Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der ersten Lesung des Initiativgesetzentwurfes über die Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste hat der Sprecher unserer Fraktion klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß und warum wir gegen ein selbständiges spezielles Feststellungsgesetz sind. Ich bin auch heute noch der Überzeugung, daß in dieser Haltung sehr viel mehr Mut und sehr viel mehr Verantwortungsbewußtsein gelegen hat, als alle diejenigen für sich in AnSpruch nehmen können, die nun in dem Gestrüpp, das sie selbst haben aufwuchern helfen, so gefangen sind, daß wir uns heute mit der Vorlage, wie sie nun aus dem Lastenausgleichsausschuß herausgekommen ist, befassen müssen.
Es ist eine schwere Verantwortung, die diejenigen auf sich geladen haben, die mit ihren Versprechungen über ein Schadensfeststellungsgesetz und mit ihrer Art der Darstellung der Bedeutung eines speziellen Schadensfeststellungsgesetzes Illusionen hervorgerufen und Hoffnungen erweckt haben und die nun am eigenen Leibe erfahren werden, was es bedeutet, wenn mit der Vorlage dieses Gesetzes alles das, was von dem Gesetz erwartet wurde, in sich zusammenfällt. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß es völlig unmöglich ist, ohne Zusammenhang mit dem Lastenausgleichsgesetz Bestimmungen über die Feststellung von Schäden zu treffen. Erst wenn man das Gesetz fertig hat und erst wenn man weiß, an welche Voraussetzungen die Gewährung von Leistungen aus dem Lastenausgleichsgesetz geknüpft werden wird, erst dann kann man entsprechende Bestimmungen treffen. Man hat uns darauf erwidert, es handle sich gar nicht um eine Maßnahme dieser Art, sondern es sei sowieso notwendig, einmal den Schaden festzustellen. Mit dieser Behauptung hat man gerade draußen besonders viel Beifall hervorgerufen. Die einen haben Sorge gehabt, daß mit der seit der Vertreibung verstreichenden Zeit die Erinnerung an das nachlassen müsse, was der einzelne verloren habe. Andere haben sogar gemeint, man müsse sich nun schleunigst daran machen, alle Unterlagen zusammenzutragen, die bei einem späteren Friedensvertrag oder bei Verhandlungen über Reparationen als Beweis für die deutschen - allerdings sehr unfreiwilligen — Leistungen beigebracht werden müßten.
Wir haben das eine wie das andere bestritten und haben insbesondere gegenüber der letztgenannten Auffassung immer wieder darauf hingewiesen, welche gefährlichen Illusionen heraufbeschworen und welche unerfüllbaren Hoffnungen damit erweckt werden müssen.
— Nein, ich will meinen Antrag begründen! Einen Augenblick!
Nun, meine Damen und Herren, jetzt haben wir ein Feststellungsgesetz vor uns, das weder das eine noch das andere ist. Es ist nicht ein Stück Vorwegnahme des Lastenausgleichsgesetzes. Das können Sie daran erkennen, daß hier nach ganz anderen Gesichtspunkten festgestellt wird, als es nach der heute schon unbestrittenen Auffassung später beim Lastenausgleich erforderlich sein wird. Hier wird eine bis ins einzelne gehende Vermögensschadenfeststellung versucht, während man im Lastenausgleichsgesetz mit Schadengruppen arbeitet. Aber auf der andern Seite ist es auch kein echtes Feststellungsgesetz, denn man bescheidet sich plötzlich mit der Feststellung eines Ausschnitts der Schäden.
Um so schwerer wiegt die Tatsache, daß die Beratung dieses Gesetzes unsere Besorgnis bezüglich des damit verbundenen Zeitverlustes leider in vollem Umfange bestätigt, ja noch übertroffen hat. Wir könnten mit der Beratung, d. h. im gegenwärtigen Stadium schon mit der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes um einen vollen Monat weiter sein, wenn wir nicht
- meine Herren, fragen Sie Ihre Kollegen, die im Ausschuß mitarbeiten; das ist dort mehr als einmal ohne Widerspruch festgestellt worden, weil es so auch stimmt —, ich sage also: wir könnten damit weiter sein, wenn wir nicht soviel kostbare Zeit mit dem Feststellungsgesetz verbracht hätten. Wenn es aber nun hier schon beschlossen werden soll und da es nicht als ein Stück vorweggenommenen Lastenausgleichsgesetzes beschlossen werden kann, dann ist das — —
- Was Propaganda ist, müssen Sie selber wissen! Hoffentlich ist das ganze Feststellungsgesetz von Ihnen nicht Propaganda gewesen. Sie gehören ja mit zu denen, die es eingebracht haben! — Wenn aber nun schon festgestellt werden soll, muß nach unserer Meinung auch wirklich ernsthaft festgestellt werden. Denn wenn wir sicherlich nicht frei sind in der Bemessung der Leistungen aus dem Lastenausgleich, die sich nach den naturgemäß begrenzten Mitteln richten, so sind wir vollkommen frei in der Feststellung des Schadens aller Art, den der Krieg den Deutschen beschert hat. Und daß man draußen im Lande, gerade nachdem so schrecklich viel von der Bedeutung des Feststellungsgesetzes seitens der Herren Initiatoren geredet worden ist, ein solches Feststellungsgesetz nicht als die Einlösung des gegebenen Versprechens anerkennt, haben Sie ja wohl alle den zahlreichen Zuschriften entnommen, mit denen sich die Bevölkerungskreise, deren Schäden hier nicht festgestellt werden sollen, zum Worte gemeldet haben.
Wenn Sie nun fragen, warum denn aus dem sehr detaillierten Gesetzentwurf, den uns die FDP-Fraktion hier vorgelegt hat, zum Schluß eine so verhältnismäßig bescheidene Angelegenheit geworden ist, so ist des Rätsels Lösung sehr einfach. In den Beratungen hat sich nämlich herausgestellt, was alles noch in Erscheinung tritt und was noch alles auf uns zukommt, wenn man an eine solche Aufgabe herangeht. Nicht nur die Kosten, sondern auch die technischen Schwierigkeiten und gewisse andere Gesichtspunkte haben sich dann so geltend gemacht, daß auch die Verfasser des Entwurfs zum Schluß nicht mehr gewagt haben, ihre Forderung in dem Umfange, in dem sie sie zunächst einmal aufgestellt hatten, aufrechtzuerhalten. Sie sind allerdings nach unserer Meinung auch heute noch verpflichtet, wenn Sie überhaupt feststellen wollen, in dem versprochenen, ursprünglich angeregten Umfang festzustellen. Niemand wird es verstehen, und es wird draußen nicht verstanden werden können, wenn wir heute ganz willkürlich die eine oder die andere Gruppe von Schäden herausnehmen und über den großen Rest nur etwas sagen, was in einem Gesetz sowieso überflüssig ist, daß nämlich der Bundestag bei irgendeiner anderen Gelegenheit auch darüber noch einmal ein Gesetz machen kann.
Gerade nach den Erfahrungen mit diesem Feststellungsgesetz wird niemand glauben, daß es noch die ehrliche Absicht ist, in absehbarer Zeit ein zweites und vielleicht auch ein drittes Feststellungsgesetz zu machen oder dieses Feststellungsgesetz auszuweiten; und Sie werden es wahrscheinlich auch selber nicht glauben.
Wir sind deswegen der Meinung — und das wollen wir Ihnen in Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 382 mit der Bitte um Annahme vorschlagen —,
daß wir im § 1 oder in einem der folgenden Paragraphen sagen sollten, um was es sich hier handelt, nämlich um die Feststellung der kriegsbedingten Schäden. Wir schlagen deshalb vor, daß wir außer den Vertreibungsschäden und den Kriegssachschäden auch die Sparerschäden und die Schäden durch kriegsbedingten Vermögensentzug hier in dieses Gesetz aufnehmen.
Ich muß in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß wir den Kreis der Schäden nicht nur mit dem § 1 richtig zu umschreiben versuchen, sondern daß wir den § 7 entsprechend ändern. Sie finden das unter Ziffer 8 auf der zweiten Seite unseres Antrags. Denn es ist völlig unerklärlich, warum z. B. ein Vertriebener den Schaden, den er im Bundesgebiet erlitten hat, anmelden können soll, während ein Einwohner des Bundesgebiets den Kriegssachschaden, den er im Vertreibungsgebiet erlitten hat, nicht soll anmelden können. Dieser Änderungs- und Streichungsvorschlag für § 7 wird von Ihnen hoffentlich auch mit angenommen werden.
Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Abänderungsanträge der CDU/CSU und der FDP nicht dem entsprechen, was wir hier vorschlagen. Sie versuchen zwar in etwa, der begreiflichen Empörung zu entsprechen, die sich draußen gemeldet hat, als bekannt wurde, in welch bescheidenem Umfange hier nun festgestellt werden soll. Sie versuchen es aber nur in sehr bescheidenem Umfange, hier etwas auszuweiten, und gehen nach wie vor nicht dazu über, das zu tun, was man von einem Feststellungsgesetz erwartet, nämlich alle Schäden festzustellen.
In § 2 des Gesetzes steht sowieso ausdrücklich, daß das, was hier festgestellt wird, mit dem Lastenausgleich in der Praxis nichts zu tun hat; und daß die Anmeldung und Anerkennung von Schäden zu keinerlei Erwartungen in puncto Lastenausgleich berechtigt, ist doch von allen immer wieder bei jeder Gelegenheit gesagt worden. Sie können also nicht mit dem Einwand kommen, daß die Ausweitung des Gesetzes im Sinne unserer Anträge Erwartungen heraufbeschwöre, von denen man jetzt schon weiß, daß sie nicht — oder wenigstens nicht in absehbarer Zeit — erfüllt werden können.
Ich bemerke zum Schluß, daß wir dann selbstverständlich auch die Überschrift des Gesetzes entsprechend ändern müssen. Ich möchte mich in diesem Augenblick darauf beschränken, Ihnen die Annahme von Ziffer 1, von Ziffer 3 und insbesondere von Ziffer 8 zu empfehlen. Eine Reihe von anderen Ziffern unseres Antrags ergeben sich aus dem Zusammenhang. Wir werden diese einzelnen Ziffern noch jeweils bei der Abstimmung über die einzelnen Paragraphen vertreten.