Rede von
Johann
Cramer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Vorredners möchte ich nur mit einem Satz eingehen. Die größte Werft in Nordwestdeutschland, die für die Kriegsmarine tätig war und für die wir uns um einen Ersatz bemühen, ist nach Sowjetrußland gegangen.
— Das nur zur Feststellung.
Der Antrag, der heute zur Debatte steht, hat ursprünglich etwas anders gelautet. Wir hatten nämlich die Regierung gebeten, mit den Hohen Kommissaren darüber zu verhandeln, daß die bisher noch bestehenden Beschränkungen für den Schiffsbau an der Unterweser und an der Jade aufgehoben werden. Wir sind aber auch mit der heutigen Fassung des Antrags einverstanden, weil inzwischen einige Beschränkungen aufgehoben worden sind, so daß für die Werften an der Jade und an der Unterweser nur noch die Beschränkungen bestehen, die im allgemeinen für die Werftindustrie bestehen, wie beispielsweise die Beschränkung, daß Kapazitätserweiterungen beantragt und von den Alliierten genehmigt werden müssen. Bisher waren sogar technische Erleichterungen für den Betrieb verboten.
Wir freuen uns über die Einstimmigkeit, mit der der Antrag im Haushaltsausschuß und auch im Verkehrsausschuß behandelt und verabschiedet worden ist. Aber, meine Damen und Herren, entscheidend ist hier nicht nur, daß wir unseren Willen zum Ausdruck bringen, den beteiligten Städten und Bezirken Bremen, Wilhelmshaven und den Orten an der Unterweser zu helfen, sondern es kommt im entscheidenden Maße darauf an, daß auch bei der Bundesregierung der Wille vorhanden ist, nun wirklich durch die Tat zu helfen. Sie muß zunächst einmal versuchen, zu erreichen, daß alle noch jetzt vorhandenen Beschränkungen aufgehoben werden, und zweitens muß sie Mittel bereitstellen, damit dort, wo einmal Zehntausende von Menschen mit der Herstellung von Schiffen beschäftigt gewesen sind, nun wenigstens wieder die Voraussetzungen für den Bau von Schiffen geschaffen werden können. Denn das ist das Handwerk, das die meisten Menschen beispielsweise in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven gelernt haben und das sie auch wieder ausüben möchten.
Wir haben allerdings leider den Eindruck, daß zwischen Theorie und Praxis eine gewaltige Lücke klafft, daß man auf der einen Seite in der Öffentlichkeit zwar immer wieder erklärt: wir wollen helfen!, aber diesen Worten nicht die Tat folgen läßt. Jeder von uns weiß, daß die vorhandenen Werften nicht ausreichen, um alle Aufträge auszuführen, die den deutschen Werften zugedacht sind. Dadurch haben wir nicht nur einen gewaltigen Arbeitsausfall, sondern auch einen Ausfall an Devisen. Wenn wir heute fordern, daß dort, wo einmal Werften gewesen sind, die durch Kriegs- und Nachkriegszeit verschwunden sind, wieder neue Werftkapazitäten entstehen, dann nehmen wir dadurch niemand eine Arbeitsmöglichkeit weg, sondern nutzen die vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten nur aus.
Nun haben wir aber in letzter Zeit gehört, daß sich auch einige der Herren Minister in der Öffentlichkeit über die Frage der Errichtung von Werften am Jadebusen, an der Unterweser und in Bremen ausgelassen haben. Auf dem Parteitag der DP in Peine sind begrüßenswerterweise solche freundlichen Äußerungen zugunsten des Wiederaufbaues der Werften gefallen. Herr Minister Hellwege war sogar kürzlich persönlich in Wilhelmshaven und hat ebenfalls persönlich seine Bereitwilligkeit erklärt, im Sinne der Wünsche der Wilhelmshavener
Bevölkerung tätig sein zu wollen. Aber nun hatten wir neulich im Verkehrsausschuß und im Haushaltsausschuß offiziell zu dieser Frage Stellung zu nehmen, und da zeigte sich, daß zwischen Theorie und Praxis eben ein Unterschied ist. In seiner Eigenschaft als Minister für Verkehr hat Herr Seebohm zu unserem Antrag Stellung genommen, und zwar in der Weise, daß er sagte, Werftkapazitätserweiterungen seien zwar auf lange Sicht gesehen grundsätzlich erwünscht; aber dann machte er eine Einschränkung und sagte, zur Zeit liege der fühlbare Engpaß aber nicht bei den Werften, sondern bei den Grundstoffindustrien. Er schlußfolgerte dann weiter, weil nicht nur für die Herstellung von Schiffen, sondern auch schon bei der Errichtung der Werften Stahl verwendet werden müsse, deshalb müsse man diese Frage zunächst einmal zurückstellen.
Er gibt uns und den Bremern nur den freundlichen Rat, wir sollten zunächst einmal versuchen, Schiffsmotoren und Schiffsmaschinen herzustellen. Schön, wir sind für diesen Rat dankbar. Daran hatten wir übrigens schon gedacht. Wir haben auch bereits Verhandlungen eingeleitet mit Firmen, die eventuell bereit sind, ihren Betrieb nach dorthin zu verlegen. Aber ich bin der Auffassung: wenn man nicht einmal das Material hat für die Errichtung der Werften — nicht für den Bau von Schiffen —, dann wird man uns auch nicht das Material zur Verfügung stellen, um Schiffsmotoren und Schiffsmaschinen zu bauen. Wir erleben jedenfalls täglich, daß die Fabriken, die unter Aufwendung erheblicher öffentlicher Mittel errichtet worden sind, darunter zu leiden haben, daß ihnen nicht die notwendigen Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden. Man nimmt Referenzperioden für eine Zeit an, zu der diese Fabriken noch gar nicht bestanden haben. Dann sitzen sie eben fest, können nicht weiterarbeiten und müssen trotz des guten Willens ihre Tore schließen. Das befremdet uns eben, meine Damen und Herren. daß man auf der einen Seite auf Parteitagen und in öffentlichen Versammlungen und Kundgebungen den guten Willen zum Ausdruck bringt, auf der andern Seite aber dann, wenn es darauf ankommt. durch die praktische Tat zu beweisen, daß man tatsächlich gewillt ist, zu helfen, erklärt: ja, wir möchten gern, aber wir können nicht!
Wenn es zutrifft, daß der einzige Grund für die Ablehnung das Vorhandensein von Engpässen in der Rohstoffbereitstellung ist, dann fragen wir die Bundesregierung, ob sie denn der Meinung ist, daß dieser Zustand verewigt werden soll, wir also ständig Mangel an Rohstoffen haben sollen. Wir denken doch nicht daran, Werften von heute auf morgen zu errichten, sondern wir wollen lediglich die Voraussetzungen dafür schaffen, daß Werften wieder entstehen können. Es muß einmal ein Anfang gemacht werden. Darauf kommt es uns an. Dabei sollte man nicht so ängstlich sein und nur deshalb, weil man im Augenblick kein Material zur Verfügung hat, den Gedanken an einen Wiederaufbau der Werften und an eine Kapazitätserweiterung der Werften überhaupt beiseiteschicben. Wenn die Regierung nicht fähig ist, dieses Problem. zu lösen, dann müssen die Menschen an der Unterweser, in Bremen und in Wilhelmshaven eben warten, bis eine andere Regierung kommt, die dieses Problem dann wahrscheinlich besser zu lösen weiß.
Interessant wäre für uns, was der zuständige Minister dazu sagt, Herr Professor Ethard, der zu diesem Problem bisher noch nicht gesprochen hat. Bisher haben nur der Verkehrsminister und der Minister für Bundesratsangelegenheiten sich dazu geäußert; der zuständige Minister nicht. Sein Vertreter im Haushaltsausschuß hat jedenfalls erklärt, daß er die Auffassung des Herrn Verkehrsministers nicht teile, d. h. also, daß man die gegenwärtige Rohstoffknappheit nicht verantwortlich machen könne, wenn die Kapazität der Werften nicht erweitert werden könne.
Wahrscheinlich werden noch einige Redner zu diesem Thema etwas zu sagen haben. Ich weiß: wenn das Problem Notstandsgebiet auf der Tagesordnung steht, melden sich alle Parteien zu Wort. Ich möchte aber allen Rednern nur soviel sagen: es kommt nicht darauf an, hier schöne Reden zu halten, sondern darauf, den Reden die Taten folgen zu lassen. Es gilt, für Zehntausende von Menschen Existenzen zu schaffen, wodurch niemand anderem eine Arbeit weggenommen wird, sondern wodurch nur zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Wir verlangen nicht zuviel. Wir wünschen nur, daß endlich einmal ein Anfang gemacht wird.