Meine Damen und Herren! Die dem Hohen Hause als Drucksache Nr. 2810 unterbreitete Gesetzesvorlage geht auf einen Antrag der Abgeordneten Kather und Genossen sowie der Fraktion der FDP vom 12. Juli 1950 zurück. Es handelt sich also nicht um eine Regierungsvorlage, sondern um einen aus der Mitte des Bundestages eingebrachten Gesetzesvorschlag. Der Bundestag hat diesen Entwurf eines Feststellungsgesetzes in seiner 79. Sitzung vom 26. Juli 1950 federführend dem Lastenausgleichsausschuß und gleichzeitig dem Vertriebenenausschuß überwiesen. Beide Ausschüsse waren Ende des Jahres 1950 zu Ergebnissen gekommen, die nunmehr aufeinander abgestimmt werden sollten. Da trat Ende des Jahres 1950 ein neues Ereignis insofern ein, als die Regierung ihren Entwurf eines endgültigen Lastenausgleichsgesetzes vorlegte, die mittlerweile berühmt gewordene Drucksache Nr. 1800. Der Bundestag hat diese Drucksache in seiner Sitzung vom 31. Januar 1951 dem Lastenausgleichsausschuß überwiesen. Dieser Entwurf enthält nun ebenfalls einen Abschnitt über das Feststellungsverfahren. Damit ergab sich die Frage, ob ein vorgezogenes selbständiges Feststellungsgesetz überhaupt noch sinnvoll sei.
Der Lastenausgleichsausschuß hat diese Frage mit großer Eindringlichkeit geprüft. Er mußte sich dabei einen Überblick über die Gesamtlage verschaffen und erst einmal die tragenden Gedanken des Regierungsentwurfs zum allgemeinen Lastenausgleichsgesetz herausarbeiten. Zum Thema „Feststellung" ergab sich, daß die Feststellung, die der Regierungsentwurf beabsichtigt, nicht lückenlos sein soll; sie soll nur von Fall zu Fall und nur im Hinblick auf eine schon in Aussicht genommene Entschädigung erfolgen. Dagegen ging die Meinung insbesondere der Heimatvertriebenen dahin, daß sie auf eine lückenlose und auf eine baldige Feststellung Wert legen müßten; denn für sie werden die Beweismöglichkeiten im Laufe der Jahre immer schwieriger, weil die Zeugen und Sachverständigen, die sie für den Nachweis brauchen, wegsterben. Im Laufe des Sommers hat sich im Lastenausgleichsausschuß die Meinung durchgesetzt, daß es ,aus diesen Gründen und auch um eine Beruhigung in den aufgeregten Kreisen der Heimatvertriebenen und Kriegssachgeschädigten zu erzielen, zweckmäßig sei, nunmehr das Feststellungsgesetz vorzuziehen. Es wurde ein besonderer Unterausschuß eingerichtet, der sich in einer Reihe von Sitzungen — es waren 23 Sitzungen — mit der Angelegenheit befaßte. Er legte dann seinen Entwurf dem Lastenausgleichsausschuß vor. Dieser hat sich in sieben Sitzungen mit dem Entwurf beschäftigt und dann die Fassung erarbeitet, die Ihnen heute in Drucksache Nr. 2810 vorgelegt worden ist.
Der Lastenausgleichsausschuß und sein Unterausschuß haben die Einwände, die aus Gründen der Logik, der Systematik und der Gesetzestechnik gegen die Herauslösung der Schadensfeststellung
aus dem allgemeinen Lastenausgleichsgesetz erhoben wurden, immer wieder einer gründlichen Prüfung unterzogen, zumal diese Bedenken auch vom Bundesrat geteilt wurden. Es ist zweifellos richtig, daß die Feststellung, soweit sie die Voraussetzungen und Grundlagen für materielle Ausgleichsleistungen schaffen soll, in letzter Vollendung und Zweckmäßigkeit erst dann erfolgen kann, wenn das Lastenausgleichsgesetz über die hierfür maßgeblichen personellen und materiellen Voraussetzungen endgültig entschieden hat. Die seitherigen monatelangen Beratungen über das Lastenausgleichsgesetz haben jedoch in so vielen wesentlichen Punkten und Grundbedingungen Einigkeit ergeben, daß es durchaus möglich war, schon in dem vorgezogenen Feststellungsgesetz wesentliche Dinge vorweg zu regeln. Damit würde dann gleichzeitig dem Lastenausgleichsgesetz eine Aufgabe abgenommen, die es sonst von sich aus lösen müßte. Daß das Feststellungsgesetz hier und dort auf die kommende Lastenausgleichsgesetzgebung verweisen muß, ist eine gesetzestechnische Unzulänglichkeit. Aber nach Auffassung der Ausschußmehrheit muß dies in Kauf genommen werden. Das an sich löbliche Streben nach gesetzestechnischer Perfektion muß hinter das praktische Postulat zurücktreten, nach den langen Jahren des Wartens nunmehr mit der Lösung des schicksalschweren Problems des Lastenausgleichs einen spürbaren Anfang zu machen.
Sinn und Zweck des Feststellungsgesetzes ist es, den Geschädigten eine amtliche Bestätigung über Art und Höhe ihrer Verluste zu verschaffen und die beschleunigte Durchführung des Lastenausgleichs zu ermöglichen. Die für die Geschädigten praktisch wichtigste Frage jedoch ist, ob, inwieweit, in welcher Form und unter welchen Modalitäten die festgestellten Schäden und Verluste eine Entschädigung zur Folge haben werden. Diese Frage wird" erst durch das endgültige Lastenausgleichsgesetz entschieden werden. Die Schadensfeststellung im Zuge des Feststellungsgesetzes begründet also für sich allein keinen Anspruch auf Berücksichtigung im materiellen Lastenausgleich.
Es ist — entgegen der von einer Minderheit vertretenen Auffassung — nicht Sinn und Zweck des Feststellungsgesetzes, eine Inventur aller Schäden und Verluste zu ermöglichen, die .durch den Krieg und seine Folgen entstanden sind. Die Feststellung wird vielmehr lediglich für zwei Gruppen von kriegsbedingten Vermögensverlusten zugelassen, nämlich für die Vertreibungsschäden und für die Kriegssachschäden. Es fallen also heraus die Währungsschäden, die Verluste an Auslandsguthaben, die Demontage- und Besatzungsschäden und anderes mehr, nicht weil man diese Schäden für weniger drückend hielte, sondern deswegen, weil sie nach ihrer Entstehungsursache, nach dem Personenkreis, nach ihrem inneren Gehalt besonders gestaltet und hinsichtlich der Methoden der Feststellung besonderen Bedingungen, auch solchen außenpolitischer Art, unterworfen sind, so daß ihre Regelung Spezialgesetzen vorbehalten bleiben muß. Für den großen Kreis der Währungsgeschädigten sei in diesem Zusammenhang auf das Altsparergesetz — Drucksache Nr. 1874 — verwiesen, das zur Zeit im Lastenausgleichsausschuß behandelt wird.
Ich darf um die Ermächtigung bitten, in meinem mündlichen Bericht nur die leitenden Grundgedanken des Feststellungsgesetzes zu entwickeln
und lediglich auf die Punkte näher einzugehen, die im Ausschuß zu besonders eingehenden Debatten geführt haben. Im übrigen darf ich wegen der Einzelheiten auf den Gesetzestext und den schriftlichen Bericht verweisen.
Der Erste Abschnitt „Feststellbare Vermögensverluste und antragsberechtigte Personen" ist für die betroffenen Personenkreise von schicksalhafter Bedeutung. Hier wird die grundsätzliche Frage entschieden, welche Arten von kriegsbedingten Vermögensverlusten überhaupt feststellbar sind und welche persönlichen Vorbedingungen der Geschädigte erfüllen muß, um einen Feststellungsanspruch geltend machen zu können. Der Ausschuß hat diese folgenschweren Themen mit aller Ausführlichkeit und Gewissenhaftigkeit behandelt. Immer wieder traten neue Erkenntnisse und Anregungen auf, die zu einer Nachprüfung des bereits erarbeiteten Ergebnisses zwangen. Es darf offen ausgesprochen werden, daß es der Ausschuß vielfach als eine schwere Bedrückung empfunden hat, wie wenig er dem Gebot einer höheren Gerechtigkeit entsprechen konnte, wie oft er sogar von den Gesetzen der strengen Folgerichtigkeit abweichen mußte. Aber die Vielfalt des Lebens, die Unübersehbarkeit der menschlichen und materiellen Verhältnisse, die immer drohende Gefahr des Mißbrauchs wohlgemeinter Bestimmungen durch Unberufene und geschäftstüchtige Nutznießer und nicht zuletzt auch die Sorge um die finanziellen Auswirkungen zwangen zum Einbau von Grenzen und Sperren, die von all denen, die nunmehr außerhalb bleiben müssen, stets als unbillige Härten empfunden werden. Demgemäß muß auch das Feststellungsgesetz, wie so manches andere aus der grenzenlosen Not unserer Zeit geborene Gesetz, mit Stichtagen und Ausschlußfristen arbeiten, mit der Voraussetzung des Wohnsitzes im Bundesgebiet oder mit der Tatsache der Belegenheit des geschädigten Vermögens in bestimmt umgrenzten Bezirken, so daß alle Sachverhalte, in denen diese mehr oder weniger willkürlich getroffenen Vorbedingungen nicht erfüllt sind, auch dann nicht zum Zuge kommen, wenn sie nach ihrer sachlichen Beschaffenheit und ihrem inneren Wert den begünstigten Fällen durchaus gleichzuachten wären.
Die Begriffe „Kriegssachschaden" und „Vertreibungsschaden" können nicht auf bereits vorhandene Rechtsfiguren zurückgreifen. Auch sie sind Kinder der Not und mußten so gestaltet werden, daß sie den ungewöhnlichen Verhältnissen, zu deren Regelung sie beitragen sollen, gerecht werden können. Insbesondere war es nicht möglich, die in der Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940 entwickelten Begriffe und Tatbestände zu übernehmen. Diese Verordnung war auf Sieg eingestellt und billigte aus stimmungsmäßigen Rücksichten Entschädigungen in solch reichem Maße zu, wie dies der verarmten Bundesrepublik auch nicht entfernt möglich ist.
Als Kriegssachschäden gelten nur die im Bundesgebiet und Berlin-West durch Kriegshandlungen bis zum 31. Juli 1945 entstandenen Vermögensverluste. Es werden also allgemein nicht die in der Sowjetzone erlittenen Kriegssachschäden festgestellt. Da wir uns zur gesamtdeutschen Einheit bekennen, ist nach Auffassung des Ausschusses die Regulierung der in der Sowjetzone entstandenen kriegsbedingten Vermögensverluste grundsätzlich eine Verpflichtung, die aus der Wirtschaftskraft der Sowjetzone erfüllt werden muß. Einen im Bundesgebiet erlittenen Kriegssachschaden kann jede natürliche Person, aber nicht eine juristische Person anmelden. Hierbei ist es gleichgültig, ob die natürliche Person, die anmeldungsberechtigt ist, deutscher Staatsangehöriger oder Ausländer ist, ob sie ihren Wohnsitz innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets hat. Es herrscht hier also der Grundsatz der belegenen Sache, motiviert dadurch, daß auch die Heranziehung zur Vermögensabgabe nach diesem objektiven Merkmal stattfinden soll.
Im Gegensatz hierzu mischen sich beim Recht zur Feststellung von Vertreibungsschäden objektive und subjektive, territoriale und personelle Elemente. Es genügt nicht, daß die kriegsbedingten Vermögensverluste im Raume des Vertreibungsgebiets entstanden sind; um ihnen den Charakter eines Vertreibungsschadens zu verleihen, ist außerdem erforderlich, daß der Träger des Verlustes ein Vertriebener im Sinne des § 3 Abs. 6 ist. Dies hat zur Folge, daß ein Einheimischer die Vermögensverluste, die er in den Gebieten östlich der Oder und Neiße oder im sonstigen Ausland erlitten hat, im Zuge des Feststellungsgesetzes nicht feststellen lassen kann. Ob dies in anderem Zusammenhang und zu anderer Zeit möglich sein wird, muß späterer Gesetzgebung vorbehalten bleiben. Diese Regelung, insbesondere soweit sie die Verluste Einheimischer in den ehemals deutschen Ostgebieten betrifft, entspricht, wie im Ausschuß allseits anerkannt wurde, weder der formalen Gerechtigkeit noch den geschichtlich gewachsenen Verhältnissen, nachdem das Deutsche Reich der Vorkriegszeit sich nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich zu einer ausgewogenen Einheit entwickelt hatte. Unter dem Zwang der leeren Kassen glaubte man jedoch, gemessen an dem Grad der Dringlichkeit, den Einheimischen zumuten zu dürfen, mit ihren Ansprüchen hinter die Vertriebenen zurückzutreten. Bei den Vertriebenen handelt es sich durchweg um existenzvernichtende Totalverluste im Osten, bei den Einheimischen in aller Regel nur um tragbare Teilschäden.
Um einen Vertreibungsschaden geltend machen zu können, genügt es aber nicht, lediglich Vertriebener im Sinne des § 3 zu sein. Der Geschädigte muß vielmehr, abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen, zusätzlich auch noch die Bedingung erfüllen, daß er bereits an einem bestimmten Stichtag, nämlich spätestens am 31. Dezember 1949, seinen Wohnsitz befugt im Bundesgebiet hatte. Der Beweggrund für diese einschneidende Bestimmung war, daß die gewaltige Kraftanstrengung, die der Bund zur Lösung des Lastenausgleichsproblems unternehmen wird, ihre Grenzen in der tatsächlichen Leistungsfähigkeit finden muß und keine untragbare Sogwirkung aus Gebieten zur Folge haben darf, die in der Regelung der Kriegsschäden ungünstigere Verhältnisse aufzuweisen haben.
In diesem Zusammenhange muß mit besonderer Betonung der sogenannten Sowjetzonenflüchtlinge gedacht werden. Sie gelten nicht als Vertriebene im Sinne des Feststellungsgesetzes und können daher die in der Sowjetzone erlittenen Verluste nicht feststellen lassen. Diese Regelung wird von den beteiligten Kreisen als eine unbillige Härte empfunden. Sie sehen darin die Fortsetzung des Unrechts, daß man ihnen schon damals angetan habe, als man sie von den Wohltaten des Soforthilfegesetzes ausgeschlossen habe. Sie sind der Meinung, daß diejenigen, die links der Oder ihren Wohnsitz hatten und von dort vor den Schrecken der Roten Armee flüchten mußten, ebenso ihr Hab und Gut und ihre Heimat verloren hätten wie ihre Schicksalsgenos-
sen von der rechten Seite des Oderstroms. Diejenigen, die später aus politischen Gründen zur Rettung von Leib und Leben ins Bundesgebiet flüchten mußten, hätten nicht nur ihren Beruf und die Existenz, sondern zumeist auch das Eigentum durch Beschlagnahme und Konfiskation eingebüßt; dazu kämen die in der Ostzone durch Gesetzgebung und Verwaltung verfügten, jedem Rechtsempfinden widerstreitenden entschädigungslosen Enteignungen.
Der Lastenausgleichsausschuß hat sich in eingehenden Beratungen unter Hinzuziehung berufener Vertreter der bowjetzonenflüchtlinge mit diesen Fragen beschäftigt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der unbestreitbaren Notlage in angemessener Weise Rechnung getragen. werden müsse; er war jedoch der Überzeugung, daß dies im Rahmen des Feststellungsgesetzes nicht möglich sei. Die den Schaden auslosenden Ursachen sind bei den Sowjetzonenflüchtlingen — abgesehen vielleicht vom Fall der Kriegsflüchtlinge — anders gelagert als bei den Heimatvertriebenen östlich der OderNeiße. Es hat in der Sowjetzone keine systematische und allgemeine Vertreibung aller Deutschen unter Konfiskation ihres gesamten Vermögens zur Deckung der Kriegsentschädigungsforderungen stattgefunden. Die Eigentumsentziehungen beruhen vielmehr auf Maßnahmen, die sich jeweils gegen einzelne Personen richteten, wenn sie auch mit unserem Rechtsgefühl nicht vereinbar sind. Zweifellos liegen bei den Sowjetzonenflüchtlingen auch die Möglichkeiten und Aussichten einer Rückkehr in die Heimat weit günstiger als bei den Vertriebenen aus dem Raume östlich der Oder-Neiße. Die entscheidende Ursache ihrer Not ist in der Regel nicht die Einbuße des Sachbesitzes, sondern der Verlust von Arbeitsplatz und Beruf. Für die Feststellung dieser Schäden bietet aber das Feststellungsgesetz nach seiner Systematik keinen Raum.
Der Ausschuß war daher in seiner Mehrheit der Meinung, daß das Problem der Sowjetzonenflüchtlinge in einem Spezialgesetz geregelt werden muß, das den besonderen Verhältnissen dieser Gruppe in angemessener Weise Rechnung trägt. Er hat dem Wunsch Ausdruck gegeben, daß dies mit tunlichster Beschleunigung erfolgen möge.
Bei der Erörterung all dieser Probleme stand wie ein verschleiertes Bild die folgenschwere Grundsatzfrage im Hintergrund: Sind die Ansprüche, die das Feststellungsgesetz eröffnet, nur der Reflex von materiellen Rechten, die bereits vor dem Feststellungsgesetz auf einem festen Rechtsboden erwachsen waren, sei es auf der Grundlage des Naturrechts oder des positiven Rechts, wie des Allgemeinen Landrechts oder der Kriegssachschädenverordnung? Oder werden diese Ansprüche durch das Feststellungsgesetz erst neu geschaffen, so daß sie vom Gesetzgeber nach Voraussetzungen, Umfang und Modalitäten souverän gestaltet werden können? Der Ausschuß hat sich nicht für befugt gehalten, zu dieser grundsätzlichen Frage Stellung zu nehmen. Er ist der Meinung, daß eine Entscheidung hierüber nur durch den Spruch der obersten Gerichte erfolgen kann. Das Feststellungsgesetz will sich nicht damit begnügen, die entstandenen Kriegssachschäden und Vertreibungsschäden gleichsam mit der Linse eines Photographen rein objektmäßig zu erfassen und zu registrieren. Es will darüber hinaus wertmäßig die Höhe der Vermögensverluste fests ellen, die die Geschädigten erlitten haben. Dies kann nur nach einheitlichen Maßstäben und nach allgemein gültigen Grundsätzen erfolgen. Dieser Aufgabe gilt der Zweite Abschnitt „Schadensberechnung".
Beim landwirtschaftlichen Vermögen, beim Grundbesitz, also vor allem beim Hausbesitz, und beim gewerblichen Vermögen sollen die letzten steuerlichen Einheitswerte für die zahlenmäßige Berechnung der Höhe der erlittenen Verluste zugrunde gelegt werden. Hierüber haben im Ausschuß langwierige, in die Tiefe gehende, mit wissenschaftlichem Material begründete, oft recht temperamentvoll geführte Auseinandersetzungen stattgefunden. Bei aller Anerkennung der Sorgfalt und Werktreue, mit denen die Ermittlung der Einheitswerte vorgenommen worden ist, konnte doch die praktische Erfahrung nicht übersehen werden, daß die Einheitswerte im Einzelfall nicht selten hinter den gemeinen Werten erheblich zurückbleiben. Dies gilt insbesondere für den landwirtschaftlichen und für den Hausbesitz. Die Folge ist, daß die auf den höheren gemeinen Wert abgestellte hypothekarische Belastung oft einen übermäßigen Teil des Einheitswerts in Anspruch nimmt, so daß das verbleibende Reinvermögen, das allein den Maßstab für den Vermögensverlust bilden kann, eine ungerechtfertigte Verminderung erfährt.
Wie kann abgeholfen werden? Es bestand Einigkeit darüber, daß die individuelle Feststellung des gemeinen Wertes bei der Fülle der Fälle praktisch undurchführbar ist. Es konnten daher nur Lösungen in Frage kommen, die unter Ausnutzung der vorhandenen Unterlagen praktisch leicht durchführbare Korrekturen anstreben. Der bedeutsamste Vorschlag in dieser Richtung war der, die Einheitswerte bei landwirtschaftlichem Vermögen und beim Hausbesitz um 20 bzw. 50 % aufzustocken. Der Regierungsentwurf hat, allerdings nur für die Vertriebenen, vorgeschlagen, die Hypotheken mit ihrem halben Betrag vom Einheitswert abzusetzen.
Der Ausschuß konnte zu keiner Entscheidung kommen. Er war der Meinung, daß dieser Fragenkomplex nur im Gesamtbild- des allgemeinen Lastenausgleichs geregelt werden kann, und hat sich damit begnügt, für die Bewertung der entstandenen Verluste die Einheitswerte zugrunde zu legen, dagegen die darauf lastenden Hypotheken und sonstigen Verbindlichkeiten vorläufig nur statistisch zu erfassen und die Auswertung dieser Faktoren dem endgültigen Lastenausgleichsgesetz zu überlassen.
Konnte man sich für die Schadensfeststellung beim landwirtschaftlichen Vermögen, beim Grundvermögen und Betriebsvermögen auf das wertvolle Material der Steuerverwaltung stützen, so mußte beim Hausrat nach völlig neuen Methoden gesucht werden. Für Hunderttausende von Heimatvertriebenen und Ausgebombten war der Hausrat der einzige Vermögensbesitz. Es entspricht daher nach einmütiger Auffassung des Ausschusses der Bedeutung des Schadens und dem berechtigten Verlangen der Geschädigten, daß auch der Hausratsverlust in angemessener Weise festgestellt wird, wobei die Frage, in welchem Ausmaß und unter welchen Modalitäten eine Entschädigung erfolgen kann, dem allgemeinen Lastenausgleichsgesetz vorbehalten bleiben .muß. Man rechnet überschläglich mit insgesamt 6 Millionen Fällen von Hausratsverlusten, wovon vielleicht 2 1/2 Millionen auf die heimischen Kriegssachgeschädigten und 3 1/2 Millionen I auf die Heimatvertriebenen entfallen werden. Es ist klar, daß bei dieser ungeheuren Masse nicht
jeder Fall mit allen Einzelheiten individuell festgestellt werden kann, zumal, insbesondere bei den Heimatvertriebenen, stichhaltige Beweisunterlagen im allgemeinen nicht vorliegen können. Es blieb daher nichts anderes übrig, als auf Grund bestimmter, leicht feststellbarer objektiver Merkmale, wie Größe der Wohnung, Höhe des Einkommens oder Vermögens, Berufsstellung, Familienstand usw., einen bestimmten Hausratswert zu fingieren. Der Ausschuß ist in seiner Mehrheit nach langen Beratungen zu der in § 14 enthaltenen Regelung gekommen. Hiernach sind die maßgebenden Komponenten für die Wertfestsetzung des Hausrats Einkommen, Vermögen und hilfsweise die Berufsgruppe.
Zur Durchführung der Feststellung von Kriegssachschäden und Vertreibungsschäden in dem vorgeschilderten Umfange bedarf es einer Organisation. Unbestritten war, daß die Leitung bei einer Bundesstelle liegen muß, weil gleichmäßige, von oben gesteuerte Arbeit erforderlich ist. Es lag nahe, hierbei an das bereits bestehende Hauptamt für Soforthilfe anzuknüpfen, dem die Betreuung der Vertriebenen und der Kriegssachgeschädigten durch das Soforthilfegesetz übertragen worden ist und das sich in seiner Arbeit nach allgemeinem Urteil ausgezeichnet bewährt hat. Die dagegen sprechenden verfassungsrechtlichen Bedenken sind soeben eingehend behandelt worden.
Als Ersatz für die Mehraufwendungen sollen die Länder vom Bund für jeden Feststellungsbescheid einen Betrag von 9 DM erhalten, aus dem auch die durch die Einrichtung von Heimatauskunftstellen entstehenden Unkosten zu bestreiten sind. Weil die Heimatvertriebenen, anders als die Kriegssachgeschädigten, in der Mehrzahl der Fälle keine Beweisunterlagen für ihre Verluste gerettet haben, müssen Stellen eingerichtet werden, die kraft ihrer Kenntnis von Land und Leuten in der Lage sind, nachzuprüfen, ob die von den Vertriebenen gemachten Schadensanmeldungen glaubhaft sind. Sie sollen darüber hinaus Sachverständigengutachten abgeben und bei der Ermittlung von Wertberechnungsgrundsätzen mitwirken.
Der Ausschuß für Heimatvertriebene und eine Minderheit des Lastenausgleichsausschusses haben den Standpunkt vertreten, daß die Heimatauskunftstellen die ihnen zugedachten Aufgaben nur dann erfüllen könnten, wenn für jeden Heimatkreis eine besondere Stelle eingerichtet würde. Der Lastenausgleichsausschuß hielt es jedoch in seiner Mehrheit nicht für ratsam, von vornherein eine systematische behördenähnliche Organisation aufzubauen. Es erschien ihm richtiger, die Auskunftstellen zunächst jeweils für den Bereich der früheren Regierungsbezirke einzurichten und abzuwarten, ob nach den Erfahrungen ein weiterer Unterbau erforderlich wird.
Der Zweck der Feststellung ist es, den Geschädigten eine amtliche Bestätigung über Art und Höhe ihrer Verluste zu beschaffen und die beschleunigte Durchführung des Lastenausgleichs zu ermöglichen. Der Feststellungsbescheid konkretisiert den Entschädigungsanspruch nach Art und Höhe und ist insofern für den Betroffenen von folgenreicher Bedeutung. Er muß deshalb in einem Verfahren und in einer Form ergehen, die dieser Tragweite entsprechen,
Die entscheidende Grundlage des ganzen Verfahrens ist der vom Geschädigten auszufüllende amtliche Fragebogen. Das Bundesfinanzministerium hat zugesagt, bei seiner Ausgestaltung den
Lastenausgleichsausschuß zu hören. Die Anträge auf Schadensfeststellung sind an das für den Wohnsitz zuständige Feststellungsamt zu richten. Hierbei wurde erwogen, daß mit einer Millionenzahl von Anträgen gerechnet werden muß, die sich nicht gleichmäßig über das ganze Bundesgebiet verteilen, sondern sich an gewissen Schwerpunkten konzentrieren werden, nämlich in den Gegenden, die ganz besonders schwer durch Kriegssachschäden gelitten haben oder in denen die Vertriebenen gehäuft sitzen. Damit nun die in solchen Gebieten als Feststellungsstellen tätigen Soforthilfebehörden nicht von vornherein dadurch lahmgelegt werden, daß ihnen unzulängliche oder unvollständig ausgefüllte Fragebogen vorgelegt werden, ist die tatkräftige Einschaltung aller Verbände und Organisationen, die sich die Betreuung schwacher Volksgenossen zum Ziel gesetzt haben, dringend zu wünschen. Hierbei dürfte nach der Natur der Dinge das Schwergewicht der Arbeit den Organisationen der Heimatvertriebenen zufallen.
Demgemäß hat der Ausschuß für Heimatvertriebene beantragt, den Vertriebenenorganisationen für jeden Fall der Ausfüllhilfe 1,50 DM zu erstatten. Der Lastenausgleichsausschuß war dagegen in seiner Mehrheit der Meinung, man sollte zunächst einmal abwarten, wie sich die Verhältnisse in der Praxis entwickeln. Sollte sich herausstellen, daß die vorbereitende Arbeit der Verbände und Organisationen eine wesentliche oder sogar unentbehrliche Voraussetzung dafür darstellt, daß den amtlichen Stellen überhaupt die Durchführung der ihnen obliegenden hoheitlichen Aufgaben ermöglicht wird, dann sollte nicht gezögert werden, den Verbänden auch diejenigen Geldbeträge aus etatmäßigen Mitteln des Bundes zur Verfügung zu stellen, die sie zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Interesse erfolgenden Leistungen benötigen.
Die Kriegssachgeschädigten und Heimatvertriebenen legen den größten Wert darauf, daß die Schadensfeststellung sauber und einwandfrei erfolgt. § 38 des Gesetzes hat daher eine Warnungstafel aufgerichtet, um auf anständiges Verhalten und wahrheitsgemäße Angaben nachdrücklich hinzuweisen. Wer wissentlich oder grob fahrlässig in eigener oder in fremder Sache, also z. B. auch als Zeuge oder Sachverständiger, falsche Angaben macht oder irgendwen durch Belohnung oder Drohung zu wahrheitswidrigem Verhalten veranlaßt, kann von der Feststellung und damit auch von den Vergünstigungen des Lastenausgleichs ausgeschlossen werden.
Ich komme zum Schluß. Zunächst möchte ich nicht unterlassen, mit Dank und Anerkennung der unermüdlichen Mitarbeit und hochwertigen sachverständigen Beratung zu gedenken, die die Bundesministerien, insbesondere das federführende Bundesfinanzministerium, dem vorliegenden Initiativgesetz haben zuteil werden lassen. Der Dank erstreckt sich auch auf die Herren Vertreter des Bundesrats, die unseren Sitzungen ständig beigewohnt und uns jeweils über den Standpunkt des Bundesrats unterrichtet haben. Die vielfach von ihnen vorgetragenen sachlichen Bedenken haben Anlaß zur gewissenhaften Nachprüfung des eigenen Standpunktes gegeben.
Die ungeheure Tragweite des Feststellungsgesetzes und des ihm nachfolgenden Lastenausgleichsgesetzes wird klar beleuchtet durch den gewaltigen Interessentenkreis. Neben 8 Millionen Vertriebenen stehen 12 Millionen Kriegssachgeschädigte. Von diesen insgesamt 20 Millionen sind
vielleicht 6 bis 7 Millionen Feststellungsanträge zu erwarten. Die bedeutungsvolle Funktion des Feststellungsgesetzes ist es, Vorläufer und Wegbereiter des allgemeinen Lastenausgleichs zu sein; es soll wichtige und für eine sinnvolle Durchführung der späteren Entschädigung unentbehrliche Tatsachen sammeln und wertmäßig erfassen. Hierbei sind unerhörte Schwierigkeiten zu überwinden, die sich nicht nur aus der Massenhaftigkeit der Fälle, sondern auch aus den qualitativen Besonderheiten der Verhältnisse ergeben. Vielfach muß Neuland betreten werden, so daß man sich auf Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht stützen kann.
Der Lastenausgleichsausschuß hat unter Leitung seines unermüdlichen Vorsitzenden versucht, eine sachlich zu verantwortende und praktisch durchführbare Regelung zu finden. Je tiefer der Ausschuß in die Probleme eingedrungen ist, um so mehr ist ihm zum Bewußtsein gekommen, daß es angesichts des Umfangs der über uns hereingebrochenen Katastrophe nicht möglich ist, eine Lösung zu finden, die den Wünschen der Betroffenen auch nur annähernd entspricht. Zahlreich sind die guten Ratschläge, die sachkundigen Denkschriften und die scharfsinnigen Betrachtungen, die beim Ausschuß eingegangen sind; noch zahlreicher die Äußerungen des Unmuts und der Ungeduld. Die langwierige und intensive Beschäftigung mit dem Problem und die eingehenden Beratungen mit allen Interessentengruppen haben aber den Mitgliedern des Ausschusses die Überzeugung vermittelt, daß geniale Gedanken und radikale Vorschläge allein nicht zum Ziele führen können. Nur verantwortungsbewußte Sachkunde, verbunden mit unscheinbarer werkgetreuer Kleinarbeit kann zu bescheidenen praktischen Erfolgen führen. Mag dieses Ergebnis manchem auf den ersten Blick mager und enttäuschend erscheinen, es sollte dennoch nicht gering geachtet werden. Mit der — wenn auch unzulänglichen — Feststellung der kriegsbedingten Vermögensverluste werd en die Grundmauern gelegt, auf denen — hoffentlich recht bald — der allgemeine Lastenausgleich aufgebaut werden kann, von dem wir eine Milderung der sozialen Spannungen und eine Linderung bedrückender Notstände erwarten.
Der Lastenausgleichsausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, das Feststellungsgesetz in der vorgelegten Fassung der Drucksache Nr. 2810 anzunehmen.