Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 178. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Schmücker für vier Wochen wegen Krankheit und Abgeordneter Diel für vier Wochen wegen Krankheit; Abgeordneter Freiherr von Rechenberg und die folgenden Abgeordneten für zwei Wochen wegen Teilnahme an den Sitzungen des Europarats in Straßburg: Dr. Becker , Frau Schroeder (Berlin), Dr. Schäfer, Dr. von Golitschek, Dr. Pfleiderer, Dr. Reif, Frau Dr. Weber (Essen), Dr. Pünder, Birkelbach, Dr. von Brentano, Gerns.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Erteilung dieses Urlaubs einverstanden ist.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Freudenberg, Margulies, Morgenthaler, Schüttler, Dr. Schmid , Schmitt (Mainz), Frau Albertz, Dr. Laforet, Meyer (Hagen), Degener, Stahl, Freitag, Dr. Kopf, Hilbert.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Junglas, Dr. Veit, Heiland, Dr. Henle, Dr. Gülich, Frau Korspeter, Renner, Agatz, Reimann, Vesper.
An die Stelle des infolge seiner Ernennung zum Gesandten in Montevideo aus dem Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Herbig ist der Abgeordnete Walter Faller in den Bundestag eingetreten. Ich heiße ihn herzlich willkommen und wünsche ihm eine erfolgreiche Arbeit in unserem Kreise.
Ich habe Ihnen weiter folgendes bekanntzugeben. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat die Haushaltsrechnung der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und die Zeit vom 1. April bis 20. September 1949 übersandt. Gemäß § 83 der Reichshaushaltsordnung müssen die über- und außerplanmäßigen Ausgaben nachträglich durch einfache Beschlußfassung genehmigt werden. Ich darf das Einverständnis des Hauses dazu annehmen, daß sich der Haushaltsausschuß mit der Angelegenheit befaßt und darüber im Plenum berichtet, daß also durch diese Mitteilung die ausdrückliche Überweisung an den Haushaltsausschuß ersetzt wird.
— Das Haus ist damit einverstanden.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. November beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951, Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung, Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung,
Gesetz über den Handelsvertrag vom 2. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile,
Gesetz über die Finanzierung eines Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951,
Gesetz über die Abkommen über die soziale Sicherheit der Rheinschiffer und über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer nebst Schlußprotokoll.
Er hat weiter beschlossen, gegen das
Gesetz über die Stundung von Soforthilfeabgabe und über Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe
und gegen das
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts
keinen Einspruch einzulegen.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 24. November 1951 die Anfrage Nr. 225 der Fraktion der FDP über die Beheizung von Behandlungsräumen der Heilberufe mit Kohle — Drucksache Nr. 2764 — beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2884 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 28. November 1951 die Anfrage Nr. 226 der Fraktion der SPD betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des Buchenprachtkäfers — Drucksache 2774 — beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2879 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 29. November 1951 die Anfrage a Nr. 230 der Abgeordneten Schmücker, Kühling und Genossen betreffend Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts — Drucksache Nr. 2825 — beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2883 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 3. Dezember 1951 die Anfrage Nr. 231 der Fraktion der SPD betreffend Regionale Europäische Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation — Drucksache Nr. 2826 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2895 verteilt werden.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat am 29. November 1951 in Ergänzung seines Schreibens vom 30. September 1951 — Drucksache Nr. 2653 — unter Bezugnahme auf die Anfrage Nr. 207 der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen über den Abtransport deutschen Kunstbesitzes nach Österreich berichtet. Sein zweites Schreiben wird als Drucksache Nr. 2894 verteilt werden.
Gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft in der Fassung vom 5. Mai 1951 hat der Herr Bundeskanzler die Verordnung über die Lieferung und den Bezug von Betonstahl zur Kenntnisnahme übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Dann darf ich darauf hinweisen, daß gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung von der heutigen Tagesordnung die Punkte betreffend Freilassung deutscher Staatsangehöriger in fremdem Gewahrsam und betreffend französische Fremdenlegion,
10 a), b) und c), abgesetzt werden sollen. Ich darf
annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung (Nm. 2802, 1711 der Drucksachen; Umdruck Nr. 373).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Hoff-
mann . Ich darf ihn bitten, das Wort zu
nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 1711, die Bundesregierung zu beauftragen, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung auf mindestens 600 DM pro Monat ab 1. April 1951 vorsieht, ist durch Beschluß des Hohen Hauses dem Ausschuß für Sozialpolitik zur Beratung überwiesen worden. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat sich in mehreren Sitzungen mit dem Antrag befaßt und zu der Angelegenheit auch Sachverständige aus den Kreisen der Arbeitnehmerschaft, der Arbeitgeber, der Krankenkassen, der Ärzte und Zahnärzte und der Apotheker gehört.
Bei der Behandlung des Antrags der Fraktion der SPD bestand innerhalb des Ausschusses Einmütigkeit darüber, daß die zur Zeit geltende Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung, die 375 DM pro Monat beträgt, nicht mehr zeitgemäß ist. Seit Festsetzung dieser Grenze ist eine große Anzahl von Arbeitnehmern aus der Versicherungspflicht ausgeschieden, weil ihre Löhne und Gehälter erhöht worden sind. Sie werden also des Versicherungsschutzes nicht mehr teilhaftig. Auf der andern Seite ist zu berücksichtigen, daß sie auch nicht in den vollen Genuß der Lohnerhöhungen kommen, weil sie in eine andere Steuerklasse gekommen sind, dadurch also mehr Steuern zu zahlen haben und auch wegen der Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze nunmehr den Arbeitgeberanteil aus ihrer Tasche bezahlen müssen. Es gilt also, durch eine neue Festsetzung der Pflichtgrenze diese Kreise der Arbeitnehmerschaft wieder in den Versicherungsschutz zu bringen.
Über die Höhe der festzusetzenden Versicherungspflichtgrenze war eine Einmütigkeit innerhalb des Ausschusses nicht zu erzielen. Es wurden verschieden lautende Anträge gestellt, über die durch Abstimmung entschieden werden mußte. Im einzelnen wurden folgende Anträge eingehend diskutiert und entschieden: erstens der Antrag der Fraktion der SPD, den Sie in der Drucksache Nr. 1711 finden, die Grenze auf 600 DM festzusetzen; dieser Antrag wurde mit 11 zu 6 Stimmen abgelehnt. Zweitens wurde über einen Kompromißantrag beraten und entschieden, die Grenze auf 500 DM festzusetzen und einen Zusatz des Inhalts aufzunehmen:
Wird durch eine Gehaltserhöhung die Versicherungspflichtgrenze überschritten, erlischt
die Versicherungspflicht erst, wenn das Gehalt monatlich 600 DM übersteigt.
Über diesen Antrag wurde getrennt abgestimmt. Das Ergebnis der Abstimmung war, daß sich der Ausschuß mit 10 zu 7 Stimmen für eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze auf 500 DM je Monat aussprach. Den Zusatzantrag hat der Ausschuß 1 mit 10 zu 6 Stimmen abgelehnt. Durch diese Abstimmung ist ein weiterer Antrag, die Versicherungspflichtgrenze auf 450 DM festzusetzen, nicht mehr zur Abstimmung gekommen; dieser Antrag hat durch die Festsetzung der Versicherungspflicht-grenze auf 500 DM seine Erledigung gefunden.
In Zusammenhang mit der Abstimmung über diese Anträge hat der Ausschuß auch zu dem § 178 der Reichsversicherungsordnung Stellung genommen, der die Einkommen ab 7200 DM jährlich von der Versicherungsmöglichkeit ausschließt. Dem Ausschuß konnte keine Klarheit verschafft werden, ob diese Bestimmung des § 178 der Reichsversicherungsordnung zur Zeit noch in Kraft ist. Deshalb hat der Ausschuß beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, zu prüfen, ob und inwieweit dem § 178 der Reichsversicherungsordnung wieder Geltung verschafft werden muß, um eine obere Grenze für die freiwillige Weiterversicherung gesetzlich wieder festzulegen.
Meine Damen und Herren, Sie finden die Beschlüsse des Ausschusses für Sozialpolitik in der Drucksache Nr. 2802. Ich schlage Ihnen vor, diesen Beschlüssen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Entsprechend dem Vorschlag des Altestenrats rege ich an, eine Aussprachezeit von 90 Minuten festzusetzen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache über den Bericht des Ausschusses. Es liegt ein Abänderungsantrag vor, der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck Nr. 373. Frau Abgeordnete Kalinke möchte ihn begründen.
Meine sehr verehrten Herren und Damen! Seit dem Bestand einer Versicherungspftichtgrenze in der Sozialversicherung hat die Diskussion um diese Versicherungspflichtgrenze, um die Ausdehnung der Versicherungspflicht und um die Einbeziehung weiterer Personenkreise in die Versicherungspflicht nie aufgehört. Mit Bezug auf den Antrag der SPD ist schon früher darauf hingewiesen worden, daß die entsprechende Diskussion bereits im Wirtschaftsrat stattgefunden hat, als die Versicherungspflichtgrenze auf monatlich 375 DM festgesetzt wurde. In der Sitzung vom 11. Januar 1951 hat die Sozialdemokratische Partei ihren Antrag damit begründet, daß die Steigerung der Nominallöhne eine größere Schutzbedürftigkeit der Menschen zur Folge habe, die zwischen 375 und 600 DM monatlich verdienten und die sich, so sagte der Sprecher der SPD, in großer Not befänden. Er hat außerdem gesagt, daß von diesem Kreis die freiwillige Weiterversicherung meistens vergessen werde und er dann vor den Wechselfällen des Lebens nicht geschützt sei. Das letztere trifft nicht zu, da dieser Personenkreis bis auf wenige Ausnahmen ja freiwillig versichert ist. Die Ortskrankenkassen haben damals zu Beginn der Beratungen über dieses Gesetz die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze abgelehnt. Die Ortskrankenkassen mit ihrer großen Erfahrung und ihrer großen Versichertenzahl haben damals im Ausschuß bewußt und unter Vorlage von Gutachten den Standpunkt eingenommen, daß eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze deshalb nicht berechtigt ist, weil alle Arbeiter in der Versicherungspflicht sind. Dieselben Ortskrankenkassen haben dann in ihrer Stellungnahme, die ja die
sozialpolitisch Interessierten kennen, erklärt, daß sie schon deshalb eine Erhöhung ablehnten, weil davon nur die Angestellten betroffen würden und die Angestellten in den Angestelltenersatzkassen und nicht in den Ortskrankenkassen versichert seien. Ebenso interessant wie diese Tatsache ist das Protokoll des Wirtschaftsrates, in dem man nachlesen kann, daß damals Herr Dr. Mommer von der SPD erklärt hat:
Wir hätten an sich dieser Begründung der Verwaltung nichts hinzuzufügen, wenn es sich nur um die Anpassung an das gestiegene Lohn-und Preisniveau handelte. .... Wir müssen auch darauf hinweisen, daß in der französischen Zone dieser Betrag seit drei Jahren als Versicherungspflichtgrenze gilt, also 7200 DM, ebenso in der Ostzone.
Damals hat die SPD sich also auf einen Tatbestand bezogen, auf den sie sich heute, wie ich hoffen möchte, wovon ich sogar überzeugt bin, nicht mehr beziehen wird.
Das Beispiel der Ostzone sollten wir nicht diskutieren. Das Beispiel der französischen Zone können wir nicht mehr diskutieren, weil dort das Volk entschieden hat, das sich in seiner Mehrheit gegen die Einheitsversicherung nach dem Muster der SED und der KPD ausgesprochen hat.
Heute ist das neue Argument die Anpassung an Berlin. Mit der Anpassung an Berlin soll die Versicherungspflichtgrenze von 600 DM jetzt begründet werden. Da möchte ich den Herren Kollegen von der SPD doch empfehlen, die eigenen Ausführungen im „Vorwärts" vom 21. Juli 1950 zu lesen, die mich wie kaum etwas Schriftliches zu diesem Problem überzeugt haben.
Soweit die politischen Hintergründe. Neben diesen politischen Hintergründen, die sozialpolitisch für uns so außerordentlich interessant sind, ist sicherlich nicht uninteressant, daß die Ortskrankenkassen inzwischen ihren Standpunkt um 180 Grad gewechselt haben und nun gemeinsam mit der Sozialdemokratischen Partei und dem Deutschen Gewerkschaftsbund gefordert haben, daß die Versicherungspflichtgrenze auf 600 DM erhöht wird. Wir trennen hier die politischen Forderungen und das echte sozialpolitische Bedürfnis. Wir möchten auch nicht in die Gefahr kommen, einer Überschätzung von Zahlen zu unterliegen. Leider war das Bundesarbeitsministerium nicht in der Lage, uns an Hand von Statistiken zu sagen, wie es denn mit den Angestellten und ihren Gehältern wirklich aussieht. Die uns von allen Seiten zur Verfügung gestellten Statistiken zeigen den Lohnindex der Industriearbeiter, und dieser Index beweist durchaus nicht, daß die Angestellten, die hier betroffen sind, in gleicher Weise von den Lohnerhöhungen einen Vorteil gehabt haben. Wir bestreiten das sogar ganz entschieden. Die optimale Grenze der Versicherungsbedürftigkeit entspricht daher nach den Unterlagen, die uns das Bundesarbeitsministerium zur Verfügung gestellt hat, in jedem Fall dem Antrag meiner Fraktion, die Versicherungspflichtgrenze auf nicht mehr als 450 DM festzusetzen. Die Bedingung aber dieses Antrags — d. h. eine Erhöhung überhaupt — ist, daß dadurch keine Einbeziehung weiterer Kreise in die Versicherungspflicht erfolgen soll. Wir wollen, daß sich der Wille zur Versorgung und Selbstverantwortung, der der beste Ausdruck der Kraft einer Persönlichkeit ist und der durchaus im deutschen Volke lebt, auch in unserer Gesetzgebung klar abzeichnet. Wir wollen auch nicht, daß das „Schlagwort von den besseren Risiken" etwa in der heutigen Debatte wieder eine Rolle spielt. Um dem vorzugreifen, möchte ich gleich sagen, daß die höherverdienenden Angestellten durchschnittlich den ungünstigen Altersklassen und damit den schlechteren Risiken angehören.
Wegen der vorgeschriebenen Redezeit kann ich zusammenfassend nur sagen: Von dem Antrag der SPD hätten weder die Ärzte noch die Krankenkassen noch die Krankenhäuser noch die Versicherten selbst einen Vorteil. Wir sind also der Auffassung, daß die weitere Ausdehnung der Versicherungspflichtgrenze im Augenblick vom sozialpolitischen Standpunkt wie vom Standpunkt der Unterstützung aller Bestrebungen der Selbstverantwortlichkeit nach dem Antrag der SPD abgelehnt werden muß. Wer diese Selbstverantwortung und die Stärkung der Kraft der Persönlichkeit will, den bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mayerhofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei ist der Auffassung, daß sich die Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung auf die Anpassung an das veränderte Preisgefüge beschränken und nicht dazu führen soll, neue Risiken, also weitere Bevölkerungskreise mit günstigeren Risiken in die Versicherungspflicht einzubeziehen. Dieses grundsätzliche Problem der Erstreckung der Versicherungspflicht kann nicht im Rahmen des vorliegenden Antrags mit behandelt werden, sondern bedarf sorgfältiger Vorarbeiten. Innerhalb dieses grundsätzlichen Rahmens ist die Fraktion der Bayernpartei der Auffassung, daß der Vorschlag, die Pflichtgrenze auf 500 DM je Monat zu erhöhen, über das Erfordernis einer Anpassung an das veränderte Preisgefüge hinausgeht. Meine Fraktion ist der Ansicht, daß ein Betrag von 450 DM der tatsächlichen Preisentwicklung ausreichend Rechnung trägt. Sie wird daher dem im Umdruck Nr. 373 enthaltenen Antrag der Deutschen Partei zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst stelle ich den Antrag, in Ziffer 1 der vorliegenden Drucksache Nr. 2802 das Wort „mindestens" vor der Zahl „500 DM" zu streichen, und zwar deswegen, weil dieses Wort irrtümlich in die Drucksache hineingekommen ist. Leider ist das Wort „mindestens" auch in das Protokoll des Ausschusses für Sozialpolitik irrtümlich hineingekommen. Ich selbst war der Antragsteller und weiß mich ganz gut zu erinnern, daß ich darum gebeten hatte, das Wort „mindestens" zu streichen. - Das zu der Formulierung des Antrags.
Nun, meine Damen und Herren, wie sind wir zu der Zahl 500 anstatt bisher 375 gekommen? Wenn wir einmal auf das Jahr 1938 zurückblicken, in dem die Versicherungspflichtgrenze in der Kran-
kenversicherung bei 300 RM lag, und wenn wir uns daneben vergegenwärtigen, daß die amtliche Ziffer der Lohnentwicklung gegenüber 100 im Jahre 1938 heute 181 erreicht hat, dann dürfen wir feststellen, daß mit der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze nur der gleiche Personenkreis erfaßt wird, den wir ursprünglich in der zwangsweisen Versicherung für Krankheit usw. einbezogen wissen wollten, und nicht mehr. Wenn wir diese Zahl mit 500 DM im Monat ansetzen, ist dieses Ziel erreicht, und mehr will dieser Antrag nicht.
Nun wird hier davon gesprochen — ich glaube, Frau Kalinke war es, die davon sprach —, daß die Löhne der Arbeiter höher gestiegen seien als die der Angestellten. Das mag stimmen. Ich habe einmal festgestellt, daß die Löhne der Arbeiter seit dem Jahre 1949, in dem wir die Versicherungspflichtgrenze auf 375 DM ansetzten, im Durchschnitt um etwa 33 % gestiegen sind. Ich gebe zu, daß es bei den Angestellten seit dieser Zeit nur etwa 25 °/%o gewesen sind. Aber auch wenn wir diese Dinge mit in Betracht ziehen, dann wären wir, wenn wir bei den Angestellten 25 % zugrunde legen, auf 475 DM gekommen. Ich glaube, daß man auch bei dieser Rechnung 500 DM im Monat ansetzen kann.
Ich bitte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Vorschlag des Ausschusses für Sozialpolitik zuzustimmen, und zwar deswegen, weil die Angestellten, die in der Zwischenzeit wegen Erhöhung ihrer Einkommen aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind, nicht aus der Krankenversicherung ausschieden, sondern ihre Versicherung freiwillig aufrechterhalten haben und somit nach wie vor der Versicherung angehören, nur mit dem Unterschied, daß sie, wenn sie einbezogen werden, den Beitrag zur Krankenversicherung nicht ganz, d. h. unter Einbeziehung des Arbeitgeberanteils, zu zahlen brauchen. Ich bitte daher, dem Vorschlag des Ausschusses zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte wie auch die Aussprache im sozialpolitischen Ausschuß haben bewiesen, wie notwendig die Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung, bedingt durch die Preis- und Lohnveränderungen, ist.
Die Festsetzung auf 4500 DM jährlich oder 375 DM monatlich mag damals, als diese Grenze gesetzt wurde, berechtigt gewesen sein. Heute jedoch, nachdem die notwendigen Erhöhungen der Nominalgehälter vieler Angestellter erfolgt und die betreffenden Angestellten dadurch aus der Krankenversicherungspflicht herausgekommen sind, ist die Heraufsetzung der Grenze notwendig. Besonders trifft das zu, nachdem bei vielen Angestellten der öffentlichen Verwaltung eine Erhöhung der Gehälter durchgeführt worden ist oder noch durchgeführt werden soll. Praktisch ist es doch heute so, daß die zur Anpassung an die Preisentwicklung gewährten Gehaltserhöhungen bedeutungslos geworden sind, weil mit ihnen eine Steigerung der Lohnsteuer, der Rentenversicherungsbeiträge und der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Verbindung steht. Dazu kommt, daß nun auch noch der Arbeitgeberanteil entfällt, so daß diese Angestelltengruppe den Arbeitgeberanteil selbst bezahlen
muß. Ich kann es nicht recht verstehen, daß die sehr verehrte Frau Kollegin Kalinke nun diesen armen Ludern zumuten will, bei ihrem niedrigen Gehalt auch noch den Arbeitgeberanteil zu tragen. Es ist mir unverständlich, daß das mit einer sozialen Einstellung, die gerade Frau Kollegin Kalinke immer so hervorhebt, etwas zu tun hat.
Wir meinen, daß das Verlangen nach einer Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze unbedingt berechtigt ist, zumal auch von der Arbeitgeberseite dieser Antrag unterstützt worden ist; denn auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber hat doch in ihrer Zeitschrift „Der Arbeitgeber" vom 15. Mai dieses Jahres mit einer ähnlichen Begründung, d. h. unter Hinweis auf das veränderte Preis-und Lohngefüge, die Erhöhung als unbedingt notwendig bezeichnet.
Der Ausschuß für Sozialpolitik hat sich auftragsgemäß mit den Dingen beschäftigt. Eigenartigerweise ist doch festzustellen, daß, während die Sachverständigen der Ärzte und der Apotheker eine Erhöhung der Pflichtgrenze abgelehnt haben, die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes ebenso wie die der DAG und auch die Sachverständigen der Ortskrankenkassen sowie der Betriebskrankenkassen sich für die Erhöhung der Pflichtgrenze ausgesprochen haben; und erfreulicherweise kann ich feststellen, daß sich auch die Vertreter der Koalitionsparteien im sozialpolitischen Ausschuß, wenn sie sich auch nicht unserem Antrag, der eine Pflichtgrenze von 600 DM vorsah, anschließen konnten, doch immerhin für eine Erhöhung auf 500 DM ausgesprochen haben. Wir bedauern, daß man unserem Wunsche, die Gehälter zwischen 500 und 600 DM in die Versicherungspflicht einzubeziehen, so daß auch dann, wenn in etwa die 500-DM-Grenze überstiegen wird, der Betreffende versicherungspflichtig bliebe, nicht Rechnung getragen hat. Es wäre — ich glaube, das auch in Erwiderung auf die Ausführungen der Kollegin Frau Kalinke sagen zu können - erfreulich gewesen, wenn man diesen Antrag angenommen hätte, da dann die Verhältnisse den Berliner Verhältnissen in etwa angepaßt worden wären.
Wir bedauern die Ablehnung unseres Antrages durch die Vertreter der Regierungskoalition aber auch deshalb, weil auch der Vertreter des Bundesarbeitsministeriums erklärt hat, es sei der Standpunkt des Arbeitsministeriums, daß das 1949 geschaffene Recht auch jetzt bestehen bleiben solle, d. h. diejenigen Personen, die nach dem Rechtsstand von 1949 versicherungspflichtig waren, es auch in Zukunft sein sollen.
Zu Abs. 2 des Ausschußantrags auf Drucksache Nr. 2802 möchte ich sagen, daß die Regierung sehr ernsthaft prüfen muß, ob dem § 178 der RVO Geltung verschafft werden kann. Es darf meiner Ansicht nach jedenfalls nicht so sein, daß dadurch besonders die älteren Angestellten einer unbilligen sozialen Härte ausgesetzt werden.
Wir stimmen also, wenn auch mit Bedenken, dem Ausschußantrag zu und bitten das Hohe Haus, den Antrag der Deutschen Partei auf Festsetzung der Grenze von 450 DM abzulehnen.
Ich möchte aber zum Schluß noch eine kleine Bemerkung zu den Erklärungen des Herrn Kollegen Horn bei der ersten Beratung dieses Antrages in der 110. Sitzung machen. Herr Kollege Horn sagte damals, daß die Frage der Neuordnung oder der zeitgemäßen Ausrichtung der Kranken-
versicherung weit über den Inhalt unseres Antrages hinausgehe und er diese Neuordnung für wünschenswert halte. Ich glaube, weite Bevölkerungskreise warten seit Jahren auf diese grundsätzliche Reform oder Neuordnung der Sozialversicherung. Es sInd heute nur ausgesprochene Experten — und manchmal auch die noch nicht einmal — in der Lage, sich in dem Gestrüpp der Gesetze und Verordnungen auszukennen. Durch alle diese zusätzlichen neuen Regelungen wird das Durcheinander nur noch vergrößert. Wir hoffen und wünschen deshalb, daß auch die Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition mit uns das ernsthafte Ersuchen an die Regierung stellen, diese Neuordnung oder Reform der Sozialversicherung durchzuführen, und wir wünschen- zu guter Letzt, daß das Bundesarbeitsministerium das Gesetz nach diesem Antrag möglichst schnell dem Bundestag vorlegen möge, damit die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze auf 500 Mark durchgeführt werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Dem zuletzt geäußerten Wunsch des Redners der sozialdemokratischen Fraktion auf baldige Vorlage der Reform der Sozialversicherungsgesetzgebung schließen wir uns an. Es ist in diesem Hause nicht nur einmal, sondern zu wiederholten Malen der dringende Wunsch laut geworden, doch endlich einmal an eine grundsätzliche Reform der Sozialversicherung heranzugehen, damit eine einheitliche Gesetzgebung auf diesem Gebiet gewährleistet ist.
Die Frau Kollegin Kalinke hat nach meiner Auffassung ihren Antrag, nämlich die Pflichtversicherungsgrenze auf 450 Mark festzusetzen, mit etwas innerer Unlogik begründet. Sie wies darauf hin, daß gerade die älteren Angestellten oder vielmehr die Angestellten, die nun durch die Annahme des Ausschußantrages mit in die Versicherungspflicht einbezogen werden, schlechte Risiken wären. Mir ist unverständlich, wie denn gerade die Frau Kollegin Kalinke sich um diese schlechten Risiken reißen kann.
Doch nur deshalb, weil sie eine ausgesprochene Liebe für die Privatversicherung hat!
Sie stellte heraus, daß man über die Einheitsversicherung nicht mehr reden solle, und sie sagte weiter, daß man auch über die Frage der schlechten Risiken nicht mehr reden solle. Liebe Frau Kollegin Kalinke, ich bin so ehrlich zu sagen, daß für mich und meine Freunde die Frage der Erweiterung der Pflichtversicherungsgrenze in engstem Zusammenhang mit der Sanierung der Allgemeinen Ortskrankenkassen gebracht werden muß. Es nutzt nichts, um diese Dinge herumzugehen, denn gerade die Tagung der Ortskrankenkassenverbände hat mit aller Deutlichkeit unter Beweis gestellt, daß diese Zustände bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen nur mit einer gründlichen Änderung, einer gründlichen Reform zu ändern sind.
Meine Damen und Herren, man soll doch nicht verkennen — und das ist ein Argument gegen die Beweisführung der Kollegin Frau Kalinke —, daß 1945 - ich kenne nur die Zahlen aus meinem Land,
da leider das Bundesarbeitsministerium über diese Dinge zuwenig Zahlen veröffentlicht — allein die Allgemeinen Ortskrankenkassen in Württemberg an nicht eintreibbaren Forderungen an das Reich die kleine Summe von 18'12 Millionen Mark zählten, die sie irgendwie verkraften mußten, die der Krankenkasse verloren waren. Die Krankenkassen standen und stehen auch heute noch vor dem Dilemma, wie sie nun eigentlich ihre finanzielle Basis erweitern und verbessern sollen. Sollen sie es durch eine Beitragserhöhung oder sollen sie es durch eine Leistungseinschränkung tun? Das sind doch die primären Fragen, die in ihrer ganzen Problematik vor uns stehen. Man soll doch nicht verkennen, daß der allgemeine Gesundheitszustand des deutschen Volkes wirklich nicht überwältigend ist. Man soll nicht verkennen, daß die Überbesetzung des Wohnraums schwerste gesundheitliche Folgen nach .sich zieht, deren Last zum übergroßen Teil die Allgemeinen Ortskrankenkassen zu tragen haben. Man soll nicht verkennen, daß die Ortskrankenkassen heute unter der Erhöhung der Krankenhauskosten leiden, daß die Preise für Arzneimittel um ein Gewaltiges gestiegen sind. Ich weiß, daß es gewisse Kreise gibt, die da mit dem Gedanken spielen, vielleicht durch die Erhebung einer Sozialsteuer diesem Problem beizukommen; aber ich glaube, daß damit dieser Zustand auch nicht behoben werden kann, abgesehen davon, daß der Gedanke unsozial wäre. Wir sind — ich sage das ebenso offen — für eine Ausdehnung auf alle Erwerbstätigen ohne Rücksicht auf ihre Finkommensgrenze. Wir wissen, daß gerade von ärztlicher Seite dagegen am schwersten Sturm gelaufen wird, und zwar deshalb, weil die Ärzte befürchten, ihre Privatpatienten zu verlieren.
Ich glaube, daß ein Teil der Beweisführung der Kollegin Kalinke aus einer Denkschrift entnommen ist — man läßt sich die Dinge bei den privaten Versicherungsanstalten etwas kosten —, aus einer Stellungnahme, die ein Dr. Hans Winkelmann von der Universität Köln herausgegeben hat und die einige sehr interessante Dinge aufweist. Herr Dr. Winkelmann geht erstens einmal, wenn er die Einkommensgrenze auf 375 Mark festlegt, von einer sehr falschen Voraussetzung aus. Er scheint die Zeit nach 1945, das Zusammenbrechen einer ganzen Reihe sogenannter gesicherter Existenzen verschlafen zu haben. Dann kommt dieser Herr Doktor zu dem herrlichen Standpunkt, daß aus der tabellarischen Übersicht, die er gegeben hat, festzustellen sei, daß die Verteuerung der Lebenshaltung seit dem ersten Vierteljahr 1950 bereits von der Lohnbewegung überholt worden ist. Fr sagt dann weiter, daß Lohnerhöhung über Lohnerhöhung Platz greife, und er versucht zu beweisen, daß eigentlich nach seiner Argumentation eine Herabsetzung der Versicherungspflichtgrenze noch unter 350 Mark als notwendig betrachtet werden müßte.
Wenn also die Kollegin Kalinke der Meinung ist, daß mit ihrem Antrag den tatsächlichen Bedürfnissen Rechnung getragen wird, so vertreten wir die Auffassung, daß erstens einmal der Gedanke der Reform der Sozialversicherung verwirklicht werden muß und verwirklicht werden soll, und zweitens entsteht im Zusammenhang damit die Notwendigkeit, die ich bereits angedeutet habe, alle Erwerbstätigen in diese Versicherungspflicht mit einzubeziehen. Erst dann schaffen Sie eine gesunde Grundlage der gesamten Sozialversicherung.
Wir stimmen deshalb dem Ausschußantrag zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! In diesem Hause und in der deutschen Öffentlichkeit wird wohl kaum der Verdacht aufkommen, daß die Freie Demokratische Partei die Absicht hat, den Personenkreis, der der deutschen Pflichtversicherung unterliegt, zu erweitern.
Wir haben andernorts darauf hingewiesen und Ihnen die Gründe des öftern dargestellt.
Der Versuch, durch die staatliche Krankenversicherung in Deutschland den Minderbemittelten zu helfen, ist eben nur zum Teil gelungen. Es hat sich herausgestellt, daß den gewährten Leistungen der Gegenseitigkeitshilfe eine Reihe von unangenehmen Folgen gegenüberstehen. Unter anderem hat sich herausgestellt, daß ein Resultat dieser Entwicklung die sogenannte Versicherungskrankheit gewesen ist. Es wird der Sorge aller Sozialpolitiker bedürfen, sich zu überlegen, wie in der künftigen Sozialversicherung derartige Schäden verhindert werden können.
Im Augenblick stehen wir auf dem Standpunkt, daß man demjenigen, der dieser Versicherung nicht bedarf, nicht zumuten soll, an ihr lediglich aus finanziellen Überlegungen, in deren Konsequenz die Leistungsfähigkeit der Versicherungsträger erhöht werden soll, teilzunehmen. Es ist auch zu überprüfen, ob rein finanztechnisch die Behauptungen über die günstige Auswirkung anders zusammengesetzter Mitgliederbestände der Krankenkassen stimmen. Wenn sie aber stichhaltig wären, meine Damen und Herren, und wenn der deutschen Krankenversicherung ein Fürsorgefaktor hinzugefügt werden sollte, dann kann nicht der Versicherungsträger den Finanzminister ersetzen, sondern dann können derartige Dinge nur durch den vollzogen werden, der das Recht zur Besteuerung hat, und das ist eben dieses Haus mit seiner Gesetzgebung.
Bezüglich der Grenze der neuen Versicherungspflicht selbst stehen wir auf dem Standpunkt, daß die Relationen wiederhergestellt werden müssen, die durch das Auseinanderklaffen von Reallohn und Nominallohn entstanden sind, nicht mehr!
Bei dem Versuch, die richtige Relation zu finden, ist meine Fraktion nicht völlig einer Meinung geworden. Der größere Teil meiner Freunde hat sich ausgerechnet, daß 450 DM die richtige Grenze ist. Ein anderer, kleinerer Teil, zu dem ich gehöre, steht auf dem Standpunkt, daß 500 DM das Richtige sei. Die Erhöhung auf eine dieser beiden Summen erscheint uns unbedingt notwendig, um die deutsche Krankenversicherung wieder fähig zu machen, ihren Aufgaben nachzukommen. Sie kennen das Problem der Verpflegungssätze der Krankenhäuser, und Sie kennen auch das Problem einer unzureichenden ärztlichen Versorgung, das schon deshalb entstanden ist, weil eine Anpassung der Arzthonorare an die tatsächliche Leistungsvermehrung überhaupt nicht erfolgte.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie nur einmal an folgendes erinnern. Als die Ausgangshonorare des Jahres 1932 errechnet wurden, hat in Deutschland noch kein Mensch daran gedacht, daß man den Frauen zwischen dem 45. und dem 55. Lebensjahre durch eine jahrelange Behandlung mit Sexualhormonen das Leben erträglich und angenehmer gestalten könne. Damals hat man die
sogenannte Klimax als Schicksal hingenommen, und heute ist es eine selbstverständliche Aufgabe der Ärzteschaft und der Krankenkassen geworden, mit Medikamenten und mit ärztlichen Leistungen die Frauen zehn Jahre hindurch in einem Zustand der Gesundheit zu erhalten. Diese Leistungen sind bis zum heutigen Tage in keiner Form honoriert worden.
Es mag sein, daß unter meinen Kollegen die wirtschaftliche Auswirkung der derzeitigen Regelung des § 178 der RVO überschätzt wird. Immerhin ist seit dem Jahre 1941 ein ganz großer Personenkreis ihrem Einkommen nach vorzüglich gestellter Menschen, die die entsprechenden Ansprüche an das Leben stellen, wahllos in der deutschen Pflichtversicherung versichert. Ob das nun Selbständige sind, die früher in einem Angestelltenverhältnis waren, ob es. Angestellte sind, die in hohe Einkommenstufen hineingekommen sind, bleibt sich ganz gleich.
Die Leistungen, die ein Versicherter nach der Reichsversicherungsordnung zu beanspruchen hat, sind aber bekanntlich beschränkte Leistungen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß im § 368 d der Reichsversicherungsordnung steht:
Er
— der Arzt —
darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten, hat eine Behandlung, die nicht oder nicht mehr notwendig ist, abzulehnen, die Heilmaßnahmen, insbesondere die Arznei, die Heil- und Stärkungsmittel nach Art und Umfang wirtschaftlich zu verordnen usw.
Meine Damen und Herren, es ist ein unglückseliges Gesetz, das immer da wirkt, wo soziale Tätigkeit unternommen wird: die Versicherten kennen alle den berühmten Stempel „Genehmigt in einfachster Ausführung". Es ist bis jetzt trotz aller Überlegungen nicht gelungen, die merkwürdige Kuppelung zu beseitigen, die darin besteht, daß eine soziale Leistung in der Regel auch qualitativ nicht die beste Leistung ist. Der Personenkreis der wohlhabenden freiwillig Versicherten, der die Sprechzimmer der Ärzte mit einem Krankenschein auf Grund des § 178 betritt, ignoriert die Bestimmungen des § 368 d RVO. Er ignoriert diesen Wappenspruch der deutschen Krankenversicherung: „Nur in einfachster Ausfertigung." Er verlangt den Arzt besuch, obwohl er den Arzt in der Sprechstunde aufzusuchen hat, und er verlangt 24 Massagen aus kosmetischen Rücksichten. Diese Ansprüche führen zum täglichen Ärgernis zwischen dem Arzt und dem Patienten. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die derzeitige Spannung innerhalb der Ärzteschaft unbedingt beseitigt werden muß; denn ohne eine echte Arbeitsgemeinschaft zwischen Krankenkassen und Ärzten kann ich mir nicht vorstellen, daß die deutsche Volksgesundheit zufriedenstellend sein kann. Die im Augenblick bestehende Spannung beruht auch auf täglichen Provokationen infolge der Auswirkung des § 178.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie den Groll der deutschen Ärzteschaft nicht zu leicht. Geschichte wird oft durch Skandale und durch nichts anderes gemacht. Unsere geliebten bayerischen Bundesbrüder haben von 1813 bis 1848 keine Revolution gemacht, obwohl sie nicht gerade unter modernen staatsrechtlichen Verhältnissen lebten; aber weil eine gewisse Lola Montez ein klein wenig zuviel mit den Hüften geschaukelt hatte, haben sie ihre einzige Revolution veranstaltet.
Wir bitten Sie, Ziffer 2 anzunehmen und Ziffer 1 nach Ihrem Gewissen mit „450" oder „500" zu beschließen.
Das Wort hat noch einmal Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich kann, glaube ich, die Auslassungen des Herrn Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei gemeinsam mit den Ausführungen des Herrn Kollegen von der Kommunistischen Partei beantworten, da sie sinngemäß dieselben Probleme berühren, und ich möchte dazu nur sehr sachlich folgendes sagen. Das Problem der Ortskrankenkassen und ihrer Not, das der Herr Kollege von der Kommunistischen Partei in Übereinstimmung mit der Sozialdemokratischen Partei gemeint hat,
hat auch unsere Fraktion in außerordentlichem Maße beschäftigt. Wenn ich etwa in meiner Fraktion die Auffassungen der privaten Krankenversicherung oder der Ersatzkassen vertreten hätte, so wären meine Freunde aus allgemeinen politischen und sozialpolitischen Gründen nicht ohne Bedenken gewesen. Sie haben sich gerade durch. die Stellungnahme der Ortskrankenkassen bestimmen lassen, und ich erlaube mir, damit kein Zweifel ist, zu zitieren, was der Verband der Ortskrankenkassen seinen eigenen Geschäftsführern in einem Rundbrief mitgeteilt hat:
Abschließende Stellungnahme vom Standpunkt der Ortskrankenkassen: Da der von einer Ausweitung der Versicherungspflichtgrenze auf 600 DM betroffene Personenkreis in der Hauptsache von einer Sonderversicherung erfaßt ist, ist die geplante Ausweitung im Augenblick nicht angebracht. Der zweifelsohne wünschenswerte Ausgleich wird durch die Abspaltung der meistens in Ersatzkassen versicherten Höherverdienenden wirkungslos, — die Ersatzkassen, deren Existenz in der sozialen Krankenversicherung dem Sozialprogramm der SPD gar nicht entspricht und die geradezu als Fremdkörper in einer wirklich sozialen Krankenversicherung betrachtet werden.
Es heißt dann weiter:
Die SPD würde also die Ersatzkassen aus ihrer augenblicklichen Notlage befreien, ohne den Ortskrankenkassen und den Versicherten zu nützen. Wenn aber die Erhöhung nicht zurückgestellt werden kann, dann halten wir eine Grenze von monatlich 450 DM
entsprechend dem veränderten Lohn- und Preisgefüge für ausreichend.
Das, meine Herren Kollegen, haben mir meine Fraktionskollegen vorgehalten, als ich die Auffassung vertreten habe, daß den Angestellten der Arbeitgeberanteil gegeben werden muß.
„Der Niedergang der Angestellten", und zwar den folgenden wenigen Zeilen:
Wie ist nun die derzeitige Lage der Angestellten? Wir müssen da ohne Übertreibung von einem allgemeinen Niedergang sprechen. Das drückt sich in der materiellen Bewertung ihrer Arbeit aus. Nach einer Statistik beträgt gegenwärtig das Durchschnittsgehalt eines männlichen Angestellten 345 DM, das einer weiblichen Angestellten 223 DM.
Auch diese Dinge haben wir sehr ernsthaft diskutiert. Wenn wir wahrhaft der sozialen Krankenversicherung helfen wollten, dann sollten wir dafür sorgen, daß gleichzeitig mit der Erhöhung der Versicherungsgrenze die Barleistungsbemessungsgrenze und die Beitragserhebungsgrenze heraufgesetzt werden. Wir sollten nun auch dafür sorgen, daß die bestehende Unterversicherung bei den höherverdienenden Arbeitnehmern beseitigt und damit die, finanzielle Leistungsfähigkeit der Ortskrankenkassen gehoben wird. Wir hätten also ernsthaft zu prüfen — und darum bitte ich das Arbeitsministerium —, ob man nicht angesichts der vollkommen veränderten Struktur unserer Bevölkerung die Versicherungspflichtgrenze für alle Arbeitnehmer hier einführt;
denn augenblicklich ist es doch so, daß der Arbeiter, der 600 DM und mehr verdient, die Beiträge nach 375 bezahlt, während er sie in Zukunft nach 450 oder 500 bezahlen würde, je nachdem, welchen Antrag Sie hier annehmen.
Wir hätten uns weiter zu überlegen, ob es nicht richtig wäre, alle die Maßnahmen zu unterstützen, die die Berechtigung zu freiwilliger Versicherung und zur Weiterversicherung garantieren, und deshalb begrüßen wir auch die Überprüfung des § 178 der Reichsversicherungsordnung. Wir meinen, daß darüber hinaus auch noch die Bestimmungen der Zwölften Aufbauverordnung revidiert werden sollten.
Wir sind der Meinung, daß das Arbeitsministerium im Zusammenhang mit dieser Vorlage schon den ersten Schritt einer echten Reform vom Wesen und Inhalt und vom Bedürfnis der Sozialversicherung her einleiten könnte. Allerdings sind wir über das Ziel dieses Schrittes nicht der gleichen Auffassung wie unsere politischen Gegner von der Linken dieses Hauses, die meinen, daß die Reform der Bürokratie und der Organisation als Machtinstrument einer Einheitsorganisation dienen sollte. Wir meinen, daß die Reform nur echten Zielen der Sanierung dienen kann. Ein Amerikaner, der mich interviewte, hat das sehr schön ausgedrückt; er sagte immer: „Was sagen denn die Versicherten dazu; sind die überhaupt gefragt?"
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich wäre dankbar, wenn sich alle Damen und Herren an der Abstimmung beteiligen würden, die folgt. Ich darf zunächst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Arndgen abstimmen lassen, in Ziffer 1 das Wort „mindestens" zu streichen. Darf ich fragen, wer für diesen Antrag ist? — Das ist offenbar die Mehrheit. Das Wort „mindestens" ist gestrichen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Deutschen Partei — Umdruck Nr. 373 —, die Ziffer „500" durch die Ziffer „450" zu ersetzen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Ausschußantrag — Drucksache Nr. 2802 — mit der Änderung, die eben auf Antrag des Herrn Abgeordneten Arndgen beschlossen worden ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ausschußantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei langsam mehr werdenden Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, den Punkt 3 der Tagesordnung — den Antrag betreffend Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste — zurückzustellen, da die Fraktion der Bayernpartei im Augenblick eine dringende Fraktionssitzung abhält und zu dem sachlich damit in Zusammenhang stehenden Punkt 2 der Tagesordnung — betreffend Änderung des Grundgesetzes — sprechen möchte. Ich darf vorschlagen, daß wir entgegenkommenderweise den Punkt 4 der Tagesordnung vorziehen.
Ich rufe also auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze .
Zur Begründung der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums. Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 1. Oktober dieses Jahres sind das von dem Hohen Hause beschlossene Zolltarifgesetz und der Zolltarif in Kraft getreten. Der Zolltarif hat uns das neue System des Wertzolls gebracht. Dadurch ist es erforderlich geworden, das Zollgesetz, das von dem spezifischen Zoll, insbesondere dem Gewichtszoll ausgeht, an das neue Wertzollsystem anzupassen. Dem dient der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf in erster Linie.
Außerdem haben wir die Gelegenheit benutzt, eine Reihe von Erfahrungen seit dem Jahre 1939, ais das letzte Zollgesetz beschlossen wurde, sowie einige notwendige Konsequenzen aus der seitdem eingetretenen staatsrechtlichen Entwicklung in dieses Gesetz einzubauen. Ein restloser Einbau dieser beiden Elemente war aber bei der Kürze der Zeit noch nicht möglich. Wir möchten daher das Ihnen vorliegende Gesetz nur als die „Kleine Zollrechtsnovelle" betrachten und werden, sobald es möglich ist — aber das wird noch einige Zeit dauern —, eine umfassende „Große Zollrechtsnovetle" einbringen, die in endgültiger Weise die jetzige Rechtslage an die zukünftigen Verhältnisse anpaßt.
Ich darf empfehlen, den Gesetzentwurf dem zuständigen Ausschuß zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Gesetzentwurfs gehört. Der Ältestenrat hat Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorgeschlagen. Wünscht jemand, diese Aussprachezeit zu benutzen? — Das ist offenbar nicht der Fall.
Ich schlage Ihnen vor, entsprechend der Anregung der Bundesregierung den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
— Herr Abgeordneter Schoettle, ich habe formuliert: „Ich schlage Ihnen vor, entsprechend der Anregung der Bundesregierung" — ich konnte das auch weglassen — „den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen." Ich glaube nicht, daß die Berechtigung des Parlaments, in dieser Sache zu beschließen, in irgendeiner Weise in Frage gezogen ist.
— Ich könnte Ihnen dann auf berlinerisch antworten, Herr Abgeordneter Schoettle; aber dann würden wir beide uns verfeinden, und das wollen wir nicht. —
Gleichzeitig wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auch dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. — Herr Abgeordneter Wellhausen!
Ich bitte: federführend der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
Das unterstellte ich. Es hat sich also folgendes Bild herausgestellt: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen federführend, mitberatend Ausschuß -für Außenhandelsfragen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Überweisung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Zweifel die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verkehrsteuern .
Wünscht die Bundesregierung zu begründen? — Offenbar nicht.
Meine Damen und Herren, ohne Anregung der Bundesregierung schlage ich Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und dem Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen. Darf ich annehmen, daß das Haus mit dieser Überweisung einverstanden ist? — Das ist der Fall. Ich brauche nicht besonders abstimmen zu lassen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" .
Wünscht die Bundesregierung zu begründen? — Herr Staatssekretär Hartmann, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Abgabe „Notopfer Berlin" läuft am 31. Dezember dieses Jahres, also in vier Wochen, ab. Wir haben daher dem Hohen Hause eine Vorlage zur Änderung und zur Verlängerung des Notopfers Berlin vorgelegt. Die Abgabe „Notopfer Berlin" kann zur Zeit weder durch eine allgemeine, vom Finanzbedarf Berlins losgelöste Steuer, noch durch einen Zuschlag zur Ein-
kommensteuer ersetzt werden. Die Frage des „Notopfers Berlin" ist auch für das bundesstaatliche Steuersystem von grundsätzlicher Bedeutung und berührt das finanzielle Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern.
Wir haben durchaus den Wunsch, diese Abgabe, sobald es möglich ist, durch ein anderes System zu ersetzen, insbesondere den Namen „Notopfer Berlin", der sich mehr und mehr überlebt, durch einen anderen Namen zu ersetzen.
Das wird aber so schnell nicht möglich sein. Ich habe jedoch schon erwähnt, daß das jetzige Gesetz in wenigen Wochen abläuft. Wir müssen Ihnen daher notgedrungen zunächst eine Zwischenlösung vorschlagen.
Ich möchte auf die haushaltsmäßigen Voraussetzungen im einzelnen hier nicht eingehen. Ich darf annehmen, daß sie dem Hohen Hause bekannt sind. Sie werden auch vielleicht noch zu Darlegungen im Ausschuß führen.
Aus dem Inhalt des Gesetzentwurfs möchte ich zweierlei hervorheben. Wir haben diese Gelegenheit benutzt, um die bisherige Regelung, die etwas roh und hart war, nach zwei Richtungen zu verbessern. Nach dem bisherigen Tarif wurde die Abgabe von jeden angefangenen 100 DM mit dem vollen Satz für diese Hundert-Mark-Stufe erhoben. Der Abgabepflichtige hatte also die gleiche Steuer zu zahlen, ganz gleich, ob er ein Einkommen von, sagen wir einmal, 301 DM oder 399 DM im Monat hatte. Das haben wir jetzt aufgegeben. Das wird nun beseitigt, indem wir die Abgabe nach Vomhundertsätzen des Einkommens bemessen. Außerdem haben wir die Berücksichtigung des Familienstandes eingeführt und dadurch eine bessere Anpassung an die sozialen Verhältnisse hineingebracht. Infolgedessen wird die Mehrbelastung in den unteren und mittleren Einkommenstufen im wesentlichen Ledigen und die kinderlos Verheirateten treffen. Bei Verheirateten mit mehr als zwei Kindern treten zum Teil beträchtliche Erleichterungen ein, obwohl wir insgesamt einen Mehrertrag von mindestens 100 Millionen DM erhoffen. Bei Einkommen von über 12 000 DM werden auch hei Vorhandensein von Kindern nur noch geringe Erleichterunngen eintreten. Bei Einkommen über 24 000 PM wird das Vorhandensein von Kindern nicht mehr. berücksichtigt.
Ich möchte auch hinsichtlich dieses Gesetzentwurfs anregen, die Vorlage dem zuständigen Ausschuß — —
Herr Staatssekretär, ich warne vor weiteren Anregungen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich nehme die Anregung Ihrem Wunsche gemäß zurück.
Meine Damen und Herren, wünscht jemand von Ihnen, zu diesem Gesetzentwurf das Wort zu nehmen? — Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert, und zwar im Rahmen der Redezeit von 60 Minuten, die Ihnen der Ältestenrat vorschlägt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat zu verschiedenen Gelegenheiten das „Notopfer
Berlin" kritisieren müssen, und zwar hauptsächlich wegen der sozial außerordentlich unvollkommenen Gestaltung dieser Abgabe, die unserer Ansicht nach in der Verknüpfung mit dem Namen „Berlin" diesem Namen keine Ehre macht. Der vorliegende Entwurf schlägt zwar eine nochmalige Verlängerung dieses Notopfers vor, er bringt jedoch eine begrüßenswerte Reform in bezug auf die Gestaltung der Abgabe, und in der Begründung ist in Aussicht gestellt worden, daß eine wirklich durchgreifende Umgestaltung oder Einarbeitung dieser Abgabe an anderer Stelle und auch eine Umbenennung der Abgabe erfolgen wird. Wir werden deswegen diesem Gesetzentwurf grundsätzlich nicht widersprechen.
Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch meine Fraktion hat mit Befriedigung von der Zusage des Vertreters des Herrn Bundesfinanzministers Kenntnis genommen, daß eine Umgestaltung dieser Abgabe erfolgen soll. Wenn ich hier das Wort nehme, so möchte ich doch das Hohe Haus und das Bundesfinanzministerium darauf hinweisen, daß die wahrhaftig nicht soziale Gestaltung der Abgabe, auf der Lohnsteuer fußend, durchaus nicht so gerecht ist, wie es Ihnen erscheint, da hier wieder eine moderne neue Ledigensteuer erfunden ist. Denken Sie doch bitte daran, wie unerhört diese Belastung bei dem großen Frauenüberschuß in Deutschland bei Gott für sehr viele Frauen — besonders sofern sie sehr spät in den Beruf gekommen sind — ist! Sie haben immerhin auch sehr viele Junggesellen, die hiervon betroffen sind und die Unterhaltsverpflichtungen großen Ausmaßes haben.
Denn wen gäbe es hier noch, meine Herren und Damen — und ich finde, das ist ein sehr ernstes Problem; auch die Herren von der Opposition sollten es sich überlegen —, bei der vollkommen veränderten Schichtung in Deutschland, selbst wenn er ledig oder kinderlos verheiratet ist, der nicht von der großen Fürsorgelast für Alte und Kranke außerordentlich betroffen ist. Wer jedoch nicht davon betroffen ist und wer seine Familien- und Unterhaltspflichten auf den Staat abschiebt, dem wollen wir auch dazu verhelfen, daß er sich wieder auf diese ehrliche und verantwortliche Aufgabe der Familienhilfe besinnt. Wir bitten den Herrn Finanzminister, daß er bei der Neugestaltung sein besonderes Augenmerk auf dieses Problem lenkt. Dem Antrag stimmen wir zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Besprechung der ersten Beratung. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf erstens dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen federführend und zweitens dem Ausschuß für Berlin zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Da die Fraktion der Bayernpartei uns immer noch nicht die Freude der Anwesenheit macht, rufe ich Punkt 7 der heutigen Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 86 Absatz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Nr. 2288 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Nr. 2788 der Drucksachen). (Erste Beratung: 153. Sitzung.)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Arndgen. Ich wäre dankbar, wenn Herr Arndgen unterrichtet werden könnte. —
Darf ich fragen: Ist Herr Abgeordneter Dr. Schatz im Saale?
— Ich hatte die Absicht.
— Wollen Sie dagegen oder zu Punkt 8 sprechen?
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Schatz.
Meine Damen und Herren! Der Herr Vorsitzende des Patentausschusses hat für 3 Uhr eine Sitzung einberufen, in der der Tagesordnungspunkt 8 über Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes noch einmal beraten werden soll. Er hat sicherlich damit gerechnet, daß der normale Ablauf der Tagesordnungspunkte es ermöglicht, die Sitzung um 3 Uhr in Ruhe stattfinden zu lassen. Ich bitte Sie nunmehr, die Beratung des Tagesordnungspunktes Nr. 8 an den Schluß der Plenarsitzung zu setzen.
Meine Damen und Herren! Wir tun ja alles, was möglich ist.
Darf ich fragen, ob Herr Abgeordneter Arndgen schon unterrichtet ist?
— Ich stelle anheim, Herr Abgeordneter Schoettle.
Ist Herr Abgeordneter Eckstein im Saale? — Auch nicht.
Also, meine Damen und Herren, darf ich um eine kurze Pause des Nachdenkens bitten. Es wird zweifellos einer der Herren Berichterstatter sofort eintreffen.
Darf ich diese Pause für eine Mitteilung benutzen. Ich habe gemeint, der gemeinsamen Überzeugung dieses Hauses zu entsprechen, wenn ich namens des Deutschen Bundestages dem Deutschen Roten Kreuz für die Opfer der Hochwasserkatastrophe in Italien den Betrag von 3000 DM zur Verfügung gestellt habe.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kredite für die Werftindustrie (Nrn. 2787, 2492 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Eckstein.
Es wird Ihnen eine Aussprachezeit von
40 Minuten vorgeschlagen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 2492 beantragt die Fraktion der SPD:
Die Bundesregierung wird ersucht, im besonderen darum bemüht zu sein, daß der Wiederaufbau der Werften an der Unterweser und am Jadebusen zugelassen wird und daß die erforderlichen Kreditmittel zur Wiederherstellung leistungsfähiger Werftbetriebe zur Verfügung gestellt werden.
Insbesondere ist es nötig, daß die A.G. „Weser" in Bremen 3 Millionen DM und die Jadewerft in Wilhelmshaven 2 Millionen DM im Kreditwege noch in diesem Jahre erhalten.
Der Haushaltsausschuß hat sich mit diesem Antrag eingehend beschäftigt. Die Antragsteller haben dargelegt, daß zuerst auf dem Gebiet des Schiffbaus die Beschränkungen fallen sollten und daß darum die Bundesregierung noch in diesem Jahr bei den zuständigen Stellen entsprechende Vorstellungen erheben sollte. Sie haben zur Begründung des Antrags weiter darauf hingewiesen, daß ohne Schiffsbau dieses Gebiet ein Elendsgebiet bleibt und daher die Bundesregierung die gestellte Aufgabe als dringlich ansehen und alles tun müßte, was zur Förderung des Wiederaufbaus in dieser Hinsicht notwendig ist.
Das Bundesfinanzministerium konnte noch keine bindende Zusicherung im Rahmen des Nachtragshaushalts geben. Der Haushaltsausschuß war aber einstimmig der Meinung, daß diese Mittel noch im Nachtragshaushalt bereitgestellt werden sollen. Er hat daher einstimmig folgenden Beschluß gefaßt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Wiederaufbau der Werften an der Unterweser und am Jadebusen zu fördern und gegebenenfalls Mittel im Bundeshaushalt bereitzustellen.
Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wünscht jemand das Wort zu nehmen. — Herr Abgeordneter Gundelach, bitte.
Meine Damen und Herren! Mit dem sozialdemokratischen Antrag vom 11. Juli dieses Jahres wird die Regierung ersucht, noch in diesem Jahre für die Schiffswerft A.G. „Weser" in Bremen 3 Millionen DM und für die Jadewerft in Wilhelmshaven 2 Millionen DM im Kreditweg zur Verfügung zu stellen. Der Haushaltsausschuß beantragt, man möge beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Wiederaufbau der Werften an der Unterweser und am Jadebusen zu fördern und gegebenenfalls Mittel im Bundeshaushalt bereitzustellen.
Meine Fraktion ist nicht gegen die Gewährung von Krediten für Schiffsbaubetriebe. Derartige Kredite sollten immer dann gegeben werden, wenn ohne Bereitstellung von Bundesmitteln die Gefahr der Einschränkung der Produktion und der Arbeiterentlassungen in diesen Betrieben besteht oder wenn durch die Hingabe von Bundesmitteln Voraussetzungen für die Neueinstellung von Arbeitskräften geschaffen werden. Bei der Aktiengesellschaft „Weser" in Bremen sind nach den mir gewordenen Informationen solche Voraussetzungen nicht vorhanden. Ober die Lage der Schiffswerft
A.G. „Weser" in Bremen ist aus der Zeitschrift „Wirtschafts- und Hafendienst" vom Dezember 1951 u. a. folgendes zu entnehmen:
Der zum 31. Dezember 1950 ausgewiesene Verlust mit 4,39 Millionen DM ist gering. Er ist auf neue Rechnung vorgetragen worden und dürfte durch das Geschäftsergebnis des laufenden Jahres mehr als gedeckt werden.
Ich wiederhole: „Er ist auf neue Rechnung vorgetragen worden und dürfte durch das Geschäftsergebnis des laufenden Jahres mehr als gedeckt werden." So weit also der Auszug aus dieser Zeitschrift. Es wird dann in diesem Bericht weiter vermerkt, daß 4,5 Millionen DM flüssige Mittel vorhanden sind.
Anders allerdings, meine Damen und Herren, ist meiner Meinung nach die Lage bei der Jadewerft in Wilhelmshaven. In Wilhelmshaven gibt es ca. 18 000 Arbeitslose, darunter mehrere Tausend hockqualifizierte Arbeitskräfte für den Schiffsbau. Hier ist es meiner Meinung nach dringend angebracht, die erforderlichen Gelder für den Aufbau der Schiffswerft zur Verfügung zu stellen, damit der Bau von Handelsschiffen auf der ehemaligen Marinewerft baldigst aufgenommen werden kann.
Allerdings — auch darauf muß hingewiesen werden —: allein mit Krediten ist es auch hier nicht getan. Es ist bekannt, daß fast für alle Werften zur Zeit ein sehr ernster Materialmangel besteht. Der Bundestag hat zu dieser bedeutsamen Frage auch vor einiger Zeit Stellung genommen.
— Das habe ich bestritten?
— Das bin ich nicht, die „Hamburger Volkszeitung". Ich habe jedenfalls niemals bestritten, sondern im Gegenteil wiederholt auf diese ernste Lage hingewiesen.
Sie wissen ja so gut wie ich, daß eine Delegation der Deutschen Werft hier im Bundestag gewesen ist. Diese Delegation hat auch mit Ihnen über diese wichtige Angelegenheit gesprochen. Ich habe mich in dem gleichen positiven Sinne wie Sie für die Interessen der Belegschaft der Deutschen Werft in Hamburg eingesetzt und ebenso auch für die anderen Werften.
Diesen Mangel an Material für den Schiffsbau gilt es abzustellen. Das ist aber nur möglich, wenn sofort eine Beschränkung der Ausfuhr der wichtigen Bleche und sonstigen Halbfabrikate für den Schiffsbau erfolgt, damit diese Materialien für die Herstellung von Friedensgütern gebraucht werden können und nicht, wie es zur Zeit der Fall ist, zwangsweise ausgeführt und für den Kriegsbedarf der Westmächte benutzt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Vorredners möchte ich nur mit einem Satz eingehen. Die größte Werft in Nordwestdeutschland, die für die Kriegsmarine tätig war und für die wir uns um einen Ersatz bemühen, ist nach Sowjetrußland gegangen.
— Das nur zur Feststellung.
Der Antrag, der heute zur Debatte steht, hat ursprünglich etwas anders gelautet. Wir hatten nämlich die Regierung gebeten, mit den Hohen Kommissaren darüber zu verhandeln, daß die bisher noch bestehenden Beschränkungen für den Schiffsbau an der Unterweser und an der Jade aufgehoben werden. Wir sind aber auch mit der heutigen Fassung des Antrags einverstanden, weil inzwischen einige Beschränkungen aufgehoben worden sind, so daß für die Werften an der Jade und an der Unterweser nur noch die Beschränkungen bestehen, die im allgemeinen für die Werftindustrie bestehen, wie beispielsweise die Beschränkung, daß Kapazitätserweiterungen beantragt und von den Alliierten genehmigt werden müssen. Bisher waren sogar technische Erleichterungen für den Betrieb verboten.
Wir freuen uns über die Einstimmigkeit, mit der der Antrag im Haushaltsausschuß und auch im Verkehrsausschuß behandelt und verabschiedet worden ist. Aber, meine Damen und Herren, entscheidend ist hier nicht nur, daß wir unseren Willen zum Ausdruck bringen, den beteiligten Städten und Bezirken Bremen, Wilhelmshaven und den Orten an der Unterweser zu helfen, sondern es kommt im entscheidenden Maße darauf an, daß auch bei der Bundesregierung der Wille vorhanden ist, nun wirklich durch die Tat zu helfen. Sie muß zunächst einmal versuchen, zu erreichen, daß alle noch jetzt vorhandenen Beschränkungen aufgehoben werden, und zweitens muß sie Mittel bereitstellen, damit dort, wo einmal Zehntausende von Menschen mit der Herstellung von Schiffen beschäftigt gewesen sind, nun wenigstens wieder die Voraussetzungen für den Bau von Schiffen geschaffen werden können. Denn das ist das Handwerk, das die meisten Menschen beispielsweise in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven gelernt haben und das sie auch wieder ausüben möchten.
Wir haben allerdings leider den Eindruck, daß zwischen Theorie und Praxis eine gewaltige Lücke klafft, daß man auf der einen Seite in der Öffentlichkeit zwar immer wieder erklärt: wir wollen helfen!, aber diesen Worten nicht die Tat folgen läßt. Jeder von uns weiß, daß die vorhandenen Werften nicht ausreichen, um alle Aufträge auszuführen, die den deutschen Werften zugedacht sind. Dadurch haben wir nicht nur einen gewaltigen Arbeitsausfall, sondern auch einen Ausfall an Devisen. Wenn wir heute fordern, daß dort, wo einmal Werften gewesen sind, die durch Kriegs- und Nachkriegszeit verschwunden sind, wieder neue Werftkapazitäten entstehen, dann nehmen wir dadurch niemand eine Arbeitsmöglichkeit weg, sondern nutzen die vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten nur aus.
Nun haben wir aber in letzter Zeit gehört, daß sich auch einige der Herren Minister in der Öffentlichkeit über die Frage der Errichtung von Werften am Jadebusen, an der Unterweser und in Bremen ausgelassen haben. Auf dem Parteitag der DP in Peine sind begrüßenswerterweise solche freundlichen Äußerungen zugunsten des Wiederaufbaues der Werften gefallen. Herr Minister Hellwege war sogar kürzlich persönlich in Wilhelmshaven und hat ebenfalls persönlich seine Bereitwilligkeit erklärt, im Sinne der Wünsche der Wilhelmshavener
Bevölkerung tätig sein zu wollen. Aber nun hatten wir neulich im Verkehrsausschuß und im Haushaltsausschuß offiziell zu dieser Frage Stellung zu nehmen, und da zeigte sich, daß zwischen Theorie und Praxis eben ein Unterschied ist. In seiner Eigenschaft als Minister für Verkehr hat Herr Seebohm zu unserem Antrag Stellung genommen, und zwar in der Weise, daß er sagte, Werftkapazitätserweiterungen seien zwar auf lange Sicht gesehen grundsätzlich erwünscht; aber dann machte er eine Einschränkung und sagte, zur Zeit liege der fühlbare Engpaß aber nicht bei den Werften, sondern bei den Grundstoffindustrien. Er schlußfolgerte dann weiter, weil nicht nur für die Herstellung von Schiffen, sondern auch schon bei der Errichtung der Werften Stahl verwendet werden müsse, deshalb müsse man diese Frage zunächst einmal zurückstellen.
Er gibt uns und den Bremern nur den freundlichen Rat, wir sollten zunächst einmal versuchen, Schiffsmotoren und Schiffsmaschinen herzustellen. Schön, wir sind für diesen Rat dankbar. Daran hatten wir übrigens schon gedacht. Wir haben auch bereits Verhandlungen eingeleitet mit Firmen, die eventuell bereit sind, ihren Betrieb nach dorthin zu verlegen. Aber ich bin der Auffassung: wenn man nicht einmal das Material hat für die Errichtung der Werften — nicht für den Bau von Schiffen —, dann wird man uns auch nicht das Material zur Verfügung stellen, um Schiffsmotoren und Schiffsmaschinen zu bauen. Wir erleben jedenfalls täglich, daß die Fabriken, die unter Aufwendung erheblicher öffentlicher Mittel errichtet worden sind, darunter zu leiden haben, daß ihnen nicht die notwendigen Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden. Man nimmt Referenzperioden für eine Zeit an, zu der diese Fabriken noch gar nicht bestanden haben. Dann sitzen sie eben fest, können nicht weiterarbeiten und müssen trotz des guten Willens ihre Tore schließen. Das befremdet uns eben, meine Damen und Herren. daß man auf der einen Seite auf Parteitagen und in öffentlichen Versammlungen und Kundgebungen den guten Willen zum Ausdruck bringt, auf der andern Seite aber dann, wenn es darauf ankommt. durch die praktische Tat zu beweisen, daß man tatsächlich gewillt ist, zu helfen, erklärt: ja, wir möchten gern, aber wir können nicht!
Wenn es zutrifft, daß der einzige Grund für die Ablehnung das Vorhandensein von Engpässen in der Rohstoffbereitstellung ist, dann fragen wir die Bundesregierung, ob sie denn der Meinung ist, daß dieser Zustand verewigt werden soll, wir also ständig Mangel an Rohstoffen haben sollen. Wir denken doch nicht daran, Werften von heute auf morgen zu errichten, sondern wir wollen lediglich die Voraussetzungen dafür schaffen, daß Werften wieder entstehen können. Es muß einmal ein Anfang gemacht werden. Darauf kommt es uns an. Dabei sollte man nicht so ängstlich sein und nur deshalb, weil man im Augenblick kein Material zur Verfügung hat, den Gedanken an einen Wiederaufbau der Werften und an eine Kapazitätserweiterung der Werften überhaupt beiseiteschicben. Wenn die Regierung nicht fähig ist, dieses Problem. zu lösen, dann müssen die Menschen an der Unterweser, in Bremen und in Wilhelmshaven eben warten, bis eine andere Regierung kommt, die dieses Problem dann wahrscheinlich besser zu lösen weiß.
Interessant wäre für uns, was der zuständige Minister dazu sagt, Herr Professor Ethard, der zu diesem Problem bisher noch nicht gesprochen hat. Bisher haben nur der Verkehrsminister und der Minister für Bundesratsangelegenheiten sich dazu geäußert; der zuständige Minister nicht. Sein Vertreter im Haushaltsausschuß hat jedenfalls erklärt, daß er die Auffassung des Herrn Verkehrsministers nicht teile, d. h. also, daß man die gegenwärtige Rohstoffknappheit nicht verantwortlich machen könne, wenn die Kapazität der Werften nicht erweitert werden könne.
Wahrscheinlich werden noch einige Redner zu diesem Thema etwas zu sagen haben. Ich weiß: wenn das Problem Notstandsgebiet auf der Tagesordnung steht, melden sich alle Parteien zu Wort. Ich möchte aber allen Rednern nur soviel sagen: es kommt nicht darauf an, hier schöne Reden zu halten, sondern darauf, den Reden die Taten folgen zu lassen. Es gilt, für Zehntausende von Menschen Existenzen zu schaffen, wodurch niemand anderem eine Arbeit weggenommen wird, sondern wodurch nur zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Wir verlangen nicht zuviel. Wir wünschen nur, daß endlich einmal ein Anfang gemacht wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter.
Meine Damen! Meine Herren! Bei der Bewilligung von Krediten für die Werften in Wilhelmshaven handelt es sich um eine Maßnahme zugunsten eines ausgesprochenen Notstandsgebietes. Es ist daher anzunehmen, daß sich das Haus einmütig für eine solche Maßnahme, d. h. für die Unterstützung dieses Notstandsgebietes, einsetzt. Wir sind der Meinung, daß man für die Werft an der Jade nach Möglichkeit Mittel zur Verfügung stellen sollte, damit die Arbeit dort ein wenig intensiver betrieben werden kann. Es handelt sich dabei nur um eine kleine Werft, die Küstenfahrzeuge herstellt, aber auch hier können durch Verbesserung der Anlagen und durch Bereitstellung von Krediten Erwerbslose zusätzlich in Arbeit gebracht werden.
— Darauf komme ich gleich, lieber Herr Kollege!
Nun wird gesagt, die Kriegsschiffswerften in Wilhelmshaven sollten wieder aufgebaut bzw. neu errichtet werden, um Handelsschiffe zu bauen. Dazu muß ich sagen: das ist ein ganz unüberlegtes Ansinnen, denn die Werften in Wilhelmshaven und auch die Anlagen sind — ähnlich wie bei Blohm & Voß in Hamburg — derart zerschlagen, daß es ungeheurer Mittel bedürfte, sie wenigstens einigermaßen wieder für den Bau von Schiffen instandzusetzen. Wir sollten also da anpacken, wo die Möglichkeit gegeben ist, sofort zu helfen. Das trifft auf die Jade-Werft zu.
Darüber hinaus bin ich aber der Meinung. daß es auch in Wilhelmshaven noch andere Möglichkeiten gibt, der Erwerbslosigkeit ein wenig mehr zu Leibe zu rücken. Man sollte versuchen, zu diesem Zweck Industrien nach Wilhelmshaven zu verlegen. Wenn nun aber Kollege Cramer in der von ihm beliebten Weise versucht hat. Minister Seebohm oder Minister Hellwege die Schuld daran zu
geben, daß, wie er sagte, in Wilhelmshaven noch nichts getan worden sei, und wenn er weiter der Meinung ist, daß man eben eine andere Regierung haben müsse, die mehr tun werde, so will ich ihm darauf erwidern: die „andere Regierung" haben die schon gehabt, Kollege Cramer! Sie hätten ja von Ihrer niedersächsischen Regierung verlangen können, etwas mehr gerade für dieses Notstandsgebiet Wilhelmshaven zu tun!
Ich habe nicht gehört, daß Ihre Vertreter in der Regierung in Hannover sich so für Wilhelmshaven eingesetzt hätten, wie Sie es von den Ministern der Bundesregierung verlangen!
Ihre Ausführungen gingen ungefähr dahin, daß die beiden Bundesminister sich die Stahlbleche aus dem Industriegebiet auf den Buckel nehmen und nach Wilhelmshaven schleppen sollten.
Jedenfalls, so haben Sie sich die Praxis vorgestellt. So ganz einfach liegen die Dinge nicht. Sie werden sehr gut wissen, daß alle möglichen Hindernisse bestehen, und darum sollten Sie mit Ihrer Kritik, die Sie so gern an den Ministern üben, ein wenig vorsichtiger und zurückhaltender sein. Die Minister tun mehr für Wilhelmshaven als Sie, Herr Cramer; lassen Sie sich das gesagt sein! Und in diesem Sinne wollen wir uns für Wilhelmshaven einsetzen, nicht nur mit allgemeinen Phrasen und Reden, sondern mit der Tat.
Das Wort hat der Abgeordnete Onnen. — Ich glaube, daß dann alle Abgeordneten, die vierzig Kilometer im Umkreis von Wilhelmshaven wohnen, gesprochen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß es ein ziemlich unangenehmer Brauch dieses Hauses ist, daß Angelegenheiten, die engere Gebiete berühren, von den Abgeordneten aller Parteien behandelt werden. Aber nachdem diese Dinge nun einmal aufgegriffen worden sind, muß ich einiges dazu sagen, damit nicht im Hause der Eindruck entsteht, daß die Notlage dieser Gebiete an der Unterweser und in Wilhelmshaven aus bestimmten agitatorischen Gründen übertrieben würde. Die Reaktion des Hauses läßt j a diesen Eindruck schon aufkommen. Die Lage in diesen Gebieten ist so ernst, daß es schon gerechtfertigt ist, daß sich das Haus mit diesen Dingen befaßt. Ich glaube aber nicht, daß der Sache damit gedient wird, wenn diese Dinge in allen Einzelheiten und in unnötig ausführlicher Weise besprochen werden. Der Zweck meines Sprechens ist nur der, den Eindruck zu verwischen, es sei dort keine ernste Notlage vorhanden.
Außerdem veranlaßt mich eine Bemerkung meines Kollegen Cramer, hier doch einiges richtigzustellen. Es fiel die unglückliche Bemerkung, wenn die Bundesregierung oder der Bundestag hier nicht die nötige Hilfe leisten wollten, sollte das eine andere Regierung tun. Ich halte diese Bemerkung für sehr unglücklich; denn gerade in diesem Raum haben wir- bisher an dem guten Brauch festgehalten, die Dinge nur überparteilich zu sehen und zu bearbeiten. Ich will der Versuchung widerstehen, etwa Vorwürfe gegen die Regierung jenes Landes zu erheben, in dem diese Notstandsgebiete liegen. Ich bin auch der Auffassung, daß der Weg, der bisher gegangen worden ist, bestimmte Projekte von allen Abgeordneten aus den betreffenden Gebieten an die Regierung heranzutragen, auch weiterhin beschritten werden sollte. Dieser Antrag hat doch letztlich nur den einen Zweck, das gesamte Haus auf den Ernst der Lage dort oben hinzuweisen.
Meine Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Wir hoffen, daß wir, wenn demnächst derartige Anträge mit bestimmten Plänen in den Ausschüssen wieder zur Beratung stehen, mit der verständnisvollen Unterstützung des Hauses rechnen können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2787. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die dem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Frage die Mehrheit des Hauses. Damit ist der Antrag angenommen.
Ich rufe jetzt auf Punkt 7 der Tagesordnung, den ich vorhin bereits einmal aufgerufen habe:
Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 86 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Nr. 2288 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses
(Nr. 2788 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Abgeordneter Arndgen. Ich
bitte ihn, das Wort zu nehmen.
— Das ist mir bereits aufgefallen, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Drucksache Nr. 2288 ist dem Hohen Hause auf Beschluß des Bundesrats vom 9. Februar ein Initiativgesetz zur Änderung des § 86 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges zugeleitet worden. In diesem § 86 des Bundesversorgungsgesetzes ist festgelegt, daß die Mehraufwendungen, die die Länder der französischen Zone wie überhaupt die Länder im gesamten Bund auf Grund der Neugestaltung des Versorgungsrechts geleistet haben, für eine gewisse Übergangszeit vom Bund mitgetragen werden sollen. Nun ist die Umberentung nach diesem Gesetz nur verzögert vor sich gegangen. Aus diesem Grunde hat der Bundesrat den Antrag eines Gesetzentwurfes dem Hohen Hause zugeleitet, nach dem den I ändern die bis zum 1. Juli 1951 nach früherem Recht zu zahlenden Mehrbeträge vom Bund erstattet werden sollen.
Schon kurz nach Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes ist diese Materie in einem Erlaß vom Februar dieses Jahres an die Länder in bezug auf die Termine so geregelt worden, wie es dieses Gesetz wünscht. Über die Höhe der Erstattungen ist in dem Erlaß vorgesehen, daß nur etwa die Hälfte vom Bund getragen wird. Der Bundesrat
dagegen fordert vom Bund die volle Erstattung der Mehrbeträge. Darüber hinaus bringt das Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 eine Mehrbelastung der Länderhaushalte in Höhe von 30 Millionen DM. Diese 30 Millionen DM stehen den Ländern auch für die Übergangszeit bis zum 1. Juli 1951 zur Verfügung. Im großen und ganzen sind also durch diesen Erlaß die Wünsche, die das Initiativgesetz ausspricht, erledigt.
Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen daher vor, den vorbezeichneten Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 2288 abzulehnen. Ich bitte, diesem Vorschlag des Haushaltsausschusses beizutreten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in der Einzelberatung den einzigen Paragraphen des Gesetzes auf. Wer wünscht, das Wort zu nehmen? — Offenbar niemand. Ich schließe die Einzelbesprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den einzigen Paragraphen des Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Diese Frage klang natürlich nach Zustimmung. Der Antrag des Haushaltsausschusses ist also: den Gesetzentwurf a bz u l e h n en; ich stelle das ausdrücklich noch einmal fest. Ich bitte also die Damen und Herren, die dem einzigen Paragraphen des Gesetzentwurfs zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Es ist immer noch nicht ganz sicher; es sind nur vier Stimmen. Wer ist dagegen? — Enthaltungen? — Der einzige Paragraph ist bei einer Enthaltung gegen vier Stimmen abgelehnt worden.
D Um der Form zu genügen, darf ich fragen, wer für Einleitung und Überschrift ist. — Das sind fünf Stimmen für Einleitung und Überschrift. Damit sind auch Einleitung und Überschrift abgelehnt. Sämtliche Teile des Gesetzes sind abgelehnt worden. Damit entfällt gemäß der Geschäftsordnung eine weitere Beratung dieses Gesetzentwurfs.
Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den
Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 2885 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Onnen. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ist in der vorigen Sitzung des Bundestages ohne Aussprache dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend und gleichzeitig dem Ausschuß für den Lastenausgleich überwiesen worden. Bevor ich zu den Einzelheiten der beantragten Änderung des Grundgesetzes Stellung nehme, möchte ich wegen der Bedeutung der Angelegenheit einige Bemerkungen vorausschicken.
Der vorliegende Gesetzentwurf bezweckt nicht, Grundsätze des Aufbaus der Verfassung zu ändern, sondern er ist aus der Notwendigkeit geboren, für die Durchführung der Gesetze zum Lastenausgleich in das Grundgesetz eine bisher fehlende Bestimmung aufzunehmen. Wie die Durchführung des Soforthilfegesetzes bisher gezeigt hat, ist die Durchführung einer so schwerwiegenden Gesetzgebung, wie es die kommende Lastenausgleichsgesetzgebung sein wird, nur möglich, wenn die Einheitlichkeit der Durchführung in jeder Beziehung gewährleistet ist.
Man hat bisher versucht, durch eine Vereinbarung zwischen den Ländern den Mängeln abzuhelfen. Dieses Gesetz will praktisch eigentlich nur einen Zustand mit der Verfassung in Einklang bringen, der seit zwei Jahren schon besteht. Es sind Erörterungen darüber geführt worden, ob nicht auch fürderhin eine Vereinbarung der Länder ausreicht, um die Zwecke sicherzustellen, die der Gesetzentwurf erreichen will. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß der Zweck einer Gesetzgebung, die für Jahrzehnte die Ansprüche großer Teile unseres Volkes regelt und Belastungen für große Teile unseres Volkes mit sich bringt, nicht durch eine Vereinbarung zwischen den Ländern erreicht werden kann. Abgesehen davon bestehen starke verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, durch eine Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern eine Regelung zu schaffen, die mit den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht vereinbar ist.
Durch das vorliegende Gesetz soll Verschiedenes erreicht werden. Zunächst ist festzustellen, daß das Grundgesetz selbst über die Durchführung der Lastenausgleichsgesetzgebung nichts enthält, was dienlich sein könnte. Der Verfassungsgesetzgeber hat, an diesen Komplex und an die Durchführung nicht gedacht. Die Verfassung enthält lediglich in Art. 74 Ziffern 6 und 9 die Bestimmung, daß der Bund die konkurrierende Gesetzgebung in den Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen und auf den Gebieten der Kriegsschäden und der Wiedergutmachung hat. Nicht aber ist im Grundgesetz geregelt, wie die Durchführung einer derartigen Gesetzgebung aussehen soll. Der Weg, dieses Problem durch eine bundeseigene Verwaltung in den mittleren und unteren Behörden zu regeln, ist von allen Seiten als nicht zweckmäßig anerkannt worden. Daher ist es notwendig, hier den Weg der Bundesauftragsverwaltung zu gehen. Nun besagt aber das Grundgesetz, daß eine Auftragsverwaltung des Bundes nur möglich ist, wenn das Grundgesetz selber dies anordnet oder zuläßt. Derartige Möglichkeiten sind im Grundgesetz nicht enthalten.
Es ist also notwendig, nach einem Ausweg zu suchen. Hier wird lediglich angestrebt, eine Lücke des Grundgesetzes auszufüllen und das Grundgesetz zweckmäßig zu ändern. Die Überlegungen hierfür sind rein praktischer Natur. Grundsätzliche Erwägungen — ich möchte das nochmals betonen, falls hier oder dort Bedenken im Hause aufkommen sollten — spielen hierbei keine Rolle.
Um Ihnen die Bedeutung dieser Änderung des Grundgesetzes nunmehr im einzelnen verständlich zu machen, muß ich darauf hinweisen, daß die Änderung Verschiedenes bezweckt. Zunächst besagt das beantragte Gesetz, daß die Gesetze, die zur Durchführung des Lastenausgleichs dienen, mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen können, daß sie teils durch den Bund und teils im Auftrag des Bundes durch die Länder ausgeführt werden. Das bedeutet also, daß nunmehr die Möglichkeit, die das Grundgesetz nicht kannte, geschaffen werden soll, dort, wo es notwendig ist, eine eigene Bundesverwaltung oder in den übrigen Teilen
eine Auftragsverwaltung des Bundes zu begründen. Das Gesetz besagt weiter, daß nicht nur die Bundesregierung, sondern auch eine obere Bundesbehörde in der Lage sein soll, Weisungen zu erteilen. Art. 85 des Grundgesetzes besagt u. a., daß die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen kann. Die Änderung sieht vor, daß in Zukunft auch eine obere Bundesbehörde derartige Verwaltungsanordnungen erlassen darf. Außerdem ist vorgesehen, daß sie bei Erlaß dieser Verwaltungsvorschriften nicht an die Zustimmung des Bundesrats gebunden sein soll. Dies dürfte aber keine großen Bedenken bei den Ländern auslösen, da die vorgesehene obere Bundesbehörde — das bisherige Hauptamt für Soforthilfe — mit einem Kuratorium versehen werden soll, in dem die Länder vertreten sind. so daß auch die Länder in Zukunft bei dieser Änderung in der Lage sind. über das Kuratorium auf den Erlaß der Verwaltungsvorschriften hinzuwirken. Außerdem ist die Möglichkeit vorgesehen, daß Weisungen erteilt werden können, wie es das Grundgesetz für die Bundesauftragsverwaltung auch bisher vorsieht. In Abweichung von den Bestimmungen des Grundgesetzes ist aber auch hier der praktischen Notwendigkeit insofern Rechnung getragen, als die Weisungen nicht nur von der Bundesregierung selbst, sondern auch von einer oberen Bundesbehörde erteilt werden können.
Ferner ist insofern eine abweichende Änderung von den bisher geltenden Bestimmungen für die Auftragsverwaltung vorgesehen, als diese Weisungen nicht nur an die oberste Behörde der Länder gegeben werden können, sondern unmittelbar auch an die Mittelbehörden und an die unteren Behörden der Länder. Auch das ist eine Anordnung, die nicht ernstlich die berechtigten Interessen der Länder berührt, sondern praktisch geboten ist, weil sonst eine Sicherung der gleichmäßigen Durchführung dieser Gesetze und eine schnelle Weitergabe der Richtlinien und Weisungen nicht gesichert ist.
Das Gesetz sieht weiterhin vor, daß auch die Vorlage der Akten und Berichte unmittelbar von der oberen Bundesbehörde angefordert werden kann. Als weitere Änderung der bisher geltenden Bestimmungen ist dort vorgesehen, daß auch eine Mittelbehörde, und zwar sowohl eine Mittelbehörde des Bundes wie auch gegebenenfalls — wenn es notwendig sein sollte — eine Mittelbehörde des Landes derartige Weisungen an die unteren Dienststellen geben kann. Das ist der Inhalt der Ergänzungen zum Grundgesetz, wie sie diese Vorlage vorsieht.
Damit den berechtigten Interessen der Länder nicht irgendwie Abbruch getan wird, ist im zweiten Absatz noch der Hinweis enthalten, daß Art. 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes unberührt bleibt. Das bedeutet: Wenn die dem Bund erwachsenden Aufgaben auf dem Gebiet der Lastenausgleichsgesetzgebung etwa die Einrichtung von bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden doch notwendig erscheinen lassen sollten, könnte das nicht auf Grund der jetzt beantragten Änderung des Grundgesetzes mit einfacher Mehrheit des Bundestags und ohne Zustimmung des Bundesrats geschehen, sondern dann greifen nach wie vor die Sicherungen des Grundgesetzes Platz.
Ich möchte zum Schluß nochmals darauf hinweisen, daß man diese Änderung des Grundgesetzes, die die Praxis dringend erfordert, nicht
ohne Not durch sonst durchaus berechtigte Bedenken gegen eine unnötige Änderung des Grundgesetzes gefährden sollte. Das ist auch im Ausschuß für den Lastenausgleich und in den Beratungen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht eingehend erörtert und berücksichtigt worden. Hier handelt es sich darum — und das ist die Auffassung der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, die dieser Auffassung zugestimmt haben —, der kommenden Lastenausgleichsgesetzgebung wegen der zur Zeit fehlenden Bestimmungen des Grundgesetzes die Möglichkeit zu geben, die notwendig ist, um die Durchführung dieser Gesetze so sicherzustellen, wie es das Interesse der Betroffenen erfordert.
Ich habe Sie im Auftrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu bitten, dem Gesetzentwurf mit der Änderung zuzustimmen, daß in der siebten Zeile das Wort „Mittelbehörden" ersetzt wird durch das Wort „Bundes- oder Landesbehörden", und zwar aus den Gründen, die ich Ihnen hier vorgetragen habe. Der Ausschuß für den Lastenausgleich hat sich dieser Stellungnahme einstimmig angeschlossen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. —
Meine Damen und Herren, ich darf zunächst darauf hinweisen, daß wir erstmalig den Vorgang haben, daß das Grundgesetz abgeändert werden soll, daß also nach Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages erforderlich ist, d. h. die Zustimmung von 268 Abgeordneten des Bundestages. Ich vermag im Augenblick nicht zu erkennen, daß 268 Mitglieder anwesend sind. Ich bitte also, davon freundlichst Notiz nehmen zu wollen und das Entsprechende zu veranlassen.
Ich rufe auf den Art. 1 des Gesetzes und stelle ihn zur Einzelberatung. Es wünscht das Wort zu nehmen Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag hat die Schaffung einer neuen Art von Auftragsverwaltung für das Sondergebiet des Lastenausgleichs zum Ziel. Wir können uns seitens der CSU nicht davon überzeugen, daß diese Änderung des Grundgesetzes eine unbedingte Notwendigkeit darstellt, und müssen diese Grundgesetzänderung oder -ergänzung wie Sie es nennen wollen — ablehnen. Die Änderung soll den Weg frei machen für eine Organisation und für Verwaltungsfunktionen. die in ihrer endgültigen Fassung noch gar nicht feststehen. Wir haben geglaubt, daß die entgegengesetzte Lösung die richtige wäre: zuerst die endgültige Organisation und die endgültigen Funktionen festzustellen und sie dann erst mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Die Weisungsrechte des Bundes gegenüber den unteren Behörden zerstören die Einheit der Verwaltung in den Obersten Landesbehörden, und zwar sowohl auf der Seite der Einnahmesicherung wie der Ausgaben, der Leistungen. Ich verweise bezüglich der Einnahmen auf den Zusammenhang zwischen der Vermögenshauptsteuerveranlagung und der Vermögensveranlagung für den Lastenausgleich. Bezüglich der Leistungen wird bei der komplizierten Art des Lastenausgleichs eine Klarstellung und eine Abgrenzung der übrigen Leistungen des Bundes und der Länder unbedingt notwendig werden,
was bei der Ausschaltung der Obersten Landesbehörden zweifellos zu Friktionen und Schwierigkeiten führen wird.
Ich will zur Entwicklung des Weisungsrechts über die bizonale Verwaltung und zu seiner Einfügung in das Grundgesetz hier nichts ausführen, sondern nur darauf hinweisen, daß die Ausdehnung des Weisungsrechts nach und nach zu einem Befehlsmechanismus in der Verwaltung, zu einer Mechanisierung der Verwaltung führen wird, die man auch in anderen Ländern beobachtet und die man dort als Dirigismus allmählich wieder einzuengen versucht. Auch aus diesen verwaltungspolitischen Grundsätzen und Gedanken möchten wir die beantragte Änderung des Grundgesetzes nicht unterstützen.
Es ist namentlich zuletzt bei der Beratung über den Flüchtlingsausgleich hervorgehoben worden, daß die bundesstaatliche Struktur ein Hindernis für den Flüchtlingsausgleich und die Erfüllung dieser Aufgaben ist. Man hat aber niemals Möglichkeiten des Grundgesetzes ausgeschöpft, die sowohl bei der bundeseigenen Verwaltung wie bei der Auftragsverwaltung gegeben sind.
Das sind die Gründe, die die CSU bestimmen, die beantragte Ergänzung oder Änderung des Grundgesetzes abzulehnen und der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß die hier geltend gemachten Schwierigkeiten auf eine glücklichere Weise überwunden werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von den Regierungsparteien in Drucksache 2830 eingekrachte Antrag bezweckt im Interesse der Durchführung des kommenden Lastenausgleichs eine Ergänzung des Grundgesetzes durch die Einschaltung eines Art. 120 a, der gleichzeitig eine Abänderung des Art. 85 enthalten soll, und zwar in der Weise, daß im Gegensatz zu der bestehenden Fassung des Art. 85 die der Bundesregierung und den zuständigen Obersten Bundesbehörden auf Grund des genannten Art. 85 zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise einer Bundesoberbehörde oder neuen Mittelbehörden übertragen werden. Nach dem Wortlaut des Antrages soll es sich also nicht etwa um eine Kann-, sondern um ein ganz positiv gehaltene Muß-Vorschrift handeln. Darüber hinaus sollen nach dem Antrag Bundesregierung und Bundesbehörden in Ansehung der Durchführung der Lastenausgleichsgesetzgebung nicht an die in Art. 85 Abs. 2 Satz. 1 und Abs. 3 Satz 2 enthaltenen Beschränkungen gebunden sein. Art. 87 Abs. 3 Satz 2 soll allerdings unberührt bleiben. Es handelt sich somit um eine Änderung des Grundgesetzes, die nur im Sinne des Art. 79 behandelt werden kann.
Meine Fraktion, die Fraktion der Bayernpartei, steht auf dem Standpunkt, daß diese Verfassungsänderung nicht angängig sein kann, denn die Bayernpartei ist der Ansicht, daß die föderalistische Grundlage des Grundgesetzes nicht unterhöhlt werden darf. Darüber hinaus ist meine Fraktion an der Tatsache interessiert, daß das Grundgesetz geändert werden soll, um die Durchführung eines Gesetzes bzw. von Gesetzen zu erleichtern, ohne daß doch wohl hinlängliche Versuche gemacht wurden, die in Betracht kommenden Gesetze den Gegebenheiten des Grundgesetzes, insbesondere dem
Art. 108 anzupassen. Es sollen bundeseigene Mittelbehörden geschaffen werden, die nach dem Grundgesetz nicht bestehen und deren Errichtung einen Eingriff in die Verwaltungshoheit der Länder bedeutet. Meine Fraktion würde in jeder Hinsicht alle Schritte, die zur Erleichterung des Lastenausgleichs führen, unterstützen, denn den Lastenausgleich bejahen wir. Indessen drängt sich hier doch die Frage auf, ob es der Bedeutung des Grundgesetzes entspricht, es zu ändern, sobald ein Gesetzentwurf eine solche Verfassungsänderung aus irgendeinem Grunde zweckmäßig erscheinen läßt. Bejahen wir diese Frage, so müssen wir uns schon fragen, wohin wir dann kommen können. Dann kann selbstverständlich bei jedem Gesetzentwurf die Änderung des Grundgesetzes zur Debatte gestellt werden. Dann haben wir aber leicht den Zustand, daß das Grundgesetz, das die Achtung heischende Grundlage des demokratischen Staatsaufbaues sein soll, zu geringerer Bedeutung, um nicht zu sagen zur Bedeutungslosigkeit herabgewürdigt werden wird. Diesen Weg dürfen wir nach unserer Überzeugung unter keinen Umständen beschreiten. Erweist sich das Grundgesetz als reformbedürftig, dann kann es nur eine Totalreform nach klar umrissenen Grundsätzen erfahren. Bis dahin müssen die Gesetze den im Grundgesetz verankerten Möglichkeiten angepaßt werden und nicht umgekehrt. Beschreiten wir aber den gegenteiligen Weg der ad-hoc-Änderung des Grundgesetzes, dann untergraben wir die Grundlagen, auf denen unser heutiges Staatswesen steht, und dann können wir damit gleich wieder zu Zuständen kommen, an die wir uns erinnern: Wie nämlich die Weimarer Verfassung mit allen Mitteln unterhöhlt und untergraben wurde.
Wir sind der Ansicht, daß die Erfahrungen, die wir mit dem Gesetz über die Verwaltungsbehörden für die Kriegsopferfürsorge und dem Bundesversorgungsgesetz gemacht haben, unsere Bedenken bestätigen und, daß es auch ohne Verfassungsänderung, ohne Änderung des Grundgesetzes abgehen kann. Wir glauben und sind überzeugt, daß wir um einen so entscheidenden Schritt herumkommen können, ohne daß der Lastenausgleich und seine Durchführung dadurch gefährdet sein muß, wenn der richtige Wille vorhanden ist, klare, bestimmte und präzise Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Ländern zu schaffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, zu den Ausführungen des CSU-Vertreters, meines Fraktionsfreundes Kleindinst, und zu den Ausführungen des Vertreters der Bayernpartei Stellung zu nehmen. Ich habe nur zweierlei klarzustellen: Erstens, es ist niemals an die Errichtung von neuen Bundesmittelbehörden gedacht worden. Darüber haben wir uns eingehend auch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ausgesprochen. Wir haben aber bereits in den Oberfinanzdirektionen Teilstücke von Bundesmittelbehörden. Diese in die Lage zu versetzen, Weisungen zu geben, ist der Sinn dieser Formulierung. Das Zweite: Die logische Konsequenz einer Ablehnung wäre, daß wir heute beschlössen, das Soforthilfegesetz außer Kraft zu setzen, da wir es seit dem Anfang seines Bestehens gegen die Grundsätze des Grundgesetzes durchführen. Das ist doch keinem Menschen ernst!
Ich habe lediglich eine Bitte: den Antrag stellen zu dürfen, daß die Einleitung rein formal geändert wird. Sie soll lauten: „Bundestag und Bundesrat haben mit verfassungändernder Mehrheit das folgende Gesetz beschlossen". Das ist nach dem Wortlaut des Grundgesetzes erforderlich.
Das Wort hat Abgeordneter Ohlig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion war von Anfang an der Meinung, daß die Durchführung eines kommenden Lastenausgleichsgesetzes einheitlich im ganzen Bundesgebiet gewährleistet sein müsse. Aus den bisherigen Erfahrungen des Soforthilfegesetzes ist doch festzustellen, daß das Weisungsrecht des Herrn Präsidenten des Hauptamtes für Soforthilfe nur stillschweigend von den Ländern geduldet wird. Wenn wir den kommenden Lastenausgleich auf eine Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern und dem kommenden Bundesausgleichsamt abstellen, dann besteht die Gefahr, daß in dem Augenblick, in dem ein Land von dieser Verwaltungsvereinbarung zurücktritt, die weitere einheitliche Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes in Frage gestellt ist. Deshalb ist die Sozialdemokratische Partei der Auffassung: Wenn wir diese Einheitlichkeit nur auf dem Wege einer Änderung des Grundgesetzes erreichen können, wollen wir dieser Änderung zustimmen.
Allerdings sind wir über die heutige Erklärung der CSU etwas erstaunt. Der Antrag Nr. 2830 trägt bekanntlich die Überschrift: „Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP." Im Augenblick ist nicht verständlich, ob damals irrtümlicherweise die CSU mit auf diesen Antrag gekommen ist oder ob in der Zwischenzeit eine Meinungsänderung eingetreten ist.
Die sozialdemokratische Fraktion möchte den kommenden Lastenausgleich nicht verzögern, sondern beschleunigen. Deshalb stimmt sie der Änderung des Grundgesetzes zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in jeder demokratischen Fraktion, die nach der Geschäftsordnung einen Doppeltitel führt, so, daß bei einem Antrag wie bei dem vorliegenden, für den sie mit Mehrheit sich entschieden hat, auch der andere Teil der Fraktion — hier die CSU — aufgeführt ist.
— Ob Sie sagen „Titel" oder „Namen" oder „Bezeichnung", müssen Sie im Lexikon nachsehen.
Ich gebe Ihnen jetzt aber noch eine Erläuterung dazu. Die CSU hat sich eben — aber freuen Sie sich darüber, Herr Kollege, und darum wollte ich Sie beruhigen — der Ansicht des sozialdemokratischen bayrischen Finanzministers, Herrn Zietsch, angeschlossen, der heute in einem Schreiben die bayerische Vertretung um Eingreifen gebeten hat, daß die bayerischen Abgeordneten möglichst gegen diese Verfassungsänderung stimmen.
Wenn wir einmal zwischendurch einen Parteifreund von Ihnen unterstützen, dürfen Sie uns nicht so übelwollend apostrophieren!
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Der Herr Abgeordnete Kunze hat beantragt, die Einleitung selbst zu ändern und zu sagen: „Bundestag und Bundesrat haben mit verfassungändernder Mehrheit beschlossen". Darf ich Ihnen den Vorschlag machen, Herr Kollege Kunze, daß wir sagen
— um eine bestimmte Praxis einzuführen; es ist ja nicht unsere Aufgabe, die Beschlußfassung des Bundesrats festzustellen —: „Der Bundestag hat unter Beachtung der Bestimmung des Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes folgendes Gesetz beschlossen". Sind Sie einverstanden?
— Dann darf ich feststellen, daß der Antrag des Herrn Abgeordneten Kunze in dieser Form gedacht ist.
Meine Damen und Herren, wir müssen eine Mehrheit von 268 Stimmen haben. Ich fürchte, daß die Auszählung von hier oben zu Schwierigkeiten führt. Eine namentliche Abstimmung ist nicht beantragt. Ich schlage Ihnen also vor, daß wir die Mehrheit, die für dieses Gesetz stimmt, im Wege des Hammelsprungs feststellen. Ich bitte die Damen und Herren, die für Art. 1 des Gesetzes in der Ausschußfassung sind, durch die Ja-Tür, die dagegen sind, durch die Nein-Tür, und die sich zu enthalten beabsichtigen, durch die Mitteltür hereinzukommen. Darf ich bitten, den Saal mit möglichster Beschleunigung zu räumen.
Auch Herren über siebzig sind gebeten, den Saal zu räumen.
Ich bitte, mit der Auszahlung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen. —
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. —
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über Art. 1 bekannt. Für Art. 1 haben gestimmt 247 Abgeordnete, dagegen 50, bei 8 Enthaltungen. Die verfassungändernde Mehrheit von 268 ist für Art. 1 also nicht erreicht.
Meine Damen und Herren, mit Rücksicht auf die Tatsache, daß ein ins Gewicht fallender Teil der Mitglieder dieses Hauses sich in Straßburg befindet, mache ich Ihnen den Vorschlag, die zweite Beratung dieses Gesetzes, bevor Art. 2, Einleitung und Überschrift aufgerufen werden, abzubrechen und erst dann fortzusetzen, wenn die Mitglieder, die sich in Straßburg befinden, an den Beratungen wieder teilnehmen können. Ist das Haus damit einverstanden?
Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung für heute erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3:
Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Dr. Kather und Genossen so-
wie der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nrn. 2810, zu 2810 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wackerzapp. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Die dem Hohen Hause als Drucksache Nr. 2810 unterbreitete Gesetzesvorlage geht auf einen Antrag der Abgeordneten Kather und Genossen sowie der Fraktion der FDP vom 12. Juli 1950 zurück. Es handelt sich also nicht um eine Regierungsvorlage, sondern um einen aus der Mitte des Bundestages eingebrachten Gesetzesvorschlag. Der Bundestag hat diesen Entwurf eines Feststellungsgesetzes in seiner 79. Sitzung vom 26. Juli 1950 federführend dem Lastenausgleichsausschuß und gleichzeitig dem Vertriebenenausschuß überwiesen. Beide Ausschüsse waren Ende des Jahres 1950 zu Ergebnissen gekommen, die nunmehr aufeinander abgestimmt werden sollten. Da trat Ende des Jahres 1950 ein neues Ereignis insofern ein, als die Regierung ihren Entwurf eines endgültigen Lastenausgleichsgesetzes vorlegte, die mittlerweile berühmt gewordene Drucksache Nr. 1800. Der Bundestag hat diese Drucksache in seiner Sitzung vom 31. Januar 1951 dem Lastenausgleichsausschuß überwiesen. Dieser Entwurf enthält nun ebenfalls einen Abschnitt über das Feststellungsverfahren. Damit ergab sich die Frage, ob ein vorgezogenes selbständiges Feststellungsgesetz überhaupt noch sinnvoll sei.
Der Lastenausgleichsausschuß hat diese Frage mit großer Eindringlichkeit geprüft. Er mußte sich dabei einen Überblick über die Gesamtlage verschaffen und erst einmal die tragenden Gedanken des Regierungsentwurfs zum allgemeinen Lastenausgleichsgesetz herausarbeiten. Zum Thema „Feststellung" ergab sich, daß die Feststellung, die der Regierungsentwurf beabsichtigt, nicht lückenlos sein soll; sie soll nur von Fall zu Fall und nur im Hinblick auf eine schon in Aussicht genommene Entschädigung erfolgen. Dagegen ging die Meinung insbesondere der Heimatvertriebenen dahin, daß sie auf eine lückenlose und auf eine baldige Feststellung Wert legen müßten; denn für sie werden die Beweismöglichkeiten im Laufe der Jahre immer schwieriger, weil die Zeugen und Sachverständigen, die sie für den Nachweis brauchen, wegsterben. Im Laufe des Sommers hat sich im Lastenausgleichsausschuß die Meinung durchgesetzt, daß es ,aus diesen Gründen und auch um eine Beruhigung in den aufgeregten Kreisen der Heimatvertriebenen und Kriegssachgeschädigten zu erzielen, zweckmäßig sei, nunmehr das Feststellungsgesetz vorzuziehen. Es wurde ein besonderer Unterausschuß eingerichtet, der sich in einer Reihe von Sitzungen — es waren 23 Sitzungen — mit der Angelegenheit befaßte. Er legte dann seinen Entwurf dem Lastenausgleichsausschuß vor. Dieser hat sich in sieben Sitzungen mit dem Entwurf beschäftigt und dann die Fassung erarbeitet, die Ihnen heute in Drucksache Nr. 2810 vorgelegt worden ist.
Der Lastenausgleichsausschuß und sein Unterausschuß haben die Einwände, die aus Gründen der Logik, der Systematik und der Gesetzestechnik gegen die Herauslösung der Schadensfeststellung
aus dem allgemeinen Lastenausgleichsgesetz erhoben wurden, immer wieder einer gründlichen Prüfung unterzogen, zumal diese Bedenken auch vom Bundesrat geteilt wurden. Es ist zweifellos richtig, daß die Feststellung, soweit sie die Voraussetzungen und Grundlagen für materielle Ausgleichsleistungen schaffen soll, in letzter Vollendung und Zweckmäßigkeit erst dann erfolgen kann, wenn das Lastenausgleichsgesetz über die hierfür maßgeblichen personellen und materiellen Voraussetzungen endgültig entschieden hat. Die seitherigen monatelangen Beratungen über das Lastenausgleichsgesetz haben jedoch in so vielen wesentlichen Punkten und Grundbedingungen Einigkeit ergeben, daß es durchaus möglich war, schon in dem vorgezogenen Feststellungsgesetz wesentliche Dinge vorweg zu regeln. Damit würde dann gleichzeitig dem Lastenausgleichsgesetz eine Aufgabe abgenommen, die es sonst von sich aus lösen müßte. Daß das Feststellungsgesetz hier und dort auf die kommende Lastenausgleichsgesetzgebung verweisen muß, ist eine gesetzestechnische Unzulänglichkeit. Aber nach Auffassung der Ausschußmehrheit muß dies in Kauf genommen werden. Das an sich löbliche Streben nach gesetzestechnischer Perfektion muß hinter das praktische Postulat zurücktreten, nach den langen Jahren des Wartens nunmehr mit der Lösung des schicksalschweren Problems des Lastenausgleichs einen spürbaren Anfang zu machen.
Sinn und Zweck des Feststellungsgesetzes ist es, den Geschädigten eine amtliche Bestätigung über Art und Höhe ihrer Verluste zu verschaffen und die beschleunigte Durchführung des Lastenausgleichs zu ermöglichen. Die für die Geschädigten praktisch wichtigste Frage jedoch ist, ob, inwieweit, in welcher Form und unter welchen Modalitäten die festgestellten Schäden und Verluste eine Entschädigung zur Folge haben werden. Diese Frage wird" erst durch das endgültige Lastenausgleichsgesetz entschieden werden. Die Schadensfeststellung im Zuge des Feststellungsgesetzes begründet also für sich allein keinen Anspruch auf Berücksichtigung im materiellen Lastenausgleich.
Es ist — entgegen der von einer Minderheit vertretenen Auffassung — nicht Sinn und Zweck des Feststellungsgesetzes, eine Inventur aller Schäden und Verluste zu ermöglichen, die .durch den Krieg und seine Folgen entstanden sind. Die Feststellung wird vielmehr lediglich für zwei Gruppen von kriegsbedingten Vermögensverlusten zugelassen, nämlich für die Vertreibungsschäden und für die Kriegssachschäden. Es fallen also heraus die Währungsschäden, die Verluste an Auslandsguthaben, die Demontage- und Besatzungsschäden und anderes mehr, nicht weil man diese Schäden für weniger drückend hielte, sondern deswegen, weil sie nach ihrer Entstehungsursache, nach dem Personenkreis, nach ihrem inneren Gehalt besonders gestaltet und hinsichtlich der Methoden der Feststellung besonderen Bedingungen, auch solchen außenpolitischer Art, unterworfen sind, so daß ihre Regelung Spezialgesetzen vorbehalten bleiben muß. Für den großen Kreis der Währungsgeschädigten sei in diesem Zusammenhang auf das Altsparergesetz — Drucksache Nr. 1874 — verwiesen, das zur Zeit im Lastenausgleichsausschuß behandelt wird.
Ich darf um die Ermächtigung bitten, in meinem mündlichen Bericht nur die leitenden Grundgedanken des Feststellungsgesetzes zu entwickeln
und lediglich auf die Punkte näher einzugehen, die im Ausschuß zu besonders eingehenden Debatten geführt haben. Im übrigen darf ich wegen der Einzelheiten auf den Gesetzestext und den schriftlichen Bericht verweisen.
Der Erste Abschnitt „Feststellbare Vermögensverluste und antragsberechtigte Personen" ist für die betroffenen Personenkreise von schicksalhafter Bedeutung. Hier wird die grundsätzliche Frage entschieden, welche Arten von kriegsbedingten Vermögensverlusten überhaupt feststellbar sind und welche persönlichen Vorbedingungen der Geschädigte erfüllen muß, um einen Feststellungsanspruch geltend machen zu können. Der Ausschuß hat diese folgenschweren Themen mit aller Ausführlichkeit und Gewissenhaftigkeit behandelt. Immer wieder traten neue Erkenntnisse und Anregungen auf, die zu einer Nachprüfung des bereits erarbeiteten Ergebnisses zwangen. Es darf offen ausgesprochen werden, daß es der Ausschuß vielfach als eine schwere Bedrückung empfunden hat, wie wenig er dem Gebot einer höheren Gerechtigkeit entsprechen konnte, wie oft er sogar von den Gesetzen der strengen Folgerichtigkeit abweichen mußte. Aber die Vielfalt des Lebens, die Unübersehbarkeit der menschlichen und materiellen Verhältnisse, die immer drohende Gefahr des Mißbrauchs wohlgemeinter Bestimmungen durch Unberufene und geschäftstüchtige Nutznießer und nicht zuletzt auch die Sorge um die finanziellen Auswirkungen zwangen zum Einbau von Grenzen und Sperren, die von all denen, die nunmehr außerhalb bleiben müssen, stets als unbillige Härten empfunden werden. Demgemäß muß auch das Feststellungsgesetz, wie so manches andere aus der grenzenlosen Not unserer Zeit geborene Gesetz, mit Stichtagen und Ausschlußfristen arbeiten, mit der Voraussetzung des Wohnsitzes im Bundesgebiet oder mit der Tatsache der Belegenheit des geschädigten Vermögens in bestimmt umgrenzten Bezirken, so daß alle Sachverhalte, in denen diese mehr oder weniger willkürlich getroffenen Vorbedingungen nicht erfüllt sind, auch dann nicht zum Zuge kommen, wenn sie nach ihrer sachlichen Beschaffenheit und ihrem inneren Wert den begünstigten Fällen durchaus gleichzuachten wären.
Die Begriffe „Kriegssachschaden" und „Vertreibungsschaden" können nicht auf bereits vorhandene Rechtsfiguren zurückgreifen. Auch sie sind Kinder der Not und mußten so gestaltet werden, daß sie den ungewöhnlichen Verhältnissen, zu deren Regelung sie beitragen sollen, gerecht werden können. Insbesondere war es nicht möglich, die in der Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940 entwickelten Begriffe und Tatbestände zu übernehmen. Diese Verordnung war auf Sieg eingestellt und billigte aus stimmungsmäßigen Rücksichten Entschädigungen in solch reichem Maße zu, wie dies der verarmten Bundesrepublik auch nicht entfernt möglich ist.
Als Kriegssachschäden gelten nur die im Bundesgebiet und Berlin-West durch Kriegshandlungen bis zum 31. Juli 1945 entstandenen Vermögensverluste. Es werden also allgemein nicht die in der Sowjetzone erlittenen Kriegssachschäden festgestellt. Da wir uns zur gesamtdeutschen Einheit bekennen, ist nach Auffassung des Ausschusses die Regulierung der in der Sowjetzone entstandenen kriegsbedingten Vermögensverluste grundsätzlich eine Verpflichtung, die aus der Wirtschaftskraft der Sowjetzone erfüllt werden muß. Einen im Bundesgebiet erlittenen Kriegssachschaden kann jede natürliche Person, aber nicht eine juristische Person anmelden. Hierbei ist es gleichgültig, ob die natürliche Person, die anmeldungsberechtigt ist, deutscher Staatsangehöriger oder Ausländer ist, ob sie ihren Wohnsitz innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets hat. Es herrscht hier also der Grundsatz der belegenen Sache, motiviert dadurch, daß auch die Heranziehung zur Vermögensabgabe nach diesem objektiven Merkmal stattfinden soll.
Im Gegensatz hierzu mischen sich beim Recht zur Feststellung von Vertreibungsschäden objektive und subjektive, territoriale und personelle Elemente. Es genügt nicht, daß die kriegsbedingten Vermögensverluste im Raume des Vertreibungsgebiets entstanden sind; um ihnen den Charakter eines Vertreibungsschadens zu verleihen, ist außerdem erforderlich, daß der Träger des Verlustes ein Vertriebener im Sinne des § 3 Abs. 6 ist. Dies hat zur Folge, daß ein Einheimischer die Vermögensverluste, die er in den Gebieten östlich der Oder und Neiße oder im sonstigen Ausland erlitten hat, im Zuge des Feststellungsgesetzes nicht feststellen lassen kann. Ob dies in anderem Zusammenhang und zu anderer Zeit möglich sein wird, muß späterer Gesetzgebung vorbehalten bleiben. Diese Regelung, insbesondere soweit sie die Verluste Einheimischer in den ehemals deutschen Ostgebieten betrifft, entspricht, wie im Ausschuß allseits anerkannt wurde, weder der formalen Gerechtigkeit noch den geschichtlich gewachsenen Verhältnissen, nachdem das Deutsche Reich der Vorkriegszeit sich nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich zu einer ausgewogenen Einheit entwickelt hatte. Unter dem Zwang der leeren Kassen glaubte man jedoch, gemessen an dem Grad der Dringlichkeit, den Einheimischen zumuten zu dürfen, mit ihren Ansprüchen hinter die Vertriebenen zurückzutreten. Bei den Vertriebenen handelt es sich durchweg um existenzvernichtende Totalverluste im Osten, bei den Einheimischen in aller Regel nur um tragbare Teilschäden.
Um einen Vertreibungsschaden geltend machen zu können, genügt es aber nicht, lediglich Vertriebener im Sinne des § 3 zu sein. Der Geschädigte muß vielmehr, abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen, zusätzlich auch noch die Bedingung erfüllen, daß er bereits an einem bestimmten Stichtag, nämlich spätestens am 31. Dezember 1949, seinen Wohnsitz befugt im Bundesgebiet hatte. Der Beweggrund für diese einschneidende Bestimmung war, daß die gewaltige Kraftanstrengung, die der Bund zur Lösung des Lastenausgleichsproblems unternehmen wird, ihre Grenzen in der tatsächlichen Leistungsfähigkeit finden muß und keine untragbare Sogwirkung aus Gebieten zur Folge haben darf, die in der Regelung der Kriegsschäden ungünstigere Verhältnisse aufzuweisen haben.
In diesem Zusammenhange muß mit besonderer Betonung der sogenannten Sowjetzonenflüchtlinge gedacht werden. Sie gelten nicht als Vertriebene im Sinne des Feststellungsgesetzes und können daher die in der Sowjetzone erlittenen Verluste nicht feststellen lassen. Diese Regelung wird von den beteiligten Kreisen als eine unbillige Härte empfunden. Sie sehen darin die Fortsetzung des Unrechts, daß man ihnen schon damals angetan habe, als man sie von den Wohltaten des Soforthilfegesetzes ausgeschlossen habe. Sie sind der Meinung, daß diejenigen, die links der Oder ihren Wohnsitz hatten und von dort vor den Schrecken der Roten Armee flüchten mußten, ebenso ihr Hab und Gut und ihre Heimat verloren hätten wie ihre Schicksalsgenos-
sen von der rechten Seite des Oderstroms. Diejenigen, die später aus politischen Gründen zur Rettung von Leib und Leben ins Bundesgebiet flüchten mußten, hätten nicht nur ihren Beruf und die Existenz, sondern zumeist auch das Eigentum durch Beschlagnahme und Konfiskation eingebüßt; dazu kämen die in der Ostzone durch Gesetzgebung und Verwaltung verfügten, jedem Rechtsempfinden widerstreitenden entschädigungslosen Enteignungen.
Der Lastenausgleichsausschuß hat sich in eingehenden Beratungen unter Hinzuziehung berufener Vertreter der bowjetzonenflüchtlinge mit diesen Fragen beschäftigt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der unbestreitbaren Notlage in angemessener Weise Rechnung getragen. werden müsse; er war jedoch der Überzeugung, daß dies im Rahmen des Feststellungsgesetzes nicht möglich sei. Die den Schaden auslosenden Ursachen sind bei den Sowjetzonenflüchtlingen — abgesehen vielleicht vom Fall der Kriegsflüchtlinge — anders gelagert als bei den Heimatvertriebenen östlich der OderNeiße. Es hat in der Sowjetzone keine systematische und allgemeine Vertreibung aller Deutschen unter Konfiskation ihres gesamten Vermögens zur Deckung der Kriegsentschädigungsforderungen stattgefunden. Die Eigentumsentziehungen beruhen vielmehr auf Maßnahmen, die sich jeweils gegen einzelne Personen richteten, wenn sie auch mit unserem Rechtsgefühl nicht vereinbar sind. Zweifellos liegen bei den Sowjetzonenflüchtlingen auch die Möglichkeiten und Aussichten einer Rückkehr in die Heimat weit günstiger als bei den Vertriebenen aus dem Raume östlich der Oder-Neiße. Die entscheidende Ursache ihrer Not ist in der Regel nicht die Einbuße des Sachbesitzes, sondern der Verlust von Arbeitsplatz und Beruf. Für die Feststellung dieser Schäden bietet aber das Feststellungsgesetz nach seiner Systematik keinen Raum.
Der Ausschuß war daher in seiner Mehrheit der Meinung, daß das Problem der Sowjetzonenflüchtlinge in einem Spezialgesetz geregelt werden muß, das den besonderen Verhältnissen dieser Gruppe in angemessener Weise Rechnung trägt. Er hat dem Wunsch Ausdruck gegeben, daß dies mit tunlichster Beschleunigung erfolgen möge.
Bei der Erörterung all dieser Probleme stand wie ein verschleiertes Bild die folgenschwere Grundsatzfrage im Hintergrund: Sind die Ansprüche, die das Feststellungsgesetz eröffnet, nur der Reflex von materiellen Rechten, die bereits vor dem Feststellungsgesetz auf einem festen Rechtsboden erwachsen waren, sei es auf der Grundlage des Naturrechts oder des positiven Rechts, wie des Allgemeinen Landrechts oder der Kriegssachschädenverordnung? Oder werden diese Ansprüche durch das Feststellungsgesetz erst neu geschaffen, so daß sie vom Gesetzgeber nach Voraussetzungen, Umfang und Modalitäten souverän gestaltet werden können? Der Ausschuß hat sich nicht für befugt gehalten, zu dieser grundsätzlichen Frage Stellung zu nehmen. Er ist der Meinung, daß eine Entscheidung hierüber nur durch den Spruch der obersten Gerichte erfolgen kann. Das Feststellungsgesetz will sich nicht damit begnügen, die entstandenen Kriegssachschäden und Vertreibungsschäden gleichsam mit der Linse eines Photographen rein objektmäßig zu erfassen und zu registrieren. Es will darüber hinaus wertmäßig die Höhe der Vermögensverluste fests ellen, die die Geschädigten erlitten haben. Dies kann nur nach einheitlichen Maßstäben und nach allgemein gültigen Grundsätzen erfolgen. Dieser Aufgabe gilt der Zweite Abschnitt „Schadensberechnung".
Beim landwirtschaftlichen Vermögen, beim Grundbesitz, also vor allem beim Hausbesitz, und beim gewerblichen Vermögen sollen die letzten steuerlichen Einheitswerte für die zahlenmäßige Berechnung der Höhe der erlittenen Verluste zugrunde gelegt werden. Hierüber haben im Ausschuß langwierige, in die Tiefe gehende, mit wissenschaftlichem Material begründete, oft recht temperamentvoll geführte Auseinandersetzungen stattgefunden. Bei aller Anerkennung der Sorgfalt und Werktreue, mit denen die Ermittlung der Einheitswerte vorgenommen worden ist, konnte doch die praktische Erfahrung nicht übersehen werden, daß die Einheitswerte im Einzelfall nicht selten hinter den gemeinen Werten erheblich zurückbleiben. Dies gilt insbesondere für den landwirtschaftlichen und für den Hausbesitz. Die Folge ist, daß die auf den höheren gemeinen Wert abgestellte hypothekarische Belastung oft einen übermäßigen Teil des Einheitswerts in Anspruch nimmt, so daß das verbleibende Reinvermögen, das allein den Maßstab für den Vermögensverlust bilden kann, eine ungerechtfertigte Verminderung erfährt.
Wie kann abgeholfen werden? Es bestand Einigkeit darüber, daß die individuelle Feststellung des gemeinen Wertes bei der Fülle der Fälle praktisch undurchführbar ist. Es konnten daher nur Lösungen in Frage kommen, die unter Ausnutzung der vorhandenen Unterlagen praktisch leicht durchführbare Korrekturen anstreben. Der bedeutsamste Vorschlag in dieser Richtung war der, die Einheitswerte bei landwirtschaftlichem Vermögen und beim Hausbesitz um 20 bzw. 50 % aufzustocken. Der Regierungsentwurf hat, allerdings nur für die Vertriebenen, vorgeschlagen, die Hypotheken mit ihrem halben Betrag vom Einheitswert abzusetzen.
Der Ausschuß konnte zu keiner Entscheidung kommen. Er war der Meinung, daß dieser Fragenkomplex nur im Gesamtbild- des allgemeinen Lastenausgleichs geregelt werden kann, und hat sich damit begnügt, für die Bewertung der entstandenen Verluste die Einheitswerte zugrunde zu legen, dagegen die darauf lastenden Hypotheken und sonstigen Verbindlichkeiten vorläufig nur statistisch zu erfassen und die Auswertung dieser Faktoren dem endgültigen Lastenausgleichsgesetz zu überlassen.
Konnte man sich für die Schadensfeststellung beim landwirtschaftlichen Vermögen, beim Grundvermögen und Betriebsvermögen auf das wertvolle Material der Steuerverwaltung stützen, so mußte beim Hausrat nach völlig neuen Methoden gesucht werden. Für Hunderttausende von Heimatvertriebenen und Ausgebombten war der Hausrat der einzige Vermögensbesitz. Es entspricht daher nach einmütiger Auffassung des Ausschusses der Bedeutung des Schadens und dem berechtigten Verlangen der Geschädigten, daß auch der Hausratsverlust in angemessener Weise festgestellt wird, wobei die Frage, in welchem Ausmaß und unter welchen Modalitäten eine Entschädigung erfolgen kann, dem allgemeinen Lastenausgleichsgesetz vorbehalten bleiben .muß. Man rechnet überschläglich mit insgesamt 6 Millionen Fällen von Hausratsverlusten, wovon vielleicht 2 1/2 Millionen auf die heimischen Kriegssachgeschädigten und 3 1/2 Millionen I auf die Heimatvertriebenen entfallen werden. Es ist klar, daß bei dieser ungeheuren Masse nicht
jeder Fall mit allen Einzelheiten individuell festgestellt werden kann, zumal, insbesondere bei den Heimatvertriebenen, stichhaltige Beweisunterlagen im allgemeinen nicht vorliegen können. Es blieb daher nichts anderes übrig, als auf Grund bestimmter, leicht feststellbarer objektiver Merkmale, wie Größe der Wohnung, Höhe des Einkommens oder Vermögens, Berufsstellung, Familienstand usw., einen bestimmten Hausratswert zu fingieren. Der Ausschuß ist in seiner Mehrheit nach langen Beratungen zu der in § 14 enthaltenen Regelung gekommen. Hiernach sind die maßgebenden Komponenten für die Wertfestsetzung des Hausrats Einkommen, Vermögen und hilfsweise die Berufsgruppe.
Zur Durchführung der Feststellung von Kriegssachschäden und Vertreibungsschäden in dem vorgeschilderten Umfange bedarf es einer Organisation. Unbestritten war, daß die Leitung bei einer Bundesstelle liegen muß, weil gleichmäßige, von oben gesteuerte Arbeit erforderlich ist. Es lag nahe, hierbei an das bereits bestehende Hauptamt für Soforthilfe anzuknüpfen, dem die Betreuung der Vertriebenen und der Kriegssachgeschädigten durch das Soforthilfegesetz übertragen worden ist und das sich in seiner Arbeit nach allgemeinem Urteil ausgezeichnet bewährt hat. Die dagegen sprechenden verfassungsrechtlichen Bedenken sind soeben eingehend behandelt worden.
Als Ersatz für die Mehraufwendungen sollen die Länder vom Bund für jeden Feststellungsbescheid einen Betrag von 9 DM erhalten, aus dem auch die durch die Einrichtung von Heimatauskunftstellen entstehenden Unkosten zu bestreiten sind. Weil die Heimatvertriebenen, anders als die Kriegssachgeschädigten, in der Mehrzahl der Fälle keine Beweisunterlagen für ihre Verluste gerettet haben, müssen Stellen eingerichtet werden, die kraft ihrer Kenntnis von Land und Leuten in der Lage sind, nachzuprüfen, ob die von den Vertriebenen gemachten Schadensanmeldungen glaubhaft sind. Sie sollen darüber hinaus Sachverständigengutachten abgeben und bei der Ermittlung von Wertberechnungsgrundsätzen mitwirken.
Der Ausschuß für Heimatvertriebene und eine Minderheit des Lastenausgleichsausschusses haben den Standpunkt vertreten, daß die Heimatauskunftstellen die ihnen zugedachten Aufgaben nur dann erfüllen könnten, wenn für jeden Heimatkreis eine besondere Stelle eingerichtet würde. Der Lastenausgleichsausschuß hielt es jedoch in seiner Mehrheit nicht für ratsam, von vornherein eine systematische behördenähnliche Organisation aufzubauen. Es erschien ihm richtiger, die Auskunftstellen zunächst jeweils für den Bereich der früheren Regierungsbezirke einzurichten und abzuwarten, ob nach den Erfahrungen ein weiterer Unterbau erforderlich wird.
Der Zweck der Feststellung ist es, den Geschädigten eine amtliche Bestätigung über Art und Höhe ihrer Verluste zu beschaffen und die beschleunigte Durchführung des Lastenausgleichs zu ermöglichen. Der Feststellungsbescheid konkretisiert den Entschädigungsanspruch nach Art und Höhe und ist insofern für den Betroffenen von folgenreicher Bedeutung. Er muß deshalb in einem Verfahren und in einer Form ergehen, die dieser Tragweite entsprechen,
Die entscheidende Grundlage des ganzen Verfahrens ist der vom Geschädigten auszufüllende amtliche Fragebogen. Das Bundesfinanzministerium hat zugesagt, bei seiner Ausgestaltung den
Lastenausgleichsausschuß zu hören. Die Anträge auf Schadensfeststellung sind an das für den Wohnsitz zuständige Feststellungsamt zu richten. Hierbei wurde erwogen, daß mit einer Millionenzahl von Anträgen gerechnet werden muß, die sich nicht gleichmäßig über das ganze Bundesgebiet verteilen, sondern sich an gewissen Schwerpunkten konzentrieren werden, nämlich in den Gegenden, die ganz besonders schwer durch Kriegssachschäden gelitten haben oder in denen die Vertriebenen gehäuft sitzen. Damit nun die in solchen Gebieten als Feststellungsstellen tätigen Soforthilfebehörden nicht von vornherein dadurch lahmgelegt werden, daß ihnen unzulängliche oder unvollständig ausgefüllte Fragebogen vorgelegt werden, ist die tatkräftige Einschaltung aller Verbände und Organisationen, die sich die Betreuung schwacher Volksgenossen zum Ziel gesetzt haben, dringend zu wünschen. Hierbei dürfte nach der Natur der Dinge das Schwergewicht der Arbeit den Organisationen der Heimatvertriebenen zufallen.
Demgemäß hat der Ausschuß für Heimatvertriebene beantragt, den Vertriebenenorganisationen für jeden Fall der Ausfüllhilfe 1,50 DM zu erstatten. Der Lastenausgleichsausschuß war dagegen in seiner Mehrheit der Meinung, man sollte zunächst einmal abwarten, wie sich die Verhältnisse in der Praxis entwickeln. Sollte sich herausstellen, daß die vorbereitende Arbeit der Verbände und Organisationen eine wesentliche oder sogar unentbehrliche Voraussetzung dafür darstellt, daß den amtlichen Stellen überhaupt die Durchführung der ihnen obliegenden hoheitlichen Aufgaben ermöglicht wird, dann sollte nicht gezögert werden, den Verbänden auch diejenigen Geldbeträge aus etatmäßigen Mitteln des Bundes zur Verfügung zu stellen, die sie zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Interesse erfolgenden Leistungen benötigen.
Die Kriegssachgeschädigten und Heimatvertriebenen legen den größten Wert darauf, daß die Schadensfeststellung sauber und einwandfrei erfolgt. § 38 des Gesetzes hat daher eine Warnungstafel aufgerichtet, um auf anständiges Verhalten und wahrheitsgemäße Angaben nachdrücklich hinzuweisen. Wer wissentlich oder grob fahrlässig in eigener oder in fremder Sache, also z. B. auch als Zeuge oder Sachverständiger, falsche Angaben macht oder irgendwen durch Belohnung oder Drohung zu wahrheitswidrigem Verhalten veranlaßt, kann von der Feststellung und damit auch von den Vergünstigungen des Lastenausgleichs ausgeschlossen werden.
Ich komme zum Schluß. Zunächst möchte ich nicht unterlassen, mit Dank und Anerkennung der unermüdlichen Mitarbeit und hochwertigen sachverständigen Beratung zu gedenken, die die Bundesministerien, insbesondere das federführende Bundesfinanzministerium, dem vorliegenden Initiativgesetz haben zuteil werden lassen. Der Dank erstreckt sich auch auf die Herren Vertreter des Bundesrats, die unseren Sitzungen ständig beigewohnt und uns jeweils über den Standpunkt des Bundesrats unterrichtet haben. Die vielfach von ihnen vorgetragenen sachlichen Bedenken haben Anlaß zur gewissenhaften Nachprüfung des eigenen Standpunktes gegeben.
Die ungeheure Tragweite des Feststellungsgesetzes und des ihm nachfolgenden Lastenausgleichsgesetzes wird klar beleuchtet durch den gewaltigen Interessentenkreis. Neben 8 Millionen Vertriebenen stehen 12 Millionen Kriegssachgeschädigte. Von diesen insgesamt 20 Millionen sind
vielleicht 6 bis 7 Millionen Feststellungsanträge zu erwarten. Die bedeutungsvolle Funktion des Feststellungsgesetzes ist es, Vorläufer und Wegbereiter des allgemeinen Lastenausgleichs zu sein; es soll wichtige und für eine sinnvolle Durchführung der späteren Entschädigung unentbehrliche Tatsachen sammeln und wertmäßig erfassen. Hierbei sind unerhörte Schwierigkeiten zu überwinden, die sich nicht nur aus der Massenhaftigkeit der Fälle, sondern auch aus den qualitativen Besonderheiten der Verhältnisse ergeben. Vielfach muß Neuland betreten werden, so daß man sich auf Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht stützen kann.
Der Lastenausgleichsausschuß hat unter Leitung seines unermüdlichen Vorsitzenden versucht, eine sachlich zu verantwortende und praktisch durchführbare Regelung zu finden. Je tiefer der Ausschuß in die Probleme eingedrungen ist, um so mehr ist ihm zum Bewußtsein gekommen, daß es angesichts des Umfangs der über uns hereingebrochenen Katastrophe nicht möglich ist, eine Lösung zu finden, die den Wünschen der Betroffenen auch nur annähernd entspricht. Zahlreich sind die guten Ratschläge, die sachkundigen Denkschriften und die scharfsinnigen Betrachtungen, die beim Ausschuß eingegangen sind; noch zahlreicher die Äußerungen des Unmuts und der Ungeduld. Die langwierige und intensive Beschäftigung mit dem Problem und die eingehenden Beratungen mit allen Interessentengruppen haben aber den Mitgliedern des Ausschusses die Überzeugung vermittelt, daß geniale Gedanken und radikale Vorschläge allein nicht zum Ziele führen können. Nur verantwortungsbewußte Sachkunde, verbunden mit unscheinbarer werkgetreuer Kleinarbeit kann zu bescheidenen praktischen Erfolgen führen. Mag dieses Ergebnis manchem auf den ersten Blick mager und enttäuschend erscheinen, es sollte dennoch nicht gering geachtet werden. Mit der — wenn auch unzulänglichen — Feststellung der kriegsbedingten Vermögensverluste werd en die Grundmauern gelegt, auf denen — hoffentlich recht bald — der allgemeine Lastenausgleich aufgebaut werden kann, von dem wir eine Milderung der sozialen Spannungen und eine Linderung bedrückender Notstände erwarten.
Der Lastenausgleichsausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, das Feststellungsgesetz in der vorgelegten Fassung der Drucksache Nr. 2810 anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Einzelberatung. Ich rufe zunächst auf § 1. Dazu liegt vor ein Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP auf Umdruck Nr. 380 Ziffer 1 und ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 1. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der ersten Lesung des Initiativgesetzentwurfes über die Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste hat der Sprecher unserer Fraktion klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß und warum wir gegen ein selbständiges spezielles Feststellungsgesetz sind. Ich bin auch heute noch der Überzeugung, daß in dieser Haltung sehr viel mehr Mut und sehr viel mehr Verantwortungsbewußtsein gelegen hat, als alle diejenigen für sich in AnSpruch nehmen können, die nun in dem Gestrüpp, das sie selbst haben aufwuchern helfen, so gefangen sind, daß wir uns heute mit der Vorlage, wie sie nun aus dem Lastenausgleichsausschuß herausgekommen ist, befassen müssen.
Es ist eine schwere Verantwortung, die diejenigen auf sich geladen haben, die mit ihren Versprechungen über ein Schadensfeststellungsgesetz und mit ihrer Art der Darstellung der Bedeutung eines speziellen Schadensfeststellungsgesetzes Illusionen hervorgerufen und Hoffnungen erweckt haben und die nun am eigenen Leibe erfahren werden, was es bedeutet, wenn mit der Vorlage dieses Gesetzes alles das, was von dem Gesetz erwartet wurde, in sich zusammenfällt. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß es völlig unmöglich ist, ohne Zusammenhang mit dem Lastenausgleichsgesetz Bestimmungen über die Feststellung von Schäden zu treffen. Erst wenn man das Gesetz fertig hat und erst wenn man weiß, an welche Voraussetzungen die Gewährung von Leistungen aus dem Lastenausgleichsgesetz geknüpft werden wird, erst dann kann man entsprechende Bestimmungen treffen. Man hat uns darauf erwidert, es handle sich gar nicht um eine Maßnahme dieser Art, sondern es sei sowieso notwendig, einmal den Schaden festzustellen. Mit dieser Behauptung hat man gerade draußen besonders viel Beifall hervorgerufen. Die einen haben Sorge gehabt, daß mit der seit der Vertreibung verstreichenden Zeit die Erinnerung an das nachlassen müsse, was der einzelne verloren habe. Andere haben sogar gemeint, man müsse sich nun schleunigst daran machen, alle Unterlagen zusammenzutragen, die bei einem späteren Friedensvertrag oder bei Verhandlungen über Reparationen als Beweis für die deutschen - allerdings sehr unfreiwilligen — Leistungen beigebracht werden müßten.
Wir haben das eine wie das andere bestritten und haben insbesondere gegenüber der letztgenannten Auffassung immer wieder darauf hingewiesen, welche gefährlichen Illusionen heraufbeschworen und welche unerfüllbaren Hoffnungen damit erweckt werden müssen.
— Nein, ich will meinen Antrag begründen! Einen Augenblick!
Nun, meine Damen und Herren, jetzt haben wir ein Feststellungsgesetz vor uns, das weder das eine noch das andere ist. Es ist nicht ein Stück Vorwegnahme des Lastenausgleichsgesetzes. Das können Sie daran erkennen, daß hier nach ganz anderen Gesichtspunkten festgestellt wird, als es nach der heute schon unbestrittenen Auffassung später beim Lastenausgleich erforderlich sein wird. Hier wird eine bis ins einzelne gehende Vermögensschadenfeststellung versucht, während man im Lastenausgleichsgesetz mit Schadengruppen arbeitet. Aber auf der andern Seite ist es auch kein echtes Feststellungsgesetz, denn man bescheidet sich plötzlich mit der Feststellung eines Ausschnitts der Schäden.
Um so schwerer wiegt die Tatsache, daß die Beratung dieses Gesetzes unsere Besorgnis bezüglich des damit verbundenen Zeitverlustes leider in vollem Umfange bestätigt, ja noch übertroffen hat. Wir könnten mit der Beratung, d. h. im gegenwärtigen Stadium schon mit der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes um einen vollen Monat weiter sein, wenn wir nicht
- meine Herren, fragen Sie Ihre Kollegen, die im Ausschuß mitarbeiten; das ist dort mehr als einmal ohne Widerspruch festgestellt worden, weil es so auch stimmt —, ich sage also: wir könnten damit weiter sein, wenn wir nicht soviel kostbare Zeit mit dem Feststellungsgesetz verbracht hätten. Wenn es aber nun hier schon beschlossen werden soll und da es nicht als ein Stück vorweggenommenen Lastenausgleichsgesetzes beschlossen werden kann, dann ist das — —
- Was Propaganda ist, müssen Sie selber wissen! Hoffentlich ist das ganze Feststellungsgesetz von Ihnen nicht Propaganda gewesen. Sie gehören ja mit zu denen, die es eingebracht haben! — Wenn aber nun schon festgestellt werden soll, muß nach unserer Meinung auch wirklich ernsthaft festgestellt werden. Denn wenn wir sicherlich nicht frei sind in der Bemessung der Leistungen aus dem Lastenausgleich, die sich nach den naturgemäß begrenzten Mitteln richten, so sind wir vollkommen frei in der Feststellung des Schadens aller Art, den der Krieg den Deutschen beschert hat. Und daß man draußen im Lande, gerade nachdem so schrecklich viel von der Bedeutung des Feststellungsgesetzes seitens der Herren Initiatoren geredet worden ist, ein solches Feststellungsgesetz nicht als die Einlösung des gegebenen Versprechens anerkennt, haben Sie ja wohl alle den zahlreichen Zuschriften entnommen, mit denen sich die Bevölkerungskreise, deren Schäden hier nicht festgestellt werden sollen, zum Worte gemeldet haben.
Wenn Sie nun fragen, warum denn aus dem sehr detaillierten Gesetzentwurf, den uns die FDP-Fraktion hier vorgelegt hat, zum Schluß eine so verhältnismäßig bescheidene Angelegenheit geworden ist, so ist des Rätsels Lösung sehr einfach. In den Beratungen hat sich nämlich herausgestellt, was alles noch in Erscheinung tritt und was noch alles auf uns zukommt, wenn man an eine solche Aufgabe herangeht. Nicht nur die Kosten, sondern auch die technischen Schwierigkeiten und gewisse andere Gesichtspunkte haben sich dann so geltend gemacht, daß auch die Verfasser des Entwurfs zum Schluß nicht mehr gewagt haben, ihre Forderung in dem Umfange, in dem sie sie zunächst einmal aufgestellt hatten, aufrechtzuerhalten. Sie sind allerdings nach unserer Meinung auch heute noch verpflichtet, wenn Sie überhaupt feststellen wollen, in dem versprochenen, ursprünglich angeregten Umfang festzustellen. Niemand wird es verstehen, und es wird draußen nicht verstanden werden können, wenn wir heute ganz willkürlich die eine oder die andere Gruppe von Schäden herausnehmen und über den großen Rest nur etwas sagen, was in einem Gesetz sowieso überflüssig ist, daß nämlich der Bundestag bei irgendeiner anderen Gelegenheit auch darüber noch einmal ein Gesetz machen kann.
Gerade nach den Erfahrungen mit diesem Feststellungsgesetz wird niemand glauben, daß es noch die ehrliche Absicht ist, in absehbarer Zeit ein zweites und vielleicht auch ein drittes Feststellungsgesetz zu machen oder dieses Feststellungsgesetz auszuweiten; und Sie werden es wahrscheinlich auch selber nicht glauben.
Wir sind deswegen der Meinung — und das wollen wir Ihnen in Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 382 mit der Bitte um Annahme vorschlagen —,
daß wir im § 1 oder in einem der folgenden Paragraphen sagen sollten, um was es sich hier handelt, nämlich um die Feststellung der kriegsbedingten Schäden. Wir schlagen deshalb vor, daß wir außer den Vertreibungsschäden und den Kriegssachschäden auch die Sparerschäden und die Schäden durch kriegsbedingten Vermögensentzug hier in dieses Gesetz aufnehmen.
Ich muß in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß wir den Kreis der Schäden nicht nur mit dem § 1 richtig zu umschreiben versuchen, sondern daß wir den § 7 entsprechend ändern. Sie finden das unter Ziffer 8 auf der zweiten Seite unseres Antrags. Denn es ist völlig unerklärlich, warum z. B. ein Vertriebener den Schaden, den er im Bundesgebiet erlitten hat, anmelden können soll, während ein Einwohner des Bundesgebiets den Kriegssachschaden, den er im Vertreibungsgebiet erlitten hat, nicht soll anmelden können. Dieser Änderungs- und Streichungsvorschlag für § 7 wird von Ihnen hoffentlich auch mit angenommen werden.
Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Abänderungsanträge der CDU/CSU und der FDP nicht dem entsprechen, was wir hier vorschlagen. Sie versuchen zwar in etwa, der begreiflichen Empörung zu entsprechen, die sich draußen gemeldet hat, als bekannt wurde, in welch bescheidenem Umfange hier nun festgestellt werden soll. Sie versuchen es aber nur in sehr bescheidenem Umfange, hier etwas auszuweiten, und gehen nach wie vor nicht dazu über, das zu tun, was man von einem Feststellungsgesetz erwartet, nämlich alle Schäden festzustellen.
In § 2 des Gesetzes steht sowieso ausdrücklich, daß das, was hier festgestellt wird, mit dem Lastenausgleich in der Praxis nichts zu tun hat; und daß die Anmeldung und Anerkennung von Schäden zu keinerlei Erwartungen in puncto Lastenausgleich berechtigt, ist doch von allen immer wieder bei jeder Gelegenheit gesagt worden. Sie können also nicht mit dem Einwand kommen, daß die Ausweitung des Gesetzes im Sinne unserer Anträge Erwartungen heraufbeschwöre, von denen man jetzt schon weiß, daß sie nicht — oder wenigstens nicht in absehbarer Zeit — erfüllt werden können.
Ich bemerke zum Schluß, daß wir dann selbstverständlich auch die Überschrift des Gesetzes entsprechend ändern müssen. Ich möchte mich in diesem Augenblick darauf beschränken, Ihnen die Annahme von Ziffer 1, von Ziffer 3 und insbesondere von Ziffer 8 zu empfehlen. Eine Reihe von anderen Ziffern unseres Antrags ergeben sich aus dem Zusammenhang. Wir werden diese einzelnen Ziffern noch jeweils bei der Abstimmung über die einzelnen Paragraphen vertreten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir werden bei der dritten Lesung die Möglichkeit haben, uns noch einmal zu den Grundfragen zu äußern, die mit diesem Gesetz in Zusammenhang stehen. Ich möchte, zumal das Hohe Haus nicht allzu gut besetzt ist, darauf verzichten, wie mein Herr Vorredner jetzt an dieser Stelle grundsätzliche Ausführungen zu machen, und mich vielmehr darauf beschränken, die Anträge der Koalitionsparteien auf Umdruck
Nr. 380 zu begründen. Der Umdruck Nr. 381 hat lediglich redaktionelle Bedeutung. Er ist dadurch bedingt, daß wir einen neuen Tatbestand einfügen. Wir sind bereit, alle Vorschläge zu prüfen, die redaktionelle Vereinfachungen bringen, etwa in dem Sinne, wie es in einem Antrag geschehen ist, wo überhaupt nur von „Schäden" gesprochen und auf die Aufzählung der einzelnen Schadensarten verzichtet wird. Darüber müssen wir nachher noch bei den einzelnen Paragraphen sprechen.
Umdruck Nr. 380 enthält den Antrag, in § 1 einen neuen Schadenstatbestand einzufügen, den wir als „Ostschäden" bezeichnet haben. Wir haben diesen Ausdruck gewählt, weil wir gern einen kurzen Ausdruck haben wollten und uns dieser Ausdruck immerhin noch der beste zu sein schien, der den Tatbestand, um den es hier geht, einigermaßen charakterisiert. Ich darf zur Verdeutlichung des Tatbestandes auf den § 4 a verweisen. Meine Freunde haben im Ausschuß immer wieder darauf hingewiesen, daß wir der alteingesessenen westdeutschen Bevölkerung nicht schwere Abgabenlasten auferlegen können, wenn wir nicht auf der anderen Seite bereit sind, diese Mitbürger beim Lastenausgleich entsprechend zu berücksichtigen hinsichtlich der Schäden, die sie in den jetzt unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten erlitten haben. Provinzen wie Ostpreußen, Schlesien und Pommern haben sehr enge wirtschaftliche Beziehungen zum Westen gehabt. Vor allem gilt das für Schlesien, wo schon durch den Bergbau immer sehr enge wirtschaftliche Beziehungen zu Nordrhein-Westfalen bestanden haben. Auf diese Weise gibt es hier im Westen eine große Zahl von Mitbürgern, die in den Ostprovinzen Vermögen besitzen. Diese Vermögensobjekte unterliegen demselben Schicksal wie die Vermögen der Heimatvertriebenen.
Die Frage, wie und in welchem Umfang diese Vermögensverluste entschädigt werden, ist eine Frage, die im allgemeinen Lastenausgleichsgesetz geregelt werden mula. Vor allem hat die Frage auch fur ale sogenannte Kompensation oder Saldierung Bedeutung. Diese Schäden müssen bei der Abgabepflicht berücksichtigt werden, die auf dem westdeutschen Vermögen ruht. Der Ausschuß hat sich dankenswerterweise nach wiederholten Vorstößen schließlich beim Lastenausgleichsgesetz dazu entschlossen, diese Vermögensschäden der alteingesessenen westdeutschen Bevölkerung im Rahmen des allgemeinen Lastenausgleichsgesetzes zu berücksichtigen. Daraus ergab sich angesichts der Bedeutung der Frage die Notwendigkeit, diese Art von Schäden nunmehr auch in dem Feststellungsgesetz zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde haben wir den Änderungsantrag zu § 1 und § 4 a eingebracht.
In diesem Antrag ist besonders wichtig der Stichtag des 31. Dezember 1944. Über diesen Stichtag haben eingehende Beratungen stattgefunden. Wir haben uns zu diesem Datum entschlossen, weil wir der Ansicht sind, daß etwa von diesem Termin an die eigentlichen Vertreibungen einsetzten. Selbstverständlich hat jeder solcher Stichtag etwas Willkürliches. Es gibt immer Fälle, die sich mit einem solchen Stichtag nicht vereinbaren lassen. Aber es ist einfach nicht möglich, hier alle Härten völlig auszuschließen.
Was nun die örtliche Abgrenzung angeht, so ist hier ein Gegensatz zu dem Tatbestand in dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vorhanden.
Wir haben im Ausschuß immer wieder die Frage 1 geprüft, wie die Vertriebenen aus der Sowjetzone im Rahmen dieses Gesetzes zu behandeln sind. Es unterliegt keinem Zweifel, daß hier besondere Tatbestände vorliegen. Auf der anderen Seite haben diese unglücklichen Mitbürger, die unter Gefahren für Leib und Leben ihre Heimat in der mitteldeutschen Zone aufgeben mußten, einen unbedingten Anspruch darauf, in ihren Nöten Berücksichtigung zu finden, und können verlangen, daß wir ihnen im Rahmen des nur irgendwie Möglichen helfen. Wir sind deswegen auch der Ansicht, daß in § 40 Abs. 3 des Gesetzes von vornherein eine Ermächtigung eingebaut werden mußte, daß die Regierung durch Rechtsverordnung vor allem die aus der Sowjetzone Vertriebenen in den Kreis der Feststellungsberechtigten aufnehmen kann. Ich verweise ausdrücklich auf diese in dem Gesetz vorgesehene Ermächtigung. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, daß wir unabhängig von der Entscheidung der Regierung schon in dem allgemeinen Lastenausgleichsgesetz bei dem Härtefonds Vorschriften dahingehend schaffen müssen, daß zum mindesten die Sozialleistungen auch den unter Gefahr für Leib und Leben aus der Ostzone Vertriebenen zugute kommen müssen. Auf der anderen Seite darf man nicht übersehen, was von größter politischer Tragweite ist, daß die mitteldeutsche Zone unter deutscher Verwaltung steht. Darin besteht der große Unterschied gegenüber den Gebieten östlich der Oder und Neiße, wo es eine deutsche Verwaltung nicht mehr gibt. Wir würden es deswegen für politisch nicht klug halten, wenn man diese Unterschiede hier einfach verwischte und sie nicht deutlich in der Art und Weise, wie dieser Fragenkomplex geregelt wird, in Erscheinung treten ließe.
Aus diesem Grunde haben wir die vorliegende Formulierung des § 4 a gewählt und den Begriff der Ostschäden bewußt auf die Vermögensverluste abgestellt, die in den Gebieten östlich der Oder und Neiße eingetreten sind. Daß darin Härten liegen, ist sicher. Aber ich betone noch einmal, wir sind der Überzeugung, daß die Fragen der Vertriebenen aus der mitteldeutschen Zone von der Regierung besonders geregelt werden und uns ein besonderes, den gegebenen Tatbeständen Rechnung tragendes Gesetz so rasch wie möglich vorgelegt werden sollte. Wir glauben nicht, daß die Dinge so bleiben können, wie sie augenblicklich sind. Auch kann dies Problem nicht allen zufriedenstell end beim allgemeinen Lastenausgleichsgesetz im Rahmen des Härtefonds geregelt werden. Das ist keine ausreichende Regelung.
Ich darf bitten, diesen § 4 a bzw. die Ergänzung zu § 1 anzunehmen und auf diese Weise wenigstens einen Teil der Kritik auszuschließen, die gegenüber der früheren Fassung des Feststellungsgesetzes geäußert wurde. Dabei darf ich darauf hinweisen: im Ausschuß haben sich die Kollegen von der SPD keineswegs sofort für diese Erweiterung erklärt, sondern sie haben uns zunächst die kalte Schulter gezeigt. Wir freuen uns aber, daß wir nun an sich darüber einig sind — —
— Herr Kollege Kriedemann, wir sind uns aber jedenfalls insoweit einig, als auch in Ihrem Antrag, wenn ich ihn richtig verstehe, die Vermögensverluste der westdeutschen Bevölkerung östlich der
Oder- und Neiße-Linie nach Ihrem Tatbestand berücksichtigt werden sollen.
— Wir schließen sie nicht aus,
Herr Kollege Kriedemann, sondern wir sehen
nach wie vor den § 40 Abs. 3 vor, aus den Gründen, die wir im Ausschuß erörtert und die ich
hier kurz vorgetragen habe. Wir sind außerdem
der Ansicht — um das nochmals ganz klarzustellen —, daß die Regierung hier raschestens
eine besondere Vorlage machen sollte. Wenn die Regierung das nicht tut, dann können wir es ja, Herr Kollege, im Wege des Initiativgesetzes machen.
Aber wir halten im Rahmen dieses Gesetzes aus den dargelegten Gründen eine solche Ausdehnung des Tatbestandes nicht für zweckmäßig.
Zu § 1 liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
— Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte doch mit einigen Worten erklären zu dürfen, warum der soeben begründete Antrag für unsere Fraktion durchaus unannehmbar ist.
Nach dem Ausschußantrag handelt es sich ausschließlich um zwei immerhin sehr wichtige Kategorien von Schäden, die Vertriebenenschäden und die Kriegssachschäden. Soeben hat unser Freund Kriedemann dargelegt, warum das für uns bei der jetzigen Grundlage des Gesetzes und bei dem § 2, wie er jetzt im Gesetz steht, unsinnig und daher unannehmbar ist. Ganz und gar nicht begreifen kann ich allerdings, was mit diesem § 4a beatsichtigt ist. Sowohl vom Standpunkt des Antragstellers wie vom Standpunkt einer statistischen Gesamtfeststellung, die hier etwa erwünscht sein könnte, ist diese Unterscheidung wirklich unbegreiflich. Ich wundere mich, daß Herr Kollege Nöll von der Nahmer den § 4 a unter anderem damit begründet hat, die Leute, die hier abgabepflichtig wären, müßten auf diese Art und Weise auch mit den Verlusten, die sie in den Ostgebieten gehabt haben, berücksichtigt werden. Ich wundere mich, daß hier schon wieder, entgegen dem § 2, ein Versuch gemacht wird, die Bestimmungen des Gesetzes als präjudiziell für die Gestaltung des Lastenausgleichs zu erklären. Ich wundere mich allerdings nicht daß hier ganz klar und deutlich von den Abgabepflichtigen die Rede war; denn dieser vorgeschlagene § 4 a kann in der Tat nur Abgabepflichtige und in gar keinem Fall Entschädigungsberechtigte berühren. Herr Kollege Nöll von der Nahmer, es dürfte auch Ihnen bekannt sein, daß die Einwände, die gegen die Unvollständigkeit dieses Gesetzes in der Öffentlichkeit gemacht werden, nicht von den Abgabepflichtigen, sondern sehr wohl von den Entchädigungsberechtigten, z. B. von den einheimischen Kriegssachgeschädigten kommen. Dieser
4 a würde dazu führen, daß ein Besitzer. der in Bonn gewohnt hat, zwar ein in Breslau zerbombtes oder verloren gegangenes Haus feststellen lassen
kann, aber nicht ein Haus in Leipzig, nicht ein Haus in Wien, keinen Auslandsschaden. Kein Sowjetzonenflüchtling kann hier seinen Vermögensschaden feststellen lassen; eine Unterscheidung, die — das muß ich sagen — noch uns nniger ist als die, die nach dem Ausschußbericht vorgenommen werden soll. Dieser § 4 a ist für uns noch unannehmbarer als der Ausschußbericht.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz
— so wie es hier vorliegt, vor allen Dingen im § 1
— den Ansprüchen, die an ein solches Gesetz gestellt werden müssen, nicht entspricht. Im besten Falle ist es ein Verfahrensgesetz, aber kein Feststellungsgesetz, für das es hier ausgegeben wird. Die Vorziehung dieses Gesetzes vor den endgültigen Lastenausgleich ist nach unserer Auffassung widersinnig, und zwar deshalb, weil man erst dann ein solches Gesetz — zusammen mit dem Lastenausgleich — verabschieden kann, wenn man festgestellt hat, welche Summen aufgebracht und verteilt werden können. Aber wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß die Fassung des § 1 dieses Gesetzes zu eng und absolut untragbar ist, weil man in ihm nur von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden spricht. Bei einem Feststellungsgesetz ist gleiches Recht für alle Geschädigten des Krieges eine der ersten Voraussetzungen für eine echte Feststellung und für einen echten Lastenausgleich. Der § 1, der nur von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden spricht, läßt die anderen Kriegsschäden, beispielsweise die Währungsschäden, die Altsparerschäden usw., heraus und schafft eine Klassifizierung, die unter keinen Umständen gutgeheißen werden kann.
Wir haben bereits bei der Grundsatzdebatte über den Lastenausgleich auf diese Gefahren hingewiesen. Wir haben damals festgestellt, daß das hervorstechende Merkmal des Lastenausgleichsgesetzentwurfs die Schonung des Besitzes und die Einengung des Kreises der Anspruchsberechtigten im allgemeinen ist und daß eine Anzahl von Menschen Hoffnungen an dieses Gesetz knüpfen, die nicht erfüllt werden. Das vorliegende Gesetz erweist in seinem § 1 die absolute Berechtigung unserer damaligen Kritik, denn die von uns vorausgesagte Einengung ist in diesem Gesetz tatsächlich erfolgt.
Der sozialdemokratische Antrag spricht allerdings davon, daß in dieses Gesetz noch e nbezogen werden sollen Sparerschäden und Schäden durch kriegsbedingten Vermögensentzug. Meine Damen und Herren, wir gehen mit dem ersten absolut einig, daß Sparerschäden in dieses Feststellungsgesetz — das wir zwar im Grundsatz ablehnen —einbezogen werden sollen. Wir können aber nicht einsehen, daß beispielsweise Schäden durch kriegsbedingten Vermögensentzug einbezogen werden sollen, wie Sie in § 4 a vorsehen — auch Schäden durch Demontage. Dabei hat doch die gesamte Wirtschaft, sogar die demontierte, bereits wieder 1 : 1 umgestellt und befindet sich in einer außerordentlich günstigen Lage.
Herr Dr. Nöll von der Nahmer hat den Begriff der sogenannten Ostschäden geprägt. In das Feststellungsgesetz sollen also auch Aktienbesitzer einbezogen werden, die infolge der engen Verbundenheit der Industrie des Ruhrgebiets mit der Indu-
strie jenseits der Oder/Neiße-Grenze nun ein Anrecht darauf haben, aus diesem Lastenausgleich entschädigt zu werden, und vor allen Dingen die Feststellung ihre Schäden nach diesem Gesetz verlangen können. Herr Dr. Nöll von der Nahmer, in der letzten Zeit ging eine sehr interessante Mitteilung durch die Presse. Ich glaube, daß die öffentlichkeit ein Anrecht darauf hat, von Ihnen zu erfahren, ob diese Pressemitteilung richtig ist, wonach Sie festgestellt haben, daß die Hoffnungen, die an den Lastenausgleich geknüpft werden, absolut trügerisch sind, da es nur zwei Probleme in Deutschland zu lösen gibt, einmal das Problem des Lastenausgleichs und zum andern das Problem des Sicherheitsbeitrages, und daß die Lösung des einen Problems die des anderen ausschließt.
— Ich habe kein Dementi in der Presse gelesen.
Ich stelle deswegen die Frage hier öffentlich, weil die Geschädigten ein Interesse an diesen Mitteilungen haben.
Nun sagen Sie zu § 4 a, den Sie begründeten, daß der Stichtag auf den 31. Dezember 1944 festgelegt werden soll. Herr Kollege Dr. Nöll von der Nah-mer, verzeihen Sie, wenn ich Ihnen sage, daß die Festsetzung dieses Stichtages eigentlich eine Belohnung für diejenigen ist, die es verstanden haben, sich zeitig genug abzusetzen.
Zweitens hat der § 4 a noch eine andere Tendenz, die man, glaube ich, herausstellen sollte: die Tendenz, daß all diejenigen, die im Glauben an den deutschen Sieg und an die Unüberwindlichkeit der nationalsozialistischen Wehrmacht nach dem Osten gegangen sind und sich dort festgesetzt haben, bei Annahme des § 4 a einen Rechtsanspruch ableiten können, so daß also praktisch all die hundertprozentigen Nationalsozialisten nun aus dem Lastenausgleich eine Entschädigung erhalten würden. Ich glaube, daß das politisch wohl in keiner Form zu verantworten wäre.
Wir sind also der Auffassung, daß in § 1 wohl die Sparerschäden einbezogen werden müssen; aber den von Herrn Professor Nöll von der Nahmer gestellten Antrag und den zweiten Teil des von der Sozialdemokratischen Partei gestellten Antrages — Schäden durch kriegsbedingten Vermögensentzug — lehnen wir ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen eine etwas straffere Ordnung in unsere Diskussion bringen und dürfen nicht, wenn § 1 aufgerufen wird, auf x andere Paragraphen zugleich springen; sonst wird bei der Schwierigkeit der zur Behandlung stehenden Materie die überwiegende Mehrheit der Damen und Herren des Hauses überhaupt nicht mehr klug daraus. Wir haben schon einmal — als wir über das Anpassungsgesetz verhandelten — die Schwierigkeiten gesehen, mit denen wir es auch hier zu tun haben.
Erlauben Sie mir, zu § 1 auf folgendes hinzuweisen: Von der sozialdemokratischen Fraktion wird durch ihren Antrag auf Umdruck Nr. 382 das Problem der Sparerschäden bereits jetzt in § 1
hineingebracht, obwohl wir uns bei der Diskussion e des Initiativgesetzes über Altsparerschäden darüber klar waren, daß wir die Schäden der Sparer durch dieses Sondergesetz, bei dem man nach anderen Grundsätzen arbeiten muß als beim Lastenausgleich, festzustellen bereit sind. Mit dem Antrag der Koalitionsparteien, den sich die Deutsche Gemeinschaft-BHE zu eigen gemacht hat und dem, wie mir vom Zentrum gesagt wurde, das Zentrum ebenfalls zustimmt, wird der Versuch gemacht, die einheimische Bevölkerung hinsichtlich der Schäden, die sie im Osten — innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches, aber ohne die Sowjetzone — erlitten hat, mit den Heimatvertriebenen gleichzustellen. Durch diesen Antrag der Koalitionsparteien soll also erreicht werden, daß die Vertriebenen in diesem Punkte zu dem gleichen Recht wie die Einheimischen kommen, mehr nicht. Wenn wir den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion — betreffend Schäden durch kriegsbedingten Vermögensentzug — annehmen würden, dann würden wir, glaube ich, etwas tun, was sehr lockend klingt, was aber — verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen das in aller Deutlichkeit sage — doch letzten Endes dahin führt, daß das Gesetz undurchführbar wird.
Erlauben Sie mir, in aller Offenheit eines deutlich auszusprechen. Die These, daß Feststellung und Lastenausgleich nichts miteinander zu tun haben, wird augenblicklich übertrieben. So sind die Dinge von den Initiatoren dieses Gesetzes nun doch nicht gemeint gewesen, sondern sie haben die Meinung vertreten, daß das Gesetz eine doppelte Aufgabe zu lösen habe. Einmal soll es den dokumentarischen Beweis liefern, daß Vermögen vorhanden war, und die Höhe dieses Vermögens mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, und zum anderen soll es die Grundlagen liefern, auf denen dann im Lastenausgleich weiter aufgebaut werden kann.
Als ich heute mittag den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion bekam, habe ich ihn sehr sorgfältig durchdacht und durchgearbeitet. Ich habe mich allerdings gefragt, ob es noch irgend etwas, was an Kriegsfolgen im weitesten Sinne eingetreten ist, geben kann, was bei Annahme dieses Antrags nicht zur Feststellung kommen würde. Darum lassen Sie uns bei § 1 die Entscheidung treffen, ob der Vorschlag der Koalitionsparteien, nämlich diese Ostschädendefinition in § 4 a hineinzunehmen, angenommen werden soll, oder ob der Vorschlag der SPD betreffend Sparerschäden, deren Feststellung ja durch Sondergesetz vorgenommen werden soll, auch schon hier hineingenommen werden soll. Dann können wir weiter über die 2, 3, 4, 5 und 6 sinnvoll diskutieren. Andernfalls kommen wir, ob wir wollen oder nicht, im falschen Augenblick, nämlich schon in der zweiten Lesung, zu einer Generaldebatte.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich kann nunmehr zur Abstimmung kommen.
Es liegen zwei Abänderungsanträge vor, der Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 1 und der Antrag der FDP, CDU/CSU und DP auf Umdruck Nr. 380. Zunächst stimmen wir über den Antrag Umdruck Nr. 382 ab.
— Herr Abgeordneter Kohl zur Abstimmung.
Wir wünschen getrennte Abstimmung über Ziffer 1 des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion.
Zu Ziffer 1 des Antrags Umdruck Nr. 382 wird getrennte Abstimmung beantragt. — Sie meinen also getrennte Abstimmung zu „3." und „4."? —
Wir stimmen also zunächst über die Ergänzung zu Ziffer 3 des § 1 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit. — Enthaltungen? — Zwei Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zu dem Antrag unter Nr. 4 der Ziffer 1 auf Umdruck Nr. 382. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 380 Ziffer 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Angenommen.
— Ziffer 3?
— Ich habe mit § 1 Ziffer 3 gar nichts zu tun. Es handelt sich um den Antrag Umdruck Nr. 380 Ziffer 1, über den wir abgestimmt haben. Ziffer 1 hat mit Paragraphen im Text gar nichts zu tun.
Ich rufe § 2 auf.
- Ja, richtig! Ich bitte diejenigen, die dem § 1
in der eben beschlossenen Fassung zustimmen, die
Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Angenommen.
Ich rufe nun § 2 auf. Dazu liegen ein Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Nöll von der Nahmer, Umdruck Nr. 381 Ziffer 2, ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 2 und ein Zentrumsantrag auf Umdruck Nr. 383 Ziffer 1 vor.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! § 2 enthält — vorsichtiger-, aber überflüssigerweise — den Hinweis darauf, daß dieses Feststellungsgesetz keinen Anspruch auf Berücksichtigung im Lastenausgleich begründet.
— Wir wollen hoffen, daß es auch sonst einen Sinn bekommt, sofern es ihn nicht schon hat. — Gerade deswegen, weil soeben der Antrag abgelehnt worden ist, hier die Sparerschäden und die Vermögensentziehung zu erwähnen — aus Gründen, die mit der Systematik des Gesetzes zusammenhängen —, halten wir es für um so wichtiger, daß dabei gesagt wird, daß Schäden, deren Feststellung im Gesetz noch nicht vorgesehen ist, trotzdem ihre Berücksichtigung beim Lastenausgleich finden können. Deswegen beantragt das Zentrum, den § 2 durch diesen Zusatz zu ergänzen.
Liegen weitere Wortmeldungen vor? — Herr Abgeordneter Kohl, bitte.
Herr Präsident! Meine 4 Damen und Herren! Wenn wir den § 2 dieses Gesetzentwurfs betrachten, so müssen wir feststellen: er zeigt mit einer sehr brutalen Deutlichkeit, daß dieses Gesetz eigentlich einen anderen Titel erhalten sollte, nämlich den Titel „Gesetz zur Verhinderung des Lastenausgleichs."
— Meine Damen und Herren, lesen Sie doch einmal den § 2 eingehend durch! Sie Enden dort: Die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden nach diesem Gesetz begründet keinen Anspruch auf Berücksichtigung im Lastenausgleich.
Es ist praktisch unerfindlich, warum dann eigentlich dieses Gesetz verabschiedet wird. Ich sagte vorhin schon, daß es kein Feststellungsgesetz im wirklichen Sinne eines solchen Gesetzes ist, sondern ein Gesetz zur Verhinderung des Lastenausgleichs. Das soll man doch sehen! Damit ist eindeutig festgestellt, daß dieses Gesetz in seiner gesamten Tendenz auch deshalb sinnlos ist, weil es unabhängig vom Lastenausgleich überhaupt verabschiedet wird.
Mit den §§ 1 und 2 des Gesetzes wollen Sie nur Illusionen erwecken. Letzten Endes ist das nur der Ausdruck für die Schwierigkeiten, die Sie in den Kreisen der Flüchtlinge zu bewältigen haben. Sie versuchen nun, den Flüchtlingen mit einem solchen Gesetz eine Trostpille zu verabreichen, damit sie zufrieden sind. Der Herr Innenminister Dr. Lehr geht zwar andere Wege. Er ist der Meinung, daß beispielsweise der Treck, der angesagt ist, mit Polizeimaßnahmen unterdrückt werden soll. Sie versuchen diese Geschichte auf gesetzlichem Wege, da Sie die Unzufriedenheit und die, wie Sie so schön sagen, kommende Radikalisierung der Anspruchsberechtigten unterdrücken wollen.
Meine Damen und Herren, was ist denn nun eigentlich der Sinn des § 2? Sie verlangen von den Flüchtlingen die Ausfüllung von Formularen und den Besuch einer Reihe neu errichteter Ämter, die den Steuerzahler nach den offiziellen Feststellungen mindestens 60 Millionen DM kosten, und erreicht wird dabei nicht das mindeste. Man soll doch ehrlich sein und auch den Menschen, die einen Anspruch auf den Lastenausgleich haben und die in diesem Feststellungsgesetz etwas anderes als das sehen möchten, was es wirklich ist, mit aller Deutlichkeit sagen, daß nach den offiziellen Feststellungen allein eine Milliarde DM für Kriegsschadenrente benötigt wird, daß weiterhin vorgesehen sind 300 Millionen DM für den Flüchtlingswohnungsbau sowie 350 Millionen DM für die Hausratsentschädigung. Nach Meinung des Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums — und nebenbei bemerkt auch nach Meinung des Herrn Professor Oberländer in Bayern — werden nach dem Lastenausgleichsgesetz insgesamt nur 1,7 bis 2 Milliarden aufgebracht, weil nicht der ernsthafte Wille besteht, einen wirklich echten Lastenausgleich zu schaffen. Was dann bleibt, das, glaube ich, kann nach dem § 2 jeder Flüchtling sich selbst ausrechnen, nämlich daß dann für die Hauptentschädigung im Jahre 1956 praktisch nichts bleibt.
Wir sind nicht bereit, eine solche Geschichte mitzumachen, und wir sind der Auffassung, daß dieser § 2 eigentlich auf Büttenpapier gedruckt jedem Flüchtling ins Haus geschickt werden sollte.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im § 2 des vorliegenden Feststellungsgesetzes wird im ersten Satz gesagt:
Die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden nach diesem Gesetz begründet keinen Anspruch auf Berücksichtigung im Lastenausgleich.
Von dem Vorredner sind soeben — das muß ich zugeben — zu diesem Satz richtige Bemerkungen gemacht worden; denn aus diesem Wortlaut ergibt sich, daß das ganze Gesetz eigentlich nur die Grundlage für eine Schadensfeststellung bildet und in keiner Beziehung zu einer Entschädigung im Lastenausgleich steht. Damit wird der Anschein erweckt, als ob der Sinn einer Feststellung im Hinblick auf eine quotale Entschädigung so gut wie negiert werden solle. Wer aber die langwierigen Verhandlungen im Ausschuß mitgemacht hat, weiß, daß alle Schadensbestände, die in diesem Gesetz angesprochen werden, aus ihrer Berücksichtigung im Lastenausgleichsgesetz behandelt wurden und behandelt sind.
Natürlich kann in diesem Feststellungsgesetz, das ja dem Lastenausgleich vorgezogen wird, noch nicht gesagt werden, wie weit die festgestellten Schäden entschädigt werden, da das Lastenausgleichsgesetz noch nicht in endgültiger Fassung vorliegt. Dieser Tatsache trägt aber unseres Erachtens der zweite Satz mit einer kleinen Abänderung voll Rechnung, der dann mit der Ergänzung nach dem Antrag Dr. Nöll von der Nahmer lauten würde:
Inwieweit festgestellte Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden und Ostschäden im Lastenausgleich zu berücksichtigen sind, wird durch die weitere Gesetzgebung bestimmt.
Die Fraktion der Deutschen Partei beantragt demgemäß, in § 2 den ersten Satz und im zweiten Satz die Worte „Ob und" zu streichen. Sie glaubt es nicht verantworten zu können, ein umfangreiches Feststellungsgesetz durchführen zu lassen, um den Geschädigten nur den Schaden zu bestätigen, und sie glaubt es auch nicht verantworten zu können, das so in zwei Sätzen in aller Schärfe herauszustellen. Denn sie will, daß auf Grund dieser Feststellung — und ich glaube, das auch für die Koalition sagen zu dürfen — eine Entschädigung gewährt wird; wie hoch sie ausfällt, können wir im Augenblick nicht sagen,
jedenfalls aber eine Entschädigung. Von diesem Standpunkt der Entschädigung werden wir bei den künftigen Beratungen des Lastenausgleichsgesetzes nicht abgehen. Wir werden diese Entschädigung verlangen und wollen sie in Zusammenhang mit diesem Feststellungsgesetz sehen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst sagen, daß die Ziffer 2 unseres Antrages nach der Abstimmung über § 1 natürlich entfällt, weil es sich dabei um eine redaktionell angeschlossene Abänderung handelt.
Der Zentrumsantrag spricht eine Selbstverständlichkeit aus. Natürlich bleibt das Recht, Schäden, die hier nicht festgestellt werden, im Lastenausgleich auf die eine oder andere Weise zu berücksichtigen, durch dieses Gesetz gänzlich unberührt. Da Sie nicht die Schäden feststellen, die berücksichtigt werden, stellen Sie auch nicht die Schäden fest, die nicht berücksichtigt werden. Die Feststellung begründet weder eine Höchst- noch eine Mindestvoraussetzung für den Lastenausgleich. Da der Zentrumsantrag also eine Selbstverständlichkeit enthält, glauben wir, ihm nicht zustimmen zu können. Wir halten es für gefährlich und für nicht akzeptabel, daß durch selbstverständliche Sätze weitere Gelegenheiten gegeben werden, in dieses Gesetz etwas hineinzugeheimnissen und Erwartungen an es zu knüpfen, die der Grundlage entbehren. Wenn man Schäden erfassen will, die hier nicht genannt sind, aber im Lastenausgleich berücksichtigt werden müssen, und wenn man hier einen Zusammenhang herstellen will, so möge man doch diese Schäden nennen; aber selbstverständliche Sätze aufzunehmen, in die man dies und jenes hineinlesen kann, halten wir nicht für gut.
Was den Antrag der Deutschen Partei anlangt, so versucht er, das Gesetz jetzt auf eine ganz andere Grundlage zu stellen. Ich habe nicht ganz verstanden, wie der Satz 2 des § 2, der verbleiben soll, nun eigentlich gefaßt werden soll; aber wenn ein solcher § 2 angenommen werden sollte, Herr Farke, würde endlich einmal ganz klar sein, welch ein Unsinn es ist, daß wir heute nicht das Lastenausgleichsgesetz beraten; denn wenn Sie hier ein Gesetz über Schäden machen, die entschädigt werden sollen, so wäre das das Lastenausgleichsgesetz, und ich wollte, wir wären schon so weit.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wünschte auch, wir wären so weit, daß wir heute in der zweiten Lesung des Lastenausgleichsgesetzes wären. Aber da es ja immerhin noch einige Wochen dauern wird, bis wir mit unseren umfangreichen Arbeiten fertig sind, müssen wir uns halt mit diesem Gesetz befassen. Ich bin der Meinung, das Durcheinander in breitesten Schichten unseres Volkes ist so groß, daß der Gesetzgeber, um eine mißverständliche Auslegung zu verhindern, es durchaus verantworten kann, auch einmal etwas Selbstverständliches in Ergänzung eines andern Selbstverständlichen zu sagen. Ich stimme darum dem Antrag der DP zu, Satz 1 von § 2 zu streichen, und stimme ebenfalls dem Antrag des Zentrums auf Erweiterung des § 2 zu, weil dies eine Klärung nach der negativen wie nach der positiven Seite hin ergibt.
Wir müssen doch ernst damit machen, daß wir hier auch eine echte Vorarbeit für den Lastenausgleich zu leisten gewillt sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß im Gegensatz zu meinem Parteifreund Kunze bitten, den Antrag von Herrn Farke abzulehnen.
Es bestanden zwei Möglichkeiten.
— Das sind ja nun nicht Dinge, Herr Mellies, die man vorher wissen und in der Fraktion absprechen kann. Bei Ihnen ist auch nicht alles einhellig, darüber wollen wir uns einmal vollkommen klar sein!
Es gab von Anfang an zwei Wege: entweder man zog das Feststellungsgesetz vor, oder man machte es zusammen mit dem Lastenausgleich.
Eins von beiden! — Ja, meine Herren, Sie sagen: Sehr richtig! — Aber ich nehme es Ihnen nicht ab, Herr Seuffert, daß es unsinnig, unlogisch und unmöglich ist, das Gesetz vorzuziehen. Ich kann Ihnen das Beispiel von Finnland nennen, wo man alles in getrennten Gesetzen gemacht hat. In Finnland hat kein Mensch darüber diskutiert — auch Ihre Freunde dort haben es nicht getan —, daß man, wenn man entschädigen will, vorher auch feststellen muß, und es ist bisher noch immer so gewesen, daß die Feststellung vor der Entschädigung kam. Ich kann auf alle Kriegssachschädenverordnungen hinweisen. Erst wurde festgestellt, und dann wurde entschädigt. Wenn man aber diesen Weg wählt, dann ist der § 2 eine zwingende Notwendigkeit. Wenn man nicht in der Lage ist, zu sagen: ich gebe dir auf diesen Anspruch soundso viel, auf das und das so viel Prozent, dann ist es ein Gebot der Ehrlichkeit, der Klarheit und der Deutlichkeit, zu sagen: wir stellen das fest, aber was du bekommst, das bestimmt ein späteres Gesetz. Ich vermag nicht anzuerkennen, daß darin irgend etwas Unlogisches liegt. Deshalb bitte ich es bei der Fassung des Ausschusses zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Die Abänderungsanträge, die hier von den Herren Farke und Kunze vorgetragen worden sind, könnten Platz finden in einer Nummer der „Lustigen Blätter",
wenn die Sache nicht so ernst wäre. Ich möchte die Herren fragen: Was wollen Sie denn eigentlich sachlich erreichen? Sie haben den Hinweis meines Kollegen Kohl gehört, der festgestellt hat, daß der vorliegende Text des § 2 folgendes besagt: Wir machen hier erst einmal ein paar papierne „Feststellungs" grundsätze; wir machen insgesamt 42 Paragraphen, aber ob diese Paragraphen dann irgendeinen sachlichen Nutzeffekt haben, das wollen wir nicht sagen, das soll die Zukunft erst erweisen; oder ob die auf Grund dieses Feststellungsgesetzes zu treffenden „Feststellungen" einmal irgendwelche praktischen Auswirkungen für die Kriegsgeschädigten nach sich ziehen, das interessiert uns nicht, das hat hier gar nichts zu sagen, das überlassen wir dem Gesetzgeber der folgenden Jahre. —
Dieser Hinweis meines Kollegen Kohl hat Sie anscheinend etwas nachdenklich gemacht,
und nun sagen Sie: Wir lassen diesen ersten Satz des § 2, der da sagt: das ganze Feststellungsgesetz hat gar keine praktischen Auswirkungen in bezug auf den wirklichen Lastenausgleich, einfach weg und beschränken uns auf den Satz 2, in dem es heißt: inwieweit die durch dieses Gesetz festgestellten Schäden im Lastenausgleich zu berücksichtigen sind, wird erst späterhin bestimmt. — Nun erklären Sie mir, meine Herren Farke und Kunze, worin der sachliche Unterschied zwischen Satz 1 und Satz 2 besteht! Satz 1 wollen Sie streichen, Satz 2 wollen Sie bestehen lassen; aber beide Sätze sagen doch ein und dasselbe, nämlich, daß das ganze Feststellungsgesetz Papier ist und Papier bleiben soll.
Ich verstehe auch nicht, wieso die Fraktion der Sozialdemokraten sich ausgerechnet auf die Feststellung des Papierwertes so konzentriert. Denn in ihrem Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 382 sagt auch die SPD-Fraktion:
Die Feststellung von Schäden nach diesem Gesetz begründet keinen Anspruch auf Leistungen aus dem Lastenausgleich.
Ich möchte also gern, daß uns die Befürworter dieses SPD-Antrags wie auch die Herren Farke und Kunze, die diese seltsame Philosophie vorgetragen haben, die Frage beantworten: Wozu der ganze Aufwand an Papier, wenn vor der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes im Jahre 1958 oder 1968 — nach Ihrer Zeitrechnung — überhaupt nichts herausspringen soll?
Namens meiner Fraktion beantrage ich, den ganzen § 2 zu streichen.
Ihr Antrag liegt hier übrigens noch nicht vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir kommen hier zu einer richtigen Formulierungsfrage. Das Gesetz zählt die einzelnen Schadensarten regelmäßig einzeln auf. Es fragt sich, ob man diese Methode beibehalten muß. In meinem lediglich redaktionellen Antrag Umdruck Nr. 381 ist noch die alte Methode beibehalten. Ich sehe aber, daß man bei anderen Anträgen nur noch ganz allgemein von „Schäden" spricht und auf die Aufzählung im einzelnen verzichtet. Ich glaube, der Sachverhalt ist klar. Da in § 1 die einzelnen Schadensarten aufgezählt werden, könnte man den Text wesentlich vereinfachen, wenn man nun auch hier bei § 2 an Stelle der Aufzählung der drei Schadensarten einfach sagt: „Inwieweit festgestellte Schäden im Lastenausgleich zu berücksichtigen sind .... wird .... bestimmt." Dies Verfahren wäre dann auch in dem folgenden Paragraphen beizubehalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube doch noch mit einigen Worten dem Herrn Vorredner von dieser Seite des Hauses und auch dem Hause selbst er-
klären zu müssen, warum wir den § 2 in dieser Form für richtig halten und warum wir die Erklärung großer Fraktionen, daß sie an diesem Paragraphen nicht festhalten wollen, in diesem Stadium geradezu als illoyal empfinden. Man hat uns jetzt wochenlang durch Beratungen über ein Feststellungsgesetz geführt; man hat Formulierungen in diesem Gesetz ausdrücklich von der Grundlage aus beschlossen und uns angeboten, daß es sich hier nicht um Vorentscheidungen über den Lastenausgleich, sondern um Feststellungen zum Zwecke amtlicher Bescheinigungen usw. handelt. Wenn hier etwas festgestellt würde, wenn hier über etwas entschieden würde, das eine Grundlage für eine Entschädigung ist, so wäre dieses Gesetz das Lastenausgleichsgesetz. Jetzt, im letzten Moment, nach wochenlangen Beratungen den Text dieses Gesetzentwurfs so umdrehen zu wollen, bedeutet, daß man über einen Teil des Lastenausgleichs, der unter Gesichtspunkten formuliert ist, die nicht die eines Lastenausgleichsgesetzes waren, eine Vorentscheidung herbeizuführen sucht, ohne über die entscheidenden Fragen des Lastenausgleichs, über die Abgabenseite usw. etwas Verbindliches gesagt zu haben. Das empfinden wir als eine Verhandlungsführung, die unmöglich ist. Meine Damen und Herren, Sie haben die verfassungändernde Mehrheit für den Lastenausgleich noch nicht in der Tasche!
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Der weitestgehende Antrag ist zweifellos der der KPD, den § 2 zu streichen. Ich bitte diejenigen, die für die Streichung des § 2 sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der dann wohl als weitestgehend anzusehende Antrag ist der Antrag der DP, den ersten Satz in § 2 zu streichen und in Satz 2 die Worte „Ob und" zu beseitigen. Ich nehme an, daß dann das Wort „sind" an eine andere Stelle kommt.
Ich bitte also diejenigen, die diesem Antrag der DP zustimmen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommt ein Antrag Nöll von der Nahmer, in § 2 an Stelle der Worte „Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden" das Wort „Schäden" zu setzen. Ich bitte diejenigen, die dieser Abänderung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Zahlreiche Enthaltungen. Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen weiter zu den auf Umdrucken vorliegenden Abänderungsanträgen, zunächst zu dem der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist zweifelhaft.
— Ich will die Abstimmung wiederholen lassen.
Ich bitte diejenigen, die für den Antrag der SPD
auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 2 sind, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist also abgelehnt.
Es kommt dann der Antrag Nöll von der Nahmer Umdruck Nr. 381 Ziffer 2.
— Der ist durch die soeben erfolgte Abstimmung überholt.
Dann kommt der Zusatzantrag des Zentrums auf Umdruck Nr. 383 Ziffer 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 2 in der beschlossenen Fassung zustimmen, — —
— § 2 beginnt: „Die Feststellung von Schäden nach diesem Gesetz" und bleibt im übrigen in der Fassung der Ausschußvorlage.
— Diese Formulierung „Die Feststellung von Schäden ...." ist nach dem handschriftlichen Antrag des Abgeordneten Nöll von der Nahmer angenommen worden. Alle anderen Abänderungsanträge sind abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die dem § 2 in der nunmehr beschlossenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nunmehr § 3 auf. Dazu liegen vor der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 3 und der Antrag Dr. Kather auf Umdruck Nr. 384 Ziffern 1 a), 1 b) und 1 c).
Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Kather!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß Schäden von Sowjetzonenflüchtlingen unter keinen Umständen in dieses Feststellungsgesetz einbezogen werden sollen und ihre Regelung später erfolgen soll. Die Antragsteller sind der Meinung, daß für eine bestimmte Gruppe von Sowjetzonenflüchtlingen schon jetzt eine Einbeziehung in das Gesetz beschlossen werden sollte. Es ist unmöglich, alle Schäden in der Sowjetzone festzustellen oder alle Schäden der hier lebenden Sowjetzonenflüchtlinge zu berücksichtigen, wie es der SPD-Antrag verlangt. Das würde den Rahmen des Gesetzes überhaupt sprengen.
Ich darf in diesem Zusammenhang den Herrn Abgeordneten Kriedemann darauf hinweisen, daß die jetzige Fassung eine Einschränkung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf nicht enthält. Wir hatten in dem Entwurf nur Vertreibungs- und Kriegssachschäden vorgesehen, und das bringt das Gesetz in der vorliegenden Fassung. Wenn ich Ihnen jetzt den Vorschlag mache, auch noch einen Teil der Sowjetzonenflüchtlinge einzubeziehen, so
bedeutet das eine Erweiterung. Das Feststellungsgesetz ist dazu bestimmt, die kriegsbedingten Schäden festzustellen. Bei den Sowjetzonenflüchtlingen gibt es auch solche Schäden, die man als kriegsbedingte und nicht als kriegsfolgebedingte Schäden ansehen kann. Das sind die Schäden derjenigen, die im Zuge der Kampfhandlungen unmittelbar hierher ausgewichen oder in der ersten Zeit aus Gefahr für Leib und Leben hierhergekommen sind. Diese befinden sich auch in einer großen Notlage, die der der Vertriebenen absolut ähnlich ist. Es handelt sich nicht um einen sehr großen Personenkreis, so daß die Belastung an Arbeit, Geld und Zeit nicht so sehr ins Gewicht fällt. Wir sind deshalb der Meinung, daß wir diesen Personenkreis einbeziehen und ihm das Recht geben sollten, die Schadensfeststellung zu beantragen, wie es in dem Antrag Umdruck Nr. 384 vorgeschlagen ist.
Ich bitte das Hohe Haus, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist vorhin die Bemerkung gefallen, daß mit gewissen Anträgen wahrscheinlich hat man damit unsere gemeint — offenbar der Versuch gemacht werden solle, das Gesetz unhantierbar zu machen. Wir können uns darauf berufen, daß wir auf die Idee, die Schäden festzustellen, nicht gekommen sind, sondern immerhin sehr erhebliche Bedenken gegen die Möglichkeit eines solchen Verfahrens geäußert haben. Das hat, obwohl wir uns im Ausschuß immer wieder in ernster und sachlicher Arbeit in dieser Richtung bemüht haben, leider nicht dazu geführt, die Initiatoren von dieser Lieblingsidee abzubringen. Es soll nun festgestellt werden, und nun soll auch festgestellt werden .. .
Meine Damen und Herren, was wir eben hier haben begründen hören, ist bloß wieder der Versuch, so zu tun, als ob man täte, auch wieder eine sehr vorsichtige Auswahl eines Personenkreises; und das bedeutet, daß man soundsoviel andere, deren Interessen man durchaus damit vergleichen kann, j a, die absolut gleichberechtigt sind, draußen läßt. Warum soll das hier versucht werden? Warum wollen Sie das, was wir in unseren Anträgen bezüglich § 7 gesagt haben und was dann wirklich den ganzen Tatbestand erfaßt, nicht mitmachen? Wenn es Ihnen ernsthaft darauf ankommt, die Schäden festzustellen, dann tun Sie es doch und verlassen Sie sich nicht darauf, daß etwas Ganzes geschieht, wenn man mal mit Brocken und Stücken anfängt. Verlassen Sie sich auch gar nicht darauf, daß die Regierung nachher für die Ostzonenvertriebenen — ich meine die echten Ostzonenvertriebenen, nicht nur die, die durch die Ostzone sozusagen hindurch vertrieben sind, sondern auch die, die aus sehr zwingenden Gründen weggegangen sind — etwas tun müsse. Sie sehen ja, daß die Regierung noch nicht einmal im Gesamtrahmen ,der Feststellung etwas getan hat, sondern einen ganz anderen Weg geht. Sie haben sicherlich auch die Bemerkungen z. B. des Herrn Bundesfinanzministers zu dem Feststellungsgesetz zur Kenntnis genommen. Sie sollten sich doch selber zu gut sein, als daß Sie irgend jemand einreden, die Regierung würde im Ernst irgendwann von der Möglichkeit des § 40 Gebrauch machen und eine Ausweitung durch Rechtsverordnungen vornehmen. Was Sie festgestellt haben wollen, müssen
Sie heute in diesem Gesetz beschließen, und alles, was Sie heute nicht beschließen, wird eben auch nicht festgestellt werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit dieser außerordentlich schwierigen Frage im Ausschuß reichlich Arbeit gemacht und sehr lange darüber nachgedacht. Der Herr Kollege Wackerzapp hat als Berichterstatter das Ergebnis der Ausschußberatung vorgetragen, daß man jetzt nicht beliebig ein Stück aus der Sowjetzonenproblematik herausschneiden und hier zur Regelung unterbringen könne, sondern daß diese ganze Frage einer Sondergesetzgebung überlassen werden müsse, wenn der Augenblick zeitlich und politisch für gekommen erachtet wird.
Ich kann Ihnen, Herr Kollege Kriedemann, allerdings nicht zustimmen, wenn Sie annehmen, daß § 40 Ziffer 3 bedeutungslos sei.
Es ist doch folgendermaßen. Wenn wir im Lastenausgleichsgesetz festlegen, daß bestimmten Personengruppen, z. B. Ostzonenflüchtlingen, etw as gegeben werden soll, dann ist die Regierung gehalten, gemäß § 40 Ziffer 3 durch Rechtsverordnung die Schadensfeststellung entsprechend zu regeln.
Ich möchte daher bitten, daß wir bei der Fassung bleiben, die der Ausschuß vorschlägt, und den Änderungsantrag ablehnen.
Da keine Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 382 Ziffer 3. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nun den Antrag der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen Umdruck Nr. 384 Ziffer 1 a) zur Abstimmung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Es kommt weiter der Antrag der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen Umdruck Nr. 384 Ziffer 1 b) zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr kommt der Antrag der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen Umdruck Nr. 384 Ziffer 1 c) zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist § 3 in der Ausschußfassung zur Abstimmung zu stellen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun § 4 auf. Dazu liegt der Antrag des Zentrums Umdruck Nr. 383 vor.
Das Wort dazu hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 4 legt Ihnen das Zentrum zwei Abänderungsanträge vor. Der erste von beiden erübrigt sich, nachdem wir erfahren haben, daß die Regierungsparteien einen § 4 a beantragt haben. Dort ist der Komplex, den wir durch den Abänderungsantrag unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 383 erfassen wollten, auf andere Art und Weise, aber im gleichen Sinne und mit dem gleichen Erfolg erledigt worden. Ich ziehe also diesen Antrag zurück.
Bleibt der Antrag unter Ziffer 3. Es handelt sich da um den § 4 Abs. 1, der im Vergleich zu dem § 3 den in diesem Paragraphen in Abs. 1 Ziffer 2 c enthaltenen Satz vermissen läßt. Hier sind bei den Vertreibungsschäden die privatrechtlichen geldwerten Ansprüche berücksichtigt, soweit es sich nicht um Reichsmarkspareinlagen handelt. Dagegen sind diese Schäden bei den einhe mischen Geschädigten nicht berücksichtigt. Es ist nicht einzusehen, warum die einheimischen Geschädigten gegenüber den Vertriebenen zurückgesetzt werden sollen. Deswegen beantragen wir die Gleichstellung dieser beiden Schadenskategorien und bitten, hier den Punkt c) hinzuzusetzen. Ich glaube, das ist hediglich ein Versehen gewesen und nicht böser Wille, die Einheimischen zurückzusetzen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Abnderuncsantrag des Zentrums zu § 4 auf Umdruck Nr. 383 Ziffer 3. Ich ritte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die § 4 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— § 4 ist angenommen.
Dann liegt hier vor ein Antrag auf Umdruck Nr. 380 Ziffer 2, einen § 4 a einzufügen, und ferner ein entsprechender Ergänzungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 4 und ein SPD-Antrag auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 5. Ich nehme an, daß zu dem ersten Antrag eine Begründung gegeben werden soll, Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer. An sich war die Begründung ja größtenteils in der Debatte gegeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wollte ich gerade sagen. Eine besondere Begründung ist, glaube ich, nicht mehr nötig. Bei § 1 mußte ja zwangsläufig auf § 4 a hingewiesen werden. Ich kann mich auf diese Ausführungen beschränken.
Gilt das auch für Sie ?
— Dann können wir also auf eine weitere Aussprache verzichten.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte zunächst diejenigen, die dem Antrag auf Umdruck Nr. 380 Ziffer 2 zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir stimmen nun ab über den Antrag auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 4. Ich bitte diejenigen, d.e zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 5. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu § 5. Dazu liegen vor ein Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 6 sowie zwei Anträge des Abgeordneten Dr. Nöll von der Nahmer auf Umdruck Nr. 381 Ziffer 3. — Die Anträge sind überholt, soweit es sich um die andere Fassung handelt. Die eben für § 2 beschlossene veränderte Fassung muß natürlich hier weiter Anwendung finden.
— Ja, er ist überholt; das kann dann wegfallen.
Zur Begründung des SPD-Antrages wird das Wort nicht gewünscht. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 6. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. —
— Wir sind jetzt in der Abstimmung.
— In der Abstimmung? Ich bin jetzt in der Abstimmung bei Abs. 2.
— Gut, also Umdruck Nr. 382 Ziffer 6. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über § 5 in der Ausschußfassung, und zwar, da absatzweise Abstimmung beantragt worden ist, zunächst über § 5 Abs. 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§ 5 Abs. 2. - Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer?
— Ja, da ist die entsprechende textliche Änderung vorzunehmen. An Stelle der Einzelbezeichnung muß der Begriff „Schäden" treten. Wer dem Abs. 2 des § 5 unter dieser Abänderung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 6. Dazu liegt vor ein Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 7.
— Der ist erledigt. Dann brauche ich darüber nicht mehr abstimmen zu lassen. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Dann können wir zur Abstimmung übergehen. Ich bitte diejenigen, die dem § 6 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf § 7. Dazu liegt ein Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 8 und ferner ein Abänderungsantrag des Zentrums auf Umdruck Nr. 383 Ziffer 4 vor. Der Antrag Umdruck Nr. 381 ist erledigt.
— An der Stelle wieder nicht?
— Dann müssen wir darüber abstimmen. Das wäre also Umdruck Nr. 381 Ziffer 4.
Wortmeldungen zu § 7? — Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident: Meine Damen und Herren! Immer im Sinne unserer Bemühungen, dieses Feststellungsgesetz zu etwas zu machen, mit dem man sich auch draußen wenigstens sehen lassen kann, haben wir unter Ziffer 8 unseres Antrages Umdruck Nr. 382 eine Reihe von Abänderungsvorschlägen zu § 7 gemacht. Die Streichung des Abs. 1 bedeutet eben die gleichberechtigte Berücksichtigung aller der Personen, die durch Ihre Fassungen und Formulierungen sonst ausgeschlossen sind. Ebenso haben wir beantragt, in Abs. 2 die Ziffer 2 zu streichen. Bekanntlich haben 75 °/o aller Geschädigten ihren materiellen. Schaden sowieso nur am Hausrat erlitten, und wir vermögen nicht einzusehen, warum man mit der Feststellung dieser Schäden weniger sorgfältig verfahren soll als mit anderen Vermögensbestandteilen.
Auch bezüglich der Ziffer 3 des Abs. 2 schlagen wir Streichung vor. Hier ist gesagt, daß Verluste an Gegenständen der Berufsausübung oder der wissenschaftlichen Forschung, wenn der Wert dieser Gegenstände insgesamt 2500 Reichsmark nicht übersteigt, nicht festgestellt werden sollen. Unserer Meinung nach ist das eine unbillige Härte. Es gibt eine ganze Reihe von Berufen, bei denen die Gegenstände der Berufsausübung einen höheren Wert sicherlich nicht gehabt haben, aber sie waren doch eine Existenzgrundlage. Wir möchten also, daß das festgestellt wird.
Ebenso beantragen wir, die Ziffer 5 zu streichen, weil wir nicht einzusehen vermögen, warum im Rahmen eines Feststellungsgesetzes, bei dem es sich nicht um die Bemessung von Leistungen, sondern um die Schaffung einer Übersicht über die Schäden handelt, diese Tatbestände hier nicht berücksichtigt werden sollen.
Zu Ziffer 6 des Abs. 2 schlagen wir vor, das Wort „Verluste" durch das Wort „Kriegssachschäden" zu ersetzen. Wir möchten damit klarstellen, daß es sich nur um Leistungen für erlittene Kriegssachschäden handelt, die hier nicht mehr berücksichtigt werden sollen.
Schließlich möchten wir eine neue Ziffer einfügen. Das würde dann, nachdem wir diese Streichungen vorgeschlagen haben, die hoffentlich von Ihnen allen mitgemacht werden, Ziffer 5. Den Wortlaut finden Sie auf Seite 3 unseres Antrags Umdruck Nr. 382.
Ich bitte Sie, unseren Anträgen zuzustimmen, und sage Ihnen noch einmal: wir stellen diese Anträge nicht etwa, um dieses Gesetz ad absurdum zu führen, sondern deshalb, um, nachdem es uns
nicht gelungen ist, das Feststellungsgesetz in den Zusammenhang hineinzurücken, in den es unserer Meinung nach gehört, nämlich in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Lastenausgleichsgesetz, nun wenigstens ein richtiges Feststellungsgesetz zu schaffen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem soeben beschlossen worden ist, über die Ostschäden nun doch eine Feststellung zu treffen,
ist der Abs. 1 des § 7 doch fehl am Platze, denn es heißt darin, daß diese Schäden von der Feststellung ausgenommen werden sollen. Deswegen schlägt das Zentrum vor, diesen Absatz zu streichen. Infolgedessen darf es dann in Abs. 2 nicht mehr heißen „ferner"; das Wort „ferner" muß also gestrichen werden.
Dasselbe gilt für Abs. 2 Ziffer 2, wonach Verluste an Hausrat, wenn nient mehr als 50 v. ri. des Hausrats veriorengegangen sind, von der Feststellung ausgenommen werden sollen. Denn zunachst muß man ja doch feststellen, ob 50 v. H. verlorengegangen sind oder nient. Man kann also nicht umhin, diese Feststeilung doch zu tretren. Diesen Punkt halten wir inioigedessen nicht für logisch, er muß deswegen entfernt werden. Ob später eine Vergutung gewahrt wird, ist eine Sache für sich.
Zu Zitier 5 des Abs. 2 hat Kollege Kriedemann soeben mit Recht ausgefuhrt, daß diese Verluste festgestelit werden massen. Da es sich nur um eine Feststellung der Schaden handelt, müssen diese Verluste zunächst mitautgeführt werden. Das, was dazu zu sagen ist, trifft auch auf die Ziffer 2 zu, weil man nämlich feststellen muß, wie hoch der Verlust an Hausrat überhaupt ist. Das muß man ja feststellen, um zu ermitteln, ob 50 v. tf. verlorengegangen sind oder nicht.
Deswegen bitte ich, dem Antrag des Zentrums, Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 383, zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kunze.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns, als wir nach tagelangen Beratungen diese Fassungen verabschiedeten, durchaus etwas dabei gedacht, auch wenn wir etwa die Ziffer 2 „Verluste an Hausrat" so negativ formulierten. Wir wollten damit verhindern, daß eine riesengroße Zahl von Menschen, die nach dem Lastenausgleichsgesetz doch keine Entschädigung bekommen, anmelden, wenn sie 10, 20 oder 25 v. H. verloren haben. Wir wissen genau, daß es eine Grenzgruppe gibt, die um die 50 v. H. liegt, die anmelden wird und bei der erst durch die Feststellung ermittelt wird, ob die 50-%-Grenze, die der kommende Lastenausgleich aller Voraussicht nach bringen wird, überschritten wird oder nicht. - Das war das eine.
Das zweite: Es ist richtig, wenn Herr Kollege Kriedemann ausführt, die Ziffer 3 sei vielleicht falsch, wenn man sagte: über 2500 Mark. Ich bin durchaus mit ihm der Auffassung, daß wir das streichen sollten. Aber dann müssen wir die Ziffer 1 stehenlassen, die 500 Mark Schaden als nicht feststellungsberechtigte untere Grenze festlegt.
Sonst geraten wir tatsächlich in sinnlose Feststellungen hinein. Ich bin also damit einverstanden, daß man die Ziffer 1 und die Ziffer 2 stehenläßt und die Ziffer 3 dann streicht. Das heißt also zu deutsch: man macht jeden Verlust an Gegenständen der Berufsausübung oder wissenschaftlichen Forschung oder der Fortbildung, der über 500 DM liegt, genau so feststellungsberechtigt wie alles andere. Ich bin allerdings der Meinung, daß Ziffer 1 des § 7 Absatz 2 stehenbleiben muß.
Wir wurden ja sonst alle Auslandsschäden mit hineinbringen über die Grenze dessen hinaus, was sinnvoll wäre.
Ich beantrage also, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion insoweit nachzugeben, als Ziffer 3 gestrichen wird, im übrigen aber § 7 in der Fassung der Ausschußvorlage anzunehmen.
Herr Abgeordneter Kunze, darf ich Sie bitten, mir den Text dazu schriftlich zu geben.
— Ich dachte, es wäre ein neuer Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wie außerordentlich kompliziert dieses ganze Gesetzgebungswerk ist, zeigt deutlich die Diskussion, die eben geführt worden ist. Ich möchte zur Ziffer 3 Stellung nehmen. Auch ein Teil meiner Freunde hält es für unbillig, daß hier erst eine Feststellung bei Verlusten an Gegenständen der Berufsausübung oder der wissenschaftlichen Forschung getroffen wird, wenn der Wert dieser Gegenstände insgesamt 2500 Mark übersteigt. Wie kommt diese im Ausschuß stark umkämpfte Bestimmung in das Gesetz? Sie ist deswegen aufgenommen worden, weil diese Verluste ursprünglich überhaupt nicht vergütet werden sollten. Schließlich hat man sich dann doch entschlossen, wenigstens die g r o ß en Verluste zu entschädigen, jene Fälle also, in denen der einzelne Geschädigte das, was er verloren hat, wirklich nicht mehr selbst ersetzen kann. Darum hat man diese Formulierung gewählt.
Wenn Sie also einfach beschließen würden, die Ziffer 3 zu streichen, würden Sie ein Ergebnis erreichen, das Sie wohl alle gar nicht wollen. Sie wollen doch gerade, daß diese Verluste schon festgestellt werden, wenn der Schaden nicht 2500 DM erreicht, also offensichtlich schon bei einem geringeren Schaden.
— Herr Kollege Seuffert, Sie haben doch auch die Diskussion im Ausschuß mitgemacht und kennen doch auch die Entstehungsgeschichte. Wenn der Antrag angenommen wird, Ziffer 3 zu streichen, wird, so fürchte ich, etwas ganz anderes erreicht, als wir alle wollen; dann ist für diese Dinge überhaupt keine Entschädigung mehr vorgesehen. Und gerade das Gegenteil wollen wir doch erreichen.
— Ich mache jedenfalls auf die Schwierigkeit aufmerksam, die im Ausschuß ja sehr eingehend diskutiert worden ist und woraus sich die Bestimmung dieser Ziffer erklärt.
Nach Rücksprache mit dem Ministerium habe ich den Antrag gestellt, daß man bei Abs. 1 noch einmal klarstellt: „unbeschadet des § 4 a", damit kein Zweifel darüber bestehen kann, was mit diesem Absatz gemeint ist.
Ich bitte deshalb, diesen Passus in Abs. 1 noch hinter die Worte „ausgenommen sind" einzufügen. Daruber liegt ja ein scnriftlicher Antrag zu Ziffer 4 auf Umdruck Nr. 381 vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Unterschied zu Herrn Kollegen Kunze empfinde ich es durchaus nicht als sinnlos, die Auslandsschäden einmal festzustellen. Ich glaube auch nicht, daß die vielen Leute, die diese Schäden erlitten haben, Ihnen zustimmen werden. Wir haben gerade deshalb u. a. die Streichung des § 7 Abs. 1 beantragt, um eben auch diese Schaden, die ja für eine Gesamtübersicht unter allen Umständen erfaßt werden müssen, hier feststellen zu können. Herr Kollege Nöll von der Nahmer, ich sehe es ganz anders, als Sie es eben dargestellt haben. Hier heißt es plötzlich, daß irgend etwas nicht festgestellt werden soll. Da soll also nicht festgestellt werden: Hausrat unter einer gewissen Grenze; unter Ziffer 3 sollen nicht festgestellt werden die Verluste an Gegenständen der Berufsausübung, wenn sie insgesamt nicht über 2500 Mark Wert gehabt haben. Vorher, im § 4, liest der Mann, dem das Unglück widerfahren ist, seine Geräte verloren zu haben, zu seiner großen Freude, daß zu den Kriegssachschäden eben auch die Verluste an Gegenständen, die für die Berufsausübung und für die wissenschaftliche Forschung erforderlich sind, gehören. Und erst hinterher, wenn er in seiner Freude überhaupt noch weiterliest, wird ihm mitgeteilt, daß er in diesem Falle leider davon nichts abkriegt.
Deshalb halten wir unseren Antrag auf Streichung aufrecht und teilen die Bedenken, die Sie hier eben vorgebracht haben, in gar keiner Weise. Eine Gefahr für diese Leute besteht nur, wenn das stehenbleibt, was Sie beantragt haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich mich in den Chorus der hohen Spezialisten des Lastenausgleichs als einfacher Jurist einschmuggle, um ohne jede Sachkenntnis einige Bemerkungen zu machen!
§ 7 Abs. 1 sagt doch in aller Deutlichkeit, daß die in dem neuen § 4 a erwähnten Ostschäden, die wir heute eingeschlossen haben, niemals festgestellt werden dürfen. Es besteht kein Zweifel, daß wir ihn nicht so stehenlassen können, wenn wir die Ostschäden, die wir neu eingefügt haben, berücksichtigen wollen. Das ist doch wohl klar. Ich bitte also die Experten, zu sagen, welche Ergänzung zu § 7 Abs. 1 vorgenommen werden muß, und es schriftlich zu beantragen, damit wir keinen Unsinn beschließen.
Was Herr Nöll von der Nahmer zu Abs. 2 Ziffer 3 sagt, ist doch offenbar ein Irrtum. Der im Lesen von Gesetzestexten erfahrene Jurist, selbst wenn er in der Sache absoluter Laie ist, stellt aus § 4 Abs. 1 Ziffer 2 fest, daß Verluste an Gegenständen für die Berufsausübung usw. extra festgestellt werden sollen. Das hat Herr Nöll von der
Nahmer offenbar übersehen; bei diesem schwierigen Gesetz kann das jedem passieren. Ich bin allerdings dafür, in § 7 die Ziffer 3 von Abs. 2 zu streichen. Denn ich gebe ohne weiteres zu, es muß schon ein sehr langwierig ausgebildeter Berufsausüber sein, der wissenschaftliche Werke, etwa Bücher für das juristische Studium im Werte von über 2500 Mark, gehabt haben soll. Das sind ganz seltene Ausnahmen; solche Personen werden auch sonst im Leben vielleicht ganz gut fortkommen. Ich glaube, es ist richtig, man läßt es bei der unteren Grenze der bisherigen Ziffer 1.
Nun noch eine allgemeine Bemerkung: Der juristisch erfahrene Gesetzesleser, der in § 7 Abs. 2 die Skala von 1 bis 7 liest, stellt zunächst einmal fest, daß sämtliche Verluste, mit der einzigen Ausnahme des Hausrats, nur in Betracht kommen, wenn sie 500 Mark übersteigen. Dann kommt in den Ziffern 3, 4, 5, 6 und 7 das Gegenteil. Ich glaube, die Reihenfolge müßte sein: 1. Verluste an Hausrat, Ziffer 3 wird gestrichen, 2. Verluste an Anteilen, 3. Verluste aus Forderungen, 4. Verluste, für die nach der Kriegssachschädenverordnung eine bestimmte Entschädigung gewährt worden ist, 5. Verluste an Vermögensgegenständen, die in Ausnützung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erworben worden sind, und dann 6. „sonstige Verluste", deren Gesamtbetrag eine bestimmte Summe nicht übersteigt. Dann ist es ganz klar. Ich muß Ihnen ehrlich gestehen, sonst ist für einen Gesetzeskenner, der das Gesetz anwenden soll, Ziffer 1 mit den Ziffern 3, 4, 5, 6 und 7 völlig unvereinbar; denn nur der Hausrat ist extra ausgenommen, alles andere haben Sie nicht ausgenommen. Ich glaube also, es ist richtiger, zu sagen: Ziffer 2 wird Ziffer 1, Ziffer 4 wird Ziffer 2, Ziffer 5 wird Ziffer 3, Ziffer 6 wird Ziffer 4, Ziffer 7 wird Ziffer 5, und Ziffer 1 wird Ziffer 6. Dabei sind die Worte „abgesehen von Verlusten an Hausrat" zu streichen, weil das in dem Wort „sonstige" klar darinliegt. Ich glaube, daß man das tun muß, wenn man nicht einen allgemeinen juristischen Wirrwarr anrichten will. Ich möchte das tunlichst vermeiden.
Die Schwierigkeit der Materie erlaubt es mir nicht, noch eine weitere Bemerkung zu diesem Gesetz zu machen.
Herr Abgeordneter Ewers, Sie haben soeben eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Darf ich Sie bitten, sie mir als Antrag zu überreichen?
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.
Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, daß dem Kollegen Nöll von der Nahmer bei § 7 Abs. 2 Ziffer 3 wohl ein Irrtum unterlaufen ist. In § 3 Abs. 1 Ziffer 2 und in § 4 Abs. 1 Ziffer 2 sind die Gegenstände der Berufsausübung ausdrücklich erwähnt. Das ist später hinzugekommen. So erklärt sich wohl, daß in § 7 Abs. 2 die Ziffer 3 stehengeblieben ist. Die Erwähnung von 2500 Mark bedeutet also nur eine Beschränkung der Feststellung zum Nachteil der Geschädigten. Das will er doch sicherlich nicht. Ich glaube also, daß er sich dazu verstehen kann, die Ziffer 3 zu streichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Näll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stimme N den beiden Herren Vorrednern zu. Ich habe nunmehr keine Bedenken, daß wir Ziffer 3 hier streichen, nachdem ich mich davon überzeugt habe, daß in den §§ 3 und 4 diese Gegenstände ausdrücklich erwähnt sind. Es bestehen also meinerseits keine Bedenken gegen den Antrag des Herrn Kollegen Kunze.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Herr Abgeordneter Ewers, ist es nicht möglich, das noch in der dritten Lesung zu machen? —
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Abänderungsanträge zu § 7, zunächst über den Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 8. Wird da absatzweise Abstimmung gewünscht?
— Dann lasse ich zunächst einmal über Abs. 1 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Darf ich die Abstimmung wiederholen. Ich bitte also diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; es ist abgelehnt.
Ich lasse weiter über den Antrag abstimmen, in , dem einleitenden Teil zu sagen: „Von der Feststellung sind ausgenommen Schäden, wenn es sich handelt um". Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das war wohl die Mehrheit; das ist also angenommen.
Jetzt rufe ich die einzelnen Ziffern auf. Ich bitte
diejenigen, die der Ziffer 1 zustimmen, die Hand
zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich lasse über den Antrag abstimmen: 2. wird gestrichen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. das letztere ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ziffer 3 wird gestrichen. — Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ziffer 4 wird 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben.
— Das geht nicht; das können wir uns sparen.
Ziffer 5 wird gestrichen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit. Abgelehnt.
Ziffer 6 wird 3. „Verluste" wird durch „Kriegssachschäden" ersetzt. — Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Das letztere ist die Mehrheit; abgelehnt. Ziffer 7 wird 4.
— Fällt weg.
Ziffer 5: Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zu dem Antrag des Zentrums Umdruck Nr. 383 Ziffer 4. — Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Dann kommen noch die redaktionellen Änderungen, Antrag Nöll von der Nahmer auf Umdruck Nr. 381 Ziffer 4. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. — Angenommen.
Nun kommt noch der Antrag des Herrn Abgeordneten Ewers, die neue Reihenfolge:
§ 7 Abs. 2 wird wie folgt geändert: Ziffer 2 wird Ziffer 1, Ziffer 3 wird gestrichen, Ziffer 4 wird Ziffer 2, Ziffer 5 wird Ziffer 3, Ziffer 6 wird Ziffer 4, Ziffer 7 wird Ziffer 5, Ziffer 1 wird Ziffer 6 mit folgendem Wortlaut:
Sonstige Verluste, deren Gesamtbetrag 5000 DM nicht übersteigt.
- Herr Abgeordneter Kunze zur Abstimmung!
Ich halte es für völlig unmöglich, daß man in dieser Form abstimmt. Das muß man schwarz auf weiß sehen.
Meine Damen und Herren, der Antrag ist hier eben gestellt worden; er muß zur Abstimmung gebracht werden. Ich will ihn gern langsamer vorlesen.
Also soll ich ihn nochmals vorlesen?
— Das wird nicht gewünscht. Dann stimmen wir
ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand
zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Angenommen.
Ich bitte diejenigen, die § 7 in abgeänderter Form zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das erste war die Mehrhert. Angenommen.
Ich rufe auf 8.
Meine Damen und Herren, § 8 ist aufgerufen. Dazu liegt ein Antrag der FDP, CDU/CSU und DP vor, Umdruck Nr. 380 Ziffer 3. Soll er begründet werden? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir beantragen, in § 8 die Ziffer 2 zu streichen. Das ist eine logische Konsequenz der Annahme des § 4 a; denn diese Ziffer 2 in der Ausschußfassung war nur deswegen notwendig, weil nach der Ausschußfassung die Schäden der Westdeutschen in den Gebieten östlich der Oder und Neiße nicht berücksichtigt wurden. Nachdem aber § 4 a angenommen ist, muß logischerweise Ziffer 2 des § 8 fallen. Ich bitte also, die Streichung zu beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Annahme des soeben von Herrn Kollegen Nöll von der Nahmer begründeten Antrags würde es dann so werden, daß ein Vertriebener sein in Leipzig verlorengegangenes Haus feststellen lassen kann. Ein Mann, der in Bonn wohnt, kann sein Haus in Breslau, glaube ich, jetzt feststellen lassen. Nicht wahr? Aber in Wien nicht, und in Leipzig auch nicht.
— Ja, offenbar! Wenn er dagegen von seinem Onkel, der in Breslau gewohnt hat, dessen Haus in Leipzig geerbt hätte, wenn es noch stände, dann kann er es nach der neuesten Fassung Ihres Antrages, Herr Kollege Nöll von der Nahmer, feststellen lassen; denn dann ist es ein Vertriebenenschaden, und er hat den Vertriebenenschaden geerbt. Meine Damen und Herren, wir werden die Verantwortung dafür Ihnen überlassen. Ich glaube nicht, daß wir diesen Unterscheidungen zustimmen können.
Wir haben den Antrag gestellt, Ziffer 3 des § 8 anders zu fassen. In Ziffer 3 ist zur Zeit verlangt: Wohnsitz oder dauernder Aufenthalt im Bundesgebiet oder in Berlin am 31. Dezember 1949. Wir sehen das bei einem Feststellungsgesetz in der Tat nicht ein. Wir sehen nicht ein, warum nicht jeder, der zum Bundesgebiet gehört, auch hier feststellen lassen kann. Deswegen verlangen wir lediglich: Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet zur Zeit der Antragstellung oder am 31. Dezember 1949 — wenn er also von hier aus z. B. wieder ausgewandert sein sollte — oder Geburt im Bundesgebiet. Der Abs. 2 des § 8 muß dann im Anschluß daran entsprechend gefaßt werden. Das ist der zweite Satz unseres Antrags Ziffer 9 des Umdrucks Nr. 382.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen a und Herren! Ich muß Herrn Kollegen Seuffert darauf aufmerksam machen, daß er vorhin, als seine Fraktion meinen Antrag ablehnte, gegen das Prinzip gestimmt hat, wonach grundsätzlich jeder seinen Schaden feststellen lassen kann, ganz gleichgültig, wo er entstanden ist. Aber deshalb habe ich mich nicht zum Wort gemeldet, sondern ich möchte eine Aufklärung zu dem Antrag geben, den Herr Nöll von der Nahmer gestellt hat. Es heißt in § 8 Ziffer 2:
Der Antragsteller muß, auch wenn er nach Ziffer 1 als Erbe die Feststellung eines Vertreibungsschadens beantragt, selbst Vertriebener sein.
Damit wird also klargestellt, daß es sich um einen Vertreibungsschaden handeln muß, den er nur geltend machen kann, wenn er selbst Vertriebener ist. Nachdem wir uns auf den Standpunkt gestellt und dementsprechend abgestimmt haben, daß sogar ein Einheimischer den Schaden in Breslau anmelden kann, muß man ihm dieses Recht ja erst recht dann geben, wenn er Erbe eines Vertriebenen ist.
— Ja, Herr Seuffert, wir können die Diskussion darüber, ob wir die Schäden in der Sowjetzone feststellen lassen, nun nicht von neuem anfangen. Sie haben ja das Minimum, das ich gefordert habe, auch abgelehnt.
Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen zu diesem Paragraphen nicht mehr vor.
— Privat geht die Debatte noch weiter. —
Ich lasse also zunächst über den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP auf Umdruck Nr. 380 Ziffer 3 abstimmen, den der Abgeordnete Dr. Nöll von der Nahmer begründet hat. Es wird in Ziffer 3 beantragt, § 8 Abs. 1 Ziffer 2 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist die Streichung angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 382 Ziffer 9, betreffend § 8 Abs. 1 Ziffer 3 und Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen ist dieser Antrag abgelehnt.
Damit sind die Abänderungsanträge zu § 8 erledigt. Ich komme zur Abstimmung über § 8 in seiner Gesamtheit nach Streichung der Ziffer 2 des Abs. 1 und bitte die Damen und Herren, die dem § 8 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 9. Dazu liegen einige Abänderungsanträge vor. Zunächst kommt der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 382 Ziffer 10.
— Der Antrag ist gegenstandslos und damit erledigt. Ich kann also über § 9 abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Dann kommt der Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP — Umdruck Nr. 380 Ziffer 4 —, einen § 9 a einzufügen. Wer wünscht diesen Antrag zu begründen? — Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer — in Kürze!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Gestern ist noch einmal eingehend geprüft worden, nach welchem der vorhergehenden, ich möchte sagen: „Modelle" sich die Antragsberechtigung richten soll. Die Prüfung — ich will die einzelnen Überlegungen hier nicht vortragen, das würde zu weit führen und uns zu lange aufhalten — hat ergeben, daß es doch wohl richtig ist, die Antragsberechtigung bei den neuen „Ostschäden" auf die Grundsätze abzustellen, die in § 8 für die Vertreibungsschäden aufgestellt worden sind, aber nicht die Grundsätze für die Kriegssachschäden anzuwenden. So erklärt sich die Fassung des § 9 a, den ich anzunehmen bitte.
Wer wünscht, den Antrag der Fraktion der SPD zu begründen?
— Beide gegenstandslos, 11 und 12, Herr Abgeordneter Seuffert?
- Ziffer 11 Ihres Antrages ist die Einfügung eines
§ 9 a , der ist also gegenstandslos. Dann haben Sie
unter Ziffer 12 beantragt, einen § 9 b einzufügen.
— Keine Begründung. — Ich darf also zunächst abstimmen lassen über den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP, Umdruck Nr. 380 Ziffer 4. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem neuen § 9 a zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD — Umdruck Nr. 382 Ziffer 12 — betreffend Einfügung eines § 9 b. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 10. — Bitte schön, Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine Freunde werden dem
§ 10 zustimmen. Dieser Paragraph steht unter der Abschnittsüberschrift „Schadensberechnung". Wir bedauern, daß es bei den bisherigen intensiven Ausschußberatungen noch nicht gelungen ist, die Entscheidung darüber zu fällen, wie nun eigentlich ziffernmäßig der Schaden berechnet werden soll. Eigentlich ist in diesem Abschnitt, dem die Überschrift „Schadensberechnung" gegeben worden ist, nicht eine Schadensberechnung vorgenommen; sein Inhalt ist vielmehr die Ermittlung der für die spätere Schadensberechnung wesentlichen Tatsachen. Denn die §§ 10 und folgende schreiben lediglich vor, daß einmal grundsätzlich die Einheitswerte und zum andern die Schulden festgestellt werden. Wie aber aus diesen beiden Komponenten — Einheitswerte auf der einen, Schulden auf der andern Seite — die Schäden berechnet werden sollen, das wird in dem Feststellungsgesetz nicht geregelt; und das bildet ja nun den Gegenstand sehr schwerwiegender und grundsätzlicher Auseinandersetzungen.
Daß die Einheitswerte zugrundezulegen sind, auch bei der Entschädigung, darüber ist wohl im Ausschuß kein Streit mehr. Aber die Schwierigkeit liegt darin, daß die Einheitswerte nach dem Reichsbewertungsgesetz bei den einzelnen Vermögensobjekten auf sehr verschiedene Weise errechnet werden und daß nun nicht zu leugnen ist, daß gerade bei den landwirtschaftlichen Einheitswerten sich eine besonders große Spanne zwischen dem nach besonderen Methoden errechneten Einheitswert und etwa, sagen wir mal, dem gemeinen Wert ergibt. Auch in der Regierungsvorlage zum allgemeinen Lastenausgleichsgesetz ist deswegen schon nach einem Ausgleich gesucht worden, um eine Benachteiligung gerade der Landwirtschaft zu vermeiden. Die Regierungsvorlage sieht eine- Lösung in der Weise vor, daß die Schulden nur mit 50 % abgezogen werden sollen.
Meine Damen und Herren, meine politischen Freunde haben bereits wiederholt durch mich und meine Kollegen im Ausschuß zum Ausdruck bringen lassen, daß wir in dieser Art und Weise, die notwendige Korrektur vorzunehmen, schwere Gefahren sehen. Wir sehen darin die Fortsetzung
einer Politik, die wir nicht für glücklich halten, nämlich den Schuldner immer einseitig zugunsten des Nichtverschuldeten zu bevorzugen. Wenn die Korrektur so vorgenommen würde, würden nur die Schuldner eine Verbesserung erfahren, nicht aber die Eigentümer unverschuldeter Betriebe. Deswegen möchten wir die Korrektur in der Art und Weise vorgenommen wissen, daß die Einheitswerte für die Entschädigung heraufgesetzt werden. Wir denken etwa an einen Aufschlag von 50 % bei der Landwirtschaft und an einen solchen von 30 % beim städtischen Grundbesitz.
Meine Damen und Herren, ich höre nun immer wieder von Kollegen die Befürchtung, daß eine Korrektur auf diese Weise, also eine Korrektur über die Einheitswerte und nicht über die Schulden, zwangsläufig dazu führe, daß man auch auf der Aufbringungsseite an den Einheitswerten rütteln wolle. Ich glaube, es denkt niemand in der Koalition daran, bei den Einheitswerten auf der Aufbringungsseite Korrekturen vorzunehmen.
Die Aufbringungslasten stellen Steuern dar. Die Eignung der Einheitswerte für steuerliche Zwecke steht aber gar nicht zur Diskussion und ist nicht umstritten. Die Schwierigkeit. besteht doch lediglich darin, daß wir hier die Einheitswerte auch für Zwecke benutzen müssen, für die sie an sich nicht gedacht waren und für die sie an sich auch gar nicht da sind.
Infolgedessen entsteht eben die Notwendigkeit einer Korrektur.
Wir haben es, wie gesagt, bedauert, daß diese Frage im Ausschuß nicht endgültig schon im Rahmen dieses Gesetzes geklärt werden konnte. Es bleibt nun weiter nichts anderes übrig, als den § 10 in der vorliegenden Fassung anzunehmen. Wir legen aber Wert darauf, hier deutlich auch gerade gegenüber den heimatvertriebenen Landwirten zum Ausdruck zu bringen, daß wir im endgültigen Lastenausgleichsgesetz eine Korrektur der Einheitswerte auf der Entschädigungsseite in der Weise für notwendig halten, wie ich sie eben hier dargelegt habe. Wenn wir eine solche Korrektur nicht vornehmen würden, würden gerade unsere Landwirte beim Lastenausgleich benachteiligt. Wir sind aber der Überzeugung, daß, soweit das irgend geht, alle Geschädigten gleichberechtigt sein müssen. Gerade ein Berufsstand wie unsere Landwirtschaft darf nicht offensichtlich benachteiligt werden.
Wir werden also mit diesen Bedenken dem § 10 in der Ausschußvorlage zustimmen und hoffen, daß wir dann beim endgültigen Lastenausgleichsgesetz mit unserem Antrag Erfolg haben werden.
Herr Abgeordneter Dr. Kather hat sich zuerst gemeldet, Herr Kunze. — Ich würde vorschlagen, die Erörterungen der kommenden Zeit nicht vorwegzunehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es herrscht Übereinstimmung darüber, daß der Einheitswert auf der Entschädigungsseite als Bemessungsgrundlage nicht in Betracht kommen kann, denn er würde ja, wie niemand leugnen kann, in vielen Fällen zu einer glatten Negation des Anspruchs führen. Ich bedaure es daher sehr, daß die FDP ihr Vorhaben,
hier heute einen Antrag zu stellen, aufgegeben hat. Ich habe mich nicht dazu entschließen können, hier einen Antrag zu stellen, weil er bei dieser Lage im Augenblick aussichtslos wäre, aber ich möchte mit aller Klarheit sagen, daß wir damit in keinem Falle anerkennen, daß im Lastenausgleich dieser Einheitswert als Bemessungsgrundlage genommen werden kann. Ich bedaure es sehr, daß wir im Feststellungsgesetz von dieser Grundlage ausgehen. Sie führt ja doch letzten Endes zu der psychologisch unerwünschten Wirkung, daß viele Leute bescheinigt bekommen, daß sie keinen Schaden gehabt haben, obwohl ihr Schaden in Wirklichkeit beträchtlich ist.
— Darüber werden wir zu gegebener Zeit sprechen!
Herr Abgeordneter Kunze!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß Herr Kollege Dr. Nöll von der Nahmer es für zweckmäßig gehalten hat — obgleich er erklärte, daß dem § 10 grundsätzlich zugestimmt würde -, doch die ganze Problematik in einem Stadium hier aufzurollen, in dem man im Ausschuß übereinstimmend feststellte, daß sie nicht aufgerollt werden sollte. Nachdem er sie aber aufgerollt und Herr Kollege Kather namens des Bundes vertriebener Deutscher, nicht namens der Fraktion der CDU/CSU, seine Forderungen angemeldet hat,
muß ich etwas Grundsätzliches zu diesem Problem sagen.
Erstens. Wir haben uns bewußt darauf beschränkt, bei der Feststellung die Grundlagen festzulegen, auf denen festgestellt wird, und sonst nichts. Wir haben bewußt darauf verzichtet, diese ganze Problematik anzugreifen, weil sie etwas komplizierter ist, als sie dargestellt wird. Es ist sehr leicht dahingesprochen, wenn gesagt wird: Wir meinen natürlich bei den 50 % Erhöhung der Einheitswerte nur die Entschädigungsseite; wir denken aber nicht daran, die andere, die Abgabenseite zu nehmen.
Das muß doch im ganzen gesehen werden, daß das eine mit dem andern verbunden ist und daß es sich dabei um ganz grundsätzliche Fragen handelt.
Aber ich will an einem zweiten Beispiel zeigen, wie wenig die Dinge bis jetzt durchdacht worden sind.
— Herr Kollege Mellies, wenn Sie einen Moment zuhören — ich pflege auch bei Ihnen sehr aufmerksam zuzuhören —, darf ich Ihnen folgendes sagen. Es wird so sehr leichthin davon gesprochen, das Betriebsvermögen bedürfe ja keiner Aufstockung. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum soll denn ein Handwerksmeister und ein kleiner Kaufmann, dessen Vermögen Betriebsvermögen ist, von vornherein mit seinen überalterten Einheitswerten 100 gleich 100 bleiben, während der andere eine — willkürlich gegriffene — Zahl von 130 und der dritte eine — willkürlich gegriffen — von 150 bekommt? Ich erkläre ausdrücklich namens meiner Freunde, daß ich weder für noch gegen
diese Dinge spreche; aber ich erkläre, daß die Dinge einfach im Stadium der Entscheidung noch nicht reif sind, weder in den Fraktionen noch im Ausschuß. Infolgedessen möchten wir bitten, den § 10, wie er jetzt vorliegt, anzunehmen und auf eine weitere Diskussion dieses Problems, die uns nur aufhalten würde, weil sie im Moment überflüssig ist, zu verzichten.
Herr Abgeordneter Seuffert, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte es ausdrücklich bedauern, daß die Vertreter dessen, was hier vorgetragen worden ist, noch nicht einmal den Mut gefunden haben, sich in Anträgen zur Entscheidung zu stellen, und daß auf diese Art immer wieder Gelegenheit gegeben wird, weder für noch gegen zu sprechen. Diese Art und Weise, in die blaue Luft und in die Öffentlichkeit hinaus zu reden, ohne den Mut zu haben, mit allen Konsequenzen die Fragen dem Haus zur Entscheidung vorzulegen, ist eine Sache, gegen die man protestieren muß!
Meine Damen und Herren, darf ich die Frage stellen, ob durch diese Debatte jetzt die Meinungen hinreichend geklärt worden sind, nachdem sie in den Bereich des Mutes abgeglitten ist?
Also § 10. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 10 sind, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Frage die Mehrheit. Damit ist § 10 angenommen.
Ich rufe auf § 11. Dazu liegt ein Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 13 auf Anfügung eines Abs. 5 vor. Soll er begründet werden?
— Ist gegenstandslos. Weitere Anträge liegen nicht vor, Wortmeldungen ebenfalls nicht. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 11 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 12. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 13. — Auch keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Zu § 14 liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP vor. Die Ziffern 5a und 5b dieses Antrags auf Umdruck Nr. 380 betreffen den Paragraphen. Wer wünscht sie zu begründen? — Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Herren, das Wort „versteuerten" vor dem Wort „Einkommen" in Ziffer 1 muß gestrichen werden; denn es ist nicht beabsichtigt, z. B. bei Kinderreichen von dem auf Grund der Kinderermäßigungen verringerten steuerpflichtigen Einkommen auszugehen, sondern von dem Einkommen, das der Mann tatsächlich
bezogen hat. Also muß das Wort „versteuerten hier weg.
Bei dem weiteren Antrag zu Abs. 4 handelt es sich nur um einen redaktionellen Vorschlag. Es soll klar zum Ausdruck gebracht werden, daß der Betreffende Eigentum an diesen Möbeln gehabt haben muß und nicht nur Besitz.
Ich bitte Sie also, den beiden hauptsächlich redaktionellen Anträgen zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Seuffert, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 14 des Gesetzes handelt von den Verlusten an Hausrat, d. h. von den Verlusten, die für sicherlich mindestens 75 bis 80 °/o, wahrscheinlich aber viel, viel mehr der Vertriebenen und der Geschädigten überhaupt das einzige sind, was sie neben der Kriegsschadenrente oder Vertriebenenrente an dem Lastenausgleich interessiert, weil sie eben nichts anderes gehabt haben, um es zu verlieren. Wir nehmen deswegen diesen § 14 sehr, sehr ernst. Wir nehmen ihn ernster als einige andere Paragraphen dieses Gesetzes.
Nun sehen Sie sich die Ausschußvorlage an. Was wird dort gefragt, um festzustellen, welchen Hausratsverlust sie gehabt haben, etwa was sie für einen Hausrat gehabt haben, was sie noch haben und was er wert ist? Nein, Sie irren durchaus! Es wird festgestellt das versteuerte Einkommen, das der Geschädigte und seine mit ihm zusammen veranlagten Familienangehörigen im Durchschnitt der Jahre 1937, 1938 und 1939 bezogen haben; oder andere Jahre und andere Fälle oder, falls dies für den Antragsteller günstiger ist, das Vermögen, das für eine Hauptveranlagung zugrunde gelegt worden ist, oder falls Unterlagen nach diesen Ziffern nicht vorliegen, ist von dem Beruf des Geschädigten im Zeitpunkt der Schädigung auszugehen, und dann wird eine Rechtsverordnung erlassen werden, und dann werden berufsfremde Verwendungen unberücksichtigt bleiben und so weiter und so fort. Alles das muß sinnvollerweise festgestellt werden, damit feststeht, was die Leute für einen Hausrat verloren haben, obwohl ja keine einzige dieser Ziffern irgend etwas darüber aussagt, was für einen Hausrat sie verloren haben. Und da es für jedermann, der es sich nur einmal vorgestellt hat, vollkommen klar ist, was es heißt, mit 20 oder 25 Pfund Gepäck anzukommen und sich nun diese Unterlagen zu beschaffen; so muß immer Ziffer 3, nämlich der Beruf des Geschädigten, herhalten. In einer Rechtsverordnung wird also einfach bestimmt werden, wieviel Hausrat Oberlehrer, wieviel Hausrat Regierungsräte und wieviel Hausrat Werkmeister oder Landarbeiter verloren haben. Meine Damen und Herren, das machen wir in dem Punkt, wo es wirklich für die große Masse der Geschädigten interessant ist, nicht mit. Das, was hier steht, bedeutet, auch wenn es vier Hausratsklassen sind, einen Dreiklassenhausrat.
Unserer Ansicht nach gibt es hier nur eins: der Hausrat ist festzustellen, wie er verloren worden ist, mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Schädigung. Es ist nicht einzusehen, wenn das nach § 13 bei Gegenständen der Berufsausübung möglich ist, warum es in § 14 beim Hausrat nicht auch möglich sein soll. Soweit es zu schwierig und soweit es zu weitläufig wäre, muß für jeden an sich festgestellten Hausratsverlust ein Pauschalsatz festgelegt werden, aber ein einheitlicher Pauschalsatz,
über den hinaus der Einzelnachweis offenbleibt. Anders geht es nun einmal nicht. Bei dem Pauschalsatz ist unserer Ansicht nach nicht vom Wert des Hausrats, sondern von einer Summe auszugehen, die als Vermögensverlust ungefähr dem Ausmaß der Schädigung entsprechen könnte, die durch die Tatsache entstanden ist, daß man den Hausrat verloren hat. Als eine solche Summe haben wir unter Berücksichtigung der etwa möglichen Entschädigung für solche Summen den Betrag von 3500 RM vorgeschlagen. Diesen Vorschlag, also eine klare und glatte Pauschalmindestsumme vorbehaltlich des Nachweises, aber dann eines exakten Nachweises, ob ein Hausratsverlust darüber hinausgeht, und die Ablehnung dieses Dreiklassenhausrats, finden Sie in Ziffer 14 unseres Antrages. Wir bitten Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns vielleicht mit kaum einem Paragraphen und einem Problem soviel Arbeit gemacht wie mit diesem,
und ich muß mich wundern, Herr Kollege Seuffert,
daß, nachdem in endlosen Beratungen des Unterausschusses mehr als einmal die anwesenden Vertreter Ihrer Fraktion einstimmig diese Lösung als
die aus der Not heraus beste anerkannt haben, — —
— Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen. Wir haben die Vertriebenen gefragt, als wir zunächst von den Größenordnungen der verlorenen Wohnung, des Familienstandes und des verlorenen Einkommens ausgingen. Dann haben die Vertriebenen uns gesagt, daß sie weitestgehend nicht in der Lage sind, mit einer ernsthafte Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit alle diese Nachweise zu liefern. So sind wir Schritt für Schritt und Zug um Zug in den Beratungen zu einer Verständigung über die Fassung, die § 14 jetzt enthält, gekommen.
— Sie wissen ganz genau, daß in den Unterausschußberatungen Ihre eigenen Vertreter hier mitgezogen haben!
— Ich komme auf Ihren Antrag noch zu sprechen, Kollege Seuffert, weil ich zu Ziffer 14 Ihres heutigen Änderungsantrages noch Stellung zu nehmen gedenke.
Ich habe aber doch folgendes festzustellen. Ich bin zum ersten Male in der glücklichen Lage, den Eindruck zu haben, daß hier sowohl die Fliegergeschädigten wie die Heimatvertriebenen erkannt haben, daß der Gesetzgeber sich redlich müht, einen Weg zu finden, der in den Grenzen des Möglichen ihren berechtigten Forderungen und Wünschen Rechnung trägt, und darum bin ich durchaus für die Beibehaltung des § 14 in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich darf noch eins sagen. Wir haben doch nun zur Genüge diskutiert, beginnend mit der ersten Referentenvorlage des Finanzministeriums, über die Beschlüsse und Vorschläge des sogenannten Unkeler Kreises, bis wir zu dem heutigen Tag gekommen sind. Wenn ich mir § 14 in der Fassung des SPD-Antrages ansehe, dann muß ich mich fragen, wie denn die Millionen Menschen in der Lage sein sollen, den Anschaffungspreis abzüglich angemessener Abschreibungen mit einer ernsthafte Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen.
Wenn wir das tun, was Sie hier tun wollen, machen wir 80 bis 90 v. H. der Heimatvertriebenen den Nachweis ihres Hausratschadens unmöglich, oder Sie gehen hin und sagen, daß 3500 RM mechanisch als Mindestgrenze für jeden einzelnen genommen werden. Dann kommen Sie aber zu einer Schablonisierung, die wir ablehnen. Eine Nivellierung der Hausratsfeststellung und der Hausratsentschädigung auf der ganzen Linie wäre für die Regierungskoalition unannehmbar.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir denken, daß es einen besonders guten Eindruck auf die Leute machen soll, wenn Sie, Herr Kollege Kunze, die Dinge hier so darstellen, als hätten wir im Bundestag sozusagen gemeinsam das Verfahren entwickelt, das, wie Sie wissen, im Ausschuß gegen unsere Stimmen beschlossen worden ist. Wir haben allerdings gerade an dem Hausrat immer wieder Ihnen und Ihren Freunden zu beweisen versucht, daß die Feststellung des Schadens in Gegenständen, die man nicht mehr ansehen kann, über die es vor allen Dingen auch keinerlei brauchbare Unterlagen gibt, teils zweifelhaft und teils unmöglich ist. Sie haben uns dann aber immer wieder entgegengehalten, daß es möglich sein soll, den Wert z. B. eines landwirtschaftlichen Betriebes mit seinem Inventar in der Gegend von Königsberg festzustellen, obwohl es darüber im Zweifelsfall überhaupt keine einzige Unterlage gibt.
Sie wollen uns sogar davon überzeugen, daß man von hier aus feststellen kann, ob derjenige, der damals diesen Betrieb gehabt hat, Schulden hat oder nicht. Nun, dann frage ich mich, wenn ich mich bemühe, mich in Ihre Gedankengänge und in Ihre Argumentation hineinzuversetzen, warum es nicht möglich sein soll, mit den gleichen Mitteln — also z. B. Nachbarschaftshilfe, Zeugen usw. — den Wert einer Wohnungseinrichtung festzustellen, die wenige Kilometer davon in der Stadt Königsberg gestanden hat. Es kann doch wohl nicht zufällig sein, daß gerade mit den Vermögensbestandteilen oder den Werten, die für den allergrößten Teil der Geschädigten ihre Verluste ausmachen, nun plötzlich gröber verfahren werden muß, als es bei den Vermögensbeständen eines verhältnismäßig kleinen Kreises von Personen erforderlich ist oder Ihnen erforderlich zu sein scheint.
Ich möchte hier nicht untersuchen, wen Sie zu fassen gekriegt haben, als Sie mit „den" Vertriebenen und mit „den" Fliegergeschädigten gesprochen haben; hoffentlich doch nicht bloß mit den Leuten, die die größeren Wohnungen verloren haben und die deswegen finden, daß sie dabei ganz gut wegkommen. Sie können doch nicht im Ernst sagen, daß wir es mit unserem Antrag den
Vertriebenen ganz einfach unmöglich machen, ihren Schaden nachzuweisen. Denen, die den Nachweis nicht erbringen können — und ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es die große Mehrzahl sein wird —, wollen wir eine ausreichende Pauschale geben. Im übrigen kann ich nicht finden, daß eine Pauschale, eine Zahl, eine größere Nivellierung — vor der Sie ja so besonders viel Angst haben — bedeutet, als wenn man — wie Sie das wollen — etwa die außerordentlich großen Unterschiede im Wert des Hausrats, so wie sie nun auch einmal bei unserer Bevölkerung in den Gebieten, aus denen die Deutschen vertrieben worden sind, bestanden haben, mit drei Zahlen faßt. Das ist wahrscheinlich kein großer Unterschied in der Nivellierung, und die von uns vorgeschlagene Regelung wird den feinen und sehr gewichtigen Unterschieden mindestens ebenso gerecht wie die von Ihnen vorgeschlagene. Wir geben wenigstens die Chance, daß auch die kleinen Leute in etwa zu ihrem Recht kommen und nicht bloß die, die schon früher so vorsichtig waren, eine große Wohnung mit sehr wertvollem Mobiliar zu haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bestand eigentlich schon sehr lange Einmütigkeit unter den beteiligten Kreisen, daß man beim Hausrat nicht ohne Pauschalierung auskommen wird. Von den Herren Rednern der SPD ist mit einem gewissen Recht darauf hingewiesen worden, daß gerade Hausratsschäden in sehr großer Zahl vorhanden sind. Es kann nicht bezweifelt werden, daß das Feststellungsverfahren eine untragbare Belastung bekommen würde, wenn man nun den Wert jedes einzelnen Hausrats in extenso feststellen wollte. Ich kann darauf hinweisen, daß bei der Regelung, die in der Ausschußfassung vorgeschlagen ist, es doch wohl die kleinen Leute sind, die besser wegkommen.
--- Doch! Wenn man sich überlegt, daß die höchste Stufe schon bei 9000 DM aufhört und darüber hinaus eine Aufstockung nicht mehr gewährt wird, dann kann man nicht in Abrede stellen, daß gerade die kleinen Leute hier gut wegkommen. Und da Herr Kriedemann gefragt hat, welche Vertriebenen Herr Kollege Kunze zu fassen bekommen hat, möchte ich nur eine Tatsache hier feststellen: daß der Ausschuß für Heimatvertriebene des Bundestags dieser Regelung einstimmig zugestimmt hat.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag der Fraktion der SPD — Umdruck Nr. 382 Ziffer 14 —, Neufassung des § 14. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die beiden Anträge der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP, Umdruck Nr. 380 Ziffern 5 a und 5 b. Ich kann wohl über beide Ziffern zusammen abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Abänderungsanträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 14 unter Berücksichtigung dieser beiden Änderungen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 14 ist angenommen.
§ 15. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 15 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf § 16. Dazu liegt ein Antrag der Fraktion des Zentrums vor. Soll er begründet werden?
— Wird zurückgezogen. — Keine weiteren Wortmeldungen zu § 16? Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 16 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Angenommen.
Zu § 17 liegt ein Antrag auf Umdruck Nr. 380 unter Ziffer 6 vor. Soll er begründet werden, Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer?
— Ja, das ist eine Einfügung, S 16 a nach § 16. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 16 a
— Umdruck Nr. 380 Ziffer 6 — zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bite um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich darf aufrufen § 17. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Zu § 18 liegt kein Antrag vor. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Die Fraktion der SPD hat auf Umdruck Nr. 382 unter Ziffer 15 beantragt, einen § 18 a einzufügen.
- Ist erledigt.
Ich rufe § 19 auf. Wer begründet den in Umdruck Nr. 382 Ziffer 16 gestellten Antrag der SPD-Fraktion auf Neufassung dieses Paragraphen? — Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Neufassung des § 19 erschien uns deshalb notwendig, um klarzumachen, welche Gesichtspunkte bei der Feststellung des Schadens zu berücksichtigen sind. § 19 sagt in Abs. 1:
Hat der Geschädigte für den Veranlagungszeitraum eine Vermögenserklärung abgegeben, so
sind diese Angaben zugrunde zu legen,
d. h. es wird an der Vermögenserklärung festgehalten. Wir wollen aber gerade deutlich machen, daß ihm erst nachgewiesen werden muß, daß er eine Vermögenserklärung abgegeben hat, und daß diese Vermögenserklärung außerdem auch bekannt sein muß. Deswegen die Neufassung mit der Formulierung „und liegt diese Vermögenserklärung vor".
Natürlich muß auch in Abs. 2 die Bestimmung aufgenommen werden, daß dem Geschädigten nachgewiesen werden muß, daß er eine Vermögenserklärung nicht abgegeben hat. Wir wollen doch
die hier vorliegenden Schwierigkeiten nicht übergehen und wollen sie deutlich im Gesetz bezeichnen.
Da Herr Abgeordneter Kunze „Ohne Bedenken!" ruft, nehme ich an, daß keine weiteren Wortmeldungen kommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 382 Ziffer 16 auf Neufassung des § 19. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Offenbar das ganze Haus. Der § 19 ist in dieser neuen Fassung angenommen worden. Damit erübrigt sich die Abstimmung über § 19 alter Fassung.
Zu § 20: Abänderungsantrag Umdruck Nr. 382 Ziffer 17. Soll er begründet werden, Herr Abgeordneter Seuffert? — Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie finden auf der letzten Seite des Umdrucks Nr. 382 unter Ziffer 17 die Abänderungsanträge zu § 20, die wir Ihnen vorschlagen.
Wir möchten den Abs. 1 streichen, weil er überflüssig ist, und wir möchten Sie bitten, den Abs. 2, der dann Abs. 1 wird, in folgender Fassung aufzunehmen:
Die für die Feststellung der Schäden zuständigen Behörden, Ausschüsse und Gerichte werden durch die Gesetzgebung für den Lastenausgleich bestimmt.
Das ist selbstverständlich. Ferner sollte in Abs. 3 unserer Ansicht nach — wie in unserem Antrage steht — ergänzt werden „und ist das Personal der Soforthilfebehörden entsprechend zu verstärken".
Ich weiß, daß viele bei ihrer Zustimmung den Trost haben oder sich auf diese Weise zu trösten versuchen werden, daß j a die finanziellen Konsequenzen sowieso nicht in Erscheinung treten werden, weil ja die ganze Geschichte erst sehr viel später zum Zuge kommen wird usw. usw. Aber gerade weil wir nicht möchten, daß so unklare Vorstellungen hier zur Grundlage einer so schwerwiegenden Entscheidung gemacht werden, möchten wir mit diesem Abänderungsantrag das Haus dazu bringen, sich hier klar zu den Konsequenzen zu bekennen, die sich aus diesem Gesetz ergeben. Wenn wir nicht nur die Leute dazu bringen wollen, Antragsformulare auszufüllen, diese Antragsformulare dann aber irgendwo aufgestapelt sehen wollen, sondern wenn sie wirklich bearbeitet werden sollen, dann — das ist ganz klar — kommt damit auf die Behörden, die jetzt mit der Durchführung des Soforthilfegesetzes beschäftigt sind, eine sehr gewichtige Arbeitslast zu. Wir sollten also nicht selber hier schon sozusagen den Grund dafür mit einbauen, daß dann an dem Gesetz oder besser gesagt an seiner Durchführung nicht gearbeitet werden kann, weil die Kräfte nicht da sind. Wir sollten vielmehr dann auch sagen, daß nach diesem Gesetz die Beamten oder Angestellten eingestellt werden, die zur Durchführung dieses Gesetzes notwendig sind.
Niemand, der dieser Änderung nicht zustimmt, kann sich darauf hinausreden, eine Verstärkung der Behörden sei nicht notwendig. Das ist ganz klar. Wir wissen: die Formulare gehen in die
Millionen, das Verfahren der Feststellung — wenn es überhaupt ernsthaft gemeint ist — ist nicht ganz einfach und erfordert natürlich entsprechendes Personal. Wer nicht bereit ist, diese Konsequenzen anzuerkennen, der wird sich sagen lassen müssen, daß es ihm schon genug ist, wenn hier ein Papierkrieg entfacht wird, daß es i h m im Ernst gar nicht darum zu tun ist, das Anliegen, das die Geschädigten an diesem Gesetz nun einmal haben, zu befriedigen. Und da ich nicht glaube, daß sich irgendwer diesem Verdacht aussetzen möchte, . bitte ich Sie, freudigen Herzens zuzustimmen, wenn wir sagen: machen Sie die Behörden arbeitsfähig! — Die Kosten wollen Sie ja sowieso auf die Länder abzuwälzen versuchen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade die letzten beiden Sätze meines Kollegen Kriedemann verleiten mich, noch etwas deutlicher zu werden, als ich an sich die Absicht hatte, da ich j a von Haus aus, wie Sie wissen, ein höflicher Mensch bin. Sehen Sie mal, Kollege Kriedemann: was ist der Effekt des von Ihnen gestellten Antrags? Sehr geschickt kaschiert bedeutet er, daß das Inkrafttreten dieses Gesetzes erst nach dem allgemeinen Lastenausgleich möglich sein wird.
Das ist das Ergebnis.
Und nun dreht es sich um folgendes. Wenn wir wünschen, daß dieses Feststellungsgesetz sobald wie möglich in Kraft tritt, dann deshalb, weil wir der Meinung sind, daß eine gewisse Anlaufzeit, also Herausgabe der Fragebogen, Verteilung der Fragebogen, Ausfüllung der Fragebogen, Einsammeln der Fragebogen, Sortieren der Fragebogen, durchaus zu einer Zeit laufen kann, in der die Behörden des Lastenausgleichs noch nicht voll zum Zuge gekommen sind.
Es handelt sich um die Übergangszeit, und diese Übergangszeit müssen wir auf dem Wege, den wir vorschlagen, überbrücken.
Darum bedauere ich es sehr — selbst auf die Gefahr hin, daß Sie in mir jemanden sehen, der nicht konsequent wäre —, nunmehr konsequent für dieses Feststellungsgesetz in der vom Ausschuß verabschiedeten Form eintreten zu müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, ich kann verstehen, daß der eine oder andere findet, die Geschichte dauere reichlich lange. Seien Sie davon überzeugt, daß die Bedeutung dieses Gesetzes diesen Aufwand durchaus rechtfertigt.
Wir machen uns wirklich nicht zum Vergnügen soviel Arbeit.
Herr Kollege Kunze, ich habe zum zweiten Male den Eindruck, daß Sie uns etwas unterstellen, was nicht unsere Absicht ist, und daß Sie das, was wir hier vortragen, nicht verstanden haben. In Absatz 3 des Ausschußvorschlages heißt es:
Bis zur Errichtung der nach Abs. 2 zuständigen Behörden und Ausschüsse werden die Soforthilfebehörden und Soforthilfeausschüsse im Sinne der ... beauftragt.
Niemand — jedenfalls wir nicht — hat beantragt, daß dieser Abs. 3 gestrichen wird. Es stimmt also nicht, daß wir die Absicht haben, hier auf eine, wie Sie finden, sehr vornehme oder sehr geschickte Weise hintenrum die Durchführung dieses Gesetzes zu sabotieren. Diesen Vorwurf hätten wir uns mit Recht zugezogen, wenn wir die Streichung von Abs. 3 verlangt hätten. Wir wollen im Gegenteil mit unserer Ergänzung die Durchführung dieses Gesetzes, also das Einnehmen und Registrieren, Nachwiegen, Nachzählen und Sortieren und InBearbeitung-Nehmen der Fragebogen, die hier in Bewegung gesetzt werden sollen, ja überhaupt erst ermöglichen.
Ich hoffe, Herr Kollege Kunze, daß Sie das Haus über Ihren Irrtum aufklären werden.
Herr Abgeordneter Kunze.
Ich brauche nur einen Satz zu sagen. Herr Kollege Kriedemann hat recht. Ich habe in der Eile einfach übersehen, daß Sie den Abs. 3 nicht streichen wollen. Also es ist nicht Ihre Absicht, auf kaltem Wege das Gesetz rumzudrehen.
— Ich stelle das fest und nehme Ihre Aussage sehr ernst, daß Sie mit Ihrem Antrag helfen wollen, das Gesetz noch schneller durchzuführen, als es sonst möglich wäre.
Darf ich annehmen, Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer, daß sich Ihr Antrag Umdruck Nr. 381 Ziffer 5 erledigt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir vorhin den Antrag angenommen haben, aus redaktionellen Gründen einheitlich statt der Aufführung der einzelnen Schadensarten lediglich das Wort „Schäden" zu setzen.
Ja, das ist klar. Es bedarf hier jedenfalls keiner besonderen Abstimmung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 382 Ziffer 17. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 20 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— § 20 ist angenommen.
Ich rufe § 21 auf. — Zu dem Abänderungsantrag der SPD Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen in Umdruck Nr. 382 unter den Ziffern 18 und 19 vorgeschlagen, die §§ 21 und 22 zu streichen. Herr Präsident, ich
glaube, daß ich die Begründung auch gleich für § 22 geben kann.
Die Eingeweihten wissen, daß gerade über die Heimatauskunftstellen sehr viel geredet worden ist. Der Eindruck ist wohl nicht ganz unbegründet, daß sehr viele Leute an diesem Gesetz insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der Heimatauskunftstellen interessiert sind. Mindestens für diejenigen, die darin beschäftigt werden, wird der Lastenausgleich sehr schnell praktisch werden.
Man hat sich die Fragevorgelegt, wie man denn nun einen Ersatz für die fehlenden Dokumente schaffen soll. Der Herr Berichterstatter hat vorhin mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß in den meisten Fällen — mindestens bei den Vertriebenen — die Dokumente nicht vorhanden sind. Es ist natürlich recht schwer, einen Schaden festzustellen, der nicht belegt werden kann, der aus den bekannten Gründen nicht besichtigt oder an Ort und Stelle abgeschätzt werden kann. Man ist also darauf angewiesen, auf irgendeine Weise Ersatz zu schaffen. Man hat sich das dann so vorgestellt, daß man an Material, an Ortskunde, an Wissen über die lokalen Verhältnisse ersatzweise alles zusammentragen sollte, was man erreichen kann. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, daß das nicht die Angelegenheit solcher Einrichtungen sein kann, wie sie uns hier unter „Heimatauskunftstellen" vorgeschlagen werden.
Meine Damen und Herren, wenn ein Ersatz für Dokumente beschafft werden soll und wenn das dann beweiskräftige Unterlagen sein sollen, dann müssen diese, glaube ich, auf eine ganz besonders sorgfältige Weise zustande gebracht werden. Wir glauben, daß die Heimatauskunftstellen dazu ganz einfach nicht in der Lage sind.
Wir schlagen Ihnen also vor, die beiden Paragraphen zu streichen. Ich will gar nicht im einzelnen auf die gefährlichen Auswirkungen eingehen, die sich hier ergeben, wenn man das Schicksal eines Antrags auf Schadensfeststellung in soundsovielen Fällen von der Stellungnahme mehr oder weniger privater Leute abhängig macht. Jeder mit einigermaßen Lebenserfahrung und einiger Phantasie begabte Staatsbürger kann sich vorstellen, in welch fürchterliche Lage die Menschen kommen, die zu solchen Behauptungen auf den Formularen etwas aussagen sollen, die also sagen sollen: Jawohl, ich kenne den Mann zwar nicht, ich bin niemals auf seinem Hof gewesen, aber aus meiner Kenntnis der Gegend, aus meiner Kenntnis der Umgebung, in der sich das Leben dieses Mannes früher einmal abgespielt hat, kann ich bescheinigen, daß er 33 Morgen hatte, daß er soundsoviel Viehbesatz darauf hatte, daß der Einheitswert so und so war, ich kann auch bescheinigen, daß seine Schulden so und so gewesen sind. So etwas sollte man anständigerweise niemandem zumuten. Bedenken Sie, in welche Fülle von Konflikten Sie die Menschen stürzen, die sich nun bei der Beschaffung der „Dokumente" sozusagen gegenseitig mit ihren Kenntnissen aushelfen müssen. Die Dokumente sind ihnen ohne ihre Schuld verlorengegangen. Überlegen Sie, auf welche gefährliche Weise unser Volk hier immer aufs neue durcheinandergebracht wird. Es hat ja eine erhebliche Mühe gekostet, im Ausschuß die Formulierung wegzubringen, die diese unglücklichen Menschen sogar unter den psychologischen Zwang des Parteieides stellen wollte, und es war nicht sehr einfach, den begeisterten Anhängern einer solchen Feststellungsmethode die Verwen-
dung von eidesstattlichen Versicherungen auszureden.
—Na also, gucken Sie mal in die Unterausschußfassung hinein! Hat es da. nicht dringestanden? Erst im Ausschuß haben wir es herausgebracht. Das kann doch nicht bestritten werden. Sie sind doch selbst immer dabei gewesen.
Meine Damen und Herren, wir sehen eine gewisse Einsicht darin, daß man nun versucht, die Angelegenheit hier etwas harmloser darzustellen, indem man von dem ursprünglichen Plan, für jeden Heimatkreis eine solche Auskunftstelle einzurichten, abgeht und diese Heimatauskunftstellen nur noch auf Regierungsbezirksebene einrichten möchte. Man sagt zwar vorsichtigerweise: „in der Regel". Man hofft offenbar, damit viele Einwände, und zwar sehr begreifliche Einwände, gegen dieses unserer Meinung nach völlig unmögliche und nicht zu verantwortende System der Schadensfeststellung auszuräumen, vielleicht nicht zuletzt die Einwände wegen der außerordentlich hohen Kosten eines solchen Apparates, einer solchen neuen Bürokratie. Wir wissen ja, wie leicht sie sich bei uns in Deutschland a) festsetzt und b) nachher auch munter sprießt. Vielleicht will man auf diese Weise von den hohen Kosten ein bißchen herunterkommen. Aber, meine Damen und Herren, das kann doch gar nicht ernst gemeint sein. Es ist doch klar, wenn es überhaupt eine Chance gibt, mit einem solchen Verfahren einigermaßen vertretbare Resultate zu erzielen, dann doch nur, wenn man ein sehr enges Netz schafft, und doch bestimmt nicht mehr, wenn man es so weitmaschig macht, wie es jetzt hier auf Regierungsbezirksebene gedacht ist.
Wir möchten Ihnen also vorschlagen, nun gleich noch einen Schritt weiterzugehen, diese ganze Geschichte aufzugeben, die beiden Paragraphen zu streichen und für diese Angelegenheiten der Schadensfeststellung diejenigen Stellen zuständig zu machen, die nun einmal in einem geordneten Staatswesen dafür zuständig sind, nämlich die entsprechenden Behörden. Leider haben Sie unserem Antrag nicht zugestimmt, die Behörden, die das Soforthilfegesetz durchführen und denen Sie jetzt hier eine neue und sehr umfangreiche Arbeit aufknacken, nun auch so zu verstärken, daß sie arbeitsfähig sind, daß sie eine Chance haben, mit diesen neuen Aufgaben wenigstens einen Anfang zu machen. Vielleicht besinnen Sie sich noch und machen das in der dritten Lesung. Wir möchten jedenfalls die Behörden, die unter der parlamentarischen Kontrolle stehen und die ja gerade im Rahmen des Soforthilfegesetzes auch weitgehend unter der unmittelbaren Kontrolle und unter der Mitwirkung der Geschädigten selbst arbeiten, mit dieser Aufgabe, Ersatz für Dokumente zu beschaffen, belasten. Wir möchten das deshalb tun, weil wir hier zu ernsthaften und brauchbaren und vertretbaren Unterlagen kommen wollen und weil wir diese Geschichte nicht von persönlichen Freundschaften und Feindschaften abhängig machen wollen. Wir wollen niemanden in die Verlegenheit bringen, sich etwa die Ablehnung seines Antrages damit zu erklären, daß er als einer der wenigen Katholiken in seinem Heimatkreis von den Protestanten in dieser Heimatauskunftstelle natürlich abgewiesen wurde. In soundso viel Fällen wird es auch mal andersrum sein. Es werden da parteipolitische Dinge hineinspielen, und es werden ganz besonders die organisatorischen Fragen dort hineinspielen. Da es auch unter den Vertriebenen solche gibt, die die zuständigen Organisationen nun nicht unter allen Umständen anerkennen, müssen wir uns auch gegen jeden Versuch wehren, den Organisationen, die, wie gesagt, ja keinen Rechtscharakter haben, sondern freiwillige Vereinigungen sind, hier irgendeine Stellung einzuräumen, mit der s é dann u. a. nicht nur über ihre Mitglieder, sondern auch über diejenigen, die bewußt nicht ihre Mitglieder sind, eine Entscheidungsgewalt haben, und zwar eine Entscheidungsgewalt über Fragen, die sozusagen über Tod oder Leben entscheiden.
Herr Abgeordneter Dr. Kather, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß auch in diesem Falle feststellen, daß von der SPD-Fraktion ein Antrag gestellt wird, Paragraphen zu streichen, die mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten im Vertriebenenausschuß einstimmig angenommen worden sind.
— Ja, ich will nur sagen, daß es in Ihren Reihen Damen und Herren gibt, die eine ganz andere Ansicht hatten. Ich kann Ihnen darüber hinaus sagen, und Sie werden es bei der Abstimmung sehen, Herr Kriedemann, daß es auch noch jetzt Herren in Ihrer Fraktion gibt, die eine andere Meinung haben.
— Gut, schön. Damit sollte nur einmal klargestellt sein, daß Ihre Meinung nicht völlig unbestritten ist.
— Ja, meine Herren, Sie haben etwas weniger Meinungsfreiheit als wir, das wollen wir unumwunden zugeben.
— Na, ich glaube, in dem Glashaus sitze ich wirklich nicht, daß ich mir nicht die nötige Meinungsfreiheit nehme.
Die Heimatauskunftstellen haben nicht den Zweck, irgendwelche Leute unterzubringen; im Gegenteil, ich glaube, daß es uns schwerfallen wird, die nötigen Leute aufzutreiben. Wir sind, wie Sie aus der Ausschußfassung entnehmen können, in dieser Hinsicht doch sehr ökonomisch vorgegangen. Es ist vorgesehen, daß eine, eventuell auch mehrere hauptamtliche Kräfte als Leiter in Betracht kommen; das muß sich nach dem Arbeitsanfall richten.
Es ist heute schon mehrfach angezweifelt worden, ob es den Initiatoren dieses Gesetzes — wie man sich ausdrückt — nun wirklich auf eine echte Feststellung ankommt. Meine Damen und Herren, es kommt uns wahr und wahrhaftig darauf an, daß diese Aktion keinen Schiffbruch erleidet. Dazu gehört auch, daß nicht Feststellungen getroffen werden, die keine reelle Grundlage haben und die irgendeiner ernsthaften Nachprüfung nicht standhalten. Niemand kann leugnen, daß die Situation, in der insbesondere die Vertriebenen sind, einen Anreiz bieten könnte, falsche, unrichtige oder unvollständige Angaben zu machen. Es wird überall mit Wasser gekocht, und wir wollen uns nicht für
besser halten, als wir sind. Wir haben deshalb Sicherungen eingebaut. Wir haben die Sicherung eingebaut, die nachher noch zur Sprache kommt und für meine Begriffe sehr weitgehend ist, daß schon grobfahrlässig falsche Angaben zum Verlust des Anspruchs führen können, gleichgültig ob sie in eigener oder in eines anderen Sache gemacht werden. Eine weitere Sicherung ist die Einrichtung der Heimatprüfstellen. Wenn die Leute wissen, daß Männer und Frauen aus ihrer Gegend, aus ihrer Ortschaft oder aus ihrem Kreis diese Anträge zu sehen bekommen, dann werden sie dadurch zur Vorsicht aufgerufen und werden sich im Wissen um die harten Strafen, die wir darauf gelegt haben, hüten, unrichtige Angaben zu machen.
Nun hat Herr Kriedemann ausgeführt, diese Männer kämen in eine fürchterliche Lage, wenn sie Aussagen über die Angaben ihrer eigenen Landsleute machen müßten. In diese „fürchterliche Lage" kommt jeder Zeuge und jeder Gutachter in jedem Zivilprozeß, und in diese „fürchterliche Lage" kommen die Zeugen auch in diesem Verfahren. Denn, meine Damen und Herren, selbst wenn Sie diese beiden Bestimmungen strichen, würden Sie doch wohl niemals so weit gehen, womöglich auch noch den Zeugenbeweis und den Gutachterbeweis auszuschließen. Daran kann wohl niemand denken. Wenn wir auf der einen Seite bemüht sein müssen und bemüht sind, dafür zu sorgen, daß es wirklich Leute von Charakter sind, Leute, zu denen man Vertrauen haben kann, dann darf man diesen Leuten auch eine solche Gutachtertätigkeit anvertrauen. Ich darf auch mit besonderem Nachdruck darauf hinweisen, daß es sich nur um Auskunftsstellen handelt. Diese Stellen haben keine Entscheidungen zu treffen, sondern es ist ausdrücklich bestimmt worden, daß der Ausschuß. der die Entscheidung trifft, von diesem Gutachten auch abweichen kann.
Herr Kriedemann hat dann erwähnt, daß mit dem Gedanken gespielt worden sei, die eidesstattlichen Versicherungen oder die Eidesleistung zuzulassen. Nun, so etwas Furchtbares ist das nicht.
Im Zivilprozeß haben wir bis heute immer noch den Parteieid,
und bei uns in Deutschland werden Tausende von eidesstattlichen Versicherungen abgegeben. Ich will nur daran erinnern, wieviel eidesstattliche Versicherungen allein in den Entnazifizierungsverfahren abgegeben worden sind.
Ich halte es allerdings nicht für richtig, daß man in einem Verfahren, das nach Lage der Dinge unter besonderer Beweisnot leidet, wie auch Herr Kriedemann zugegeben hat, die Beweismittel einengt. Ich werde auch zu der Frage der Beweismittel keinen Antrag stellen, nicht aus Mangel an Mut, wie Herr Seuffert vorhin erklärt hat, sondern weil ich mir keinen Erfolg verspreche. Herr Seuffert, Sie waren am wenigsten berechtigt, mir das zu sagen, nachdem Sie
gegen einen Antrag gestimmt haben, der in Ihrer Linie lag.
Dann verliert man nicht den Mut, dann verliert man allenfalls die Lust, Anträge zu stellen.
Aber wenn wir uns schon damit abfinden wollen, daß die eidesstattliche Versicherung und der Parteieid im Feststellungsverfahren nicht zum Zuge kommen, dann ist es unmöglich, auch noch die Heimatauskunftstellen abzuschaffen; denn das würde in der großen Zahl der Fälle dazu führen, daß unsere Leute den erforderlichen Beweis nicht erbringen können.
Deshalb bitte ich Sie dringend, es dabei zu belassen.
Ich will auch in diesem Zusammenhang nochmals auf das Beispiel von Finnland verweisen. Dort hat man 132 Schätzungsausschüsse auf Heimatgrundlage gebildet, und dort sind die Leute nicht in eine „fürchterliche Lage" gekommen. Man hat auch nicht gehört, daß sich dort irgendwelche Unzuträglichkeiten ergeben haben. Sie können sich von Herrn Kollegen Zühlke bestätigen lassen, daß das, was ich hier sage, richtig ist.
Ich halte es deshalb für unerläßlich, daß diese Heimatprüfstellen bestehen bleiben, und ich bitte die Damen und Herren dringend, den Antrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kather ist selber in Finnland gewesen und wird wahrscheinlich wissen, daß das, was sich dort in Finnland abgespielt hat, erstens nicht mit dem übereinstimmt, was man vorher davon erzählt hat, und zweitens mit der Aufgabe, die wir hier zu erfüllen haben, sowieso nicht vergleichbar ist.
Das hätte man übrigens auch schon vor der Reise nach Finnland wissen können. Ich habe mich für die Einladung bedankt und habe auf die Teilnahme verzichtet, weil ich ohnehin wußte, wie man bei uns den Lastenausgleich machen muß. Außerdem sind die Verhältnisse bei uns mit den Verhältnissen in Finnland nur bedingt vergleichbar, und so schlau wie die Finnen sind wir in dieser Beziehung auch.
Mit aller Entschiedenheit aber möchte ich der Behauptung widersprechen, wir versuchten, die Vertriebenen in ihren Beweismitteln irgendwie zu beschränken. Wir wollen sie aber dazu bangen, daß sie diese Beweismittel einer Behörde vorlegen, und wollen dieses Zwischengebilde, dieses völlig unorganische Gebilde der Heimatauskunftstelle ausschalten. Lassen Sie mich nicht unnötig auf Einzelheiten eingehen, sonst komme ich auf die organisatorischen Detals, die ich heute abend Her lieber nicht vorbringen möchte, weil über diese sowieso genügend Klarheit besteht. Auch gerade aus diesen Gründen wollen wir die Heimatauskunftstellen nicht haben. Wir wollen die Heimatvertriebenen genau wie jeden anderen Staats-
bürger unmittelbar mit der Staatsverwaltung zusammenkommen lassen, die auch für sie zuständig ist, und sie nicht noch zusätzlich abhängig machen nicht nur von der Möglichkeit, Zeugen zu finden, Beweise beizubringen, sondern auch noch von dem Ermessen irgendwelcher Leute, die eben keine Beamten sind, sondern nur Personen, die allerdings aus Staatsmitteln und aus Steuergeldern bezahlt werden sollen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD auf Streichung des § 21, Umdruck Nr. 382 Ziffer 18. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, bei der Besetzung des Hauses ist es mir nicht möglich, festzustellen, welches die Mehrheit ist. Ich bitte, im Hammelsprung abzustimmen. Wer für die Streichung ist, muß also durch die Ja-Tür gehen, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür. Ich wäre dankbar, wenn der Saal möglichst bald geräumt würde.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen und die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung unter dem ausdrücklichen Hinweis darauf bekannt, daß der Sitzungsvorstand die Abstimmung diesmal mit seinen Stimmen entschieden hat. Für die Streichung sind 113 Stimmen, dagegen 119 Stimmen; 19 Stimmenthaltungen.
Der Antrag auf Streichung ist also abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Kather auf Umdruck Nr. 384 Ziffer 2, den er eben begründet hat.
- Wollen Sie noch dazu sprechen, Herr Abgeordneter Dr. Kather?
— Herr Abgeordneter Dr. Kather begründet seinen Antrag. Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie durch Ihre fortgesetzte Anwesenheit unsere Arbeit erleichterten.
Der von uns gestellte Antrag sieht vor, daß die Heimatauskunftstellen auf der Ebene des Heimatkreises oder eines größeren Bezirks gebildet werden. Es bleibt also auch bei dieser Fassung den Behörden absolut überlassen, ob sie sie auf Regierungsbezirks- oder auf Kreisebene bilden wollen. Man wird von Anfang an die Regierungsbezirksebene nehmen können und wird, wenn es notwendig ist, auf die Kreisebene heruntergehen. Das ist auch nach der alten Fassung möglich, aber doch nur unter erheblichen Schwierigkeiten. Ich bitte daher, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, wenn schon Heimatauskunftstellen gebildet werden sollen, dann sollen sie auch arbeiten können. Das können sie nach unserer Überzeugung nur, wenn sie auf Kreisgrundlage gebildet werden. Wir werden deswegen jetzt nach dieser Entscheidung für den Antrag des Kollegen Dr. Kather stimmen.
Herr Abgeordneter Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß unser Kollege Schütz in Straßburg ist und ich daher an seiner Stelle ein paar Sätze über die Idee und den Gedanken der Heimatauskunftstelle sagen muß.
Kollege Schütz hat die Heimatauskunftstellen bewußt auf die Regierungsbezirksbasis gesetzt, weil er in ihnen eine Art Gehirntrust erblickt hat.
— So etwas soll es auch in Deutschland geben, selbst in Süddeutschland.
Nur ist hier doch folgendes zu bedenken. Wenn wir jetzt unten auf der Kreisebene anfangen, bauen wir einen Apparat auf, von dem der Kollege Seuffert genau so gut wie ich weiß, daß er noch gar nicht arbeitsfähig ist. Lassen Sie uns doch mit wenigen Kosten anfangen, damit dann Entwicklungsmöglichkeiten offenbleiben. Das ist der Inhalt der Vorlage des Ausschusses. Ich bitte das Hohe Haus, in diesem Falle weder den Verführungen des Kollegen Kather noch den Verführungen des Kollegen Kriedemann zu folgen, sondern stur und gerade zusammen mit uns mit der Vorlage des Ausschusses zu gehen.
Herr Abgeordneter Kunze, das Wort „Verführungen" hat natürlich keinen moralischen Hintergrund!
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand hier sollte jetzt denken, wir wollten uns nun für die Ablehnung unseres Antrags, mit dem wir das Haus vor einer Fehlentscheidung bewahren wollten, revanchieren, indem wir etwas Gegenteiliges machen. Wenn man glaubt — und das tun Sie offenbar —, daß man mit solchen Einrichtungen arbeiten kann, muß man diesen Versuch aber auch mit aller Konsequenz machen. Wenn man fehlende Dokumente durch Zeugen ersetzen will, die etwa bekunden: Jawohl, der Mann hat einen solchen Hof oder eine solche Werkstatt gehabt, es war die und die Bodengüte usw., dann ist ganz klar, daß das im Rahmen eines größeren Bezirks einfach nicht zu machen ist. Ich sage noch einmal, dann muß das Netz, das wir über diese Gebiete legen wollen, um alles zu erfassen, was an Kenntnis und Erfahrung vorhanden ist, so engmaschig wie möglich sein. Aus dieser Überzeugung stimmen wir für diesen Antrag. Wer ihm zustimmt, muß natürlich zwei Dinge tun, er muß erstens den Versuch ernsthaft machen wollen und muß auch die dadurch entstehenden Kosten akzeptieren. Ich möchte an diesem guten Willen keinen Zweifel lassen, aber ich will es mir gern einmal bei der Abstimmung ansehen.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Kather auf Umdruck Nr. 384 Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, es bleibt nichts anderes übrig, als zu dem bewährten Mittel des Hammelsprungs zurückzukehren. Darf ich bitten, das Haus möglichst schnell zu räumen und die Abstimmung zu beschleunigen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können!
Meine Damen und Herren, wer für den Antrag des Abgeordneten Kather ist, muß durch die JaTüre gehen. Dazu muß er natürlich vorher den Saal verlassen, — auch Herr Abgeordneter Onnen, bitte! — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen und die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte die Abstimmung zu schließen.
— Wir machen doch dauernd Hammelsprung, um die Kälte zu überwinden. Wir werden aber noch zusätzlich heizen lassen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Der Antrag des Abgeordneten Kather ist mit 120 Ja-Stimmen gegen 98 Nein-Stimmen bei 9 Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 21 unter Berücksichtigung dieser. Abänderung.
— Herr Abgeordneter Kunze, die Beschlußfähigkeit des Hauses kann erstens nur von fünf Abgeordneten angezweifelt werden; außerdem ist nicht zu verkennen, daß 227 Abgeordnete die Beschlußfähigkeit des Hauses sicherstellen. Der Sitzungsvorstand stellt das ausdrücklich fest.
Ich komme zur Abstimmung über § 21. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Paragraphen unter Berücksichtigung der Abänderung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich habe den Eindruck, daß eine gewisse Unsicherheit vorhanden ist. Ich stimme ab über den § 21 unter Berücksichtigung der Änderung, die durch Annahme des Abänderungsantrags des Abgeordneten Kather erfolgt ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 21 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich stelle fest, daß das letztere die Mehrheit ist. § 21 ist abgelehnt.
Ich komme zu § 22. Der Antrag, ihn zu streichen, ist bereits begründet. Soll der Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU, DP Umdruck Nr. 380 Ziffer 7 noch begründet werden?
— Ist erledigt. — Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir brauchen über § 22 überhaupt nicht mehr abzustimmen. Nachdem wir eben die Heimatsauskunftstellen als solche abgelehnt haben, brauchen wir ihre Aufgaben nicht mehr festzulegen.
Die Geschäftsordnung schreibt vor, daß über jeden einzelnen Paragraphen abzustimmen ist. Wenn sich das Haus auf den Standpunkt stellt, daß es den § 22 anzunehmen wünscht, auch wenn § 21 abgelehnt worden ist, dann ist das Sache des Hauses.
- Herr Abgeordneter Kather, bitte!
Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin durch Abstimmung im Hammelsprung den Antrag auf Streichung des § 21 abgelehnt. Damit erübrigte sich meiner Ansicht nach eine Abstimmung darüber, ob § 21 bestehenbleibt.
Meine Damen und Herren, ich vermag nicht zu sehen, daß ich geschäftsordnungsmäßig falsch verfahren hätte.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, den § 22 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. § 22 ist gestrichen.
Ich komme zur Abstimmung über § 23. Wünscht jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall. - Ich bitte die Damen und Herren, die § 23 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. § 23 ist angenommen.
Ich rufe auf den Vierten Abschnitt, § 24. Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert zur Begründung des Antrags der SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Freund Kriedemann hat in diesen Beratungen schon mit Nachdruck darauf hingewiesen, welche Gefahr besteht, daß sich an dieses Gesetz unbegründete Hoffnungen knüpfen, die nicht erfüllt werden können. In § 24 ist richtigerweise für die Anträge ein amtliches Formblatt vorgesehen. Wir wünschen alles zu tun, was möglich ist, um die Bedeutung des Gesetzes klarzustellen, um die Bedeutung der Anmeldung klarzustellen, und um keine sehr gefährlichen Täuschungen bestehen und Illusionen entstehen zu lassen. Wir beantragen deswegen, gesetzlich vorzuschreiben, daß in dem amtlichen Formblatt auf die Bestimmung des § 2 dieses Gesetzes ausdrücklich hinzuweisen ist.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Umdruck Nr. 381 Ziffer 6 ist durch die vorhergehenden Abstimmungen erledigt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage der Fraktion der SPD — Umdruck Nr. 382 Ziffer 20 — zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 24 unter Berücksichtigung dieser Abänderung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ist angenommen.
§ 25.
— Der Antrag der SPD ist gegenstandslos, und der Antrag der FDP hat sich auch erledigt, so daß wir über § 25 abstimmen können. Ich bitte die Damen
und Herren, die dem § 25 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
§ 26. — Ihr Antrag Ziffer 22, Herr Abgeordneter Seuffert?
— Der Antrag der SPD-Fraktion ist gegenstandslos. — Keine weiteren Abänderungsanträge. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
§ 27. — Zur Begründung des Abänderungsantrages der SPD-Fraktion — Umdruck Nr. 382 Ziffer 23 — Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag sieht an sich eine Selbstverständlichkeit vor. Natürlich kann niemand Richter oder Sachverständiger in eigener Sache oder in Sachen seiner Angehörigen sein. Nach der Entscheidung über die §§ 21 und 22 ist nur in unserem Antrag das Wort „Heimatauskunftstellen" zu streichen. Im übrigen bitten wir Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Meine Damen und Herren, wünscht jemand das Wort dazu? — Niemand. Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag, einen Abs. 3 in § 27 einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzust mmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Ich lasse nun über § 27 abstimmen. Ich bitte die
o Damen und Herren, die unter Berücksichtigung der eben beschlossenen Abänderung zuzus immer wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. § 27 ist angenommen.
Ich darf geschlossen aufrufen die §§ 28, — 29, — 30, — 31, — 32, — 33, — 34, — 35,— 36. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf den Fünften Abschn tt — Schlußvorschriften —, § 37. — Zu Ziffer 24 des Abänderungsantrages der SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt handelt es sich wieder um einen sehr ernsten Punkt des Gesetzes, nämlich um die Kosten der Durchführung des Gesetzes. Die Ausschußfassung nimmt Bezug auf die Vorschriften über die Durchführung des Lastenausgleichs. Sie überläßt es also einer späteren Gesetzgebung, festzulegen, wer die Kosten für die Behörden, die Verwaltungskosten, trägt. Es ist allgemein bekannt, daß die Kosten dieser Feststellung mindestens 110 bis 160 Millionen DM betragen, wenn man die Angelegenheit in etwa zwei Jahren durchführen will.
Bei einer etwas schnelleren Durchführung wird es wahrscheinlich noch teurer werden. Es ist weiter völlig klar, daß der hier vorgesehene Betrag von 9 DM pro Feststellungsbescheid als Kostenersatz an die Länder, die ja mit den Soforthilfebehörden inzwischen bis zum Lastenausgleich die Verwaltung
übernehmen müssen, nur einen Bruchteil der Kosten ausmacht. Bei geschätzten 3 bis 4 Millionen Feststellungsfällen sind es ungefähr 27 bis 36 Millionen DM von den eben genannten 110 bis 160 Millionen Mark, ganz abgesehen davon, daß in der Zwischenzeit, um die es sich hier handelt, wahrscheinlich überhaupt sehr wenig Feststellungsbescheide ergehen können und daß deswegen d' e Länder in vollem Umfange — ich sage Länder und meine damit zum sehr großen Teil die Gemeinden — diese Kosten vorzulegen haben werden.
Wenn wir das Gesetz in dieser Form verabschieden, so haben Sie, glaube ich, die Durchführung dieses Gesetzes in gar keiner Weise gesichert. Sie werden betteln gehen müssen bei den Leuten, von denen Sie die Kosten verlangen, und diese Bettelei wird keinen Erfolg haben. Wir haben uns mit dem Bundesrat schon oft über diese Frage unterhalten. Wir kennen die Stellungnahme des Bundesrats, der meisten Länder, und wir kennen auch die Finanzlage der Länder und Gemeinden. Meine Damen und Herren, wenn es Ihnen mit diesem Gesetz Ernst ist und wenn es so eilig ist, daß es jetzt durchgeführt werden muß, und zwar, wie vorgesehen, vor Fertigstellung der Lastenausgleichsgesetzgebung, dann werden .Sie sich entschließen müssen, die Kosten dieses Gesetzes auf den Bund zu übernehmen. Sie, die Regierung, die von Ihrer Mehrheit getragen wird, muß diese Kosten herbeischaffen. An diesem Punkt können Sie beweisen. wie ernst es Ihnen mit dem Gesetz ist. Alles andere — da können Sie Verfassungsänderungsvorschläge oder sonst was machen — bedeutet nur Ausweichen, Abschieben der Verantwortung, und letzten Endes bedeutet es, daß das Gesetz nicht durchgeführt werden wird.
Das ist die Frage, die wir hier mit unserem Antrag zur Entscheidung stellen. Ich schmeichle mir allerdings kaum mehr, eine Stellungnahme der Bundesregierung oder des Bundesfinanzministers oder wenigstens des Bundesf nanzministeriums zu dieser Frage zu erhalten. Als der Antrag, der diesem Gesetz zugrunde liegt, im Juli 1950 — nicht 1951, sondern 1950 — eingebracht wurde, habe ich dem Herrn Bundesfinanzminister hier Fragen gestellt, und ich habe ihm gesagt, daß sie im Protokoll stehenbleiben werden, bis die Antwort darauf kommt. Der Herr Bundesfinanzminister wird sich kaum der Hoffnung hingeben, daß wir nicht bemerkt haben, daß diese Fragen nicht beantwortet worden sind. Wir erinnern heute noch einmal daran, ohne allerdings, wie gesagt, nach allem Voraufgegangenen die Hoffnung zu haben, jetzt eine Antwort zu bekommen. Aber Sie, meine Damen und Herren, müssen die Antwort geben. Wir beantragen eine Fassung, nach der die Kosten der Durchführung dieses Gesetzes der Bund trägt.
Herr Abgeordneter Kunze!
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich in seiner überwiegenden Mehrheit entschlossen, den Vorschlag zu machen, den Sie in § 37 der Vorlage formuliert finden, die zur Beratung ansteht. Wir wollten nicht, weder nach der Seite der Belastung der Länder noch nach der Seite der Belastung des Bundes, präjudizieren, weil die ganze Frage der Tragung der Kosten, der Durchführung des Lastenausgleichs, für den dieses
Gesetz ein erstes Stück ist, erst im Lastenausgleich geregelt werden soll.
Ich beantrage namens der Regierungsparteien, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen. Ich glaube auch nicht, Herr Kollege Seuffert, wenn ich das persönlich sagen darf, daß wir mit dieser Art, Gegensätze zu konstruieren und Entscheidungsbereitschaft daran zu binden, daß man die Erfüllung bestimmter, von Ihnen gestellter Forderungen bejaht, in der Demokratie weiterkommen. Das heißt doch, die große Gefahr aufkommen lassen, daß wir aneinander vorbe reden, statt miteinander zu handeln. Ich beantrage, wie gesagt, namens der Regierungsparteien Festhalten an dem Beschluß und der Vorlage des Ausschusses.
Meine Damen und Herren, ich würde vorschlagen, das Heil-Rufen doch noch etwas zurückzustellen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Herr Abgeordneter Kohl, bitte schön!
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Deutsche Städtetag und Gemeindetag sich ebenfalls sehr eingehend mit der Frage beschäftigt haben, wer die Kosten für die Durchführung des Feststellungsgesetzes übernehmen soll. Wir sind der Meinung, daß diejenigen dafür verantwortlich zeichnen, die dieses Gesetz erdacht haben, nämlich in diesem Falle die Regie rungsmehrheit, die sich stark macht, dieses Gesetz sogar noch vor den Parlamentsferien durchzupeitschen. Aber es ist doch immerhin charakteristisch, daß Sie ausgerechnet hier, wo es um die Kosten geht, eine wesentlich andere Einstellung als be m § 2 haben. Beim § 2 wünschen Sie die Ausschließung irgendeines Anspruchs aus diesem Feststellungsgesetz, während Sie hier bereit sind, nun auf den Lastenausgleich Bezug zu nehmen, also eine ganz andere Stellung beziehen. Wir wissen, daß die Länder und die Gemeinden gezwungen sein werden, in ihrem Sozialetat Abstriche vorzunehmen, wenn sie mit diesen unerhörten bürokratischen Verwaltungskosten belastet werden. Wir sind nicht bereit, eine solche Politik mitzumachen. Sie, meine Herren von der Regierungsmehrheit, Sie haben das Gesetz erfunden, — zahlen Sie dafür nun auch die Kosten!
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der SPD Ziffer 24 des Umdrucks Nr. 382 betreffend Neufassung des § 37. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 37 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. § 37 ist angenommen.
Ich rufe § 38 und § 39 auf. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen beiden Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 40 auf. Der Antrag der SPD verlangt Streichung der Ziffer 3. Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit einigen Anträgen darum bemüht — und ich hoffe, Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage: redlich darum bemüht —, dem Gesetz die Form zu geben, die man ihm geben sollte, wenn man es überhaupt will. Ungeachtet der Tatsache, daß wir das Geselz nicht wollen, nachdem die Mehrheit es offenbar doch will, wollen wir hier im Plenum wie auch im Ausschuß dazu beitragen, es zu einem Gesetz zu machen, mit dem man sich sehen lassen kann, ohne sich von vornherein sagen zu müssen, daß es ein aussichtsloses Unternehmen war. Sie haben diese Anträge alle abgelehnt und haben nur an einer Stelle so ein kle n bißchen in der Richtung etwas gemacht, was immer noch nichts an der Tatsache ändert, daß es sich um eine recht willkürliche Auslese der festzustellenden Schadensfälle handelt, und was nichts an der Tatsache ändert, daß ganz große Personengruppen mit einem absolut legalen Anspruch auf gleichmäßige Behandlung ausgeschlossen worden sind. Das ist der Tatbestand.
Wenn man nun versucht, um diesen Tatbestand so ein bißchen rumzukommen — ich kann noch nicht einmal sagen, daß das sehr elegant geschieht —, indem man in dieses Gesetz hineinschreibt, daß man bei einer anderen Gelegenheit auch noch etwas anderes machen könnte, ist das, glaube ich, für ein Gesetz viel zu billig. Es ist doch ein Gesetz, in dem das gesagt werden muß, was es will oder nicht will, aber nicht irgendein Wunschzettel oder ein Versprechen; und auch in der Weihnachtszeit sollte man mit so einer Methode nicht Gesetze machen. Deshalb beantragen wir, diesen Abs. 3 zu strelchen, um ganz klar herauszustellen, was hier gewollt wird und was nicht gewollt wird. Wenn irgendwann einmal irgendeine Mehrheit sich finden sollte, um noch einen andern Schadenstatbestand festzustellen, — nun, dann ist das Haus immer souverän, und es kann das immer machen, auch ohne daß es sich vorher ausdrücklich das Recht dazu in einem früheren Gesetz vorbehalten hat.
Wir sollten das schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht machen, also nicht mit solchen vagen Versprechungen arbeiten, schon deshalb nicht, meine Damen und Herren, weil es uns — Verzeihung, weil es Ihnen - sowieso niemand glauben wird. Ich habe vorhin schon darauf aufmerksam gemacht, daß von der ursprünglichen Schadensfeststellung nur sehr wenig übriggeblieben ist. Man ist auf der Seite der Feststeller sehr bescheiden geworden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, die kann niemand verkennen. Es hat bisher noch keine Stellungnahme der Bundesregierung gegeben, in der sie ihre Einstellung zum Schadensfeststellungsgesetz änderte; im Gegenteil, mir ist nur eine sehr dezidierte Ablehnung dieser Geschichte durch den Herrn Bundesfinanzminister bekannt. Das ist nun einmal derjenige, der in diesen Dingen das entscheidende Wort zu sprechen hat, weil er für die Kosten aufkommen muß und irgendwie auch dann für die Kosten aufkommen
muß, wenn man sie in erster Instanz so auf die Länder abschiebt.
Es ist aber völlig ausgeschlossen und kann von niemand im Ernst erwartet oder gar nur in Aussicht gestellt werden, daß eines schönen Tages die Bundesregierung auf dem Weg von Rechtsverordnungen den Aufgabenkreis, der im Gesetz festgelegt ist, erweitern möchte. Darum möchten wir Ihnen im Interesse der Offenheit und der völligen Klarheit über das, was ist, und das, was nicht ist, vorschlagen, diesen Abs. 3 zu streichen.
Herr Abgeordneter Kunze, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag auf Streichung nicht stattzugeben. Wir haben uns doch bei dieser Ziffer 3 etwas gedacht.
— Sie wissen genau so gut wie ich, Herr Kollege Kriedemann, daß nach dem Entwurf des Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich ein sogenannter Härtefonds gebildet wird, über dessen Notwendigkeit wir im Grunde alle eins sind, und daß dieser Härtefonds besondere Härten mildern, insbesondere Ostzonenprobleme im Rahmen des Möglichen lösen sollte. Es scheint daher konsequent, wenn wir jetzt beim Feststellungsgesetz sagen: insoweit der Lastenausgleich solche Dinge festlegt, soll nach den Grundsätzen dieses Gesetzes nicht das Hohe Haus selbst, sondern, nachdem wir die Grundsätze festgelegt haben, die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die entsprechenden Maßnahmen treffen, damit für den Kreis der Lastenausgleichsberechtigten gleiche Rechtsgrundlagen geschaffen sind. Das war der Sinn und ist auch heute noch der Sinn und wird auch morgen noch der Sinn bleiben, den wir im Ausschuß mit Mehrheit erkannt haben.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 382 Ziffer 25 auf Streichung der Ziffer 3 des § 40 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Gegenprobe ergab die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 40 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - § 40 ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 41, — 42, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes. —
— Bitte, Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Überschrift bitte ich dann so zu fassen: ,,Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden und Ostschäden", entsprechend meinem Antrag zu Ziffer 1 auf Umdruck Nr. 381.
Dieser Antrag ist vorhin gestellt und angenommen worden. Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, Sie haben diese Veränderung hinsichtlich der Überschrift in Erinnerung. Es ist doch bereits beschlossen worden, auch hinsichtlich der Worte „und Ostschäden".
(Abg. Kunze: Ich würde als Untertitel sagen:
„"!)
- „". Meine Damen und Herren, ich darf feststellen, daß der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Nöll von der Nahmer angenommen worden und die Überschrift unter Berücksichtigung dieses Antrags zu ändern ist. — Das findet keinen Widerspruch.
Doch, bei Ihnen? Aber es scheint mir keine Mehrheit zu sein.
Also, meine Damen und Herren, ich stimme ab über die aufgerufenen §§ 41 und 42, Einleitung und Überschrift unter Berücksichtigung der eben festgestellten Abänderung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — bei Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, es für dieses Gesetz heute bei der zweiten Bera tung bewenden zu lassen
und heute keine dritte Beratung vorzunehmen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf den achten und letzten Punkt: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Ge- U biet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz (Nr. 2871 der Drucksachen).
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Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr.
Schatz. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von der Regierung eingebrachten beiden Gesetze, das Vierte und Fünfte Überleitungsgesetz zum gewerblichen Rechtsschutz, hat der Patentrechtsausschuß in drei Sitzungen behandelt. Zunächst ist zum Formellen zu sagen, daß der Patentrechtsausschuß beide Gesetze in ein Gesetz zusammengezogen hat, weil sie auf dem Ersten Überleitungsgesetz beruhen und das Erste Überleitungsgesetz sowohl die Materie des Entwurfs des Vierten Überleitungsgesetzes bezüglich des Warenzeichenrechts wie die des Entwurfs des Fünften Überleitungsgesetzes bezüglich des Patentrechts enthält. Deshalb wurde für das neue Gesetz die folgende Fassung gewählt:
Viertes Gesetz zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes.
Zum Materiellen ist folgendes auszuführen. Der Entwurf zum Fünften Überleitungsgesetz — das ist der Regierungsentwurf, der das Patentrecht enthält — ist deshalb vorgezogen worden, weil das
Patentrecht im Verhältnis zum Warenzeichenrecht dominiert. Deshalb ist auch die Materie des Fünften Gesetzes als § 1 des Vierten Gesetzes genommen worden. Hier geht es grundsätzlich um folgendes.
Als der Wirtschaftsrat das Erste Überleitungsgesetz schuf, hat er das Patentverfahren nach dem Patentgesetz dahin abgeändert, daß er das ordentliche Vorprüfungsverfahren für eine gewisse Zeit ausgeschaltet hat. Es wurde ein Prüfungsverfahren einfacher Art eingeführt, das insbesondere nicht vorsieht, daß jede Anmeldung eines Patents von Amts wegen auf Neuheit zu prüfen ist. Dies war deshalb notwendig, weil das Patentamt über wenig Personal verfügte, weil insbesondere auch der Akteneinlauf sehr groß geworden war und außerdem der Prüfstoff in alle Winde verstreut war. Inzwischen haben sich die Verhältnisse gebessert. Das Patentamt beschäftigt heute 1200 Personen und wird auf Grund dieses Gesetzes Neueinstellungen vornehmen, die haushaltsmäßig bereits geregelt sind. Ferner ist der Prüfstoff weitestgehend wieder beigebracht worden, so daß das Patentamt in der Lage ist, den früheren Bestimmungen des Patentgesetzes in großem Umfange wieder gerecht zu werden. Selbstverständlich ist es aber nicht möglich, daß sofort alle neuen Patentanmeldungen und alle überhaupt beim Patentamt lautenden Patentverfahren nach den neuen Gesichtspunkten behandelt werden. Wenn Sie bedenken, daß das Patentamt etwa 130 000 Rückstände hat, die aber normal und nicht etwa auf Faulheit zurückzuführen sind, und daß außerdem in jedem Jahre etwa 55 000 neue Patentsachen eingehen, so können Sie sich vorstellen, daß sich der Ausschuß nicht entschließen konnte, jetzt schon global das alte Verfahren wiedereinzuführen. Deshalb wurde beschlossen, daß von einem Stichtag an — das ist der 1. Januar 1952 — alle neuen Patentanmeldungen nach dem alten bewährten Rezept des Vorprüfungsverfahrens, also der Prüfung auf Neuheit, behandelt werden sollen. Dies ist der Sinn des § 1 des Gesetzes, den wir in der Form gefaßt haben, daß wir die Erstreckungsformel, die seinerzeit zum Ersten Überleitungsgesetz geschaffen worden ist, „erstreckt durch Verordnung der Bundesregierung auf die Länder Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und den bayerischen Kreis Lindau" eingefügt haben.
Wenn wir zu dem alten Verfahren zurückkehren, dann müssen wir § 3 des Ersten Überleitungsgesetzes des Wirtschaftsrates ändern; denn dieser enthält die Bestimmung über das einfache Prüfungsverfahren. Wir haben deshalb zu prüfen gehabt, welche Bestimmungen dieses Verfahrens in § 3 ganz aufzuheben waren, welche für die Zeit vom 1. Januar 1952 an für die neuen Verfahren aufzuheben waren und welche für die alten Verfahren noch gelten sollten. Aufgehoben wurde insbesondere die Ziffer 2, und zwar deshalb, weil es nicht mehr nötig ist, den deutschen Patentsucher so zu schützen, wie wir ihn bisher schützen mußten. Wenn nämlich bisher ein deutscher Patentsucher sein Patent im Ausland anmelden wollte, so lief er oft Gefahr, nicht zum Ziele zu kommen, weil die zwischenstaatliche Regelung mit den verschiedenen Ländern noch nicht geklärt war. Inzwischen sind die verschiedenen zwischenstaatlichen Regelungen erfolgt — ich erinnere Sie nur an die Gesetze, die Sie selbst hier beschlossen haben und bei denen ich Ihnen Bericht erstatten durfte —, so daß wir Ziffer 2 nicht mehr brauchen.
Ferner wurden die Ziffern 1, 6 und 7 des § 3 für .die Anmeldung nach dem 1. Januar 1952 aufgehoben. Die Aufhebung der Ziffer 1 bedeutet, daß die Neuheitsprüfung tur die Anmeldung nach dem 1. Januar 1952 wieder eingeführt wird. Ziffer 6 ist eine Verfahrensvorschrift; in Zukunft gilt insoweit wieder das alte Patentverfahren. Die Aufhebung von Ziffer 7 schließlich bedeutet, daß die bisherige sogenannte Abgrenzungshilfe, nämlich daß der Gegenstand der Anmeldung nach dem Stande der Technik abgegrenzt wurde, sich jetzt wieder nach dem alten Verfahren richtet; denn wir haben jetzt wieder die Möglichkeit, daß das Patentamt auf Grund seines Prüfstoffes dem Anmelder neuheitsschädliches Material weitestgehend entgegenhalten kann. Diese drei Gesichtspunkte hatte die Regierung selbst in ihrem Entwurf.
Der Ausschuß hat darüber hinaus aber noch die Ziffer 4 eingesetzt. Dazu ist hier folgendes zu sagen. Ziffer 4 behandelt die sogenannte Einspruchsgebühr. Bisher war bei einem Einspruch gleichzeitig mit diesem eine Gebühr von 30 DM zu erlegen. Dies hat vor allem in den Kreisen der Beteiligten viel Unmut erregt, denen es Schwierigkeiten machte, eine solche Gebühr zu bezahlen und die vielleicht im Zivilprozeß das Armenrecht zugebilligt bekommen hätten. Wir haben daher den Gedanken aufgegriffen, gewisse soziale Momente in das Gesetz hineinzutragen, und uns entschlossen, zu bestimmen, daß für die Verfahren, die ab 1. Januar 1952 neu laufen, eine Einspruchsgebühr nicht mehr erhoben wird. Für die alten Verfahren soll die Gebühr weiterhin erhoben werden, damit nicht leichtfertige Einsprüche eingelegt werden und auf diese Weise die Abwicklung der alten Verfahren lange hinausgezogen wird.
Nun zu dem sogenannten Vierten Überleitungsgesetz der Regierung, dem § 2 des jetzigen Vierten Überleitungsgesetzes. Hier mußten wir natürlich den § 11, d. h. die Präambel dieses Gesetzes, nachdem es nicht mehr selber Gesetz ist, sondern § 2 wird, insofern abändern, als wir nur sagten: „§ 11 des Ersten Überleitungsgesetzes erhält . . ." Damit ist gesagt, welches Gesetz gemeint ist. Es handelt sich hier um das Warenzeichenrecht. Wenn der deutsche Inhaber eines Warenzeichens sich seine Rechte im Ausland sichern wollte, mußte er die sogenannte Prioritätsfrist einhalten, eine Frist, die sechs Monate lief, gerechnet von der Anmeldung beim Patentamt an. Nachdem aber der § 11 des Überleitungsgesetzes — der Wirtschaftsrat sah auch dort ein einfaches Verfahren vor — eingeführt worden war, dahingehend, daß jede Anmeldung drei Monate lang bekanntgemacht werden mußte und dann das weitere Verfahren sich anschloß, so daß meistens sechs Monate vergingen, bis überhaupt die offizielle Eintragung in die Warenzeichenrolle möglich war, lief der deutsche Inhaber des Warenzeichens oft Gefahr, daß er die Frist im Ausland versäumte. Deshalb ist hier vorgesehen, diese Bestimmung zu ändern. Es ist nicht möglich, etwa im internationalen Warenzeichenrecht zu erreichen, daß die Prioritätsfrist von sechs Monaten auf 12 Monate verlängert wird. Deshalb mußten wir uns vorübergehend zu einer anderen Regelung entschließen. Wir konnten aber auch nicht zum alten Warenzeichenrecht zurückkehren — deshalb wurde hier der § 11 abgeändert —, weil eine Neukodifizierung des Warenzeichenrechts ohnedies vorgesehen ist und wir auch abwarten müssen, wie sich die Revision des internationalen
Warenzeichenrechts, die in der nächsten Zeit stattfinden soll, in bezug auf die deutschen Verhältnisse auswirken wird. Wir haben deshalb dem Entwurf der Regierung grundsätzlich zugestimmt, der besagt, daß das Warenzeichen desjenigen Deutschen sofort eingetragen wird, der ein berechtigtes Interesse nachweist und glaubhaft macht, daß er eine Anmeldung im Ausland hat und daß das Recht jenes Landes die Eintragung seines Rechtes in Deutschland zur Bedingung macht. Er hat natürlich damit zu rechnen, daß aas Verfahren, das in jedem Falle noch nachträglich folgt, die Übereinstimmung seines Warenzeichens mit einem anderen ergibt. Dann wird sein Warenzeichen wieder gelöscht, und er verliert auch das Recht im Ausland. Der § 6 a wurde deshalb von uns in der Fassung der Regierung grundsätzlich angenommen. Nur haben wir noch die Möglichkeit berücksichtigt, daß unter Umständen die Bekanntmachung der Anmeldung bereits beschlossen ist. Für diesen Fall haben wir in Abs. 1 eingefügt, daß anstatt der Bekanntmachung der Anmeldung schon die Eintragung erfolgen kann. Außerdem haben wir, damit das Verfahren zügig vor sich geht und eine gewisse Straffheit geschaffen wird, den Antrag, den der Betreffende unter Glaubhaftmachung stellen muß, von der Innehaltung einer Frist von zwei Wochen nach Zugang des Beschlusses über die Bekanntmachung abhängig gemacht. Damit ist der Antragsteller gezwungen, sich fristgemäß zu entscheiden. Außerdem wurde die Annahme des Antrags von der Entrichtung einer Gebühr von 50 DM abhängig gemacht. In Erweiterung der Regierungsvorlage haben wir eingefügt:
wird sie
— die Gebühr von 50 DM —
nicht gezahlt, so gilt der Antrag als nicht gestellt.
Damit wollen wir erreichen, daß nicht allzuviel derartige Fälle vorkommen und das Patentamt vor allem die Möglichkeit hat, die Fälle, die ihm zugetragen werden, dann, wenn der Antrag berechtigt ist, rasch zugunsten des Betreffenden abzuwickeln.
Die Absätze 2 und 3 des § 6 a beziehen sich auf die Folgerungen, die sich aus dem Widerspruchsverfahren bei einem bereits eingetragenen Warenzeichen ergeben. Der Betreffende hat die daraus entstehenden Folgen selbst zu tragen. Außerdem sind die Verfahrensbestimmungen dann andere. Ist sein Warenzeichen eingetragen und wird die Übereinstimmung mit einem anderen festgestellt, dann wird es gelöscht. Ist es nicht übereinstimmend und hat jemand Widerspruch erhoben, dann wird eben der Widerspruch zurückgewiesen.
Der § 3 betrifft die Inkraftsetzung des Gesetzes.
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz wird von der deutschen Wirtschaft, insbesondere auch von der deutschen Exportindustrie, sehr begrüßt. Der Bundesrat hat zu den Entwürfen seine Zustimmung gegeben. Der Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz hat in drei Sitzungen unter Heranziehung des Materials und der Eingaben, die vor allem die Patentorganisationen an uns gerichtet haben, und unter Berücksichtigung der Fachliteratur das Für und Wider geprüft. Wir sind einstimmig zu dem in Drucksache Nr. 2871 niedergelegten Ergebnis gekommen. Ich habe Sie zu bitten, diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf § 1. — Keine Wortmeldungen. § 2. — Keine Wortmeldungen. § 3, — Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die in der zweiten Beratung den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Frage die Mehrheit.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Zur allgemeinen Aussprache wünscht niemand das Wort Zur Einzelberatung: §§ 1 bis 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen.
Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Danke; angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben, — Das ist die Mehrheit. Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die 179. Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 6. Dezember, 13 Uhr 30, und schließe die 178. Sitzung des Deutschen Bundestags.