Rede von
Dr.
Linus
Kather
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß auch in diesem Falle feststellen, daß von der SPD-Fraktion ein Antrag gestellt wird, Paragraphen zu streichen, die mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten im Vertriebenenausschuß einstimmig angenommen worden sind.
— Ja, ich will nur sagen, daß es in Ihren Reihen Damen und Herren gibt, die eine ganz andere Ansicht hatten. Ich kann Ihnen darüber hinaus sagen, und Sie werden es bei der Abstimmung sehen, Herr Kriedemann, daß es auch noch jetzt Herren in Ihrer Fraktion gibt, die eine andere Meinung haben.
— Gut, schön. Damit sollte nur einmal klargestellt sein, daß Ihre Meinung nicht völlig unbestritten ist.
— Ja, meine Herren, Sie haben etwas weniger Meinungsfreiheit als wir, das wollen wir unumwunden zugeben.
— Na, ich glaube, in dem Glashaus sitze ich wirklich nicht, daß ich mir nicht die nötige Meinungsfreiheit nehme.
Die Heimatauskunftstellen haben nicht den Zweck, irgendwelche Leute unterzubringen; im Gegenteil, ich glaube, daß es uns schwerfallen wird, die nötigen Leute aufzutreiben. Wir sind, wie Sie aus der Ausschußfassung entnehmen können, in dieser Hinsicht doch sehr ökonomisch vorgegangen. Es ist vorgesehen, daß eine, eventuell auch mehrere hauptamtliche Kräfte als Leiter in Betracht kommen; das muß sich nach dem Arbeitsanfall richten.
Es ist heute schon mehrfach angezweifelt worden, ob es den Initiatoren dieses Gesetzes — wie man sich ausdrückt — nun wirklich auf eine echte Feststellung ankommt. Meine Damen und Herren, es kommt uns wahr und wahrhaftig darauf an, daß diese Aktion keinen Schiffbruch erleidet. Dazu gehört auch, daß nicht Feststellungen getroffen werden, die keine reelle Grundlage haben und die irgendeiner ernsthaften Nachprüfung nicht standhalten. Niemand kann leugnen, daß die Situation, in der insbesondere die Vertriebenen sind, einen Anreiz bieten könnte, falsche, unrichtige oder unvollständige Angaben zu machen. Es wird überall mit Wasser gekocht, und wir wollen uns nicht für
besser halten, als wir sind. Wir haben deshalb Sicherungen eingebaut. Wir haben die Sicherung eingebaut, die nachher noch zur Sprache kommt und für meine Begriffe sehr weitgehend ist, daß schon grobfahrlässig falsche Angaben zum Verlust des Anspruchs führen können, gleichgültig ob sie in eigener oder in eines anderen Sache gemacht werden. Eine weitere Sicherung ist die Einrichtung der Heimatprüfstellen. Wenn die Leute wissen, daß Männer und Frauen aus ihrer Gegend, aus ihrer Ortschaft oder aus ihrem Kreis diese Anträge zu sehen bekommen, dann werden sie dadurch zur Vorsicht aufgerufen und werden sich im Wissen um die harten Strafen, die wir darauf gelegt haben, hüten, unrichtige Angaben zu machen.
Nun hat Herr Kriedemann ausgeführt, diese Männer kämen in eine fürchterliche Lage, wenn sie Aussagen über die Angaben ihrer eigenen Landsleute machen müßten. In diese „fürchterliche Lage" kommt jeder Zeuge und jeder Gutachter in jedem Zivilprozeß, und in diese „fürchterliche Lage" kommen die Zeugen auch in diesem Verfahren. Denn, meine Damen und Herren, selbst wenn Sie diese beiden Bestimmungen strichen, würden Sie doch wohl niemals so weit gehen, womöglich auch noch den Zeugenbeweis und den Gutachterbeweis auszuschließen. Daran kann wohl niemand denken. Wenn wir auf der einen Seite bemüht sein müssen und bemüht sind, dafür zu sorgen, daß es wirklich Leute von Charakter sind, Leute, zu denen man Vertrauen haben kann, dann darf man diesen Leuten auch eine solche Gutachtertätigkeit anvertrauen. Ich darf auch mit besonderem Nachdruck darauf hinweisen, daß es sich nur um Auskunftsstellen handelt. Diese Stellen haben keine Entscheidungen zu treffen, sondern es ist ausdrücklich bestimmt worden, daß der Ausschuß. der die Entscheidung trifft, von diesem Gutachten auch abweichen kann.
Herr Kriedemann hat dann erwähnt, daß mit dem Gedanken gespielt worden sei, die eidesstattlichen Versicherungen oder die Eidesleistung zuzulassen. Nun, so etwas Furchtbares ist das nicht.
Im Zivilprozeß haben wir bis heute immer noch den Parteieid,
und bei uns in Deutschland werden Tausende von eidesstattlichen Versicherungen abgegeben. Ich will nur daran erinnern, wieviel eidesstattliche Versicherungen allein in den Entnazifizierungsverfahren abgegeben worden sind.
Ich halte es allerdings nicht für richtig, daß man in einem Verfahren, das nach Lage der Dinge unter besonderer Beweisnot leidet, wie auch Herr Kriedemann zugegeben hat, die Beweismittel einengt. Ich werde auch zu der Frage der Beweismittel keinen Antrag stellen, nicht aus Mangel an Mut, wie Herr Seuffert vorhin erklärt hat, sondern weil ich mir keinen Erfolg verspreche. Herr Seuffert, Sie waren am wenigsten berechtigt, mir das zu sagen, nachdem Sie
gegen einen Antrag gestimmt haben, der in Ihrer Linie lag.
Dann verliert man nicht den Mut, dann verliert man allenfalls die Lust, Anträge zu stellen.
Aber wenn wir uns schon damit abfinden wollen, daß die eidesstattliche Versicherung und der Parteieid im Feststellungsverfahren nicht zum Zuge kommen, dann ist es unmöglich, auch noch die Heimatauskunftstellen abzuschaffen; denn das würde in der großen Zahl der Fälle dazu führen, daß unsere Leute den erforderlichen Beweis nicht erbringen können.
Deshalb bitte ich Sie dringend, es dabei zu belassen.
Ich will auch in diesem Zusammenhang nochmals auf das Beispiel von Finnland verweisen. Dort hat man 132 Schätzungsausschüsse auf Heimatgrundlage gebildet, und dort sind die Leute nicht in eine „fürchterliche Lage" gekommen. Man hat auch nicht gehört, daß sich dort irgendwelche Unzuträglichkeiten ergeben haben. Sie können sich von Herrn Kollegen Zühlke bestätigen lassen, daß das, was ich hier sage, richtig ist.
Ich halte es deshalb für unerläßlich, daß diese Heimatprüfstellen bestehen bleiben, und ich bitte die Damen und Herren dringend, den Antrag der SPD abzulehnen.