohl die Behördenleiter als auch der Hauptpersonalrateindringlich nachweisen, dass eine vernünftige Arbeitim Vollzug allmählich nicht mehr möglich ist, weil die inden so genannten vollzugsnahen Bereichen – zum Bei-spiel in den Bereichen Auswertung der Spurensicherungund chemische Untersuchungen – anfallenden Arbeitennicht mehr zeitnah abgearbeitet werden können, dannmuss die Opposition andere klare Positionierungen for-dern, damit die vollzugsnahen Bereiche ihre Aufgabenverantwortungsbewusst erfüllen können. Auch Behör-den, die seit den 90er-Jahren durch Organisationsstruk-turreformen schon verschlankt wurden, sollen in Zu-kunft anders behandelt werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zusammenhangmit dem Bereich Sicherheit lassen Sie mich auch erwäh-nen, dass Mittelkürzungen bei der Beschaffung vonFahrzeugen, die die Sicherheit der Bürger direkt betref-fen – nämlich beim THW um 1,5 Millionen Euro undbei der Bereitschaftspolizei um 6 Millionen Euro –, vonuns nicht unterstützt werden können.Ich denke, zur Ehrlichkeit gehört auch, ein Wort dazuzu sagen, dass die Ausgaben für die Bundeszentrale fürpolitische Bildung um 6 Prozent steigen. Wenn es dennder Bildung hilft – meinetwegen. Aber wer ins Detailschaut, stellt fest, dass die Gelder vor allen Dingen fürDienstwagen ausgegeben werden. Da muss doch wohldie Gewichtung etwas anders erfolgen, indem zum Bei-spiel die Mittel den Sicherheitsbehörden zur Verfügunggestellt werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einekurze Bemerkung machen: Es war bis zum Jahre 2002üblich, dass die Berichterstatter eine Übersicht über dievon den Zuwendungsempfängern ausgegebenen Mittelbeifügen. Das war in diesem Jahr nicht der Fall. Aufmeine Nachfragen wurde mir jetzt mitgeteilt, dass dieBundeszentrale diese Zahlen nicht mehr veröffentlichenwolle. Ich hoffe, Herr Minister, dass sich das noch klärenlässt und ich als Oppositionsabgeordnete nicht den Ver-dacht haben muss, dass da irgendetwas gemauscheltwird.Liebe Kolleginnen und Kollegen, keine Diskussionzum Einzelplan 06 ohne das Thema BOS-Digitalfunk.
Ich weiß, Herr Minister, dass das allmählich einReizthema wird; Ihre Reaktionen in der jüngsten Vergan-genheit sind ein Beleg dafür. Dabei sind ja alle Fakten be-kannt: dass die Kosten für den Analogfunk für alle Betei-ligten immens steigen werden, dass unsere europäischenNachbarn an uns vorbeiziehen, dass beim Elbehochwas-ser Kommunikationsschwierigkeiten aufgetreten sind,dwSmvdLbSudsd1SaWnHRWd
0 Prozent diktiert. Man sollte sich am Königsteiner
chlüssel orientieren.
Frau Kollegin, bitte! Ich war sehr geduldig mit Ihnen,
ber jetzt ist Schluss.
Ich sage Ihnen auch: Minister Behrens in Nordrhein-
estfalen hat nicht das Recht, Sondersituationen auszu-
utzen. Er gehört zurückgepfiffen.
Herr Präsident, mit Ihrer Güte darf ich mich als
auptberichterstatterin –
Frau Kollegin, alle in diesem Hause haben das gleiche
echt. Ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.
irklich!
– sehr herzlich bei den Mitarbeitern des Hauses fürie geleistete Arbeit und Unterstützung bedanken.Herzlichen Dank.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7019
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Das Wort hat der Kollege Klaus Hagemann von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzie-
rung der inneren Sicherheit ist der Hauptschwerpunkt
des Einzelplans 06. Es kann sich sehen lassen, was diese
Koalition, was dieser Bundesinnenminister in den ver-
gangenen fünf Jahren in diesem Bereich geleistet hat.
Ebenso ist auf das hinzuweisen, was wir 2004 anpa-
cken wollen.
Trotz der schwierigen Finanzlage, liebe Kollegin
Jaffke, sind im Etat für die innere Sicherheit keine Kür-
zungen vorgesehen.
Frau Jaffke, Sie haben die globale Minderausgabe
erwähnt, die wir wieder eingestellt haben. Wir wissen
aber, dass sie im Innenministerium unter Schonung des
Bereichs der inneren Sicherheit seriös aufgelöst wird.
Liebe Kollegin Jaffke, auf der einen Seite beklagen
Sie die Sparzwänge, auf der anderen Seite aber – gestern
vorgetragen von Ihren Oberen – beklagen Sie, dass nicht
6 Milliarden Euro zusätzlich eingespart werden, um sie
der EU zuzuleiten. Ich sehe darin einen sehr großen Wi-
derspruch.
– Aber Sie, Herr Kollege Koschyk. Davon gehe ich aus.
– Natürlich.
Ich will noch einen anderen Punkt richtig stellen, Kol-
legin Jaffke. Sie haben die Öffnungsklauseln beklagt, die
das Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Beamten
betreffen. Da sind Sie in Ihrer Argumentation natürlich
auch ein bisschen doppelzüngig,
denn in den Ländern, liebe Kolleginnen und Kollegen,
langen Sie in einem ganz anderen Maße zu, als Sie das
hier beklagen. Das ist widersprüchlich und das finde ich
so nicht in Ordnung.
Ein anderer Punkt betrifft die Ausgaben für die Bun-
deszentrale für politische Bildung. Bei den Haushalts-
beratungen zum Einzelplan 03 im Frühjahr dieses Jahres
wurde eine Liste vorgelegt, aus der hervorging, wofür
die Mittel für die Träger, die Zuwendungsempfänger,
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Herr Kollege Hagemann, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Binninger?
Die Kollegen haben zwar nicht an den Beratungen
ber den Haushalt im Haushaltsausschuss und im Innen-
usschuss teilgenommen,
ber wenn es sein muss, Herr Binninger, dann schlagen
ie zu.
Bitte, Herr Binninger.
Dass ich zuschlage, werde ich Ihnen ersparen, Herr
ollege. Ich frage nur. Sie haben die Öffnungsklauseln
ngesprochen und gesagt, die Regelung des Bundes sei
ehr sozial und andere Länder gingen sehr viel weiter.
ürden Sie mir aber Recht geben, dass die CDU- bzw.
SU-regierten Länder Baden-Württemberg und Bayern,
bwohl sie einen sehr viel höheren Personalkostenanteil
aben als der Bund – 42 Prozent im Vergleich zu
2 Prozent –, die Öffnungsklausel sehr viel schonender
nwenden als der Bund?
Es geht hier nicht um Bayern oder Baden-Württem-erg, sondern es geht darum, dass Sie hier etwas bekla-en, was Sie in den Ländern praktizieren.
Lieber Kollege, ich habe kürzlich ein Interview mitinem Vertreter des Deutschen Beamtenbundes aus Ba-en-Württemberg gesehen, in dem dieser ganz kräftigber die Lösung, die dort gefunden worden ist, ge-chimpft und hergezogen hat. Auch das will ich hieroch einmal richtig herausstellen.
inzu kommt ja noch, dass wir eine Lösung gefundenaben, mit der wir gerade den Mitarbeiterinnen und Mit-rbeitern mit den Besoldungsstufen A 1 bis A 8 entge-enkommen. Auch das sollten wir in diesem Zusammen-ang noch einmal herausstellen.
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7020 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Klaus HagemannEines stimmt: Sie sind in dieser Sache doppelzüngig.Was Sie hier beklagen, praktizieren Sie draußen in denBundesländern. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
– Sicher, da auch. Nur beklagen wir es hier nicht, son-dern wir haben es gemacht wie in Rheinland-Pfalz. Wirsind aber nicht doppelzüngig, das ist der Unterschied,Herr Koschyk.
Wir haben im Bund und in den Ländern dieselbe strin-gente Argumentationslinie. Das möchte ich hier nocheinmal richtig herausstellen.Es ist ja wirklich gut – Frau Jaffke, da stimme ich Ih-nen zu –, dass der Haushalt des Bundesinnenminister-iums geschont worden ist, gerade weil dieser Einzelplanschwerpunktmäßig die innere Sicherheit betrifft. Spätes-tens seit dem 11. September 2001 wird sichtbar, dass derinternationale Terrorismus eine neue Herausforderungfür die Wahrung der inneren Sicherheit und für die Si-cherheitsarchitektur darstellt. Es muss daran gearbeitetwerden, gerade die „Privatisierung der Gewalt“, wie esErhard Eppler gesagt hat, mit neuen Gedanken undneuen Strukturen zu bekämpfen. Wir müssen neue Ant-worten geben.
Bund und Länder arbeiten gemeinsam daran. Das hat ge-rade die letzte Innenministerkonferenz deutlich gemacht.Denn kaum ein anderer Politikbereich hat nach demGrundgesetz eine so große Zuständigkeitsvielfalt wie je-ner der inneren Sicherheit. Deswegen müssen Bund undLänder hier konstruktiv und zielgerichtet zusammenar-beiten. Das Tempo für Entscheidungen dürfen nicht diebestimmen, die die Langsamsten im Geleitzug sind.
Entscheidungen müssen getroffen werden.Ich will als Beispiel für etwas, bei dem wir derselbenMeinung sind, verehrte Susanne Jaffke, den Aufbau ei-nes Digitalfunknetzes anführen. Fast überall in Europasind die diesbezüglichen Entscheidungen schon getrof-fen worden. Zum großen Teil befinden sich diese Netzeschon im Aufbau. Aber in Deutschland können keineGrundsatzentscheidungen über die Finanzierung getrof-fen werden.
– Warum? Die Länder wollen nicht mitmachen, weil eskeine klare Finanzierungsregelung gibt.
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Gerade als Berichterstatter für den Einzelplan 06 willch sagen: Es gilt eben nicht die Grundmelodie, die sichie Länder vorstellen, nämlich: Wir lassen uns vomund nichts sagen und lassen uns nicht hereinreden. Wirntscheiden alleine; aber die gesamte Finanzierung hatefälligst der Bund zu übernehmen. – Nach dieserrundmelodie kann sich die Politik aber nicht richten.
Herr Kollege Hagemann, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Göbel?
Da er schon aufgestanden ist, bevor ich zugestimmt
abe, bleibt mir nichts anderes übrig.
Herr Kollege Hagemann, Sie haben eben gesagt, Sie
änden das neue Verfahren richtig, dass zunächst einmal
ie Ausschreibung stattfindet
nd anschließend über die Finanzierung entschieden
ird. Wir haben zu Beginn dieses Jahres einen Antrag
ingebracht, in dem es darum ging, dass zunächst die
usschreibung durchgeführt wird und dass man sich
ährend der laufenden Ausschreibung über die Finan-
ierung Gedanken macht.
Können Sie mir erklären, wie Sie zu Ihrer geänderten
uffassung kommen, nachdem Sie unseren Antrag zu
eginn dieses Jahres abgelehnt haben?
Ihre Darstellung ist es eine Klitterung. So habe ich esatürlich nicht gesagt.
Herr Kollege, an dieser Stelle sei erwähnt, dass zwi-chenzeitlich einiges passiert ist. Die Fachminister, diennenminister, die Ministerpräsidenten und der Bundes-anzler haben sich geeinigt, mit einer Startergruppe zueginnen. Wir wollen Mittel zur Verfügung stellen, da-it man mit der Ausschreibung beginnen kann und Be-egung in die Sache kommt. Die Ausschreibung wirdindestens ein Jahr in Anspruch nehmen. Ich denke,ass bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz derordische Knoten durchschlagen und eine endgültige
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7021
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Klaus HagemannLösung für die Finanzierung gefunden werden kann. Daswill ich hier deutlich unterstreichen.
Im Bereich der inneren und der zivilen Sicherheitmacht der Bund Jahr für Jahr seine Hausaufgaben. Dasdrücken auch die Zahlen im Haushalt für das Jahr 2004aus. Bei einem Haushaltsvolumen von rund 4 Milliar-den Euro stehen 2,6 Milliarden Euro für die innere Si-cherheit zur Verfügung. Wir halten nicht nur Sonntagsre-den, sondern wir handeln in dieser Angelegenheit, umdie innere Sicherheit zu gewährleisten. Wir haben unsnicht wie die Unionsfraktion geweigert, diesen Haushaltzu beraten. Wir haben auch keine großen Erklärungenabgegeben.
Ein Fünftel der Investitionen fließt in die Sachausstat-tung und vier Fünftel entfallen auf die Personalkosten.Das macht deutlich, was auf uns zukommt.Wir wollen mit dem Bundesinnenminister und seinemMinisterium das Stellenhebungsprogramm für denBundesgrenzschutz voranbringen. Nach vielen Jahrender Stagnation in diesem Bereich ist dies dringend not-wendig. Damit bewirken wir eine stärkere Motivationder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer mit den Bun-desgrenzschutzbeamten vor Ort redet, der kann feststel-len, dass das, was hier geleistet worden ist, Anerkennungfindet.
Beim Stichwort „Bundesgrenzschutz“ ist zu erwäh-nen, dass der Löwenanteil von fast 2 Milliarden Euro fürden Sicherheitsbereich in den Bundesgrenzschutz fließt.Damit ermöglichen wir den Ausbau einer modernen,schlagkräftigen Bundespolizei. Wir kommen hier gutnach vorne. Auch andere Aktivitäten in diesem Bereich,zum Beispiel der Schutz der EU-Außengrenzen, derSchutz der Flughäfen und die Betreuung von Flugzeu-gen, sind zu nennen. Das Ausländerzentralregister ist er-neuert worden; vieles andere könnte man an dieser Stellenoch erwähnen.Ähnliche Aktivitäten gibt es beim Bundeskriminal-amt. Hier ist in den letzten Jahren genauso wie beimBundesgrenzschutz das Antiterrorprogramm, das vordrei Jahren geschnürt worden ist, durchgeschrieben wor-den. Dieses Programm war kein einmaliges Ereignis; diehierfür vorgesehenen Mittel sind auch in den Haushalt2004 mit eingearbeitet worden.Zur Bereitschaftspolizei der Länder: Frau Jaffke,Sie haben zwar kritisiert, dass hier 1 Million Euro gestri-chen worden ist. Aber wir haben in den letzten Jahrenauch Mittel erhöht; das Antiterrorprogramm sei in die-sem Zusammenhang erwähnt.Auch in Bezug auf das Bundesamt für Sicherheit inder Informationstechnologie – auch das gehört zum Si-cherheitsbereich – hat die Regierung bzw. der Innenmi-naducRnwk9MbgSspsmurlnswsrwzeHW1Jd2SFaDKGn
Die innere Sicherheit bildet den Schwerpunkt meinerede. Dabei sind auch die Nachrichtendienste zu nen-en. Dank und Anerkennung gilt deren Arbeit. Wie not-endig diese Arbeit ist, wird gerade angesichts der Dis-ussion über den Terrorismus deutlich. Während in den0er-Jahren – auch das kann ich Ihnen nicht ersparen –ittel abgebaut und Stellen gestrichen worden sind, ha-en wir insbesondere im Rahmen des Antiterrorpro-ramms auch in diesem Bereich mehr Mittel und mehrtellen zur Verfügung gestellt.
Ich habe hier über die neue Sicherheitsarchitektur ge-prochen. Das gilt auch für den Zivil- und Katastro-henschutz. Auch hier ist es in Zusammenarbeit mit un-erer Perle im Bereich des Bundesinnenministeriums,it dem Technischen Hilfswerk, notwendig, nach innennd nach außen zu wirken. Auch hier sind neue Struktu-en und eine neue Form der Zusammenarbeit erforder-ich. Denn Großschadens- oder Terrorereignisse machenicht Halt an lokalen oder regionalen Grenzen. Sie müs-en also sowohl national als auch europaweit bearbeiteterden. Angesichts der Denkansätze, die es im Techni-chen Hilfswerk gibt, sind wir auf einem guten Weg.Hinzu kommt das neue Bundesamt für Bevölke-ungsschutz und Katastrophenhilfe, das eingerichtetird, um neue Wege zu durchdenken, Aktivitäten voran-ubringen und Entsprechendes zu bewirken.Im Zusammenhang mit dem Antiterrorprogramm sindrheblich mehr Mittel in die Arbeit des Technischenilfswerkes geflossen, Kollegin Jaffke.
ährend die Mittel im Jahre 1998 noch deutlich unter00 Millionen Euro gelegen haben, sind in den letztenahren – Frau Jaffke, schauen Sie mich bitte einmal an,amit ich mit Ihnen kommunizieren kann – jedes Jahr5 Millionen Euro draufgepackt worden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zumchluss kommen. Ein wichtiger Beitrag für den innerenrieden ist eine stärkere Integrationsarbeit im Hinblickuf die Aussiedler und die Migranten in unserem Land.azu gehört auch die Sprachförderung.
enntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln ist einerundvoraussetzung, um Integration betreiben zu kön-en. Deswegen haben wir bereits im Haushalt 2003 die
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7022 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Klaus HagemannMittel deutlich erhöht. Wir haben das durchgehalten undhaben damit deutlich gemacht, dass Integration notwen-dig ist. 125 Millionen Euro stehen für die Integrationund die Sprachförderung zur Verfügung. EntsprechendeDankbriefe von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden sindbereits eingetroffen.Nur, auch hier fallen bei Ihnen Reden und Handelndeutlich auseinander. Eigentlich war vereinbart worden,dass die Finanzierung der Ausländersozialberatunghälftig bezahlt wird, und zwar vom Bund und von denLändern je zur Hälfte.Leider ziehen sich immer mehr Bundesländer aus derFinanzierung der Ausländersozialberatung zurück; sieleisten ihre Kofinanzierung nicht mehr. Man kann dasaber nicht nur dem Bund überlassen und hier Sonntags-reden halten.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident.
Es gibt deutliche Signale aus dem Vermittlungsaus-
schuss, dass das Zuwanderungsgesetz auf einem guten
Wege ist. Mit diesem Gesetz sollen über das Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Instru-
mente für die Integration zur Verfügung gestellt werden.
Hoffen wir, dass das Gesetz vor Weihnachten auf den
Weg gebracht wird, damit das Weihnachtsevangelium,
dessen Verkündigung vor der Tür steht, auch Realität
werden kann, indem wir für die Migranten und die Aus-
siedler entsprechende Integrations- und Sprachförde-
rungsleistungen erbringen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Da hat man gesehen, wie lang so ein letzter Satz sein
kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte in An-
betracht der fortgeschrittenen Zeit, ab jetzt von Zwi-
schenfragen und Kurzinterventionen Abstand zu neh-
men.
Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Fricke von der
FDP-Fraktion.
Das finde ich sehr schade, Herr Präsident, aber ichkann das durchaus nachvollziehen. Ich hoffe, ich haltedie Redezeit ein – falls nicht, finde ich sicherlich ebensogroße Toleranz wie zuvor.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen! Als Erstes richte ich ein klares Wort an dieMitberichterstatter und auch an das Haus. Die Verhand-lnsVamtinsnaDdDSBiigdJbudmbsdM–vHMwheBlhdmdSl
amit will ich nicht sagen, dass er es nicht ernst nimmt.ie müssen aber eines sehen: es gibt Veränderungen imereich der Wehrpflicht. wir bekommen Veränderungenm Bereich des Zivildienstes. Wir müssen hier – das istn diesem Haushalt nicht unwichtig; denn es ist ein aus-abenträchtiger Punkt – Vorkehrungen treffen. Ich bitteas Ministerium und Sie, Herr Minister, im nächstenahr – vor allem im Hinblick darauf, wie in den anderenetroffenen Ministerien gehandelt wird – hierfür klarend deutliche Vorkehrungen zu treffen; denn sonst wirder Haushalt in diesem Punkt zukünftig, wenn wir nichtehr auf so viele „Freiwillige“ treffen werden, enormelastet werden.
Wir als FDP haben – Kollege Hagemann kann das be-tätigen – im Ausschuss auch Anträge gestellt, die selbstie Unterstützung der Koalition gefunden haben. Derinister hat das nicht immer so nett gefunden.
Ich glaube nicht, dass man wegen eines Zustimmungs-olumens von 3 Millionen Euro einem solch großenaushalt zustimmen kann, Herr Kollege Hagemann.Ich möchte auch etwas zum Digitalfunk sagen. Herrinister, es ist unbestritten, dass Sie den Digitalfunkollen. Es ist auch unbestritten, dass Sie ihn rechtzeitigaben wollen. Es ist schließlich auch unbestritten, dasss ihn rechtzeitig geben würde, wenn es allein nach demund ginge. Das Problem zu lösen ist sicherlich nicht al-ein Ihre Aufgabe; es ist aber auch Ihre Aufgabe. Ichoffe, dass wir nach all den Debatten, die wir hier überen Digitalfunk hatten, im nächsten Jahr endlich nichtehr über diese Frage debattieren müssen, sondern dassie 5 Millionen Euro, die es hierfür jetzt gibt, der erstechritt in die richtige Richtung sind.Ich will aber dennoch mahnen. Wir haben in Deutsch-and nun einmal ein Ausschreibungsrecht – das darf ich
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7023
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Otto Frickeals Jurist kurz erwähnen –, das zwar vermeintlich ge-recht ist und der Korruption entgegenwirkt. Sie müssenaber – hier sehe ich ein enormes Risiko, Herr Minister –auch einkalkulieren, dass es immer den lieben Konkur-renten gibt, der den Rechtsweg sucht, um die Sache zuverhindern. Ich kann Ihnen eines garantieren: Wenn dieAusschreibung auf Konfrontationskurs läuft, dann wer-den Sie auch im Jahre 2006 den Digitalfunk noch nichteinmal im Ansatz haben.Ich will weiterhin in Bezug auf die Bürgerrechte et-was zum Digitalfunk sagen. Es geht beim Digitalfunknicht nur darum, schneller zu ermitteln, sondern auch da-rum, besser zu ermitteln. Man kann über den Digitalfunk– das vergessen wir immer wieder, wenn wir sagen, dasses ein modernes System ist – dem einzelnen Polizisten,dem einzelnen Beamten, der in Bürgerrechte eingreifenwill, viel mehr Hilfsmittel zur Verfügung stellen, damiter klären kann, ob der weitere Eingriff notwendig ist, einwie tiefer Eingriff notwendig ist usw. Allein aus diesemGrund hilft der Digitalfunk, den Vollzug zu stärken, undverhindert, dass wir jedes Mal, wenn eine neue Proble-matik in der „Bild“-Zeitung auftaucht, nach neuen Ge-setzen schreien.
Herr Minister, bevor ich auf die globale Minderaus-gabe selbst zu sprechen komme, möchte ich etwas zuden Gründen sagen, die dazu geführt haben, dass die glo-bale Minderausgabe noch ein wenig gestiegen ist.Zum einen ist der Anstieg auf die Bewerbung um dieOlympischen Spiele zurückzuführen. Das ist in Ord-nung; das ist gar keine Frage. Allerdings sei die Frageerlaubt, ob es, wenn die Verantwortlichen dafür schonGeld des Bundes brauchen, nicht besser gewesen wäre,zumindest einen Sperrvermerk einzustellen, um so zuzeigen, dass wir zwar die Olympischen Spiele wollen,aber auch darauf geachtet wird, dass sie ordentlich orga-nisiert werden. Als zweiter Grund sind die 5 MillionenEuro für den Goldenen Plan Ost zu nennen. In dieserFrage stand ich in den Ausschussberatungen das ersteMal auf Ihrer Seite, Herr Minister.
– Das wird die Koalitionäre nicht verwundern. Das istauch keine Anbiederei. Die Auffassung des Ministerstrifft in dieser Frage einfach zu. Das darf ich an dieserStelle ruhig einmal erwähnen.Der Minister hat vollkommen Recht: Wir können aufDauer nicht so weitermachen, dass wir uns bei der Ver-gabe finanzieller Leistungen des Bundes daran orien-tieren, ob sie in eine Gegend fließen, die früher zur DDRgehört hat, oder ob sie in eine Gegend fließen, die zur al-ten BRD gehört hat. Wir müssen endlich anfangen zufragen, welcher Grund für eine Förderung besteht, unddürfen nicht mehr danach fragen, in welcher Region daszu fördernde Objekt liegt.Ich nenne ein Beispiel. Sehen Sie sich einmal dieSportanlagen in Duisburg, der Nachbarstadt meiner Hei-mi3edisnnhlgVupusGismrddbsuÄDfBwzgsGMbB
Ein weiterer Punkt. Herr Minister, Sie haben im Aus-chuss schon mehrfach angemahnt, dass Sie zu wenigeld in der Kasse hätten. In diesem Zusammenhang darfch darauf hinweisen, dass der Gegner nicht der Aus-chuss und schon gar nicht die Kollegin Hajduk ist. Sieüssen sich an den Kollegen wenden, der auf der Regie-ungsbank zwei Sitze rechts von Ihnen sitzt, nämlich anen Finanzminister. Wenn es intern um die Verteilunger Mittel geht, müssen Sie ihn fragen, warum die Ver-raucherschutzministerin für die Förderung der ökologi-chen Landwirtschaft so viel Geld bekommt
nd der Umweltminister für Flugreisen, Kuchen undhnliches so viel Geld bekommt. Das wäre ein Ansatz.as dem Ausschuss anzulasten ist aber sicherlich deralsche Weg.
Meine letzte Anmerkung – hier fällt mir wieder daseispiel des Bauchladens ein. Ein Finanzminister, dereiß, dass der Haushalt des Innenministers so viele Ein-elposten aufweist und dass das Innenministerium ein soroßes Haus ist – das ist ja nicht per se falsch –, wirdich sagen, irgendwoher werde der Innenminister daseld schon nehmen können. Sie sollten nach meinereinung darüber nachdenken, ob so viele Einzelpostenei großen Ministerien gut sind.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Silke Stokar von Neuforn,ündnis 90/Die Grünen.
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7024 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Ich finde es schön, dass Sie sich so darüber freuen,dass ich nun zu Ihnen sprechen darf. Ich hoffe, dieseFreude hält an.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdemich die Auseinandersetzung zu diesem Haushalt richtigverfolgt habe – das ist auch in dem Beitrag Ihrer Bericht-erstatterin deutlich geworden –, muss ich feststellen,dass Sie auch den Haushalt für die innere Sicherheit wieden Gesamthaushalt blockieren, indem Sie uns erzählen,was Sie alles nicht finanzieren wollen. Sie haben jedochweder Anträge noch Konzepte vorgelegt, wie Sie die in-nere Sicherheit zu gewährleisten gedenken. Das ist typi-sche Fundamentalopposition.
Das haben wir Anfang der 80er-Jahre auch schon einmalgemacht. Sie können hier von der Fraktion der Grünenetwas lernen. Es bringt viel mehr Spaß, wenn man sichan den Debatten über die Finanzierung verantwortungs-voll beteiligt.
Meine Damen und Herren, wie ernst die Situation imBereich der inneren Sicherheit ist, ist uns allen durchdie entsetzlichen Anschläge in Istanbul noch einmal sehrdeutlich vor Augen geführt worden. Deswegen bleibt dieBekämpfung des internationalen Terrorismus für Rot-Grün das zentrale Thema der inneren Sicherheit.Mit diesem Haushalt und mit den Gesetzesinitiativender letzten Monate haben wir sehr deutlich gemacht:Dort, wo reale Sicherheitslücken erkannt werden, han-delt Rot-Grün. Wir haben die Sicherheitspakete verab-schiedet. Erst vor kurzem haben wir das Luftsicherheits-gesetz auf den Weg gebracht.
Wir erhöhen die Sicherheit unserer Häfen und haben– das wurde hier schon gesagt – mit dem Bundesamt fürBevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eine zentraleBehörde geschaffen, die den Ländern und Kommunenhelfen wird, den Katastrophenschutz zu modernisieren.Genau darum geht es.Seit einem Jahr bin ich nun die innenpolitische Spre-cherin der Fraktion der Grünen.
Ich bin etwas enttäuscht: Die CDU/CSU-Fraktion legtalle drei Monate den gleichen verstaubten Katalog vonGesetzesverschärfungen vor.DDswDlkhdheInedckmedMndDMcsBbgtM
en kannte ich schon vor meiner Zeit hier.
iese Vorschläge sind unsinnig, weil durch deren Um-etzung kein Beitrag zur inneren Sicherheit geleistetürde.
ie CDU/CSU tut mit diesen alten, nicht wirkungsvol-en Gesetzesvorschlägen etwas für sich, aber sie leisteteinen Beitrag für die innere Sicherheit in Deutschland.
Ich möchte in dieser Haushaltsdebatte die Gelegen-eit nutzen, ein paar Anmerkungen zu aktuellen Themener inneren Sicherheit zu machen. Ich habe keine Lust,ier noch einmal etwas zum Digitalfunk zu sagen, weils mich langsam langweilt.
ch gehe davon aus, dass Herr Minister Schily Ihnen dieeuesten Beschlüsse und alles weitere Notwendige nochinmal erläutern wird.Ich möchte ein anderes Thema aufgreifen, nämlichie Biometrie. Ich habe ein Foto mit einem sehr niedli-hen Motiv vor mir liegen, das Sie leider nicht sehenönnen. Durch dieses Foto kann gezeigt werden, wiean die Technik der Biometrie, gegen die ja gar nichtsinzuwenden ist, sehr vernünftig anwenden kann. In In-onesien werden zum Beispiel die Fingerabdrücke vonenschenaffen biometrisch erfasst, weil es weltweit nuroch 15 000 dieser Menschenaffen gibt. Auch die nie-erländische Polizei baut eine solche Datenbank auf.as ist ein gutes Mittel, um den verbotenen Handel mitenschenaffen zu unterbinden.
Ich nenne Ihnen dieses Beispiel, um deutlich zu ma-hen, dass der Unsinn, den ich manchmal in Ihren Pres-eerklärungen lese – in diesen steht, dass die Grünen dieiometrie behindern –, nicht stimmt. Die Einführungiometrischer Merkmale haben wir bereits in der 14. Le-islaturperiode beschlossen.Bei der Diskussion über die Anwendung der Biome-rie müssen natürlich auch die Unterschiede zwischenenschenaffen
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7025
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und Menschen beachtet werden. Wir setzen uns für eineenge Zweckbindung ein und lehnen den Aufbau von Re-ferenzdateien ab. Wir werden auch zur Biometrie einesehr spannende Kostendebatte führen.Nachdem der Bund erhebliche Mittel in den Haushalteingestellt hat, bin ich gespannt, wie sich die Länder ver-halten werden, wenn es darum gehen wird, die Pass- undAusweisbehörden mit biometrischer Technik auszustat-ten. Das wird aber nicht reichen. Die Länder müssen dieLandespolizei auch mit den entsprechenden Lesegerätenausstatten. Wenn wir über dieses Thema wie beim Digi-talfunk auch zehn Jahre lang diskutieren, dann freue ichmich schon auf sehr witzige Debatten.
Eines werden wir als Grüne nicht mitmachen. Ichhabe mir in Amerika ansehen müssen, dass die ganzenKosten für die Sicherheit auf die Bürgerinnen und Bür-ger abgewälzt werden. Ein biometrischer Ausweis darfnicht 100 Euro kosten. Es darf nicht sein, dass nur nochder reiche, biometrisch erfasste Bürger mit dem Stempel„Grenzpolizeilich unbedenklich“ weltweit Reisefreiheitgenießt. Diesen Weg werden wir nicht mitgehen.
Ich möchte zu einem anderen Bereich, der mir per-sönlich sehr am Herzen liegt, noch ein paar Worte sagen,und zwar zur Auseinandersetzung mit dem DDR-Un-recht. Wir haben im Innenausschuss einen Bericht überdie technische Möglichkeit bekommen, Akten, die inden letzten Stunden des DDR-Regimes zerrissen und ge-schreddert wurden und wichtiges Wissen enthalten, wie-derherzustellen und zu rekonstruieren. Ich möchte fürmeine Fraktion ganz deutlich sagen: Wir möchten dieAnwendung dieser Technik. Wir möchten, dass dieseAkten wiederhergestellt werden.
– Ich sehe, dass Sie mir zustimmen. Ich hoffe, dass wirparteiübergreifend die Mittel hierfür aufbringen.
Meine Redezeit ist fast zu Ende. Noch ein Satz zumThema Akten. Es wird im nächsten Jahr nicht nur darumgehen, diese alten Akten wiederherzustellen.
Wir haben noch einen anderen Wunsch. Wir wollen, dassdie vorhandenen Akten den Bürgerinnen und Bürgernauch zur Verfügung gestellt werden. Wir Grünen führenjetzt seit fünf Jahren den Kampf um ein Informations-freiheitsgesetz.
–udhllCHnlimlmmdmHIBOWtfhDDVgS–b
Das Wort hat die Kollegin Beatrix Philipp von der
DU/CSU-Fraktion.
Ich weiß nicht, ob Ihre Freude auf die Dauer anhält,err Wiefelspütz.Dass ich das noch erleben durfte, Frau Stokar, mit Ih-en ein gemeinsames Ziel zu haben, ist schon erstaun-ich. Ich vermute aber, diese Einigkeit wird irgendwannm Detail stecken bleiben. Ich komme gleich noch ein-al auf diese Schnipselberge, für deren Wiederherstel-ung auch wir uns einsetzen, zurück.Ich bedauere es, diese gute Atmosphäre, die vielleichtit der vorgerückten Stunde zu tun hat, etwas stören zuüssen. Ich verstehe immer mehr, warum die Menscheniese Regierung nicht ernst nehmen. Ich mache es ein-al an dem Beispiel der Ausführungen von Herrnagemann fest. Herr Hagemann, wenn Sie wie viele aushrer Fraktion heute den Eindruck erwecken, dass imereich der inneren Sicherheit eigentlich alles in besterrdnung sei, dann muss ich Ihnen sagen, dass Ihreahrnehmung von der Bevölkerung überhaupt nicht ge-eilt wird. Das ist nicht in Ordnung.
Ich will das an ein paar Beispielen aufzeigen. Ichange ganz grundsätzlich an. Herr Hagemann, der Haus-alt, den Sie eingebracht haben, ist verfassungswidrig.ie Menschen merken, dass das nicht in Ordnung ist.
iese Bundesregierung verstößt gegen internationaleereinbarungen und verharmlost das Ganze mit der Be-ründung, sie interpretiere die Regelungen nur anders.ie können doch nicht so tun, als ob nichts gewesen wäre.
Es ist auch nicht in Ordnung, dass Sie dauernd herum-rüllen und mich nicht ausreden lassen.
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7026 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003
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Beatrix PhilippSchließlich – auch das meine ich ernst – möchte ichnoch ein anderes Beispiel nennen. Wir alle haben eineMail von einer Bürgerin bekommen, die sich über dasNiveau in diesem Hause aufregt. Ich muss Ihnen ganzehrlich sagen: Wer in diesen Tagen einige Mitglieder aufder Regierungsbank beobachtet hat – ich habe dasgetan –, der darf sich eigentlich nicht wundern, dassHerr Gottschalk nicht versteht, dass er hier nicht auftre-ten darf.
Da wird gefeixt und gelacht, den Rednern ein Vogel ge-zeigt und der „Scheibenwischer“ gemacht. Ich bin nichtpingelig. Das wissen alle, die mich kennen.
Nein, es geht um etwas anderes. Es geht darum, dass dieMenschen, die existenzielle Probleme haben, wenn siehier zuhören und zuschauen, nicht den Eindruck haben,dass sich hier erwachsene Menschen mit ihren drin-gendsten Problemen auseinander setzen.
Ich nehme ausdrücklich die Herren aus, die im Augen-blick auf der Regierungsbank sitzen. Wir tun uns allekeinen Gefallen, wenn wir einfach zur Tagesordnungübergehen.
Wissen Sie, warum wir uns keinen Gefallen tun? Weilwir Vertrauen zerstören. Aber das brauchen wir.
– Ich komme jetzt zum Haushalt. Ich habe den Eindruck,dass die Leute nicht darauf vertrauen und nicht das Ge-fühl haben, dass der Bereich der inneren Sicherheit,den Sie, Herr Hagemann, eben in den Mittelpunkt ge-rückt haben, wirklich in besten Händen ist. Wir habendiesen Eindruck nicht. Ich will Ihnen an einigen Beispie-len aufzeigen, warum das so ist.Ich gehe nicht intensiv auf die globale Minderaus-gabe ein, weil ich nur wenig Zeit habe, aber uns würdeschon interessieren, wo Sie die insgesamt 160 MillionenEuro einsparen wollen,
ganz zu schweigen von den 1,6 Milliarden Euro, die lautMinister im ganzen Haushalt zusätzlich einzusparensind.Dass eine Haushaltsplanberatung auch die Prioritä-tensetzung widerspiegelt, wissen Sie genauso gut wieich. Sie wissen auch, dass wir andere Prioritäten gesetzthaben.DIH„SdTm–sSIDvdv–wkSonvaleEdIIsldmn
arauf hat Herr Fricke eben ausführlich hingewiesen.ch nenne einige Beispiele.Das erste ist der Zivil- und Katastrophenschutz.err Hagemann, Sie haben das letzte Mal schon von derPerle“ gesprochen. Aber die müssen Sie pflegen.
ie reduzieren auch in diesem Haushalt wieder einmalie Mittel. Vor Ort können sich die Ortsverbände desHW nur dadurch retten, dass sie die Anzahl der Zügeassiv reduzieren.
Sagen Sie nicht, dass sei nicht wahr. Wenn Sie das tat-ächlich nicht wissen, dann würde ich mich an Ihrertelle nicht dazu äußern.
rgendwann wird die Einsatzfähigkeit infrage gestellt.iese Sorgen machen sich inzwischen die Ortsverbändeor Ort. Gehen Sie einmal zu ihnen. Die erzählen Ihnenas gerne.
Zweiter Punkt. Sie haben zwar das Bundesamt für Zi-ilschutz
Herr Tauss, dass Sie mir nicht zuhören, bin ich ge-öhnt – unter dem neuen Namen „Bundesamt für Bevöl-erungs- und Katastrophenschutz“ eingerichtet. Herrtaatssekretär Körper hat aber gesagt, es solle optisch-rganisatorisch hervorgehoben werden. Das kann manur verstehen, wenn man weiß, dass das kostenneutralonstatten gehen soll. Ich meine: Optisch reicht nichtus. Es muss nach alter Väter Sitte – „ohne Moos nixos“ – Geld in die Hand genommen werden, wenn mans denn ernst nimmt.
Wir haben in unserem Antrag die Einrichtung einerinsatzleitstelle für Großschadensereignisse gefor-ert. Sie haben gemeint, dieser Antrag sei überflüssig.ch glaube nach wie vor, dass er das nicht ist. Ich würdehnen empfehlen, sich den Antrag noch einmal anzu-chauen. Dann würden Sie merken, dass diese Einsatz-eitstelle für Großschadensereignisse dringend notwen-ig ist.Ich nenne als weiteres Thema den Einsatz der Bio-etrie. Ich habe mich gewundert, dass Frau Stokar dieeueste Pressemitteilung noch nicht hatte. Ich habe sie.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2003 7027
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Beatrix Philipp
Laut dieser Pressemitteilung haben sich die Innen- undJustizminister in Brüssel – Herr Bundesminister, ich gra-tuliere zu diesem Erfolg – über die Einführung biometri-scher Merkmale in Visa und Aufenthaltstiteln geeinigtund grünes Licht für die Europäische Grenzschutzagen-tur gegeben. In meiner Heimatstadt Düsseldorf würdeman jetzt sagen: Wie ich den Laden kenne, kostet dasaber auch Geld. Wir erwarten deshalb in nächster Zeit,dass die erforderlichen Mittel ausgewiesen werden.Dann werden wir sehen, wie das aussieht. Ich habe gese-hen, dass im Etat Forschungsmittel versteckt sind. Viel-leicht kann man diese für die konkrete Umsetzung ab-zwacken.Aber wir sind damit nicht am Ende. Jetzt muss ichdoch konkret werden; das habe ich schon fast befürchtet,Frau Stokar. Wir wollen, dass diese biometrischen Datenauch gespeichert werden, damit ein besserer Austauschzwischen den Sicherheitsbehörden und den Landesbe-hörden möglich gemacht wird.
– Noch besser, Herr Wiefelspütz. Es kann immer nochbesser werden. Dass es Defizite gegeben hat, dürfte, wieich annehme, auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein.Es gab dazu einmal von uns einen Antrag bezüglich deswirksamen Schutzes vor Terroristen und Extremisten,von dem Sie ebenfalls meinten, er sei nicht notwendig.Wie gesagt, ich bin immer noch der Ansicht, dass er not-wendig gewesen ist. Sie können ihn gerne nachlesen.Schließlich unterscheiden wir uns auch in der Auffas-sung über die Notwendigkeit eines Sicherheitspake-tes III, wie Herr Innenminister Beckstein ihn anmahnt.Ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, weil ich sehe,dass die Lampe, die das Ende meiner Redezeit ankün-digt, blinkt. Ich zitiere aber noch einmal aus einer Pres-semitteilung der Bayerischen Staatskanzlei:Unsere Computer sind auf die arabische Schrift undPhonetik nicht eingestellt.
Islamische Fundamentalisten können sich daherhinter einem bunten Strauß von Alias-Namen, diealle irgendwie gleich klingen, verstecken und ab-tauchen. Deshalb brauchen wir die Speicherungbiometrischer Daten. Auch das hat die rot-grüneBundesregierung abgelehnt.Zum Technischen Hilfswerk habe ich bereits etwasgesagt. Ich komme deswegen nur noch ganz kurz auf dasDefizit von 2 Millionen Euro bei der Bereitschaftspoli-zei zu sprechen.
Frau Kollegin, Sie kommen bitte zum Schluss und ge-
hen nicht mehr auf die Bereitschaftspolizei ein.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichöchte mich, ähnlich wie der Kollege Fricke, zunächstinmal bei den Haushältern für eine wirklich angenehmend faire Beratung meines Haushaltes ungeachtet voneinungsverschiedenheiten – das bringt die Natur derache mit sich, aber das Ganze ist in wirklich guter At-osphäre verlaufen – bedanken. Der Dank gilt natürlichn aller erster Linie den Haushältern der Koalition; dennie haben die Mehrheit.
Jetzt kommt das Aber: Dieses Lob gilt auch den Kolle-innen und Kollegen aus der Opposition, die sich fairerhalten haben; das kann ich überhaupt nicht andersarstellen.Ich möchte zu einigen Bemerkungen Stellung neh-en, die in der Debatte zum Ausdruck gekommen sind.ch beginne zunächst einmal mit der Frage: Wie siehtenn mein Haushalt eigentlich aus? Natürlich habe ichdas kann gar nicht anders sein –, ähnlich wie andereessorts auch, einen Solidarbeitrag leisten müssen.enn ein Minister meint, sein Haushalt brauche dazuichts beizutragen, dann verhält er sich nicht korrekt.eshalb habe ich eine globale Minderausgabe, die sichuf etwa 150 Millionen Euro beläuft, zu verkraften. Fürinen Haushalt, der stark von Personalausgaben in An-pruch genommen wird und der der inneren Sicherheitient, ist das sicherlich keine einfache Aufgabe.Ich will aber darauf hinweisen, dass wir in sehr wich-igen Sicherheitsbereichen gleichwohl einen Aufwuchsaben. Bei den Mitteln für den Bundesgrenzschutz ha-en wir einen Aufwuchs um 3,6 Prozent. Die Mittel füras BKA konnten wir auf hohem Niveau beibehalten. Esibt auch in anderen Sicherheitsbereichen einen Auf-uchs, beispielsweise bei den Zuwendungen zu Europolnd anderen Sicherheitsinstitutionen.Da Sie sagen, das sei alles noch nicht genug, möchtech auf folgenden Sachverhalt aufmerksam machen: Icheiß nicht, ob Ihnen aufgefallen ist, dass der Kollegeustermann, der im Bundestag sehr impulsive Redenält,
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Bundesminister Otto Schilygefordert hat, dass wir den Vorgaben der EuropäischenKommission folgen sollen. Als er dann gefragt wurde,wie das geschehen soll, hat er geantwortet: Es solltenalle Verwaltungsausgaben um 10 Prozent gekürzt wer-den. Das würde bedeuten, dass ich beim Bundesgrenz-schutz mehr als 180 Millionen Euro einsparen müsste.Wie ich das verkraften soll, mögen mir die Damen undHerren von der Fraktion, die hier für die innere Sicher-heit plädiert, verkünden. Diese Forderung ist dochschlichtweg Unsinn.
Frau Kollegin Jaffke, Sie sind mir immer eine sehrangenehme Partnerin im Haushaltsausschuss.
– Das wird man doch einmal freundlich sagen dürfen.Ich weiß zwar, dass es eher gefährlich ist, wenn man alsRegierungsmitglied einen Oppositionsabgeordnetenlobt, aber ich kann Ihnen das Lob nicht ersparen, FrauKollegin Jaffke.
Einiges, was Sie hier dargestellt haben, ist nicht ganzkorrekt. Aber das ist eine sachliche Meinungsverschie-denheit, die wir freundlich miteinander austragen kön-nen.Sie haben nach der Bezahlung der Beamtinnen undBeamten gefragt. In diesem Zusammenhang möchte ichSie darauf aufmerksam machen, dass in meiner Amtszeitdie Zahlungen für die Beamtinnen und Beamten und fürden öffentlichen Dienst erheblich gestiegen sind, undzwar aufgrund der von mir geführten Tarifverhandlun-gen und der darauf folgenden Besoldungserhöhungen.Das ist beachtlich.
– Nein, dabei handelt es sich um einen deutlichen Netto-lohnzuwachs. Das können Sie alles nachvollziehen.Auch dieser Personenkreis profitiert von den Besser-stellungen durch die Kindergelderhöhung und die Steuer-erleichterungen. Das sollten Sie beachten, wenn Sie ei-nen Sachverhalt korrekt und vollständig darstellen wol-len.
Im Übrigen weise ich Sie darauf hin, dass wir der For-derung nach mehr Flexibilisierung nachgekommen sind.Sie haben dem zugestimmt. Wir haben aber davon nichtin der Weise Gebrauch gemacht wie die Länder, nämlichbereits in diesem Jahr mit den Kürzungen der Sonder-zahlungen zu beginnen, sondern wir haben das erst fürdas nächste Jahr, also für 2004, vorgesehen. Auch dasbitte ich zu beachten.Die Frage der Arbeitszeit werden wir auch auf Bun-desebene diskutieren müssen. Aber ich frage Sie, ob ichdaIWd–smdsmdsdKdtrg–WSZs1IzFnmNsgsBu2
Wir haben die Überlegungen noch nicht abgeschlos-en. Insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass ichich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festlegen will.Ein Blick auf die Einkommenssituation beim Bun-esgrenzschutz zeigt – das hat der Kollege Hagemannchon ausgeführt –, dass diese noch nie so gut war wie ineiner Amtszeit, und zwar durch die Stellenhebungen,ie wir konsequent vorgenommen haben. Auch dasollte hier anerkannt werden.
Des Weiteren haben Sie einen Einzelfall bei der Bun-eszentrale für politische Bildung dargestellt. Derollege Hagemann hat mit Recht darauf hingewiesen,ass wir zusammen mit dem Präsidenten der Bundeszen-ale, Krüger, diese Einrichtung modernisiert und in eineute Verfassung gebracht haben.
Nun hören Sie doch einen Moment zu, Herr Grindel!enn Sie das Ideologisierung nennen wollen, dann tunie das ruhig. Sie haben mich danach gefragt, wer dieuwendungsempfänger sind. Zuwendungsempfängerind auch CDU-nahe Einrichtungen; sie erhalten,35 Millionen Euro.
nsofern können Sie das ruhig als Ideologisierung be-eichnen.Sie haben eine entsprechende Aufstellung erhalten.rau Jaffke, ich sage Ihnen zu, dass Sie – wenn Ihnenoch irgendetwas fehlt – alle Angaben im Detail bekom-en.
otfalls werde ich selber dafür sorgen. Ich halte es fürelbstverständlich; denn Sie haben ein Recht dazu.Ferner haben Sie eine Ausgabe für einen Dienstwa-en beanstandet. Der Etat der Bundeszentrale für politi-che Bildung beläuft sich auf knapp 40 Millionen Euro.ei der von Ihnen beanstandeten Position handelt es sichm die Kosten für einen Dienstwagen in Höhe von0 000 Euro. An dieser Stelle fehlt mir ein bisschen das
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Bundesminister Otto SchilyVerständnis dafür, dass diese Ausgabe Gegenstand einerDebatte im Deutschen Bundestag wird.
Wenn Sie meinen, ich könnte die entsprechenden Fahr-zeuge vom Bundeskriminalamt übernehmen, dann versi-chere ich Ihnen: Für 20 000 Euro bekommt man dort garnichts, allenfalls ein Schrottauto.
Herr Fricke ist auf das THW eingegangen; auch FrauPhilipp hat dazu einige Ausführungen gemacht. Weil Siedie Ausgaben beanstandet haben, Frau Kollegin Philipp,weise ich Sie darauf hin, dass es in den Jahren 1998/99beim THW bereits einen Aufwuchs der Mittel von10,3 Prozent und in der Zeit von 1999 bis 2003 einenAufwuchs von 17,5 Prozent gegeben hat. Dahinter kön-nen Sie sich mit den Zahlen aus Ihrer alten Zeit verste-cken.
Beim THW sollten Sie nicht in der Weise herumre-den, wie Sie es hier gemacht haben. Ich weiß, dass Siemanchmal versuchen, in den Helfervereinigungen fürschlechte Stimmung zu sorgen. Wohin auch immer ichbeim THW komme, werde ich außerordentlich freund-lich empfangen.
Man weiß dort genau, was der Bundesinnenminister fürdas Technische Hilfswerk tut.
Dies haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter desTHWs auch verdient, weil sie hervorragende Arbeit leis-ten.Herr Fricke hat Sorge geäußert, dass wir für diesenBereich keine jungen Menschen mehr gewinnen können.
Das stimmt für das THW nicht. Von 1999 bis 2003 hat-ten wir dort einen Zuwachs an Junghelfern – darauf binich besonders stolz – in Höhe von 24 Prozent. Ange-sichts dieses Sachverhalts sollten Sie sich auch einmalauf ein Lob für diese gute Arbeit besinnen.
Ich habe zwölf Minuten Redezeit für ein, wie Sie ge-sagt haben, großes Ministerium. Das ist immer etwasmerkwürdig. Daher weise ich in aller Kürze darauf hin,dass wir mit den Haushaltsmitteln immer gut umgehenund große Erfolge zu verzeichnen haben. Ich kann siejetzt nicht alle aufführen; dazu bräuchte ich ein paarStunden.Aber ich gehe noch auf die von Frau Philipp dankens-werterweise angesprochenen Entscheidungen der heuti-gsaEsIvsMWamkkübbadvsa–mw–zArdmicHwwgHPs
Meine Damen und Herren, ich könnte natürlich nochber einige Dinge reden, die wir heute mit Javier Solanaesprochen haben, der das Engagement Deutschlandsesonders lobt, was den Einsatz für die innere Sicherheitußerhalb unserer Grenzen angeht. Ich könnte auch überas sprechen, was wir heute hinsichtlich der Stärkungon Europol vereinbart haben. Ich beschränke michtattdessen darauf, ein paar Sätze auf den von mehrerenngesprochenen Digitalfunk zu verwenden.
Das ist wichtig.
Entschuldigung, Herr Präsident, ich nehme damitein Vorrecht in Anspruch, als Regierungsmitglied einenig länger zu sprechen.
Ich weiß, dass Sie diesbezüglich einige Sorgen in Be-ug auf meine Person haben. Aber Sie haben doch einennspruch darauf, dass ich über den neuesten Stand be-ichte.
Mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenzer Länder, dem Kollegen Trautvetter, und dem Finanz-inister Baden-Württembergs, Herrn Stratthaus, habeh vor einigen Tagen zusammengesessen; die beidenerren sind auf meine Einladung hin dankenswerter-eise nach Berlin gekommen. Wir waren uns einig, dassir einen modernen Digitalfunk brauchen. Das ist dieute Botschaft. Die zweite gute Botschaft war das, waserr Trautvetter nach diesem Gespräch auch in einerresseerklärung bekannt gegeben hat: Die von uns müh-am auf der Arbeitsebene mit den Ländern erarbeitete
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Bundesminister Otto SchilyDachvereinbarung, die besagte, dass wir die Ausschrei-bung in Gang setzen können, ist jetzt unterschriftsreif.Ich habe das – ebenfalls in einer Presseerklärung – be-grüßt. Aber in einem anschließenden Gespräch mit mei-nem Staatssekretär hat der Thüringer StaatssekretärScherer plötzlich erklärt, dass das alles nicht wahr seiund dass Herr Trautvetter seine Zusage zurückziehenmöchte. Das ist ein sehr ungutes Hin und Her. Das, washier geschieht, ist ein Drama und geht zulasten unseresLandes.
Der Bundeskanzler hat mit den MinisterpräsidentenEnde Juni dieses Jahres eine Vereinbarung getroffen– ich war zugegen –, in der die genaue Schrittfolge fest-gelegt worden ist: Dachvereinbarung, Ausschreibungund Rahmenvertrag, der die Kostenverteilung regelt.Jeder kann ja für sich entscheiden, ob er die Kosten auf-bringen kann bzw. will. Ich finde das, was Sie in IhrerZwischenfrage im Hinblick auf Ihren Antrag gesagt ha-ben, sehr interessant. Mir war das nicht mehr in Erinne-rung. Ich muss ehrlich sagen, dass ich diesbezüglich eineGedächtnislücke hatte. Mir ist aber sehr lieb, dass Sie ei-nen solchen Antrag gestellt haben. Wenn das Ihr Stand-punkt ist – dieser stimmt übrigens mit meinem überein –,dann bitte ich Sie ganz herzlich, dementsprechend IhrenEinfluss bei den Ländern geltend zu machen.
Dann wären wir sofort einen Schritt weiter; denn überdie Finanzverteilung kann man viel besser sprechen,wenn man die Angebote der möglichen Betreiber vorlie-gen hat und weiß, was es kosten wird.Als unverbesserlicher Optimist, der ich noch immerbin, glaube ich, dass es durchaus möglich ist, zusammenmit dem Bundeskanzler auf der Ministerpräsidentenkon-ferenz Ende Dezember dieses Jahres eine Perspektivebei der Finanzverteilung zu konsentieren und so den Pro-zess zu beschleunigen. Ich werde es jedenfalls versu-chen. Deutschland würde sich entsetzlich blamieren,wenn es uns nicht gelingen sollte, das zu schaffen, wasFinnland in relativ kurzer Zeit zustande gebracht hat,und zwar zu durchaus überschaubaren Kosten. Ich binjedenfalls dankbar, dass im Prinzip alle Fraktionen die-ses Hauses die Einführung des Digitalfunks unterstüt-zen. Übrigens, ich bitte, zu beachten, dass sich auch dieLänder nicht einig sind, ob der Königsteiner Schlüsselangewendet werden soll.Ich möchte ausnahmsweise – der Präsident lässt dau-ernd die rote Lampe leuchten
– Erleuchtungen brauche ich nicht; ich hatte bereits ge-nügend – etwas zum Sportetat sagen, der bereits ange-sprochen worden ist. Ich bin hier mit Herrn Fricke einerMeinung – das kann ja passieren – und teile die Auffas-sung meiner Koalition nicht. Diesen Konflikt müssenwir offen austragen. Es hat keinen Sinn, dies zu ver-schweigen. Im Sportetat wird nämlich einfach ein Postenin Höhe von 5 Millionen Euro für den Goldenen PlanOfdmIlmzlNdlssdDsDbwWAhmkZDkgewblvWtmtmVu
Wir haben jedenfalls bei den Sportausgaben ein hohesiveau erhalten können. Ulrich Feldhoff, der Vizepräsi-ent des Deutschen Sportbundes, hat in Aachen aus An-ass des Zeitraums von 1 000 Tagen bis zu den Weltreiter-pielen im Jahre 2006 erklärt – das gilt für uns alle –, manolle doch endlich einmal anerkennen, dass Deutschlandie drittstärkste Sportnation der Welt ist.
as verdanken wir auch den Steuercents, die die Men-chen aufbringen. Darauf können wie sehr stolz sein.ass wir im Jahre 2006 nicht nur Gastgeber bei der Fuß-allweltmeisterschaft, sondern auch bei der Tischtennis-eltmeisterschaft, der Hockeyweltmeisterschaft und deneltreiterspielen sind, bringt zum Ausdruck, welchenerkennung uns zuteil wird.Lassen Sie mich kurz auf das Thema Olympia einge-en; ich bin darauf angesprochen worden. Können Sieir einen Fall nennen, in dem ein Laden innerhalb sourzer Zeit wieder auf Trab gebracht worden ist wie imusammenhang mit der deutschen Olympiabewerbung?ies wurde mit wirklich guten Leuten geschafft. Dafüronnten die Beteiligten sehr viel Lob einheimsen. Ichlaube, ich brauche mich nicht zu verstecken. Zwar sindinige Dinge geschehen, die nicht schön waren – heuteurde übrigens bekannt, dass eine Person zu Unrechteschuldigt worden ist –; aber wir haben den Laden mitt-erweile wieder aufgeräumt.Ich bitte Sie alle, diese nationale Bewerbung auchom Bundestag aus zu unterstützen.
ir haben mit Herrn Genscher einen wunderbaren Ver-reter für das Kuratorium gewonnen. Wir sollten zusam-enstehen, damit die Bewerbung Leipzigs, des Freistaa-es Sachsen, Rostocks und Mecklenburgs Erfolg hat.Vielen Dank.
Herr Bundesminister, in Bezug auf Ihre Redezeitöchte ich Folgendes sagen: Sie haben nach unserererfassung das Recht, jederzeit im Parlament zu reden,nd zwar so lange, wie Sie wollen. Allerdings haben die
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsAbgeordneten nicht die Verpflichtung, Ihnen so langezuzuhören.
Die Abgeordneten haben das aber getan; deswegen geheich davon aus, dass sie an Ihrer Rede interessiert waren.Nach der Geschäftsordnung ist es so, dass auf Antrageiner Fraktion die Debatte wieder eröffnet werdenkönnte, nachdem ein Regierungsmitglied seine Redezeitüberschritten hat. Ich gehe aber davon aus, dass niemanddiesen Antrag stellt.Ich gebe als letztem Redner dem Kollegen HartmutKoschyk von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirwarten jetzt einmal ab, ob wir von diesem Recht Ge-brauch machen.
Wir wissen, dass der Bundesinnenminister in dieserDebatte am liebsten das letzte Wort hätte und dass er fürsich eigentlich gerne die meiste Redezeit in Anspruchnehmen würde.
Herr Präsident, ich finde es gut, dass Sie immer wiederdarauf hinweisen, dass gerade für eine Haushaltsdebattedas Parlamentsrecht gilt und dass die Möglichkeiten derRegierung, sich selbst darzustellen, begrenzt sind.Herr Minister, ich möchte noch etwas zum Digital-funk sagen. Wir haben vereinbart, dass die Berichter-statter aus den Fraktionen mit Ihnen reden werden. Da-bei soll auch überlegt werden, wie wir auf unsere Ländereinwirken können.
Herr Tauss, seien Sie vorsichtig; sonst verlängern wir dieAussprache.
Herr Minister, eines ist doch klar – die Innenminister-konferenz in Jena hat das wieder gezeigt –: Der Bundmuss sich in der Frage der Kostenverteilung wirklichbewegen. Ich glaube, das wissen auch Sie. Sie sind zwarins Haushaltskorsett eingezwängt; aber das darf nichtdas letzte Angebot des Bundes an die Länder sein.
– Sie bieten inoffiziell etwas an. Das wurde in Jena na-türlich als Provokation empfunden. Das haben Länder-vertreter nach dem Treffen in Jena offen gesagt. Solangenicht zumindest der Königsteiner Schlüssel gilt, könnenSnneBEögnrlkwaIgSIFd„gudUaSdstBwmfgdÖBwMtItfö
Ach was?“, würde der erstaunte Abgeordnete nur sa-en, wenn das nicht so traurig wäre. Die Beschäftigten,m die es geht, haben einen Anspruch darauf, dass ihnenie Bundesregierung sagt, ob das eine Spaß-, Alibi- odernterhaltungsveranstaltung von Teilen der SPD, unternderem auch von Ihrer Staatssekretärin, ist.
ie wollen wissen, wohin die Reise geht und ob die Bun-esregierung noch zu Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzesteht, nach dem das Recht des öffentlichen Dienstes un-er Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze deserufsbeamtentums zu regeln ist.Nordrhein-Westfalen hat bereits gesagt, wohin esill. Bei der Innenministerkonferenz in Jena, so hörtean, lag schon eine Protokollnotiz von Nordrhein-West-alen auf dem Tisch, nach der Art. 33 Abs. 5 des Grund-esetzes ersatzlos zu streichen ist. Das wurde dann wie-er eingesammelt und hat somit das Licht derffentlichkeit nicht erblickt.Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, auch dieeamten, haben einen Anspruch darauf, zu erfahren,ohin die Reise mit dieser Bundesregierung geht.
it uns wird es eine Abschaffung des Berufsbeamten-ums jedenfalls nicht geben.
m Gegenteil: Wir bekennen uns zum Berufsbeamten-um und wir sagen, dass das Beamtenrecht wesentlichlexibler ist als das Tarifrecht für die Arbeitnehmer imffentlichen Dienst
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Hartmut Koschykund dass das Berufsbeamtentum und das Beamtenrechteine effiziente, kostengünstige und vor allem auchstreikfreie öffentliche Verwaltung garantieren. Wir tretenfür Reformen ein, aber anders als Teile Ihrer Partei wol-len wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.
Ich komme zu einem Punkt, zu dem Sie, Herr Minis-ter, in Ihrer Haushaltsrede heute nichts gesagt haben.
Wir meinen, dass die Beschäftigten im öffentlichenDienst eine langfristig tragfähige Perspektive brauchen.Vor allem können sie von der Politik verlangen, dass sievor ungerechten Vorurteilen in Schutz genommen wer-den.Wir als CDU/CSU-Fraktion wissen sehr wohl zu wür-digen, dass gerade die Beamtinnen und Beamten im Hin-blick auf Einsparungen der öffentlichen Hand nichtNachzügler, sondern Vorreiter sind. So beträgt die Wo-chenarbeitszeit der Beamten in einigen Bundesländern inZukunft bis zu 42 Stunden, während sie bei den Ange-stellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst bundesweitbei 38,5 Stunden liegt. Einschnitte beim Urlaubs- undWeihnachtsgeld sind nur für die Beamten auf dem Weg,nicht aber für die Tarifbeschäftigten. Auch das wird imBundesbereich mit mehreren Millionen zu Buche schla-gen.Wir haben auch die Pflicht, der Öffentlichkeit zusagen, dass die Bundesbeamten gegenüber den Arbeit-nehmern seit 1999 weitere 610 Millionen Euro erwirt-schaftet haben, die als Vorsorge für spätere Pensionszah-lungen zur Verfügung stehen.
Während sich die Rentner vorerst auf eine einmaligeNullrunde einstellen müssen – ich sage bewusst: vorerst;man weiß ja nicht, was diese Regierung noch vorhat –,steht bereits fest, dass sich die Bezüge der pensionier-ten Beamten für die Jahre 2002 bis 2005 entlang derNulllinie entwickeln werden. Diese Vorleistungen derBeamten müssen bei der anstehenden Übertragung derSozialreformen berücksichtigt werden. Da werden wiruns vor die Beamtinnen und Beamten stellen.
Wir sagen denen im öffentlichen Dienst, vor allemden Beamtinnen und Beamten, die zurzeit nur mit Ein-sparungen konfrontiert werden, in dieser schwierigenZeit aber trotzdem einen hervorragenden Dienst für un-ser Land und für die öffentliche Verwaltung leisten, je-denfalls Dank für ihren engagierten Einsatz.
Wir wissen, dass zurzeit besondere Anforderungen andie in der Terrorismus- und VerbrechensbekämpfungtdAwüaAzsDusUsPnsbSsfnskzvgIiSdgdbGm„hGüHs
Ja. – Ich sage sehr deutlich: Es ist nicht in Ordnung,ass die sagen, das Luftsicherheitsgesetz in der vorlie-enden Form reiche aus. Herr Wiefelspütz, Sie haben iner „Welt“ vom Montag dieser Woche gesagt, wenn manei einer Anhörung feststelle, dass „zwei Wörter unseresrundgesetzes“ geändert werden müssen: Na und? Dannachen wir das.
Herr Minister, wir begrüßen, dass Sie heute in derMittelbayerischen Zeitung“ in einem Interview erklärtaben, dass Sie sich eine Klarstellung in Art. 35 desrundgesetzes wünschen. Wir meinen, es müsste auchber Art. 87 des Grundgesetzes nachgedacht werden.err Minister, wir sagen Ihnen: Sicherheit kann es nichtcheibchenweise geben.
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Hartmut KoschykSortieren Sie bei Rot-Grün endlich Ihre Vorstellun-gen! Wenn Sie mit den Grünen nicht weiterkommen,dann können Sie mit uns die notwendigen grundgesetzli-Einzelplan 32 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-nen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ange-nommen.chen Klarstellungen sehr schnell vornehmen, damit wirdie Bundeswehr auf einer einwandfreien verfassungs-rechtlichen Grundlage in besonderen Gefährdungslagendort einsetzen können, wo die Polizeikräfte des Bundesund der Länder nicht ausreichen.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 06 – Bundesministerium des Innern – in der Aus-
schussfassung. Es liegt ein Änderungsantrag der Abge-
ordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau auf Drucksa-
che 15/2071 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer
stimmt für den Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Der
Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 06 in der Aus-
schussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 06 ist mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.
Abstimmung über den Einzelplan 33 – Versorgung –
in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 33
ist ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte I. 18 und I. 19 auf:
Einzelplan 32
Bundesschuld
– Drucksache 15/1919 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
– Drucksache 15/1920 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Hans-Joachim Fuchtel
Walter Schöler
Antja Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
deshalb gleich zur Abstimmung.
Einzelplan 32 – Bundesschuld –: Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
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Einzelplan 60 – Allgemeine Finanzverwaltung – in
er Ausschussfassung: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt
agegen? – Wer enthält sich? – Einzelplan 60 ist mit
em gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt I. 20 auf:
Haushaltsgesetz 2004
– Drucksachen 15/1922, 15/1923 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Steffen Kampeter
Walter Schöler
Antja Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
ir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Ich bitte
iejenigen, die dem Gesetzentwurf über die Feststellung
es Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2004 in
er Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
eichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge-
etzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der
oalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU
nd FDP angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
chlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un-
errichtung durch die Bundesregierung über den Finanz-
lan des Bundes 2003 bis 2007, Drucksachen 15/1501
nd 15/1670. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache
5/1924 Kenntnisnahme.
er stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
agegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
st damit angenommen.
Ich muss eine Aussage korrigieren: Bei der Abstim-
ung über den Haushaltsplan 2004 hat der Kollege
lrich von Bündnis 90/Die Grünen dagegen gestimmt.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 28. November 2003,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.