Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 93. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich mitzuteilen, daß für den verstorbenen Abgeordneten Wirths der Abgeordnete Berg mit Wirkung vom 27. Juni in den Bundestag eingetreten ist. Ich heiße ihn in unserer Mitte willkommen.
Einziger Punkt der Tagesordnung der heutigen Sitzung ist:
Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Drucksache 1467).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause ein erstes Gesetz zugeleitet, das sich mit der Durchführung des Wehrbeitrags befaßt. Sie hat gestern die Gelegenheit wahrgenommen, in einer grundsätzlichen Erklärung sich zu den vielfältigen Fragen zu äußern, die in Zusammenhang mit diesem deutschen Wehrbeitrag stehen.
Die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union ist der Auffassung, daß dieses jetzt, zumindest innenpolitisch, die ernsteste und bedeutsamste Stunde seit dem Bestehen dieser I Bundesrepublik ist, da der Neuaufbau von Streitkräften in diesem Staate für sein Gefüge und für seine Zukunft schicksalhaft ist. Der Ernst dieser Stunde wird, so hoffen war, die Beratungen nicht nur dieses Freiwilligengesetzes, sondern auch der endgültigen Gesetze, die uns noch bevorstehen, begleiten.
Gerade deshalb, weil wir dieser Frage eine besondere Bedeutung beimessen, haben wir es bedauert, daß der Start dieses Kurzgesetzes nicht unter besonders guten Sternen gestanden hat. Wir haben uns anläßlich der Debatte über den Haushalt des Ministeriums für Verteidigung bereits mit dieser Angelegenheit befaßt. Es wäre wünschenswert, wenn gerade in der Frage des Verteidigungsbeitrags die Momente der Psychologie, die Imponderabilien eine Berücksichtigung fänden, auf die das deutsche Volk sicher Anspruch erheben darf nach allem, was es gerade auf diesem Gebiete mitgemacht hat. Die Empfindlichkeit, mit der weite Kreise des Volkes und gerade der jungen Generation auf alle Fragen reagieren, die mit der Aufstellung einer Bundeswehr zusammenhängen, darf wohl nach allem, was geschehen ist, als ein Zeichen einer gewissen Reife und einer aus Erfahrung gewonnenen Skepsis gelten. Wir sollten das nicht immer negativ sehen, sondern wir sollten hierin auch ein Moment sehen, das geeignet ist, den demokratischen Staat zu stützen.
Wir haben es besonders bedauert, daß es die Bundesregierung unterlassen hat, dieses Kurzgesetz nach der Kritik, die es im Bundesrat, zu Recht oder zu Unrecht, erfahren hat, in einer etwas veränderten Form vorzulegen. Es ist vielleicht eine Ehre
1 für die Juristen dieses Hohen Hauses, daß man ihnen zutraut, jene Änderungen vorzunehmen, zu denen sich die Juristen der Bundesregierung offenbar nicht in der Lage gesehen haben. Aber, meine Damen und Herren, der Respekt vor der Zweiten Kammer hätte es meines Erachtens doch erforderlich gemacht, die Frage einer Umarbeitung des Gesetzes noch im Schoße der Bundesregierung zu erörtern.
Wenn wir auch der Meinung sind, daß hier der eine oder andere mehr oder weniger bedeutsame Fehler vorgekommen ist, so können wir uns jedoch nicht der Meinung anschließen, daß dieses Gesetz grundsätzlich verfehlt sei. Gewiß, wir sind der Auffassung — und ich hatte schon einmal die Ehre, das vor diesem Hohen Hause zu vertreten —, daß der Aufbau deutscher Streitkräfte in Ruhe vor sich gehen muß, daß wir uns Zeit lassen sollen und daß eine Überstürzung sich weder militärisch noch politisch auszahlt. Aber wir sind andererseits der Meinung, daß dann, wenn man in Ruhe an die Beratungen herangehen will, man jedenfalls einmal den ersten Schritt tun muß. Wenn man gar nichts tut, wenn man die Zeit verstreichen läßt, dann baut man nicht in Ruhe auf, sondern man pflegt in Ruhe sozusagen den Müßiggang. Das aber können wir aus außenpolitischen Gründen und auch im Hinblick auf die Zeit, die die Aufstellung einer Bundeswehr benötigt, nicht verantworten. Wir sind der Meinung, daß die endgültigen Gesetze, unter denen das Soldatengesetz an erster Stelle steht, nur in Ruhe beraten werden können.
Wir freuen uns, daß die Bundesregierung in dem gleichen Zeitpunkt, in dem hier in diesem Hause I das Freiwilligengesetz als vorläufiges Gesetz beraten wird, bereits im Bundesrat das endgültige Soldatengesetz eingebracht hat. Wir werden also nicht auf eine unbestimmte Zeit vertröstet, sondern wir sehen bereits, daß die Terminierung des Freiwilligengesetzes zum 31. März 1956 wirklich der äußerste Termin ist, zu dem wir rechnen können, daß das endgültige Soldatengesetz von beiden Kammern des deutschen Parlaments verabschiedet sein wird; ja, wir hoffen, daß dies schon ein gutes Stück eher möglich sein wird. Damit ist die Vorläufigkeit des heute zur Beratung stehenden Gesetzes betont.
Dieses Gesetz dient nur der Vorbereitung des eigentlichen Aufbaus der deutschen Bundeswehr. Es ist damit noch nicht das erste Wehrgesetz. Aber es ist das erste Ausführungsgesetz zu den Pariser Verträgen, zu deren unmittelbarer Ausführung sich die Fraktion der CDU/CSU auch in dieser Stunde bekennt. Wir sind der Meinung: man kann nicht sagen, hier sei grundsätzlich überstürzt gehandelt worden, wenn etwa im österreichischen Nationalrat bereits das erste Wehrgesetz mit der Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei über die Bühne gegangen ist.
Das uns jetzt vorliegende Gesetz, das wir im Prinzip bejahen, ist in der Form durchaus nicht so, daß es unsere Zustimmung finden kann. Wir sind der Meinung, daß es im Ausschuß gründlich bearbeitet werden muß, wobei die Bedenken, die nicht nur in der Öffentlichkeit und im Bundesrat, sondern auch schon in früheren Debatten dieses Hauses zum Ausdruck kamen, ihre Berücksichtigung finden müssen. Der Charakter des Freiwilligengesetzes als eines Vorschaltgesetzes muß klar heraus-
gearbeitet werden. Die Begrenzung nach der Zeit ist von der Bundesregierung bereits vorgenommen worden. Wir haben uns gefreut, daß der Herr Verteidigungsminister am gestrigen Tage auch eine klare Begrenzung nach der Zahl und nach dem Zweck ausgesprochen hat. Wenn der Herr Verteidigungsminister die Zahl von 6000 Freiwilligen, die er gestern genannt hat, bereits in einem früheren Zeitpunkt öffentlich genannt hätte, wären sicherlich viele Besorgnisse zerstreut worden. Denn 6000, das ist nicht viel mehr als nur 1 % des gesamten Umfangs, den die deutsche Bundeswehr einmal annehmen soll. In diesem Verhältnis sind die Besorgnisse, die anfänglich aufgetaucht sind, sicherlich nicht so schwerwiegend. Man wird nicht bestreiten können — zum mindesten bestreiten es meine politischen Freunde nicht —, daß an den Ausbau des Ministeriums, an die Vertretung beim Atlantikpakt und bei der Westeuropäischen Union, an den Besuch von Akademien, an die Sichtung der Außenhilfe, an die Aufstellung bodenständiger Einrichtungen und an die Vorbereitung von Auswahllehrgängen schon jetzt herangegangen werden muß, wenn man wirklich mit Überlegung und in Ruhe diese Dinge tun will.
Wenn wir dieses Freiwilligengesetz betrachten, so fällt uns im Zusammenhang mit der Vorläufigkeit dieses Gesetzes und dem vorläufigen Status, den die Soldaten dieses Gesetzes haben werden — ein Status, verglichen mit demjenigen eines Beamten auf Probe — unter anderem auf, daß bereits die Formulierung eines Eides vorgelegt ist. Die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union wird sich die Frage, ob in der künftigen Bundeswehr ein Fahneneid sein soll oder nicht, ernsthaft überlegen. Es gibt Gründe, die für die eine, und Gründe, die für die andere Lösung sprechen. Wir sind aber der Meinung, daß diese Frage in Ruhe überlegt und entschieden werden muß. Wir sind weiter der Meinung, daß diese Frage nicht bei diesem Kurzgesetz vorentschieden werden kann und daß es sich sehr merkwürdig ausmachen würde, wenn man jetzt einen Eid verlangt, hernach im endgültigen Gesetz ihn aber nicht mehr verlangen würde oder ihn in einer anderen Form verlangen würde, so daß die Soldaten zweimal vereidigt werden müßten. Wir sind deshalb der Meinung, daß für die Dauer dieses Kurzgesetzes an die Stelle des sonst für die Beamten üblichen Eides eine schriftliche Verpflichtung mit gleicher rechtlicher Wirkung treten soll.
Wir haben weiter mit großer Freude aus der Erklärung der Bundesregierung entnommen, daß sie die Frage der Verwaltung und auch die Frage der Spitzengliederung der Bundeswehr kommenden Beratungen und einer gesetzlichen Entscheidung dieses Hohen Hauses unterstellen will. Verdächte, daß sozusagen bei Nacht und Nebel eine unmittelbare Bundeswehrverwaltung — gegen die wir im Prinzip nichts einzuwenden haben — aufgebaut werden soll, sind damit zerstreut. Das Hohe Haus wird in einem Gesetz zu entscheiden haben, wie und in welchem Rahmen diese Bundeswehrverwaltung aufgebaut werden soll, wie und in welchem Rahmen auch eine Beteiligung der Länder am Wehrersatzwesen, die sicherlich notwendig ist, möglich gemacht werden kann. Diese Fragen sind heute noch nicht zu behandeln. Aber ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, daß nicht nur die Verwaltung unten, sondern daß auch die Organisation des Verteidigungsministeriums und die Spitzengliederung der Bundeswehr
Angelegenheiten sind, die dieses Hohe Haus beschäftigen müssen.
Die Bundesregierung will sich offenbar gar nicht auf ihre verfassungsmäßige Organisationsgewalt berufen. Wir freuen uns darüber; denn wenn schon in der Präsidialdemokratie Amerika diese Fragen durch Gesetz geregelt werden, dann ist das, glaube ich, in der parlamentarischen Demokratie Deutschland politisch erst recht notwendig.
Wir möchten bei dieser Gelegenheit heute schon ankündigen, daß wir für die endgültige Wehrgesetzgebung eine Koordinierung aller Stellen, die mit den Fragen der Verteidigung zusammenhängen, für notwendig halten. Wir glauben, daß diese Koordinierung zweckmäßig in einer Institution ihren Ausdruck findet, die man vielleicht Bundesverteidigungsrat nennen darf, eine Institution, die nicht von entscheidender, aber von beratender Funktion für denjenigen sein soll, der den Oberbefehl über die deutschen Streitkräfte ausüben wird.
Als nächste Frage, die wir im Zusammenhang mit der Gesetzgebung im allgemeinen zu behandeln haben, erhebt sich die Frage der Verfassungsänderung; sie wurde auch in der Erklärung der Bundesregierung angesprochen. Mit Recht hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß die Frage eines Notstandsartikels und die Frage einer Militärgerichtsbarkeit einer Verfassungsänderung bedürfen. Wir sind mit der Bundesregierung der Meinung, daß es für die Durchführung des Kurzgesetzes wie auch des Soldatengesetzes, für die Aufstellung der Bundeswehr unmittelbar also und auch für die Regelung der Frage des Oberbefehls einer Verfassungsänderung juristisch nicht bedarf. Wir ergänzen diese Meinung aber dahin, daß wir sie politisch für zweckmäßig und notwendig halten und uns gern dafür einsetzen werden, zusammen mit allen, ich betone: mit allen Parteien dieses Hohen Hauses jene Ergänzungen des Grundgesetzes vorzunehmen, die notwendig sind, um auch nach außen sichtbar zu machen, welche Bedeutung ein Wehrbeitrag für die Zukunft haben wird.
Eine Frage, die speziell mit diesem Gesetz hier noch einmal in die Debatte geworfen wurde, obwohl sie von der Regierung in diesem Gesetz nicht aufgegriffen wurde, ist die Frage des Personalausschusses, zu der im einzelnen noch ein anderer Redner meiner Fraktion sprechen wird. Ich möchte dieser Frage ganz besondere Bedeutung beimessen. Wir sind der Auffassung, daß — nachdem zehn Jahre lang die Männer, die für Spitzenstellungen in Frage kommen, nicht mehr in einer normalen Laufbahn gestanden sind, man also nicht mit Sicherheit weiß, wie sie sich in diesen zehn Jahren bewährt haben, da außerdem auf allen, die früher einmal tätig waren, nicht aus Schuld, sondern aus Schicksal die Schatten der Vergangenheit liegen, die aufgehellt werden müssen — ein solcher Ausschuß notwendig ist, notwendig zur Prüfung all derer, die im Dienstgrad eines Obersten oder in der Dienststellung eines Regimentskommandeurs und vielleicht auch eines selbständigen Abteilungskommandeurs später und jetzt eine Verwendung finden sollen. Dieser Personalausschuß scheint uns notwendig zu sein für die Zeit des Aufbaues dieser Bundeswehr, bis wieder normale Verhältnisse und normale Beförderungsmöglichkeiten vorliegen. Nach reiflicher Prüfung neigt die Fraktion der CDU/CSU der Auffassung zu, daß es zweckmäßig ist, diesen Personalausschuß im Gesetz zu verankern. Ich möchte hierauf besonders hinweisen.
Neben diesem Gesetz, das uns vorgelegt worden ist, hat uns die Bundesregierung in grundsätzlichen Erklärungen ihre Meinung zur Frage des Verteidigungsbeitrages dargelegt. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo sich im Anschluß an diese Erklärung auch das Hohe Haus nicht mit den Einzelheiten, aber mit den grundlegenden Gedanken zu befassen hat, die für die kommende deutsche Bundeswehr maßgebend sein müssen. Unbestritten dessen, was an außenpolitischen Meinungsverschiedenheiten bei früheren Debatten in diesem Hause zutage getreten ist und was auch heute noch nicht aufgehoben ist, besteht, glaube ich, doch in allen Teilen dieses Hohen Hauses die Meinung, daß nichts anderes uns veranlassen kann, noch einmal Waffen in die Hand zu nehmen, als die bittere Notwendigkeit des Selbstschutzes unseres Volkes.
Weil es diese bittere Notwendigkeit in der internationalen Lage, in der wir uns befinden, gibt, weil nur nüchterne, ruhige Überlegung uns zu diesem Schritt gezwungen hat, wenden wir uns gegen jegliche ideologische Verbrämung oder Mythologisierung der neuen Streitkräfte, die wir aufbauen wollen. Wir wollen gar nichts als die kühle Überzeugung von der Notwendigkeit der Notwehr in unserem Volke wecken und bestärken.
Wir müssen dies um so mehr tun, als der Aufbau dieser Streitkräfte in einem geteilten Deutschland erfolgt und damit zweifellos nicht frei von Tragik ist. Denn wir müssen nunmehr im westlichen Deutschland das nachholen, was in der Ostzone unter sowjetischem Diktat längst geschehen ist. Dieses Gefühl der Spaltung Deutschlands, die es leider in diesem Augenblick nicht ermöglicht, eine einheitliche deutsche Armee für das ganze Deutschland aufzustellen, darf uns nicht verlassen und soll uns eine Verpflichtung sein, in aller unserer politischen Arbeit auf den Tag hinzuwirken, der die Wiedervereinigung unseres Volkes in Frieden und Freiheit bringen wird.
Wir empfinden es auch als bitter, daß in dieser Stunde, da wir darangehen, deutsche Soldaten unter die Fahnen zu berufen, es immer noch eine ungenannte Zahl von Kriegsgefangenen gibt, die im Osten hinter Stacheldraht gehalten werden. Unsere heiße Hoffnung richtet sich darauf, daß es gerade in diesem Augenblick, wo ein gewisser Hoffnungsschimmer auftaucht, möglich sein wird, sie bald wieder in unserer Mitte zu begrüßen.
Denn die Voraussetzung normaler oder gar freundschaftlicher Beziehungen zwischen unserem Volk und einem anderen ist die Heimkehr unserer Kriegsgefangenen.
Ebenso aber wenden wir unseren Blick mit Sorge auch nach dem Westen. Die Zahl der Kriegsverurteilten ist im Vergleich zum Osten gering. Aber es geht hier doch um das nach unserer Überzeugung nicht in allen Fällen überzeugend gesprochene Recht, und wir glauben, daß zehn Jahre nach Friedensschluß diese Frage mit einer großzügigen Geste beendet werden sollte.
Wir stehen in einer Auseinandersetzung, die zweifellos nicht nur eine wirtschaftliche und eine militärische, sondern die zuerst und zuletzt eine geistige ist. Es ist eine festgefügte Ideologie, die uns aus einer gewissen Himmelsrichtung entgegentritt und die auch in unserem Volke und noch mehr in den übrigen Staaten des westlichen Europa auf Propaganda ausgeht und die Menschen zu gewinnen sucht. Meine Damen und Herren, nichts wäre falscher, als nun unsererseits zu meinen, wir müßten hier eine Ideologie künstlich schaffen und dagegenstellen. Unsere junge Generation ist nach allem, was sie erlebt hat, feindlich und skeptisch gegen Ideologien eingestellt und gegen jedes Pathos. Wir wollen an die Stelle des Pathos einer nationalistischen Ara etwas anderes setzen: das Ethos der Freiheit und die Pflicht zu ihrem Schutz. Und wir wollen in dieser Stunde neu beginnen.
Natürlich drängt sich in einem Volk, das eine gewisse soldatische Tradition hat, die Frage auf
— und sie wird ja von den verschiedensten Verbänden aufgeworfen —, wie wir zu den Traditionen stehen, die in unserem Volke auf militärischem Gebiete vorhanden sind. Es ist klar, daß in diesem Lande, zu dessen jüngster Geschichte der preußische Staat Wesentliches im Guten und im Bösen beigetragen hat, diese Frage von mancher Seite besonders angeschnitten wird. Ich glaube, sie kann nicht im Stile irgendwelcher Versammlungen der einen oder der anderen Seite gelöst werden.
Es läßt sich nicht leugnen, daß von markanten Persönlichkeiten der preußischen Geschichte, etwa zur Zeit der Befreiungskriege, aber auch früher und später, echte sittliche Werte verwirklicht worden sind. Aber ebenso läßt es sich auch nicht leugnen, daß der Weg, den Deutschland unter preußischer Führung. genommen hat, in Blut und Tränen und in einer Katastrophe geendet hat.
Diese beiden Tatsachen, meine Damen und Herren, müssen wir sehen; denn ich glaube, daß es sich hier doch darum handelt,
daß eine echte Tragik über unserer deutschen Geschichte schattet
und daß diese echte Tragik etwas ist, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben.
— Sollten Sie, meine Damen und Herren, eine andere Meinung haben, so steht es Ihnen zu, sie hier auszuführen und zu begründen, und ich werde sie in größerer Ruhe anhören, als Sie die meine angehört haben.
— Meine Damen und Herren, das Unglück der Geschichte des Jahres 1918 können Sie leider auch nicht bestreiten, und ich glaube, wenn wir in einer Objektivität, die uns in diesem Zeitalter sehr schwer fällt, weil wir noch zu nahe daran sind, über diese Dinge sprechen, dann sollten wir uns doch darüber einigen, daß es eine echte Tragik ist,
die über der jüngeren deutschen Geschichte — und ich meine nicht erst die seit 1933 — liegt, und daß wir versuchen müssen, mit dieser Tragik und mit der Spaltung des deutschen Geschichtsbewußtseins fertig zu werden. Denn es läßt sich nicht leugnen, daß bis in unsere Tage etwa die geistige Wende des Jahres 1848 immer noch ihre Bedeutung hat und daß wir mit diesen Problemen nicht dadurch fertig geworden sind, daß man die Diskussion darüber in einer Diktatur verboten hat.
Dieses gespaltene Geschichtsbewußtsein der Deutschen ist, glaube ich, nach diesem Kriege noch dadurch verstärkt worden, daß Hunderttausende von Heimatvertriebenen Heimat bei uns gefunden haben, die niemals im Deutschen Reiche von 1871 gelebt haben, die aber ebenso ehrwürdige und achtungswerte und lebenswerte Traditionen mitbringen, wie es die einheimische Bevölkerung, wie es insbesondere die Bevölkerung in jenen Teilen Deutschlands tut, die früher zum Königreich Preußen gehört haben.
Wir müssen uns dazu entschließen, jede echte Tradition, die auf deutschem Volksboden gewachsen ist, ob es die in Preußen, ob es die in meiner bayerischen Heimat, ob es die in anderen Teilen Deutschlands war, ernst zu nehmen und die Spaltung, die vielfache Zerklüftung, die in unserem Volke besteht, als ein tragisches Erbe anzusehen. Durch die gemeinsame Bewältigung der Gegenwart wollen wir die Spaltungen der Vergangenheit überwinden helfen, damit unsere Jugend in dieser und der nächsten Generation zu einem einheitlicheren Staats- und Geschichtsbewußtsein kommt, als wir es selber bis in unsere Tage noch haben.
— Meine Damen und Herren, wenn es uns nicht gelingen würde, so wäre es tief traurig. Den Versuch, glaube ich, sollten wir jetzt machen. Die Tat sache, daß wir an einem Neubeginn unserer politischen und auch unserer militärischen Geschichte stehen, hat doch diese Chance in sich, wenn sie beherzt von allen Teilen ergriffen wird. Wollen wir hoffen, daß uns auch die Lösung dieser Frage gerade dadurch gelingt, daß ja Streitkräfte ein integrierendes Moment für einen Staat sind.
— Meine Damen und Herren, es ist nicht immer ganz leicht, sich bei so vielen Privatunterhaltungen durchzusetzen.
Wenn wir von den positiven geistigen Grundlagen sprechen, die für eine künftige deutsche Bundeswehr maßgebend sind, so müssen wir uns der Tatsache erinnern, daß unser Volk wie das ganze westliche Europa — sehe ich von den Radikalismen links und rechts ab, die den demokratischen Staat verneinen — von drei Strömungen getragen wird. Es sind die christlichen, die liberalen und die sozialistischen Demokraten, die das neue Deutschland und die das westliche Europa gemeinsam tragen und gestalten, und was diesen drei geistigen Strömungen unserer Tage gemeinsam ist, muß die Grundlage künftiger deutscher Streitkräfte werden. Skeptiker, die heftigen Debatten dieses Hohen Hauses beiwohnen, sind mitunter der Meinung, das sei nicht viel. Ich möchte meinen, das, was uns eint, ist hoffentlich immer noch mehr als das, was uns trennt. Zumindest ist es mehr als das,
) was uns die Propagandisten der Tyrannei geistig entgegensetzen können, und es ist ausreichend, um uns in dieser Bundesrepublik zu einigen gegen die Gefahren aus dem Osten.
Das erste, was uns allen in diesem Hohen Hause gemeinsam ist, ist das Bekenntnis zur Freiheit als der Grundlage des privaten und öffentlichen Lebens.
Diese Freiheit ist uns kein leerer Wahn. Gewiß, sie ist leider in. den Jahren vor 1933 als Begriff weitgehend entleert worden. Wäre sie das nicht, dann wäre das Jahr 1933 gar nicht möglich gewesen. Aber in der Bitternis der Jahre, die nachher über uns gekommen sind, vor der Tatsache, daß der Stacheldraht in den letzten zwei Jahrzehnten zum Symbol unseres Zeitalters geworden ist, hat die Freiheit wieder einen echten Wert und einen echten Klang bekommen. Vielleicht hängt man ihr nicht mehr so romantisch an, wie das vor hundert Jahren noch der Fall war. Aber die ernste Verpflichtung, sie zu verteidigen, die in dem Begriff der Freiheit für jeden Bürger liegt, kommt uns heute mehr als früher zum Bewußtsein, wu wir flach dem Wesen der Freiheit nicht einen Professor der Philosophie fragen wollen, sondern einen Heimkehrer, der 10 Jahre in Sibirien verbracht hat. Das ist die Freiheit, die wir meinen, die wir lieben, diese Freiheit, die großen Teilen unseres Volkes lange genommen war und heute noch genommen ist und die zu schützen wir berufen sind.
Das zweite, was wir alle in gemeinsamer Liebe umfassen, ist unsere Heimat. Wir Einheimischen, denen diese Heimat geblieben ist, die Vertriebenen noch mehr, 'die ihre geliebte Heimat verloren haben, wir alle haben doch besonders schätzen gelernt, was uns diese deutsche Heimat bedeutet.
Wir wollen uns nicht in Pathos verlieren.
Wir wollen hier nicht in Worten, die man nationalistisch deuten mag, sprechen. Wir wollen diesen Wert der Heimat herausstellen als eine Grundlage, die auch den letzten Mann und die letzte Frau in unserem Volke mit ihrem Gefühl umgreift und die auch die Grundlage dessen ist, was wir zu verteidigen haben.
Es ist in diesem Zusammenhang einmal die Frage aufgeworfen worden, ob denn dieses Leben in unserer Bundesrepublik überhaupt wert sei, verteidigt zu werden, ob diese Freiheit, ob diese Heimat ein lebenswertes Leben ermögliche. Nun, meine Damen und Herren, nachdem es der Politik der Bundesregierung gelungen ist, die wirtschaftlichen Fragen zwar nicht zu lösen, die wirtschaftliche Lage aber doch wesentlich zu verbessern, ist vielleicht diese Frage in ihrer brennenden Aktualität zurückgetreten. Prinzipiell bleibt sie. sicherlich auch heute. Wir haben die beruhigenden Erklärungen der verantwortlichen Minister zu einem früheren Zeitpunkt gehört, daß der Wohlstand unseres Volkes nicht angetastet werden soll durch die Maßnahmen, die notwendig sind, um neue Streitkräfte aufzubauen. Aber sosehr wir diese Erklärung begrüßen, so möchten meine politischen Freunde doch unterstreichen, daß für sie zwar der
Lebensstandard eine wichtige politische Größe darstellt, aber keineswegs zum Götzen unseres Jahrhunderts werden darf. Wohlstand ist gut und notwendig, die Freiheit aber steht uns noch höher; und beides zusammen ist das, was wir erstreben. Aber ich glaube, gerade die Politik des Herrn Professors Erhard hat uns deutlich genug bewiesen, daß die Chance der Freiheit auch eine Chance des Wohlstandes ist. Wenn wir also die Freiheit verteidigen, verteidigen wir damit auch den Wohlstand unseres Volkes. Aber wir möchten es noch einmal unterstreichen, daß die Werte, zu deren Verteidigung wir aufrufen, im letzten geistige und sittliche Werte sind. Wir haben mit Freuden festgestellt, daß es gerade die Heimatvertriebenen waren, also zweifellos die Ärmsten in unserem Volke, die, obwohl sie am wenigsten Besitz haben, die Notwendigkeit einer Verteidigung vielleicht von allen Gruppen unseres Volkes als erste erkannt haben.
Wenn ich von den beiden Zielen der Verteidigung der Freiheit und der Heimat gesprochen habe, dann möchte ich trotz allem, was geschehen ist, noch das dritte Ziel nennen, von dem ich glaube, daß wir es in den Mittelpunkt unserer Gedanken stellen müssen: das Wort Europa. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, der die Mehrheit dieses Hauses zu dienen suchte, in der wir die Verwirklichung und Vorwegnahme einer größeren politischen Einheit sahen, ist nicht Wirklichkeit geworden. Der Weg, den wir gehen mußten, ist der Weg zur Schaffung — rechtlich gesprochen — einer neuen deutschen Nationalarmee. Ich möchte auch in dieser Stunde betonen, daß meine politischen Freunde lieber deutsche Kontingente in einer europäischen Armee gesehen hätten.
Ich möchte betonen, daß diese deutsche Nationalarmee nicht aus dem Willen dieses Hauses, sondern aus einer Entscheidung der Französischen Kammer erwachsen ist.
Wir hoffen deshalb, daß diese neue deutsche Bundeswehr nicht Anlaß zu Mißtrauen gibt in jenem Land, das an seiner Schaffung mehr beteiligt war als unser eigenes Volk.
Wenn wir nun aber auch in der Form einer eigenen deutschen Armee den Aufbau von Streitkräften vornehmen, so heißt das doch nicht, daß wir uns geistig von dem Ziel trennen, ein vereintes Europa zu schaffen. Auch in einer deutschen Armee soll, wie in den anderen Armeen dieses Kontinents, einem künftigen Europa und seiner gemeinsam zu verteidigenden Freiheit Dienst geleistet werden. Wenn wir das Bekenntnis zu diesem Europa heute auch noch nicht auf die Fahnen unserer Bundeswehr schreiben können, so soll es doch in den Herzen unserer jungen deutschen Soldaten leben.
Gehen wir nun an den Aufbau einer deutschen Bundeswehr heran, so erhebt sich die doppelte Frage: wird diese deutsche Armee nicht wieder eine Gefahr für die Freiheit, für die demokratische Ordnung unseres Landes? Aber es wird uns nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland die Frage entgegenhalten: Werdet ihr, so wie ihr Deutschen nun einmal seid, alles sehr gründlich zu machen, am Ende die Armee nicht so demokratisieren, daß sie nicht mehr so schlagkräftig ist, wie sie es einstens gewesen ist?
— Meine Damen und Herren, auch diese Frage ist mir z. B. in Amerika verschiedentlich vorgehalten worden; die Kollegen Ihrer Partei, die mit mir drüben waren, werden Ihnen das bestätigen.
Wir stehen hier vor einer besonderen Situation. Deutschland hatte seit alten Zeiten eine gute Armee. Wir haben heute im Anfang und in der Entwicklung zweifellos eine gute Demokratie. Aber wir haben in Deutschland noch nie zu gleicher Zeit eine gute Armee und eine gute Demokratie und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden gehabt, wie es andere demokratische Nationen kennen. Meine Damen und Herren, hier scheint mir die eigentliche Aufgabe zu liegen: eine Bundeswehr aufzubauen, die an Schlagkraft früheren deutschen Armeen nicht nachsteht, die sich aber nicht nur in den demokratischen Staat einfügt, die sich nicht absondert, keinen Staat im Staate darstellt, sondern die diesen demokratischen Staat auch aus innerer Gesinnung heraus mit trägt und hält. Das ist die Aufgabe, die vor uns steht.
Das deutsche Volk verfügt sicherlich über eine Reihe soldatischer Begabungen. Ich glaube, wir sollten es in dieser Stunde einmal aussprechen, daß diese soldatische Begabung unseres Volkes ein positiver Wert ist.
Wenn es bei uns im politischen Leben sehr häufig an der Gabe des Maßes gefehlt hat, die diese soldatische Begabung auf den richtigen Ort gestellt und auf diesen Ort beschränkt hat, so ist das eine traurige Erscheinung, die wir auch auf anderen Gebieten erlebt haben und der wir nach allen Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit mit Ruhe entgegentreten wollen. Wir sollen dabei nicht zu sehr Angst haben vor der Gefahr, daß ein neuer Militarismus im Entstehen sei. Wir wollen uns einmal nüchtern fragen: was steckt denn eigentlich hinter diesem Schlagwort vom Militarismus?
Soldatentum und Militarismus sind prinzipiell zwei ganz verschiedene Dinge. Ich glaube, daß im Militarismus im wesentlichen zwei Dinge stehen: eine Entartung innerhalb des militärischen Gefüges und eine Entartung im Verhältnis des Militärs zum Staate. Hier liegt sogar die eigentliche Gefahr. Das Spezifische und eigentlich Gefährliche des Militarismus liegt nicht im militärischen Bereich selber, sondern in der Übertragung militärischen Denkens auf den politischen Bereich. Durch das absolute Königtum, durch das ihm dienende Beamtentum ist diese Gefahr militärischen Denkens, also einer Ordnung des politischen Lebens nach militärischen Grundsätzen, aktuell geworden. In der jüngsten Vergangenheit wurde es dies noch mehr als früher.
Wir müssen uns darüber klarwerden, daß es zwei verschiedene Strukturprinzipien gibt, nach denen der demokratische Staat und nach denen die Armee aufgebaut wird. Wir müssen diese beiden Bereiche trennen; denn wenn wir den Bereich des Politischen und Militärischen nicht auseinanderhalten, wenn wir ihre verschiedenen Strukturprinzipien nicht anerkennen, wird entweder der Bürger militarisiert oder der Soldat bis zur Dienstunfähigkeit verbürgerlicht. Beides wollen wir nicht.
Die Demokratie baut sich von unten nach oben auf. Ihr Element ist die Wahl. Das Militär baut sich von oben nach unten auf. Es beruht auf Befehl und Gehorsam und wird in aller Zukunft darauf beruhen müssen. Denn kein Kompanieführer kann seine Mannschaft vor einem Angriff darüber ab-
stimmen lassen, ob er die Höhe 506 von Osten oder von Westen nehmen soll. Hier liegen verschiedene Strukturprinzipien vor, die wir in ihrer Reinheit anerkennen müssen. Deshalb halte ich auch das Wort von der demokratischen Armee für kein glückliches Wort. Es gibt keine demokratische Armee, aber es gibt eine Armee im demokratischen Staat, und es gibt eine Armee, gebildet aus Offizieren und Soldaten, die überzeugte Träger dieses demokratischen Staates sind. In dem Verhältnis aber des militärischen und des politischen Bereichs gilt die Beschränkung des Militärs auf das Militärische, da gilt der Primat der Politik und der Vorrang der zivilen Führung, der zivilen Führung durch eine zivile Leitung der Bundeswehr und durch eine stark ausgebaute parlamentarische Kontrolle.
Diese Frage und damit auch die Frage des Oberbefehls und des Notstands sind Fragen, die von großer Wichtigkeit sind, die wir aber im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht lösen können und nicht lösen wollen. Für den Aufbau genügt es, daß die 6000 neuen Soldaten dem Verteidigungsminister unterstehen. Für die endgültige Lösung der Frage des Oberbefehls vertritt die Fraktion der CDU/CSU die Meinung, daß die Stellung des Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt nicht verkürzt werden sollte, daß er keineswegs in die Rolle eines „Charaktermajors" gedrängt werden sollte, daß andererseits klar zum Ausdruck kommen muß, daß nach dem Grundgesetz der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt.
Aber es ist nicht nur mit einer politischen Abgrenzung und mit einer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Sicherung des Vorrangs des Politischen vor dem Militärischen getan. Es geht auch um die Einordnung des Soldatenstandes in das soziale Gefüge unseres Volkes. Es hat eine Zeit gegeben, in der der Soldatenberuf der erste Stand war und in der man seine Bedeutung sicherlich überschätzt hat, in der die Uniform das wichtigste Gesellschaftskleidungsstück des Mannes war. Wir wollen eine solche Zeit nicht wieder zurückhaben. Auf diese Übertreibung der Bedeutung der Uniform und Überspitzung der Wertung des Soldaten haben wir nun eine Zeit erlebt, in der das Gegenteil eingetreten ist, in der man weitgehend den Soldaten unterbewertet hat. Wir haben diese Entwicklung bedauert. Wir wenden uns mit Entschiedenheit gegen jede Diffamierung des deutschen Soldaten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Wir wünschen allerdings auch nicht seine Glorifizierung, sondern wir sind der Meinung, daß der Beruf des Soldaten ein Stand des Volkes ist, dessen Ehre, Ansehen und Geltung so groß sein sollen wie die eines jeden anderen Standes, nicht mehr und nicht weniger.
Wir wünschen nicht, daß das öffentliche Leben erneut uniformiert wird. Wir haben mit Schrecken einmal festgestellt, was wirklicher Militarismus in diesem Volke bedeutet hat, als nämlich militärische Ordnungen in einen Bereich übertragen wurden, wo sie gar nicht hingehären. Der BDM im Gleichschritt, das war doch der Triumph des Militarismus und die Pervertierung eines echten Soldatentums. Wir wollen, daß die Uniform, die der deutsche Soldat trägt, die er trägt nicht nur als Arbeitskleid des Soldaten, sondern die er auch trägt als Symbol des Schutzes der Nation, diese Uniform, die ein echtes
und achtenswertes Symbol ist, nicht wieder zum Idol wird, dem die Nation nachläuft und das es anbetet. Wir wollen auch die Uniform in unserem Volke auf den Platz stellen, auf den sie gehört. Wir glauben, daß es sehr schön war, wenn in der deutschen Reichswehr im Jahre 1925 sich der Offizier vom Mann nur durch das kleine Kennzeichen des Gürtels unterschieden hat. Wir wollen nicht die Wiederkehr eines Christbaumschmuckes, wie ihn etwa ein Luftwaffenoffizier des Jahres 1939 zu tragen hatte.
Diese Uniform, über die man manches sagen kann, hebt auch soziale Gegensätze auf und ist zweifellos auch ein kleines Mittel zum Werden eines echten demokratischen Lebens, wenn wir sie in diesem Sinne betrachten.
Es geht in diesem ganzen Bereiche darum, daß wir die sittlichen Werte des Soldatentums, zu denen wir uns grundsätzlich bekennen, mit den sittlichen Werten des demokratischen Staates verschmelzen. Wenn uns das gelingt, dann, glaube ich, ist die Integration dieser unserer Demokratie für die Zukunft sichergestellt. Wir stehen hier vor der schwierigsten Aufgabe, einer Aufgabe, von der wir alle gewünscht hatten, daß sie erst in einer ferneren Zukunft gestellt werden würde. Aber da sie uns nun einmal vom Schicksal gestellt worden ist, dürfen wir uns ihr nicht entziehen, und ich hoffe, daß wir sie gemeinsam zu lösen und zu bewältigen vermögen. Wir werden uns dabei daran erinnern, daß der Soldat ein Bürger ist und ein Bürger bleibt, daß aber die Armee nicht mit der Nation gleichzusetzen ist, sondern nur einen Teil dieser Nation darstellt. Wir wollen uns auch daran erinnern, daß Disziplin nichts mit iDiktatur und Disziplinlosigkeit nichts mit Demokratie zu tun hat, daß gerade der demokratische Staat, der ein Staat der Freiheit ist, von der inneren Disziplin seiner Bürger statt vom äußeren Zwange lebt.
Wenn ich die Lage unserer jungen Generation in diesem Augenblick bedenke, so weiß ich, daß diese junge Generation mit vielen inneren Vorbehalten an die Frage eines Wehrdienstes herantritt. Meine Damen und Herren, daß es keine blinde Begeisterung und gar keinen Fanatismus mehr gilbt, daß man nicht mehr mit Sturmgebraus und Wogenprall für Preußens oder Deutschlands Gloria auszuziehen gewillt ist, das ist kein Fehler, das ist ein Fortschritt. Es ist ein Fortschritt im Leben unseres Volkes, daß es seinen eigentlichen Sinn in der freiheitlichen Ordnung seines demokratischen Staates sieht und daß es nur .aus innerem Pflichtbewußtsein und aus der Not der Stunde bereit ist, jene Opfer zu bringen, die eine Wehrpflicht nun einmal verlangt. Der freiheitliche Geist, der in anderen demokratischen Staaten schon immer zu Hause war — ich denke etwa an die benachbarte Schweiz, wo der einzelne sein Gewehr im Schranke stehen hat als Symbol der Bereitschaft, die Freiheit, die er mit dem Stimmzettel schafft, auch mit dem Gewehr zu verteidigen —, soll auch in unserem Volke einziehen. Wehrpflicht auf der Grundlage der unbedingten Notwendigkeit zur Verteidigung und zum Schutz der Freiheit, das ist das, was wir wünschen. Auf einem Kriegerdenkmal in Amerika fand ich die Worte: „While we put on the soldier, we did not lay aside the citizen — Als wir den Soldaten anzogen, haben wir den Bürger nicht ausgezogen." Ich glaube, das ist ein Grundsatz, der auch in unserem Staate gelten sollte. Das heißt nicht den Soldaten verbürgerlichen, aber das heißt den Staatsbürger im Soldaten am Leben erhalten und neu erwecken.
Wenn wir in der konkreten Gegenwart die Eingliederung von Streitkräften in unseren Staat sehen, dann möchten wir klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß es für diese unsere Bundeswehr keine Sonderstellung in diesem Staate gibt, daß das Bekentnis zu diesem demokratischen Staat eine Selbstverständlichkeit sein muß. Auch die Bundeswehr steht unter der schwarz-rot-goldenen Fahne, die einzig und allein die Gegenwart unserer Bundesrepublik und die Zukunft eines in Freiheit geeinten Deutschlands verkörpert.
Wir wollen in keiner Weise irgendeine Gösch oder irgendeinen Vorbehalt. Es gibt nur eine Nationalfahne. Zu der stehen wir, und wer diese bekämpft, erweist diesem Staat den allerschlechtesten Dienst.
Für den inneren Aufbau dieser deutschen Bundeswehr hat sich die Bundesregierung zum landsmannschaftlichen Prinzip bekannt. Wir unterstreichen diese Erklärung der Bundesregierung und brauchen ihr nicht viel hinzuzufügen. Sie wird es im besonderen ermöglichen, die Vielgestalt echter Traditionen in unserer Bundeswehr lebendig werden zu lassen und einen 'besonderen inneren Zusammenhalt zu bilden. Für eine Armee, die auf Verteidigung beruht, scheint uns dieses Gefüge das zweckmäßigste zu sein.
Damit sind wir bei der inneren Ordnung dieser unserer neuen Bundeswehr. Wir haben von den Reformen gehört, die im Amte Blank erwogen wurden, und ich kann als ein Mann, der den ganzen Krieg über Soldat gewesen ist, nur sagen: ich stehe diesen Reformen mit der größten Sympathie gegenüber, zugleich aber auch mit ebenso großer Skepsis. Denn wir wissen, die Wirklichkeit einer militärischen Ordnung läßt sich nicht immer und überall nach Idealen ordnen. Ein alter Offizier hat vor einigen Wochen zu mir gesagt: Ja, wir haben früher alles falsch gemacht; ihr werdet jetzt richtig machen. Ich habe ihm geantwortet: Weder habt ihr früher alles falsch gemacht, noch wird es uns beim besten Willen gelingen, in Zukunft alles richtig zu machen. Man muß die Dinge doch mit Maß und Ziel sehen. Man muß wissen, daß man bei einer Organisation von einer halben Million Menschen nicht alles bis zur letzten Einzelheit vorplanen kann und den Geist des letzten Unteroffiziers und Feldwebels bestimmen kann. Aber es kommt darauf an, daß wir die Geleise so richtig stellen, daß der Zug im ganzen richtig fährt, daß wir die Gefahrenpunkte aufzeigen, daß dann, wenn irgendwo ein Mißgriff erfolgt — und Mißgriffe werden sich nie vermeiden lassen —, er sofort ausgemerzt werden kann.
Wir alle, die wir Soldaten waren, haben den Stumpfsinn der Organisation und die Allmacht des Ausbilders erlebt, die wir alle nicht völlig beseitigen können. Man könnte •darüber viel reden. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt noch Gelegenheit hierzu sein. Wir wären aber schlechte Volksvertreter, wenn wir die Sorge der jungen Generation und auch die Sorge der Eltern vor solchen Gefahren verschwiegen und wenn wir ihnen nicht unsere Aufmerksamkeit zuwendeten.
Ich möchte dabei einmal ganz deutlich betonen: es ist ein merkwürdiges Vorurteil in weiten Kreisen, daß Militarismus, in diesem Fall als eine Entartung der inneren Ordnung des soldatischen Lebens ge-
sehen, ein Vorrecht der Generale, Obristen und anderen hohen Offiziere sei. Nach aller Erfahrung sieht der normale Soldat im Friedenseinen Oberst und seinen General nur, wenn es mal ganz schiefgeht. Normalerweise ist es so, daß die Armee dem Soldaten in der Gestalt seines Ausbilders, seines Unteroffiziers, seines Feldwebels, seines jungen Leutnants und allenfalls noch seines Hauptmanns begegnet. Deshalb, glaube ich, sollten wir einmal davon absehen, unser Offizierkorps mit dem Vorwurf des Militarismus zu belasten, zumal da wir uns doch daran erinnern können, daß der größte Militarist der Geschichte nicht ein General, sondern ein Gefreiter war.
Das mag uns zeigen, daß die Gefahr einer geistigen Entartung in allen Schichten des militärischen Dienstes und, wie ich ausdrücklich betonen möchte, sogar außerhalb des militärischen Raumes möglich ist; denn ich habe auch Militaristen gekannt, die nie Soldaten gewesen sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja. Ich weiß nicht, von wem.
Vom Kollegen Erler!
Herr Kollege Dr. Jaeger, nach Ihren vorangegangenen Ausführungen wäre ich Ihnen für eine Mitteilung darüber dankbar, ob Ihnen bekannt ist, ob dieser Gefreite ein Preuße war.
Herr Kollege Erler, bei Ihrem historischen Bildungsstand nehme ich gern an, daß diese Frage nur rhetorisch war. Ich begnüge mich deshalb mit der Antwort, daß es überhaupt kein Bürger des Deutschen Reiches von 1871 war. Mehr möchte ich aus außenpolitischer Höflichkeit nicht sagen.
15m die Dinge beim Namen zu nennen: Es geht doch darum, daß in einer Armee der Möglichkeit des Mißbrauchs der Macht begegnet wird. Jede Macht steht in der Gefahr des Mißbrauchs. Aber die Versuchung zum Mißbrauch der Macht ist um so stärker, je größer die Macht ist und je geringer die geistige Bildung dessen ist, der sie ausübt. Es ist gefährlich, wenn man jungen Menschen Anfang der zwanziger Jahre, die noch gar nicht zur vollen Reife der Persönlichkeit gekommen sein können, eine so große Macht gibt, wie sie immer in der Hand eines Ausbilders liegt. Diesen Gefahrenpunkt muß man klar erkennen. Man muß in der Ausbildung der Ausbilder die notwendigen Schritte tun. Man muß sie durch die höheren Offiziere beaufsichtigen lassen, so daß man vielleicht in Zukunft den Bataillons- oder Regimentskommandeur öfter bei seinen Rekruten sieht, als das früher der Fall war.
Wir wollen aber auch einmal betonen, daß die Gestalten eines Himmelstoß und eines Platzek nicht Typen des deutschen Unteroffiziers waren, sondern seine Karikatur. Daß es für diese Karikatur einige Vorlagen in der Wirklichkeit gegeben hat, das allerdings kann, wer die Dinge kennt, auch nicht bestreiten.
Jedenfalls kommt es darauf an, daß man in dem Rekruten nicht einen Menschen sieht, der überhaupt erst zu einem ordentlichen Menschen gemacht werden muß, dessen Rückgrat man bricht, damit er ein gefügiges Rädchen der Kriegsmaschine wird, sondern daß man, wie es gute Ausbilder immer getan haben, im Rekruten einen Menschen sieht, der ein Sohn und ein Bürger des Volkes ist, das wertvolste Gut, das das Volk jemand anzuvertrauen hat, und daß man von diesem Bürger nicht mehr an Opfern verlangen darf, als unbedingt erforderlich ist; und das ist im 20. Jahrhundert, im technischen Zeitalter, wahrhaftig genug.
Betonen möchten wir heute am Anfang einer deutschen Wiederbewaffnung, daß ebenso wie in Staat und Wirtschaft ,auch in der Wehrmacht der Mensch und seine persönliche Würde im Mittelpunkt allen Bemühens zu stehen haben. Wenn wir um des Schutzes ,der Menschenwürde willen eine Armee aufbauen, dann soll auch in der Armee dieser Wert der oberste Wert sein.
Ich möchte hinzufügen: wir haben in der Vergangenheit ein Exerzierreglement gehabt, das noch aus einer Zeit stammte, die längst überholt ist. Im friderizianischen Zeitalter, aus dem die Grundlagen unserer Formierung kommen, galt das Exerzieren noch als eine Vorschule für ein Gefecht, bei dem man geschlossen ausgerichtet, aufrecht und im Gleichschritt gegen den Feind gezogen ist. Diese Zeiten sind bereits seit dem 1. Weltkrieg vorbei. Obwohl sich das Gefecht völlig geändert hat, obwohl heutzutage alles auf den Einzelkämpfer abgestellt wird, ist das Exerzierreglement großenteils noch das alte geblieben. Wir würden es begrüßen, wenn hier ein grundsätzlicher Wandel geschaffen würde und wenn die Ausbildung des jungen Soldaten auf den Ernstfall ausgerichtet würde und nicht auf den Parademarsch. Andererseits möchten wir mit aller Deutlichkeit die bittere Wahrheit betonen, daß eine Kompanie kein Kegelklub und eine Garnison kein Mädchenpensionat sind. Diese Dinge sind so selbstverständlich, daß man die Figur des UvD, der idem Rekruten den Kaffee ans Bett bringt, endlich ,einmal aus den Witzblättern verschwinden lassen sollte.
Der Soldat unserer Zeit muß ein Meister seiner Waffe sein, einer technischen Waffe, die sehr viel schwieriger zu bedienen ist als etwa die des Jahres 1914, ja noch des Jahres 1939. Er muß sie im Schlaf bedienen können, wie ein Kraftfahrer sozusagen im Schlafe Bremse und Gashebel zu unterscheiden vermag. Das wird sehr viel Übung erfordern. Auch die Pflege dieses Geräts und der Waffen wird sehr viel Sorgfalt erfordern, Dinge, die sehr viel Zeit im Leben des Soldaten werden einnehmen müssen.
Noch eines scheint mir der Betonung wert zu sein. Die moderne Waffe erfordert eine viel größere geistige Beweglichkeit des Soldaten, als sie in früheren Zeiten notwendig war. Gegenüber der Massentechnik und dem Massenheer des Ostens kann nur der geistig geschulte Einzelkämpfer des Westens standhalten und überlegen sein. Dieser qualifizierte Einzelkämpfer wird übrigens auch noch auf dem Gebiete des Propagandakrieges gefordert, dem der Soldat gerade in einem demokratischen Staat ausgesetzt ist. Der reife Staatsbürger, der zugleich der Meister seiner Waffe ist, wird ein Soldat sein, auf dessen individuelle Ausbildung sehr viel Zeit und Mühe verwendet werden muß.
Wir sind damit bei der Frage der geistigen Ausbildung. Wenn wir auch einerseits der staatsbürgerlichen Bildung in unseren Kasernen das Wort reden und nach den Erfahrungen des „Dritten Reiches" mit besonderer Betonung wünschen, daß der Seelsorge die Tore der Kasernen geöffnet werden, so wollen wir andererseits — in diesem Augenblick brauchen wir es noch nicht im einzelnen auszuführen — die Ausbildung auch nicht überfordern. Die Armee ist keine Schule der Nation. Man sollte sich nicht einbilden, in der Armee nachholen zu können, was Elternhaus, Jugendverbände, Schule und andere Erziehungsfaktoren vielleicht versäumt haben. Es kommt vielmehr darauf an, die jungen Menschen davor zu bewahren, daß das, was sie Gutes von daheim mitgebracht haben, in der Kaserne verlorengeht; es kommt darauf an, das Gute, das sie mitgebracht haben, zu ergänzen und weiter fortzuführen.
Schließlich und endlich möchten wir auch hier erklären, daß es darum geht, das Notwendige zu verlangen und nicht mehr. Wir möchten schon an dieser Stelle erklären: Wir hoffen, daß die Dienstpflicht niemals über jenes Maß hinaus wird ausgedchnt werden müssen, das an sich heute in den anderen Ländern besteht und nach dem EVG-Vertrag und den Übernahmeprotokollen praktisch in Zukunft auch für uns vorgesehen sein wird: eine Dienstpflicht von achtzehn Monaten, über die wir uns beim Wehrpflichtgesetz in einer späteren Zeit noch werden unterhalten müssen.
Wir werden in diesem Zusammenhang darauf achten, daß der soldatische Raum des Befehlens und Gehorchens nicht über den militärischen Bereich ausgedehnt wird. Wir begrüßen den Vorschlag des Bundesrats und der Bundesregierung, die Wehrverwaltung als eine zivile Verwaltung aufzuziehen und nicht aus militärischer Ordnung heraus aufzubauen.
Wir wünschen, daß dem Soldaten eine Freizeit gegeben wird, die vom Dienst getrennt ist. Wir wünschen, daß im allgemeinen vom Uniformzwang in der Freizeit abgesehen wird. Wir wünschen, daß das Vorgesetztenverhältnis im Rahmen des Möglichen auf den Dienst beschränkt wird. Kurz und gut, wir wünschen, daß die Ordnung des Militärischen klar und eindeutig festgelegt, aber nicht über das Notwendige hinaus weitergetrieben wird. Wir freuen uns, hierin mit dem Herrn Verteidigungsminister persönlich und mit seinen Mitarbeitern einig zu sein.
Meine Damen und Herren. wir werden über die Frage der inneren Ordnung unserer Streitkräfte, über die Frage des Einbaus der Bundeswehr in den demokratischen Staat noch viele ernste Gespräche miteinander zu führen haben. Eines, glaube ich, sollte auch heute schon feststehen: das innere Leben deutscher Truppen mag und muß Opfer vom einzelnen fordern, aber das innere Leben deutscher Truppen muß ein Abbild der Welt sein, die wir verteidigen, einer Welt, die dem Menschen gehört, einer Welt der Ordnung, des Rechtes und der Freiheit.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte, die wir heute morgen führen, ist uns von der Mehrheit dieses Hauses in der vergangenen Woche mit dem Hinweis auf die
Dringlichkeit der militärischen Aufrüstung der Bundesrepublik aufgezwungen worden. Das geschah in einem Augenblick, in dem in der internationalen Situation ganz andere Fragen im Vordergrund stehen als die ersten Schritte zur Aufrüstung der Bundesrepublik im Rahmen der Pariser Verträge. Ich denke an die Abrüstung, an die Politik der internationalen Entspannung und an das Problem der deutschen Wiedervereinigung.
Wenn es für den Deutschen Bundestag in dieser Lage und heute einen Grund zu einer Sondersitzung gegeben hätte, dann den zur Entgegennahme einer Regierungserklärung über die außenpolitische Situation und über das deutsche Verhandlungsprogramm für die kommende Genfer Konferenz und für den Besuch des Bundeskanzlers in Moskau.
Denn hier liegt eine echte Dringlichkeit vor, denn in diesen Verhandlungen kann sich auf lange Zeit das Schicksal des ganzen deutschen Volkes entscheiden. Unsere Regierung aber hat mit Unterstützung der Mehrheit in diesem Zusammenhang und unter diesen Umständen nur eine Sorge die erste Lesung des Freiwilligengesetzes sozusagen sogar nach einem Stundenplan und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die die Realisierung der Pariser Verträge auf militärischem Gebiet für die Chancen einer Verständigung über die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit haben kann.
Das in diesem Augenblick festzustellen, erscheint uns notwendig, weil der überstürzte Versuch, jetzt mit diesem Freiwilligengesetz den ersten Schritt zur Aufrüstung in der Bundesrepublik zu unternehmen, nach unserer Überzeugung den Notwendigkeiten einer aktiven Politik der Wiedervereinigung widerspricht und ihnen in keiner Weise gerecht wird.
Neben all den anderen Gründen, die uns veranlassen, gegen diesen Regierungsentwurf zu stimmen, ist es auch schon allein dieser Grund, der uns veranlaßt, unsere Ablehnung dieses Gesetzentwurfs von vornherein festzustellen.
Das zweite, meine Damen und Herren: diese erste Lesung heute hat noch einen anderen, besonderen Hintergrund. Sie fällt zufällig mit dem letzten Tag der ersten großen Luftmanöver der NATO in Westeuropa und in Westdeutschland zusammen. Man hat gesagt, daß diese Manöver unter den Bedingungen des Ernstfalles und ihm Rahmen der strategischen Planung von NATO durchgeführt werden. Ihr Verlauf läßt daher Rückschlüsse zu sowohl auf das Schicksal der Zivilbevölkerung im Falle eines Atomkrieges als auch im Hinblick auf die spezielle Frage der Sicherheit der Bevölkerung der Bundesrepublik im Falle eines solchen Krieges. Meine Damen und Herren, die bisherigen Berichte deutscher Journalisten über den Verlauf und die Ergebnisse dieser großen Manöver sind einfach alarmierend.
Im Ernstfall wären nach dieser Darstellung die Folgen eines solchen Angriffs von vernichtender Wirkung für die Bevölkerung unseres Landes gewesen.
Dabei ist das besonders Bedrückende in den bisherigen Schilderungen, daß die Zivilbevölkerung schutzlos den verheerenden Folgen dieser Angriffe ausgesetzt gewesen wäre, weil man von der Annahme ausging, daß nichts für ihren Schutz vorbereitet worden sei.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle haben noch die lapidare Erklärung des Herrn Bundeskanzlers bei der dritten Lesung der Pariser Verträge hier im Hause im Ohr, als er feststellte: Wenn die Bundesrepublik NATO beitritt, dann wird uns das Schicksal erspart, Kriegsschauplatz zu werden.
Wie geisterhaft wirkt diese Erklärung angesichts der Beobachtungen und Erfahrungen in den gegenwärtigen Luftmanövern!
Wir alle haben auch noch in frischer Erinnerung, daß die Mehrheit dieses Hauses auch in der dritten Lesung des Haushalts in der vorigen Woche den sozialdemokratischen Antrag abgelehnt hat, aus dem für die Verteidigung bereitgestellten Betrag mindestens 1,2 Milliarden DM für den zivilen Luftschutz bereitzustellen. Gestern schrieb unter dem Eindruck seiner Beobachtungen bei den Luftmanövern Adlbert Weinstein in der „Frankfurter Allgemeinen", daß es angesichts der allgemeinen Entwicklung des atomaren Krieges nur ein e sinnvolle Aufgabe für die Sicherheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik gebe, nämlich den für die Verteidigung bereitgestellten Gesamtbetrag von 9 Milliarden DM ausschließlich für den Schutz der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.
In dieser Lage, angesichts dieser Beobachtungen, beraten wir auf Verlangen der Regierung und ihrer Mehrheit einen Gesetzentwurf, durch den die Einstellung von 6000 Freiwilligen ermöglicht werden soll.
Jedermann weiß, daß im Zeitalter des Atomkrieges weder diese 6000 Freiwilligen noch die 12 Divisionen, die wir nach den Pariser Verträgen aufstellen sollen, irgendeinen nennenswerten Beitrag für die Sicherheit der Menschen in der Bundesrepublik darstellen werden oder können.
Das Volk fühlt es, mit jedem Tag mehr, und Sie alle wissen es, daß man auf diesem Wege der Aufrüstung der Sicherheit der Bundesrepublik nicht gerecht werden kann. Aber die Bundesregierung und die Koalition bestehen trotzdem auf ihren Divisionen, als wäre seit 1952 nichts in der Welt geschehen.
Ich finde, es ist eine geradezu gespenstische Situation, in der wir uns heute in dieser Debatte befinden.
Unsere Ablehnung gründet sich jedoch keineswegs auf diese beiden Gesichtspunkte der Wiedervereinigungspolitik und der Politik der Sicherheit. Wir sind vor allem auch beunruhigt und bestürzt über die Methode, die bei der Vorbereitung und bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs bei den parlamentarischen Körperschaften der Bundesrepublik befolgt worden ist.
Wir haben in der Vergangenheit und auch gestern noch in der Erklärung des Herrn Verteidigungsministers viele schöne Worte und feierliche Erklärungen darüber gehört, daß der Aufbau der deutschen Streitkräfte in. demokratischer Weise und unter der effektiven Kontrolle der zivilen Behörden erfolgen soll. Man hat davon gesprochen, daß man die breiteste parlamentarische Mehrheit für die Wehrgesetzgebung finden müsse. Das, was hier bei der Vorbereitung und bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfes geschehen ist und noch geschieht, ist ein glatter Hohn auf diese Versprechungen und Erklärungen.
Ersteros: Der Entwurf ist ohne jede vorherige Fühlungnahme mit dem zuständigen Ausschuß des Bundestages über Nacht vom Kabinett fertiggestellt und eingebracht worden. Man mußte sogar noch den Pfingstsonnabendabend für die rechtzeitige, termingemäße Weiterleitung an den Bundesrat in Anspruch nehmen. Zweitens: Die dem Gesetzentwurf beigegebene sehr kärgliche Begründung und die gestrige mündliche Begründung des Herrn Verteidigungsministers sind voller Widersprüche. Drittens: Der Bundesrat hat beim ersten Durchgang nach einer sehr eingehenden Aussprache in sachlicher und konkreter Form eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die gerade vom Standpunkt des demokratischen Aufbaus der Streitkräfte und ihrer Kontrolle durch die Zivilbehörden großes Gewicht haben. Ferner: Die öffentliche Meinung hat mit Besorgnis und Ablehnung in den weitesten Schichten auf den Entwurf reagiert, und selbst innerhalb der Koalition hat es Widerstand und Opposition gegeben.
Die Bundesregierung allerdings rührt das alles nicht. Sie legt dem Bundestag die unveränderte Regierungsvorlage vor. Sie nimmt auch nicht mit einem einzigen Wort zu den Beschlüssen des Bundesrats Stellung.
Meine Damen und Herren, es hat in diesem Bundestag, in dem wir schon viele merkwürdige Dinge erlebt haben, noch keinen Vorgang gegeben, der die Grundsätze einer loyalen verfassungsmäßigen Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Parlament in so empörender Weise verletzt hat.
Dieser Methode entspricht auch der Inhalt des Gesetzentwurfs. Er ist ein Monstrum. In drei Artikeln wird in allgemeinen Bestimmungen praktisch die Grundlage für den Aufbau der neuen Streitkräfte geschaffen. Wenn dieser Gesetzentwurf unverändert angenommen werden sollte, dann haben Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheit, ein geradezu ideales Bündnis zwischen Militär und Bürokratie gegen das Parlament gesetzlich verankert.
— Nun, Herr Dr. Krone, die Blankobestimmungen
dieses Gesetzes geben jede Möglichkeit, mindestens
im Kern Aufbau und Struktur der Streitkräfte ohne jede Mitwirkungsmöglichkeit des Parlaments in Angriff zu nehmen.
Es gibt keine einschränkende Bestimmung mit Ausnahme des Datums über die Gültigkeit des Gesetzes. Alles andere ist ein totalitäres Gesetz, mit dem sich alles machen läßt.
Ich will hinzufügen: Durch die gestrige Begründung des Herrn Verteidigungsministers ist die Sache nicht besser, sondern nur noch schlimmer geworden.
Herr Blank hat gestern auseinandergesetzt, daß es sich nur um eine gesetzliche Grundlage für gewisse Vorbereitungsarbeiten für den späteren Aufbau der Streitkräfte handeln soll. Dabei hat er in seinem Fünf-Punkte-Programm über die Aufgaben dieser Vorbereitung, die durch die zunächst einzuberufenden 6000 Freiwilligen erfüllt werden sollen, ganz überwiegend Aufgaben genannt, die nach seinen eigenen gestrigen Ausführungen über die Wehrpolitik der Regierung zum zivilen Sektor dieser Arbeit gehören sollen. Ja, meine Damen und Herren, wozu dann eigentlich dieses Freiwilligengesetz? Wozu dann die Festlegung der Grundlagen der militärischen Ordnung?!
Entweder ist das, was im Gesetz beabsichtigt war, nicht gesagt worden, oder das, was der Herr Verteidigungsminister gesagt hat, ist die wirkliche Absicht der Regierung; dann brauchen Sie kein vorläufiges Gesetz für die Einstellung von Freiwilligen!
Ich meine, es gibt auch heute nach der schriftlichen Begründung, nach dem Entwurf des Gesetzes und nach der gestrigen Erklärung von Herrn Blank nur noch zwei Dinge, die im Gesetzentwurf der Regierung und in der Erklärung des Herrn Ministers übereinstimmen: das Datum der Beendigung dieses Gesetzes ist noch genau dasselbe geblieben. Wir hätten gerade da gewünscht, daß auch da noch eine Änderung im Sinne einer Verkürzung der Lebensdauer dieses merkwürdigen Entwurfs, wenn er überhaupt zum Leben kommt, erfolgt wäre. In allen übrigen Punkten jedenfalls paßt das 'eine nicht 'zu dem anderen, und man muß wirklich fragen, was eigentlich die Absicht bei 'der Einbringung dieses Gesetzentwurfs gewesen ist.
Ich finde — und ich meine es sehr ernst —: Schlimmer als mit dieser Vorgeschichte und mit dem Inhalt dieses Gesetzentwurfs konnte das Vertrauen in den redlichen Willen der verantwortlichen politischen Kräfte der Bundesrepublik zum Aufbau einer demokratischen Wehrorganisation nicht belastet werden,
und schlimmer konnten die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik bei diesem ersten Schritt nicht brüskiert werden.
Auf diese Methode kann ,das Parlament nach unserer Auffassung, ganz unabhängig von der politischen Bewertung der Verträge und ihrer Durchführung in der Bundesrepublik, nur eine Antwort geben: nämlich die weitere Beratung dieses Gesetzentwurfs zu verweigern und auf diese Weise endlich die Regierung zu zwingen, in eineranständigen, sauberen und eindeutigen Form den gesamten Komplex der Wehrgesetzgebung dem Parlament zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren, wir haben gestern hier zum erstenmal eine Art von Regierungserklärung über die Wehrpolitik gehört. Auch eine merkwürdige Sache! Denn man hat diese Regierungserklärung sozusagen dem Parlament nachgereicht, um damit den Gesetzentwurf über die Einberufung von Freiwilligen etwas schmackhafter zu machen. Meine Freunde Dr. Arndt und Erler werden sich später noch mit wesentlichen Teilen dieser Regierungserklärung auseinandersetzen. Aber ich möchte hier zunächst feststellen, daß wir keineswegs befriedigt und beruhigt sind. Diese Regierungserklärung ist kein Ersatz für formulierte Gesetzentwürfe zu den einzelnen Aufgabengebieten. Man muß, und zwar an Hand der Entwürfe, wissen, wie sich die Regierung praktisch die gesetzlichen Grundlagen fur Aufbau und Verwaltung der Streitkräfte vorstellt. Nach den Erfahrungen mit .dem Entwurf des Freiwilligengesetzes halten wir uns nicht mehr an Erklärungen, sondern nur an formulierte, in Gesetzesform gebrachte Texte.
Für uns ist die Frage entscheidend, wie der demokratische Aufbau der Streitkräfte und wie die
zivile Kontrolle über die Streitkräfte gesetzlich gesichert werden sollen. In der Regierungserklärung
wurden diese 'beiden Grundsätze verkündet. Aber
schon die Feststellung 'in der gleichen Erklärung,
daß die Streitkräfte als ein Teil der Exekutive der
Regierung unterstehen werden, hat uns gezeigt,
daß es in bezug auf die Methode der effektiven
Sicherung des demokratischen Aufbaues und der
zivilen Kontrolle zwischen der Regierung und uns
entscheidende Differenzen gibt. Jede militärische
Streitmacht ist nicht nur ein Teil der Exekutive,
sondern sie schafft aus ihrem Wesen heraus ein
Stück verfassungsrechtlicher Wirklichkeit neben
der Exekutive, weil sie nach völlig anderen Grundsätzen aufgebaut wird als die zivile Verwaltung.
Der demokratische Aufbau 'und die zivile Kontrolle sind daher nicht garantiert, indem die Militärs der Weisungsbefugnis des Verteidigungsministers unterstellt werden und indem es die Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers gegenüber dem Parlament gibt. In diesem Fall muß die der zivilen Gewalt untergeordnete Position der Streitkräfte eindeutig im Grundgesetz verankert werden, und sie muß außerdem durch direkte Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten des Parlaments gesichert werden. Das 'bedeutet die Schaffung eines parlamentarischen Sicherheitsausschusses mit weitergehenden Befugnissen der Kontrolle, als normale Ausschüsse des Bundestages sie haben, bedeutet ferner die gesetzliche Verankerung des in Aussicht genommenen Personalausschusses als dauernde Einrichtung,
und es bedeutet schließlich auch die besondere Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers gegenüber dem Parlament.
Die gleiche eindeutige verfassungsrechtliche Klärung ist notwendig in bezug auf die Frage, inwieweit ,die Grundrechte des Staatsbürgers durch seine Verpflichtungen im Militärdienst eingeschränkt werden. Unsere Grundauffassung ist, daß im Interesse der Demokratie und im Interesse der Unterordnung der Streitkräfte unter die politischen Autoritäten so viel wie nötig durch verfassungsrechtliche Bestimmungen gesichert werden muß. Jedes Ausweichen vor dieser Notwendigkeit gefährdet von vornherein das für unsere Demokratie lebensnotwendige Ziel der eindeutigen Unterordnung des Militärs unter die Politik der zivilen Gewalt. Das war ja wohl auch die erklärte Auffassung der Koalitionsparteien, jedenfalls nach der feierlichen Erklärung, die der Herr Abgeordnete von Merkatz am 26. Februar 1954 hier abgegeben hat, mit der ausdrücklichen Feststellung, daß sich alle Koalitionsparteien an diese Verpflichtung einer verfassungsrechtlichen Regelung der entscheidenden Fragen gebunden fühlen würden.
Inzwischen scheint das nicht mehr ganz so eindeutig zu sein; denn der Herr Bundeskanzler hat kürzlich, wenn die Zeitungen richtig berichtet haben, die Meinung vertreten, daß diese Abmachung nicht mehr gelte,
weil die verfassungsmäßige Zweidrittelmehrheit nicht mehr sicher sei.
Mir scheint, hier wird das Grundgesetz nach einer Art von- Geschäftsordnung für die Bundesregierung behandelt
und nach dem Prinzip, das unsere Frauen kennen: man nehme, man tue, man schüttle, und dann wird sich das ergeben, was für die Sache, d. h. für die Regierung am zweckmäßigsten ist.
Ich bin sehr gespannt, ob der Herr Bundesminister von Merkatz heute im Gewande des Fraktionsvorsitzenden der DP seine Erklärung von damals bestätigen wird. Ich glaube, unsere Hoffnungen dürfen da nicht sehr groß sein. Es sind schon viele von unten nach oben gestiegen und in den Höhen des ewigen Schweigens verschwunden.
In den unmittelbaren Zusammenhang mit der Regelung der Rechte und Pflichten der Soldaten, wie sie in dem Soldatengesetz vorgesehen ist, gehört auch die einwandfreie und saubere gesetzliche Regelung der Stellung der Kriegsdienstverweigerer. Das Recht auf Verweigerung des Dienstes mit den Waffen ist im Grundgesetz ausdrücklich anerkannt worden. Wenn wir jetzt gezwungen sind, gesetzliche Grundlagen für einen neuen Militärdienst zu schaffen, so muß ebenbürtig und gleichwertig die gesetzliche Regelung der Frage der Kriegsdienstverweigerung getroffen werden.
Jeder Versuch, diese Regelung an das Ende einer unübersehbaren Gesetzesreihe zu stellen und damit die Regelung dieser Frage sozusagen als ein notwendiges Übel zu degradieren, verstößt gegen Geist und Inhalt des Grundgesetzes.
Es ist von entscheidender Bedeutung für das Vertrauen in den demokratischen Willen der Gesetzgebung, daß jeder unserer Staatsbürger, ganz gleich, wie er zum Dienst mit der Waffe steht, die Gewißheit der gleichen Achtung und des gleichen Respekts vor seiner Auffassung und vor seiner Entscheidung erhält.
Jedermann in diesem Hause ist sich hoffentlich über die große Tragweite der Entscheidung über die Wehrgesetzgebung klar. Es geht um Schicksal und Zukunft der deutschen Demokratie. Das deutsche Volk ist auf diesem Gebiete mit einer unglücklichen Tradition belastet. Es ist ihm in der Vergangenheit nicht gelungen, die Militärs in die Position zu verweisen, in die sie in einem demokratischen Staat gehören. Sie haben sich immer wieder als Macht neben der Regierung, als Staat im Staate etabliert, mit verhängnisvollen Folgen für die Demokratie und für das Schicksal unseres . Volkes.
Diese Gefahr ist nach unserer Überzeugung auch heute noch nicht gebannt.
Wir Sozialdemokraten haben es auch deshalb für verhängnisvoll gehalten, jetzt mit dieser Eile den Wiederaufbau deutscher Streitkräfte zu betreiben. Sie, meine Damen und Herren, haben unsere Warnungen überhört. Sie haben darüber hinaus mit der Einbringung des Freiwilligengesetzes von neuem einen gefährlichen Weg beschritten. Wir möchten Sie erneut eindringlich warnen: Gehen Sie auf diesem Weg im Interesse der Demokratie nicht weiter! Wir fordern, daß vor der ersten konkreten Maßnahme zur Aufstellung von Streitkräften im Bundestag alle entscheidenden Gesetzentwürfe für den Aufbau dieser Streitkräfte zu eingehenden und gründlichen Beratungen vorgelegt werden.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird die ernstesten Konsequenzen ziehen, wenn der Versuch unternommen werden sollte, eine gründliche Diskussion und die Klärung der wehrpolitischen Probleme an Hand der Regierungserklärung in den Ausschüssen zu verhindern und das Freiwilligengesetz so durchzubringen, wie es jetzt vorliegt.
Wir müßten in einem solchen Vorgehen der Mehrheit das Scheitern jedes Versuchs sehen, die Rechte der Demokratie und ihrer Bürger bei dem Aufbau der neuen Streitkräfte zur Geltung zu bringen und Lösungen zu versuchen, die von den breitesten Schichten des deutschen Volkes getragen werden können.
Die Regierung hat durch diesen Start die ernsteste innerpolitische Lage geschaffen, vor die wir seit der Gründung der Bundesrepublik gestellt worden sind. Sie versucht eine Politik der vollendeten Tatsachen zu treiben in den großen und in den kleinen Fragen, in den großen Fragen z. B., wenn sie es fertigbringt, sich in einer ersten Grundsatzerklärung über die Wehrpolitik der Bundesrepublik Deutschland für die allgemeine Wehrpflicht auszusprechen, aber mit keinem Wort auch nur das Problem zu erwähnen, das entstehen muß, wenn wir für die in der Bundesrepublik wohnen-
den Staatsbürger die allgemeine Wehrpflicht einführen. Für sie, für die Bundesregierung, besteht offenbar die Frage überhaupt nicht, welche Konsequenzen eine solche Entscheidung haben muß für die Beziehungen zwischen den deutschen Staatsbürgern in der Sowjetzone und uns, für das zukünftige Verhältnis zwischen diesen beiden Teilen Deutschlands überhaupt.
Meine Damen und Herren, diese Fehlanzeige ist ein geradezu erschreckendes Beispiel dafür, daß die maßgebenden Kräfte in der Bundesregierung in ihrem Handeln die Bundesrepublik einfach mit Deutschland gleichsetzen, als ob es die Spaltung Deutschlands nicht gäbe.
Meine Damen und Herren, ein zweites Beispiel! Das ist der Wettlauf mit den Terminen. Sie können doch wirklich nicht sagen, daß mit der Sozialdemokratie über vernünftige Abmachungen über Termine nicht zu reden ist. Aber hier weiß man doch überhaupt nicht, wie man auch nur auf die Idee kommen konnte, eine so entscheidende Lebensfrage unsere demokratischen Ordnund geradezu nach einem Stundenplan, unter allen Umständen und unter Verzicht auf eine grundsätzliche Klärung der innenpolitischen Problematik regeln zu wollen. Aus welcher Sicht wird denn eigentlich in der Bundesrepublik eine Politik bestimmt, für die es entscheidend ist, daß man der Genfer Konferenz, die sich mit der Abrüstung und mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit beschäftigen soll, als Gabe der Bundesrepublik das verabschiedete Freiwilligengesetz vorlegen kann?
Meine Damen und Herren, wo liegt der Sinn in
dieser Politik angesichts der internationalen Lage?
Das sind zwei Fragen, mit denen sich doch jeder auseinandersetzen muß, der die merkwürdige und einzigartige Lage betrachtet, in der diese Diskussion stattfindet.
Dann gibt es andere — Kleinigkeiten —, aber aufreizende Eigenmächtigkeiten. Ich möchte gern wissen: wer hat eigentlich Herrn Blank ermächtigt, in großer Auflage eine Broschüre „Vom künftigen deutschen Soldaten" zu verbreiten, ehe das Parlament auch nur den ersten gesetzlichen Schritt zur Regelung der Aufstellung von deutschen Streitkräften unternommen hat?
Herr Minister Blank, wo sind die gesetzlichen Grundlagen, auf denen in dieser Wehrwerbeschrift Ihre Grundsätze entwickelt worden sind? Was soll denn das alles? Wie ist denn das in Übereinstimmung zu bringen mit Ihren gestrigen Erklärungen über die Kontrolle des Parlaments über jeden Schritt in der Entwicklung einer Wehrpolitik und einer Wehrorganisation?
Wenn das schon zum Beginn am grünen Holz des zivilen Verteidigungsministers erfolgt, was haben wir dann erst von den Militärs zu erwarten?
Diese Politik der Bundesregierung ist keine Politik der Demokratisierung der Armee und der zivilen Kontrolle der Streitkräfte. Wenn sie in dieser Bahn fortgeht, dann ist diese Politik eine direkte Ermutigung zum Eigenleben der Bürokratie in Zivil und Uniform.
Meine Damen und Herren, Sie als die Mehrheit des Hauses stehen vor einer weittragenden Entscheidung. Gehen Sie diesen Weg weiter, nehmen Sie diesen unmöglichen Gesetzentwurf an, auch nur als Beratungsgrundlage, dann gefährden Sie schon im Ansatz die Grundsätze, von denen die Regierungserklärung gestern gesprochen hat.
Sie zerstören dann aber auch von vornherein in weiten Schichten des deutschen Volkes den Glauben daran, daß es der ernste Wille der Regierung und ihrer Mehrheit ist, die neuen deutschen Streitkräfte in demokratischem Geist aufzubauen. Eine solche Politik müßte den inneren Riß in unserem Volk, den die Vertragspolitik schon in so verhängnisvoller Weise hervorgerufen hat, unheilbar vertiefen. Und, meine Damen und Herren, mehr noch: sie bringt die Demokratie in Gefahr!
Sie haben die Macht, durch Ihre Entscheidungen Streitkräfte aufzustellen. Aber wenn diese Streitkräfte nicht getragen sind von dem Vertrauen aller demokratisch gesinnten Teile des Volkes in der Bundesrepublik, wenn Sie die Streitkräfte aufbauen sozusagen als die Streikräfte der gegenwärtigen Regierungskoalition ohne Berücksichtigung der Vorstellungen der sozialdemokratischen Opposition, die ein Drittel der Wähler in der Bundesrepublik repräsentiert, die den Kern unserer Arbeiterschaft vertritt und einen wesentlichen Teil der Jugend in ihren Reihen hat, meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Weg gehen, dann muß die deutsche Demokratie an einem solchen halsbrecherischen Versuch scheitern.
Wir Sozialdemokraten haben die Pariser Verträge abgelehnt. Wir stehen zu dieser Entscheidung. Aber wir verzichten damit nicht auf das Recht und die Pflicht, bei Ihrer Aufrüstungspolitik im Rahmen der Pariser Verträge die Rechte der Demokratie und ihrer Bürger zu wahren und zu verteidigen.
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren von der Mehrheit: unsere Ablehnung der Verträge entbindet Sie wieder nicht von der Verpflichtung, unsere Forderungen nach einer demokratischen Ordnung der Streitkräfte im Interesse der Demokratie zu berücksichtigen. Denn die Pariser Verträge nehmen auch Ihnen die Verantwortung für die Erhaltung und Festigung der Demokratie in der Bundesrepublik nicht ab.
Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Geben Sie die Bahn frei zu einer umfassenden und gründlichen Erörterung des gesamten Wehrgesetzkomplexes! Wehren Sie den Anfängen, weisen Sie den Entwurf des Freiwilligengesetzes zurück, damit wir die Regierung zwingen, uns neue Entwürfe für die gesamte Wehrgesetzgebung zu unterbreiten! Die größte Verpflichtung, die wir nach all den Erfahrungen in der Vergangenheit gegenüber dem deutschen Volke und gegenüber der freien Welt
haben, ist die Verpflichtung der Erhaltung und
der Festigung der Demokratie in unserem Lande.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich bin der Auffassung, daß die sehr schwerwiegenden prinzipiellen Fragen, die mit der Aufstellung einer deutschen Wehrmacht verbunden sind, besprochen und erledigt werden müssen bei der Beratung des Soldatengesetzes. Ich bin nicht der Auffassung, daß das gegenwärtige Gesetz, das die Einstellung von 6000 Freiwilligen im Laufe eines halben Jahres vorsieht, genügenden Anlaß dazu bietet.
Aber davon abgesehen bedaure ich außerordentlich die ungewöhnliche Schärfe der Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer.
Ich bedaure — ich wiederhole das nochmals — diese außerordentliche Schärfe. Ich hatte noch immer gehofft, daß es möglich sein würde, die sozialdemokratische Fraktion zur Mitarbeit auf dem Boden der Demokratie zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Herrn Bundeskanzler in seiner Rede nicht zu unterbrechen.
Meine Damen und Herren, was darin Verletzendes sein soll, daß ich die Hoffnung gehabt habe, die sozialdemokratische Fraktion zur Mitarbeit auf dem Boden der Demokratie zu gewinnen, verstehe ich nicht.
— Also, meine Damen und Herren, wir scheinen offenbar verschiedener Auffassung von dem Wesen der Demokratie zu sein.
Ich war bisher der Auffassung, daß der Wille der Mehrheit des Bundestages maßgebend sei.
Ich hatte tatsächlich die Hoffnung gehabt, daß es, nachdem sich einmal eine Mehrheit des Bundestages, und zwar eine so starke Mehrheit, auf den Boden der Pariser Verträge gestellt hatte, möglich
sein würde, zusammenzuarbeiten bei der schweren Arbeit des Aufbaus einer neuen deutschen Wehrmacht.
— Meine Damen und Herren, das war eine sehr
merkwürdige Frage, die da gestellt worden ist.
Was wir mit dieser Wehrmacht tun wollen?
Mit dieser Wehrmacht wollen wir unser Vaterland schützen, und wir wollen Sie und Ihre Familien mit schützen.
Aber, meine Damen und Herren, ich habe mich in erster Linie aus zwei Gründen zum Wort gemeldet. Einmal hat Herr Kollege Ollenhauer ein sehr hartes Urteil über uns gefällt, weil wir nicht zu den Äußerungen des Bundesrats Stellung genommen haben.
Ich muß gestehen, ich hätte auch gern gehört, wenn Herr Ollenhauer zum dritten Absatz der Erklärung des Bundesrats Stellung genommen hätte, in dem gerade der Bundesrat mit allen übrigen gegen drei Stimmen erklärt hat, daß die möglichst schnelle Umsetzung der Pariser Verträge in die Tat auch seiner Meinung entspreche.
Aber die außenpolitischen Ausführungen des Herrn Ollenhauer am Eingang und am Schluß seiner Rede haben mich in erster Linie veranlaßt, das Wort zu ergreifen. Herr Ollenhauer hat ausgeführt, daß die Vorlage dieses Gesetzentwurfs über die Einstellung der 6000 Freiwilligen mit dem fast auf die Stunde festgelegten Zeitplan eine sehr schlechte Einleitung oder, wie er gesagt hat: eine schlechte Gabe für die Genfer Konferenz und für das Thema der Abrüstung bei.
Er hat weiter ausgeführt, daß man, wenn wir ein solches Gesetz vorlegten, doch Zweifel hegen müsse, ob wir die Wiedervereinigung wollten. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Ollenhauer übersieht in sehr versöhnlicher Weise, daß in der Sowjetzone ein Heer von 150 000 Mann, das aus Deutschen besteht, von den Russen aufgestellt worden ist.
Er übersieht in sehr versöhnlicher Weise, daß die deutsche Jugend in der Sowjetzone auf den Bürgerkrieg gegen uns vorbereitet wird.
— Das sind keine Behauptungen; das ist Wahrheit.
Ich bin der Auffassung, daß sich die Politik der Mehrheit dieses Hauses und der Bundesregierung gerade in den letzten Monaten als die einzig richtige Politik bewährt hat;
denn diese Politik, die wir geübt haben, hat die Einheit des freien Westens herbeigeführt. Diese Politik, die wir geführt haben, wird zu der Genfer Konferenz führen,
und diese Politik hat auch zu der Einladung des Bundeskanzlers nach Moskau geführt,
während die Politik der Sozialdemokratie zur Folge gehabt haben würde, daß ,der Westen sich nicht zusammengeschlossen hätte und daß es nicht zu der Genfer Konferenz kommen würde.
Die Politik der Sozialdemokratischen Partei würde dazu führen, daß 50 Millionen Deutsche in der Bundesrepublik und 18 Millionen Deutsche in der von uns .abgetrennten Sowjetzone wie Schafe, wie Lämmer einfach in das Schlachthaus geführt würden.
Diese Politik der Sozialdemokratie, die Herr Ollenhauer eben wieder empfohlen hat, nichts zu tun, sondern abzuwarten, ist in einer so von Gefahren erfüllten Welt das Schlechteste, der schlechteste Rat, den man dem deutschen Volk überhaupt geben kann.
Das Wort hat der Abgeordnete von Manteuffel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde, für die zu sprechen ich die Ehre habe, habe ich in bezug auf die gestrige Regierungserklärung und das uns vorliegende Freiwilligengesetz folgendes zu erklären, was ich zu gleicher Zeit mit dem in Verbindung zu setzen bitte, was der Kollege Dr. Mende und mein Parteifreund Dr. Becker nachher noch sagen werden.
Begründet in unserem Willen, die Sicherung der Freiheit und der Unabhängigkeit unseres Volkes gegen jeden, der den Frieden bricht, zu verteidigen, sind wir bereit und willens, das unseren
Vertragspartnern in den sogenannten Pariser Verträgen gegebene Wort einzuhalten. In diesem Sinne bejahen wir das Gesamtgefüge der gestrigen Regierungserklärung.
Unsere in den letzten Wochen und Tagen und auch heute noch vorgebrachten Einwände richten sich insbesondere gegen die Tatsache, daß hier der Öffentlichkeit und uns ein Gesetz ohne jede Ankündigung vorgelegt wurde, das die gesamte Wehrverfassung und Wehrordnung festlegte. Unsere Einwände richten sich sowohl gegen den Inhalt als auch gegen die Prozedur — das letzte ist ja heute hier schon besprochen worden —, denn bei dem jetzt eingeschlagenen Verfahren scheint die Kardinalfrage der verfassungspolitischen Einordnung dieser Streitkräfte in den Staat abermals verschoben worden zu sein. Wir wollten und wollen nicht durch unnötige Überstürzung einen planvollen Aufbau der gesamten Wehrordnung, Wehrverfassung, der Einordnung der Streitkräfte in den Staat stören.
Nun hat aber die gestrige Regierungserklärung — nach unserer Auffassung jedenfalls — klargestellt, daß es sich bei dem vorliegenden, wie wir wünschen, noch abzuändernden Freiwilligengesetz nur um einen Akt der Vorbereitung handelt, den wir in Ausfüllung unserer Souveränität vornehmen, und nicht um mehr. Die Behandlung und Verabschiedung eines entsprechenden, nicht dieses Freiwilligengesetzes, wozu wir uns erlauben, nachher dem Hohen Hause Vorschläge zu unterbreiten, unter den durch die Regierungserklärung von gestern gegebenen Gesichtspunkten, d. h. insbesondere der Entsendung des ersten Personals für internationale Stäbe, erscheint uns auch aus einem anderen Grunde noch wünschenswert. Ich habe selbst der Studienkommission des Bundestages angehört, die sieben Wochen in Amerika war, um sich dort die Verhältnisse in bezug auf die zivile Führung und Leitung und die parlamentarische Kontrolle anzusehen. Dort konnten wir alle feststellen, daß gerade auch im militärischen Denken durch die zehnjährige Unterbrechung eine wesentlich größere Lücke entstanden ist, als man allgemein anzunehmen geneigt ist. Insofern verstehe ich das nicht ganz, was der verehrte Kollege Ollenhauer zu der in der Regierungserklärung gegebenen Begründung sagte, weshalb man gerade jetzt schon diese 6000 Mann brauche.
Herr Kollege Ollenhauer sagte, im wesentlichen seien es eigentlich Aufgaben, die der zivilen Führung und zivilen Planung vorbehalten sind. Wenn ich diesen Katalog von diesen — wenn ich Herrn Kollegen Ollenhauer richtig verstanden habe — fünf Punkten nehme, so sind sicher einmal die Aufstellung der bodenständigen militärischen Einrichtungen, die Beteiligung an den ersten Lehrgängen, die Verstärkung des Verteidigungsministeriums — soweit es sich um das militärische Personal handelt, muß man hinzufügen —, die Auswahl des ersten Personals für internationale Stäbe und Lehrgänge doch ganz zweifelsfrei Angelegenheiten, die die Militärs betreffen und die von Soldaten wahrgenommen werden.
Nach diesen einleitenden Feststellungen erlauben Sie mir nun, zu einigen Einzelheiten der Regierungserklärung und zu dem vorliegenden Freiwilligengesetz zu kommen. Dabei bitte ich, um unnötige Wiederholungen vermeiden zu können, sich der eingehenden und, wie wir glauben, sehr
klaren Begründung meines Parteifreundes D r. Beck er in der Sitzung vom 15. Juni zu erinnern. Mein Freund Dr. Becker hat dort ausgeführt, daß wir Freien Demokraten uns an die Absprache vom 26. Februar 1954 gebunden fühlen, und das gilt auch heute noch ohne jede Einschränkung.
Diese Absprache betraf bekanntlich die verfassungsrechtliche Regelung dreier Fragenkomplexe, die von der Regierung seinerzeit zugesagt wurde. Wir warten heute noch auf die Erfüllung dieses Versprechens. Mir persönlich als Mitglied des Ausschusses für Verteidigung — oder wie er bisher hieß: des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit — ist es völlig unverständlich, daß auch in diesem Ausschuß seit März 1954 noch mit keinem Wort über diese Angelegenheit gesprochen worden ist.
Ich darf die regelmäßig in diesem Ausschuß erscheinenden Mitglieder des Hauses daran erinnern, daß ich fast terminmäßig alle zwei Monate beim Vorsitzenden angefragt habe, ob diese Punkte noch auf der Tagesordnung stehen.
Wir bitten daher um frühestmögliche Behandlung dieser dem Ausschuß überwiesenen Drucksachen. Ich werde mir erlauben, im Namen meiner Fraktion in dem Ausschuß die vordringliche Behandlung dieser Gesetzesvorlagen zur Sprache zu bringen.
Weil wir noch auf die Erfüllung dieses Versprechens warten, können wir die Ausführungen der Regierungserklärung, daß es einer formellen Änderung des Grundgesetzes für die Aufstellung der Streitkräfte aus rechtlichen Gründen nicht bedürfe und daß — wie es an anderer Stelle hieß — die Streitkräfte als ein Teil der Exekutive aufgebaut werden sollen, nicht stillschweigend hinnehmen. Unser Anliegen vom Februar 1954, das die drei Punkte: den Oberbefehl, die landsmannschaftliche Gliederung und die Wehrverwaltung, betraf, gilt auch heute noch. Ein Abweichen von der damaligen Vereinbarung ist nach unserem Dafürhalten nicht denkbar, weil eine Reihe von Abgeordneten am 26. Februar vorigen Jahres ihr zustimmendes Votum zur Verdeutlichung des Grundgesetzes von der protokollarischen Festlegung dieser Vereinbarung abhängig gemacht haben
und weil eine nachträgliche Enttäuschung jener Abgeordneten, die damals für das Zustandebrinbringen der Zweidrittelmehrheit unentbehrlich waren, Anlaß wäre, jedes künftige Regierungswort in Zweifel zu ziehen.
— Ich glaube, wir werden nicht sehr viele andere Enttäuschungen erleben, weil wir uns in vielem in Übereinstimmung mit der Regierungserklärung befinden.
In der Sache bestehen wir jedenfalls nach wie vor auf unserem Antrag, daß der Bundespräsident den Oberbefehl über die Wehrmacht oder die Bundeswehr — über die Bezeichnung, meine Damen und Herren, werden Sie noch zu entscheiden ha-
ben — haben soll. Herr Jaeger hat in Amerika gesagt, daß er für „Bundeswehr" sei. Mein Freund Mende hat eine andere Vorstellung.
Man hat eingewandt, die Struktur des Grundgesetzes werde verletzt, wenn man den Oberbefehl dem Staatsoberhaupt gebe, das bekanntlich keiner parlamentarischen Kontrolle untersteht. Dabei wird, glaube ich, meine Damen und Herren, übersehen, daß durch die im Grundgesetz festgelegte Befugnis des Bundeskanzlers zur Gegenzeichnung, die von meinen Freunden selbstverständlich auch hinsichtlich des Oberbefehls bejaht wird, eine absolut wirksame Kontrolle gegeben ist, gestützt auf die Verantwortung des Bundeskanzlers vor dem Bundestag.
Ein Auseinanderfallen des Willens des Bundespräsidenten und des Willens der Bundesregierung in der Anwendung der Befehlsgewalt ist niemals möglich, weil ein nicht gegengezeichneter Befehl eben kein Befehl ist. Das Auseinanderfallen kann sich nur darin äußern, daß eine der beiden Seiten die Unterschrift verweigert und somit kein Befehl zustande kommt. Aber dieses Risiko ist nach unserer Auffassung geringer als die Gefahr der Machtanhäufung oder gar Machtzusammenballung in einer einzigen Hand, die die Gleichgewichtslage im Staate verschiebt; außerdem könnte der Oberbefehl in den Parteienstreit verwickelt werden. Beispiele aus der modernen Geschichte beweisen, daß es nicht einmal einer Kriegserklärung — das Recht der Kriegserklärung war ja in der Weimarer Zeit dem Reichstag vorbehalten, und wir treten auch dafür ein, daß dieses Recht durch ein Gesetz des Bundestags geklärt wird —, sondern eines bloßen Schießbefehls bedarf, um Katastrophen etwa vom Ausmaße der von Pearl Harbour auszulösen.
Dieser Hinweis sollte eindrucksvoll genug sein, um unsere Warnung zu verstehen, die Verantwortungslast des Oberbefehls nicht auf einen einzigen Mann zu laden, der eben eines Tages nicht mehr Dr. Adenauer heißt und der Unwiderrufliches über die Nation bringen kann, ehe die Kontrolle des Parlaments wirksam wird. Die Möglichkeiten des Staatsoberhauptes sind ja doch durch das Erfordernis der Gegenzeichnung des Kanzlers eingeschränkt. Für jeden ist der Bundespräsident nicht nur die Verkörperung seines Landes, sondern auch der Inbegriff der Überparteilichkeit. Das bietet nach unserer Auffassung die sicherste Gewähr für eine demokratische Handhabung des Oberbefehls, der früher weitgehend dem Verteidigungsminister übertragen oder, wie es damals in der Verfügung des Reichspräsidenten Ebert hieß, delegiert wurde.
Die Regierung hat wiederholt versprochen und es auch gestern wieder ausdrücklich erklärt, daß sie bei der Schaffung der Wehrverfassung eine Reihe von Problemen, darunter das des Oberbefehls, einer verfassungsgerechtlichen Regelung zuführen wolle. Es ist nun Sache des Parlaments, ob es mit einer Zweidrittelmehrheit für die verfassungsrechtliche Regelung eintritt, sobald sie der Ausschuß beraten hat. Wir Freien Demokraten hegen dabei allerdings doch noch die Hoffnung auf die Mitarbeit der Opposition an der Wehrverfassung und den entsprechenden Gesetzen. Wir erinnern daran, daß am 26. Februar 1954 — das war der Tag, an dem wir über die Verdeutlichung des Grundgesetzes beraten haben — der Kollege Erler gesagt hat: „Unser Nein zu dieser Mißgeburt schließt ein Ja zur Gestaltung einer vernünftigen
Wehrverfassung ein." Wenn die sozialdemokratische Fraktion heute noch zu dem Wort Erlers steht, sollte es mit ihrer Hilfe gelingen, diese Frage dem Tagesstreit zwischen Koalition und Opposition zu entziehen und dann wirklich, wie der von mir verehrte Kollege Erler auch sagte, vernünftig zu verfahren.
Es handelt sich ja um eine verfassungsrechtliche Ordnung, die nicht nur für den nächsten Tag, und auch nicht für die bevorstehende Genfer Konferenz geschaffen werden soll, sondern die eine Lösung für Jahrzehnte darstellen soll. Wenn im übrigen erst einmal die Ausschüsse in die Beratung der Drucksache eintreten werden und die Antragsteller ihre Vorstellung dabei konkretisiert haben, werden die Auffassungen, glaube ich persönlich, gar nicht mehr so weit auseinanderliegen, wie es bei oberflächlicher Betrachtung der Fall ist.
Das Notstandsrechts ist keinesfalls von der Frage zu trennen, wie man den Oberbefehl zu regeln gedenkt. Das Notstandsrecht kann jedenfalls auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Regierune erklärt: Die Streitkräfte Rind ein Teil der Exekutive. Wir unterstellen das auch der Regierung nicht; denn sie hat dieser Frage ja einen besonderen Passus gewidmet.
Darf ich in diesem Zusammenhang nur noch zwei andere Fragenkomplexe behandeln, die nach unserer Auffassung noch nicht erledigt sind, weil sie damals ausgeklammert wurden. Der eine betrifft die landsmannschaftliche Gliederung. Wir Freien Demokraten sind mit einer Regelung, wie sie die Regierungserklärung vorsieht, einverstanden.
,) Sie entspricht unseren Vorstellungen über die landsmannschaftliche Gliederung, und sie ist in der Tat auch in der Praxis kaum anders gehandhabt worden. Wir unterstützen aber auch insbesondere die Absicht der Bundesregierung, hierbei Art. 36 des Grundgesetzes Rechnung zu tragen, dem Grundsatz nämlich, daß die führenden Persönlichkeiten, wenn nur irgend möglich, dem Kontingent der Landsmannschaft entnommen werden sollen. Das gilt insbesondere für die Besetzung der Dienststellen dieser Bevollmächtigten.
Ebenso sind wir mit der Regelung der Bundeswehrverwaltung voll einverstanden. Aber diese Sache ist ja noch in den Ausschüssen anhängig.
Ein anderes, meine Damen und Herren, zur Regierungserklärung. Man darf nicht außer acht lassen, daß militärische Verteidigung und nationale Sicherheit nicht identisch sind. Militärische Stärke ist nur eines der Elemente der nationalen Sicherheit, und es ist von überragender Bedeutung, daß eine gute Koordinierung mit anderen, gleich wichtigen Aufgaben sichergestellt wird, da in der modernen Verteidigungsplanung der militärische Bereich eben nur noch ein Teilgebiet ist. Es ist kein Zweifel, daß in eine zweckmäßige, d. h. richtige Strategie alle nationalen Kräfte einbezogen werden müssen, ganz gleich, ob es nun Menschen oder Rohstoffe, Industrien, Wissenschaft und Forschung, Politik, seelische Kräfte und vieles andere mehr sind. Wenn dies richtig ist — und ich persönlich bin davon überzeugt —, so ist die Koordinierung die unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg jeder Maßnahme der Landesverteidigung.
In dieser Hinsicht vermissen wir jeden Hinweis in der Erklärung der Bundesregierung. Nun wird
ein Teil der Damen und Herren vielleicht sagen: Es ist auch heute noch verfrüht, darüber zu sprechen. Wir sind da ,anderer Ansicht. Mit den verschiedenen Ministerien sind bereits Abmachungen getroffen worden. Das gilt vielleicht zum Teil auch für den angezeigten Rahmen der Landesverteidigung. Aber die Verantwortung für das so umfangreich und so vielschichtig gewordene Gebiet der Landesverteidigung kann nach unserer Auffassung nicht mehr einem einzelnen ,aufgebürdet werden, und eine derartige Aufgliederung der Aufgaben und der gesamten Apparatur — so darf ich es einmal nennen — der Landesverteidigung muß eine zweckdienliche Eingliederung der militärischen Gewalt und die Sicherstellung der parlamentarischen Kontrolle zur Voraussetzung haben. Diese Kontrolle verlangt dann auch eine Koordinierung der Militärbefugnis mit der Zivilgewalt. Beides muß, wie es Kollege Jaeger schon sagte, im abgewogenen Verhältnis zueinander stehen, damit das Ganze funktionieren kann.
Wir glauben, eine Lösung dahingehend vorschlagen zu sollen, daß man die Koordinierung in einem Bundesverteidigungssenat oder Bundesverteidigungsrat vornimmt, dem die Aufgabe der Koordinierung der militärischen, der industriellen und der zivilen Rüstung zufällt, ähnlich wie dem National Security Council, dem Nationalen Sicherheitsrat in den Vereinigten Staaten, der den Präsidenten in den Fragen der Integration der Außen-, der Innen- und der Militärpolitik im Hinblick auf die nationale 'Sicherheit berät. Im Zusammenhang mit der Spitzengliederung sollte man hierin auch bei uns schon zu gegebener Zeit einen Anfang machen. Es ist ja auch notwendig, daß die militärischen Operationen mit der Politik abgestimmt werden. Deshalb sollte auch der Bundesverteidigungsrat ,dem Oberbefehlshaber, wie Sie es später regeln werden, meine Damen und Herren, als beratendes Organ zur Seite stehen, so daß sich beide in der Anwendung ihrer Vollmachten gegenseitig ergänzen. Wir wollen da kein so großes Gremium haben, aber doch ein Gremium, dem auch die Fraktionsführer der im Bundestag vertretenen Parteien angehören sollten; Einzelheiten darüber können wir später erörtern. Aber wir würden gern hier oder im Ausschuß von der Regierung hören, was sie in dieser Richtung beabsichtigt. Denn sie scheint sich hierüber auch schon Gedanken gemacht zu haben, jedenfalls sind solche Gedanken in mehrfachen Presseverlautbarungen zu lesen. Wir haben im Sicherheitsausschuß hierüber noch nichts gehört.
Man liest in der Presse ja auch alles mögliche andere,
so z. B. in einer Presseverlautbarung von Mitte Juni, die sehr bedeutsam erscheint, auch einiges über die Spitzengliederung im Bundesverteidigungsministerium. Diese Spitzengliederung hängt ja eng zusammen mit der Frage des Oberbefehls und ebenso mit der Frage der 'zivilen Leitung und damit der parlamentarischen Kontrolle. Die Spitzengliederung — das ist im Abschnitt „Streitkräfte" gesagt. und dabei sind wir eng gebunden durch Abmachungen des Pariser Vertragswerks — können wir uns — darüber besteht, glaube ich, gar kein Zweifel — selbst geben.
Von der Gliederung des Ministeriums selbst habe ich aber als Mitglied des Ausschusses für Sicherheit bis auf diese Zeitungsinformation, die vielleicht auch gar nicht mal zutrifft, eigentlich noch nichts gehört.
Wir bitten daher die Bundesregierung, den Bundestagsausschuß hierüber zu unterrichten.
Der Grund ist der, daß wir der Auffassung sind, es hieße den jeweiligen Minister überfordern, wenn man von ihm ohne einen vollberechtigten parlamentarisch-politischen Vertreter verlangte, daß er sich in gleicher Weise eingehend um die Aufgaben kümmert, die 'in seinem Hause anfallen, in seinem Bereich ,als Minister, als Berater innerhalb der Bundesregierung, auch bei NATO, SHAPE und Standing Group oder wo unser Verteidigungsminister mal um Rat gebeten werden wird. Und nun versucht man, ihm zuzumuten, daß er sich nebenbei — ich unterstelle das nicht; ich bin nur versucht, es auszusprechen — auch noch um die Erziehung und Ausbildung der Truppe kümmert. Es hieße ihn überfordern, wenn er sich gerade während der ersten Aufstellungszeit der Kader und während der Auffüllung der Kader — was einige Jahre dauern wird, wie Wir ja doch gehört haben — auch um diese Dinge kümmern sollte. Nach wie vor soll doch die Ausbildung auf der Erziehung fußen. Der Mensch steht dabei im Vordergrund. Deswegen sage ich ja auch, daß die Spitzengliederung — wenn das so zutrifft, wie wir es bisher ja nur aus der Zeitung kennen — im militärischen Bereich nicht unseren Vorstellungen entspricht.
Die Presseinformation lautet dahin, daß der Leiter der militärischen Abteilung zugleich Generalinspekteur der 'Streitkräfte sein soll. Dabei ist gerade mir unterstellt worden, ich wollte einen Gegensatz zwischen den Offizieren des ehemaligen Generalstabs und der Truppe konstruieren. Das hat mir völlig ferngelegen. Ich habe nur meine Befürchtung zum Ausdruck bringen wollen, daß bei einer Verquickung dieser beiden Funktionen der betreffende Generalinspekteur nicht die Zeit hat, sich um die Erziehung der Truppe in der Weise zu kümmern, wie wir es uns vorstellen, — also gerade gegenüber dem, was Kollege Jaeger sagte, daß die Obristen und Generale nicht durch Ansprachen und Reden, sondern als lebenserfahrene Soldaten durch persönliche Einflußnahme die jungen Kompanie-, Bataillons- und Regimentsführer in häufigen Gesprächen über ihre Pflichten und Aufgaben bei der Erziehung der Truppe unterrichten.
Gegenüber einem anderen Zeitungsbericht möchte ich keinen Zweifel darüber lassen, daß selbstverständlich alle Soldaten dieser zivilen Autorität unterstellt werden, daß aber nicht der Generalinspekteur selbst im Ministerium verankert werden darf. Ich selbst und auch der Herr Verteidigungsminister waren in Amerika. Ich habe eine Bitte an Sie, Herr Minister: sich, was die Organisation Ihres Ministeriums betrifft, doch vielleicht einmal zu überlegen, ob nicht auch in unserem Ministerium ein Grundsatz gelten kann, den wir in dem großen, weitläufigen Pentagon in Amerika kennengelernt haben und von dem uns im Pentagon und auch bei der Truppe gesagt wurde, daß er sich für beide Teile segensreich ausgewirkt habe. Dort darf nämlich kein Offizier länger als vier
Jahre in diesem Ministerium arbeiten, und er muß erst wieder vier Jahre außerhalb des Ministeriums seinen Dienst tun, ehe er jemals wieder ins Ministerium versetzt werden .kann.
Ich komme darauf, weil ich noch die unmögliche Zusammensetzung unseres Oberkommandos der Wehrmacht aus dem Kriege kenne, wo einige Offiziere während des ganzen Krieges überhaupt nicht an der Front waren.
Wir 'begrüßen es, daß die Regierungserklärung die Absicht kundtut, verschiedene Bestimmungen, auf denen die innere Disziplin in der Wehrmacht fußt, im Gegensatz zu früher, wo dies leider nicht der Fall war — das ist ja vom Herrn Minister begründet worden —, hier vorzulegen, um auch in dieser Weise die parlamentarische Kontrolle sicherzustellen. Wir hoffen nur, daß diese Vorlagen nicht allzulange auf sich warten lassen, weil sie ja bereits bei den ersten Lehrgängen benötigt werden; denn sie bilden ja mit das Fundament für die Erziehung, beispielsweise ein Satz, daß die Strafe in jedem Falle doch ein Erziehungsmittel ist und bleiben muß. Diese Fragen der Disziplinarordnung möchten wir doch recht bald geklärt haben.
Wir bitten die Bundesregierung, auch nicht in der Forderung nachzugeben, daß für die Streitkräfte keine jeweils besondere militärische Verteidigungsverwaltung errichtet werden soll, so sehr vielleicht die Soldaten dies verlangen sollten. Ich glaube, die Vergangenheit beweist eindeutig, daß wir viel Nebeneinander, nutzlose Arbeit und viel Geld dadurch sparen werden.
Hierbei darf ich übrigens einschalten, wenn es auch nicht ganz hierher gehört: Wir bitten, Gleiches gelten zu lassen für die Entsendung von Militärattachés, oder wie diese Funktion jetzt genannt werden soll. Ich glaube, wir brauchen nicht, wie in der früheren Wehrmacht, für jeden einzelnen Waffenteil einen besonderen Militärattaché, sondern man sollte einen Militärattaché ernennen und ihm für die Berufszweige, die er nicht beherrscht, entsprechende Referenten zuteilen.
Wir begrüßen außerordentlich in der Erklärung der Bundesregierung, daß die Verwaltungsaufgaben durch Fachleute, wie hier steht, mit entsprechender Vorbildung wahrgenommen werden sollen, um dem Soldaten Zeit zu geben, sich voll seinen soldatischen Aufgaben widmen zu können. Es erscheint uns jedoch wichtig, daß diese Männer dann auch jeweils eine entsprechende Vorbildung und Fortbildung erhalten. Dabei wünschen wir auch keine Mischform, wie es in der Regierungserklärung schon angedeutet ist; denn sie hat niemanden befriedigt. In diesem Sinne begrüßen wir ebenso die Errichtung der Territorialorganisation, die wiederum die Truppe völlig entlasten kann und in gleicher Weise gelagert ist. Wir bejahen in diesem Sinne die entsprechende Bemerkung in der Regierungserklärung, daß die Beschaffung der Streitkräfte in den Gesamtzusammenhang der allgemeinen Wirtschaftsordnung einzugliedern ist. Wir werden die Bundesregierung hierbei tatkräftig unterstützen und in den Ausschüssen entsprechende Vorschläge dazu machen.
Wir freuen uns außerdem, gehört zu haben, daß einem besonderen Wunsche, der auch von uns gekommen ist, dahingehend Rechnung getragen werden soll, daß auf Wunsch eines Landes für die enge
Zusammenarbeit oder besser: für das Zusammenwirken zwischen Bund und Land besondere Bevollmächtigte bestellt werden können. Ich bin der Auffassung, daß man sie recht frühzeitig benennen und in ihr Aufgabengebiet einweisen sollte, und zwar möglichst schon mit der ersten Aussendung dieser Führungspersönlichkeiten.
Völlig neu für Deutschland ist ja die Errichtung von zivilen Verwaltungsstellen für die Erfassung der Wehrpflichtigen und die Musterung dieses Personenkreises. Wir Freien Demokraten begrüßen diese Absicht sehr. Dieses Verfahren hat sich, wie ich mich an Ort und Stelle in USA überzeugen konnte, dort durchaus bewährt. Daher ist es gar nicht einzusehen — von mir aus persönlich gesprochen —, weshalb man sie bei uns nicht einführt, solange nicht gegenteilige Erfahrungen vorliegen. Also sollte man doch erst einmal in der angezeigten Art beginnen.
Auch wir bitten, den Katalog von Gesetzen, die der Herr Verteidigungsminister in der gestrigen Regierungserklärung genannt hat und die demnächst dem Parlament zugeleitet werden, noch zu ergänzen durch Bestimmungen zu Art. 4 ides Grundgesetzes betreffend die Kriegsdienstverweigerung. Hierauf hat schon der Herr Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Herr Kollege Ollenhauer, hingewiesen.
Meine Damen und Herren, wir haben kein Recht — und gerade wir Freien Demokraten wollen es nicht —, etwa das Informationsrecht der Presse einzuschränken. Wenn ich das voranstelle, ist im Interesse einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und den Streitkräften die Bitte verständlich, die ich jetzt ausspreche: daß die Abgeordneten des Bundestages, insbesondere die Mitglieder ides Ausschusses für Verteidigung, über Planungen, Erwägungen, Absichten usw. des Verteidigungsministeriums nicht zuerst durch die Presse unterrichtet werden, sondern durch den Minister oder einen seiner Beauftragten in idem genannten Ausschuß.
Nun wird der Herr Minister sagen - wir haben es oft von ihm gehört, und ich glaube es ihm in jeder Beziehung —, daß er ja nicht diese Mitteilungen an die Presse gegeben hat. Aber, meine Damen und Herren — wir freuen uns sogar über das rege Interesse, das die verantwortungsbewußte Presse an allen Fragen der Landesverteidigung nimmt —, irgendwo aus dem Verteidigungsministerium müssen diese Informationen doch herkommen. Denn wir haben bei sehr vielen Nachrichten, die wir dann im Ausschuß nachgeprüft haben, doch feststellen können, daß immer zum mindesten etwas daran wahr war und nicht alles falsch.
Erlauben Sie, meine Damen und Herren, zum Freiwilligengesetz selbst einige wenige Einwendungen zu machen.
Über den Personalauschuß ist im Ausschuß mehrfach gesprochen worden, und in der gestrigen Regierungserklärung ist ja weitläufig vom Minister dazu Stellung genommen worden. Auch wir haben seit Jahren diesen Personalausschuß gefordert. Wir wünschen allerdings, die Funktion oder die Tatsache dieses Personalausschusses im Gesetz verankert zu wissen. Wir gehen aber nicht so weit, zu verlangen, daß die Mitglieder des Personalausschusses etwa durch den Bundestag gewählt werden sollten, wie es neulich hier in einer Begründung einmal anklang; dieses Verfahren erscheint uns als zu schwerfällig. Der Personalausschuß soll nach unserer Meinung auch nur für die Zeit der Aufstellung der Bundeswehr bestehen; denn die spätere Anstellung und Beförderung fällt nach unserer Auffassung ja unter die Verantwortung des zuständigen Ministers.
Nun zur Frage der Besoldung. Die Bundesregierung bestimmt nach § 2 des uns vorliegenden Gesetzentwurfs durch Rechtsverordnung, welchen Besoldungsgruppen die Soldaten bis zu einer besoldungsgesetzlichen Regelung zuzuordnen sind, und sie wird die Soldaten entsprechend einstufen. Es scheint mir aber ein gefährlicher Irrglaube zu sein, anzunehmen, daß die vorläufige Regelung ausreicht, um die besten unter den jüngeren und mittleren Jahrgängen der Offiziere und Unteroffiziere herbeizurufen, die ja, nach den Worten des Herrn Ministers, das Verteidigungsministerium braucht. Denn es hat anscheinend unten eine zunächst genügende Anzahl und ganz oben mit Sicherheit eine genügende Anzahl von diesen Offizieren und Unteroffizieren; aber das Mittelstück fehlt ihm ganz.
Was die Besoldungsregelung in diesem noch zu verändernden Freiwilligengesetz betrifft, so beziehe ich mich auf die Erklärungen des Berichterstatters im Bundesrat, des Herrn Ministers Dr. Sträter, der gesagt hat, daß selbst durch die Antwort des Herrn Bundeskanzlers in dem Brief an den Herrn Päsidenten des Bundesrates die Problematik des Status freiwilliger Soldaten als Beamter auf Probe nicht befriedigend gelöst sei. Es wurde dort darauf hingewiesen, daß die sinngemäße Anwendung von Beamtenrecht in jeder Hinsicht — so steht dort — verfehlt sei. Die völlig andersartige Stellung eines Soldaten und eines Beamten verbiete einfach die Verkoppelung beider Begriffe. Der Bundesrat kommt in dieser Hinsicht zu dem Schluß — ich zitiere wörtlich, meine Damen und Herren —,
daß eine wirklich sinngemäße Anwendung des Beamtenrechts unmögliche Auswirkungen für den Soldaten habe.
Jede behelfsmäßige Übergangslösung darf nach unserer Auffassung keinesfalls irgendein Präjudiz für die endgültige Regelung werden. Diese muß vielmehr, abweichend von der Regelung für Beamte, der Tatsache Rechnung tragen, daß die Höchstleistung der Berufssoldaten in einem früheren Lebensalter liegt und somit eben die Altersgrenze für ihre Verwendung im aktiven Dienst der Streitkräfte herabgesetzt werden muß und sie früher ausscheiden müssen. Wir werden da wahrscheinlich die bekannte „Majorsecke" oder etwas dergleichen bekommen. Jedenfalls werden sie früher ausscheiden als die Beamten.
Die Regelung muß nach unserer Auffassung so sein, daß gerade die guten Kräfte angereizt werden, sich zu bewerben, die intelligenten, die vorsorglich denkenden, die nicht etwa Nur-Soldaten im alten Landsknechtssinne sind. Wir haben die Befürchtung, daß die bisherigen Bestimmungen zu einem großen Teil eine negative Auslese verursachen werden. Denn ein Freiwilliger, der sich und seiner Familie seit Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft oder nach Ende des Krieges, und zwar gerade als früherer Soldat unter besonders großen Schwierigkeiten, Mühen und Opfern, die er und
seine Familie zu tragen hatten, nun wieder eine Existenz geschaffen hat, darf doch jedenfalls beanspruchen, daß ihm vor seinem Entschluß zu erneutem Wehrdienst gesagt wird, wie er selber und wie seine Frau und seine Kinder später versorgt sein werden. Der Übergangszustand eines Beamten auf Probe gibt diese unbedingte Klarheit nicht. Statt dessen kann er eine durchaus unerwünschte, weil den Besonderheiten des militärischen Dienstes nicht Rechnung tragende Entwicklung heraufbeschwören. Wenn die genannten Bedingungen nicht doch etwas attraktiver — das muß man schon sagen — gestaltet werden, dann steht zu befürchten, daß sich diejenigen ehemaligen Offiziere, zum Teil auch Unteroffiziere, für den Dienst in der Truppe melden, die es im Zivilleben, ich will einmal sagen: zu einem Teil, einem hoffentlich nur geringen Teil, zu nichts oder nicht zu viel gebracht haben. Gerade auf diesen Personenkreis sollte man verzichten, damit das Niveau der gesamten Streitkräfte nicht leidet. Dieses Ziel läßt sich nicht mit Militärhandwerkern erreichen, sondern nur mit Persönlichkeiten in leitenden Stellen, die sich auch noch einen Rest von Idealismus bewahrt haben.
Begnügt man sich aber mit minder fähigen Kräften, weil sich bessere mangels Klarheit über ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Status nicht oder nicht in der genügenden Anzahl zur Verfügung stellen, so leistet man der Truppe, die sich aus jungen Männern aller Schichten unseres Volkes zusammensetzen wird, keinen guten Dienst. Ich glaube daher, daß ein neuer Typ des Berufssoldaten auch ohne ein neues Besoldungsdenken undenkbar ist.
Ich kann mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, meine Damen und Herren, daß hier Kräfte am Werk sind, die eine durchaus mißverstandene parlamentarische Kontrolle in das Portemonnaie des einzelnen Soldaten verlegen wollen
— oder in den Brustbeutel, wie Sie es haben wollen!
Mit der Glaubwürdigkeit der Verpflichtungen, die unser junger Staat für die Zukunft zu übernehmen gedenkt, hängt die Behandlung jener berechtigten Ansprüche eng zusammen, auf deren Erfüllung die Berufssoldaten der Vergangenheit, der Beamte und der Angestellte noch immer vergeblich warten. Ich gehöre nicht zu dem Personenkreis derer, die in Soldaten- oder Beamtenverbänden mit Unmaß kritisiert haben, daß diese Forderungen noch nicht erfüllt seien, obwohl ich rechtlich in diesen Personenkreis falle, finanziell davon aber noch keinen Nutzen habe. Im Gegenteil, wir alle haben begrüßt, daß dort viel geschehen ist. Es sind aber noch sehr große Härten da, und deswegen wären wir dankbar, wenn der Herr Bundeskanzler im Sinne der Richtlinien seiner Politik auch mit den Herren Vorsitzenden der CDU und der CSU mal sprechen wollte, damit im vorparlamentarischen Raum, in den Arbeitskreisen der CDU und CSU, die zweite Novelle beraten wird und damit sie uns dann in den Ausschüssen beschäftigen kann.
Es wird schwer sein, mit Erfolg junge Soldaten zu werben, wenn der Staat durch die Abweisung der
alten Soldaten seine eigenen Zusagen zwangsläufig zumindest in ein etwas schiefes Licht rückt.
Wir wären ebenso dankbar, wenn — das hängt hiermit zusammen — vom Herrn Verteidigungsminister die Bestimmung wegen der Auswahlübung von vier Monaten noch einmal überprüft werden würde. Ich habe persönlich als langdienender Soldat diese Auswahlübungen immer verlangt. Aber ebenso glaube ich, daß die Sicherung des Arbeitsplatzes für die Dauer derartiger Übungen eine conditio sine qua non für die im Zivilleben bewährten Freiwilligen ist. Es bleibt zu prüfen, wie man eine Gewähr dafür schaffen kann, daß ein durch eine Meldung zum Wehrdienst verstimmter Arbeitgeber dem zurückgekehrten Freiwilligen nicht nach der gesetzlich vorgeschriebenen Wiedereinstellung doch zum nächsten Termin kündigt. Hier erscheint zumindest eine Bestimmung notwendig, die jede Kündigung wegen einer freiwilligen Meldung oder wegen der Teilnahme an einer Auswahlübung nach Rückkehr und später ausschließt. Ich habe auch noch keine Lösung dafür, wäre aber dankbar, wenn man im Verteidigungsministerium und im Ausschuß nach Lösungen suchte.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, zum Schluß noch einiges über den Gesamtbezug der Wehrverfassung und Wehrordnung zu sagen, und das ist wohl das, worauf es bei der Beratung der Wehrverfassung und der Wehrform uns allen ankommt. Wir würden unsere Pflicht im Parlament versäumen, wenn wir die Grundlagen nicht sehr sorgfältig prüfen wollten; das ist ja auch in den Begründungen meiner beiden Herren Vorredner in starkem Maße angeklungen. Es liegt also an uns selbst, was aus den Wehrgesetzen, dem Soldatengesetz und allen Grundlagen, die uns gestern angekündigt worden sind, und damit aus der Wehrmacht im ganzen später wird. Es kommt doch darauf an, daß das ganze System der zivilen Führung und damit der parlamentarischen Kontrolle funktioniert. Aus Überzeugung, nicht etwa weil es Parteidisziplin jemals von mir gefordert hätte — Sie wissen, daß wir als Freie Demokraten liberale und tolerante Leute sind und man auch mir eine solche Auflage nicht gegeben hat —, sondern weil ich aus der deutschen Geschichte und aus eigener Erfahrung lernen möchte, muß ich immer wieder betonen: die zivile Leitung hat in jedem Fall den Vorrang zu haben,
ohne die Soldaten in ihrem Aufgabenkreis, der für sie festgesetzt ist, einzuengen und etwa in ihrem Wirken zu hemmen. Aber gerade die führenden Soldaten müssen wissen, daß sie in jedem Fall Ratgeber sind, auch der zivilen Autorität, der sie unterstellt sind, und Ratgeber bleiben. Insofern hat bei den Streitkräften die loyale Gesinnung gegenüber dem Prinzip des zivilen Primats genau so wie bei anderen Bürgern der Bundesrepublik zu gelten.
Aber die Grundlage für den Wert der Streitkräfte wird nicht mit Risiken, sondern mit unbedingtem Vertrauen gelegt. Ich unterstelle dabei niemandem in diesem Hohen Hause, daß er nicht dasselbe will. Ich will damit nur andeuten, daß die Bedenken und Einwände, die meine politischen Freunde und ich selbst teilweise haben, von der großen Sorge hergeleitet werden: Wie können wir Fehlentwicklungen, wie sie uns doch bittere Erfahrungen lehren, künftig ausschalten? Ich persönlich darf dem hinzufügen: ich befürchte eben, daß diese Mißdeutungen oder Fehlentwicklungen, wie
immer wir es nennen mögen, in Zukunft dem Soldaten zur Last gelegt werden und das Soldatentum mit einer Hypothek belastet wird, von der es sich vielleicht selbst nicht befreien kann. Die gesetzliche Regelung, die wir finden müssen, soll daher eindeutig und klar sein, frei vom umständlichen Instanzenweg, frei von all dem Nebeneinander verschiedener Organe, die sich in ihrer Tätigkeit überschneiden und vielleicht manchmal — das ist ein deutscher Zug — aus den verschiedensten Gründen auch gegenseitig noch Konkurrenz zu machen suchen, wodurch alles in allem eben keine wirksame Kontrolle geschaffen werden kann.
Wie immer und überall im Leben kommt es doch auf die Persönlichkeiten an, die das Instrument handhaben sollen. Darum ist uns die erste Besetzung der leitenden Stellen von ganz ausschlaggebender Bedeutung. Auch wiegen Versäumnisse in der Erziehung und Ausbildung der Truppe schwerer als solche auf dem Gebiete der Organisation und lassen sich dann oft nur sehr schwer, wenn überhaupt noch, korrigieren. Aus alledem ist zu folgern — und das ist unser Wunsch an die Bundesregierung —, daß für das Tempo der Aufstellung neben den finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht die organisatorischen Möglichkeiten maßgebend sind, sondern daß das für die Erziehung und Ausbildung der militärischen Führer erforderliche Mindestmaß ausschlaggebend sein muß;
denn wir wünschen beim ersten Aufbau nicht etwa Entwicklungen zu präjudizieren, die sich dann der parlamentarischen Kontrolle entziehen und später nicht mehr umgelenkt werden können.
Aber mit einer übersichtlichen Organisation im politischen und im militärischen Raum allein ist natürlich noch nicht gewährleistet, daß das System funktioniert, sondern die gesetzliche Regelung — ich sagte es schon — muß eindeutig und klar sein, und — und das ist meine Bitte — sie muß auf Vertrauen begründet sein. Das Mißtrauen, geboren aus den Fehlentwicklungen und grausigen Erfahrungen der letzten 20, 30 Jahre, ist verständlich. Man sollte aber das Mißtrauen auch nicht übertreiben: denn es wäre kein guter Start, wenn sich die künftigen deutschen Soldaten im Staat und im Volk, in der Gesellschaft und in der Lebensgemeinschaft vereinsamt und dann isoliert fühlen müßten. Ich bekämpfe den Glauben ehemaliger Soldaten. die da annehmen, es würde ohne sie nicht gehen: denn es ist ein Irrglaube. Aber ebenso muß ich bekämpfen, daß man, wenn man von den ehemaligen Soldaten, insbesondere von den ehemaligen Generalen, spricht, immer nur von denen redet. die wir alle hier in diesem Hause unter keinen Umständen sehen möchten, und viel zuwenig an die vielen Tausende und aber Tausende ehemaliger Berufssoldaten denkt. die sich in den Alltag der Demokratie eingeordnet haben und dort zuverlässig, anständig und ordentlich ihre Pflicht erfüllen.
Deswegen sollte man auch die parlamentarische Kontrolle von der Seite des Vertrauens und der menschlichen Beziehungen zu- und untereinander betrachten. Es handelt sich doch nicht darum. einen Aufstand der Militärs oder gar der Generale zu verhindern und sich durch die vielfältigen Bestimmungen dagegen abzusichern und abzuschirmen. Ich meine, unser junger Staat ist mittlerweile auch
so weit gefestigt, daß es uns doch gemeinsam gelingen müßte, diejenigen führenden Persönlichkeiten unter den ehemaligen Soldaten herauszufinden und sie zu erhalten — oder auch eventuell zu entlassen —, die uns die Gewähr bieten, daß sie sich aus Überzeugung in diesen jungen Staat einordnen und unterordnen, wobei nach unserer Auffassung nicht nur eine loyale Haltung gegenüber dem Staat genügt, sondern auch die Bereitschaft erforderlich ist, in Krisenlagen diese junge Demokratie zu verteidigen, das heißt, wie es hier im Freiwilligengesetz steht, sich mit seinem Leben dafür einzusetzen. Insofern liegt das Fundament ebensosehr im Vertrauen in den Befehl des Befehlenden.
Die Forderung nach dem Primat der Politik besteht ganz unzweifelhaft zu Recht. In jedem gesunden Staatswesen ist die Armee nur ein Instrument der Staatsführung. Dieses Prinzip setzt aber immer gegenseitiges Vertrauen voraus. So wie die Staatsführung erwarten kann und muß, daß die Soldaten ihr Gefolgschaft leisten, müssen auch die Soldaten die Gewißheit haben, daß auch ihnen volles Vertrauen geschenkt wird. Nur dann können sie nach meiner Auffassung ihrem verantwortungsschweren Beruf, der zu allen Zeiten größte persönliche Opfer verlangt, mit der ganzen Hingabe dienen, die gerade in der ersten schwierigen Zeit des Aufbaus für die Soldaten notwendig ist. Alle Maßnahmen in bezug auf die parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte können der Sache und dem Staat nicht derart dienen wie gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zwischen den politischen und soldatischen Kräften ganz allgemein. Um dieses staatspolitisch so wichtige Ziel tatsächlich zu erreichen, müssen — wie auch die Erklärung der Bundesregierung sagt — die unberechtigten Vorurteile den Soldaten gegenüber wirklich endlich begraben werden, und zwar denjenigen Soldaten gegenüber, die ihre Pflicht erfüllt haben.
Der Herr Bundeskanzler hat in dem Vorwort der von dem Herrn Kollegen Ollenhauer zitierten Schrift selbst angeführt: der Soldat muß vom Vertrauen des Volkes getragen sein. Ich meine, die Einordnung in den Staat wird der Soldat aller Dienstgrade um so leichter finden, wenn man ihm mit dem gleichen Vertrauen begegnet, das von ihm von seinen Vorgesetzten verlangt und sogar vorausgesetzt wird. Denn Mißtrauen, das wissen wir, ist ein sehr schlechter Erzieher, und Mißtrauen erzeugt Ängstlichkeit, erzeugt kein Verantwortungsbewußtsein und niemals Verantwortungsfreudigkeit. Deshalb begrüßen wir es, daß in der Regierungserklärung gesagt ist: Der Soldat verdient das Vertrauen der Gemeinschaft. Um so eher, meine ich, wird er auch in diese Gemeinschaft, in unsere Gemeinschaft, in den Staat hineinwachsen.
Aber manchmal — ich darf das aussprechen, weil ich es selber am eigenen Leibe jahrelang gespürt habe — scheint sich doch hinter der Forderung des Primats der Politik in bezug auf militärische Fragen hin und wieder eine Art Ressentiment oder manchmal sogar ein Minderwertigkeitskomplex gewisser Männer den Militärs gegenüber zu verbergen. Aber, meine Damen und Herren, schließlich muß ja eine Armee auch geführt werden, und deshalb muß man auch überlegen, welche Rechte und nicht nur Pflichten bestimmte Generale in Schlüsselpositionen haben sollen, und zwar um der erfolgreichen Verteidigung willen. Nicht ihrer persönlichen Bedürfnisse wegen, nicht der Verhinderung eines Aufstands der Generale wegen soll ja
schließlich unsere kommende Verteidigungsorganisation aufgebaut werden, sondern doch wegen des Willens, jeden Angriff von außen her auf den jungen Staat abzuwehren. Deshalb glaube ich, daß die Schaffung eines solchen psychologischen Klimas in der Wehrmacht als Teil auch unseres Staates, bei der sie dann nicht als eine krönende Überhöhung gelten kann, eine Grundbedingung dessen ist. Es ist uns ja doch nicht mit Versorgungswilligen dieser oder jener Färbung oder Art genützt, sondern wirklich nur mit Persönlichkeiten. Ein Wiederaufleben des gefürchteten Militarismus — ich glaube, wir sind alle überzeugt, daß er nicht kommen wird — ist meines Erachtens jedenfalls nicht von wirklichen Persönlichkeiten, sondern viel mehr von viel weniger geeigneten Männern zu erwarten, die überall im Leben eine unerfreuliche Erscheinung, ganz besonders aber in jedem Heere, sind.
Der Soldat selber kann deshalb eine klare Gesetzgebung verlangen, und er muß sie verlangen, wobei unter anderem klar zum Ausdruck kommen muß, daß er in jedem Fall und in jeder Stellung Ratgeber ist und Ratgeber bleibt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich folgendes sagen, auch wenn der Kollege Jaeger das von einem ehemaligen Preußen nicht gern hört. Es gehörte jedenfalls in den Truppenteilen, in denen ich die Ehre hatte zu dienen, nicht umsonst zum soldatischen Stil, daß im soldatischen Raum stets mehr von Pflichten als von Rechten die Rede war. In diesem Sinne, glaube ich, hat der Soldat von morgen ein Recht auf unser Vertrauen.
Das Wort hat der Ab- geordnete Feller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der außenpolitischen Debatte anläßlich der Großen Anfrage der SPD zur Frage der Wiedervereinigung hat der Sprecher meiner Fraktion ausgeführt, daß sich die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE zur Vertragstreue und damit auch zur Durchführung der mit den Pariser Verträgen von uns, der Bundesrepublik, übernommenen Verpflichtungen bekenne. Heute stehen wir davor, aus diesem Standpunkt die ersten praktischen Konsequenzen zu ziehen. Ein Witzbold in meiner Fraktion hat seine Auffassung so formuliert: Wer A sagt, muß auch B sagen, und wer Adenauer sagt, muß auch Blank sagen. Aber das soll nicht etwa die Begründung dafür sein, wenn wir unsere Bereitschaft erklären, diesen gesetzgeberischen Start des Herrn Verteidigungsministers dadurch zu unterstützen, daß wir zunächst der Überweisung des vorliegenden Freiwilligengesetzentwurfs in die zuständigen Ausschüsse zustimmen.
Wir hätten uns selbst und auch der Sache der Wehrgesetzgebung gerne einen besseren Start gewünscht, bei dem wir hätten mithelfen können. Wir wollen der Hoffnung Ausdruck geben — um im Bilde zu bleiben —, daß dieses Gesetzgebungswerk im Verlaufe der Strecke, die es zu durchlaufen hat, einiges von dem wieder gutmacht, was es durch seinen unglücklichen Start an Prestige in der Öffentlichkeit eingebüßt hat. Dieser Wunsch ist um so stärker, als wir immer noch nicht ganz einzusehen vermögen, warum wir eigentlich diesen schlechten Anlauf nehmen mußten.
Die Vorkommandos „Auf die Plätze!" und „Fertig!" waren doch schon so lange gegeben, daß etwas Hieb- und Stichfesteres als dieser Freiwilligengesetzentwurf beim Kommando „Los!" hätte auf die Reise gehen können.
Das Soldatengesetz liegt uns nun seit einigen Tagen vor. Seine Durchsicht zeigt doch, daß es sich inhaltlich nicht so sehr von dem unterscheidet, was nach den jahrelangen Vorbesprechungen im Sicherheitsausschuß von uns allen erwartet wurde, als daß wir nicht gleich die Arbeit damit hätten beginnen können und dann auch nicht viel später damit zu Rande gekommen wären. Vielleicht hätte man einige besondere Paragraphen über die Vorwegeinberufung von Freiwilligen hineinschreiben können. Aber wie man es auch im einzelnen gemacht hätte, uns wäre bei einem solchen Verfahren, offen gesagt, etwas wohler gewesen als bei den drei isoliert dastehenden Paragraphen des Freiwilligengesetzes. Denn dann hätte uns niemand, weder in der Öffentlichkeit noch im Bundesrat, dessen Einwände wir nicht allzuleicht nehmen dürfen, sagen können, wir stellten die Weichen für eine Fahrt, von der wir nicht genau sagen könnten, wohin sie uns führt. Wir meinen allerdings, daß wir diesen Vorwurf nur dadurch entkräften können, daß wir nun nicht einfach nein sagen und nichts in der Sache tun, sondern daß wir in der festen Absicht an die Arbeit in den Ausschüssen gehen, das Bestmögliche aus der Sache zu machen.
Einigen Mut dazu gibt uns die gestrige Erklärung der Bundesregierung, vor allem die Erklärung, daß sie bereit ist, die verfassungsrechtliche Regelung einiger Fragenkomplexe zu betreiben, die hier schon genannt worden sind: die Frage des Oberbefehls, die Frage der landsmannschaftlichen Gliederung, die Frage der Wehrverwaltung, die Frage des Notstandsrechts und die der Militärgerichtsbarkeit. Auch wir halten die verfassungsrechtliche Regelung dieser Fragenkomplexe für unerläßlich und sind bereit, geschlossen dabei mitzuwirken. Ich möchte das hier entgegen andersartigen in der Presse angestellten Vermutungen ausdrücklich feststellen. Denn wir fühlen uns an die Erklärung gebunden, die der Berichterstatter Herr Dr. von Merkatz in der Debatte vom 26. Februar 1954 im Namen aller Koalitionsparteien abgegeben hat, und vermögen nicht einzusehen, was uns etwa aus dieser Bindung befreien könnte.
Allerdings glauben wir, daß der Inhalt der genannten Begriffe einer eindeutigen Klärung bedarf und diese sofort zu erfolgen hätte. Denn sonst, meine Damen und Herren, würde allerdings die Zusicherung der Bundesregierung zu einer leeren Floskel erniedrigt werden, die uns dann alle doppelt ins Unrecht vor der Öffentlichkeit setzte, vor der ja die Erklärung des 26. Februar 1954 abgegeben wurde, und vor uns selbst, die wir damals im Vertrauen auf diese Vereinbarung für die Ergänzung des Grundgesetzes gestimmt haben.
Lassen Sie mich wenigstens mit ein paar Sätzen unseren Standpunkt zu den genannten Fragen umreißen. Wir gehören nicht zu denen, die ein besonders starkes Interesse an der Wahrung landsmannschaftlicher Sonderrechte haben könnten. Denn das Schicksal hat uns gelehrt, daß die großen geschichtlichen Vorgänge darauf keinerlei Rücksicht nehmen
und daß wir, wenn es ums Ganze geht — und darum geht es in militärischen Dingen letzten Endes ja immer —, auch nur das Ganze sehen dürfen.
Wir glauben aber, von den Kollegen, denen diese Fragen besonders am Herzen liegen, annehmen zu können, daß auch sie das Ganze sehen und ihre Forderungen nicht über das Maß des auch uns vertretbar Erscheinenden hinaus steigern werden. Wir glauben außerdem, daß sich bei aller Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Gesichtspunkte, die schon in der Regierungserklärung von gestern ausführlich erwähnt worden sind, die an dieser Frage Interessierten andererseits auch zu einer verfassungsrechtlichen Regelung der Wehrverwaltung bereit finden werden, die uns über die rechtlichen Unsauberkeiten hinwegbringt, die wir trotz der Erklärung der Bundesregierung bei der Errichtung der nachgeordneten Behörden entstehen sehen und auf die ja nicht ganz unberechtigterweise auch der Bundesrat aufmerksam gemacht hat. Wir meinen allerdings, daß auf die Dauer ohne eine bundeseinheitliche Wehrverwaltung nicht auszukommen sein wird.
Schließlich zur Frage des Oberbefehls. Es wird sicherlich nicht leicht sein, darin eine übereinstimmende Meinung in diesem Hohen Hause oder auch nur bei den notwendigen zwei Dritteln seiner Mitglieder zu erzielen. Aber ich meine, das letztere sollte möglich sein. Dabei beziehe ich auch die Opposition mit in meine Vorstellung ein.
Lassen Sie mich bitte rein persönlich und ohne damit die endgültige Stellungnahme aller meiner Freunde zu präjudizieren, bekennen, daß meine Vorstellungen dahin gehen, auf die Regelung der Weimarer Verfassung zurückzugreifen und dementsprechend dem Bundespräsidenten den Oberbefehl über die Streitkräfte der Bundesrepublik zu übertragen. Ich will hierbei gar nicht von Tradition sprechen; denn wir wissen, daß einmal abgerissene Traditionen sehr schwer wiederherzustellen sind. Ich möchte auch vor allen Dingen nicht in den Verdacht geraten, an irgendeiner Stelle und in irgendeiner Weise restaurieren zu wollen.
Aber auch der Einwand, daß eine solche Regelung die parlamentarische Kontrolle erschwere, scheint mir deshalb nicht stichhaltig zu sein, weil ja, wie hier schon ausgeführt worden ist, auch nach der Weimarer Verfassung alle Maßnahmen des Reichspräsidenten als Oberbefehlshaber der Gegenzeichnung des Reichskanzlers oder des Reichswehrministers bedurften. Meine politischen Freunde und ich sind durchaus entschlossen, alle parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten zu wahren. Aber ich meine, daß wir dafür an andere Möglichkeiten und Wege denken und uns solche überlegen müssen, als daß wir ausgerechnet durch Übertragung des Oberbefehls auf eine andere Stelle als den Bundespräsidenten diesem Anliegen gerecht zu werden suchen. Wenn wir das täten, würden wir nach meiner Auffassung zumindest bei einem Teil unseres Volkes das Mißtrauen bestärken, das ohnehin gegen eine neue Wehrmacht und alles, was damit zusammenhängt, a priori nun einmal vorhanden ist. Geben wir ihm doch die Gewißheit, daß letzte und schwerste Entscheidungen nur von der höchsten Stelle getroffen werden können, die unser Staat kennt, und von dem Manne, der hoffentlich stets von einem so breiten Vertrauen getragen sein wird, wie es sich bei der Wahl des Bundespräsidenten im vergangenen Jahr erfreulicherweise über alle Parteien hinweg gezeigt hat. Ich meine, wir sollten über diese Frage nur aus letzter Verantwortung vor unserem Gewissen entscheiden und ein von da her bestimmtes offenes Gespräch miteinander führen.
Eine Gewissensentscheidung — und nicht eine politische Überlegung — wird es auch sein müssen, die uns entscheiden läßt, ob wir unseren künftigen Soldaten die Leistung eines Eides zumuten können, wenn wir bedenken, welche Konflikte sich daraus in der Vergangenheit für den einzelnen ergeben haben und wieviel Unklarheit in der Beurteilung solcher Konflikte leider heute noch in unserem Volke herrscht. Ich glaube, daß wir uns im Sicherheitsausschuß alle von derartigen Überlegungen haben leiten lassen, als wir zu der übereinstimmenden Auffassung gelangt waren, daß wir auf den Eid verzichten und an seine Stelle eine feierliche Verpflichtung treten lassen könnten.
Lassen Sie mich gerade an dieser Stelle einmal an die Arbeiten des Sicherheitsausschusses erinnern, die zwar nur vorbereitenden Charakter hatten, aber doch in vielen Fragen so viel Übereinstimmung unter seinen Mitgliedern einerseits und mit den Mitarbeitern der damaligen Dienststelle Blank andererseits gezeitigt haben, daß einem angesichts des vorliegenden Gesetzentwurfs und der Diskussion des heutigen Tages eine leise Wehmut beschleichen muß und die Frage auftaucht: Wozu?
Gewiß, manches von diesen Arbeiten hat seinen Niederschlag in dem Entwurf des Soldatengesetzes und auch in der hier schon behandelten kleinen Schrift des Verteidigungsministeriums vom künfttigen deutschen Soldaten gefunden. Ich bin nicht geneigt, den Herrn Verteidigungsminister so hart wegen dieser Schrift zu kritisieren, wie es hier schon geschehen ist, weil ich ihre Zusammenstellung und viele ihrer Teile als sehr gut gelungen anerkennen muß. Aber eine uneingeschränkte Anerkennung kann ich für diese Schrift doch auch nicht aussprechen, und ich muß mich dem anschließen, was der Herr Kollege Ollenhauer gesagt hat: es macht zum mindesten den Eindruck, als ob man sich bei der Abfassung dieser Schrift doch nicht ganz bewußt gewesen wäre, was parlamentarische Kontrolle beim Neuaufbau einer Wehrmacht in unserem Staat zu bedeuten hat.
Ich möchte hier wohlwollend annehmen, daß vielleicht eine gewisse Gedankenlosigkeit mit am Werke war. Es ist vielleicht dieselbe Gedankenlosigkeit, die wir schon beobachten konnten, wenn wir uns darüber beschweren mußten — Herr Kollege von Manteuffel hat es vorhin wieder getan —, daß Mitteilungen über Maßnahmen auf dem Gebiete der Wehrpolitik uns allen, aber auch besonders den Mitgliedern des Sicherheitsausschusses, sehr oft, ich möchte beinahe sagen, meistens auf dem Wege über die Presse zukommen.
Ich will hier einmal, um auf die kleine Broschüre vom künftigen Soldaten zurückzukommen, ganz bewußt — ich betone: ganz bewußt — ein relativ unbedeutendes und nicht sehr gravierendes Beispiel herausgreifen, das als Beweis für die Richtigkeit meiner Kritik von vorhin dienen kann. Im Kapitel „Laufbahn" werden unter anderem die Militärmusiker und die Musikmeister im Offiziers-
status erwähnt. Nun, ich erinnere mich nicht — und ich glaube, daß mich meine Erinnerung auch nicht trügt —, daß dieses Parlament oder sein dafür zustandiger Ausschuß einmal zum Ausdruck gebracht hätte, daß man Militärkapellen für die neue Wehrmacht als unentbehrlich ansieht. Darüber wird — darin sind wir uns doch alle einig — wie in vielen anderen Fragen auch nur dieses Parlament zu entscheiden haben, wenn es darum geht, die Haushaltsmittel für die neuen Streitkräfte zu bewilligen. Es mag sein, daß man dann Spielmannszüge, Musikkapellen, Wachregimenter und ähnliche andere Einrichtungen für notwendig ansehen wird; es mag aber auch sein, daß sich manche aus der sich ständig verändernden Wirklichkeit unserer militärischen und politischen Lage gewonnenen Erkenntnisse durchsetzen werden, die uns veranlassen, unsere beschränkten Mittel in ganz anderer Weise einzusetzen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur einmal das Wort „Luftschutz" und „Schutzmaßnahmen für die zivile Bevölkerung" aufgreifen, worüber wir in der gestrigen Regierungserklärung für unsere Vorstellungen bedauerlich wenig zu hören bekommen haben. Wir werden all das im einzelnen zu verantworten haben. Diese Verantwortung nach allen Richtungen hin, nicht ein kleinliches Hineinreden und Herumschnüffeln in allen militärischen Planungen sind Sinn und Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle, die man deshalb auch in kleinen Fragen und aus Unbedachtsamkeit nicht einfach übergehen sollte.
In der Diskussion über den Oberbefehl wird oft auch auf die gefährliche Sonderstellung hingewiesen, die die Reichswehr im Weimarer Staat eingenommen hat. Ich glaube, daß diese nicht so sehr auf den Bestimmungen der damaligen Verfassung beruhte, sondern auf den politischen Umständen, unter denen die Reichswehr entstand und sich entwickelte, aus einer unveränderten Tradition, und nicht zuletzt auf dem ängstlichen Bemühen, gewisse Vorgänge in ihrem Bereich vor der Öffentlichkeit und auch vor dem Parlament zu verbergen. Möge doch alles geschehen, um derartige Erscheinungen bei unserer neuen Wehrmacht unmöglich zu machen. Aber das liegt ausschließlich in unserer Hand, ob Koalition oder Opposition; denn wenn die Politik einmal von diesem Instrument Gebrauch machen müßte, dann würde es nicht mehr um die Interessen des einen oder des anderen Teils unseres Volkes, sondern um die Freiheit und die Existenz von uns allen gehen.
Ein Wort noch zur zivilen Leitung, von der in der Regierungserklärung die Rede ist. Sie ist nicht dadurch garantiert, daß der Verteidigungsminister keine Generalsuniform trägt und sich auch sonst eines zivilen Verhaltens befleißigt. Lassen Sie uns gerade in dieser Hinsicht etwas von unseren westlichen Vertragspartnern lernen, und ich bin überzeugt, sie werden uns darüber bestimmt keine Vorhaltungen machen. Vielleicht räumt aber auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte manche Befürchtung, die uns aus der europäischen Vergangenheit beschleichen könnte, aus, wenn wir einmal die Feststellung treffen, daß im Zeitalter der technisierten Kriegführung die Generäle selbst zu Warnern und Skeptikern werden. Ich brauche hier nicht auf ausländische Beispiele hinzuweisen, sondern möchte aus der jüngeren deutschen Vergangenheit wenigstens einen Namen nennen, der für viele steht, nämlich den Namen Beck.
Zurück zu dem vorliegenden Entwurf des Freiwilligengesetzes. Ich weiß nicht, ob es für die Schaffung des Vertrauens in die parlamentarische Kontrolle des Militärischen und deren Sicherung von Vorteil wäre, es in der parlamentarischen Bearbeitung zu unterlassen, dem Gesetz noch mehr den Charakter des Vorläufigen und streng Begrenzten zu geben. Dem würde es dienen, wenn zu der zeitlichen Begrenzung auf den 31. März 1956 auch die zahlenmäßige gegeben würde, wie sie die Regierung in ihrer gestrigen Erklärung selbst vorgenommen hat, nämlich die Begrenzung auf 6000 Mann. Meine Fraktion jedenfalls wird darauf drängen. Darüber hinaus sehen wir auch keinen Grund, der uns daran hindern könnte, die Aufgaben genau zu umreißen, zu denen unter Geltung dieses Gesetzes Freiwillige eingestellt werden sollen.
Über die Rechtsstellung dieser Freiwilligen ist hier schon so viel gesagt worden, daß ich mir nähere Ausführungen ersparen will. Auch wir halten sie für ungenügend geklärt und werden auf eine Verbesserung drängen. Das verlangt die Fairneß gegenüber den Männern, die sich schon jetzt für den Aufbau zur Verfügung stellen, und die Notwendigkeit, die Besten dafür zu gewinnen.
Auch für ihre eventuelle Versorgung muß entsprechend Vorkehrung getroffen werden. Allerdings können wir uns schwer vorstellen, daß für die neuen Truppen andere Versorgungsgrundsätze gelten sollen als für die Opfer der letzten Kriege. Sollten die geltenden Versorgungsgrundlagen nicht als ausreichend erscheinen, dann müßten sie eben in dem gewünschten Sinn verbessert werden; denn es ist undenkbar, daß zwei Klassen von Versorgungsberechtigten entstehen, ebensowenig wie wir uns eine zweifache Versorgungsverwaltung leisten können. Es darf nicht dahin kommen, daß die Millionen von Kriegsopfern mit ihren Verbänden voll Mißgunst der neuen Wehrmacht gegenüberstehen. Das würde sich auch auf die Jugend negativ auswirken, die es zwar nicht für „Wehr und Waffen" zu begeistern, aber doch von der Notwendigkeit des Wehrdienstes zu überzeugen gilt.
Lassen Sie mich nun etwas zu dem viel diskutierten Personalausschuß sagen. Auch wir meinten immer und meinen es heute noch — wir freuen uns, daß wir uns darin überraschenderweise in völliger Übereinstimmung mit allen unseren Koalitionspartnern befinden —, daß es richtig wäre, Aufgaben und Kompetenzen des Personalgutachterausschusses gesetzlich festzulegen. Es ist nun einmal so, daß die Wiedereinstellung führender Offiziere von den verschiedensten Seiten und unter den verschiedensten Gesichtspunkten argwöhnisch beobachtet werden wird. Die Mitglieder des Personalausschusses tragen eine schwere Verantwortung. Jeder Fehlgriff, der sich vielleicht erst nach Jahren als solcher herausstellt, wird ihnen zur Last gelegt werden. Wenn ihre Verantwortlichkeit nicht im Gesetz klar abgegrenzt ist, wird die Tätigkeit im Personalausschuß schwer zumutbar sein. Das bedeutet nicht, daß wir der Auffassung wären, die Mitglieder des Personalausschusses müßten unbedingt von irgendeinem parlamentarischen Gremium gewählt werden. Was uns gegenüber derartigen Vorstellungen im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die wir ja von der Richterwahl her kennen, bedenklich machen sollte, wird klar, wenn man hört, daß auch schon der Bundesrat den Anspruch erhebt, bei der Auswahl der Mitglieder des Personalausschusses mitzuwirken.
Es gibt einen weiteren Grund für die gesetzliche Festlegung der Aufgaben und Kompetenzen des Personalausschusses. Man muß denjenigen Bewerbern, die der Ablehnung durch ,den Ausschuß verfallen, die Gewißheit geben, das dies nach Recht und Gesetz geschehen ist. Selbst der Einwand, man könne dem Personalausschuß keine durch Gesetz gesicherte Dauerexistenz geben, zieht nicht, auch dann nicht, wenn man ihn inhaltlich anerkennt; denn selbst dann ließe sich dem gesetzestechnisch Rechnung tragen. Man braucht die Bestimmungen über den Personalausschuß nicht unbedingt in das Freiwilligengesetz oder in das Soldatengesetz oder in beide hineinzunehmen, sondern kann, wenn notwendig, dazu ein eigenes Gesetz schaffen.
Wir hoffen, daß die Regierung uns umgehend den Entwurf eines entsprechenden Gesetzes über Aufgaben und Kompetenzen des Personalausschusses vorlegt.
Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich es nicht unterlassen, zu einigen Ausführungen Stellung zu nehmen, die Herr Dr. Jaeger heute früh
gemacht hat Dazu fühle ich mich als Historiker
und als Süddeutscher berufen und verpflichtet. Preußen besteht nicht mehr und wird wahrscheinlich nie wieder erstehen. Um so mehr verdient es ein gerechtes und historisch objektives Urteil.
Mit so oberflächlichen Bemerkungen wie denen, die Herr Dr. Jaeger — er ist leider nicht anwesend — heute morgen über Preußen gemacht hat, werden wir ihm aber nicht gerecht, auch nicht unserer eigenen Vergangenheit, die — dessen brauchen wir uns nicht zu schämen — mehr, als Herr Dr. Jaeger vielleicht wahrhaben will, ohne die geschichtlichen Leistungen des Preußentums undenkbar wäre.
Es ist mir völlig unverständlich, wie Herr Dr. Jaeger stich gewissermaßen zum Beweise seiner Anschauungen ausgerechnet ,auf das Jahr 1918 beziehen konnte, dessen geschichtliche Bedeutung sich doch nicht auf Preußen beschränkt und sich schon gar nicht aus preußischen Elementen, weder im guten noch im bösen, erklären läßt, sondern aus einer geistesgeschichtlichen und soziologischen Entwicklung, die sich in alien Völkern der Erde und in allen deutschen Stämmen, auch in Bayern, ausgewirkt hat.
Lassen Sie es damit genug sein, zumal da Herr Dr. Jaeger, mit dem ich mich gerne noch weiter über diese Frage auseinandersetzen würde, nicht anwesend ist.
Es ist schon einiges über den Zusammenhang
zwischen den Fragen der allgemeinen Sozialordnung und Sozialpolitik und denen der sozialen
Sicherstellung und sozialen Eingliederung unserer
neuen Soldaten ausgeführt worden. Vielleicht wird
noch einer meiner Freunde nachher ausführlicher
dazu Stellung nehmen. Ich möchte hier nur feststellen, daß nach unserer Auffassung eine Gesundung unserer sozialen Ordnung im 'allgemeinen die
unerläßliche Voraussetzung für die soziale Eingliederung der neuen Soldaten und eine unerläßliche
Voraussetzung für einen erfolgversprechenden
Aufbau der neuen Streitkräfte überhaupt bildet.
Das veranlaßt uns wieder, darauf hinzuweisen, daß es uns eigenartig erscheint, wenn man hier lange und umfängliche Ausführungen über die Notwendigkeit einer sozialen Eingliederung der neuen Soldaten macht, wenn man aber nicht in der gleichen Weise und bei jeder Gelegenheit seine Bereitschaft sichtbar werden läßt, auch den Opfern der vergangenen Kriege, den Kriegsgeschädigten, Vertriebenen und Flüchtlingen, den Weg zu- einer wirklichen sozialen Eingliederung zu bereiten.
In diesen Zusammenhang gehört auch die dringende Notwendigkeit der schnellen Bearbeitung der zweiten Novelle zum Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes.
Lassen Sie mich zum Schluß nochmals erklären, daß wir bereit sind, daran mitzuwirken, daß aus dem schlechten Anfang dieses Gesetzgebungswerks ein besseres Ende und aus dem unzulänglichen Gesetzentwurf eine brauchbare Grundlage für den Aufbau unserer neuen Streitkräfte wird. Wir hoffen aber, daß hinsichtlich dieser und aller mit der Wehrverfassung zusammenhängenden Fragen allen Beteiligten noch ausreichende Gelegenheit zu einer freien und gründlichen Aussprache gegeben sein wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Matthes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Einbringung des Freiwilligengesetzes und die damit verbundene Erklärung der Bundesregierung bedeuten nach der Ratifizierung der Pariser Verträge den ersten Schritt, der deutscherseits wehrpolitisch bezüglich der Auswirkung der Verträge zu erfolgen hat. Schon bei der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse der Berliner Außenministerkonferenz im Deutschen Bundestag am 25. Februar 1954 sagte unser Freund Dr. von Merkatz namens der Fraktion der Deutschen Partei, daß es für uns im Hinblick auf die kommenden freiwillig übernommenen Verpflichtungen kein Schwanken gebe, und erklärte dann wörtlich: „Es muß jetzt, wenn Europa und unser Land überleben sollen, die Politik der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu einem Erfolg gebracht werden."
Wir haben uns mit dieser Erklärung zur Erfüllung der Verpflichtungen auf schnellstem Wege bekannt. Dennoch drängt sich uns nach der wehrpolitischen Erklärung des gestrigen Tages die, Frage auf: Warum ist man eigentlich nicht früher mit dem Freiwilligengesetz herausgekommen? Warum hat man den Gegnern der Pariser Verträge Gelegenheit gegeben, der Regierung zu unterstellen, daß sie absichtlich manche Dinge im Halbdunkel lassen wolle? Schweigen ist nicht immer Gold, man kann es auch übertreiben, und nach unserer Auffassung war es nicht erforderlich. Die Bundesregierung hat, wie ihre gestrige Erklärung zeigt, nichts zu verbergen. Sie hätte damit sich viel Kritik und der deutschen Öffentlichkeit viel Ärger und Verdruß ersparen können. Der Aufbau von Streitkräften ist nach den bösen Erfahrungen der Vergangenheit eine viel zu bedeutsame, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit erfassende Frage, als daß es angängig wäre, sie ohne eine umfassende Klarheit über die Grundsätze und ohne Übereinstimmung hinsichtlich der Durchführung zu lösen.
L) An den Anfang dieser Arbeit gehörte daher eine Darlegung der Gesamtkonzeption und die Zustimmung nicht nur der gesetzgebenden Organe des Bundes, sondern auch der breiten deutschen öffentlichkeit, aber nicht einfach die Zuleitung und Einbringung des sogenannten Freiwilligengesetzes beim Bundesrat bzw. beim Deutschen Bundestag. Denn es muß doch der Bundesregierung darauf ankommen, gerade für diesen Teil ihres Regierungsprogramms die überzeugte Mitarbeit des deutschen Volkes sowie seiner parlamentarischen Vertreter zu gewinnen und zu erhalten.
Gewiß ist mit der Ratifizierung und Inkraftsetzung des Pariser Vertragswerks die Frage der Aufstellung von Streitkräften der Bundesrepublik dem Grunde nach positiv entschieden; aber diese Entscheidung hat bisher in stärkerem Maße eine Wirkung nach außen als nach innen gehabt. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Regierung, Klarheit darüber zu schaffen, wie sie sich den Aufbau der Streitkräfte vorstellt. Sie hat das jetzt getan, zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in den wesentlichsten Zügen. Das deutsche Volk weiß heute wenigstens, was beabsichtigt ist.
Meine politischen Freunde und ich begrüßen die Ausführungen des Verteidigungsministers. Aber ich will keineswegs damit sagen, daß wir, meine Freunde und ich, geneigt sind, jeden programmatischen Satz der Regierungserklärung blanko zu unterschreiben. Wir behalten uns vielmehr vor, alle Einzelheiten sorgfältigst zu prüfen, die in den künftigen, uns vorzulegenden Gesetzentwürfen geregelt werden sollen. Aber wir wollen auch keinen Zweifel daran lassen, daß wir die Grundsätze der Wehrpolitik und der Wehrverfassung, wie sie der
Herr Bundesverteidigungsminister gestern hier entwickelt hat, für richtig halten und sie deshalb bejahen. Wir bejahen sie, weil diese Grundsätze nach unserer Überzeugung mit Militarismus nichts, aber auch rein gar nichts zu tun haben.
Über das innere Gefüge unserer künftigen Streitkräfte ist schon ungeheuer viel geschrieben und geredet worden. Auch im Sicherheitsausschuß dieses Hohen Hauses hat uns diese Frage in der Vergangenheit stärkstens beschäftigt. Das war, nimmt man alles in allem, zur Vorklärung mancher Meinungen sicherlich sehr gut. Wir vermögen daher keineswegs die von der Bundesregierung geübte Zurückhaltung bei der Einbringung des Freiwilligengesetzes zu verstehen, das ja dafür verschiedentlich, und nicht zu Unrecht, als Blitzgesetz angesprochen wurde. Auch der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung vom 10. Juni gegen die überhastete Vorlage des Gesetzes wenden müssen. Bei aller Eile, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt, darf keineswegs die innenpolitische Sorgfalt darunter leiden, eben weil dieses Gesetz befristet ist und nichts fragwürdiger ist als Vorläufigkeiten.
Fragwürdig ist keineswegs unsere Auffassung zu den Grundfragen der Wehrpolitik, zu dem inneren Gefüge. Eine Truppe, die in dem Geiste aufgebaut und herangebildet werden soll, die nach so strengen demokratischen Regeln in den Staat eingebaut werden soll, wie es in unseren verschiedensten Ausschußberatungen in den letzten Jahren immerhin übereinstimmend zum Ausdruck kam, eine solche Truppe läßt sich zu militärischen Abenteuern nicht mißbrauchen. Im Gegenteil, wenn wir die gegenwärtige Lage nüchtern betrachten, müssen wir feststellen: Es wird keine leichte Aufgabe sein, die Streitkräfte auch nur zu einem brauchbaren Instrument einer wirksamen Verteidigung zu machen. Schon hier zeigen sich zwei Welten und scheiden sich immer wieder die Geister. Die jüngste Vergangenheit hat uns leider Gottes dafür eine Fülle an Beweisen geliefert.
Meine Freunde und ich bejahen aus innerster Überzeugung in unserer Einstellung zu Volk und Staat den Wehrwillen. Wir halten es für einen elementaren, von der Geschichte hundertfach bezeugten Grundsatz und für bitterste Wahrheit: Ein Volk, das in einer waffenstarrenden Welt geachtet sein und das sich selber achten will, muß bereit sein, sich gegen fremde Angreifer zur Wehr zu setzen. Andernfalls wird es nicht einmal seine materielle Existenz auf die Dauer behaupten können, von der Freiheit ganz zu schweigen. Das sei allen denen gesagt, die das Argument ins Feld führen, Aufwendungen für die Verteidigung seien unproduktiv. Auch wir wissen, daß es an sich nützlicher wäre, weiterhin Wohnungen anstatt Kasernen zu bauen. Auch wir sähen es lieber, wenn die anderen zum Teil bis an die Zähne bewaffneten Länder abrüsteten und wir dadurch der Sorge enthoben würden, für unsere militärische Sicherheit selbst etwas zu tun. Aber können wir darauf bauen, daß sich die rauhe Wirklichkeit nach unseren Wünschen richten wird? Man darf doch nicht die Dinge auf den Kopf stellen und etwa behaupten wollen, die Bundesrepublik brauche nur waffenlos zu bleiben, dann werde die allgemeine Abrüstung todsicher folgen. Wir sind zehn Jahre waffenlos geblieben, und was ist seitdem geschehen?
Im übrigen wird der Aufbau deutscher Streitkräfte auf jeden Fall — das ist der Wunsch des gesamten Hohen Hauses — in so langsamen Etappen vor sich gehen, daß er einer Welt, die überall guten Willens wäre, niemals im Wege stehen könnte. Für uns wäre es nicht schwer, jederzeit alles auf null zurückzudrehen, wenn wir gewiß sein könnten, fortan in einer friedliebenden Welt zu leben.
Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit, ohne gleichzeitige Bereitschaft, dafür im Ernstfall mit innerer Bereitschaft einzustehen. Selbst die kleine Schweiz hat eine in aller Welt bewunderte schlagkräftige Landesverteidigung, bei der jeder Bürger bis zum 65. Lebensjahr dienend mitzuwirken hat. Das ist wahrlich kein Geschenk des Weltfriedens, sondern von diesem von uns immer wieder zu bewundernden Volke mit seinen berühmten bürgerlichen demokratischen Freiheiten und von seinem Wohlstand opferbereit geschaffen und traditionsgebunden erhalten.
Meine Damen und Herren, auf diesem Hintergrund muß man den ganzen Komplex der Wiederbewaffnung sehen, bevor man sich mit Einzelfragen befaßt. Wir müssen den Mut haben, manche angenehmen Illusionen zu zerstören, vor allem die Illusion, daß die Bundesrepublik im Windschatten der Weltpolitik ungestört und unbekümmert ihren Geschäften nachgehen könne, weil schon nichts geschehen werde. Wir hoffen ja auch alle miteinander, daß nichts geschehen wird.
Allerdings geben wir uns auch nicht etwa der anderen Illusion hin, daß unser Volk mit Begeisterung auf den Augenblick wartet, da es seine ersten Söhne wieder in Uniform sehe. Dazu hat es in den vergangenen Jahren zu bittere Erfahrungen machen müssen. Es hat erleben müssen, wie die Uniform, die der deutsche Soldat in Ehren getragen
hat — in Ehren trotz allem —, beschimpft und verhöhnt worden ist, nicht nur von den einstigen Siegern, sondern leider auch von manchen Leuten im eigenen Volke.
So etwas vergißt man nicht leicht.
Und auch das sei in dieser Stunde ganz klar ausgesprochen: Wir von der Deutschen Partei haben uns zum geistig wahren Soldatentum bekannt von Anfang an,
als wir damit noch durchaus gegen den Strom der herrschenden Meinung schwammen.
— Entschuldigen Sie, Sie können keinen Beweis antreten, daß ein Redner meiner Fraktion als Redner auf dem „Stahlhelm"-Tag in Goslar gesprochen hätte. Mir ist das nicht bekannt,
bis zur Stunde jedenfalls nicht. Aber Sie werden
vielleicht nachher den direkten Beweis antreten, und wir sind dann gern bereit, unsere Antwort darauf zu erteilen.
Meine Damen und Herren, haben nicht in den verflossenen zehn Jahren die ehemaligen Soldaten aller Dienstgrade, unter ihnen die große Zahl der Berufssoldaten aller Dienstgrade, bis zur Stunde trotz Diffamierung, Verbitterung, Enttäuschung selbstlos und uneigennützig ihre Pflicht in unserem Staat erfüllt wie jeder andere Staatsbürger und darüber hinaus trotzdem auch an ihrem Soldatentum festgehalten? Haben nicht in allen Fraktionen, sei es des Bundestages, der Landtage, der Kreistage, der Stadtparlamente oder Gemeindeparlamente, Soldaten aller Dienstgrade seit Jahren verantwortungsbewußte Mitarbeit durch die Tat bewiesen? Liegen nicht zahlreiche Auslassungen ehemaliger Soldaten — von wenigen Unbelehrbaren, ewig Gestrigen abgesehen — vor, wie die des ehemaligen Generals Crüwell vom ehemaligen Deutschen Afrikakorps auf dem Treffen dieses Korps im Jahre 1950, wo General Crüwell wörtlich erklärte:
Man soll gegenüber unserer jungen Demokratie nicht in verneinende Kritik verfallen, sondern helfen, wo man helfen kann.
Das ist die Stimme der konstruktiven Kräfte und eine klare Absage an den unfruchtbaren und planlosen Radikalismus von links und von rechts. Wer vermag angesichts der vielen Beweise ehrlicher Mitarbeit noch von Militaristen zu sprechen? Die Fraktion der Deutschen Partei legt auf eine Klärung des Begriffs „Militarismus" Wert. Wir verstehen darunter nicht die Diffamierung bestimmter Berufsgruppen oder Gesellschaftsschichten, sondern ganz einfach den Tatbestand, daß alle Bereiche des staatlichen Lebens den militärischen Bedürfnissen untergeordnet und die Schlüsselstellungen des Staates mit Offizieren oder besonders militärfrommen Zivilisten besetzt werden. Diese Militarisierung eines Staatswesens enthält, wie die Geschichte beweist, größte Gefahren. Wir begrüßen es daher, daß
in der Grundkonzeption der gestrigen Erklärung ' der Bundesregierung eine eindeutige Abkehr von solchem Überwuchern des Militärischen im Staate enthalten ist.
Mit aller Deutlichkeit habe ich seitens meiner politischen Freunde von der Deutschen Partei zu erklären, daß wir und die mit uns zum Soldatentum sich bekennenden Deutschen die leidenschaftlichsten Verfechter des Friedens sind, eines Friedens jedoch der Freiheit, des Rechtes und der Sicherheit. Ich treffe für die Deutsche Partei in diesem Zusammenhang mit Nachdruck die Feststellung: Das deutsche Soldatentum in seiner Gesamtheit ist erhaben über jeden Angriff auf seine Ehre. Wir sind der Überzeugung, daß nur ein Staat, der auch die ehemaligen Soldaten als Träger eines Wehrgeistes würdigt und anerkennt, das Recht und die Möglichkeit hat, den Wehrwillen eines Volkes aufzurufen. Dieser Überzeugung leben wir nicht allein, sondern mit uns viele andere Völker in der Welt. Ich erinnere nur an das Beispiel der Veteranenvereine in Amerika, deren vornehmstes Ziel die Pflege alter Traditionen ist. Der amerikanische Botschafter in Bonn, Dr. C o n a n t , hat in seiner Rede anläßlich der Jahresfeier des Geburtstages von Washington die uns vor wenigen Tagen übermittelt wurde, vor amerikanischen Offizieren in Deutschland von der Pflege der Tradition und von dem ehemaligen amerikanischen Soldaten als dem Bürger-Soldaten gesprochen und gesagt, daß die gesamte Tradition der Vereinigten Staaten für die Erhaltung der Demokratie und Freiheit im eigenen Lande und für die Schlagkraft der amerikanischen Streitkräfte selbst sowie für den einzelnen Soldaten wichtig ist; anderenfalls wäre keine Garantie dafür gegeben, daß die Armee eine wirklich verläßliche Streitkraft für den Staat darstelle. Das sind allerdings andere Worte als die, die wir bezüglich Tradition vor kurzem in diesem Saale in der Feierstunde am 17. Juni von Herrn Professor Dr. Ritter zu hören bekommen haben.
Uns ist es Gewißheit, daß ein Volk sich selbst aufgibt, wenn es seine guten Überlieferungen aufgibt. Deshalb haben wir auch in der gestrigen Regierungserklärung mit besonderer Genugtuung den Satz vernommen: Der deutsche Soldat hat tapfer, brav und gehorsam seine Pflicht getan. Das unterstreichen wir doppelt. Aus diesem Grunde möchte ich es nicht allzu wörtlich nehmen, wenn der Herr Bundesverteidigungsminister gestern erklärte, daß wir die Streitkräfte sozusagen aus dem Nichts heraus aufzustellen hätten. Gewiß, wir müssen neue Formen finden. Wir können und wollen nicht neuen Wein in alte Schläuche gießen, aber so wie der neue Wein auf alten Rebstöcken wächst, so werden auch aus den künftigen Kompanien und Regimentern nur dann brauchbare Einheiten werden, wenn sie von den alten Soldatentugenden der Ehre und Treue, der Pflichterfüllung und des Gehorsams, der Tapferkeit und Kameradschaft erfüllt sind. Meine Damen und Herren, uns ist es traurige Gewißheit, daß diese Tugenden heute nicht hoch im Kurs stehen; denn heute wird Verdienen groß geschrieben und Dienen ganz klein.
Man wird nun einmal Soldat, um zu dienen, und nicht, um zu verdienen. Aber man mag noch so nüchtern und sachlich denken, — wenn niemand mehr bereit ist, der Gemeinschaft zu dienen, muß
jede menschliche Gemeinschaft auf die Dauer zerfallen, und dann wird auch das Verdienen problematisch. Egoismus allein ist Sprengstoff für jedes Volk. Wenn wir uns zu Deutschland, zu einem in Einheit und Freiheit wiederzuvereinigenden Deutschland bekennen, haben wir ein bewußtes Ja zum Dienen an Volk und Vaterland zu sagen. Es scheint uns, daß manchen Menschen im Westen diese Begriffe nicht mehr so deutlich bewußt sind, während der 17. Juni 1953 vor aller Welt bewiesen hat, daß in Deutschland Kräfte aufzustehen vermögen, die bereit sind, für die Freiheit ihr Leben zu opfern.
Die Deutsche Partei betont daher aus ihrer konservativen Gesinnung heraus, daß sie in den künftigen Streitkräften mehr sieht als eine Schutztruppe nach außen. Sie kann und muß darüber hinaus die Keimzelle für das Wiedererstarken des Gemeinschaftsgefühls werden. Die jungen Menschen aller Stände werden wieder erkennen, daß sie Glieder eines Volkes und diesem Volke auch verpflichtet sind. Das eine haben wir so bitter nötig wie das andere. Daß auch mit dem Begriff der Gemeinschaft wirklich Mißbrauch getrieben worden ist, darf uns nicht dazu verleiten, ihn in die Rumpelkammer verstaubter Gefühle zu verbannen. Wir sind überzeugt, daß auch die Jugend in ihrer Mehrheit einsichtig genug sein wird, die Notwendigkeit, sagen wir ruhig: die sittliche Pflicht des Dienstes für die Gemeinschaft zu erkennen. Man behauptet von dieser Jugend, sie neige dazu, das Für und Wider einer Sache nüchtern abzuwägen. Nun gut, sie soll wägen! Um so weniger wird sie sich dann von billigen antimilitaristischen Parolen blenden lassen. Allerdings will und muß die Jugend wissen, was es zu verteidigen gilt. Darum muß alle Wehrpolitik eingebettet sein in eine staatliche Ordnung, die die Würde und Freiheit des Menschen und soziale Gerechtigkeit gewährleistet.
Die Regierung hat sich aus Gründen, die wir billigen können, darauf beschränkt, ihre grundsätzliche Auffassung in den Fragen der Wehrpolitik und Wehrverfassung darzulegen. Es ist klar, daß sich bei der praktischen Verwirklichung dieser Prinzipien eine Fülle von Gesetzesvorlagen und Problemen ergeben wird. Als Sprecher meiner Fraktion habe ich darauf hinzuweisen, daß sich eine Erwiderung unseres Fraktionsvorsitzenden Dr. von Merkatz, wie Herr Kollege Ollenhauer sie vorhin ad absurdum führte, im Hinblick auf die auch heute schon mehrfach zitierte Erklärung als Berichterstatter am 26. Februar erübrigt. Die Antwort ist bereits in der gestrigen Erklärung der Bundesregierung enthalten, wo die drei Fragenkomplexe aufgeführt worden sind, weshalb wir das Grundgesetz zu ändern hätten. Zu den sich ergebenden verfassungsrechtlichen Fragen der kommenden Wehrgesetzgebung sprechen wir schon heute unsere Bereitwilligkeit aus, die Dinge sehr ernst zu betrachten und mit zu bearbeiten. Wir werden sie sehr sorgfältig prüfen und es an der Mitarbeit nicht fehlen lassen.
An dieser Stelle aber kann ich mich heute auf eine kurze zusammenfassende Stellungnahme beschränken. Die Fraktion der Deutschen Partei tritt aus voller Überzeugung für den Grundsatz ein, daß die Streitkräfte ein Instrument der Staatspolitik werden und bleiben müssen, nicht mehr und nicht weniger. Wir wünschen daher, daß sie ziviler Leitung und parlamentarischer Kontrolle unterstellt werden. Der Einschaltung eines Personalausschusses bei der ersten Besetzung der obersten Kommandostellen stimmt die Fraktion der Deutschen Partei nicht zu. Die Einsetzung des Personalausschusses würde nach unserer Auffassung ein unberechtigtes Mißtrauen gegen die Bundesregierung und insbesondere gegen den Bundesverteidigungsminister einschließen.
Außerdem bedeutet sie die Schaffung eines Sonderrechts, das sich ausschließlich gegen den Soldatenstand richtet.
Meine politischen Freunde und ich sind davon überzeugt, daß die Regierung bei der Auswahl der oberen Kommandeure die Erfahrungen menschlicher und charakterlicher Art, die wir in der Vergangenheit machen mußten, berücksichtigen wird.. Diese Frage muß ausschließlich unter die Verantwortung des zuständigen Ministers gestellt werden, dessen Sorgfaltspflicht in besonderer Weise der parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen ist. Wir halten aber ein Verfahren, wie es mit einem Personalausschuß vorgeschlagen wird, für verfehlt, weil es die Gefahr in sich birgt, daß gerade hierdurch in die Personalpolitik ein gefährliches Element der Politisierung hineingebracht wird.
Wir fordern mit aller Entschiedenheit, daß die Truppe nicht in den Machtstreit der Parteien hineingezogen und gar zu einem Instrument der Parteipolitik, Konfession oder irgendwelcher sonstiger Interessengruppen gemacht wird.
Nach den vielen trüben Erfahrungen der letzten I Jahre bei der Klassifizierung unseres Volkes und der Gesinnungsschnüffelei sind unsere Bedenken nur zu gut verständlich.
Eine gewichtige Rolle spielt auch für uns die Frage des Oberbefehls über die aufzustellenden Streitkräfte. Bereits seit den Tagen der konstitutionellen Verfassung ist der Begriff des Oberbefehls und der Kommandogewalt verfassungsrechtlich unklar geworden. In dem berühmten Buch des Staatsrechtlers Marschall von Bieberstein ist die Frage der Gegenzeichnung und der Kommandogewalt in ihrer geschichtlichen Entwicklung mit bester Dokumentation wiedergegeben worden. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß über diesen Begriff rechtlich und politisch vollkommene Klarheit geschaffen werden muß. Wir können uns hierbei auch nicht an das Vorbild der Weimarer Verfassung anlehnen, denn aus dem Zusammenhang des Art. 47 und vor allen Dingen des Art. 48 Abs. 2 der Weimarer Verfassung ergibt sich deutlich, daß die Frage des Oberbefehls in dieser Verfassung im traditionellen, konstitutionellen Sinne geregelt war. Nach unserem Grundgesetz wäre eine Regelung im gleichen Sinne wie in der Weimarer Verfassung nicht ohne Verfassungsänderung durchführbar. Die Fraktion der Deutschen Partei bejaht dagegen die Auffassung, die der Herr Verteidigungsminister in seiner gestrigen Erklärung dem Hohen Hause dargelegt hat. Danach kann vom Oberbefehl im traditionellen Sinne weder rechtlich noch politisch gesprochen werden.
Wir bejahen den Grundgedanken der Regierungserklärung, daß die Wehrmacht genau so wie jede andere Funktion der Exekutive in das Ge-
füge des Grundgesetzes eingepaßt werden muß. Das heißt: für die Exekutivmaßnahmen im militärischen Bereich gelten dieselben rechtlichen Regeln wie für jede andere Exekutivmaßnahme, sei es auf dem Gebiete der Regierung, der Gesetzgebung, der Verwaltung oder gar der Rechtsprechung. Alle Akte, die der Gegenzeichnung bedürfen, werden auch auf dem militärischen Gebiet so behandelt, wie das nach dem Grundgesetz für Akte im zivilen Bereich erforderlich ist. Demzufolge stehen dem Staatsoberhaupt als Repräsentanten des ganzen Volkes alle die Ehrenrechte und Befugnisse zu, die ihm nach dem Grundgesetz gegenüber der zivilen Verwaltung zukommen. Wir legen hierbei Wert darauf, daß seine Stellung als Staatsoberhaupt bei allen Demonstrationen militärischer Art hervorgehoben wird. Man kann das die Übertragung des repräsentativen Oberbefehls nennen, in dem ein symbolischer Beziehungspunkt für die überparteiliche Aufgabe der Wehrmacht zum Ausdruck kommt. Ich weise aber darauf hin, daß die Fraktion der Deutschen Partei durch die Verwendung dieses Begriffes keine politische und keine rechtliche Unklarheit hinsichtlich der tatsächlichen Befugnisse, die das Grundgesetz für die Exekutive
festlegt, aufkommen lassen will. Damit ist nicht vorweggenommen, wie diese Frage endgültig bei einer Verfassung des Deutschen Reiches entschieden wird.
Was die Wehrverwaltung angeht, so wünschen meine Freunde, daß sie den zivilen Behörden übertragen wird. Wir können uns dabei auch auf die Erfahrungen aus der Zeit vor 1914 stützen. Das System der zivilen Verwaltung für die Streitkräfte hat sich in den verschiedensten Staaten durchaus bewährt. Dabei wird die verfassungsrechtliche Frage der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sehr sorgsam zu prüfen sein. Was von den Länderverwaltungen durchgeführt werden kann, sollte ihnen überlassen bleiben, natürlich unter dem Gesichtspunkt, daß eine solche Regelung vernünftig und praktikabel sein muß. Wir haben zur Lösung dieser Frage ganz besondere Vorstellungen und werden unsere Vorschläge hierzu bei der Beratung der kommenden Gesetzentwürfe in den verschiedenen Ausschüssen unterbreiten.
Nicht unerwähnt wollen meine Freunde lassen, daß wir bei erforderlichen Einstellungen für die Wehrverwaltung in erster Linie auch auf die Schwerbeschädigten, die stellenlosen älteren Angestellten und die noch nicht untergebrachten ehemaligen Berufssoldaten zurückgreifen sollten. Wir legen das unserem Herrn Verteidigungsminister und den zuständigen Ressortministern dringend ans Herz. Wir bitten schon heute darum, daß dieses unser Anliegen, das sicherlich auch — wie die Vergangenheit bewiesen hat — das Anliegen aller Fraktionen des Hohen Hauses ist, im Laufe der Zeit Berücksichtigung findet.
Daß die staatsbürgerlichen Rechte des Soldaten, soweit das mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist, gewahrt werden sollen, haben wir gern gestern vernommen. Das entspricht voll und ganz unseren Wünschen. Dieses Kapitel wird uns ja noch eingehend bei der Beratung des zur Vorlage kommenden Soldatengesetzes beschäftigen, so daß ich mir versagen kann, heute darauf einzugehen. Genau so verdienen nach unserer Auffassung bei der weiteren Gesetzgebung die in der Ausbildung stehenden jungen deutschen Menschen, die ihren Wehrdienst zu leisten haben, unseren besonderen Schutz und unsere besondere Aufmerksamkeit.
Die Berufung ziviler unabhängiger Richter als Vorsitzende der Disziplinar- und Strafgerichte insbesondere halten wir für eine gute Lösung.
Mit ganz besonderem Interesse habe ich die Absicht der Bundesregierung verfolgt, bei der Aufstellung und Stationierung der Verbände landsmannschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Ich schließe mich hier den Wünschen der bayrischen Freunde an, daß dieses Prinzip so weit als irgend möglich verwirklicht wird. Es entspricht nicht nur bewährter Tradition, sondern ist auch geeignet, das innere Gefüge der Truppe — um diesen Begriff zu wiederholen — zu festigen. Landsmannschaftliche Zusammengehörigkeit hat sich in der Geschichte des deutschen Soldatentums, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, immer als ein besonders festes Band der Kameradschaft, Treue und Hingabe erwiesen. Ich bin aber überzeugt, daß es bei Betrachtung dieser Frage noch eingehender Überlegungen bedarf, wie den berechtigten Wünschen der heimatvertriebenen Jugend in dieser Richtung entsprochen werden kann und muß.
Wir begrüßen es, daß den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Länder durch eine bereits getroffene Vereinbarung zwischen Bund und Ländern Rechnung getragen wird. Hier sehen wir eine willkommene Gelegenheit, bei der Vergebung von öffentlichen Aufträgen die bisher von der Konjunktur weniger begünstigten Gebiete entsprechend zu berücksichtigen. Ich nenne hier nur die Länder Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Holstein, Bayern und denke dabei nicht zuletzt an die Zonenrandgebiete.
Die Bundesregierung hat zu unserer Freude gestern erneut versichern lassen, daß dieses Gesetz nur eine Übergangsregelung darstellen solle. Wir nehmen diese Mitteilung zur Kenntnis und werden die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen.
Die Fraktion der Deutschen Partei kann sich nicht damit einverstanden erklären, daß mit dem Freiwilligengesetz Soldaten geschaffen werden, deren Pflicht gegenüber Staat und Volk nicht durch einen Eid gebunden wird. Wir wenden uns ausdrücklich gegen den Vorschlag, an die Stelle des Eides eine feierliche Verpflichtung treten zu lassen. Bei allem Respekt vor theologischen und ethischen Bedenken, die geltend gemacht werden und worden sind, können wir uns als konservative Politiker nicht mit einer intellektualisierenden Betrachtung dieser Frage einverstanden erklären. Wir haben das große Mißtrauen, daß sich hinter diesen religiösen, ethischen Argumenten ganz andere Motive verbergen, nämlich vor allem das Motiv, daß man der Bundesrepublik als provisorischem Staatswesen gegenüber nur eine provisorische Treueverpflichtung habe. Mit Recht ist eingewendet worden, daß der Eid in der Vergangenheit nach seiner Säkularisierung in steigendem Maße mißbraucht worden ist und zu einem reinen Formalakt abzusinken droht. Diese Entwicklung müssen wir aufhalten und dem tiefen Ernst der Verpflichtung, die im Eide liegt, wieder den rechten Platz in unserem Staatswesen zuweisen. Die Entwertung des Eides kann nicht durch einen noch so großen Zeitablauf geheilt werden. Der Eid, der in einer fragwürdigen Gesellschafts-
) und Staatsordnung fehl am Platze ist und durch Mißstände und durch den moralisch-rechtlichen Verfall entwertet worden ist, gewinnt die ihm seiner Natur nach zukommende Bedeutung wieder in einem Staatswesen, dessen Ordnung sich in Übereinstimmung mit seiner hohen ethischen Bedeutung befindet. Wir sind davon überzeugt, daß auf die Bundesrepublik Deutschland die hohen Voraussetzungen zutreffen, die für die Abforderung eines Eides vorhanden sein müssen. Ich verweise hierbei ausdrücklich auf die Präambel des Grundgesetzes.
Bezüglich der Frage der Besoldung wird später bei Behandlung dieser Frage im Ausschuß vieles zu sagen sein. Ich will es mir heute versagen, darauf einzugehen. Schon heute fühlen sich meine Freunde veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß wir im Hinblick auf Heranziehung besonders befähigter, charakterfester Führungskräfte, die dank ihrer besonderen Tatkraft und Fähigkeiten bereits im zivilen Sektor gutbezahlte Positionen innehaben, vor großen Schwierigkeiten stehen werden. Wirtschaftliche und sozialpolitische Gesichtspunkte werden bei Behandlung dieser Frage hart im Raume stehen. Wir wollen die Frage, wie 'gesagt, heute nicht vertiefen.
Nun zum Schluß! Die Deutsche Partei weist in dieser Stunde mit allem Nachdruck darauf hin, daß das wichtigste Ziel unserer Politik die Wiederherstellung des Friedens in Europa und in der Welt ist. Grundlage und Voraussetzung dieses Friedens ist die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit und Sicherheit. Wir sind uns bewußt, daß die Kräfte des deutschen Wehrbeitrages isoliert betrachtet diese Sicherheit niemals gewährleisten können. Nur in Verbindung mit der in den Pariser Verträgen, in Verbindung mit der in der atlantischen Gemeinschaft geschaffenen Einheit Europas auf dem Gebiete der Verteidigung gewinnen die geringen deutschen Streitkräfte ihre Bedeutung.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist welt davon entfernt, die Frage der Sicherheit nur als eine militärische Frage zu betrachten. Die Frage der Sicherheit ist in erster Linie eine politische Frage. Die Lösung dieser großen politischen Probleme kann nur erfolgen, wenn wir konsequent den Weg fortsetzen, der mit einer gefestigten Einheit Europas die Grundlage für eine Entspannung zwischen Ost und West schafft, erhält und im Sinne des Friedens fortentwickelt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige kurze Ausführungen zu dem vorliegenden Gesetz, und zwar lediglich zu der Frage, ob die Zwecke, die die Regierung mit diesem Gesetz verfolgt, durch dieses kurze Gesetz erreicht werden können und welche Wirkung es voraussichtlich auf diejenigen hat, die es ansprechen will. Ich darf ferner gleich zu Beginn meiner Ausführungen darauf hinweisen, daß ein Preuße zu Ihnen spricht, jemand, der auf die Traditon und Geschichte seines Landes sehr stolz ist, der andererseits aber glaubt, bei Beginn der Wiederaufstellung einer neuen deutschen Wehrmacht 'den Blick nicht auf das richten zu sollen, was hinter uns liegt, sondern auf das, was vor uns liegt, auf Europa, auch unter Überspringung der Mainlinie, wenn nötig.
Ich darf nun das Freiwilligengesetz ein wenig genauer unter die Lupe nehmen und untersuchen, ob es geeignet ist, diejenigen Zwecke zu erreichen, die wir damit vorhaben, oder nicht. Der erste Gedanke ist: das Gesetz ist ein provisorisches Gesetz. Schon eine zeitliche Begrenzung auf den 31. März 1956 macht dies sehr deutlich. Die im Hause vorgeschlagene Begrenzung des Gesetzes auf den 31. Dezember dieses Jahres möchte ich ablehnen. Dieses Gesetz soll doch so bald Wie möglich durch das uns allen schon bekannte, sehr umfangreiche Soldatengesetz abgelöst werden. Wir würden uns selber als Parlament meiner Ansicht nach in Zeitnot und Zeitdruck bringen, wenn wir hier vor dem Zwinge ständen, sehr schnell zu arbeiten. Ich möchte also darum bitten, daß wir hier dem Vorschlag der Regierung folgen und das Gesetz bis zum 31. März 1956 limitieren.
Ein weiteres Merkmal des Provisoriums ist der verhältnismäßig eng gezogene Geltungsbereich des Freiwilligengesetzes. Es bezieht sich, worauf im einzelnen noch zu kommen sein wird, lediglich auf einige tausend Freiwillige. Es dient deshalb nur der Vorbereitung zum Aufbau der neuen Wehrmacht. Ferner haben wir, das Hohe Haus, es doch völlig in der Hand, durch haushaltsmäßige Beschränkung der Mittel für die Durchführung dieses Gesetzes darauf hinzuwirken, daß der gedachte Rahmen nicht überschritten wird. Ich glaube also, daß es von Ihnen allen gebilligt wird, wenn ich die Behauptung wage, daß mit diesem Freiwilligengesetz nur die rechtliche Möglichkeit geschaffen wird, den Aufbau der Wehrmacht in Angriff zu nehmen, ohne dabei die endgültigen Konzeptionen auch nur in einer Hinsicht vorwegzunehmen oder diese in nicht mehr abänderbarer Form zu beieinflussen. Sein Hauptzweck ist meiner Ansicht nach, unseren Vertragspartnern zu beweisen, daß die Bundesrepublik gewillt ist, ihrer aus den Verträgen entstandenen Verpflichtung rasch und möglichst ohne Verzug nachzukommen. Trotz der vielfach bemängelten Kürze ist, glaube ich, sein Rahmen weit genug gezogen. Es enthält alle unbedingt notwendigen Voraussetzungen, um den ersten Anforderungen zu entsprechen.
Eine dieser Anforderungen ist, daß nach Verabschiedung dieses Gesetzes der Bundesrepublik die Möglichkeit gegeben wird, mit der Einstellung freiwilliger Soldaten zu beginnen. Der Ton liegt meiner Meinung nach hierbei auf dem Wort „Soldaten" und auf dem Wort „beginnen". Mit diesem Gesetz soll und muß der erste Schritt zur Aufstellung der Wehrmacht getan werden.
Wenn auch der Charakter des Gesetzes, wie schon so oft betont wurde, alle Merkmale des Vorläufigen trägt, so ist das auf Grund dieses Gesetzes in Gang gesetzte Handeln des Verteidigungsministeriums nicht mehr rückgängig zu machen. Ich glaube, diese Feststellung ist von Bedeutung, da sich wohl sonst kein ehemaliger Soldat entschließen würde, auf Grund dieses Gesetzes eine gesicherte Position aufzugeben. Es muß also völlig klar sein, daß es uns durch Erlaß dieses Gesetzes mit der Erfüllung der Verträge ernst ist. Es sollen Tatsachen geschaffen werden, die über die nur rechtlichen Vorarbeiten hinausgehen.
Das Gesetz bestimmt, wie Sie wissen, daß der vorläufige Status der Freiwilligen bis zum Erlaß des Soldatengesetzes derjenige eines Beamten auf Probe sein soll, längstens jedoch bis zum erfogreichen Absolvieren einer Eignungsübung, die die Dauer von vier Monaten nicht übersteigen soll. Danach sollen die Freiwilligen den Charakter eines Beamten auf Lebenszeit erwerben, sofern sie Berufssoldaten werden wollen.
Mit dieser Regelung soll versucht werden, einen Weg zu finden, um die Forderungen nach einem schnellen Beginn mit den Rechtsgrundlagen in Einklang zu bringen, ohne hierdurch die endgültige Festsetzung des zukünftigen Status vorwegnehmen zu wollen. Ich glaube also, daß die hier vorgeschlagene globale Übernahme des Beamtenrechts als eine sinnvolle und wohl einzig mögliche Lösung angesehen werden kann. Die im Gesetz vorgeschriebene „sinngemäße" Anwendung des Beamtenrechts ermöglicht dabei die Berücksichtigung der besonderen Aufgaben eines Soldaten, die sich sicherlich von denen eines Beamten in vieler Beziehung unterscheiden.
Die im Bundesrat gegen diese Regelung erhobenen Bedenken kann ich nicht teilen. Bel den Freiwilligengesetz handelt es sich nicht um die Regelung eines Teilproblems, sondern um eine allerdings sehr kurzfristig gegebene Möglichkeit, ohne Zeitverlust gewisse personelle Voraussetzungen für die von uns demnächst zu treffende Endlösung zu schaffen.
Ferner wurde eingewendet, das Beamtenrecht werde den militärischen Notwendigkeiten in keiner Weise gerecht. Zugegeben, wenn durch dieses Gesetz Truppenverbände — also Kompanien und Bataillone — aufgestellt werden sollten, dann wäre dieser Einwand sicherlich stichhaltig. Das ist jedoch, wie wir alle wissen, nicht der Fall. Durch dieses Gesetz werden Stäbe und Lehrgänge geschaffen, auf Grund dieses Gesetzes erfolgt die Besetzung von internationalen Stäben durch Einzelpersonen. Kurz, bei der auf die Dauer von Monaten befristeten Geltung dieses Gesetzes vermag ich nicht einzusehen, daß sich hier — etwa in der Gehorsamsfrage — Schwierigkeiten ergeben könnten. Auch ein Beamter unterliegt der Gehorsamspflicht.
Ich möchte ferner zum Ausdruck bringen, daß die vom Bundesrat geäußerten Bedenken, daß ein Beamter jederzeit die Möglichkeit hat, die Verwaltungsgerichte anzurufen, und dies auf militärischem Gebiet zu unmöglichen Verhältnissen führen würde, nicht zutreffen. Auch dem Soldaten kann und soll nicht verwehrt werden, bei Rechtsverletzungen, durch die seine persönlichen Rechte berührt werden, Rechtsschutz zu suchen. Im übrigen steht dieser Rechtsschutz den Beamten ohnehin auf Grund des Art. 19 des Grundgesetzes zu. Das Beamtengesetz funktioniert seit eh und je. Warum sollte es für eine kurze Übergangszeit, z. B. bei uniformierten Lehrgangsteilnehmern, nicht funktionieren? Ferner darf ich, in Kenntnis der Soldatenmentalität, gerade bei den durch dieses Gesetz zu erfassenden, freiwillig sich meldenden Soldaten mit Sicherheit annehmen, ,daß sie an die ihnen übertragenen Aufgaben und Pflichten mit voller Passion und viel gutem Willen herangehen werden. Für Menschen, für die in dieser Situation, in der ja ein militärischer Einsatz gegen den Feind nicht vorgesehen ist, das nach dem Beamtengesetz vorgeschriebene Gehorsamsverhältnis dem Staate gegenüber nicht ausreicht, wäre in den Reihen der Freiwilligen meiner Ansicht nach kein Platz.
Für die Übergangszeit erscheint also der vorgeschlagene Status des Beamten auf Probe durchaus angemessen. Mit ihm ergibt sich ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, das meines Erachtens den Soldaten den erforderlichen Schutz in vollem Umfang bietet. Entlassungsgründe sind doch nur einmal schwerwiegende Dienstvergehen, die durch einen Verwaltungsakt mit Entlassung geahndet werden — wobei unter Umständen sogar eine Klärung durch ein Verwaltungsgericht angestrebt werden kann —, weiter mangelnde Bewährung, nicht ausreichende Eignung usw., kurz Tatsachen, derentwegen die Probezeit gerade eingeführt werden soll, und schließlich Dienstunfähigkeit, die sich entweder erst während der Probezeit herausstellt oder in ihrem Verlauf eintritt. Bei einer durch Dienstunfall eingetretenen Dienstunfähigkeit besteht im übrigen Anspruch auf Versetzung in den Ruhestand nach § 46 des Bundesbeamtengesetzes mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen in bezug auf Ruhegehalt, Hinterbliebenenversorgung, Unfallfürsorge usw. Bei allen anderen Ursachen einer eintretenden Dienstunfähigkeit bleiben selbstverständlich alle Rechte aus dem § 31 des Bundesbeamtengesetzes erhalten.
Um alle trotz meiner oben gemachten Ausführungen vielleicht noch bestehenden Zweifel hinsichtlich der Rechtsstellung der auf Grund dieses Gesetzes einzuberufenden Freiwilligen zu beseitigen, darf ich noch einmal zusammenfassen: Die Freiwilligen werden zunächst in eine Rechtsstellung berufen, die der eines Beamten auf Probe entspricht. Die Entscheidung über die Übernahme in die Rechtsstellung eines Beamten auf Lebenszeit fällt nach Ablauf der auf vier Monate befristeten Probezeit. Das in den Ausschußberatungen zu erreichen, ist jedenfalls die Absicht meiner politischen Freunde, wenn dieses Gesetz. wie ich wohl mit Sicherheit annehmen darf, diese heutige Feuerprobe besteht.
Verzeihen Sie, wenn ich die, oben angeschnittenen Punkte in so ausführlicher Form behandelt habe. Ich glaube aber, daß es erforderlich war, hier einmal klar auszusprechen. welche Rechte der Freiwillige mit Eintritt in die Wehrmacht auf Grund dieses Freiwilligengesetzes erwirbt. Damit aber auch genug von den Rechten.
Jetzt einiges zu den Pflichten. Im Gesetz heißt es, daß der Soldat die Pflicht hat. treu zu dienen, Vaterland und Freiheit unter Einsatz seiner Person tapfer zu verteidigen. Als ich das Gesetz zum ersten Mal las. war mir nicht recht klar, warum man diesen doch nicht in Kompanien usw. zusammengefaßten Soldaten diese Verpflichtung hier besonders auferlegen will. Das ist doch eigentlich eine Verpflichtung. die jedem Staatsbürger obliegt, der Vaterland und Freiheit liebt. Nach Lesen des Soldatengesetzes gehe ich wohl nicht fehl in der Annahme, daß hier der § 6 einfach vorgezogen wurde, um schon in diesem Gesetz unmißverständlich klar zum Ausdruck zu bringen. daß hier nicht Beamte auf Probe, sondern wirkliche leibhaftige Soldaten angesprochen werden und gemeint sind. Wenn diese meine Annahme stimmt. bin ich persönlich der Meinung, daß gegen die oben angeführte Formulierung schon im Freiwilligengesetz keine Einwände erhoben werden sollten. Es ist gut, völlig klar zum Ausdruck zu bringen, was gemeint ist.
Dasselbe gilt für den Diensteid der Soldaten, dessen Wortlaut ich als bekannt voraussetze. Es wird noch eingehender Beratungen in den zuständigen Ausschüssen bedürfen, um in dieser Frage zu einer einhelligen Meinung zu kommen. Es ist daher wohl verfrüht, schon hier einer endgültigen Meinung Ausdruck zu geben. Ich persönlich kann mir einen Soldaten — ich meine einen Berufssoldaten — nicht vorstellen, der nicht durch einen feierlichen Eid gebunden wäre. Ich sehe in dieser Eidesformel die erforderliche Bindung an das Grundgesetz unserer demokratischen Ordnung. Ich glaube ferner, daß die Aufnahme dieser Eidesformel in das Freiwilligengesetz nicht ein unnötiger und übereilter Vorgriff auf das Soldatengesetz bedeutet, sondern eine absolute Notwendigkeit ist. Diese meine persönliche Ansicht möchte ich wie folgt untermauern. Die rasche Verabschiedung des Freiwilligengesetzes ist doch recht wesentlich mitbedingt durch die Erwägung, daß eine möglichst baldige Abordnung von Offizieren in die NATO-Stäbe im allgemeinen militärischen Interesse dringend erforderlich ist. Nach europäischen Begriffen ist jedoch der Soldateneid mit der in ihm liegenden höheren Verpflichtung das besondere Merkmal des Soldaten. Die deutschen Angehörigen der NATO-Stäbe können daher nicht im Status eines Halbzivilisten in Erscheinung treten. Soviel zu dieser Frage.
Ich komme nun zur Frage der Besoldung und Einstufung der Freiwilligen nach Dienstalter auf Grund der besonderen militärischen Notwendigkeiten. Soweit mir bekannt ist, sind die zwischen den einzelnen Ministerien bisher gepflogenen Verhandlungen auf diesem Gebiet durchaus befriedigend verlaufen. Wir werden uns in dieser Frage bei der Beratung des Gesetzes wahrscheinlich noch sehr ins einzelne gehend den einzelnen Laufbahnen und altersmäßigen Abgrenzungen der Dienstränge zu beschäftigen haben. An dieser Stelle sei lediglich erwähnt, daß die eintretenden Freiwilligen mit der ihnen zugesagten Besoldung meines Erachtens vornehmlich im Vergleich mit der Beamtenbesoldung und den in der freien Wirtschaft gezahlten Bezügen im ganzen gesehen, zufrieden sein können.
— Noch etwa sieben Minuten, wenn Sie so freundlich sind, zuzuhören.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, gerecht zu sein. Es ist ja nicht der einzige, der hier vorliest.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich lese Ihnen wohl zu schnell? Ich werde etwas langsamer lesen; aber Sie kommen dann später zum Essen.
Ich möchte mich also hier nicht auf Einzelheiten einlassen. Erwähnt sei lediglich die Forderung des Bundesrats, für diese beabsichtigte Übergangsregelung zustimmungsberechtigt zu sein. Angesichts der wenigen Tausende von durch das Freiwilligengesetz Betroffenen und des zeitlich begrenzten Verwendungszwecks der Freiwilligen erscheint mir diese Forderung, die aus der Mitwirkung der Länderregierungen bei der Ausführung der Gesetze abgeleitet wird, nicht stichhaltig. Man kann für wenige tausend Menschen nicht eine von oben nach unten durchorganisierte Verwaltung aufbauen. Ich meine vielmehr, daß die hier vom Bundesrat angeschnittene Frage zweckmäßigerweise erst bei der Beratung der eigentlichen Wehrgesetzgebung, insbesondere bei dem Soldatengesetz und dem Wehrpflichtgesetz, behandelt werden sollte.
Abschließend darf ich zu der Frage der Besoldung zusammenfassend folgendes sagen. Da Laufbahn und Aufstiegsmöglichkeiten des Berufssoldaten sich weitgehend von denen eines Beamten unterscheiden, kann der im Gesetz angestrebte und für eine kurze Übergangszeit tragbare Status der Beamtenbesoldung nicht als Endlösung betrachtet werden.
Ich bitte zu bedenken, daß bei einer starren Anpassung der Soldatenbesoldung an die Beamtenbesoldung die Gefahr besteht, daß gerade die befähigten und für den Aufbau erwünschten Kräfte, die sich nach dem Zusammenbruch von 1945 gute und gesicherte wirtschaftliche Positionen im zivilen Leben erarbeitet haben, abgestoßen werden. Ich möchte daher die Anregung geben, daß die Bundesregierung möglichst bald ihre Absicht zu erkennen gibt, die Besonderheiten der soldatischen Laufbahn auch schon in diesem provisorischen Freiwilligengesetz zu berücksichtigen.
Noch einmal darf ich betonen, daß es nicht Sinn dieser ersten Lesung sein kann, ins einzelne gehende Vorschläge zu unterbreiten. Dargetan werden sollte lediglich die allgemeine Auffassung meiner politischen Freunde zu diesem Punkt.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt scheint mir zu sein, daß die Sicherung der bisher erworbenen Lebensstellung der sich meldenden Freiwilligen, sei es im öffentlichen oder privaten Dienst, während der Probezeit sowie nach einer etwaigen Ablehnung am Ende dieser Zeit im Freiwilligengesetz nicht angeschnitten ist. Ich weiß, daß diese Fragen in dem hier nicht zur Debatte stehenden Eignungsübungsgesetz behandelt sind. Ich darf aber darauf hinweisen, daß das Freiwilligengesetz ohne gleichzeitige Verabschiedung des Eignungsübungsgesetzes wahrscheinlich den Zustrom der von uns erwarteten hochqualifizierten Freiwilligen nicht in genügendem Umfang bringen wird. Dies trifft besonders für Personen zu, die aus der Privatwirtschaft kommen. Auch für den begeistertsten Soldaten ist das zu übernehmende Risiko dann zu groß.
Für Freiwillige, die aus einer öffentlich-rechtlichen Dienststelle kommen, gilt nach § 29 des Bundesbeamtengesetzes der Satz, daß ein Beamter kraft Gesetzes entlassen ist, wenn er in den Dienst eines anderen öffentlichen Dienstherrn tritt. Da dies auch für Beamte auf Probe gilt, sollte erwogen werden, hier dahingehend Vorsorge zu treffen, daß „Beamte auf Probe", die auf Grund dieses Freiwilligengesetzes eine Eignungsübung machen, in ihre alte Dienststellung ohne Schmälerung ihrer Rechte zurückkehren können, wenn sie den militärischen Anforderungen nicht genügen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin gleich am Ende. Ich habe versucht, vom Standpunkt des zukünftigen Freiwilligen aus das vorliegende Gesetz einer kritischen Beurteilung zu unterziehen. Ich hielt es für zweckmäßig, gerade in dieser ersten Lesung dem Hohen Hause diese sehr nüchternen und realistischen Gedanken vorzutragen. Was nütz es, wenn wir uns im hohen Gedankenfluge über die allgemeinen politischen Auswirkungen dieses
ersten Schrittes zur Verwirklichung der Pariser Verträge zu weit von denen entfernen, die von diesen Schritt erfaßt werden sollen: von den ersten deutschen Soldaten seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945? Sicherlich sind noch eine ganze Reihe von Fragen nicht gelöst. Die Ausschußberatungen werden hier vermutlich in Kürze Klarheit bringen.
Erlauben Sie mir zum Schluß die Feststellung, daß auch die größte Klarheit und Exaktheit in der Abfassung dieses und der zukünftigen militärischen Gesetze mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zum gewünschten Erfolg führen, wenn der die neuen Streitkräfte beseelende Geist nicht in völliger Übereinstimmung mit dem steht, was alle Angehörigen dieses Hohen Hauses unter Demokratie und politischer Führung aller Lebensregungen des deutschen Volkes einschließlich der neuen Wehrmacht verstehen. Es ist viel die Rede gewesen von Kontrolle, von Vorbeugungsmitteln und -maßnahmen gegen die Wiederkehr des militärischen Übergewichts in unserem Staatsleben. Bei voller Berücksichtigung dieser Gefühle und Gedanken darf ich Ihnen jedoch zurufen: Hüten wir uns davor, vor lauter Gedanken an Kontrolle und Ausdruck unseres Mißtrauens in das was kommen kann, das Vertrauen in uns selbst als oberste gesetzgebende Körperschaft unserer Bundesrepublik zu verlieren sowie das Vertrauen zu jenen Männern, die demnächst die oberen militärischen Führungsstellen besetzen sollen. Sorgen wir dafür, daß durch Vorschalten des so oft erwähnten Personalgutachterausschusses nur diejenigen Kräfte oben und unten in die neue Wehrmacht Eingang finden, die wir alle haben wollen. Die Aufgabe, vor der wir stehen, ist einmalig; die Verantwortung, die wir auf uns nehmen, ist ungeheuer schwer. Wir hoffen, daß wir sie tragen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erinnere daran, daß um 13 Uhr die Sitzung des Ältestenrates stattfindet.
Verabredungsgemäß unterbreche ich die Sitzung bis 14 Uhr; nicht bis 15 Uhr, nur bis 14 Uhr!
Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man der Debatte heute vormittag folgte, so konnte man sich mit Ausnahme der Rede des Herrn Kollegen Berendsen fragen, wer eigentlich hinter diesem Gesetz steht. Ich weiß nicht, ob die Abwesenheit der gesamten Bundesregierung mit Ausnahme des Herrn Verteidigungsministers bedeutet, daß auch sie nicht mehr zu dem Gesetz steht.
Es sieht beinahe so aus.
Für uns Sozialdemokraten habe ich zu dieser Vorlage zu sagen: „Nicht jetzt!" und „Nicht so!".
Nicht jetzt! Damit ist gesagt: diese Vorlage kommt außenpolitisch zur Unzeit. Die Pariser Verträge sind völkerrechtlich verbindlich; aber sie zwingen
uns in keiner Weise, blindlings eine solche Gesetzgebung zu überstürzen. Darüber hat mein Freund Erich Ollenhauer heute morgen das Notwendige gesagt.
Nicht so! Das heißt, die Art dieser Vorlage ist ungeeignet zur Beratung.
Nicht so! Das bedeutet jedoch weit darüber hinaus, daß wir hier innerpolitisch und staatspolitisch vor einer außerordentlichen Entscheidung stehen. Oft schon ist von der öffentlichen Meinung beklagt worden, wie der außenpolitische Streit unseren Blick von den innenpolitischen Aufgaben und Gefahren abgelenkt hat. Ich will deshalb hier in meinen Ausführungen jetzt ausschließlich davon sprechen, welche staatspolitischen Probleme, welche Grundfragen unserer Demokratie durch eine Bewaffnung aufgeworfen werden.
Uns bewegt die Sorge, daß durch die Art dieser Gesetzesvorlage und durch die Art der weiteren Gesetzentwürfe die geschichtliche Stunde versäumt wird, in der es gilt, ein solches Gesetz überhaupt erst beratungsfähig zu machen. Die gleiche Beunruhigung hat offenbar auch den Bundesrat ergriffen Der Bundesrat hat in seiner einhellig beschlossenen Stellungnahme erklärt:
Dieser Gesetzentwurf . . .
— ich darf es wörtlich zitieren —
versucht die Regelung eines Teilproblems ohne Klarheit über die Wehrverfassung als Ganzes.
Diese Klarheit hat auch die gestern von dem Herrn Verteidigungsminister hier iabgegebene Regierungserklärung nicht gebracht, oder man muß sagen: diese Regierungserklärung war eine klare Absage, durch die alles abgelehnt und verneint worden ist, was den Namen einer Wehrverfassung verdienen würde.
In der 17. Sitzung des Bundestages am 26. Februar 1954 hat mein Freund Fritz Er 1 er im Namen der sozialdemokratischen Fraktion unsere Vorstellungen zu einer Wehrverfassung entwickelt. Erler hat hierbei zwei gesetzgeberische Vorhaben eindeutig unterschieden. Das eine ist die Verwirklichung einer bewaffneten Macht, die von der Mehrheit dieses Bundestages auf ihre Verantwortung hin beschlossen ist. Das andere ist die uns dadurch n e u gestellte Aufgabe: wie sichern wir unsere Demokratie vor den Gefahren, die notwendig für die Freiheit daraus erwachsen, und wie schützen wir die Menschen, denen ein Wehrdienst auferlegt werden soll?
Auch dieses von uns frühzeitig vorgetragene Anliegen hat der Bundesrat sich zu eigen gemacht. In seiner einmütigen Stellungnahme zu diesem Gesetz hat der Bundesrat gesagt:
Die Aufstellung 'deutscher Truppen — lautet sein Beschluß —
muß so erfolgen, daß sie in die rechtsstaatliche, demokratische und bundesstaatliche Grundordnung der Bundesrepublik eingefügt werden.
„Einfügen in die Grundordnung" kann doch wohl nur heißen: im Grundgesetz sind Einrichtungen zu schaffen, die gewährleisten, daß die bewaffnete Macht kein Fremdkörper im Staate wird, der die Freiheit gefährdet.
Demokratie und Militär sind bei allen Völkern und zu allen Zeiten schwer miteinander vereinbare Gegensätze gewesen. Demokratie ist ihrem Wesen nach Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Das Gesetz des Militärs aber ist der Gehorsam in einem Verband, der durch Befehl regiert wird. Demokratie ist Aufteilung der Macht und Gleichgewicht durch gegenseitige Kontrolle. Militär ist Zusammenballung der Macht und Unterordnung.
Das ist kein Werturteil nach der einen oder anderen Seite; das sind harte Wirklichkeiten, die gemeistert werden wollen. Ein noch so guter Wille allein genügt dazu nicht, auch keine beiderseitigen Ehrenerklärungen. Die Ehrenerklärung, die gestern der Herr Bundesminister für Verteidigung hier für die Soldaten abgab, entspricht unseren Überzeugungen. Aber hätte sie nicht auch zur Besinnung zwingen müssen, welche Ursachen es denn hatte, daß deutsche Soldaten und mit ihnen unser gesamtes Volk in eine so tragische Lage geraten konnten?
Denn beide Seiten, Demokratie und Militär, haben ein Anrecht darauf, vor der Wiederkehr solcher Tragik bewahrt zu bleiben. Wir tun beiden damit einen besseren, einen notwendigen Dienst, erst und vorher die Fehlerquellen, die Schwächen und Anfälligkeiten zu untersuchen und die daraus drohenden Konflikte zu vermeiden, damit es nicht erst nachträglich einer Ehrenerklärung bedarf.
Unter diesem Gesichtspunkt war die Regierungserklärung nichtssagend und unbefriedigend.
Am Ende konnte man sich nur fragen: War das alles? Denn dann war es ja nichts! Hätten wir nicht erwarten dürfen, daß die Bundesregierung sich zu den Gedanken äußerte, die von uns Sozialdemokraten bereits im Februar 1954 hier dargelegt worden sind?
Im Anschluß an jene Bundestagsdebatte habe ich den sozialdemokratischen Standpunkt in der 9. Sitzung des Bundestagsausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht am 16. März 1954 nochmals unterstrichen. Damals hat mir der Herr Kollege von Merkatz darin zugestimmt, daß man — wie er sich kriegerisch ausdrückte - keine „Panzerwagentaktik" machen solle. Nun, die Art, wie dieses Gesetz hier zusammengehauen worden ist und wie man es rücksichtslos durchzustoßen versucht, — ich glaube, die ist das Sturste, was es je gab.
Aber mehr und ernster noch: diese Art widerlegt alle wortreichen Aufforderungen, die man dann und wann an uns zur Mitarbeit zu richten pflegt. Sie mögen es damit halten, wie Sie wollen, — uns wird nichts hindern, 'hier den Auftrag zu erfüllen, den uns 8 Millionen Wähler erteilt haben. Unsere Pflicht ist es daher, aufzuzeigen, daß die Regierungserklärung keineswegs die Mängel behoben hat, die auch der Bundesrat gerügt hat.
Wenn sich Westdeutschland bewaffnen soll, so befindet es sich nicht nur außenpolitisch durch die Spaltung, sondern auch verfassungspolitisch in einer Lage, für die es in der Geschichte der kontinentaleuropäischen Verfassungsstaaten kein Vorbild und keinen Vergleich gibt. In den freien Ländern Westeuropas ist überall das Bestehen einer bewaffneten Macht den gegenwärtigen Staatsverfassungen vorausgegangen. Einzig in Deutschland haben wir eine
Verfassungsurkunde, die, abgesehen von einigen späteren Einsprengseln aus dem Frühjahr 1954, die Frage eigener Streitkräfte nicht kennt, weil es in dem Zeitpunkt, als das Bonner Grundgesetz geschaffen wurde, keine deutsche Bewaffnung gab. Somit entsteht für uns ganz neu die Frage, ob die bisherige Grundordnung ausreicht und ob die Verfassungsorgane schon hinreichende Befugnisse besitzen. Hierzu hat der Herr Verteidigungsminister gesagt — ich darf das wörtlich zitieren —:
Die parlamentarische Kontrolle soll stärker durchgeführt werden, als das früher in Deutschband der Fall war.
Nach diesen vielversprechenden Worten durfte man gespannt erwarten, wodurch diese Zielsetzung bewerkstelligt werden sollte.
Weil die Streitkräfte ein Teil der Exekutive sind, hieß es dann später in der Regierungserklärung,
unterstehen sie der dem Parlament verantwortlichen Bundesregierung und damit der Kontrolle des Parlaments.
Ich darf Sie bitten, sich der Rechtslage unter der Weimarer Reichsverfassung zu erinnern. Damals gab es eine echte parlamentarische Verantwortlichkeit des Reichswehrministers, der vom Vertrauen des Reichstages abhängig war. Was es allerdings damals noch nicht gab, waren parlamentarisch unkontrollierte Geheimfonds, wie sie jetzt üblich geworden sind.
Die rechtliche Stellung des Reichstages war also dem Reichswehrminister gegenüber erheblich stärker als jetzt die Rechtsstellung des Bundestages gegenüber dem Bundesverteidigungsminister. Trotzdem entwickelte sich die Reichswehr zu einem Staat im Staate. Ich will aber gar nicht die Schuldfrage untersuchen; hier kommt es nur auf die geschichtlichen Tatsachen an. Obwohl also die Weimarer Reichsverfassung dem Reichstag mehr Rechte gegenüber der Reichswehr einräumte, als das Bonner Grundgesetz sie dem Bundestag gewährt, konnte jene Fehlentwicklung der Reichswehr nicht verhindert werden. Diese Fehlentwicklung war gewiß nicht die einzige Ursache für den Untergang der Weimarer Republik, aber war eine der Ursachen, die zu der staatspolitischen Katastrophe der Jahre 1932/1933 führten und die Rechtlosigkeit der folgenden Jahre sowie das immer noch unermeßliche Unheil der Hitlerverbrechen heraufbeschworen.
Daher kann man sich für die parlamentarische Kontrolle bewaffneter Streitkräfte nicht lediglich darauf berufen, daß der Bundestag dem Bundeskanzler gegenüber das sogenannte konstruktive Mißtrauensvotum besitzt. Weder der erste noch der zweite Bundestag ist bisher in der Lage gewesen, auch nur die Bürokratie zu kontrollieren.
Woher nimmt man da die Kühnheit, daß ein mit einer Wehrmacht überhaupt nicht rechnendes Grundgesetz das notwendige Mindestmaß an rechtlichen und wohlgemerkt wirksamen Handhaben biete, um eine solche parlamentarische Kontrolle in die Tat umzusetzen? .
Der Herr Verteidigungsminister hat ferner gesagt:
Wir wollen Streitkräfte in der Demokratie, die sich dem Vorrang der Politik fügen.
Und:
Die zivile Leitung muß den Vorrang der Politik sichern.
Hier ist ein richtiger Gedanke zumindest etwas unklar ausgedrückt. Es geht doch nicht um einen Vorrang der Politik — denn, um einen Namen zu nennen: der General von Schleicher der Weimarer Zeit hat ja mit Vorrang Politik getrieben —,
sondern es geht darum, daß die bewaffnete Macht keine Politik treiben darf,
keine andere Politik als die zu den politischen Entscheidungen berufenen Verfassungsorgane, und deshalb darum, sicherzustellen, daß sich die militärische Gewalt der zivilen unterordnet. Auch insoweit haben wir nicht mehr zu hören bekommen als bloß den frommen Wunsch des Herrn Verteidigungsministers, daß es so werden möge und daß er die Hoffnung hegt, die zivile Gewalt werde sich stärker erweisen als die militärische. Aber Wünsche und Hoffnungen sind nicht genug. Worum es geht, ist die Forderung nach verfassungsrechtlichen Institutionen, die in der Hand demokratischer Politiker sowie mit Unterstützung der öffentlichen Meinung und eines demokratisch denkenden Volkes wenigstens die Möglichkeit gewährleisten, daß das Bestehen einer bewaffneten Macht kein Staat im Staate wird und sich nicht wieder zu einer Bedrohung der inneren Freiheit auswächst.
Selbst in gewachsenen Demokratien wie in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Schweden kennen die Staatsverfassungen mit Grund sehr wohl überlegte und mit außerordentlichen Befugnissen ausgestattete rechtliche Einrichtungen, die das Ziel einer Eingliederung der bewaffneten Macht in die demokratische Grundordnung sichern sollen. Ausgerechnet wir in Deutschland sollten trotz aller bitteren Erfahrungen unserer Geschichte solche Vorsorge entbehren können? Hierzu wußte der Herr Verteidigungsminister nur zu sagen: aus rechtlichen Gründen bedürfe es keiner formellen Ergänzung des Grundgesetzes. Diese rechtlichen Gründe sind uns nicht genannt worden. In den Wortprotokollen des Bundestagsausschusses für Rechtswesen und Verf assungsrecht kann man aber nachlesen, daß im 1. Bundestag der Kollege Herr Professor Dr. Wahl als Berichterstatter zum EVG-Vertrag den Standpunkt verfochten hat, nur die supranationale Form der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ermögliche die Bewaffnung durch einfaches Gesetz, dagegen würde das Aufstellen eigener westdeutscher Streitkräfte einer verfassungsrechtlichen Fundierung im Grundgesetz bedürfen.
Ich empfehle dem Herrn Bundesminister für Verteidigung, einmal diese Protokolle nachzulesen und darin zu sehen, was sein Fraktionsfreund als Berichterstatter im 1. Bundestag hierzu gesagt hat. Diese Fundierung kann nicht darin gefunden werden, daß inzwischen dem Bund die Kompetenz für eine Gesetzgebung zur Verteidigung zugesprochen wurde; denn auch die Fraktionen der Regierungskoalition waren sich im Februar 1954, also noch zur Zeit des EVG-Vertrages, darüber einig, daß es sich dabei um ein unvollendetes Stückwerk handele. Nicht die verfassungsrechtliche Lage hat sich
inzwischen geändert, sondern nur die Einigkeit der Koalition mit dem Gesamtdeutschen Block/BHE. Damals hat Herr von Merkatz in der 17. Sitzung des Bundestages am 26. Februar 1954 die bekannte Erklärung abgegeben, die ich doch noch einmal mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten im Wortlaut in Ihr Gedächtnis rufen darf. Herr von Merkatz hat — das gehörte an sich nicht in seine Berichterstattung hinein — damals gesagt:
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich eine die Koalitionsparteien bindende Erklärung zum Protokoll der heutigen Sitzung abgeben. Die Koalitionsparteien, d. h. die Mehrheit auch des Ausschusses, sind sich darüber einig, daß folgende drei Problem k r eise bei der Schaffung einer später auszuarbeitenden Wehrverfassung einer ausdrücklichen Regelung in der Verfassung bedürfen. Die Koalitionsparteien stimmen darin überein, daß die künftige Wehrverfassung eindeutig klarstellen m u ß , daß die Wehrverwaltung eine Bundesverwaltung sein muß, daß ferner die erforderliche Regelung des Oberbefehls gemäß der deutschen Verfassungstradition ausdrücklich im Grundgesetz erfolgen muß und daß außerdem die in der Drucksache 124 unter Ziffer 1 angesprochene Frage der landsmannschaftlichen Gliederung im Rahmen der Wehrverfassung eine verfassungsrechtliche Entscheidung finden muß.
Ich will jedoch auf diese Rechtsfrage nicht weiter eingehen; denn es ist eine unzureichende Begründung, wenn es in der Regierungserklärung heißt, rechtliche Gründe erforderten keine Umgestaltung des Grundgesetzes. Selbst wenn es zuträfe, daß rechtlich eine formelle Verfassungsänderung entbehrlich wäre — was gar nicht diskutabel ist —, so besagt diese juristische Argumentation noch nichts über die politischen Erfordernisse.
Die wirkliche, von dem Herrn Bundesverteidigungsminister überhaupt nicht berührte Frage ist staatspolitischer Art und lautet: Ergeben sich aus dem Aufstellen einer bewaffneten Macht verfassungspolitische Notwendigkeiten?
Meine Damen und Herren, man braucht nur den Entwurf des Soldatengesetzes zur Hand zu nehmen — des Soldatengesetzes, das ja auch in der heute zur Debatte stehenden Regierungserklärung seinen Platz hat und das dem Bundesrat schon eingereicht ist —, um gewahr zu werden, daß aus der Eigenart und dem Wesen des Soldatischen notwendig verfassungspolitische Probleme entstehen. Diese Probleme zwingen zu Lösungen sowohl durch eine Um- und Neugestaltung der Verfassungsorgane als auch durch eine Anpassung an die Grundrechte. Dieser Problematik läßt sich nicht dadurch ausweichen, daß man die bewaffnete Macht als bloße Einrichtung der Verwaltung behandelt und den Soldaten als Verwaltungsangehörigen verkleidet.
Gleich eingangs muß die Begründung zum Soldatengesetz selbst eingestehen, daß sich auf den Soldaten die für Beamte geltenden Rechtsgrundsätze nicht einfach übertragen lassen. Der soldatische Dienst — sagt die Begründung — ist durch das Begriffspaar Befehl und Gehorsam gekennzeichnet. Dieser Gehorsam, der in der Tat einen Kern des Soldatischen ausmacht und ohne den es in der ganzen Welt keine bewaffnete Streitmacht geben kann und geben wird, ist in seiner Substanz, seinem Ge-
halt wesensverschieden von der Weisungsgebundenheit des Beamten. Die Hingabe, die vom .beamten an seinen Dienst erwartet wird und die man mit Recht ein Treueverhältnis nennt, beruht auf seiner Selbstbestimmung und auf eigenem Entschluß, so daß es ihm jederzeit freistehen muß, aus dem Dienst zu scheiden. Gewiß mögen in der Lebenswirklichkeit praktische Gründe, insbesondere sozialer Art, einen solchen Entschluß bis zur tatsächlichen Unmöglichkeit hin erschweren. Aber die Idee des Beamtentums, sein Ethos, sein Bewußtsein bleiben von dieser letzten Rechtsgrundlage her doch ein anderes als das Soldatische, das über die Hingabe hinaus seinen Rechtscharakter und seinen sittlichen Gehalt aus einer gewissen Selbstaufgabe empfängt. Denn es kann durchaus auch eine die menschliche Würde wahrende Tugend sein, das eigene Ich einer Aufgabe aufzuopfern. Daß dieses einer Selbstbestimmung weitgehend Entsagen dem Soldatischen innewohnt, zeigt sich in der Regel, daß der Soldat, auch der sonst grundsätzlich freiwillige Berufssoldat, kein uneingeschränktes Recht auf jederzeitige Entlassung haben soll, wie die Begründung zum Soldatengesetz feststellt. Dieses Entsagen wird noch deutlicher durch das ebenfalls von der Begründung zum Soldatengesetz hervorgehobene Notstandsrecht des Vorgesetzten, der sich Gehorsam selbst mit der Waffe zu erzwingen befugt ist. Dieses Einschmelzen des eigenen Ich in den geschlossenen Verband der bewaffneten Einheit zeigt sich ferner in der grundsätzlich entlastenden Wirkung des dienstlichen Befehls mit der Folge, daß der Soldat insoweit aufhört, als Person selbständig zu sein und für sein Tun und Lassen insoweit eigene Verantwortung zu tragen. Dieser Selbstverzicht geht, wie die Begründung zum Soldatengesetz ausspricht, bis zum Opfer von Leib und Leben, wenn dieses Opfer erforderlich ist, um mit allen leiblichen und geistigen Kräften der soldatischen Aufgabe gerecht zu werden. Durch dieses Soldatische wird also ein Herrschaftsverband zusammengeschweißt, über den zu gebieten ungleich verantwortungsvoller ist und unvergleichlich mehr Macht verleiht als die Weisungsbefugnis über einen Beamtenkörper;
und dies um so gewaltiger, weil jener Verband als einziger ein Monopol einer Bewaffnung besitzt, der innerhalb des Staates heutzutage einfach nichts sonst entgegengesetzt werden kann, eine Bewaffnung, die dazu befähigt, jeden anderen Willen zu brechen und alles, was sich ihr widersetzt, zu vernichten.
Die Begründung zum Soldatengesetz sagt deshalb: „Die Streitkräfte verfügen über die Waffen des Staates. Diese Funktion und die Geschlossenheit ihres Aufbaus verleihen ihnen Macht." Das Soldatengesetz zieht daraus allerdings nur den Schluß, daß die staatsbürgerlichen Rechte der untergebenen Soldaten eingeschränkt werden müßten. Wie aber diese Macht zu einer i m Staat und d e m Volke dienenden Macht beherrscht, beaufsichtigt, eingeordnet und eingefriedet werden soll, davon schweigen erstaunlicherweise die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung. Als ob ihr dieses uralte Verfassungsproblem völlig unbekannt sei, ja als ob in der deutschen Geschichte die Versuchung dieser Macht, ein Staat im Staate zu werden, mehr noch, sich selbst den Staat einzuverleiben, noch niemals Unheil über das Volk heraufbeschworen hätte!
Das ist keine Frage des guten Willens. Die politische Pathologie lehrt uns, welche Eigengesetzlichkeit, welche Eigendynamik jeder Macht und ,dieser militärischen als der stärksten Macht innewohnt, wenn nicht das Menschenmögliche geschieht, diese Kräfte institutionell einzugliedern durch die Einrichtungen, die ihren rechtlichen Ort in der Verfassung haben und der Aufgabe dienen, aus Macht und Verantwortlichkeit das staatserhaltende Gleichgewicht immer neu zu erschaffen.
Keiner von uns wird sich dem trügerischen Wahn hingeben, daß man Normen schmieden könnte, die kein Geschichtssturm zerreißt. Die Rechtsgedanken einer Verfassung Wirklichkeit werden zu lassen, das gesetzliche Wort mit Leben zu erfüllen, dieser geschichtliche Auftrag beginnt erst jenseits der gesetzgeberischen Arbeit und bleibt stets das schwerste Stück eines niemals aufhörenden Weges, der ein Werk auch der Verfassungsmoral ist. Aber schlechterdings 'auf jedweden Versuch zu verzichten, diese verfassungspolitische Frage mit verfassungsgerechten Mitteln, den Mitteln, die man in allen gleichartigen Verfassungen der Welt finden kann, zu lösen, das ist noch nicht ,dagewesen.
Hier soll mit verbundenen Augen ein unwiderruflicher Schritt ins Ungewisse getan werden, und das in einem innerpolitisch ohnehin schlechten Klima und .auf die Gefahr hin, für dieses Klima geradezu einen Wettersturz hervorzurufen. Unser Volk leidet nicht nur unter der Spaltung, die in der Regierungserklärung mit keiner einzigen Silbe erwähnt wurde; uns zerklüftet auch der außenpolitische Streit. Aber dieser außenpolitische Streit erklärt weder noch rechtfertigt er innerpolitische Erscheinungen, die uns ,damit bedrohen, daß wir selbst in Westdeutschland bald kaum mehr wissen, ob wir noch ein einziges Volk oder im äußeren Rahmen desselben Staates zwei verschiedene Völker sind. Wenn man die Landtagswahlen, ja sogar die Gemeindewahlen der letzten Jahre verfolgt, stellt man fest: ihnen allen ist gemeinsam, daß die gegenwärtige Bundesregierung ein auch innerpolitisches Hauptziel daran erblickt, negativ und unter allen Umständen 08/15 gegen die Sozialdemokratie zu Felde zu ziehen.
Ich will Ihnen nur zwei Beispiele dafür nennen, bis zu welchen Auswüchsen das geht, — oder drei Beispiele; wir sind heute morgen um das dritte „'bereichert" worden,
wenn man es eine „Bereicherung" nennen kann. Mein Freund Ollenhauer hat heute morgen schon von dieser Broschüre „Vom künftigen Soldaten" gesprochen und gesagt, daß es doch wohl untunlich war und verfrüht erschien, eine solche Broschüre herauszugeben, ehe das Parlament sich zu den Grundsätzen über das künftige Soldatentum geäußert hat. Aber damit nicht genug! Wenn Sie die ersten Seiten lesen, dann werden Sie finden: das ist reinste Parteipropaganda der Bundesregierung, etwa so nach der Melodie: „Der gute, liebe Bundeskanzler, der hat immer recht, und er macht eine Politik, die in Deutschland ¡die allerbeste ist". Ja, meine Damen und Herren — Herr Bausch, da ist nichts zu lachen! —, das ist Parteipropaganda am Kasernentor!
Wenn sie so anfangen, schon ehe der erste Rekrut eingekleidet ist, dann werden Sie eine Armee parteipolitischer Art der Regierungskoalition bekommen, aber keine, die Angelegenheit des ganzen Volkes ist.
Ich bedaure sehr, daß der Herr Bundeskanzler nicht anwesend ist; aber es stört mich nicht. Ich muß trotzdem in diesem Zusammenhang bei der Behandlung des innerpolitischen Klimas, in das diese Frage hineingestellt wird, auf einiges von dem eingehen, was der Herr Bundeskanzler heute morgen gesagt hat. Ich wollte es eigentlich im Anschluß an eine Äußerung tun, die er unwidersprochen kürzlich in Washington gemacht hat. Aber wir haben heute morgen noch einiges Weitere dazu gehört. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, der Chef der Opposition in Deutschland, unser all e r Kollege Erich Ollenhauer, übersehe „in sehr versöhnlicher Weise", daß es in der sowjetisch besetzten Zone 150 000 Deutsche gebe, die schon bewaffnet seien. Nun, der Sinn oder Untersinn dieser Äußerung war für alle unmißverständlich. Der Herr Kollege Ollenhauer, der Ihrer aller Kollege ist, sollte hier in eine Tuchfühlung mit dem Regime in dier sowjetisch besetzten Zone gebracht werden.
— Erlauben Sie mal, warum spricht denn der Herr Bundeskanzler von einer „sehr versöhnlichen Weise", obgleich Herr Ollenhauer von der Bewaffnung in der sowjetischen Zone weder gesprochen hat noch zu sprechen in diesem Zusammenhang irgendeinen Anlaß besaß? Aber seien Sie ganz beruhigt, es kommt ja mehr! Der Herr Bundeskanzler hat dann weiter gesagt — ich will auch das mit aller Gelassenheit zitieren; Sie brauchen nicht zu erwarten, daß ein Sozialdemokrat sich über diese Äußerungen erzürnt, denn diese Äußerungen sind nicht wert, daß ein Sozialdemokrat sich ihretwegen
erzürnt —,
die Politik der Sozialdemokratischen Partei hätte — wenn sie sie hätte ausführen können — dazu geführt, daß 50 Millionen Deutsche im Westen und 18 Millionen Deutsche im sowjetisch besetzten Gebiet wie Lämmer !in das Schlachthaus geführt worden wären.
Nun, ich habe einen Trost hierbei. Ich weiß, daß es in dieser Frage eine interfraktionelle Auffassung gibt und auch in Ihren Fraktionen, wenn Sie es auch nicht sagen, manch einer, ,ich hoffe, eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen sitzt, die beim Anhören dieser Äußerungen dasselbe fühlten und dachten, was wir Sozialdemokraten empfinden mußten, daß nämlich im günstigsten Fall der Herr Bundeskanzler sich nicht klar war über das, was er hier äußerte, und daß er auch die Auswirkung solcher Äußerungen nicht übersah.
Ich stelle aber diese Äußerungen, die ja nicht das erste Mal gefallen sind, sondern die wir jetzt seit 1949 in jeder Debatte dieser Art erleben, als Fakten hin gegenüber den Worten, mit denen wir dann und wann und gelegentlich zur sogenannten Mitarbeit aufgefordert werden.
Sehen Sie, Mitarbeit gibt es in demokratischen Ländern und Staaten. Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen die Frage aufgeworfen, ob wir etwa über Demokratie verschiedene Meinungen hätten. Nun, ich fürchte, diese Meinungen sind in der Tat verschieden.
Denn was wir uns unter Demokratie vorstellen, entspricht ungefähr dem, was man in England und was man in den Vereinigten Staaten von Amerika darüber denkt. Das heißt nämlich, daß sich eine Mehrheit in staatspolitischen Fragen um die Minderheit bemühen und sie als gleichrangig anerkennen muß.
Wir sehen Beispiele dafür etwa in der Art, wie Sir Winston Churchill, als er Premierminister war, gegen Ende des Krieges seinen möglichen oder präsumtiven Nachfolger Mr. Attlee schon auf eine internationale Konferenz mitnahm. Oder das Beispiel in den Vereinigten Staaten ist in diesem Zusammenhang anzuführen, daß der gewählte Präsident seinen durchgefallenen Gegenkandidaten als seinen Sonderbotschafter auf eine Weltreise
schickte oder daß Präsident Truman gerade seinen parteipolitischen Gegner Mr. Dulles, der inzwischen selbst später Außenminister wurde, mit besonderen diplomatischen Missionen betraute.
In diesem Zusammenhang ist ein Vorfall wichtig, der sich genau mit dem deckt, was wir heute morgen hier erlebt haben. Nach unwidersprochenen Zeitungsberichten — ich darf das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus der „Süddeutschen Zeitung", einem angesehenen Blatt, in ihrer Ausgabe vom 18./19. Juni zitieren; sie bringt es als einen namentlich gezeichneten Bericht ihres in Washington damals anwesenden Korrespondenten Walter Gong — ist der Herr Bundeskanzler bei seinem letzten amerikanischen Aufenthalt gefragt worden: „Werden Sie Herrn Ollenhauer nach Moskau mitnehmen?" Und der Herr Bundeskanzler hat darauf geantwortet:
Na, haben Sie denn nicht gehört, was Renner zu seinen Kommunisten gesagt hat? Er hätte schon immer prophezeit, daß der Adenauer schneller nach Moskau kommt als die deutschen Kommunisten.
Sehen Sie, Herr Kollege — ich unterbreche einmal die Verlesung —, Sie haben sich vorhin so aufgeregt über diese Tuchfühlung mit den Kommunisten. Der Herr Bundeskanzler wird gefragt, ob er den Chef der demokratischen Opposition zu einer außerordentlich wichtigen Auslandsreise mitnehmen will, und die erste Antwort, die ihm auf die Zunge kommt, ist: Er spricht von den deutschen Kommunisten, von denen ja gar nicht die Rede war, und dann fügt er hinzu:
Ja, und Ollenhauer? Man kann nie wissen, aber, wissen Sie, ich müßte dann noch zu sehr aufpassen.
Nun überlegen Sie einmal selbst: Glauben Sie, daß Sir Winston Churchill oder der jetzige britische Premierminister Eden, im Auslande gefragt, ob er Mr. Attlee irgendwohin mitnehmen würde, ant-
worten könnte, er müßte dann auf Mr. Attlee noch zu sehr aufpassen?
Mehr will ich nicht dazu sagen.
Ich glaube, die Auffassungen über Demokratie unterscheiden sich doch ganz erheblich dadurch, daß nach unserer Meinung Demokratie nicht persönliche Verunglimpfung des Andersdenkenden ist.
Meine Damen und Herren, das war notwendig, weil wir uns klar sein müssen über das politische Klima, das innerpolitische Klima, in das man dieses Gesetzgebungswerk hier hineinstellen will.
Zu diesem Klima gehört noch eins, was ich doch nicht unter den Tisch fallen lassen möchte. Ich muß noch einmal zurückkommen auf die Broschüre vom künftigen Soldaten, weil in den Einleitungssätzen der Broschüre etwa sichtbar wird, worum es geht: eine ganz bestimmte Ideologie, fast schon ein Mythos, die Illusion der westdeutschen Sicherheit. Um dieser Illusion willen soll die Opposition gegen die Regierungspolitik — und das ist doch der Unterton immer unter allem —, die demokratische Opposition gegen die Regierungspolitik auch als eine diffamierte Opposition gegen die eigene Sicherheit erscheinen.
Glaubt man denn im Ernst, auf diesem Wege etwas anderes zu bekommen als eine Regierungstruppe statt einer Streitkraft, die vom Vertrauen des ganzen Volkes getragen ist? Es geht also nicht um einen juristischen Streit darüber, ob formell das Grundgesetz einer Neugestaltung bedarf, sondern um eine einmalige Aufgabe der Verfassungsmoral und Verfassungspolitik.
Die Notwendigkeit, jedweder bewaffneten Macht im Grundgesetz das Fundament zu schaffen, hat staatspolitische Ursachen. Hier ist die erste Frage die: Wer beruft die Befehlshaber und wer beaufsichtigt sie? Diese Frage enthält viel mehr als das Ernennungsrecht allein. Auch wäre es eine Verkennung dieser Frage, wollte man sie nur unter dem negativen Gesichtspunkt des Mißtrauens oder sogar des Mißtrauens nur gegen die Militärs sehen. Unser Bestreben wird vielmehr sein, eine bewaffnete Macht vor der Abkapselung und vor dem Mißbrauch zu bewahren. Wenn schon von Mißtrauen oder von Mangel an Vertrauen die Rede ist, so kann man ihm nicht so begegnen, wie die Regierungserklärung es unternommen hat. Letzten Endes will uns die Regierungserklärung glauben machen: es wird schon alles gut gehen, weil die gegenwärtige Bundesregierung sich dafür verbürgt. Oder wenn ich die Worte des Herrn Verteidigungsministers zusammenfassen kann, so lauten sie eigentlich so: Wo ich stehe, ist es immer zivil. Aber es handelt sich doch nicht um eine Augenblicksfrage. Auch müssen sich die Bundesregierung und ihre Mehrheit eins sagen lassen: die gegenwärtig in Westdeutschland herrschenden politischen und gesellschaftlichen Kräfte sind der Opposition allzuviele Beweise schuldig geblieben, so daß wir diese Ermächtigung zum Vertrauen auf Vorschuß keineswegs erteilen können.
Die Frage des Ernennungsrechtes kann deshalb nicht als eine Angelegenheit formaler Art oder der
Repräsentation behandelt werden. Sie hängt unlösbar mit einer gesetzlich gesicherten und dauernden Institution, dem Personalausschuß, zusammen.
Im Soldatengesetz ist vorgesehen, daß der Herr Bundespräsident die Berufssoldaten, die Soldaten auf Zeit und die Reserveoffiziere ernennt. Gewiß wird es rechtspolitisch keinen Zweifel daran geben, daß eine formelle Befugnis dieser Art nur vom Staatsoberhaupt ausgeübt werden kann. Aber damit ist die bedeutendere Frage noch nicht geklärt, welche materiellen Erfordernisse, d. h. welche Mitwirkungen anderer Verfassungsorgane die Ernennung voraussetzt. Keinesfalls kann man eine solche Befugnis des Herrn Bundespräsidenten aus Art. 60 des Grundgesetzes ableiten; denn Soldaten sind keine Beamte.
Die Kompetenzen des Staatshauptes wie die aller Verfassungsorgane sind im Grundgesetz ausdrücklich und ausschließlich geregelt. Daher ist es nicht zulässig, durch einfaches Gesetz dem Herrn Bundespräsidenten weitere Befugnisse oder Aufgaben zu übertragen. Es unterliegt nicht der Entscheidung des Gesetzgebers, ob der Herr Bundespräsident zusätzliche Rechte erhalten soll. Wäre es dem Gesetzgeber erlaubt, durch einfaches Gesetz über das Ernennungsrecht zu verfügen und es dem Herrn Bundespräsidenten von sich aus anzuvertrauen, so ergäbe sich auf dem Wege des Umkehrschlusses, daß der Gesetzgeber auch befähigt wäre, dem Herrn Bundespräsidenten ebenso durch einfaches Gesetz das Ernennungsrecht wieder zu entziehen und es nach eigenem Ermessen auf den Bundeskanzler oder den Verteidigungsminister zu übertragen. Das kann nicht sein.
Wir haben hier eine Kostprobe für die Art, wie die Militärjuristen an eine solche Grundfrage herangehen und wie das Bundesministerium der Justiz sie leider nach Gutdünken mit dem Grundgesetz schalten und walten läßt.
Nun, Oberbefehl ist ein Stichwort für ein ganzes Bündel sehr verschiedenartiger Fragen. Ich möchte hier den Herren Kollegen von Manteuffel und Feller nur erwidern: Mit der Gegenzeichnung ist die parlamentarische Kontrolle nicht gewahrt, so daß sie nicht auf den Gedanken verfallen sollten, den Herrn Bundespräsidenten mit diesem ganzen Bündel sehr verschiedenartiger Befugnisse, die man Oberbefehl nennt, zu beschweren und sich dann damit zu trösten, daß ja die Gegenzeichnung die parlamentarische Kontrolle sicherstelle.
Genau so war es in Weimar, wo es die Gegenzeichnung gab, die sogar für die Fragen militärischer und oberbefehlsmäßiger Art in der Reichsverfassung ausdrücklich vorgeschrieben war. Sie hat nicht verhindern können, daß sich die Reichswehr zu einer Nebenregierung entwickelte.
In dem Augenblick, in dem Sie den Herrn Bundespräsidenten, der seiner ganzen institutionellen Eingliederung in das Grundgesetz nach hier gar nicht in Betracht kommen kann, materiell zum Oberbefehlshaber machen, eröffnen Sie den militärischen Spitzengruppen notwendigerweise den Weg zum direkten Vortrag beim Staatshaupt mit der Folge, daß sich selbst beim besten Willen eine militärische Nebenregierung neben der parlamentarischen entwickeln muß. So kann man die Dinge nicht regeln.
Es ist nicht möglich, dieses Problem mit kurzen Worten erschöpfend zu behandeln; denn in der
Frage nach dem Oberbefehl stecken mehrere: Wer verfügt über die bewaffnete Macht? Wer soll der Kommandeur der Kommandeure und wer und wie sein Kontrolleur sein? Die Frage des Oberbefehls kann im Frieden eine andere sein als im Verteidigungsfall und nach innen eine andere sein als nach außen. Nach außen ist sie mit der Frage verknüpft: Wer bestimmt, ob ein Gefahrenzustand oder gar der Zustand der Verteidigung eingetreten ist? Das sind alles Fragen, bei denen wir darauf dringen müssen, daß das Parlament an der Entscheidung institutionell beteiligt ist. Nach innen ist die Frage mit der Entscheidung darüber verbunden, an welchen Voraussetzungen ein Notstand erkennbar ist, ob für den Fall eines Notstandes besondere Rechte eingeräumt werden sollen — wenn ja, welche — und wer berufen sein kann, den Notstand zu erklären.
Meine Damen und Herren, man ist auf einem fatalen Wege, wenn man die Verfassung instrumental handhaben will, wie es in der Regierungserklärung geschieht, und wenn man meint, die Verfassung erlaube alles, was nicht ausdrücklich verboten sei. Es heißt doch die Einheit des Grundgesetzes als cines in sich geschlosenen und
teilbaren Ganzen verkennen, dem es um eine ausgewogene Ordnung einander ausgleichender, helfender und hemmender Organe, um den friedenschaffenden und freiheiterhaltenden Ausgleich von Gewichten und Gegengewichten geht, wenn man annimmt, eine bewaffnete Macht lasse sich dem Grundgesetz ohne Verbiegen aller Strukturen bloß äußerlich anfügen, angeblich als ein „Teil der Exekutive".
Über den Notstand — und ein Notstand wäre doch der Probefall, ob der Oberbefehl verfassungspolitisch richtig geregelt ist — hat uns die Bundesregierung weiter nichts zu sagen gewußt, als daß er einer verfassungsrechtlichen Regelung bedarf, die irgendwann einmal später kommen soll. Dieses Dunkel ist nicht dazu angetan, unser Vertrauen zu wecken. Wir Sozialdemokraten unsererseits haben im Februar 1954, wie ich immer wieder betone, klare Vorstellungen entwickelt. Ein Verteidigungsminister müßte dem Bundestag politisch und rechtlich dadurch verantwortlich sein, daß er von einem echten Vertrauensvotum abhängig ist. Er müßte für das Ernennungsrecht auf einen ständigen Personalausschuß gesetzlich angewiesen sein. Die Rechte des Parlaments können nur gewahrt werden, wenn man seinen Sicherheitsausschuß, so wie es der Auswärtige Ausschuß in der Weimarer Zeit war, zu einem Verfassungsorgan mit verfassungskräftigen Befugnissen ausstattet und wenn es außerdem nach schwedischem Vorbild Wehrmachtbeauftragte des Parla. ments gibt. Alle diese verfassungspolitischen Notwendigkeiten sind unlösbar ineinander verzahnt. Man kann ihnen nur gerecht werden, wenn man das runde Ganze erwägt und einheitlich behandelt.
Dazu gehört — damit komme ich auf den letzten Teil meiner Ausführungen — auch der Schutz der Grundrechte. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat insoweit gesagt: „Die Beschränkungen, denen sie" — die Soldaten — „bei der Ausübung der allgemeinen staatsbürgerlichen Befugnisse notwendig unterworfen sind ...." Also sind sie Beschränkungen unterworfen. Herr Kollege Jaeger hat heute morgen, als er die Debatte eröffnete, sehr eindeutig gesagt, es gebe keine demokratische Wehrmacht, sondern nur eine in die Demokratie
eingeordnete Wehrmacht. In diesen beiden Äußerungen liegt das Anerkenntnis, daß sich die Grundrechte in ihrer sonst gewährten Vollkommenheit mit dem besonderen Wesen des durch Befehl und Gehorsam bedingten Soldatischen nicht unversehrt und ohne Einbuße vereinbaren lassen. Die Weimarer Nationalversammlung hat dies ernstlich geprüft und bejaht. Deshalb hatte die Weimarer Reichsverfassung eine Sonderregelung getroffen. Das war ein Gebot verfassungsrechtlicher und verfassungsmoralischer Sauberkeit. Aber die Bundesregierung versucht auch hier, das Grundgesetz zu umgehen, und gerät dabei auf die abschüssige Bahn, die Grundrechte dadurch zu entwerten, daß sie ihnen ungeschriebene und angeblich immanente Grenzen unterlegt. Notwendig wäre aber, jedes einzelne Grundrecht sorgfältig zu prüfen, wie es sich zu den unvermeidlichen und auch bejahenswerten Pflichten eines Soldaten verhält. Hierbei wird die grundsätzliche Richtschnur die sein müssen, die Grundrechte im Rahmen des Möglichen möglichst vollständig und jedenfalls in ihrem Kern zu erhalten. Wo aber ein andernfalls unlösbarer Konflikt entstehen würde, ist die offene und ehrliche Regelung in der Verfassungsurkunde selbst das schlichte Gebot des verfassungspolitischen Anstands.
Mein Freund Ollenhauer hat heute morgen in seiner Rede schon darauf hingewiesen, daß wir in diesem Zusammenhang über die Frage der Kriegsdienstverweigerer sprechen müssen. Denn schon in dieser Stunde und in diesem Zusammenhang muß dieses Grundsatzproblem von beträchtlicher Schwierigkeit zur Sprache gebracht werden, das in Art. 4 des Grundgesetzes gewährleistete Grundrecht, den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensnot zu verweigern. Dazu hat der Herr Bundesverteidigungsminister lediglich gesagt, das Grundrecht sei „unverrückbar". Das reicht nicht. Welche innerpolitischen und staatspolitischen Gefahren heraufbeschworen werden, falls man den Versuch fortsetzte, die unteilbare Entscheidung über die Wehrverfassung und die Wehrmoral in vereinzelte, selbständige und zeitlich voneinander losgelöste Gesetze bruchstückweise aufzusplittern, das wird nirgends so deutlich wie in dieser Frage der Kriegsdienstverweigerung.
Hier sind in öffentlichen Äußerungen aus dem parteipolitischen Lager der Regierungsanhänger und aus dem Munde einzelner Regierungsmitglieder, aber auch in amtlichen Verhandlungen der Dienststelle Blank mit Kreisen der Evangelischen Kirche Auffassungen und Absichten lautgeworden, die zu schwersten Besorgnissen Grund bieten. Ich muß deshalb in großen Zügen einen Umriß jener Meinungen geben, um darzutun, warum wir sie für so bedenklich halten und wodurch sie geeignet sind, eine staatspolitische und verfassungsmoralische Gefahr zu werden.
In öffentlichen Vorträgen hat man die eigenartige und ungeheuer folgenreiche Unterscheidung gemacht, daß der Staat die Kriegsdienstverweigerer nicht billige, sondern nur achte und toleriere. Ich sehe nicht, wie und wodurch dieser spitzfindige Unterschied aus dem Grundgesetz gerechtfertigt werden könnte. Dieser Unterschied ist erdacht, um von vornherein den Kriegsdienstverweigerer moralisch an die Wand zu stellen,
J ihn auszusondern und ihm Lasten aufzubürden, die ihn benachteiligen.
Im Gefolge dieser Unterscheidung erscheint alsbald die Unterstellung, daß jeder Kriegsdienstverweigerer die Vermutung der Feigheit, der Drückebergerei und der Unwahrhaftigkeit gegen sich habe. Er seinerseits soll deshalb beweispflichtig werden, daß er überhaupt ein Gewissen besitze und ein anständiger Mensch sei. Er, der Kriegsdienstverweigerer, seinerseits schulde deshalb, wie man gesagt hat, die Probe der Echtheit.
Meine Damen und Herren, das sind alles wörtliche Zitate, die ich hier anführe. Erlauben Sie mir bitte hier die Zwischenbemerkung, daß dadurch nach meiner Ansicht die grundgesetzliche Entscheidung des Art. 4 in ihr Gegenteil verkehrt und daß auch Art. 1, die Würde des Menschen, verletzt wird. Denn es ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar, ihn bis zum Beweise des Gegenteils als bloßen Schweinehund einzuschätzen.
Auch die Gleichheit vor dem Gesetz steht solchen Unterstellungen entgegen. Denn keiner wird auf den Einfall kommen, den Wehrwilligen und Waffenfreudigen anzusinnen, ebenfalls erst mögliche Mißdeutungen ihrer Denkungsweise zu entkräften. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat in seiner Regierungserklärung gesagt, der Soldat als Person dürfe nicht als ein Übel, auch nicht als ein notwendiges Übel im Staate angesehen werden. Da sind wir sicher mit ihm einig. Aber, Herr Minister, wir wünschen, daß auch der Kriegsdienstverweigerer nicht als ein Übel-im Staate angesehen wird.
Nebenbei gesagt, kommen hierbei Auffassungen zutage, die nach unser aller Erfahrungen aus der Schlußzeit des letzten Weltkrieges und erst recht angesichts der Atomwaffen längst sinnlos geworden sind. Denn unser Zeitalter hat jede Trennung zwischen Front und Heimat in einem Verteidigungsfall aufgehoben.
Ja, es wird im Kriegsfalle, wenn überhaupt noch irgendwo, vielleicht am ehesten im Verband der bewaffneten Streitkräfte Schutz geben.
Aber diese Bestrebungen, den Kriegsdienstverweigerer auszusondern, sind erst ein Anfang. Man hat bereits von diesem Ansatz aus ein ganzes System zur Einkreisung der Kriegsdienstverweigerer entwickelt, dem die weitere Unterscheidung zugrunde liegt, politische Überzeugungen von den Gewissensentscheidungen zu trennen. Aus dem Wesen der parlamentarischen Demokratie — so behauptet man — ergebe sich, daß die politischen Entscheidungen stellvertretend von den allein dazu berufenen Verfassungsorganen getroffen werden; diesen politischen Entscheidungen werde Gehorsam geschuldet, so daß sie nicht von jedem einzelnen um seines Gewissens willen in Frage gestellt werden dürften.
Infolgedessen plant man im Bundesverteidigungsministerium, als Kriegsdienstverweigerer allein diejenigen anzuerkennen, die sich unabhängig von ieder politischen Lage allgemein und unter allen Umständen zur Gewaltlosigkeit bekennen. Wer dagegen aus seiner politischen Überzeugung heraus aktuell und im Einzelfall eine Gewissensnot wegen
eines Waffendienstes gerade unter diesen besonderen Verhältnissen oder gerade angesichts eines bestimmten Krieges geltend mache, der wird schon im voraus abgewertet, weil es ihm angeblich gar nicht um sein Gewissen gehe, sondern er sich bloß aus politischen Gründen so verhalten wolle.
Auf diese ideologischen Planungen, denen wir allenthalben begegnen, ist zu erwidern, daß sie obrigkeitsstaatlich gedacht, daß sie von der Wurzel her undemokratisch ersonnen sind und die freiheitliche Verfassungsordnung gefährden. Denn es gibt keine Stellvertretung im Gewissen.
Das Gewissen ist das eigenste, das innerste, das unnachprüfbare Geheimnis eines jeden Menschen, der unmittelbare und unbeschreibbare Anruf, durch den ein jeder Mensch für sich mutterseelenallein sich vor das Sittengesetz oder vor Gott gefordert weiß. Es entzieht sich der gesetzlichen Bestimmung, der gerichtlichen Feststellung, der staatlichen Bevormundung, ob einem Menschen das Gewissen schlägt und warum. Die Frage des Kriegsdienstes ist zu allen Zeiten eine Gewissensfrage gewesen, weil ein jeder in der eigenen Brust darum ringen und es selbst verantworten muß und nur allein verantworten kann, ob er sich irrt, wenn er Familie, Freunde, Volk und Heimat ohne schützende Hand läßt, oder ob er gerade dadurch schuldig wird, daß er die Hand zum Töten eines Nächsten erhebt.
Der Art. 4 des Grundgesetzes schützt auch das irrende Gewissen; denn es gibt keine Instanz unter uns, die sich erlauben dürfte, zu entscheiden, welches Gewissen nicht irrt und welches irrt.
An der Schwelle des Atomzeitalters, das unentrinnbar den Kriegsdienst in eine Vernichtungstechnik verwandeln muß, stellt sich deshalb die jahrhundertealte Fraie nach der Gerechtigkeit eines Krieges in einer bisher noch unbekannten und unausdenkbar fürchterlichen Weise. Diese Frage nach der Gerechtigkeit eines Krieges war zu allen Zeiten die konkrete, die aktuelle, die auch politische Frage: ob ein bestimmter Krieg, ob gerade dieser besondere Krieg nach Grund, Art und Ziel gerechtfertigt sei. Dabei geht es keineswegs nur um die stets auch politische Beurteilung, ob Angriffs- oder Verteidigungskrieg — das entscheidet bekanntlich immer der Kriegsausgang —, sondern ebenso um die Überzeugung davon, ob dieser Krieg vermeidbar ist oder war und ob er nach der Art seiner Mittel, gegenwärtig also der Atomwaffen, verantwortet werden kann.
Gegenüber der Propaganda, daß eine politische Überzeugung keine Gewissensnot auslösen könne, hat jüngst Kirchenpräsident Martin Niemöller aus seiner kirchlichen Sicht in einem Brief an Bundesminister Tillmanns ausgesprochen, jene Behauptung sei absolut anti-lutherisch, antievangelisch, antiprotestantisch, weil Gewissensentscheidungen immer das Verhältnis zum Mitmenschen betreffen und deshalb notwendig irgendwie politisch sind. Diese ideologische Planung, die darauf ausgeht, politische Überzeugung und Gesinnung vom Gewissen zu trennen. entspringt bewußt oder unbewußt selbst einer politischen Ansicht, um deren Aufhellung willen es unerläßlich ist, heute schon von diesen Fra gen zu sprechen. Wenn man es vermeidet, das Wehrproblem als ein unteilbares Ganzes zum einheitlichen Gegenstand unserer gesetzgeberischen Beratungen und Entscheidungen zu machen, und wenn man statt dessen in sozusagen „schräger
Schlachtordnung" einzelne Gesetzesvorlagen bruchstückweise nacheinander zu Verabschiedung bringen will, so könnte damit bewerkstelligt werden, daß zuallerletzt ein Ausführungsgesetz zu Art. 4 des Grundgesetzes den Schluß bildet, ein Ausführungsgesetz, das dieses Grundrecht im Sinne jener ideologischen Planung verstümmelt und aushöhlt.
Es ist oft genug gesagt worden, daß die deutsche Sozialdemokratie keine pazifistische Partei ist. Ich kann im Namen aller meiner Freunde hinzufügen, daß wir ein Unterfangen, das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung zu mißbrauchen oder gar als politischen Sprengstoff zu handhaben, mißbilligen. Darüber ist mit uns nicht zu reden. Denn es wäre ein unverzeihlicher Frevel, die Gewissen zur politischen Waffe zu erniedrigen. Geopfert würden durch eine solche Überdehnung und sinnlose Entstellung eines Grundrechts nur die unter uns, deren Gewissen zu schützen uns aufgegeben ist.
Wir können aber auch nicht die Augen verschließen vor der Einsicht, wie schwierig und heikel diese Frage ist, gerade in unserer geschichtlichen Not eines zwischen West und Ost geteilten Volkes
und gerade angesichts der unseligen Zerklüftung
innerpolitischer Art, die selbst im westdeutschen Teil unseres deutschen Staates fast zwei verschiedene Völker aus uns gemacht hat.
Darum müssen wir hier und heute der Gefahr ins Auge sehen, daß jene ideologische Planung, die auf kaltem Wege das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung auszumanövrieren bestrebt ist, eines bösen Tages dazu zu führen droht, daß Menschen, für die wir uns mitverantwortlich fühlen, ungeachtet ihrer Gewissensnot eingekerkert werden,
weil man sie als bloß politische Deserteure diffamiert. Eine derartige Entwicklung müßte das innerpolitische Klima bis ins Unerträgliche vereisen und in den Fundamenten des gemeinsamen Staates Risse entstehen lassen, die kaum noch überbrückt werden können.
Noch sollte es möglich sein, einem solchen Unheil Einhalt zu gebieten. Eben deshalb bitte ich um Ihrer aller Aufmerksamkeit und Ihrer aller Mitwirkung und um ein gemeinsames Verständnis dafür, daß es unmöglich und unzumutbar ist, ins Ungewisse hinein erste und einzelne Schritte im unteilbaren Bereich des Wehrproblems zu tun, ohne daß die Gesamtheit des Gesetzgebungswerks überschaubar und vor uns ausgebreitet wird und ohne daß wir die Gewißheit gewonnen haben, wie die Bundesregierung und wie die Mehrheit sich eine verfassungstreue und dem Grundrecht aus Art. 4 gerecht werdende Lösung vorstellen.
Dieses Grundrecht ist keine zufällige und absonderliche Ausnahmebestimmung in unserer Verfassungsordnung. In ihm wird das für unsere Demokratie elementare sittliche Prinzip sichtbar, daß dieser Staat auf der Menschenwürde beruht und es ihm ziemt. einen Verzicht auf das Gewissen, ein Gewissensopfer nicht zu fordern.
Daraus folgt zweierlei.
Dieses Grundrecht ist keine Entpflichtung von Volk und Staat. Aber eben darum sind die Kriegsdienstverweigerer auch keine Staatsbürger minderen Rechts. Sie haben insbesondere die gleiche Meinungsfreiheit zur Bewährung ihrer Überzeugung wie jedermann sonst.
Meine Damen und Herren, wir sehen es daher als unsere Aufgabe und Pflicht an, uns in gleicher Weise zu Fürsprechern der Menschen zu machen, die zum Waffendienst bereit sind, und derer, die ihn aus Gewissensnot ablehnen. Über allem aber steht die brennende Frage um die Zukunft unserer freiheitlichen Demokratie. Aus dieser Sorge heraus halten wir das Freiwilligengesetz für ein Unglück und werden wir wieder und immer wieder unseren Auftrag darin erblicken, das unteilbare Ganze unserer freiheitlichen Ordnung als eine einheitliche Frage zur Sprache und zur Geltung zu bringen. Aber wenn Sie es ablehnen sollten, die Unteilbarkeit dieser demokratischen Grundfragen anzuerkennen, dann wird diese Vorlage für uns beratungsunfähig werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Arndt nur in einigen Punkten eine kurze Erwiderung geben, damit seine Worte nicht unwidersprochen stehenbleiben. Der Herr Kollege Arndt hat seine Rede damit eingeleitet, daß er zu dem Problem, das heute hier zur Debatte steht, sagte: Nicht jetzt! Nun, das „Nicht jetzt" wissen wir seit dem 27. Mai, seit dem Antrag, den die sozialdemokratische Fraktion damals hier ,eingebracht hatte. Er hat weiter gesagt: Nicht so; er wolle sich mit diesem „Nicht so" und er wolle sich ausdrücklich mit der staatsrechtlichen Angelegenheit der Frage beschäftigen. Ich habe Ihre Ausführungen, Herr Kollege Arndt, sehr aufmerksam verfolgt, und ich habe mir vor allen Dingen eine Stelle angemerkt, bei der Sie gesagt haben, es gehe hier nicht um die juristische Frage der formellen Verfassungsergänzung, sondern urn &e Verfassungspolitik und die Verfassungsmoral. Ich stelle also fest, daß Sie zum mindesten den von der Regierung hier .ausgesprochenen Standpunkt, daß es aus rechtlichen Gründen einer Ergänzung des Grundgesetzes nicht bedürfe, offensichtlich teilen.
Die zweite Frage: ob man aus verfassungspolitischen Gründen
eine Änderung der Verfassung vornehmen möchte.
— Genau so, wie Sie mich mißverstanden haben! Darauf komme ich noch zurück, Herr Arndt!
Dazu hat die Regierung ja in ihrer Regierungserklärung die Koalitionsvereinbarung angesprochen.
Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil Sie, Herr Arndt, mit Ihren Ausführungen über die Frage der Kriegsdienstverweigerer hier dartun wollten, daß von der Regierung quast ein Attentat 'auf diejenigen geplant sei, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe in der Hand verwei-
gern. Ich darf doch den Art. 4 Ziffer 3 des Grundgesetzes zitieren. Da heißt es:
Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Das Grundgesetz selber ist doch wohl der Ausdruck dafür, daß das Nähere durch ein Gesetz zusätzlich zu regeln sei. Nun haben Sie meine Regierungserklärung nicht richtig zitiert. Ich bitte Sie, Ihre eigenen Ausführungen noch einmal zur Hand zu nehmen. In der Regierungserklärung ist gesagt — ich zitiere mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten noch einmal —, daß „Wehrdienstausnahmen — insbesondere aus gesundheitlichen, persönlichen und Ausbildungsgründen — gesetzlich klar umrissen werden." Daran schließt sich der Satz: „Das gleiche gilt für :das Recht der Kriegsdienstverweigerung." Das heißt doch wohl, Herr Dr. Arndt: es soll gesetzlich klar umrissen werden, und die Bestimmung des Art. 4 des Grundgesetzes, daß niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe 'gezwungen werden darf, ist dabei die unverrückbare Grundlage. Die Bundesregierung hat sich :also in ihrer Regierungserklärung ganz klar an :die Bestimmungen des Grundgesetzes gehalten.
Nun, bei der Frage, wie man solche Ausnahmebestimmungen in einem Gesetz, und zwar in dem zukünftigen Wehrpflichtgesetz, zu regeln hätte, befinden wir uns, Herr Dr. Arndt, allerdings nicht auf so 'unbekanntem Boden, wie Sie offenbar meinen, sondern es 'gibt in einer ganzen Reihe von Staaten, und zwar von Staaten, die eine alte rund festgefügte Demokratie haben, Bestimmungen über diese Kriegsdienstverweigerung.
Sie dürfen gewiß sein, daß wir uns zur Rechtsvergleichung dieses Material schon besorgt haben, und Sie dürfen gewiß sein, daß 'es fleißig studiert wird und daß das Hohe Haus auch in dieser Frage kein Gesetz beschließen wird, das der Regierung quasi die Möglichkeit eines Attentats auf die Gewissen gibt, sondern daß es ein Gesetz beschließen wird, :das :den Gesetzen in anderen gewachsenen Demokratien der Welt entspricht. Ihre diesbezügliche Besorgnis wollte ich mit diesen meinen Ausführungen beheben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich Sie von den geistigen Höhenpfaden, die der Kollege Dr. Arndt mit der Erörterung verfassungsrechtlicher und, fast möchte man sagen, theologischer Probleme hier beschritten hat, hinabführe in die Niederungen eines vielleicht sehr simplen,
aber doch wohl sehr schwerwiegenden Problems, nämlich der Frage nach den Auswahlprinzipien für unsere künftigen Offiziere, eine Frage, die wohl durch die heutige Diskussion in ein sehr akutes Stadium rückt.
Zuvor aber erlauben Sie mir eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Arndt. Er hat hier auf das Verhältnis zwischen
Regierung und Opposition in England und in den USA hingewiesen, und durch seine Worte klang ein gewisses Bedauern darüber hindurch, daß dieses Verhältnis bei uns nicht so ist wie in diesen Ländern. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich darf hier versichern, daß auch meine Freunde diesen Zustand sehr bedauern. Aber wenn man schon die Schuldfrage erörtert, dann darf man die Gewichte nicht so einseitig verlagern, wie das hier geschehen ist, und vor allen Dingen darf man die Dinge nicht so simplifizieren,
als ob es nun einfach einzig und allein die Schuld des Herrn Bundeskanzlers sei. Man darf auch nicht seinen Worten von heute vormittag einen Sinn unterschieben oder, wie Herr Kollege Arndt sagt, einen Untersinn geben, den, des bin ich gewiß, der Herr Bundeskanzler ihnen weder geben wollte noch gegeben hat.
— Nun, meine Damen und Herren, Ihre Unruhe überrascht mich keineswegs. Aber darf ich Sie in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß die Waage zwei Schalen hat; nicht nur die eine, die der Kollege Arndt in einer etwas einseitigen Weise belastet hat, sondern auch jene andere, die er verständlicherweise freihielt. Ich möchte hier keine Gegenrechnung aufmachen. Es ließe sich sehr vieles sagen, meine Damen und Herren, angefangen von jenem bösen Wort vom „Kanzler der Alliierten" bis hin zu dem Lachen, dem höhnischen Lachen, das in Ihren Reihen aufklang, als vor wenigen Monaten der Herr Bundeskanzler an dieser Stelle in ernsten und bewegten Worten sein Bekenntnis zur Politik der deutschen Wiedervereinigung ablegte.
Aber lassen Sie mich an dieser Stelle dieses Thema verlassen und Ihnen sagen: wenn wir um unserer Demokratie willen das Verhältnis zwischen Regierungskoalition und Opposition verbessern wollen, dann sollten wir es nicht dadurch versuchen, daß wir gegenseitig Rechnungen aufmachen, sondern wir sollten versuchen, verantwortungsbewußt hier und in den Ausschüssen zusammenzuarbeiten. Dazu gibt die jetzt anlaufende Wehrgesetzgebung eine sehr günstige Gelegenheit.
In diesem Sinne möchte ich mit meinen nunmehr folgenden Ausführungen zur Sache einen Beitrag zur Zusammenarbeit in einem versöhnlichen Geiste leisten.
Meine Damen und Herren, die gestrige Regierungserklärung enthält unter anderem die Feststellung, daß der Charakter der neuen Streitkräfte nicht nur durch die Gesetze, sondern ebenso durch die führenden Persönlichkeiten bestimmt werde. Man wird über die Grenzen der Fraktionen hinweg dieser Auffassung der Bundesregierung grundsätzlich nur zustimmen können. Denn die geschichtliche Erfahrung beweist eindeutig, daß der Geist der Gesetze, möge er noch so sehr unsere Zustimmung finden, nicht wirksam werden kann, wenn
die Persönlichkeiten fehlen, die ihm zu dieser Wirksamkeit verhelfen sollen. Daher scheint mir insbesondere im Hinblick auf die Situation unserer jungen Demokratie die Frage nach dem militärischen Führungspersonal wichtiger und entscheidender zu sein als alles übrige.
Man sollte nicht einwenden, es handle sich doch nur um einen zahlenmäßig unbedeutenden Personalkörper, der nicht imstande sei, den künftigen deutschen Streitkräften ihr inneres und äußeres Gepräge zu geben. Mir scheint, daß ein Hinweis auf die in der Regierungserklärung angeführte Zweckbestimmung dieser etwa 6000 Mann genügt, um die Wichtigkeit dieses personalpolitischen Problems hervorzuheben. Denn schließlich handelt es sich bei Offizieren, die den militärischen Bestandteil des Verteidigungsministeriums ausmachen sollen, oder bei jenen, die zu internationalen Stäben und Lehrgängen abkommandiert werden sollen, doch wohl um Leute, die jedenfalls zum Teil wichtige Schlüsselstellungen einnehmen sollen.
Hinzukommt — und die Geschichte beweist es wiederum —, daß einem jeden militärischen Führungsgremium, sei es auch einer zahlenmäßigen Einschränkung unterworfen eine starkc Virulenz inne
wohnt, die ein bestimmtes Klima der Anschauungen und Beurteilungen entwickelt, das sich doch wohl auf die nachfolgenden militärischen Kräfte weitgehend und vielleicht sogar richtungbestimmend auswirken kann. Schließlich wissen wir doch alle, daß bei solchen Gremien immer die Gefahr besteht, daß sie sich in der personalpolitischen Praxis, in der personellen Entwicklung von der Ausgangsposition entfernen und verselbständigen. Alle verantwortungtragenden Stellen in Regierung und Parlament sollten daher das Problem der Personalentwicklung von seinen Anfängen an sehr ernst nehmen, damit nicht wir alle miteinander eines Tages in einer Situation stehen, in der wir dann nur noch mit Mephisto sprechen könnten: „Du glaubst zu schieben und Du wirst geschoben."
Außerdem bleibt zu bedenken, daß namentlich die Offiziere, welche die künftige Bundeswehr oder Wehrmacht oder wie der Name sein wird im Ausland repräsentieren sollen, nach den Erfahrungen der Vergangenheit mit größter Sorgfalt ausgewählt werden sollten. Denn schließlich sind sie es, die die Visitenkarte einer neuen deutschen Truppe draußen abzugeben haben. Das Bild, das die ausländische Öffentlichkeit sich von den neuen deutschen Streitkräften machen wird, wird weitgehend von der Haltung der deutschen Offiziere bei den internationalen Stäben bestimmt werden.
Insbesondere sollte man auch diejenigen sehr kritisch aussuchen, die bei Lehrgängen ihre Qualifizierung als Leiter und Lehrer späterer Ausbildungsstäbe erhalten sollen. Es ist wohl jedem klar, daß diese Männer einen ganz entscheidenden Einfluß auf den Charakter künftiger deutscher Verbände haben werden und daß es zu einem nicht geringen Teil von ihrer politischen Haltung abhängen wird, in welchem Maße es uns gelingt, die neuen Streitkräfte in das Gefüge unserer demokratischen Ordnung einzuordnen, ohne daß ernste Störungen und Gefahren auftreten können. Von diesen Persönlichkeiten, die einmal Lehrer unserer Offiziere sein sollen, wird man ein hohes Maß von Aufgeschlossenheit für unsere soziologischen und sozialen Fragen und eine umfassende Kenntnis jugendpsychologischer und pädagogischer Probleme erwarten müssen. Ich möchte meinen, daß diese
Männer über ihrem militärischen Denken nicht das Gefühl für die Sorgen unserer Frauen und Mütter verlieren sollten.
Hinsichtlich des Personals, das mit der Annahme der Außenhilfe beauftragt werden soll, sollten wir uns im Ausschuß einmal darüber klarwerden, ob und in welchem Maße hier militärisches Personal durch ziviles ersetzt werden kann.
Schließlich bleibt noch etwas zu sagen zu dem geplanten Ausbau des Verteidigungsministeriums. In dem Brief, den der Herr Bundesfinanzminister am 6. des Monats dem Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses geschickt hat, ist die Rede von 574 Personen. Es ist nicht in unser Vermögen gestellt, die Berechtigung dieser Forderung im einzelnen nachzuprüfen oder anzuzweifeln. Jedoch erscheinen mir einige Feststellungen in diesem Zusammenhang wichtig. Mit dem Aufbau des Ministeriums ist unlösbar verbunden das Prinzip der zivilen Kontrolle. Die Vielfältigkeit der Kontrollfunktionen in einer modernen Armee und die Kompliziertheit des Aufbaues eines Verteidigungsapparates lassen eine Prüfung des geplanten organisatorischen Schemas hinsichtlich der Wirkungsmöglichkeit einer zivilen Kontrolle meines Erachtens
unerläßlich erscheinen. Es wird daher notwendig sein, daß wir uns im Ausschuß bei der Erörterung dieses Punktes auch mit der Frage der Organisation des Ministeriums befassen.
Weiter: Der Personalgutachterausschuß soll bekanntlich die Aufgabe haben, hinsichtlich der Auswahl der Offiziere vom Obersten an aufwärts der Bundesregierung Vorschläge zu machen. Da aber das Gros des 6000-Mann-Kontingentes, das hier zur Erörterung steht, zweifellos unter dem Range eines Obersten stehen wird, gehe ich wohl nicht fehl in der Auffassung, daß Auswahl und Annahme dieses Gros Stellen innerhalb des Ministeriums vorbehalten bleibt. Der Personalgutachterausschuß wird daher der Auswahl dieser Auswähler seine ganz besondere Aufmerksamkeit schenken müssen.
Sclließlich: In allen Verteidigungsministerien der Welt bestand und besteht eine gewisse Tendenz der einseitigen Heranziehung der Generalstabsoffiziere. Zweifellos gibt es in einem solchen Ministerium eine Menge von Aufgaben, die eben nur von Generalstabsoffizieren gelöst werden können. Meine Freunde und ich sind aber der Meinung, daß angesichts der schwierigen inneren Probleme, die der Neuaufbau deutscher Verteidigungskräfte mit sich bringt, die Heranziehung von erfahrenen Truppenoffizieren zur Arbeit im Ministerium eine unbedingte Notwendigkeit ist. Man wird mit den psychologischen und geistigen Problemen, die an uns herantreten, einfach nicht fertig werden, wenn man dazu nicht den mitbestimmenden Rat erfahrener militärischer Führer einholt, die aus einem jahrelangen Truppen- und Fronterleben heraus fähig sind, sich in die geistige und seelische Situation des Soldaten einzufühlen.
Gestatten Sie mir nun im Zusammenhang mit der Erörterung des vorliegenden Gesetzentwurfs einige Bemerkungen zu den Prinzipien, an welche meines Erachtens die Auswahl gebunden sein muß. Der Entwurf des Gesetzes beruft sich lediglich auf das Pflichtgefühl des künftigen Soldaten. Zweifellos ist Pflichterfüllung die erste und grundlegende Voraussetzung jeder soldatischen Ordnung. Ich halte aber die Beschränkung, die der Gesetzentwurf sich in diesem Punkt auferlegt, für zu weitgehend und glaube, daß der Appell an das
Pflichtbewußtsein allein als tragende Basis zu schwach ist. Wir dürfen eben nicht die Katastrophen übersehen, durch die unser Volk hindurchgegangen ist, und dürfen insbesondere nicht vergessen, daß so manches schwere Einzelschicksal im vergangenen Jahrzehnt auch weithin belastet war durch die Erschütterung der ethischen Grundlagen. Mir scheint, eine Berufung nur auf das Pflichtbewußtsein kann ausreichend sein in einer belagerten Festung, die kurz vor der Kapitulation steht, aber aus kriegswichtigen Gründen noch gehalten werden muß. Man kann darauf allein aber nicht eine Wehrmacht im Jahre 1955 und den folgenden aufbauen. Wollten wir uns darauf beschränken, meine Damen und Herren, so würde das einen a-priori-Rückzug auf die ultima ratio bedeuten. Ich vermag deshalb auch gar nicht einzusehen, was uns hindern sollte, bereits in diesen Gesetzentwurf jene Bestimmungen des Soldatengesetzes einzuarbeiten, wonach der soldatische Führer die Charaktereignung für sein Amt besitzen und die Gewähr dafür bieten muß, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt.
Ich möchte an dieser Stelle das Problem der charakterlichen und staatspolitischen Voraussetzungen nicht bis ins einzelne verfolgen, weil das wohl noch im Zusammenhang mit der Erörterung des Soldatengesetzes erforderlich sein wird, aber einiges sollte doch schon jetzt gesagt werden.
Wir legen größten Wert darauf, daß bei der nun bald zu treffenden Auswahl nur solche Persönlichkeiten Berücksichtigung finden, die durch ihre charakterliche Haltung in Kriegs- und Nachkriegszeit und durch die Art, wie sie nach 1945 im Lebenskampf ihren Mann gestanden haben, das Vorhandensein bestimmter charakterlicher Qualitäten bewiesen haben. Wir möchten von vornherein alle jene zurückweisen, die eben nicht mehr den Mut und die Willenskraft gefunden haben, sich dem bürgerlichen Leben zu stellen, und die nun wirklich nichts anderes fertiggebracht haben, als nur auf ihre erworbenen Rechte zu pochen.
Ein Wort zu der Broschüre! Ich kann mich der hier geübten Kritik nicht anschließen, weil ich es begrüßenswert finde, daß die deutsche Öffentlichkeit durch diese Broschüre über die Pläne und Absichten der Bundesregierung unterrichtet wird. Ich bin auch der Auffassung — lassen Sie mich das in aller Höflichkeit sagen —, daß es sehr schlecht aussieht, wenn man seitens der Opposition auf der einen Seite der Bundesregierung fortgesetzt Geheimnistuerei und Zwielichtigkeit vorwirft und dann dagegen protestiert, daß sie ihre Pläne nun ins Rampenlicht der Öffentlichkeit stellt.
— Lieber Kollege Hermsdorf, hier handelt es sich doch nicht um geltende Gesetze, sondern hier geht es um die Pläne und Gedanken der Bundesregierung. Wenn Sie mit den in der Broschüre geäußerten Auffassungen nicht einverstanden sind, dann sollten Sie doch zufrieden sein, daß die Bundesregierung sie Ihnen schon so rechtzeitig zur Kenntnis bringt, daß Sie sich auf die Abwehr und Bekämpfung dieser Pläne vorbereiten können.
Erfreulich an der Broschüre scheint mir zu sein, daß das Ideengut darin seinen Niederschlag gefunden hat, das wir im Ausschuß für Sicherheit in gemeinsamer Arbeit mit der Abteilung „Inneres Ge-
füge" des Grafen Baudissin erarbeitet haben und von dem wir auch erwarten — das möchte ich hier betonen —, daß es sich in der Praxis durchsetzt.
Mich persönlich hat gefreut, daß der Einband dieser Broschüre das schwarzrotgoldene Emblem trägt. Ich möchte dabei der Hoffnung und der Überzeugung Ausdruck geben — und weiß mich darin mit der Bundesregierung einig —, daß dieses Bekenntnis nicht auf dem Papier stehenbleibt, sondern — ich möchte es mit aller Leidenschaftlichkeit hier sagen — dieses Bekenntnis zu unseren schwarzrotgoldenen Farben und den durch sie symbolisierten staats- und nationalpolitischen Ideen muß unbedingt das Charakteristikum für die künftigen deutschen Streitkräfte und insbesondere für die geistige und politische Haltung ihrer Offiziere werden.
Ich sage das hier nicht nur, um Staatsfeinde abzuwehren, die von vornherein als solche erkannt werden. Es gibt auch den Begriff der sogenannten Loyalität, und, meine Damen und Herren, mit einer nur loyalen Einstellung zur Demokratie ist uns nicht gedient.
Wir fürchten, wenn wir uns darauf einmal einließen, dann würden sich uns bald wieder jene schwankenden Gestalten nahen, die wir in der Vergangenheit zur Genüge kennengelernt haben.
— Dann ist es eben unsere Aufgabe, aufzupassen, Herr Kollege Eschmann.
— Das müssen wir eben abwarten. Außerdem, Herr Kollege Eschmann, kennen weder Sie noch ich das Gesetz, sondern wir kennen bisher erst den Text des Gesetzentwurfes.
Nun aber folgendes. Ich habe diesen Gedanken hier auch aus einem anderen Grunde angeführt. Es gibt Fälle, denen man eine gewisse Tragik nicht absprechen kann. Es mag nämlich auch heute noch ehemalige Offiziere geben, die aus echter innerer Anteilnahme heraus wieder in ihren alten Beruf zurückkehren möchten, die aber durch Tradition und Erziehung so in ihrer charakterlichen Haltung und politischen Auffassung von ehedem festgehalten werden, daß sie innerlich nicht mehr den Weg zu unserer Demokratie ganz finden können, ohne sich dabei den Vorwurf der Untreue gegen sich selbst zu machen, und die daher unserem demokratischen Staat mit einer gewissen Reserviertheit gegenüberstehen. Ich möchte hier sagen, daß ich vor der persönlichen Ehrenhaftigkeit dieser Männer allen Respekt habe, daß ich sie aber als Offiziere in den neuen deutschen Streitkräften für untragbar halte.
Nun zur Frage des Personalausschusses. Meine Freunde haben den Wunsch, daß dieser Ausschuß
— aus leicht erklärlichen Gründen — zu seinem Vorsitzenden eine Persönlichkeit wählen möge, die nicht der Gruppe ehemaliger Berufssoldaten angehört. Wir nehmen mit Befriedigung die Erklärung der Bundesregierung zur Kenntnis, wonach
sie sich in ihren Entscheidungen durch ein negatives Votum des Personalgutachterausschusses gebunden fühlen wird. Es ist in den letzten Wochen und auch heute in diesem Hause wiederholt die Frage einer gesetzlichen Verankerung des Personalausschusses angesprochen worden. Auch meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß viele Argumente, die ich hier im einzelnen nicht aufzuführen brauche, für die Zweckmäßigkeit einer solchen Regelung sprechen. Über die Form, in der diese Regelung erfolgen soll, müssen wir natürlich im zuständigen Ausschuß beraten. Es ist unser besonderes Anliegen, daß niemand ohne Prüfung durch den Personalgutachterausschuß ins Ausland geschickt oder als Lehrer für künftige Offiziere ausgewählt wird. Wir sind aber auch der Auffassung — und das möchte ich hier sehr nachdrücklich betonen —, daß der Personalgutachterausschuß, wenn er den an ihn zu stellenden Forderungen gerecht werden soll, nun aber auch möglichst schnell konstituiert werden und in allerkürzester Zeit mit seinen Arbeiten anfangen muß. Wir schenken dieser Institution unser Vertrauen und bekennen uns zu dem Gedanken, der diesem Personalgutachterausschuß zugrunde liegt. Das soll jedoch nicht bedeuten, daß wir uns damit unserer eigenen weiteren Verantwortung entziehen und sie eben nur auf ein neu zu gründendes Gremium abwälzen wollen. Wir werden uns unserer Verantwortung gerade bei den personalpolitischen Fragen sehr bewußt bleiben.
Aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer klang ein gewisses und sehr verständliches Mißtrauen gegenüber künftigen Offizieren, ein Mißtrauen, das sich auf die Erfahrungen der Vergangenheit stützte. Der Herr Kollege Ollenhauer sagte, es sei in der Vergangenheit nicht gelungen, die Militärs in d i e Positionen zu verweisen, die sie in einer Demokratie einzunehmen hätten. Niemand von uns wird das bestreiten. Aber der Herr Kollege Ollenhauer versäumte, die Gründe dafür anzugeben. Einer dieser Gründe, das betone ich, mag doch wohl auch darin zu suchen sein, daß die demokratischen Parteien der Weimarer Zeit gegenüber den Fragen der Reichswehr zum Teil eine gewisse Abstinenz und Reserviertheit übten, daß damals eine Fremdheit und eine Voreingenommenheit, um nicht zu sagen, eine Feindseligkeit bestanden, die sich zum Nachteil der Demokratie ausgewirkt haben. Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und deshalb den künftigen Offizieren keineswegs mit einem unberechtigten Mißtrauen begegnen. Im Gegenteil, die gespannte Aufmerksamkeit, mit der wir die personelle und organisatorische Entwicklung von ihren Anfängen an verfolgen, soll eben dazu beitragen, von vornherein jenes ungesunde Mißtrauen gar nicht erst aufkommen zu lassen, das die Atmosphäre der Weimarer Republik weitgehend vergiftet hat.
Zu dieser Aufmerksamkeit fühlen wir uns darüber hinaus auch deshalb verpflichtet, weil wir sie als Ausgangspunkt einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den politischen und den militärischen Stellen auf der Grundlage der Unterordnung des militärischen Elements unter die politische Entscheidung betrachten. Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit aber, meine Damen und
Herren, erscheint uns deshalb so unerläßlich, weil nur sie den Schutz unserer demokratischen Ordnung und damit der Freiheit des Staatsbürgers gewährleistet.
Das Wort hat der Abgeordnete Heye.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wünschte mir für meine Ausführungen die forensische Beredsamkeit der hervorragenden Redner dieses Hauses; leider verfüge ich nicht über sie.
Nachdem die Dinge alle schon so im einzelnen erörtert worden sind und die Hauptarbeit jetzt in den Ausschüssen geleistet werden muß, möchte ich mich auf einige allgemeine Gesichtspunkte beschränken, die ich, ich will mal sagen, aus meiner persönlichen Erfahrung heraus aufzeigen möchte, um zur Beurteilung all dieser Fragen einen Beitrag zu leisten.
Ich glaube, daß ich von den früheren Soldaten hier im Hause der mit der vielseitigsten, vielleicht auch längsten Berufserfahrung bin.
— Auch der mit den längsten Erfahrungen, nicht nur der Dienstälteste! — Ich meine aber auch, daß es für uns Altere eine Aufgabe ist, der jüngeren Generation, die die Führung zu übernehmen hat, in erster Linie mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Ich bin der Ansicht, daß man gerade bei dem Aufbau einer Wehrmacht der Erfahrung eine besondere Rolle zugestehen sollte. Ich glaube, daß sich die Richtigkeit der Konzeption einer Wehrmacht oder die Fehler, die man gemacht hat, erst in einem Krisenfalle oder in einem Kriegsfalle — der, so Gott will, nicht eintritt — beweisen lassen. Bis dahin besteht die Gefahr, daß die gesamte Konzeption, nach der die Wehrmacht aufgebaut wird, ihre Struktur, ihre Organisation, ihre Planung, unter Umständen eine falsche Investition bedeutet. Kein Mensch weiß, wie die Zukunft aussehen wird. Ich glaube aber, daß gerade wir auf Grund unserer — in diesem Falle kann man ja sagen: leider — sehr vielseitigen Erfahrung auch mit den wechselnden politischen Formen, die wir in unserem Leben erfahren haben, in der Lage sind, gerade auf diesem Gebiete einen Beitrag für die Zukunft zu leisten, natürlich einen Beitrag, der allein nicht beweiskräftig ist, der sich aber doch auf die lebendigen Erfahrungen der letzten vierzig Jahre stützt. So möchte ich denn meine Ausführungen heute nur unter diesem Gesichtspunkt machen.
Selbstverständlich maße ich mir nicht alleine ein maßgebendes Urteil über all diese Fragen an. Ich glaube, daß bei der ungeheuren Aufgabe, vor der wir stehen, nämlich eine Verteidigungsorganisation völlig neu aufzubauen, jeder die Pflicht hat, an dieser Aufgabe mitzuarbeiten. Es muß eine selbstverständliche Aufgabe sein, alle Erfahrungsquellen, die überhaupt zur Verfügung stehen, auszunutzen, um der wahrscheinlich richtigen Konzeption Rechnung zu tragen.
Ich darf vielleicht gerade hier ein Bild aus meiner eigenen Vergangenheit bringen: den Aufbau der damaligen kaiserlichen Flotte 1914. Die kaiserliche Flotte war auf der Konzeption aufgebaut,
daß der Engländer im Kriegsfalle mit seiner gesamten Flotte nach Helgoland fahren und dort eine Schlacht mit der deutschen Flotte schlagen würde. Der Engländer tat dies nicht, und infolgedessen wurde die damalige Flottenleitung vor die Frage gestellt, wie sie die ihr gestellte Aufgabe, nämlich die Sicherung der Zufuhr nach Deutschland und die Störung der feindlichen Zufuhr, lösen wolle. Sie konnte es nicht, weil die Flotte, ein Milliardenobjekt, auf Grund einer falschen Konzeption aufgebaut war. Der Engländer begnügte sich damit, die Zufuhren weit draußen zu unterbinden und Deutschland von den Weltmeeren abzuriegeln. Sie überließen es der deutschen Flotte, diesen Riegel aufzubrechen. Da die Flotte damals diese Aufgabe technisch nicht erfüllen konnte, hatten die Engländer auch ohne Schlacht ihre Einfuhr gesichert und die des Gegners unterbrochen.
Ich führe dieses Beispiel nur an, um die Bedeutung klarzumachen, die der richtigen Konzeption für den Aufbau einer Verteidigungsorganisation auf Jahre hinaus zukommt. Eine solche Konzeption bedeutet unter Umständen nicht nur eine Fehlinvestition von Material, sondern sie bedeutet auch, daß man den organisatorischen Aufbau, wenn man erkennt, daß er falsch ist, also in einem Krisenfalle, nicht so schnell ändern kann, wie es dann notwendig wäre.
Lassen Sie mich deshalb von diesem allgemeinen Gesichtspunkt aus nur einige Punkte, ich möchte sagen: beinahe schematisch aufzählen, die vielleicht ein Beitrag zur richtigen Beurteilung der Aufgabe sind, die vor uns steht. Ich mache noch einmal die Einschränkung, daß ich nicht behaupte, das Rezept allein zu besitzen. Ich bin vielmehr der Auffassung,
31 daß nur durch die Zusammenarbeit aller Stellen, zu denen ich vor allem auch das Parlament rechne. die richtige Konzeption, die ja zum großen Teil eine politische Konzeption ist, gefunden werden kann. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe. diese richtige Konzeption, jedenfalls die wahrscheinlich richtige Konzeption, zu finden.
Meine Damen und Herren, der Beginn der deutschen Wiederbewaffnung fällt nach meiner Überzeugung mit einer Zeitwende zusammen, deren Ausmaß sich überhaupt noch nicht übersehen läßt. Die Wandlung des bisherigen Weltbildes umfaßt alle Gebiete der menschlichen Existenz. Sie hat nur noch wenig mit den politischen und wirtschaftlichen, auch nicht mit den sozialen Vorstellungen der Vergangenheit gemeinsam, weder mit denen von 1914 noch mit denen von 1933 und 1939 und selbst nicht mit denen von 1945. Die deutsche Wiederbewaffnung muß unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden. Zum erstenmal in der neueren Geschichte steht eine Nation von der Bedeutung der Bundesrepublik vor der Aufgabe, eine gewaltsame und totale Unterbrechung ihrer militärischen Vergangenheit zu beenden und ohne den Ballast veralteter Strukturen einen von den Erfordernissen der Zeit diktierten Anfang zu finden.
Diese Zäsur im politischen Leben der Bundesrepublik ist Chance und Gefahr zugleich. Die Chance besteht darin, daß die geistige Konzeption für die zukünftigen Streitkräfte einer im Fluß befindlichen Entwicklung auf weite Sicht entspricht, eine Aufgabe, die in erster Linie schöpferische, phantasiebegabte Kräfte mit politischem Instinkt innerhalb der Streitkräfte verlangt. Es gehört zur Charakteristik aller Streitkräfte, daß sie auf Grund des ihnen innewohnenden Beharrungsvermögens und ihrer strukturellen Schwerfälligkeit sich den Entwicklungen der Zeit nur allmählich anpassen. Insofern ist es von entscheidender Bedeutung, welche Kräfte mit welchen Vorstellungen neu beginnen.
Damit wird aber zugleich auch die Gefahr sichtbar, die ein neuer Start in sich birgt. Zunächst gilt es, der naheliegenden Versuchung zu begegnen, es brauche nur dort begonnen zu werden, wo man einmal aufgehört habe. Die größte Gefahr liegt zweifellos darin, daß entsprechend den Anschauungen der Vergangenheit die Vorbereitung und die Durchführung der Verteidigungsmaßnahmen eine ausschließliche Sache der Militärs bzw. auch des hierfür zuständigen Spezialministeriums und nicht eine lebenswichtige Aufgabe des gesamten Volkes und jedes einzelnen Bürgers sei. Die Kämpfe um die Lebensformen der Völker werden künftighin sehr viel stärker als in der Vergangenheit von den Völkern als Ganzes und nicht allein von ihren Armeen getragen. Sie lassen sich daher nicht mehr mit den Gedankengängen oder den Konzeptionen von Militärs zurückliegender Epochen erfassen.
Ich möchte gerade im Hinblick auf das, was mehrfach heute angeklungen ist, noch einmal einen Punkt herausstellen. Die künftige Stellung des Soldaten erfordert eine Änderung in der bisherigen Auffassung von der Stellung des Soldaten im Staate. Ich möchte unsere bisherige Auffassung, die auch heute noch nicht ganz überwunden ist, als die kontinentale Auffassung ansprechen im Gegensatz zur Auffassung der großen seefahrenden Völker. Bei uns und ähnlich bei anderen rein kontinental eingestellten Nationen herrschte die jedenfalls im ersten Weltkrieg noch keineswegs überwundene Auffassung, daß ein Krieg die Auseinandersetzung zwischen den beiderseitigen Streitkräften sei. Aus dieser Einstellung heraus wurde der Soldat mehr oder weniger zum allein verantwortlichen Träger der Verteidigung. Er wurde — durchaus verständlich aus dieser Anschauung heraus — in Friedenszeiten überbewertet als Angehöriger des Berufes, der sich im Ernstfall zunächst und vielleicht sogar ausschließlich für die Sicherheit der Gemeinschaft zu opfern hätte.
Diese Grundeinstellung zum Wesen des Krieges hatte aber noch eine sehr viel weiterreichende Folgerung. Der Soldat wurde nicht nur mit der Verantwortung für die Vorbereitung der Landesverteidigung belastet; er wurde auch für Erfolg oder Mißerfolg einer kriegerischen Aktion verantwortlich gemacht.
Im Gegensatz zu den Bürgern in Staaten wie England oder den USA fühlte sich der durchschnittliche Staatsbürger für die Fragen der Verteidigung nicht verantwortlich, und ebenso überließ es der Staatsmann — der erste Weltkrieg ist ein treffender Beweis hierfür — dem militärischen Befehlshaber, die Schwerpunkte der Kriegführung zu bestimmen. Ein Land wie England oder auch wie die USA kennt seit langem nur die eine Auffassung, daß eine kriegerische Auseinandersetzung eine totale Auseinandersetzung ist, d. h. zwischen Volk und Volk. Damit wird die Verantwortung von allen Staatsbürgern gemeinsam getragen. Der Soldat hat keine übergeordnete Funktion, sondern nur eine unter vielen Funktionen im Auftrage der Gemeinschaft.
Es bedarf keiner besonderen Erläuterung, wie weitreichend die Auswirkungen einer solchen Auffassung sind und daß aus der verschiedenen Auffassung der jeweils kriegführenden Völker weitreichende Mißverständnisse entstanden sind. Ich erinnere nur an den ersten Weltkrieg, wo die Blokkade, die sogenannte Hungerblockade, von uns als eine perfide Form der Kriegführung verstanden wurde, während sie nur der natürliche Ausdruck der Auffassung vom Wesen des Krieges seitens der anglo-amerikanischen Seemächte ist, daß nämlich der Krieg sich gegen das ganze Volk richtet und nicht nur den Soldaten als Objekt erfaßt.
Durch das Zusammenwachsen der freien Welt verstärkt sich der Einfluß der Völker, deren Blick seit jeher auf die Meere gerichtet ist, auch auf ihre kontinentalen Partner. So wird auch die Bundesrepublik in steigendem Maße von der politischen Auffassung dieser Völker beeinflußt und wird in Abwandlung oder Oberwindung früherer Grundsätze dem Soldaten den seinen Aufgaben und Pflichten entsprechenden Platz im staatlichen Leben, genau wie es in England und in den USA bereits der Fall ist, einräumen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Es ist vielleicht zweckmäßig, zu betonen — man kann es, glaube ich, nicht oft genug sagen —, daß die Zeiten kriegerischer Auseinandersetzung zwischen unseren westlichen Nachbarn und uns der Vergangenheit angehören. Ich glaube, es gibt in der Bundesrepublik keinen denkenden Menschen, der solche Möglichkeit auch nur in Erwägung zieht. Ich sehe darin nicht nur einen Erfolg des europäischen Gedankens, der trotz aller Rückschläge auf organisatorisch-politischem Gebiet ständig und unaufhaltsam an Boden gewinnt, sondern auch eine Auswirkung der langjährigen Verhandlungen für das Zustandekommen der inzwischen gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Ich persönlich habe den Wert dieser Verteidigungsgemeinschaft als einen Meilenstein auf dem Wege zum geeinten Europa immer höher eingeschätzt als die militärischen Abmachungen.
Ein Wort zur Jugend. Ich bin sicher nicht der einzige, der ein besonderes Verständnis dafür hat, wenn die Jugend gegenüber einer neuen staatsbürgerlichen Verpflichtung zum Waffendienst skeptisch ist. Ich sehe es sogar als ein Zeichen wachsender geistiger Selbständigkeit an, wenn die eigenen Überlegungen und Zweifel bei unserer Jugend bereits in den Jahren erkennbar sind, in denen wir noch viel zu viel unkritische Begeisterung und Autoritätsgläubigkeit besaßen. Ich glaube allerdings auch, daß mehr als alle Diskussionen und alle Vorträge und Auseinandersetzungen die ersten stehenden Einheiten einer Verteidigungsorganisation, ich möchte sagen: als Modelltruppe den Beweis dafür liefern werden, daß der Geist, der in dieser neuen Truppe lebendig ist, ein Geist ist, der durchaus von jedem jungen Menschen unserer Bundesrepublik respektiert werden kann. Ich glaube deshalb, daß die Anziehungskraft der künftigen Streitkräfte gewinnen wird, daß sich eine große Propaganda erübrigt, wenn erst mal die ersten Einheiten sozusagen als lebendiger Anschauungsunterricht sichtbar werden.
Ein Wort noch — weil es hier mehrfach angesprochen worden ist — zur Beurteilung des Soldaten. Meine Damen und Herren, ich habe die in der
zurückliegenden Zeit immer wieder beobachtete und allen Soldaten bekannte, sagen wir einmal: Minderbewertung des Soldaten als Beruf nicht sehr tragisch genommen. Das ist eine Erscheinung, die nach jedem verlorenen Kriege bemerkbar ist. Wenn Sie in der Geschichte nachblättern, so werden Sie finden, daß es eigentlich fast in allen Staaten so gewesen ist. Der Soldat, vor allem der Berufssoldat, muß damit rechnen, daß er nach einem verlorenen Kriege in erster Linie als der Verantwortliche hingestellt wird und die Folgen zu tragen hat. Gerade aus diesem Grunde bin ich der Meinung, daß wir allmählich zu der englischen und amerikanischen Auffassung kommen sollten, nach der die Verantwortung für Verteidigung wie überhaupt für den gesamten militärischen Apparat vom Staat und von jedem Bürger getragen wird und nicht vom Soldaten. Der einzelne Soldat ist überfordert, wenn man das von ihm verlangt.
Die praktische Folgerung, die ich daraus ziehe — meine Damen und Herren, nicht erst seit der Zeit nach dem Kriege! —, ist die, daß die soldatische Organisation — in diesem Falle das Verteidigungsministerium — um so stärker wird, je mehr sie sich
auf die rein militärischen Aufgaben konzentriert
und alle anderen tragenden Kräfte eines staatlichen Lebens zur Verantwortung mit heranzieht. Wenn die anderen Partner — ob es sich um Ministerien oder andere Organisationen handelt — nicht selber eine Verantwortung tragen, werden sie sich dieser Verantwortung auch nicht bewußt werden. Ich glaube, es ist eine Stärkung der militärischen Organisation, wenn sie sich auf die rein militärischen Aufgaben konzentriert.
Eine Frage noch, die vielleicht in das strategische oder operative Gebiet fällt: Reicht die Stärke der vorgesehenen Wehrmacht und die der vorgesehenen Kräfte aus, um eine wirkliche Sicherung des deutschen Bodens gegenüber sowjetischen Aggressionen zu bilden? Ich will mich hier nicht auf Einzelheiten einlassen; ich möchte nur darauf hinweisen, daß nach meinem Gefühl — im übrigen ein allgemein gültiger Standpunkt, der noch viel zu wenig beachtet wird — gerade die Bundesrepublik und Europa in Verbindung mit den weitreichenden Möglichkeiten der großen Seemächte wie USA und Großbritannien in der Lage sind, mit Hilfe der den sowjetischen Block umgebenden Meere und ihrer lebenswichtigen Seeverbindungswege eine militärpolitische Lage zu schaffen, die in Krisenfällen eine Überflutung unserer Heimat durch östliche Aggressoren unwahrscheinlich erscheinen läßt. Die See bietet weitreichende strategische und politische Möglichkeiten für den, der sie zu benutzen versteht. In den letzten beiden Kriegen hat die deutsche politische und militärische Führung die Bedeutung der Seeverbindungen für die militärischen Entscheidungen verkannt. Zum ersten Male in der neueren Geschichte sind wir Partner der großen seefahrenden Nationen und gewinnen dabei auch bei geringeren Stärken der stehenden Streitkräfte einen militärpolitischen Vorteil, der von den Sowjets durch die geographische Lage nicht ausgeglichen werden kann, auch nicht kräftemäßig. Machen wir uns frei von der Vorstellung, die Kraft eines Gegners nur nach den Zahlen der Menschen oder der Divisionen zu messen, die er unter den Waffen hat und ,die aus den bekanntgewordenen Beständen seiner Panzer, seiner Flugzeuge und seiner Schiffe ablesbar sind!
Bei dieser Gelegenheit darf ich kurz auch auf die Bedeutung hinweisen — zu diesem Hinweis sehe ich mich als früherer Angehöriger der Marine besonders verpflichtet —, die innerhalb unserer künftigen Streitkräfte die Marinestreitkräfte haben werden. Sie haben keinen Selbstzweck, sondern sie schließen in einem für die Gesamtverteidigung entscheidenden Brückenkopfgebiet, das Norddeutschland, Dänemark und Norwegen umfaßt, eine heute noch vorhandene Lücke in der nordatlantischen Seeverteidigung.
Als meinen persönlichen Wunsch darf ich den nennen, daß ich mir auch auf anderen Gebieten eine stärkere Betonung der in der früheren Marine, in der Seefahrt überhaupt gesammelten Erfahrungen gewünscht hätte. Ich glaube, daß die Marine, und zwar die Kriegs- und die Handelsmarine, ebenso wie 'alle im Weltverkehr eingesetzten Menschen und Organisationen besonders dazu berufen sind, die Brücken zu anderen Völkern zu schlagen. Ich bin überzeugt, daß das, was wir heute Demokratie nennen, zu einem großen Teil die Staatsform der seefahrenden Völker ist, wie schon im Altertum das seefahrende Athen eine Demokratie im Gegensatz zum binnenländischen Sparta war. In seinen Vorträgen an der Frankfurter Universität hat der frühere amerikanische Botschafter George Kennan ähnliche Gedanken ausgesprochen.
Ein kurzes Wort zum Thema Miliz und Streitkräfte. Ich glaube, es gibt keinen nüchtern denkenden Fachmann, der entgegen allen historischen Erfahrungen einer Wehrmacht, die milizartig aufgebaut ist, den gleichen Kampfwert zuerkennt wie einer aktiven Wehrmacht. Der Kern einer zu diesen Aufgaben befähigten Verteidigungsorganisation wird also immer auf stehenden Streitkräften beruhen, die sich entweder auf der Wehrpflicht oder auf der freiwilligen Dienstleistung aufbauen. Eine milizartige Organisation erscheint mir aber dort zweckmäßig und aus psychologischen Gründen begrüßenswert, wo die zahlreichen Aufgaben der Heimatverteidigung und der Zivilverteidigung in einer aufgelockerteren Form, als es in den Streitkräften möglich ist, eine stärkere Zusammenfassung verlangen. Unter diesen Aufgaben verstehe ich — um mich klar auszudrücken — nicht nur den Luftschutz und die Luftabwehr. Nach meiner Auffassung bilden die Heimatverteidigung und die Zivilverteidigung von Anfang an eine notwendige Ergänzung der Streitkräfte; das eine ist nicht ohne das andere möglich. Es muß also hier eine Form gefunden werden, bei der sowohl die Kosten niedrig sind wie die zeitliche Inanspruchnahme der ihr angehörenden Menschen kurz ist.
Ich habe in meinen bisherigen Ausführungen, die ich auf Grund der vorangegangenen Debatte erheblich gekürzt habe, einige grundsätzliche Fragen berührt, die auch bei der Bearbeitung des Freiwilligengesetzes den Hintergrund bilden wenden. Nachdem aber heute bereits so viele Ansichten zu Einzelheiten vorgebracht worden sind, auch Gedankengänge außerhalb meiner Fraktion, Gedankengänge, die ich, wie z. B. bei meinem Kollegen von Manteuffel, durchaus teile, möchte ich mich auf die Punkte beschränken, die meiner Ansicht nach noch nicht behandelt sind oder vielleicht einer erneuten Unterstreichung bedürfen.
Es ist auch für mich kein Zweifel, daß das Freiwilligengesetz, auch wenn es nur den Charakter
eines vorläufigen, nach Zeit und Zweck begrenzten Einleitungsgesetzes haben soll, kein sehr glücklicher psychologischer Start für die große und gewaltige Aufgabe des Aufbaus deutscher Streitkräfte ist. Seine Form und seine Entstehungsgeschichte können nur mit den dringenden Forderungen der Außenpolitik begründet werden. Es bedarf keiner Worte, daß das deutsche Interesse an einem wohldiurchdachten Aufbau der Verteidigung durch ein solches unter Zeitdruck stehendes Gesetz nur sehr schwer gewahrt werden kann. Es wird deshalb — und ich glaube, daß ich mich mit der großen Zahl meiner Parteifreunde in Übereinstimmung befinde — zunächst die Aufgabe der zuständigen Ausschüsse dieses Hauses sein, das vorliegende Kurzgesetz dort, wo es notwendig ist, so zu ergänzen, daß die psychologischen und personalmäßigen Nachteile ausgeglichen werden. Entsprechend meinen Ausführungen zu Beginn dieser Darlegungen bestehen meine Bedenken in erster Linie darin, daß das Gesetz in dieser Form nicht die notwendige Anziehungskraft auf die Kräfte ausüben wird, die bei einem völligen Neubeginn einer so einmaligen Aufgabe als Kern der Streitkräfte notwendig sind. Sicher im Gegensatz zu manchen anderen Auffassungen in diesem Hause rechne ich zu den formgebenden Kräften nicht nur die Spitzen der militärischen Hierarchie, so wichtig sie für Geist und Menschenführung sind, sondern auch einen Kern von Persönlichkeiten in allen Dienstgraden und Laufbahnen der Wehrmacht. Ich glaube, daß keine private, keine wirtschaftliche und keine staatliche Institution auf einen solchen Kern von Persönlichkeitswerten, die dem Ganzen das Gesicht geben, verzichten kann. Eine Wehrmacht bedarf ihrer um so mehr, je größere Anforderungen an den Neuaufbau, wie er vor uns liegt, gestellt werden müssen. Nach meiner Auffassung muß ein solcher Kern von formbildenden Persönlichkeiten auch unter den 6000 Männern in finden sein — und zwar auf allen Ebenen —, die den Wehraufbau einleiten. Wir brauchen zu einem gewissen Prozentsatz Menschen, die ihre soldatische Aufgabe nicht nur als Beruf, sondern als Berufung ansehen. Ich vertrete den Standpunkt, daß gerade die früheren Soldaten jeder Rangklasse, die sich in den Nachkriegsjahren eine zivile Lebensstellung, ganz gleich, auf welcher sozialen Ebene, geschaffen haben, eine besonders wertvolle Bereicherung der künftigen Führungskräfte der Wehrmacht sein werden. Sie haben eine Erweiterung ihres gesamten Gesichtskreises erfahren, die für die Aufgaben der Menschenführung von ausschlaggebender Bedeutung sein kann.
Ich gebe ganz offen der Sorge Ausdruck, daß das Gesetz in der vorliegenden Form für diese Kräfte vielleicht nicht genügend Anziehungskraft besitzt,
also für jenen Typ der ehemaligen Soldaten, deren Name nur in Ausnahmefällen auf den Bewerbungslisten des Verteidigungsministeriums zu finden sein wird. Wir müssen uns vor Augen halten, daß bei der Charakteristik jeder militärischen Organisation die erste Weichenstellung die Fahrtrichtung für die nächsten Jahre entscheidend beeinflussen kann.
Deshalb: Wehret den Anfängen!
Um das Gewicht meiner Ausführungen zu unterstreichen, darf ich darauf hinweisen, daß der Neuaufbau der deutschen Verteidigungsorganisation
schon an sich entgegen der Gesetzlichkeit eines organischen und natürlichen Aufbaues von oben nach unten erfolgen muß. Allein aus dieser Tatsache wird die Gefahr erkennbar sein, die darin besteht, daß die Organisation über den Menschen, in diesem Fall die Truppe, triumphiert. Gerade bei uns Deutschen, die wir als Meister der Organisation einen Ruf genießen, besonders auch auf militärischem Gebiet, ist diese Gefahr stark ausgeprägt. Sie kann dazu führen, daß die Funktion des Kästchens und des Schemas jede lebendige Entwicklung hemmt. Sie züchtet unter Umständen jenen Typ von Spezialisten, die als Ausgangspunkt für die Beurteilung dieses oder jenes Problems zunächst einmal die Frage stellen: Wer untersteht wem?, statt der Frage: Wer arbeitet mit wem zusammen?
Der Mensch muß im Mittelpunkt aller Planungen stehen. Jeder, der den Soldatenberuf ergreifen will, muß zunächst danach streben, Menschen zu führen, und bereit sein, Verantwortung zu tragen. Man kann nicht Menschen nur vom Schreibtisch aus führen. Heute — im Zeitalter der Technik — muß der Soldat mehr denn je Kontakt mit dem Menschen haben, auf dessen Befehl hin er seine Pflichten erfüllen soll. Ich bin keineswegs der Ansicht, wie sic heute mehrfach zum Ausdruck gekommen
ist, daß der Kompaniechef der höchste sozusagen sichtbare Vorgesetzte für den Landser sein soll. Je mehr der Divisionskommandeur und auch seine höheren Vorgesetzten bereits im Frieden dem Soldaten als Mensch und Persönlichkeit vertraut sind, um so stärker wird sich die Einheit zu einem großen Team zusammenschließen, zu einem Team, in dem auch ohne Befehle der Untergebene im Sinne der Führung handeln kann. Ich kann daher in Ergänzung der Ausführungen des Kollegen Jaeger nur darauf hinweisen, daß die Mehrzahl der Fronttruppen ihren Divisionskommandeur, oft auch den Armeebefehlshaber, als Mensch durchaus gekannt und ihm vertraut haben. Gerade in kritischen Lagen ist dieses wechselseitige Vertrauen die Basis jeden Erfolges, nicht nur bei der Wehrmacht. In der Marine war es schon deshalb so, weil der Kommandant eines Schiffes durch das ständige Zusammenleben mit den ihm anvertrauten Menschen auf engem Schiffsraum mit ihrem Schicksal untrennbar verbunden war.
Die Tragweite der personellen Auswahl für die künftige Wehrmacht läßt sich aus dem Aufbau der Reichswehr nach der Niederlage von 1918 erkennen. Damals gab es keine totale Auflösung der Wehrmacht. Die von den damaligen Siegern festgesetzte Größe der Reichswehr und die Zahl ihrer Offiziere ergab sich durch die allmähliche Verringerung der noch vorhandenen Einheiten des kaiserlichen Heeres, mit der naturgemäß eine Einschränkung der freien Auswahl unter den Führungspersönlichkeiten verbunden war. Im 'Gegensatz zu heute blieb das Fundament als Faktor der Beharrung und auch die damals noch sehr lebendige Tradition des Kaiserreichs erhalten. Ein Grund für die isolierte Stellung der Reichswehr im Weimarer Staat ist nach meiner Auffassung in diesen beiden Faktoren zu suchen, wobei die Absonderung — und darin stimme ich mit anderen Rednern überein — keineswegs einseitig die Schuld des Soldaten war. Es ist verständlich, daß z. B. die sich nach 1918 oder nach den Revolutionserscheinungen auch im damaligen Offizierskorps der Wehrmacht bemerkbar machenden Wünsche auf eine Strukturänderung, auf eine Reform allein an der Tatsache scheitern
mußten, daß durch das übernommene Fundament die Beharrungskräfte damals zu groß waren.
Ich glaube, daß Tausende von ehemaligen und auch die Eltern von zukünftigen Soldaten dankbar sein werden für die Ausführungen in der Regierungserklärung, in denen die Anerkennung und Würdigung des ehemaligen Soldaten zum Ausdruck gebracht wird. Sie werden mit uns allen die in der Regierungserklärung ausgesprochene Hoffnung teilen, daß baldigst eine Regelung der Kriegsverurteiltenfrage, die unserer Souveränität und unserer Partnerschaft mit den freien Ländern Rechnung trägt, erwartet wird. Eine befriedigende Lösung gerade der Kriegsverurteiltenfrage und ein sichtbares Bestreben der zuständigen Stellen in der Hinsicht, daß auch die Strafvollstreckung und Strafbeendigung bei den Verurteilten in Spandau nach den Gesichtspunkten geregelt werden, wie sie in den Ländern der am Nürnberger Prozeß beteiligten Staaten üblich sind, wird nach meiner Ansicht die Qualität künftiger Lehrkaders der Wehrmacht günstig beeinflussen. Die endgültige Regelung dieser unsere Souveränität beeinträchtigenden Fragen ist nicht etwa nur ein Anliegen einzelner Offiziersverbände, sondern ist allgemein — wie man immer
wieder erfährt — der Wunsch weiter Kreise unseres Bürgertums, dem eine gesunde Grundlage für die Entwicklung künftiger Streitkräfte am Herzen liegt.
Ich appelliere an dieser Stelle noch einmal an unsere heutigen Partner und darüber hinaus an die Gewahrsamsmächte überhaupt, durch Entlassung der Kriegsverurteilten und auch der Kriegsgefangenen, gegebenenfalls auf dem Gnadenwege, einen klaren Horizont für die Beendigung der Nachkriegspsychose zu schaffen.
Als einen guten Beitrag unsererseits zu diesem Komplex würde ich es ansehen, wenn auch die Kollektivbeurteilung, wie sie bei uns z. B. noch hinsichtlich der Waffen-SS gilt, praktisch beendet würde. Ich bin in dieser Hinsicht der Auffassung des verstorbenen Dr. Schumacher, daß man nicht etwa an die Stelle einer Kollektivschuld eine Kollektivunschuld setzen solle, sondern daß man diese Fragen nur nach den Grundsätzen eines Rechtsstaates und nach der individuellen Behandlung klären kann. Ich erinnere daran, daß ein großer Prozentsatz der Angehörigen der Waffen-SS durch Befehl zu ihr einberufen wurden und, soweit sie als Soldaten tätig waren, keine andere Aufgaben erfüllt haben als jeder andere Soldat, der zu seiner Formation einberufen wurde.
Ich unterstreiche den heute schon von verschiedenen Seiten geäußerten Wunsch, daß die Versorgung derjenigen ehemaligen Soldaten und der Kriegsopfer, bei denen sie noch nicht befriedigend gelöst worden ist, geregelt wird, da sie mittelbar einen Einfluß auf die Qualität der späteren Freiwilligen haben wird. Daß über diese noch notwendige Ergänzung der Versorgung hinaus die Ehrenpflicht von uns allen nicht beeinträchtigt werden darf, auf eine baldige Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus zu drängen, halte ich für eine Selbstverständlichkeit.
Aus meinen Erfahrungen heraus möchte ich noch einmal auf die unbedingte Notwendigkeit hinwei-
sen, daß der Aufbau der kommenden Streitkräfte sich auf alle demokratischen Kräfte stützt. Ich hoffe deshalb, daß auch die SPD selbst bei Ablehnung des jetzigen außenpolitischen Kurses an der Verwirklichung der Wehrverfassung genau so beteiligt wird und sich beteiligt, wie sie es bisher im Ausschuß getan hat.
Ich stelle abschließend meinen besonderen Wunsch heraus, daß das vorliegende Gesetz im Interesse der Gewinnung formprägender Menschen auf allen Ebenen des militärischen Lebens so weit ergänzt wird, daß es auch für diese Kräfte eine Anziehungskraft ausübt. Auf die weiteren Ergänzungen auf rechtlichem oder auf psychologischem Gebiet, die hier bereits angesprochen worden sind, will ich nicht weiter eingehen. Diese Dinge müssen in schärfster Konzentration in den kommenden Ausschußsitzungen behandelt werden. Dabei bin ich allerdings der Meinung, daß die Überweisung des vorliegenden Gesetzes an die Ausschüsse die Verpflichtung bedeutet, dieses Gesetz selbst unter Verschiebung der Parlamentsferien zu Ende zu bringen. Man kann nicht der Auffassung der Regierung zustimmen, daß die außenpolitische Lage eine solche Eile in der Behandlung dieses Gesetzes erfordere, wenn man nicht auch zu der Folgerung bereit ist, daß dieses Gesetz trotz der Eile mit der gebotenen Sorgfalt ausgearbeitet werden muß.
In meinen Ausführungen habe ich mich darauf beschränkt, einige Probleme anzuschneiden, um eine gewisse Linie abzustecken, die ich auf Grund meiner eigenen Erfahrungen angestrebt sehen möchte. Der Mensch ist auch im Zeitalter der Technik entscheidend. Wir brauchen überall und vor allem in der Wehrmacht Menschen, die ihre Autorität nicht nur dem Gesetz verdanken, sondern ihrer Persönlichkeit. Nur diese Kräfte werden in Krisenzeiten das tragende Element des gesamten Aufbaus bilden. Sie werden anderen Haltung und Form geben und damit auch das Ganze halten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag führt heute die siebente Wehrdebatte in seiner sechsjährigen Geschichte durch. Die bisherigen sechs Debatten unterschieden sich wesentlich von der heutigen dadurch, daß in ihnen eine echte Spannung und Auseinandersetzung sichtbar war. Wenn man etwa aus den Börsenberichten für die heutige Debatte eine Bezeichnung finden wollte, so müßte man über diese Debatte — jedenfalls bis zur Gegenwart — schreiben: Stimmung lustlos und gedrückt. Das mag verschiedene Gründe haben. Ein Grund ist sicher auch das allzu wörtliche Befolgen des Begriffs „erste Lesung". Als heute vormittag aus diesem Raum der Zwischenruf fiel „Schneller lesen!" oder „Langsamer lesen!", hat der Herr Präsident geantwortet, daß man ja schlecht ungleich behandeln könne, weil eben auch andere gelesen haben. Die geistige Grundlage des Parlamentarismus ist aber jener diskursive Vorgang von Rede und Gegenrede, von Argument und Gegenargument mit dem Ziel, die relativ beste Lösung zu finden. Sollten wir weiter so wider den Geist des Parlamentarismus sündigen und weiter vorlesen, obgleich in der Geschäftsordnung steht, daß die Abgeordneten in freier Rede zu sprechen haben,
dann empfehle ich, die Schriftsätze auszutauschen, wie die Anwälte es bei Gericht tun, sie zu Protokoll zu geben und die Lesung von Gesetzen im Umlaufverfahren zu machen. Vielleicht ist das dann die neue Form des Parlamentarismus. Ich kann kaum noch vor jungen Studenten gegen Carl Schmitt „Über die geistesgeschichtlichen Grundlagen des Parlamentarismus" als Verteidiger des Parlamentsrechts auftreten — Herr Kollege Kiesinger, Sie werden es auch kaum noch tun können —, wenn wir weiter der Öffentlichkeit das Bild der Vorlesungen bieten.
Nach dieser Vorbemerkung lassen Sie mich auf einen zweiten Grund kommen. Der zweite Grund, weswegen die Stimmung lustlos und gedrückt ist, dürfte der unglückliche Beginn unserer Wehrgesetzgebung sein. Dabei hatten wir doch soviel Zeit! Im Dezember 1949 haben wir in der ersten Wehrdebatte des Deutschen Bundestages einstimmig eine Wiederbewaffnung abgelehnt; 1952 zwei große Wehrdebatten, 1953 eine, 1954 eine, im Februar 1955 die Abschlußdebatte der Pariser Verträge. Man hätte also viel Zeit gehabt, nach dem Goethewort zu handeln: „Das ,W a s' bedenke, mehr bedenke, w i e !".
Bei einer entsprechenden Vorbereitung hätte sich manches jetzt vermeiden lassen, was durch die Einbringung des Freiwilligengesetzes nun leider an Mißhelligkeiten und Mißverständnissen in der deutschen Öffentlichkeit sichtbar ist. Als uns der Herr Bundeskanzler in einer Koalitionsbesprechung seine Absicht bekanntgab, ein Kurzgesetz als Vorausgesetz einbringen zu lassen, da haben die Sprecher aller Koalitionsparteien ihn dringend vor diesem Weg gewarnt,
weil sie erhebliche psychologische Rückwirkungen dieses Verfahrens auf das Parlament, auf den Bundesrat und auf die deutsche Öffentlichkeit befürchtet haben.
Wir haben empfohlen, mindestens das Soldatengesetz mit einzubringen und dem Parlament die allgemeine große Konstruktion des Wehrwesens bekanntzugeben, damit man auch die allgemeine Richtung erkennen könnte und nicht der Eindruck entstünde, daß das Wehrwesen so als Stückwerk von Gesetz zu Gesetz gegliedert werden sollte, so wie etwa die Konstruktion dieses Bundeshauses, bei dem man sich aus Sparsamkeit auch nicht gleich zu einer großartigen Planung entschließen konnte mit dem Erfolg, daß wir nun allmählich nur noch mit Hilfe eines Marschkompasses durch das Bundeshaus durchfinden können.
Ähnlich würde es mit dem Wehrwesen sein. Man baut ein Haus dadurch auf, daß man die Fundamente legt und den Gesamtplan offenlegt, und nicht dadurch, daß man zunächst oben an der Spitze beginnt. Wir müssen zur Kenntnis geben, daß diese unsere Anregungen in der Koalitionsbesprechung doch dadurch realisiert wurden, daß das Soldatengesetz in den Gesetzgebungsgang gebracht wurde. Durch die gestrige Regierungserklärung ist auch eine allgemeine Übersicht über das Wehr-
wesen möglich, so daß die bisherigen harten Angriffe gegen das Freiwilligengesetz nun nicht mehr in dieser Form gerechtfertigt sind.
Ich darf noch auf etwas anderes Bedauerliches hinweisen, auf die mangelnde Gemeinsamkeit in der Wehrfrage zwischen Opposition und Koalition. Meine Damen und Herren, eine Armee ist keine Addition von Offizieren, Unteroffizieren, Soldaten und Material, sondern eine Armee ist ein Organismus, und das Entscheidende an einem Organismus ist der Geist. Der Geist einer Armee kann niemals gut sein, wenn über die Prinzipien des Wehrrechts im deutschen Parlament ein solcher Streit herrscht. Wenn dieser Streit dann hineingetragen wird in jede Kompanie, in jedes Bataillon, in jedes Regiment, dann trägt das deutsche Volk die Folgen der mangelnden Gemeinsamkeit, die wir in diesem Hause leider zu verzeichnen haben.
Ich will nicht auf die Frage eingehen, wer hier wem entgegenkommen soll. Ich bin der Meinung, beide müßten sich entgegenkommen, sowohl die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien wie auch die Opposition. Einige Vorwürfe, Herr
Kollege Arndt. die Si p soeben erhoben haben und
die auch der Kollege Ollenhauer heute vormittag erhoben hat, muß man aus Gründen der Objektivität zurückweisen. Es ist nicht wahr, daß diese Broschüre Parteipropaganda am Kasernentor ist. Es ist auch nicht wahr, daß diese Broschüre etwas vorwegnimmt, was dem Parlament vorbehalten ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, es steht im Vorwort des Bundeskanzlers ganz eindeutig — ich darf das mit Genehmigung des Präsidenten vorlesen —:
Ich begrüße das Erscheinen der Schrift „Vom künftigen deutschen Soldaten", in der grundsätzliche Planungen für den deutschen Verteidigungsbeitrag zusammenfassend dargestellt werden. Die Schrift soll die verantwortungsvollen Vorarbeiten der Allgemeinheit unterbreiten, bevor die zuständigen verfassungsmäßigen Organe endgültige Entscheidungen treffen.
Natürlich ärgert sich mancher, daß der Name Adenauer, der Name des Vorsitzenden der großen deutschen CDU/CSU-Partei, hier druntersteht. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, dieser Herr ist gleichzeitig der Regierungschef, der Bundeskanzler des deutschen Volkes und daher für die Ausführung der Pariser Verträge vor dem deutschen Volk verantwortlich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Schrift möge dazu beitragen, Verständnis dafür zu wecken, daß eine demokratische Wehrordnung nur Wirklichkeit werden kann, wenn alle Staatsbürger an ihr mitverantwortlich Anteil nehmen, sich zu ihren Soldaten bekennen und Gerechtigkeit, Freiheit und Wahrung der menschlichen Würde über alle persönlichen Interessen und Wünsche stellen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Kollege Dr. Mende, ist Ihnen denn nicht klar, daß ich gar nicht von den beiden Vorworten gesprochen habe, sondern von den ersten eigenen Seiten der Broschüre, wo die außenpolitische Lage und die Verteidigungsfrage völlig einseitig ganz im Sinne nur der Regierungsparteipolitik dargestellt sind?
Ich darf darauf antworten, Herr Kollege Arndt. Auch ich habe die Broschüre ganz gelesen. Nach meiner bescheidenen Kenntnis des Parlamentsrechts ist der Mehrheitswille des Parlaments identisch mit dem Volkswillen, und die Mehrheit dieses Hauses hat Gesetze beschlossen, die verpflichtend für die vom Vertrauen der Mehrheit des Volkes getragene Regierung sind. Ich betone: Der Kanzler hat hier aus seiner Stellung als Regierungschef eine Pflicht, und ich glaube nicht, daß die Interpretation der Pariser Verträge — so wie sie Gesetz geworden sind — etwa Parteipropaganda darstellt.
Herr Abgeordneter Dr. Mende, gestatten Sie eine Zusatzfrage?
Sehr gern.
Herr Kollege Dr. Mende, haben Sie nicht bemerkt, daß auf den ersten Seiten gar nicht von der Auslegung der — auch von uns als völkerrechtlich verbindlich anerkannten — Pariser Verträge die Rede ist — das kommt auf den folgenden Seiten —, sondern zunächst eine politische Einschätzung der Lage völlig einseitig im Sinne der Koalition gegeben wird?
Herr Kollege Arndt, die Frage, wer recht hat und wer in der Politik die richtige Konzeption hat, wird am Ende doch von der Geschichte entschieden werden. Da die Regierung von den Koalitionsparteien getragen wird, hat sie das gute Recht, die Meinung der Mehrheit dieses Hauses als die verbindliche Meinung herauszustellen. Es ist der Opposition sehr viel Gelegenheit gegeben, hier und anderswo ihre gegenteilige Auffassung kundzutun.
— Nein, das wäre ein Unglück, Herr Kollege Arndt, wenn es eine Koalitionsarmee gäbe, die vielleicht viele Jahre später durch eine Oppositionsarmee abgelöst wird, wenn die Opposition ihrerseits plötzlich Regierungspartei geworden ist. Nein, das wäre ein Unglück, das wollen wir nicht. Ich werde auf die Frage im Verlaufe der Debatte noch zurückkommen.
Das Freiwilligengesetz wird auch von uns in dieser Form, wie es vorliegt, nicht akzeptiert. Wir behalten uns vor, im Ausschuß entsprechende Änderungsanträge einzubringen, wie das soeben Herr Kollege Heye auch für sich angekündigt hat. Ich
könnte mir beispielsweise denken, daß eine Begrenzung nach Zeit und Umfang im Gesetz erscheint, vielleicht also der erste Absatz so gefaßt wird:
Zur Vorbereitung des Aufbaus der Wehrmacht in der Bundesrepublik Deutschland werden in beschränktem Umfang, höchstens bis zur Personalstärke von 6000 Mann, Freiwillige eingestellt.
Damit haben wir die Beschränkung auch im Umfang nicht nur in der Regierungserklärung, sondern im Gesetz selbst.
Im übrigen ließe sich noch manches zu der Problematik des Eides und der Frage sagen, ob Treue für sich allein stehen soll oder ob Treue nicht einen Adressaten braucht. Treue ist immer ein zweiseitiges Verhältnis. Wenn ich mir die Nachkriegsgesetzgebung nach jedem Krieg ansehe, komme ich zu der Meinung, daß die Treue in der Vergangenheit von unten nach oben oft strapaziert, selten aber von oben auch nach unten gewahrt worden ist. Die Frage „Vaterland", die Frage „Volk" sind Einzelheiten, die nicht in der ersten Lesung, sondern erst in der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfes hier im Hause besprochen werden sollen. Die Frage des Eides hat deswegen viele Menschen überrascht, weil ursprünglich der Ausschuß für Europäische Sicherheit — nunmehr der Ausschuß für Verteidigung — einstimmig eine Vereidigung wegen der Problematik des Eides abgelehnt hat. Der Eid ist in der Vergangenheit so oft mißbraucht worden, daß es — so war auch die Meinung des verstorbenen Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers — vielleicht eine gewisse Zeit braucht, bis man wieder mit der Ernsthaftigkeit, die wir einem Eid wünschen, an eine Vereidigung herantreten könnte.
Die Bundesregierung war anderer Auffassung; es muß darüber noch gesprochen werden. Die Vereidigung auf das Grundgesetz erfüllt immerhin eine Forderung, die wir seinerzeit schon im Ausschuß erhoben haben: keine Vereidigung auf eine Person — das war ja das Unglück der Vergangenheit —, sondern Vereidigung auf eine Institution. Was bietet sich als Institution mehr an als die Grund- und Freiheitsrechte unseres Grundgesetzes, die als subjektiv-öffentliche Rechte eine starke Stellung haben und die uns gerade in dem weltweiten Konflikt zwischen Ost und West von der anderen Seite unterscheiden, die Grund- und Freiheitsrechte einfach negiert? Daß die Präambel sich durch ihre sittliche Verpflichtung, für die Wiedervereinigung Deutschlands zu arbeiten, besonders eignet, versteht sich von selbst.
Hier ist heute vormittag von dem ersten Sprecher der CDU/CSU, dem Abgeordneten Jaeger, von der „Bundeswehr" gesprochen worden. Es ist Ihnen bekannt, daß wir Freien Demokraten für eine andere Bezeichnung sind und dieser neuen Wehrmacht nicht den Ausdruck „Gesamtstreitkräfte" geben wollen, ein Wortungeheuer, das sich kaum in denausländischen Sprachgebrauch übersetzen läßt. Wir wollen auch nicht die Unterteilung in Landstreitkräfte, Seestreitkräfte und Luftstreitkräfte. Wir wollen zu der traditionellen Bezeichnung zurückkehren, die in der Weimarer Nationalversammlung und im Reichstag unbestritten war: Wehrmacht mit der Unterteilung Heer, Marine und Luftwaffe. Einige haben vielleicht außenpolitische Sorgen, daß aus der Vergangenheit der Wehrmacht des nationalsozialistischen Reiches Mißdeutungen möglich wären. Wir haben uns sehr gefreut, als wir in unserer Fraktionssitzung am Freitag erfuhren, daß der Herr Bundeskanzler solche außenpolitische Bedenken nicht hat. Wir werden daher bei der Lesung im Ausschuß die Änderung der Bezeichnung „Streitkräfte" in „Wehrmacht" vorschlagen.
Wer sich etwas näher für die Wehrgesetzgebung der Weimarer Nationalversammlung und des Reichstags interessiert, dem empfehle ich, das Protokoll der 88. Reichstagssitzung vom 18. März 1921 nachzulesen, als eindeutig sowohl von den Parteien der Regierung wie der Opposition die Bezeichnung „Wehrmacht" akzeptiert wurde. Damals hat sich lediglich ein Streit entsponnen, ob man die Bezeichnung „Deutsche Wehrmacht" oder die andere „Wehrmacht der Deutschen Republik" wählen sollte. Hier stritten der Abgeordnete von Gallwitz und der Abgeordnete Schöpflin. Auch ihr Onkel, Herr Kollege Stücklen, der Albgeordnete Stücklen der Weimarer Nationalversammlung hat als Berichterstatter für das erste Wehrgesetz sehr genau die Vorstellung der Weimarer Nationalversammlung entwickelt.
Ich muß sagen, es ist sehr, sehr eindrucksvoll, wie sich damals in einer schwierigen Zeit — 1919, 1920, 1921—Weimarer Nationalversammlung und Reichstag fast drei Jahre die Mühe gemacht haben, eine gute Wehrgesetzgebung in Gang zu bringen. Daß später der politische Mißbrauch erfolgte, war nicht die Schuld jener, die damals mit großem Fleiß jene Wehrgesetze verabschiedet haben.
Herr Kollege Jaeger hat von der Bundeswehr gesprochen. Ich glaube, ich trete den Feuerwehrleuten nicht zu nahe, wenn ich hier die Meinung ausdrücke, ,daß „Bundeswehr" zu sehr Assoziationen mit der Feuerwehr hervorruft und daß „Wehrmacht" auch der Tradition wesentlich mehr gerecht wird.
Der Herr Kollege Jaeger hat gesagt, er sei gegen die Mythologisierung und gegen die ideologische Verbrämung der neuen Wehrmacht. Nun, meine Fraktion und ich sind der Meinung, daß man ohne eine Symbolkraft eine Wehrmacht nicht aufbauen kann. Ich hoffe nicht, daß Herr Kollege Jaeger das damit gemeint hat. Eine Uniform kann nämlich nicht nur ein Arbeitsanzug sein, den man wie einen Monteuranzug nach Dienstschluß in den Spind hängt, wonach man sich aller Rechte und Pflichten ledig dünkt. Eine Uniform muß jedenfalls nach unseren soldatischen Vorstellungen ihren Träger auch nach dem Dienst zur Wahrung gewisser ethischer Prinzipien verpflichten.
Es geht auch nicht an, den soldatischen Dienst als Job zu betrachten. Man hat da in Korea sehr, sehr bittere Erfahrungen gemacht. Man kann eben den Soldaten nicht nur als einen Mann betrachten, der einen guten Job hat; vielmehr gehört etwas mehr dazu, den Belastungen eines modernen Krieges seelisch und körperlich zu widerstehen. Ich erinnere nur an das Verhalten der türkischen Brigade in Korea, deren Haltung und Kampfführung über jedes Lob erhaben waren, weil die türkischen Soldaten aus einer inneren Überzeugung und aus einer Symbolkraft schöpften. In den Vereinigten Staaten ist es nicht anders. Der Herr Bundeskanzler hat sich in Ankara in der Kriegsschule schon von dieser Symbolkraft überzeugen können, die den türkischen Soldaten antreibt, und in Amerika von der Kraft,
die der amerikanische Bürger ,aus dem Sternenbanner schöpft: kein Amtszimmer, das nicht mit dem Sternenbanner geschmückt ist, keine Amtshandlung am Morgen, die nicht mit einer Verneigung vor dem Sternenbanner beginnt. Man ist überhaupt beeindruckt, wenn man in Washington feststellt, wie viel diese junge Demokratie aus der Geschichte, aus der Vergangenheit an Symbolen als Mahnung für die kommenden Generationen aufstellt.
Ich bin daher der Meinung, daß auch die deutschen Verbände wieder Symbole haben sollen, Regimentsfahnen, Divisionsstander in den Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold und geschmückt — als Emblem der Wehrmacht — mit dem Schinkelschen Zeichen des „Eisernen Kreuzes", das 142 Jahre deutscher soldatischer Geschichte maßgeblich mitbestimmt hat.
Der Herr Kollege Jaeger hat dann, was vielleicht nicht in die heutige Debatte hineingehörte, Preußen apostrophiert. Mehrere Redner haben sich veranlaßt gefühlt, dazu Stellung zu nehmen. Ich muß, damit diese Äußerungen nicht unwidersprochen im Raume bleiben, einiges zu der unglücklichen Formulierung des Kollegen Jaeger sagen. Er
hat dem Sinne nach ausgeführt, daß die preußische Geschichte in Blut und Tränen endete, hat also preußische Geschichte mehr oder minder mit Blut und Tränen identifiziert. Preußen hat in seiner Geschichte Licht und Schatten wie jeder andere Staat auch. Es geht nicht an, daß man einen Staat durch den alliierten Kontrollratsbefehl Nr. 46 einfach auslöschen und so tun will, als wenn es 300 Jahre preußischer Geschichte im norddeutschen Raum nicht gegeben hätte.
Ich befürchte auch außenpolitische negative Rückwirkungen, wenn ein Abgeordneter im Parlament — entschuldigen Sie, wenn ich das etwas drastisch sage — sich anmaßt, so einseitige Geschichtsurteile zu fällen.
Man soll nämlich nicht vergessen, daß es in den Vereinigten Staaten, in dem Staat Norddakota, eine Hauptstadt gibt, die Bismarck heißt, daß zehn Städte in den Vereinigten Staaten den Namen Friedrichsburg tragen, daß in den Vereinigten Staaten der Geist des preußischen Generals von Steuben heute noch lebendig ist. Wir wären glücklich, wenn er die gleiche Wirksamkeit entfalten könnte wie der Geist des französischen Generals Lafayette. Wir wissen, daß es in Pennsylvanien eine Stadt gibt, die King of Prussia heißt und — ich bitte, nun genau zuzuhören — daß an dem Stadtwappen der Stadt King of Prussia steht: „Benannt nach Friedrich dem Großen, dem ersten europäischen Fürsten, der die Vereinigten Staaten anerkannte."
Preußen war ein Bundesstaat mit der demokratischsten Selbstverwaltung. Ich brauche Ihnen nur vom Stein, Hardenberg und Scharnhorst zu nennen. Preußen war 1918 bis 1932 ein Bollwerk der deutschen Demokratie zum Unterschied von manchem anderen Land, auch von einem Land, in dem Hitler die ersten Anhänger fand und in dem er schließlich den Namen „Stadt der Bewegung" verkündete.
Näheres ist nachzulesen in dem Werk des Oxforder Geschichtsprofessors Allan Bullock „Hitler, eine Studie über die Tyrannei". Ich fürchte nämlich, wenn das Urteil des Kollegen Jaeger draußen bekannt wird, daß es dann Herr Ulbricht noch einfacher hat, Preußen für seine Zwecke ideologisch zu mißbrauchen, einen Tauroggen-Mythos zu züchten, wie er das bereits bei der Rede zum 140. Jahrestag der Völkerschlacht am Völkerschlachtdenkmal von Leipzig im Jahre 1953 getan hat.
Lassen Sie mich nun noch auf eine zweite psychologische Frage eingehen, die auch Kollege Heye eben angeschnitten hat: die Frage der noch nicht heimgekehrten ehemaligen Soldaten sowohl im Osten wie im Westen. Unter den 200 Inhaftierten in den westlichen Anstalten befinden sich leider immer noch 50, die als Angehörige der Wehrmacht auf Grund eines Urteils aus den ersten Jahren nach dem Kriege in die alliierten Haftanstalten gekommen sind. Ich habe den Herrn Bundeskanzler, bevor er nach den Vereinigten Staaten fuhr, in einem Telegramm erneut gebeten, die Frage abschließend zu lösen, weil sie bei der Betrachtung der Frage des Handelns auf Befehl und des soldatischen Gehorsams eine große Rolle spielen wird. Man kann einer Mutter nicht zumuten, ihren 19-oder 20jährigen Sohn Soldat werden zu lassen, bevor nicht die Fragen des Handelns auf Befehl und der Verantwortlichkeiten eindeutig gelöst und auch für den zweiten Weltkrieg zehn Jahre danach abgeschlossen sind.
Ich rede niemandem das Wort, der etwa im wahrsten Sinne des Wortes Verbrecher geworden ist. Wenn ich für die 50 Soldaten spreche, die noch im Westen inhaftiert sind, meine ich jene, die durch die besondere Situation des Krieges in Handlungen verstrickt wurden, für die sie wenigstens jetzt, zehn Jahre danach, mildernde Umstände und Gnade verdienen.
Welch groteske Situation! Ein Gauleiter ist am 4. Juni auf Parole Board aus Landsberg nach Kassel entlassen worden. Die Malmedy-Gefreiten und beinamputierten Waffen-SS-Offiziere wie Herr Diefenthal aus Euskirchen sind weiterhin in Haft, und man hat bisher alle Gnadenanträge abgelehnt. Ich frage Sie, wer wohl mehr Schuld auf sich geladen hat: der junge Mann, der in die Verstrickung militärischer Handlungen auf Grund von Befehlen gekommen ist, denen er gehorchen mußte, oder jene, die die geistigen Urheber dessen gewesen sind, dessen wir uns alle tief zu schämen haben.
Meine Damen und Herren, einige Worte auch noch zu der Frage, die jetzt angeschnitten worden ist: Entwicklung des Soldatischen nach 1945. Ich weiß, daß ein Teil hier im Hause das nicht gern hört. Aber ich werde, solange ich in diesem Hause bin, nie aufhören, davon zu reden, daß auch deutsche Politiker und nicht nur die Alliierten 1945 große Fehler begangen haben, als sie aus dem Heldenkult der Vergangenheit in die Kriegsverbrecherpsychose der Nachkriegszeit gefallen sind
und Soldatentum und Militarismus vermengt haben ohne Erkenntnis der weltweiten Wesensunterschiede zwischen einem Militaristen und einem Soldaten. Wir begrüßen die Regierungserklärung, die
das ethische Opfer der Soldaten anerkennt und ausspricht, daß der Soldat in seinem ethischen Opfer gewürdigt werden muß unabhängig von dem politischen System, unter dem er die Opfer gebracht hat, selbst dann, wenn er in seinem guten Glauben in so maßloser Weise mißbraucht wurde.
Aber, Herr Bundeskanzler, bei der Feststellung allein kann es nicht bleiben. Es bedarf einer ideellen und einer materiellen Wiedergutmachung! Hier sind in der Frage der Gesetzgebung für die ehemaligen Berufssoldaten, für die Heimkehrer, für die Kriegsopfer noch manche Novellen nachzuholen. Die Stimmung in Hannover beim Heimkehrertreffen, Herr Bundeskanzler — der Herr Bundesminister Professor Oberländer wird es Ihnen berichtet haben —, war nicht so, daß man aus diesen Verbänden eine großartige Unterstützung unseres Wehrwesens erwarten kann, da diese Verbände der Meinung sind, daß wegen fiskalischer Bedenken noch nicht alles an materiellen Leistungen erfolgt ist, was man ihnen bei ihrer Heimkehr in Friedland in schöngeistigen Reden versprochen hat.
Man sollte da ruhig etwas großzügiger verfahren. Vielleicht sollte man auch ressortmäßig eine glücklichere Konstruktion wählen zur ideellen und materiellen Betreuung dieses riesigen Personenkreises von vielen Millionen Menschen, indem man einem der Herren Sonderminister — sie beklagen sich ja alle, daß sie keine echten Aufgaben haben —
den Auftrag zu einer Koordinierung dieser verschiedenen Aufgaben gibt und so etwas Ähnliches
schafft, wie es in Frankreich das Ministerium der
anciens combattants darstellt, d. h. eine Institution, die sich der besonderen Betreuung der Weltkriegsteilnehmer, Kriegsbeschädigten, Witwen und Waisen annimmt. Eine solche Institution habe ich vor drei Jahren bei der Kriegsopferdebatte schon angeregt. Sie ist leider bisher nicht gekommen. Es wäre für einen Sonderminister eine dankbare Aufgabe, die ideelle und materielle Betreuung dieser riesigen Personenkreise zu seinem Ressort zu machen.
Wie ist denn die jetzige Situation bei den jungen Menschen? Ich bin pessimistisch bezüglich des Kommens der jungen Menschen. Denn was sagt der Vater, der ehemalige Oberst, zu seinem Sohn, der gerade das Abitur gemacht hat?
Du kannst vieles werden, mein Sohn, Arzt, Anwalt, Ingenieur, Kaufmann. Aber ich warne dich, denselben Beruf auszuüben, den dein Vater unter dem Kaiser begann, unter Ebert und Noske fortführte, unter Hindenburg fortführte, auch unter Hitler, und für den er sich 1945 vor einem Tribunal als Militarist verantworten mußte! Und so sagt auch der alte Oberfeldwebel, der Stabsfeldwebel seinem 17jährigen Sohn, der gerade die Lehre beendet hat: Du darfst alles werden; aber überlege dir, ob du den Beruf wählst, den dein Vater im Jahre 1921 wählte, den er 1928 ausübte, 1933 usw., wofür er im Jahre 1945 nicht mehr das Amt des städtischen Gasablesers ausüben durfte, denn das war bereits öffentlicher Dienst!
Meine Damen und Herren, das sind noch psychologische Hypotheken, über die wir einfach nicht hin-wegdiskutieren können. Wir werden sehr leicht die
höheren Dienstgrade bekommen, auch noch die mittleren. Aber eine Kompanie besteht bekanntlich aus zwei Offizieren, 32 Unteroffizieren und 150 Mann; bei der Batterie ist es ähnlich, auch diese muß man haben. Hier ist also ideelle und materielle Wiedergutmachung notwendig, um die Hypothek abzutragen, die leider in einer sehr kurzsichtigen Rachepolitik von außen und innen uns auferlegt wurde. Vergessen wir nicht, meine Damen und Herren, daß 1947 in einer großen deutschen politischen Zeitung über den deutschen Soldaten gestanden hat:
Sie standen in Frankreich und Polen, sie standen an Wolga und Don;
sie haben geraubt und gestohlen, und wissen jetzt nichts mehr davon.
Und die letzte Strophe lautete:
Das ist der Ruhm der Soldaten: Helden in Saus und Braus! Und alles, was sie verbrachen, das löffeln wir jetzt aus!
Das ist zu vielen noch bekannt, als daß man mit einer Handbewegung und einer einfachen Erklärung darüber hinweggehen könnte.
Nun zu der Frage des Gesamtaufbaus! Fehlkonstruktionen allgemeiner Art rächen sich dadurch, daß man nachher mehr Nervenkraft verbraucht. Daß beispielsweise der Herr Bundesfinanzminister mit den Finanzministern der Länder in ständigem Streit liegt, daß der Vorsitzende des Finanzausschusses, der sehr verehrliche Kollege Wellhausen, und der Bundesfinanzminister, ja sogar der Vermittlungsausschuß sich ständig in der Frage des Finanzwesens streiten müssen, liegt an der nach unserer Auffassung unglücklichen Konstruktion der Finanzverwaltung im Grundgesetz. Aber hier, wie gesagt, wird nur mit Nervenkraft bezahlt. Bei einer Fehlentwicklung auf dem Gebiete des Wehrwesens zahlt man dann später meistens mit Blut und Tränen; das ist der Unterschied.
Daher sollte man — möglichst in Zusammenarbeit mit allen die Demokratie tragenden politischen Kräften Deutschlands — das Gesamtgefüge sehr klug aufbauen. Wir wehren uns dagegen, daß die Wehrmacht ein Teil der Exekutive ist. Das hört sich so leichthin an. Der Kollege Arndt hat schon in sehr fundierten Erklärungen gewisse Unterschiede aufgezeigt, wenn ich auch nicht in allen Konsequenzen mit ihm einig bin. Ich darf es aber nochmals wiederholen: Der Beamte verfügt, er gibt Weisungen, er sitzt am grünen Tisch. Der Soldat befiehlt und ist Herr über Leben und Tod anderer, wenn er den Schießbefehl gibt. Hier liegt doch ein wesentlicher Unterschied zwischen den Funktionen des Beamten und des Soldaten. Daher kann man nicht so leichthin sagen, die Wehrmacht sei ein Teil der Exekutive. Weil eben eine Wehrmacht eine erhebliche Veränderung des gesamten soziologischen Gefüges einer Demokratie mit sich bringt, muß auch ganz klar im Grundgesetz geregelt sein, wer der Träger der höchsten Kommandogewalt über diese halbe Million Mann Waffenträger ist.
Sie wissen, daß hier ein Antrag der Freien Demokraten auf Änderung des Grundgesetzes vorliegt wie auch entsprechende Zusagen der Koalitionsparteien und der Bundesregierung im Protokoll des Bundestages. Ich brauche das nicht zu widerholen, was schon Kollege von Manteuffel gesagt hat.
Wir werden eine Konstruktion finden müssen, die Ihren Bedenken, Herr Kollege Arndt, Rechnung trägt. Wir wollen nicht mehr die Wiederholung der Machtzusammenballung beim Reichspräsidenten mit dem Immediatrecht, mit dem Staat im Staate, der sich daraus entwickelte. Wir wollen aber auch nicht eine Schwergewichtsverlagerung nach der Exekutive hin, sondern wir glauben, daß hier nicht nur durch die Gegenzeichnung, sondern vielleicht auch durch andere, weitere Konstruktionen eine gesunde Balance der Gewalten durchgeführt werden kann. In jedem Falle aber gehört diese Regelung in das Grundgesetz.
Und, Herr Kollege Arndt: wenn es eine sittliche Verpflichtung gibt, Fehlkonstruktionen dadurch zu vermeiden, daß man selber eben an dieser Verfassungsänderung mitwirkt, dann, glaube ich, ist diese Verpflichtung für das ganze Haus, auch für die Opposition, gegeben, und wir werden nicht müde werden, Herr Kollege Arndt, Ihre Partei aufzufordern, bei den Grundlagen, vor allem bei der Gestaltung des Oberbefehls, durch Ihre verantwortlichen Stimmen eine Fehlkonstruktion zu vermeiden, und jene Lösung zu wählen, die der Demokratie am meisten dient
Wir werden auch weiter an unserem Vorschlag festhalten, einen Bundesverteidigungsrat oder einen Verteidigungssenat einzurichten, wobei allerdings bedacht werden muß: Will man diesen Verteidigungsrat als ein Organ eigener Art, muß man auch hier eine Änderung des Grundgesetzes vornehmen; denn man kann die Bundesregierung aus ihrer Kollektivverantwortung ebensowenig lösen wie den Regierungschef aus seiner Verantwortung für die Richtlinien der Politik. Will man also die amerikanische Konstruktion des National Security Council, die ebenfalls auf einem Gesetz basiert, dann muß man das Grundgesetz ändern. Will man das aber nicht, dann muß man wenigstens eine Konstruktion wählen, wie sie das Wirtschaftskabinett jetzt schon darstellt, das heißt ein Verteidigungskabinett, dem neben dem Regierungschef sein Stellvertreter, die Minister des Innern, des Auswärtigen, der Wirtschaft, der Finanzen und der Verteidigung angehören, als vorbereitendes Gremium der Entscheidungen, von denen die Bundesregierung insgesamt nicht befreit werden kann; die letzte Verantwortung wird bei der Bundesregierung und dem Regierungschef verbleiben müssen.
Es wird sich auch empfehlen, eine solche Konstruktion, ein Kollegium zu wählen, um das militärische Nachrichtenwesen, das ja in der heutigen Zeit der ideologischen Spannungen zwangsläufig gleichzeitig ein politisches Nachrichtenwesen ist, nicht einem Mann, sondern einem Gremium zu unterstellen, damit das militärische Nachrichtenwesen, das immerhin mit einem Gesamthaushalt von fast 30 Millionen DM pro Jahr operieren kann, außerhalb jeder Gefahr des parteipolitischen Mißbrauchs steht.
Hier werden wir sehr aufmerksam die Frage der Unterstellung des militärischen und politischen Nachrichtendienstes verfolgen. Wir wünschen, daß er einem Kollegium unterstellt wird und daß Vertrauensleute aller Fraktionen des Hauses, auch der Opposition, Gelegenheit haben, wichtige Nachrichten rechtzeitig zu erfahren und nicht erst aus der Tagespresse, wobei selbstverständlich als Korrelat dazu die besonders strenge Verpflichtung zur Geheimhaltung gesetzlich fixiert werden müßte.
Einige Worte zu der nächsten Organisation: Oberbefehl — Verteidigungsrat — Verteidigungsministerium. Hier ist schon vom Kollegen von Manteuffel die amerikanische Erfahrung dargelegt worden, die sehr gut ist. Über dem gesamten amerikanischen Wehrwesen wölbt sich ein Dach ziviler Verantwortung. Das geht so weit, daß nicht nur der Wehrminister ein Zivilist ist, sondern auch die drei Oberbefehlshaber von Heer, Marine und Luftwaffe Zivilisten, d. h. Unterstaatssekretäre sind. Als der Präsident Eisenhower sein Amt antrat, haben die Militärs, in der Annahme, ein General werde nun die Konstruktion umändern, versucht, Militärs zu Oberbefehlshabern von Heer, Marine und Luftwaffe zu machen. Das hat Präsident Eisenhower, eben weil er als General die Wichtigkeit des Primats des Zivilen kannte, abgelehnt, und es verblieb bei der 150jährigen Tradition.
Wir sollten aus dieser Konstruktion das entnehmen, was der deutschen wehrverfassungsrechtlichen Entwicklung entspricht. Wir sollten vor allem auf sehr peinliche Kompetenzabgrenzungen achten. Das Ministerium des Bundesministers Blank wird doch ein Mammutministerium werden, und zwar zwangsläufig: denn er hat ja nicht nur über eine
halbe Million Uniformträger Weisungs- und Kommandorecht — nicht nur mittelbares, sondern auch unmittelbares, wie er gestern erklärte —, sondern da hängen doch mindestens an der Verwaltung mittelbar und unmittelbar eine Million Zivilisten. Hier entsteht die Frage: Wie kann ein solches Mammut-ressort so verwaltet werden, daß es nicht durch eine gewisse Eigengesetzlichkeit sich immer mehr dem entfremdet, der die Verantwortung gegenüber dem Parlament zu tragen hat?
Es ist kein Geheimnis, daß in der früheren Dienststelle Blank und dem sich jetzt im status nascendi befindenden Bundesministerium für Verteidigung eine spannungsgeladene Atmosphäre herrscht. Man sollte gerade in einem Ministerium für Verteidigung nicht die spannungsgeladene Atmosphäre eines überhitzten Dampfkessels vorfinden, sondern die kühle Ruhe der römischen Senatoren und athenischen Archonten. Ich hoffe sehr, daß es Ihnen gelingt. Vielleicht ist da auch mancher Wechsel notwendig; denn es ist verständlich, daß Ihre Mitarbeiter ziviler wie militärischer Art in den vier Jahren Planungsarbeit reichlich nervös werden mußten. Ich habe in der Debatte des Februar dem Herrn Bundeskanzler und dem jetzigen Herrn Bundesminister für Verteidigung empfohlen, tunlichst darauf zu achten, daß in dieser höchsten Spitze sowohl Angehörige höchster Stäbe wie aber auch die Offiziere und Unteroffiziere der Front mitarbeiten können. Und Herr Kollege Erler hat es ja schon in der letzten Debatte dargelegt, daß man nicht nur immer die hören sollte, die im zweiten Weltkrieg nur am grünen Tisch saßen, sondern auch die, die die Haut zu Markte — so sagte Herr Erler wörtlich — getragen haben.
Ich darf wiederholen, was ich dem Herrn Bundeskanzler sagte: An den katastrophalen Fehlentscheidungen des zweiten Weltkrieges war nicht nur „der größte Feldherr aller Zeiten", der Gefreite Hitler, schuldig; auch ein großer Teil seiner militärischen Umgebung hat zumindest deswegen, weil er nicht wagte, auch gelegentlich nein zu sagen, einen großen Teil moralischer Schuld auf sich geladen.
Ich möche gern, daß sich in einem solchen Amt Menschen befinden, die den Mut haben, gelegentlich Bedenken zu äußern, und die den Versuch machen, politische und militärische Notwendigkeiten zu koordinieren. Es wäre verhängnisvoll, Herr Bundeskanzler — wir haben in Deutschland leider die Neigung dazu —, daß auf das „Jawohl, mein Führer!" das „Ja, Herr Bundeskanzler!" folgen könnte.
Es empfiehlt sich, rechtzeitig auf diese Frage hinzuweisen, und ich hoffe, daß nicht nur die Herren aus OKH, OKL, OKM und OKW, die sich gegenseitig nachgeholt haben, entscheidend sind, sondern auch jene Leute, die die Praxis erlebt haben. Hier muß eine gesunde Mischung der notwendigen höheren Wehrmachtstäbe und der Fronterfahrungen erfolgen; um so besser wird 'das Ergebnis der Arbeit des Ministeriums sein.
Oswald Spengler hat einmal in einer Rede vor der akademischen Jugend in Würzburg im Jahre 1924 darauf hingewiesen, daß wir Deutschen leider immer zur Theorie neigen und so wenig der Empirie, der Praxis, Raum geben. Er sagte: Da gibt es Menschen, 'die über die Funktionen der Wirtschaft, über volkswirtschaftliche Fragen wissenschaftlich arbeiten, aber nicht einmal ein Hüttenwerk von innen gesehen haben; und es gibt Menschen, die glänzende Konstruktionen verfassungsrechtlicher Art wissenschaftlich diskutieren, aber nicht wissen, wie ein Reichsministerium organisiert ist und funktioniert. Also hier zwischen der bei uns leider oft übertriebenen Theorie und der Empirie und Praxis eine gesunde Synthese zu finden, wird Aufgabe des Ausschusses sein, der bei der Spitzengliederung ja I noch ein sehr maßgebliches Wort mitzureden hat.
Ein Letztes zu der Frage der Pressepolitik. Ich glaube, Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben zu Unrecht den Vorwurf erhoben, daß jene Broschüre bekanntgegeben worden sei, ohne daß das Parlament sie gekannt habe.
Im Ausschuß für europäische Sicherheit ist in drei Jahren unter sehr maßgeblicher, imponierender Beteiligung Ihrer Kollegen Erler, Mellies, Carlo Schmid, Gleisner und Menzel, um nur einige zu nennen, das an Grundzügen zustande gekommen, was hier veröffentlicht ist.
Ich erinnere nur daran, daß wir drei Arbeitskreise hatten.
— Über Fragen des inneren Gefüges, über die Frage, ob man den Unteroffizier mit „Herr Unteroffizier" oder mit „Unteroffizier Müller" anreden sollte, ist ohne weiteres bei den Fraktionen zu sprechen die Möglichkeit gewesen. Vertraulich sind doch nur die wirklich militärischen Geheimnisse. Das, was Sie mir jetzt entgegenhalten, ist kein Argument. Im übrigen werden wir uns ja in Kürze über die Frage des Geheimhaltungsschutzes und der Geheimhaltungsbestimmungen unterhalten.
Damit komme ich zum Bundestagsausschuß für Verteidigung. Der Ausschuß für Verteidigung hat eingehend das innere Gefüge behandelt. Wir haben
uns eine Stunde darüber unterhalten, ob es „Herr Unteroffizier Müller" oder „Unteroffizier Müller" heißen sollte. Als ich sagte: Herr Kollege Carlo Schmid, ist das nicht etwas sehr viel, was wir den Randproblemen hier an Zeit widmen? da erklärten Sie: Es sind durchaus nicht periphere Probleme; es sind wichtige Probleme. Und wie lange haben wir uns darüber unterhalten, ob die Soldaten in Holz- oder Metallbetten, übereinander oder nebeneinander schlafen sollten! Wir haben aber bei unseren Debatten den strategischen Planungen leider nicht genügend Raum gegeben. Es geht nicht an, daß Fragen der Sicherheit der deutschen Bevölkerung, Fragen der katastrophalen strategischen Situation Deutschlands, wie sie auch jetzt wieder bei den Manövern der „Carte blanche" sichtbar werden, nur durch Publizisten in Deutschland behandelt werden. Nein, wir haben die Pflicht, sie v o r den Publizisten zu behandeln.
Ich bin den Publizisten dankbar, aber nicht ihre Pflicht wäre es, nicht Weinsteins und Paul Sethes Pflicht wäre es, uns darauf hinzuweisen; unsere Pflicht wäre es, diese Planungen zu erfahren und zu beraten.
Man kann nicht als Argument, daß wir über große strategische Fragen im Ausschuß nicht mehr viel erfahren, etwa die Erklärung gelten lassen: Ja, der frühere stellvertretende Landesvorsitzende der CDU aus Hamburg und Bundestagsabgeordnete Schmidt-Wittmack war auch Mitglied des Ausschusses und hat sich in Kenntnis aller strategischen Planungen, die er aus dem Vortrag des Generals Heusinger erfahren hatte, dann nach drüben abgesetzt. Man kann nicht den Hoch- und Landesverrat eines Abgeordneten zum Grund nehmen, uns nichts mehr über die grundsätzlichen strategischen Probleme zu sagen. Ich hoffe, daß das auch in Zukunft kein echter Grund sein wird.
Einige Worte zu dem, was gerade Weinstein, aber auch andere anschnitten, die Frage: Hat sich nicht in der nuklearen Strategie seit der Planung der EVG vieles verändert? Sind nicht unsere Planungen schlechthin überflüssig geworden? Haben klassische Waffen überhaupt noch eine Existenzberechtigung? Ich habe schon im Februar darauf hingewiesen, daß die Entwicklung der modernen Luftwaffe nicht, wie es der General Douhet 1935 vorausgesagt hat, zu einer völligen Umwandlung der Strategie geführt hat. Natürlich Strukturveränderungen, aber die klassische Bewaffnung ist nicht schlechthin überflüssig geworden. Das gilt nach der Meinung der Strategen aller Richtungen auch heute noch. Die Strategie wird sich durch die nuklearen Waffen wesentlich ändern; die Verbände werden aufgelockert werden, sie werden noch unabhängiger vom Nachschub werden müssen, sie werden noch verwundbarer sein. Wir werden vieles umplanen müssen, aber die klassische Bewaffnung ist durch die nuklearen Waffen nicht schlechthin unsinnig geworden.
— Daß der Schutz der Zivilbevölkerung im Mittelpunkt aller unserer Überlegungen stehen muß und
daß neben dem Planen der mobilen Verbände auch
das Planen des Schutzes der Zivilbevölkerung, der Heimatverteidigung usw. einen großen ideellen und materiellen Raum einnehmen muß, versteht sich von selbst.
Wir sind der Auffassung, daß der Friede am ehesten gewahrt ist, wenn dem einen mächtigen politischen und militärischen Block des Ostens ein ebenso starker politischer und militärischer Block des Westens gegenübersteht, damit keiner von beiden in die Versuchung kommt, einen risikolosen Angriff zu wagen. Daß also in einer Gleichgewichtigkeit der politischen und militärischen Potenzen die Chance des Friedens bleibt, so wie kürzlich auch Churchill gesagt hat, die Furcht vor den Waffen sei nunmehr die Tochter des Friedens geworden. Wenn es trotz aller Planungen doch zum casus belli kommen sollte, dann — geben wir uns keiner Illusion hin! — wird Deutschland in jedem Fall Atombombenversuchsfeld beider Parteien werden, und dann gibt es eine nachhaltige Verteidigung Europas mit Schutz der Zivilbevölkerung kaum noch; denn das jetzige Manöver der Carte blanche beweist, daß man aus strategischen Gründen rücksichts- und gnadenlos 50, 100, 300 Atombomben
wirft. Die andere Seite wird sie auch werfen. Genau so wie auf Caën, Falaise und Lisieux die Liberator-Bomber aus 7 km Höhe ihre Bombenlast abluden ohne Rücksicht darauf, wieviel Zehntausende der französischen Bevölkerung mit getötet wurden, so wird auch die Strategie eines atomaren Weltkrieges gnadenlos hinweggehen über das Schicksal derer, die zwischen den Fronten liegen. Das ist eine bittere Erkenntnis, aber es hat keinen Sinn, sich hier in unserer politischen und geographischen Lage Illusionen hinzugeben. Darum wollen wir durch gewisse Maßnahmen prohibitiv wirken, d. h. durch Schaffung des Gleichgewichts den Casus belli möglichst nicht eintreten lassen; denn der ist für uns ohnehin tödlich.
Aber, meine Damen und Herren, in dem Augenblick, in dem wir in den atlantischen Planungsstäben sitzen, im Atlantischen Rat vertreten durch den Außenminister, im Militärausschuß vertreten durch unsere militärischen Fachleute, in der Standing Group, wie ich hoffe, auch bald, haben wir doch die Chance der Mitgestaltung und Mitberatung. Ich lege Ihnen die Frage vor: Wann haben wir wohl mehr die Furcht zu hegen, verbrannte Erde zu werden, wenn man bei der atlantischen Planung drüben auf die Existenz von einer halben Million deutscher Soldaten und auf ihre Angehörigen Rücksicht nehmen muß oder wenn man, ohne sich um unser Schicksal zu kümmern, mit dem Boden Deutschlands schalten und walten kann, wie man will?
Die letzte Chance, überhaupt noch den Casus belli zu verhindern, haben wir, wenn wir im Atlantischen Rat ebenso warnend unsere Stimme zur Wahrung unserer eigenen Interessen erheben können, wie es England im Korea-Fall und im Indochina-Fall auch getan hat, wo die englische Politik verhindert hat, daß sich der Interventionismus durchgesetzt hat. Ich sehe also darin ein großes Element der Friedenssicherung, nämlich in der Rücksichtnahme der atlantischen Planung auf unsere Verbände und ihre Angehörigen und in der
Chance des Mitredens. Politik ist schon Mitbestimmung des eigenen Schicksals! Im Atlantischen Rat sitzen bedeutet: Mitbestimmen auch über das Schicksal, das sich aus dem Casus belli eines Tages für uns ergeben könnte. Hier haben wir also die letzte Möglichkeit, an den Hebeln noch das für die politische und geographische Lage Deutschlands Günstigste herauszuholen. Daß wir bei den kommenden Aufstellungen natürlich darauf Rücksicht nehmen werden, daß mancher Gedanke eines Oberst von Bonin vielleicht gar nicht so abwegig ist — wenn ich auch sein Gesamtkonzept ablehne —, daß dem also in den Jahren 1955/1956/1957 mehr Rechnung getragen werden muß als in den Jahren 1951/1952, als diese nuklearen Waffen noch nicht in diesem Maße vorhanden waren, das ist eine Selbstverständlichkeit für jeden Militärfachmann.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zu dem sagen, was der Kollege Matthes heute bezüglich des Personalausschusses gesagt hat. Herr Kollege Matthes, es ist sehr einfach, sich heute hinzustellen und zu sagen: Wir wollen keinen Personalausschuß, weil wir keine neue Entnazisierung wollen. — Aber das verschiebt doch erheblich die -Verantwortlichkeiten! Es war der Herr Bundeskanzler, der aus gutem Grund den Wunsch hatte, allen politisch verantwortlichen Kräften in Deutschland die Chance der Auswahl zu geben. Das ist übrigens in der Geschichte nicht neu. Nach dem preußischen Krieg — man verzeihe mir, wenn ich wieder von Preußen spreche — hat auch die preußische Armee sich eine Prüfung gefallen lassen müssen. Es war sehr interessant, festzustellen, wie sich die Offiziers beim Zusammenbruch von Tilsit benommen haben — vorher und nachher —, und es ist kein Offizier in der preußischen Armee weiter oder wieder in den Dienst gekommen, der sich nicht vor einer solchen Ehrenkammer verantworten mußte. Angesichts vieler Erscheinungen, Herr Kollege Matthes, die es im Krieg an Servilität gegenüber dem „größten Feldherrn aller Zeiten" und nach dem Krieg an Kameradenverrat in manchen Gefangenenlagern gegeben hat, halte ich es für richtig, daß diejenigen, die später Verantwortung für viele Jahre und für viele Tausende unserer Söhne tragen werden, unter dem Licht der Demokratie erst einmal bestehen müssen. Nur so können wir verhindern, daß Menschen, die vielleicht tapfere Soldaten waren wie Remer oder Ramcke oder Rudel, die aber politisch ein Unglück für die Demokratie in Deutschland wären, auch nur die Chance haben, irgendwie wieder militärische Kommandos zu erhalten.
Es wird Aufgabe dieses Ausschusses, es wird Aufgabe der Regierung sein, zu verhindern, daß daraus ein Untersuchungsausschuß, etwa mit diskriminierenden Methoden, wird.. Im übrigen: jeder, der bei einem Betrieb sich bewirbt, muß sich vorstellen und muß sich gelegentliche Prüfungen gefallen lassen. Wir haben unlängst in Köln einen Intendanten gewählt, einen sehr tüchtigen und bewährten Intendanten. Er mußte vor dem Gremium des Rundfunkrats von 21 Personen und dem Verwaltungsrat von 7 Mitgliedern zwei Stunden Rede und Antwort stehen. Das ist das gute Recht eines Aufsichtsgremiums, vor der Entscheidung sich ein Urteil zu bilden. Ich sehe nichts Diskriminierendes im Personalausschuß, sondern das, was in der Wirtschaft die selbstverständlichste Einrichtung ist.
Ich bitte daher, in Zukunft nicht mehr die Verbindung „Personalausschuß — neue Entnazisierung" zu bringen. Das ist außerdem wider die Wünsche des Herrn Bundeskanzlers, und Ihre Fraktion, Herr Kollege Matthes, läßt es sich doch immer sehr angelegen sein, eiligst die Wünsche des Kanzlers zu erfüllen.
Nun zu der Frage: was bekommen wir für Menschen durch das Freiwilligen-Gesetz, das ja nur einen vorübergehenden Status schafft. Ich sehe wie Kollege Heye die Gefahr, daß wir die Besten nicht bekommen. Ich freue mich über die Feststellung in der Regierungserklärung, daß nach 1945 viele ehemalige Berufssoldaten sich neu geregt haben. Wir wollen die haben, die nach 1945, wo und in welcher Beschäftigung auch immer, zugepackt haben. Wir wollen aber nicht jene Wartestandstypen, die die Hände in den Schoß gelegt und auf eine neue Konjunktur gewartet haben.
Die Gefahr besteht allerdings, daß wir die Wartestandstypen, die nirgendwohin Bindungen haben, bekommen, dagegen nicht jene befähigten Offiziere und Unteroffiziere, die längst in der Wirtschaft so honoriert werden, daß sie — auch nach der Beratung mit ihrer Frau — keinen Anlaß mehr sehen, ihre sichere Position in der Wirtschaft mit dem sehr unsicheren Status des Soldaten auf Probe einzutauschen. Es wird hier die Aufgabe sein, die Sicherung zu verstärken. Im übrigen werden die Besten nur kommen — das ist schon gesagt worden —, wenn wir sie neben dem Ideellen auch materiell so stellen, daß der Beruf wieder attraktiv wird.
Wie stark neben allen Gesetzen der kommende Offizier und Unteroffizier auch typenbildend wirkt, das haben Sie alle erfahren, meine Herren. Es kommt weniger auf das Gesetz an als auf die Persönlichkeit, die das Recht des Kommandos über Untergebene hat. Wir wissen doch, wie Scharnhorst, Moltke, Gneisenau, der Marschall Vorwärts Blücher, Seydlitz vor dem 1. Weltkrieg, wie von Richthofen und Boelcke im 1. Weltkrieg typenbildend waren, wir wissen, wie in der Reichswehr Seeckt und Groener typenbildend waren, wobei ich mir kein Urteil erlauben möchte — da sind Berufenere hier —, ob im Positiven oder Negativen; oder Guderian und Rommel im 2. Weltkrieg. Es kommt darauf an, jene Menschen zu finden, die auf Grund ihrer Persönlichkeitswerte jenen Typus des militärischen Vorgesetzten erziehen, der von uns gewünscht wird, d. h. der nichts von seinen Untergebenen verlangt, was er nicht jederzeit selbst zu geben bereit ist, und der die Achtung vor der Menschenwürde und den Grundrechten der Demokratie als die höchste Pflicht unserer heutigen Zeit ansieht.
Ob nun dieser Personalausschuß gesetzlich erwähnt werden soll oder nicht, das wird erst noch entschieden werden müssen. Unsere Fraktion neigt dazu, seine gesetzliche Erwähnung und damit Verankerung vorzuschlagen, nicht dagegen ein besonderes Gesetz über den Personalausschuß, weil wir glauben, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts nicht so permanent gelöst werden sollte wie etwa durch das Personalvertretungsgesetz. Denn die Mitbestimmung bei den Beförderungen usw. hat ja zum Teil die Exekutive, zum Teil haben wir sie selbst durch das Budgetrecht und die Tätigkeit des Ausschusses für Verteidigung.
Ob man noch den vom Kollegen Paul vorgeschlagenen vom Parlament gewählten Militärinspekteur vorsieht, wie er sich in Schweden bewährt hat, ist auch eine Frage, die wir noch zu lösen haben. Herr Kollege Paul hat aus dem schwedischen Beispiel vorgeschlagen, jenen vom Parlament gewählten Militärinspekteur auch hier einzurichten, der das Recht zur unangemeldeten Inspektion in allen Verbänden hat und dem Parlament unmittelbar in regelmäßigen Zeitabständen über seine Erfahrungen und Beobachtungen zu berichten hat.
Einige Worte noch zur Wehrverwaltung. Ich begrüße mit meiner Fraktion die Einrichtung einer bundeseigenen Verwaltung. Ich begrüße noch mehr die Loslösung der Verwaltung vom Militärischen und ihre Eingliederung in das Zivile. Denn was wir in der Wehrmachtverwaltung an Mißwirtschaft, Korruption und frontfremden Handlungen erlebt haben, das könnte ein besonderes Werk der Kriegsgeschichte füllen.
Ich darf Ihnen nur als ein Beispiel der Unsinnigkeit heeres- oder wehrmachtsverwaltungsmäßiger Planung die Tatsache nennen, daß im Winter 1941 zu Weihnachten für jeden Mann eine Flasche Wein, eine halbe Flasche Sekt und eine halbe Flasche Kognak nach der Ostfront geschickt wurden. Was jeder Weinkaufmann in Deutschland als das Primitivste weiß, daß man bei Frost von schon 6 oder 8 Grad keinen Wein mehr verschicken darf, das hat die deutsche Wehrmachtverwaltung nicht gewußt. Sie hat Millionen von Flaschen Wein an die Ostfront mit ihren 30, 40, 50 Grad Kälte geschickt mit dem Erfolg, daß das Ganze ein einziger zerplatzter großer Haufen auf jedem Bahnhof der Frontabschnitte war.
Trachten wir also danach, die Wirtschaft einzuschalten, zivile Elemente, die besser mit dem umgehen können, was man ihnen anvertraut, die das Gefühl haben, daß es ihr Geld und Gut ist, das sie verwirtschaften, und nicht einen Mann, der das Gefühl hat: das gehört mir ja nicht, damit kann ich großzügig umgehen.
Vielleicht wird es zweckmäßig werden, sich die großen Vorarbeiten beispielsweise der verschiedenen Fachverbände der Wirtschaft, des Bundesverbandes der deutschen Industrie, zunutze zu machen, um das Beschaffungswesen klug zu regeln, nicht so zu regeln, Herr Bundesminister, wie es beim Bundesgrenzschutz gemacht wurde, wo wir für 20 000 Uniformen 43 Firmen in 11 Ländern beteiligen mußten mit dem Ergebnis einer erheblichen Verteuerung und einer Fehlkalkulation ersten Ranges. Also bitte keine überspitzten föderalistischen Anwandlungen und die Bitte an die Kollegen: Es muß nicht unbedingt jeder Kollege aus seinem Wahlkreis Herrn Blank auch eine Firma für die Lieferung anbieten.
Das Problem der Wehrmachtsaufträge in einer Rüstung von Milliarden ist überhaupt ein sittliches Problem. Ich habe die große Sorge, daß gewisse Erscheinungen der deutschen Nachkriegszeit, wie wir sie bei den Besatzungsbauten zur Genüge kennengelernt haben, sich jetzt auch in die deutsche Aufrüstung hineinschleichen könnten. Ich bitte daher zu überlegen, ob man nicht im Bundesministerium für Verteidigung eine Stelle zur Bekämpfung von Korruption und Mißwirtschaft einrichten sollte. Das ist keine besondere Institution — Herr
Kollege Jacobi hat seinerzeit in Nordrhein-Westfalen als beauftragter Kommissar für Korruption und Mißwirtschaft fast 5000 Fälle bearbeitet —, es ist nur ein kleiner Apparat mit einigen Oberstaatsanwälten mit dem Ermittlungsrecht nötig. Aber schon seine Existenz wird prohibitiv wirken, d. h. wird manchen, der auf Kosten unserer Söhne Rüstungsspekulationen treiben will, dorthin bringen, wohin er gehört. Ich werde mir erlauben, diesen Vorschlag der Einrichtung eines Amtes zur Bekämpfung von Korruption und Mißwirtschaft, den ich vor drei Jahren dem Herrn Bundesminister bereits schriftlich mit einzelnen Unterlagen vorgelegt habe und der auch vom Kollegen Jacobi und anderen unterstützt wurde, erneut wieder aufzugreifen.
Bei der weiteren Gesetzgebung werden wir Freien Demokraten sehr darauf achten, daß beim Sachleistungsgesetz nicht der Mißbrauch des Reichsleistungsgesetzes wiederkehrt und daß man beim Landbeschlagnahmerecht nicht wieder die Achtung vor dem Eigentum so aushöhlt, wie das in der Vergangenheit geschehen ist. Wenn jedoch enteignet werden muß, dann soll man tunlichst Ersatz aus dem Besitz des Bundes und der Länder stellen. Der Bund ist schon jetzt der größte Unternehmer der deutschen Wirtschaft geworden. Er soll nicht noch größer werden, indem er große Latifundien auch noch auf militärischem Sektor sein eigen nennen kann.
Zu der Kriegsdienstverweigerung will ich nur daran erinnern, Herr Kollege Arndt, daß die Beratungen im Parlamentarischen Rat keineswegs ein so eindeutiges Urteil erlauben. Soweit ich die Protokolle des Parlamentarischen Rates kenne, hat man aus der Parallele der Mennoniten, Baptisten und anderer an ein Kriegsdienstverweigerungsrecht aus religiösen oder dem Religiösen verwandten ethischen Motiven gedacht. Ich weiß auch, daß damals die ganze Fragwürdigkeit des Kriegsdienstverweigerungsrechts diskutiert wurde. Herr Kollege Carlo Schmid hat sich an der Debatte sehr nachhaltig beteiligt, ebenso auch andere. Ein Redner meiner Partei sprach von einem Massenverschleiß des Gewissens, den man erleben würde, von der Tatsache, daß im technisierten Krieg der Dienst mit der Waffe kaum noch als so mörderisch angesehen werden könnte — und das ist doch der letzte Grund: man will nicht töten — wie das Fabrizieren von Bomben, mit denen man Zehntausende tötet. Ich glaube also nicht, daß man das Kriegsdienstverweigerungsrecht so einseitig auslegen kann — jedenfalls nach unserer Auffassung —, wie es Herr Kollege Arndt eben hier dargetan hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nunmehr abschließen mit einem Appell an die Frage des Rechts. Helmut Lindemann schreibt heute in der „Stuttgarter Zeitung":
Am Anfang der abendländischen Rechtsgeschichte stehen Moses, Lykurg und Solon, jene beiden noch im Dämmerschein der Legende, dieser bereits im hellen Licht der Geschichte. Allen gemeinsam und dem Werk der drei Männer gleichermaßen wesentlich ist das Wissen um die Würde der Gesetzgebung, um den göttlichen Ursprung des Rechtes, das immer neu zu gestalten und zu verwalten allerdings den Menschen aufgegeben ist, dessen Würde zu mißachten aber schreckliche Strafen und j eden-falls den Verfall des Gemeinwesens nach sich zieht.
Ich hätte mir gewünscht, daß die geistigen Autoren des Freiwilligengesetzes auch im Schillerjahr die Gesetzgebung des Lykurgos und des Solon gelesen hätten. Sie hätten sich da vielleicht mehr Gedanken über die Frage der Wehrgesetzgebung gemacht, als in dem unglücklichen Freiwilligengesetz — unglücklich in seiner Art und wie es eingebracht wurde — leider sichtbar wurde.
Leonard Nelson, der Ihnen ja nahesteht, schrieb die „Rechtswissenschaft ohne Recht". Ein anderer schrieb nach 1945 „von der Degeneration und von der Regeneration des Rechts", und wir alle haben erlebt — und haben uns nach 1945 bitter darüber beklagt —, daß man das Recht zur Dirne der Politik erniedrigt hat. Es kam so weit — ohne einen Aufstand der deutschen Universitätsprofessoren —, daß man sagen konnte: Des Führers Wille ist Gesetz, und Tausende haben das dann leider mit ihrem Leben bezahlen müssen.
Meine Damen und Herren, es ist die Gefahr, daß man auch heute wieder versucht, das Recht zur Dienerin der Politik zu erniedrigen. Das Recht ist nicht die Dienerin der Politik, sondern zusammen mit der Freiheit das höchste zu schützende Gut unserer Zeit und Politik ist ja wohl nach Platons
Politeia die Lehre und Anwendung jener Grundsätze, wie man am besten ein Gemeinwesen führt und regiert zum größtmöglichen Wohl aller unter Wahrung der größtmöglichen Freiheiten für alle. So klassisch kann man Politik nur definieren, wenn man sich zum ewig göttlichen, zum Naturrecht und zum positiven Recht bekennt. Man kann nicht nur die Nationalhymne singen, man muß sich auch innerlich dazu bekennen. Nicht nur Einigkeit, was für die Wehrgesetzgebung wünschbar wäre, auch Recht und Freiheit der politischen und parlamentarischen Entscheidung, nur das kann das Motto der Wehrgesetzgebung der nächsten Zeit für uns alle sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Kollege Dr. Mende hat soeben vor diesem Hause mit klaren und zutreffenden Argumenten das Todesurteil über das Freiwilligengesetz in der von der Bundesregierung vorgelegten Fassung ausgesprochen.
Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Diese Art der Gesetzesvorlage, über die wir heute schon gesprochen haben und noch weiterhin sprechen müssen, verstößt im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Würde des Rechtes und damit auch gegen die Würde des Gesetzgebers;
denn auch der Bundesrat ist ein Teil des Gesetzgebers. Wir haben ihn hier vor der Tribüne des deutschen Volkes auch in seinen Rechten zu schützen und zu verteidigen, wenn er gekränkt wird.
Es ist ein wahres Glück, daß wir außer dem Freiwilligengesetz dann doch noch als verspätete Begründung die Regierungserklärung am gestrigen Tage bekommen haben. Sonst hätte der Debatte heute so ziemlich jede Substanz gefehlt, sonst würde ,dieses Freiwilligengesetz in seiner ganzen
Nacktheit und Bloßheit vor uns stehen und damit noch deutlicher vor unserem Volk und vor uns allen sichtbar werden, daß diese Vorlage unter gar keinen Umständen geltendes Gesetz werden kann und werden darf. Wer eigentlich auf den Bänken dieses Hauses hat heute für diese Vorlage der Regierung gesprochen? Niemand! Ich habe hier !buchstäblich nur Opposition in der Koalition gehört, und ich wäre wirklich erfreut, wenn wir diese Opposition in der Koalition nicht nur hören, sondern bei den entscheidenden Abstimmungen dann vielleicht auch einmal sehen würden.
Der Herr Verteidigungsminister hat gestern ein schlechtes Gesetz mit einer ganzen Reihe von guten Vorsätzen für die Zukunft vertreten. Die Vorsätze in allen Ehren; es sind eine ganze Reihe von Gedanken in der Regierungserklärung aufgeklungen, um die zu diskutieren es sich lohnt, wie die heutige Debatte gezeigt hat. Aber es kommt nach allem, was wir erlebt haben, nicht auf die Vorsätze an, sondern es kommt auf die Sicherung der Durchführung dieser Absichten an.
Da ist uns auch nach der Regierungserklärung selbst bisher immer noch nicht sichtbar geworden, wo jene gesetzlichen Sicherungen geschaffen, wo jene Grundpfeiler in die Ordnung unseres Grundgesetzes eingebaut werden, die vorhanden sein müssen, bevor ein bewaffnetes Instrument entsteht; denn hinterher können Sie die durch den Aufbau einer bewaffneten Ordnung sich verändernde gesellschaftliche Verfassung gar nicht mehr in die richtige Form bringen, wenn Sie das nicht an den Anfang setzen.
Die Sicherungen, von denen ich sprach, die uns allen unabweisbar erscheinen, finden sich jedenfalls in der uns vorgelegten Fassung des Freiwilligengesetzes nicht. Dieses Freiwilligengesetz soll der Regierung Handlungsfreiheit geben; die einzige Beschränkung ist ein Termin. Was nützt ein Termin? Sie haben selbst oft und oft hier erlebt, wie rasch dann, wenn man uns allen eine Sache dringlich gemacht hat, ein solcher Termin verlängert worden ist. Meine Damen und Herren, mit dem Aufbau der Wehrordnung dürfen Sie erst beginnen, wenn Sie die entscheidenden rechtlichen Fundamente für den Standort eines Wehrinstrumentes in der 'demokratischen Wirklichkeit geschaffen haben, nicht vorher. Was die Regierung nach diesem Gesetz entgegennehmen würde, wäre die Ermächtigung zum Handeln, teils direkt auf Grund des Gesetzes, teils durch die Ermächtigung zum Erlaß von weiteren Verordnungen.
Wir sind damit zu einem innerpolitischen Problem von größter Tragweite vorgedrungen. Der Herr Kollege Dr. Jaeger sprach mit Recht von der Empfindlichkeit der deutschen Jugend auf diesem Gebiet, und er hielt es — und ich teile seine Meinung — für ein Zeichen der Reife dieser Jugend, daß sie mit großer Skepsis alles das beobachte, was da entsteht und was eines Tages auch Leistungen von ihr zu fordern imstande ist. Aber gerade wenn wir uns über diese Geistesverfassung derer, auf die es letzten Endes 'ankommen wird, vollkommen im klaren sind, dann müssen wir doch begreifen, wie besonders schädlich in dieser Situation unbegründete Eile ist.
Meine Damen und Herren, an die große Aufgabe, die Sie sich und damit uns allen gestellt haben, kann man nur mit einem Höchstmaß an Nüchternheit und frei von jeder Mystik rund Verbrämung herangehen. Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, daß ich mich, wenn ich auch mit weiten Teilen der Reden, ,die jene beiden Kollegen, von denen ich jetzt sprechen werde, heute hier gehalten haben, nicht einverstanden bin, dennoch über den in den Jungfernreden der Kollegen Berendsen und Kliesing großenteils zum Ausdruck gekommenen Geist der Nüchternheit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung, zum Gespräch gefreut habe. Beide werden natürlich durchaus begreifen, daß sie, wenn sie sich hier ins parlamentarische Gefecht begeben haben — jedem von uns ist es ja einmal so gegangen, daß er von einer gewissen Nervosität befallen war —, damit rechnen müssen: Wer eine scharfe Klinge schlägt, der bekommt ab und zu auch einen Kratzer lab. Das werde ich mir nachher mindestens bei einem der beiden Herren, nämlich bei dem Kollegen Kliesing, herausnehmen müssen, obwohl es seine Jungfernrede war.
Wenn wir an die Aufgabe dieser Verwirklichung, wie Sie sagen, der Pariser Verträge herangehen — sie sind eine Realität, sie sind in der Welt, sie sind da —, wenn wir uns über die Meinungsverschiedenheiten unterhalten, die nach wie vor zwischen dieser und jener Seite des Hauses über die Zweckmäßigkeit dieser Verträge bestehen, dann lassen Sie sich bitte eins gesagt sein: Selbst wer ein Anhänger der Politik des Bundeskanzlers ist, selbst wer die Verträge in jeder Weise für richtig hält, der sollte dennoch die Verpflichtung begreifen, an den Anfang der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland eine richtige und eine gute Gesetzgebung zu setzen und nicht ein gefährliches Provisorium.
Auf die Gleise, die jetzt gelegt werden, kommt es an.
Man sage uns nicht: es ist ein lächerlicher Prozentsatz der künftigen Streitkräfte! Meine Damen und Herren, machen wir uns doch gar nichts vor: von den ersten 6000 hängt es ab, wie der Rest des Ganzen später aussehen wird.
Das gilt für die Personen, und das gilt für die Institutionen. Deshalb dürfen Sie weder die Institutionen noch die Personen allein zur Disposition der Bundesregierung oder auch des Verteidigungsministeriums stellen, sondern Sie müssen sich in beiden das entscheidende Wort des Gesetzgebers vorbehalten.
Das ist das, was man, glaube ich, als allgemeinen Gesichtspunkt vor diese ganze Debatte um den innerpolitischen Fragenkomplex stellen muß.
Es ist — und in der viel zitierten Broschüre des Verteidigungsministeriums wird ,das hervorgehoben — eine ganze Reihe von Versprechungen gerade gegenüber der jungen Generation über den Zustand gemacht worden, in dem sich die bewaffnete Macht künftig befinden wird. Die Zeitschrift der evangelischen Jugend, die „Junge Stimme", hat in diesem Zusammenhang einige sorgenvolle Fragen an den Herrn Verteidigungsminister gerichtet. Ich finde, diese Fragen sind so wichtig, daß wir sie durchaus aufgreifen sollten. Die „Junge Stimme" wollte unter anderem wissen: Sind eigentlich alle
bisherigen Erklärungen noch voll glaubwürdig, wenn der Anfang der Gesetzgebung nicht in Übereinstimmung mit dem steht, was in den Bundestagsausschüssen besprochen worden ist? Denn, meine Damen und Herren — ich wiederhole hier noch einmal ausführlich die Erklärung —, nicht einmal der Gedanke eines dem jetzigen Freiwilligengesetz auch nur von fern ähnlich sehenden Gesetzes ist jemals im Sicherheitsausschuß des Bundestages besprochen worden, zu keiner Zeit und zu keiner Stunde. Es ist wichtig, das zu wissen, damit wir begreifen, daß dieser Akt der Gesetzgebung mit Recht Mißtrauen erweckt hat, weil er mit einer Zerstörung der Atmosphäre begann, in der man früher eine gewisse Bereitschaft zu erkennen glaubte, daß die künftigen gesetzgeberischen Akte der Bundesregierung in ihren großen Linien mit dem Ausschuß des Parlamentes besprochen würden, bevor sie den weiteren Weg in der normalen Maschine der Gesetzgebung machen würden. Von dieser Absicht war nie die Rede.
Das zweite, was hierher gehört, ist die Stellung jener Männer im Verteidigungsministerium, deren Namen für die junge Generation geradezu zu einem
Symbol für die guten Absichten nicht für die
bösen — geworden sind. Ich will einen nennen: den Grafen Baudissin, der von der Bundesregierung beauftragt worden ist, überall, landauf, landab, der jungen Generation ihre Absichten auf diesen Gebieten darzulegen, und der wahrscheinlich nur dadurch einen großen Teil an Skepsis bei manchen jungen Leuten hat überwinden können, daß er sich wacker und mannhaft für eine bestimmte Konzeption ides Geistes, der inneren und äußeren Verfassung dieser Streitkräfte eingesetzt hat. Wir hören mit Bestürzung, daß bei der Umorganisation des Ministeriums die Bedeutung und das Gewicht dieses Mannes erheblich verkürzt worden sind,
und sehen darin für uns einen Anlaß zu größter Wachsamkeit. Allein Erklärungen des Ministers, so gut gemeint sie sein mögen, können uns nicht jene Sicherheit schaffen, die wir in einer Organisation des Ministeriums sehen würden, in der sich die Bedeutung dieser Fragen für jeden von uns deutlich sichtbar abzeichnen könnte.
Ein Punkt, der heute hier umstritten gewesen ist—ich will mich gar nicht zum Inhalt, sondern nur zur Methode äußern —, ist z. B. die Frage des Eides. Mit einer Reihe von Gründen — es gibt für, es gibt wider — war der Sicherheitsausschuß des Bundestages übereinstimmend zu 'der Erkenntnis gekommen, man solle nicht den Eid +an den Beginn der Aufstellung von Streitkräften stellen, sondern eine andere Form der Verpflichtung wählen. Ob nun diese oder der Eid, das ist im Augenblick nicht die Frage, darüber können wir uns noch später unterhalten. Aber die Frage, die mich hier bewegt, ist, daß beim ersten gesetzgeberischen Vorgehen der Bundesregierung eine monatelange Diskussion in einem Ausschuß dieses Hauses einfach als nichtexistent vom Tisch gefegt worden ist, ohne ein Wort der Begründung.
Die Regierung will es so. „J` y suis, j' y reste",
„hier bin ich, und hier bleibe ich", war ungefähr die
Position der Bundesregierung zu diesem Gesetz mit
allem, was an Kritik inzwischen dazu vorgebracht worden ist.
Gestatten Sie mir ein Wort zu dem Zwischenspiel am heutigen Vormittag. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß er gehofft habe, die Sozialdemokratie zur Mitarbeit auf dem Boden der Demokratie zu gewinnen. Meine Damen und Herren, was soll das heißen? Wenn der Herr Bundeskanzler, so wie es da steht, darin seine Meinung ausdrückt, daß die Sozialdemokraten bisher in Deutschland nicht auf dem Boden der Demokratie mitgearbeitet hätten,
dann stellt er damit ein Drittel der Nation außerhalb dieses Staates. Aber das hat er zu verantworten, nicht wir.
Meine Damen und Herren, die demokratische Legitimation, der Kampf um Freiheit und Recht, der Kampf für eine rechtsstaatliche Gestaltung nicht erst nach den bitteren Erfahrungen in der nationalsozialistischen und der kommunistischen Gewaltherrschaft, sondern auch vorher schon,
das gehört weiß Gott zu den größten Traditionen der deutschen Sozialdemokratie.
Ich weiß, daß ich wahrscheinlich auch aus dem Herzen meiner Parteifreunde spreche. Aber nehmen Sie es wirklich als das ganz persönliche Bekenntnis eines Mannes hin: Diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers hat mich auf das tiefste persönlich verletzt.
Es muß doch wohl noch möglich sein, daß ein Mann seiner Sorge um die Entwicklung in unserem Volke hier an dieser Stelle Ausdruck gibt! Wo denn sonst?!
— Ja eben, das bitte ich gelegentlich dem Herrn Bundeskanzler zu sagen!
Meine Damen und Herren, es sind heute eine ganze Reihe kritischer Reden zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gehalten worden. Der Herr Kollege Dr. Arndt hat — genau wie ich das auch jetzt mit großer Freude feststelle — die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses gehabt, und so manches Argument hat sicher Einfluß auch auf den späteren Gang der Dinge. Ich weiß, daß wir dennoch gelegentlich Treueschwüre hören werden. Nun, auch das gehört zur politischen Auseinandersetzung. Aber in dieser Debatte um den Zwischenfall hat nun einer unserer Jungfernredner es für gut befunden, an einen früheren Zwischenfall zu erinnern. Weil es ungut ist, wenn hier ein falscher Eindruck im Raum stehenbleibt, möchte ich mich zu diesem Zwischenfall noch einmal äußern.
Ich habe vor mir ein Dokument, das die Unterschriften zweier bedeutender Männer trägt, des verstorbenen Vorsitzenden der Sozialdemokrati-
schen Partei Deutschlands, Dr. Kurt Schumacher, und des Herrn Bundeskanzlers, Dr. Konrad Adenauer. Dieses Dokument bezieht sich auf den Zwischenfall, der hier vorhin heraufbeschworen worden ist gewissermaßen als eine Generalentschuldigung für künftige und spätere Entgleisungen. So dürfen wir das nicht behandeln. Es lautet:
In der Sitzung des Bundestages vom 24. auf den 25. November war der Bundeskanzler der Ansicht, daß ohne Eintritt der Bundesrepublik in die Ruhrbehörde ein Demontagestop nicht zu erreichen sei. Die SPD war der Ansicht, daß ein Demontagestop auch ohne bedingungslosen Eintritt in die Ruhrbehörde zu erreichen sei.
Der Bundeskanzler ist überzeugt, daß sich die sozialdemokratische Fraktion bei ihrer Haltung von der Überzeugung hat leiten lassen, auf diese Weise das Beste für das deutsche Volk zu leisten, und hält Formulierungen, die anders verstanden worden sind, nicht aufrecht. Dr. Schumacher ist seinerseits der Auffassung, daß der Bundeskanzler überzeugt war, daß nur der Eintritt der Bundesrepublik in die Ruhrbehörde den Demontagestop bewirken könne. Er hält daher den Zwischenruf „Bundeskanzler der Alliierten" nicht aufrecht.
Meine Damen und Herren, wenn zwei Männer in dieser Weise einen Zwischenfall, bei dem die Reihenfolge der Ereignisse hier auch noch klargestellt worden ist, aus der Welt geschafft haben, dann sollte es niemanden im politischen Leben in Deutschland geben, der diesen Vorfall wieder ausgräbt, um gewissermaßen für die Zukunft immer wieder daraus das Recht abzuleiten, nun erneut mit irgendwelchen persönlichen Unterstellungen arbeiten zu können. Jener Vorfall ist durch eine beiderseitige Erklärung beigelegt worden, in der der Herr Bundeskanzler zuerst seine Äußerung zurücknahm. Ich finde es unfair, daß man zu Lasten eines Toten einseitig nun nur dessen Äußerung wieder ausgräbt.
Wir haben diese Frage hier erörtert anläßlich des das deutsche Volk bewegenden Problems: Gibt es in bestimmten Lebensfragen der Nation die Möglichkeit, die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit der entscheidenden, diesen Staat — ob in Opposition .oder Regierung — tragenden demokratischen Kräfte? Nach dem, was ich heute vormittag hier wieder erlebt habe, gestatten Sie mir, daß ich eine Überzeugung ausspreche, die Ihnen sicher nicht gefallen mag, aber in der ich nach vielen Ereignissen der letzten Monate bestärkt worden bin. Es gibt tatsächlich ein Haupthindernis für eine Zusammenarbeit der großen staatstragenden Kräfte in den Lebensfragen der Nation. Das Hindernis liegt nämlich dort, wo seit einer Reihe von Jahren bewußt darauf hingearbeitet worden ist, diesen Staat nach innen und außen ohne und sogar gegen die Sozialdemokratie zu bauen, auch wenn man gelegentlich einmal Beschwörungen über eine sagenhafte Zusammenarbeit ausspricht, die ja durch die Form, in der man jeweils erst Tatsachen schafft und hinterher zum Anschluß auffordert, von Anfang an entwertet werden.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle, wo diese Kraft ist, eine Kraft, die soweit wirkt, daß jetzt schon der künftige bremische Wahlkampf trotz der unbestrittenen Aufbauleistungen der sozialdemokratisch geführten Stadtregierung in Bremen im wesentlichen nur unter der Parole stattzufinden hat: Wie bringen wir alle anderen Kräfte, auch die, die mit der Sozialdemokratie in Bremen bisher zusammengearbeitet haben, nun dazu, künftig die Sozialdemokratie aus der Verantwortung in diesem Stadtstaat herauszudrängen? — Das ist doch nur ein Beispiel in einer ganzen Kette von Ereignissen. Ich will Ihnen ganz offen sagen, daß viele sehr persönliche Gespräche mit einer Reihe Ihrer Freunde mich in der Erkenntnis bestärkt haben, daß das Haupthindernis für eine Zusammenarbeit zwischen den großen demokratischen Kräften in Lebensfragen der Nation nichts anderes ist als die Person des Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Erler, Sie haben hier soeben die bremischen politischen Verhältnisse angesprochen. Ist Ihnen nicht bekannt, daß dieses Vorgehen der ,antimarxistischen Parteien
daraus resultiert, daß die Sozialdemokraten in Bremen unter Mißachtung ihrer Koalitionsfreunde von CDU und FDP sehr häufig gemeinsame Sache mit den Kommunisten gemacht haben?
Meine Damen und Herren, ich stamme nicht aus Bremen; aber ich weiß, daß das, was Sie jetzt in Bremen tun, ja Vorgänge auch dort hat, wo man nicht im Traum irgendeinen solchen Vorwurf — ich weiß nicht, ob er berechtigt ist oder nicht — gegen die Sozialdemokratie erheben könnte. Aber vielleicht spricht zu diesem Thema nachher noch einer meiner Freunde aus Bremen. Die Vokabel jedoch, die Sie gebraucht haben, von den „antimarxistischen Parteien" — die allein spricht Bände und beweist die Richtigkeit meiner Behauptung.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Redner fortfahren zu Lassen.
Meine Damen und Herren, zurück zum Freiwilligengesetz und den damit im Zusammenhang stehenden innen- und sicherheitspolitischen Fragen.
Wir haben es, glaube ich, heute alle, ohne Unterschied der Partei, bedauert — so habe ich es von fast allen Rednern gehört —, daß dieses Gesetz dem Bundestag von der Bundesregierung unterbreitet worden ist, ohne daß sie es mit einer Silbe der Kritik im Bundesrat, der Kritik im Bundestag, der Kritik in der Öffentlichkeit angepaßt hätte. Der
,l Bundesrat ist nicht einmal einer schriftlichen Stellungnahme für würdig befunden worden.
Meine Damen und Herren! Sie alle treiben — und ich glaube Ihnen, daß Sie fest davon überzeugt sind — Ihre Außenpolitik unter dem Gesichtspunkt der Gewinnung von Vertrauen in ein demokratisches Deutschland. Sie können sicher sein, daß diese Methode der Bundesregierung ge- ' rade dem Vertrauen in die deutsche Demokratie nicht genutzt, sondern geschadet hat.
Doch nun zu einigen Sicherheitskomplexen, die in dieser Debatte, und zwar eigentlich auch durch eine Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers eingeleitet, anklangen. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: wenn idle sozialdemokratische Politik befolgt worden wäre, dann würden 50 Millionen Deutsche in der Bundesrepublik und weitere 18 Millionen in der sowjetischen Besatzungszone wie Lämmer zur Schlachtbank geführt. Das hat er gesagt am gleichen Tage, als wir in den Zeitungen lesen konnten, wie ein bewaffneter Konflikt sich auswirkt, der mit der sozialdemokratischen Außenpolitik nun weiß Gott nicht das Geringste zu tun hat.
In den Manövern der "Carte blanche", den Luftmanövern über dem westeuropäischen Raum, sind am ersten Tage allein auf das Gebiet der Bundesrepublik 50 Atombomben geworfen worden, und in 'der ganzen Zeit der Manöver fielen hier in Zentraleuropa 171 Atombomben auf den Verteidiger und weitere 164 auf den Angreifer. Zusammen waren es 335.
Meine Damen und Herren, sollten wir — das Wort vom Gespenstigen unserer Situation ist ja heute schon einmal ausgesprochen worden — sollten wir nicht in dieser Situation, gerade wenn wir uns auch mit dem innenpolitischen Problem der Schaffung von Streitkräften befassen, begreifen, daß auch die Zugehörigkeit zum Atlantikpakt genau so wenig wie die Nichtzugehörigkeit zum Atlantikpakt entscheidend ist dafür, ob unser Volk überlebt oder nicht?
Sicherheit ist ungefähr das einzige, was Sie mit dieser Wehrorganisation auch nicht erreichen.
Die wirkliche Sicherheit unserer Völker liegt nur in der Chance einer Politik, die von der Menschheit die drohende Gefahr des kollektiven Selbstmordes mit den Atomwaffen — vor dieser schauerlichen Perspektive stehen wir alle, 'Sie und wir! — nimmt.
— Eben; das gebe ich Ihnen zu, Frau Kollegin Dr. Weber, und gerade deshalb finde ich es in dieser Situation wirklich völlig 'deplaciert, wenn man etwa sagt: Ihr Sozialdemokraten wollt also gar nichts tun, ihr wollt einfach abwarten.
Das, was heute kein Warten verträgt, ist der entscheidende Komplex dier weltpolitischen Entspannung.
Was zum zweiten heute kein Warten verträgt — und da will ich Ihnen sogar in einem Gedanken recht geben, den ich gleich einmal weiterspinne — für den Fall, daß diese Entspannung, nicht durch unsere 'Schuld, scheitern sollte, ist, daß das Wichtigste zuerst getan wird. Wenn idle Manöver uns aber eins gezeigt haben, meine Damen und Herren, dann dies, daß das Wichtigste heute und hier nicht die 6000 Freiwilligen sind, sondern das Wichtigste ist zunächst der Schutz der Zivilbevölkerung!
In ihrer Gefährdung hat das den absoluten Vorrang an Geld, an Organisation, an Planung. Wo ist die Organisation, auch im Rahmen der Pariser Verträge, wenn Sie es so wollen, für die Ausnutzung des Luftwarndienstes der Alliierten auch für die Zwecke der eigenen Bevölkerung? Wo ist die Planung für diese Dinge? Wo hören wir etwas, was überhaupt noch an Möglichkeiten besteht, um selbst in der Stunde größter Gefahr wenigstens einen Teil der Bevölkerung dem nackten Überleben zu erhalten? Wie sieht es mit den Schutzzonen aus? Wie sieht es mit den baulichen Vorkehrungen aus? Ichsage das nicht, um Panik zu säen, sondern um
uns in die schauerliche Realität von heute hinein
zustellen. Da, finde ich, gibt es keinen größeren Widerspruch als den zwischen der schnellen Verabschiedung des Freiwilligengesetzes in seiner unausgegorenen Form auf der einen Seite und der Ablehnung der sozialdemokratischen Forderungen auf Bereitstellung ausreichender Mittel für den Schutz der Zivilbevölkerung in der vergangenen Haushaltsdebatte auf der anderen Seite.
Im Freiwilligengesetz bzw. in der Begründung, die uns mündlich hier gegeben worden ist, in der Regierungserklärung — im Gesetz kommt das nicht vor —, ist mit Recht von der Teilnahme deutscher Sachverständiger und deutscher Vertreter in den Stäben der Atlantikorganisation ausgegangen worden. Sicher haben die Atommanöver 'der Luftstreitkräfte gezeigt, was alles an augenblicklichen Risiken für den Fall eines Aufeinanderprallens der beiden großen Blöcke sich aus unserer Lage ergibt. Da möchte ich angesichts der schicksalentscheidenden Bedeutung dieser Fragen denen, die nun auf Grund welcher Rechtsvorschriften auch immer von der Bundesregierung zur Atlantikorganisation entsandt werden — einige sind auch schon da —, gleich eines in aller Deutlichkeit mit auf den Weg geben: Der Atlantikpakt darf mit der Zusammenkunft der dortigen Militärs und der dortigen Vertreter der Exekutive nicht ein Klub zur gegenseitigen Geheimhaltung der militärischen Fragen vor den einheimischen Parlamenten werden.
Diese Gefahr ist nämlich heute in einer Reihe solcher internationaler Organisationen unzweifelhaft vorhanden. Da versammeln sich die Sachverständigen — das brauchen gar nicht immer Soldaten zu sein; es können auch Bürokraten sein — und fangen ihre Besprechungen erst einmal damit an, daß sie sich feierlich gegenseitig Geheimhaltungsvorschriften auferlegen; und dann kommen die Delegierten nach Hause und sagen: Ja, sagen dürfen wir euch leider nicht, wie es dort weitergegangen ist; denn die NATO hat's verboten. Meine Damen und Herren, wir haben bei unserer Studienreise durch die Vereinigten Staaten ein
Parlament kennengelernt, das sich dies einfach nicht gefallen läßt, und das ist der Senat der USA. Da würde ich tatsächlich dafür plädieren, daß wir Herrn Blank und vor allem auch dem Außenminister etwas mit auf den Weg geben. Die Beziehungen zur NATO sind politische und nicht nur militärische Fragen, und ein sehr wesentliches Wort muß in der ganzen Struktur dieser Dinge vom Außenminister gesprochen werden können; nicht die Berichte der Militärs allein, sondern auch die Berichte der diplomatischen Beamten müssen die Entschlüsse der Regierung in diesen Fragen beeinflussen können. Wir haben da schmerzliche Erfahrungen mit dem System der früheren Militärattachés von 1914 gemacht; man braucht nur einmal nachzulesen, wie Deutschland damals in den Weltkrieg hineingeraten ist. Da also möchten wir Ihnen mit auf den Weg geben: Weisen Sie Ihre Männer an, bei allen Partnern Klarheit zu schaffen, daß, abgesehen von technischen Fragen, die einer natürlichen Geheimhaltung bedürfen und deren politische Auswirkungen völlig untergeordnet sind, alle großen Fragen der Strategie von ihnen mit den berufenen Vertretern der Volksvertretung erörtert werden müssen.
— Sie schweigen. Nehmen Sie sich ein Beispiel an jenem Parlament, das in einer fast 200jährigen Geschichte an diesem Rechte nie hat rütteln lassen! Die Grundfragen der Strategie sind immer auch und gerade Grundfragen der Politik. Das können Sie nicht voneinander trennen, und da darf es vor den Organen des Parlaments auf diesem Gebiete keine Geheimnisse geben!
1 Nun komme ich zu den hier im Zusammenhang mit dem Gesetz zu behandelnden Problemen der inneren demokratischen Ordnung. Mein Freund Dr. Arndt hat bereits von den Voraussetzungen gesprochen, die geschaffen sein müssen, bevor ein militärisches Instrument entsteht, damit es sich nicht nach Art des Wildwuchses selbst seinen Platz in der Gesellschaft schafft, sondern damit ihm der Platz vom Gesetzgeber zugewiesen wird. Herr Verteidigungsminister, da möchte ich noch einmal sehr nachdrücklich sagen: Maßstab für die gesetzlichen Regelungen kann nicht das sein, was bei engherzigster Auslegung das Grundgesetz allenfalls noch zwingend vorschreibt, sondern Maßstab kann nur das sein, was vom Standpunkte der Erhaltung und Sicherung einer lebensfähigen demokratischen Ordnung in diesem Staat politisch zwingend geboten ist.
— Nein, ich habe heute hier Klänge gehört, Herr Kollege Krone, die bereits auf eine engherzige Auslegung des Grundgesetzes hinausgingen. Man hat untersucht: Was schreibt eigentlich das Grundgesetz vor? Müssen wir überhaupt, oder ist es ein Gnadenakt? Auf diese Debatte sollten wir gar nicht erst eingehen, sondern die Regierung sollte von sich aus sagen: Wir sind bereit, alle wesentlichen Fragen durch das Parlament auf dem Wege der Gesetzgebung entscheiden zu lassen.
Dann halben wir das klar. Wir können uns nicht mit dem zufriedengeben, was ein Sprecher der Freien Demokraten gesagt hat: er hoffe nun auf eine Einlösung der Koalitionsvereinbarungen, die
Herr von Merkatz am 26. Februar 1954 hier vorgetragen hat. Meine Damen und Herren, wier vor Enttäuschungen sicher sein will, der muß begreifen, daß eben Koalitionsvereinbarungen keine Verfassung zu ersetzen imstande sind.
Damals, als diese Erklärung abgegeben wurde, war man doch offensichtlich der Meinung, daß mindestens diese drei Punkte, die einer Regelung in der Verfassung bedürften, vor dem praktischen Beginn der Aufstellung von Streitkräften hätten geregelt werden müssen und nicht hinterher. Jetzt ist anders herum verfahren worden, und wir haben uns nun mit den drei großen Fragenkomplexen der zivilen Leitung, der parlamentarischen Kontrolle und der Personalauslese zu befassen.
Ich möchte zur zivilen Leitung zusätzlich zu dem, was mein Freund Dr. Arndt schon vorgetragen hat, noch darauf aufmerksam machen, daß nur ein wirkliches, echtes Organisationsgesetz, das die Organisation des Ministeriums und die Spitzengliederung der Streitkräfte regelt, eine vom Parlament auch zu überwachende zivile Leitung einer solchen Organisation schaffen kann.
In der Haushaltsdebatte hat der Herr Verteidigungsminister ein stolzes Wort ausgesprochen. Es zeugt von sehr großem Zutrauen darin, daß er glaubt, diese Aufgabe wirklich anpacken und meistern zu können. Ich fürchte, jeder Minister, ganz gleich wie er beschaffen ist, würde scheitern, wenn er sich allein auf dieses wohlgemute Wort stützt, das da heißt: „Die zivile Leitung ist gesichert, solange ich als Zivilist Minister bin." Das reicht nicht aus! Wenn Sie einen Minister in eine im wesentlichen militärische Apparatur einfach einmauern, dann fallen eine Reihe von wichtigen Entscheidungen zwangsläufig im Sinne des gesamten Klimas der Behörde und nicht im Sinne des verzweifelt vielleicht um jeden Punkt seines Programms gegenüber der eigenen Bürokratie kämpfenden Ministers. Auch dafür gibt es Erfahrungen. Auch die zivilen Minister in der Weimarer Republik haben nicht ausgereicht, die Reichswehr davor zu bewahren, eigene Machtaspirationen zu entwickeln und sich weitgehend aus der demokratischen Verfassungswirklichkeit hinauszustehlen und ein Eigenleben zu schaffen. .
Daher muß das Ministerium ein ziviles Ministerium sein und nicht nur der Minister ein Zivilist, und daher muß die eigentliche militärische Organisation nicht in das Ministerium eingebaut, sondern unter das Ministerium gestellt werden. Das ist die richtige Lösung.
Ein völlig andere Frage ist es, ob in einem solchen Ministerium die Sachkundigen, die man braucht, nun unbedingt ihr ganzes Leben lang nur in zivilen Dienststellungen verbracht haben müssen, ob für bestimmte Aufgaben dort auch die Sachkunde eines Mannes mit einer militärischen Vergangenheit nützlich ist. Natürlich! Warum denn nicht? Das ist gar nicht das Problem. Das Entscheidende aber ist, daß es sich dabei um die zivile Dienststelle handelt, in der der Mann in seiner gegenwärtigen Funktion und nicht in seiner früheren Laufbahn tätig ist. Das ist der Unterschied.
Wir wünschen, daß ein solches Gesetz in Ihrem Interesse uns Klarheit schafft über das, was da beabsichtigt ist. Ich weiß, daß es nichts hilft, wenn man in einem solchen Ministerium etwa an die Stelle 'der Generale nun nur die entsprechenden Bürogenerale setzen würde, auch wenn sie alle Volljuristen wären. Da gibt es auch eine gewisse Betriebsblindheit. Die lebendige Beziehung zu der übrigen Gesellschaft, auch zu den übrigen Ministerien, ein wechselseitiger Austausch von Sachkennern und Sachkundigen von einem Ressort zum andern scheinen mir gerade für diese Arbeiten besonders nützlich und erwünscht zu sein. Wir wollen ferner nicht vergessen, daß letztlich der Haushalt, den wir zu beschließen haben, auch uns ein Mitspracherecht sogar bezüglich der Feingliederung einer solchen Organisation geben muß.
In dem Katalog von Vorfragen, die alle offen sind und von denen eigentlich keine offen bleiben sollte, bevor der erste Mann Uniform anzieht, haben wir uns schon ausführlich zu dem Problem des Oberbefehls geäußert und zu den Problemen: wer ernennt eigentlich die Leute, die da eine Aufgabe übertragen, und wer entscheidet unter Umständen darüber, wann in einem Notstand bestimmte Maßnahmen — und welche — zulässig sind? Wie ist es mit der Erklärung des Verteidigungszustands? Was hat es mit den Grundrechten auf sich? Das können Sie doch nicht einfach auf den Rücken des Soldaten abladen und ihn in dieses Zwielicht hineinstellen, statt das Problem der Grundrechte der Verfassung gegenüber dem Staatsbürger allgemein und dem Waffenträger im besonderen auf eine einwandfreie gesetzliche Weise zu klären! Wie sieht es mit der Ministerverantwortlichkeit aus? Auch die Frage des Verteidigungsrats ist hier heute von verschiedenen Seiten zur Debatte gestellt worden. Sollte nicht das Grundgesetz eine Bestimmung enthalten, wie lange höchstens die von Ihnen ja ins Grundgesetz hineingeschriebene Wehrpflicht dauern darf und wie stark maximal die Streitkräfte sein dürfen, um ein Überwuchern dieser Institution von vornherein auszuschalten? Welche Rechte und Befugnisse muß im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Bundestagsausschuß als Verfassungsorgan bekommen? Wie sieht es mit dem Personalausschuß — ich werde noch darüber sprechen — aus? Muß nicht die Wehrverwaltung, wenn sie wirklich im Einvernehmen mit den Ländern funktionsfähig gemacht werden soll, durch ein Gesetz entstehen, das auch der Zustimmung des Bundesrats bedarf? Das alles ist der große Katalog der offenen Fragen und zeigt Ihnen sehr deutlich, welch einen lückenhaften Torso man Ihnen mit diesem Anfang zugemutet hat.
Ich möchte mich noch etwas der Spezialfrage der parlamentarischen Kontrolle zuwenden. Sie haben das Gesetz bekommen, aber der Ergänzungshaushalt, der Ihnen Einblick darüber gibt — nicht durch unverbindliche Erklärungen, sondern durch Nachweise der Stellen und der zu verausgabenden Gelder —, was die Regierung in der nächsten Zeit mit dem Gesetz zu tun beabsichtigt, ist Ihnen nicht zu Gesicht gekommen. Denn die Vorlage des Herrn Bundesfinanzministers, die ja kein ordentlicher Haushaltsplan ist, sondern eine Ermächtigung durch zwei Ausschüsse vorsah, können Sie nicht als einen ordentlichen Nachtragshaushaltsplan in diesem Sinne ansehen.
Das ist die eine Seite: parlamentarische Kontrolle durch den Haushalt, meine Damen und Herren, nehmen Sie das sehr ernst! Ein Parlament kapituliert, das es nicht auf dem Wege der Haushaltsgesetzgebung der Regierung unmöglich macht, neue Institutionen zu schaffen, bevor das Parlament die Mittel dafür bereitgestellt hat.
Die Regierung hatte lange genug Zeit, das vorzubereiten.
Damit soll man uns doch nicht kommen. Das war doch nun wirklich vorauszusehen, von wann ab ungefähr Sie nach dem bestimmten Terminkalender anfangen wollten, nach dem Inkrafttreten der Verträge mit der Aufstellung von Streitkräften zu beginnen. Das war vorauszusehen. — Sie schütteln den Kopf! Nach den Planungen der Dienststelle und nach den früheren Erklärungen des Bundeskanzlers sollten die 12 Divisionen eigentlich schon zwei Jahre fertig sein. Da hätte es doch mindestens möglich sein sollen, die Gesetze zu diesem Zeitpunkt fertig zu machen, wenn man schon nicht die Divisionen schaffen konnte.
Nun unsere eigene Arbeit! Unser Ausschuß — das wird seine Aufgabe sein — wird sich überlegen müssen, wie er von Stund an seine Arbeiten künftig anpackt. Ohne Unterausschüsse, ohne einen Stab von der Regierung unabhängiger Sachbearbeiter und Berater kommen Sie zu keiner wirksamen Ausübung der Kontrolltätigkeit.
Der Ausschuß muß auch die Möglichkeit haben, Experten zu hören, die nicht im Verteidigungsministerium sitzen. Er muß auch — da greife ich jetzt eine Kontroverse mit dem Herrn Minister aus dem Ausschuß auf — die Möglichkeit haben, einen militärischen Sachverständigen nach seiner eigenen Meinung zu fragen, selbst wenn sein Vorgesetzter danebensitzt. Es ist dann immer noch Sache des Vorgesetzten, den Ausschuß von der Meinung der Regierung zu überzeugen. Der Ausschuß muß die Möglichkeit haben, sich ein rundes Bild von der Lage zu machen und in diesen Schicksalsfragen nicht nur die Meinung der Regierungsexperten gefiltert vorgelegt zu bekommen. Eigene Meinungsbildung für die Fassung der politischen Beschlüsse des Parlaments ist unentbehrlich für diese Arbeit.
Der Ausschuß sollte ein Verfassungsorgan sein, so daß er nicht von der Gnade der Geschäftsführung abhängig ist und Fragen auch aufgreifen kann, wenn sie ihm nicht durch eine Vorlage zugewiesen sind. Der Ausschuß sollte darüber hinaus — ich freue mich, daß diese Idee hier allgemeinen Anklang gefunden hat — diejenige Körperschaft sein, die in engstem Zusammenhang mit jenem Parlamentsbeauftragten steht, den wir schaffen müssen, der für uns und in unserem Namen Zugang zu allen militärischen Institutionen, Einrichtungen und Personen hat, etwa nach dem großartigen Beispiel Schwedens.
Aber, meine Damen und Herren, eines wollen wir dabei nicht vergessen. Die schönsten Absichten nützen uns nichts, wenn wir dabei nicht ein paar Tugenden entfalten, die da heißen: Zähigkeit, der
1 für uns alle selbstverständliche Fleiß, die unentbehrliche Neugier, die dazu gehört, daß das Parlament sich wirklich unterrichtet und es wagt, auch die Beantwortung unbequemer Fragen von der Regierung zu erzwingen.
Das Parlament kann diese Aufgabe nur lösen, wenn es sich im ganzen gegenüber der Regierung solidarisch fühlt, auch wenn die Regierungsmehrheit in diesem Hause selbstverständlich die Politik der Regierung trägt und stützt; das ist ihr gutes Recht. Aber die Kontrollfunktion können Sie nur ausüben, wenn Sie sich in dieser Kontrollfunktion nicht als Organ der Regierung, sondern als der Aufpasser gegenüber der Regierung fühlen. Sonst kann es nie funktionieren.
Da lassen Sie mich hier, dieweil viele Fragen unbeantwortet geblieben sind — die Regierung schweigt sich einfach aus — noch einmal ein Wort zu dem Problem der Nachrichtendienste sagen. Ich habe in der Haushaltsdebatte davon gesprochen. Das einzige, was wir wissen, steht in der Zeitung, und ich habe den Eindruck, daß wir wirklich schlecht beraten wären, wenn wir diese Nachrichtenfrage nach den Grundsätzen der Organisation der „Schwarzen Hand" behandelten, womit ich nicht etwa eine ganz bestimmte Hand meine — das könnte naheliegen, aber so bösartig bin ich gar nicht —; es sind ja mehrere Hände, die da beteiligt sind.
Meine Damen und Herren, wir müssen dafür sorgen, daß die sehr große Machtposition, die damit innerpolitisch entsteht, von Anfang an nach dem Willen des Gesetzgebers geordnet wird. Vor mir liegt ein interessantes Gesetz. Es heißt:
Hiermit wird unter dem nationalen Sicherheitsrat ein zentraler Nachrichtendienst mit einem Direktor an der Spitze geschaffen. Der Direktor wird vom Präsidenten ernannt mit dem Rat und der Einwilligung des Senats.
Und dann kommt hinterher sogar, wieviel Geld er bekommt, und dann kommt die gesamte Organisation, die hier in dem Gesetz steht: der Status in den bewaffneten Streitkräften, die Befugnisse dieser Behörde anderen gegenüber, Amtshilfefragen, Zusammenarbeit mit anderen Diensten ähnlicher Art, wie sieht's mit der Polizei aus, wie geschieht die Auswertung usw. usw. Das ist alles keine Geheimwissenschaft, sondern das können Sie sich hier in der Bundestagsbibliothek geben lassen. Es steht in der Sammlung der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten, und zwar im National Security Act von 1947.
Meine Damen und Herren, warum denn diese Geheimniskrämerei? Wir haben schon einmal davon gesprochen. Die Bundesregierung soll uns endlich einmal sagen, welche gesetzlichen Vorhaben sie auch in dieser Frage in ihrer Schublade hat, nachdem es die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß angeblich zum 1. Juli ein bestimmter Apparat in deutsche Dienste übernommen werden soll.
Nun zu der Frage, in der wir heute die größte Übereinstimmung gefunden haben, zum Personalausschuß. Von einem Kollegen ist hier gesagt worden — und er bezieht sich damit auf die Zweckbestimmung, die die Bunderegierung dem Freiwilligengesetz jetzt in ihrer mündlichen Erklärung gegeben hat —, daß das Freiwilligengesetz ja gewissermaßen gerade für die Auslandsverwendung gebraucht wird. Ja, meine Damen und Herren, gerade da ist doch der Personalausschuß besonders wichtig!
Wenn wir also wirklich der Meinung sind, daß —und das war heute die fast übereinstimmende Meinung des Hauses; es gab sehr wenige abweichende Meinungen — diese Frage einer gesetzlichen Regelung bedarf, dann hätten wir — diese Meinung war der Bundesregierung übrigens bekannt — erwarten können, daß vor dem Freiwilligengesetz diesem Hause ein Gesetz über den Personalausschuß vorgelegt worden wäre.
Damit wäre von vornherein ein anderes Klima entstanden und vor der deutschen Öffentlichkeit der Wille dokumentiert worden, daß die Auswahl der Männer, auf die es ankommt, von Anfang an in den richtigen, vom Parlament gewollten Bahnen verläuft.
Mir ist gelegentlich gesagt worden, die Forderung sei neu. Das ist gar nicht wahr. Lesen Sie bitte das Protokoll der heute schon öfter zitierten Bundestagssitzung vom 26. Februar 1954 nach! Da steht ja alles drin. Ich glaube also, daß es in Ihrem Interesse liegt, wenn — damit nicht Ihre Absichten in Mißkredit geraten — dieses Problem möglichst bald und möglichst gut gesetzlich geregelt wird, und zwar auf alle Fälle so, daß Sie nicht etwa die Diskussion um das Freiwilligengesetz mit dieser Frage belasten. Diese hier hat Vorrang.
Ein solches Gesetz müßte klären, wie der Personalausschuß zusammengesetzt wird. Über die einzelnen Modalitäten kann man selbstverständlich miteinander sprechen, aber eines kann ich mir schlechterdings nicht vorstellen: daß das Gesetz einen Sinn hat, wenn Sie nicht in irgendeiner Weise dafür sorgen, daß der Bundestag mindestens zum Schluß noch sein Wort zu der Zusammensetzung dieses Ausschusses sagen kann. Denn sonst, wenn Sie das allein in den Händen der Regierung lassen — Mißtrauen ist in diesen Fragen leider angebracht —, wird der Ausschuß eben nach Belieben verändert, wenn er einmal unbequeme Entscheidungen fällt oder Meinungsäußerungen von sich gibt.
Daß dieser Ausschuß als Filter zu wirken hätte, daß niemand, der diesen Ausschuß nicht positiv durchlaufen hat, in bestimmten Stellungen verwendet werden darf, ist ja heute unbestritten. Nur ein Kollege hat hier gesagt, man sollte mit einem solchen Ausschuß doch nicht die Entnazifizierung noch einmal aufwärmen. Aber, meine Damen und Herren, worauf kommt es denn hier an? Wenn das, was Sie da schaffen, überhaupt einen Sinn haben soll, dann kann es doch nicht der Sinn sein, ein Versorgungsinstitut für die Angehörigen der früheren Wehrmacht zu schaffen.
Es ist sicher eine wichtige Aufgabe, sich um diese früheren Wehrmachtsangehörigen zu kümmern; das ist aber ein völlig anderes Problem der Gesetzgebung. Wenn Sie jedoch hier Neuland schaffen
wollen, dann muß doch folgende Maxime vor diesem Ausschuß stehen: Wir haben ja niemanden zu entfernen, sondern die Demokratie hat zu entscheiden, wen sie gebrauchen kann! — Das ist eine völlig andere Frage.
Und weil das wichtig ist — nicht nur für die Leute oben; der Geist, der unten herrscht, ist mitunter für die Betroffenen viel schmerzlicher spürbar —, sollte dieser Personalausschuß auch die Richtlinien mit erarbeiten, die für die Annahme der anderen, nachgeordneten Personen gebraucht werden. Aber er muß unabhängig sein, er muß seinen eigenen Stab haben und muß Einsicht in alle Unterlagen haben.
— Ich stelle es nur noch einmal fest; in diesem Punkt sind wir uns mit Ihnen einig. Was ich vermisse, ist nur das Gesetz, Herr Kollege Kunze; denn der Herr Verteidigungsminister hat ausdrücklich gesagt: Es braucht kein Gesetz. — Es braucht ein Gesetz, weil nur das Gesetz die Sicherheit gibt, dalß dei Ausschuß nicht kurzerhand hand so, wie er durch die Regierung geschaffen worden ist, von der Regierung auch wieder in die Wüste geschickt wird.
— Meine Damen und Herren, ich habe auch schon einmal eine Koalitionserklärung gehört, die bis zum heutigen Tage, obwohl sie anderthalb Jahre alt ist, nicht in die Tat umgesetzt worden ist.
— Wir haben seinerzeit auch eine Regierungserklärung hier in diesem Hause gehört, als wir das Heimkehrergesetz beschlossen haben; und wie es um die Ausführung dieses Gesetzes steht, wissen Sie genau so gut wie ich.
— Herr Kollege Krone, warum wollen Sie uns nur auf die Regierungserklärung beschränken, wenn es nicht mehr bedarf als eines Stück guten Willens, um diese Frage gesetzlich zu regeln? Das muß doch möglich sein.
Wenn wir über dieses Gesetz sprechen und es scheitert, dann scheitert es doch im wesentlichen nur daran, weil Sie es nicht wollen. Das ergibt sich doch nun hinlänglich aus dem ganzen bisherigen Gang der Debatte. Machen wir uns doch darüber gar nichts vor.
Hier ist heute über das Verhältnis von Soldat und Politik zueinander gesprochen worden. Damit sind wir zwangsläufig bei dem großen Problem der Rechtsstellung der Soldaten. Verschiedentlich klang der Satz an, daß wir die Problematik: bewaffnete Macht auf der einen Seite und Demokratie auf der anderen durch keine noch so gute Absicht auflösen
können, daß eben auf der einen Seite Befehl und Gehorsam stehen und auf der anderen Diskussion und Abstimmung. Was gefährlich ist, meine Damen und Herren, ist die Übertragung der militärischen Lebensform von Befehl und Gehorsam auf die Politik, dort, wo sie nichts zu suchen hat. Daß das nie wieder geschieht, ist im wesentlichen eine Frage des Selbstbewußtseins dieses Parlaments. Denn wenn das Parlament sich erst einmal angewöhnt, unter Umständen über seine eigentliche innere Überzeugung hinweg den Willen der Regierung fast als eine Art Befehl aufzufassen, dann ist die Grenzlinie zum Nachgeben auf diesem Gebiet schon überschritten.
Daher möchte ich Sie alle nachdrücklich darum bitten, in diesen Fragen zu Ihrer Überzeugung zu stehen und sich Argumenten von der Regierungsbank nur dann zu beugen, wenn es nicht um eine Frage der Disziplin, sondern wirklich darum geht, daß Sie sich in der Sache haben überzeugen lassen.
Die anderen Probleme, die hier zitiert worden sind, wollen 'wir in dieser vorgerückten Stunde nicht noch einmal ausführlich erörtern. Da ist das Maß der Meinungsverschiedenheiten nicht allzu groß. Die staatsbürgerlichen Rechte, die Vertrauensleute, die politische Betätigung, das alles ist hüben und drüben verhältnismäßig gleichartig beurteilt worden. Aber es gibt doch ein paar Punkte, zu denen ich noch eine Bemerkung machen möchte.
Der Herr Kollege D r. Mende hat sich zu den ethischen Prinzipien des Uniformträgers geäußert. Die Uniform in allen Ehren; aber ich bin tatsächlich nicht der Überzeugung, daß das Bewußtsein, ethische Pflichten zu haben, in irgendeiner Weise an das Tragen dieser oder jener Uniform gebunden werden kann.
Dann ist hier vom gleichen Redner zu der Broschüre, die wir alle kennen, gesagt worden, es sei selbstverständlich das Recht der Bundesregierung, die Meinung der Mehrheit als verbindlich zu vertreten. Es ist das Recht der Bundesregierung, ihre Meinung zu sagen, und es ist das Recht der Bundesregierung, ihre Politik zu machen. Ich bestreite, daß es das Recht der Bundesregierung ist, Steuergelder für die Propaganda der Regierungsparteien zu benutzen; das ist ein großer Unterschied.
Hier gibt es eine Grenzlinie. Daher möchte ich nur bitten, für die Zukunft zu diskutieren, daß wir bei allem, was sich um den Problemkreis der staatsbürgerlichen Erziehung bewegt, genau darauf achten, wo die Staatsbürgerkunde aufhört und wo die Propaganda für die jeweils regierende Regierungskoalition anfängt. Diese Grenzlinie muß sauber eingehalten werden.
Sie haben mit dem Freiwilligengesetz auch auf dem Gebiete der Rechtsstellung der Soldaten bisher nur Versprechungen erkennen lassen. Es heißt: das kommt alles im Soldatengesetz. Die meisten Redner haben die Lückenhaftigkeit dieser Lösung besonders betont. Ich möchte noch einmal sagen, daß wir auch das nicht auf dem Rücken derer austragen dürfen, die es angeht. Die ganze Sache wird
sehr schlecht, wenn Sie das Zwielicht der Institutionen auch auf die in diesen Institutionen tätigen Menschen erstrecken. Das darf nicht passieren. Deshalb gehört an den Anfang eine saubere, klare und ordentliche Gesetzgebung und nicht dieser Kurzakt, den wir da vor uns finden, zumal darin die Tendenz liegt, in viel zu großem Ausmaße, als es manchem unter Ihnen lieb ist, einfach an Vergangenes anzuknüpfen.
Ich will hier nicht die reizvolle Diskussion aufgreifen, die sich zwischen den Kollegen Dr. Mende und Dr. Jaeger um den Namen dessen, was da entstehen soll, abgespielt hat. Ich finde, daß auch in dieser Diskussion zu einem Teil ein Stück des allgemeinen Charakters des Wiedererstehenlassens des Vergangenen, der Restauration zum Ausdruck kommt, die etwas über diesem Zeitalter und daher zwangsläufig auch über diesem Saale schwebt.
— Sehen Sie, das ist eben eine Frage des Stichtages, wieweit Sie zurückgehen wollen.
— Herr Kollege Mende, ich wollte nur eine Ergänzung bringen. Die Debatten von 1919 mögen Sie richtig zitiert haben; aber in der Weimarer Republik hieß das Ding gar nicht Wehrmacht: das kam erst später; damals hieß es Reichswehr, und niemand hatte den Gedanken, man könne sie mit der Feuerwehr verwechseln. Eine Luftwaffe hat es 1919 gar nicht gegeben, sondern die kam erst 1935.
— Aber wohlgemerkt: das alles sind tempi passati, und zum Teil sind das Fragen, die, weiß Gott, heute nicht ausdiskutiert werden müssen. Mich hat es nur etwas belustigt.
Immerhin, wenn ich einmal unter dem Stichwort Restauration das Freiwilligengesetz unter die Lupe nehme, fällt mir daran eine Tendenz auf. Wenn ich die Regierungserklärung richtig verstanden habe, ist es aber nicht so gemeint. Eine Klarstellung wäre jedoch ganz nützlich. Es scheint nach dem Gesetz nämlich so, als ob im wesentlichen daran gedacht sei, die neu Einzustellenden in den gleichen Rängen und Würden zu verwenden, die sie früher gehabt haben. Die Regierungserklärung hatte hier einen anderen Ton. Ich möchte ganz eindeutig unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes von vorhin — wenn Sie Neuland betreten wollen, können Sie nicht einfach das Alte wiedererstehen lassen — sagen, daß vergangene Ränge angesichts der völlig anderen Situation und Dimension, um die es dabei geht, für die künftige Verwendung auf keinen Fall maßgebend sein können, schon wenn Sie einmal daran denken, was in den letzten Kriegsmonaten alles an Rängen gesündigt worden ist. Es hat auch noch eine umgekehrte Seite. Wie mancher ist in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft trotz guter Kenntnisse und hervorragender Fähigkeiten daran gehindert worden, an den Platz zu gelangen, der ihm normalerweise zugefallen wäre! Das kann man ja auch nicht einfach vererben, sondern hier muß nach beiden Seiten begonnen werden.
Wir sind damit bei den Personalfragen. Das Stichwort Zusammenarbeit, das hier so oft beschworen worden ist, darf ich noch einmal ansprechen. Die Bundesregierung hat ihren Apparat in Bonn im wesentlichen ohne, ja, ich möchte fast sagen, gegen die SPD geschaffen; denn Sozialdemokrat zu sein, war bei den meisten Behörden schon eine Art negativer Steckbrief.
— Meine Damen und Herren, angesichts der Art und Weise des Aufbaues des hiesigen Apparats können Sie nicht erwarten, daß wir einen Vorschußvorrat an Vertrauen aufbringen, daß es jetzt plötzlich, da es um eine sehr wichtige, mit Macht zusammenhängende Institution geht, besser werden soll. Da wird die Bundesregierung von sich aus zu beweisen haben, daß sie entschlossen ist, auf diesem Gebiet eine andere Praxis zu beginnen; denn sonst wird zwangsläufig das, was Sie schaffen, nichts anderes als die Armee der Regierung und wird damit angesichts der Situation in unserem Volke auf jeden Fall, für welchen Zweck auch immer, völlig untauglich.
Meine Damen und Herren, das Freiwilligengesetz wird in Wahrheit gar nicht gebraucht. Darüber Mt unser Freund Ollenhauer schon gesprochen. Zur Übernahme von Material z. B. ist nach der Regierungserklärung selbst die Zuständigkeit ziviler Stellen vorgesehen. Ähnliche Stäbe wie die, die man bei der NATO braucht, hat es doch auch schon beim Interimsausschuß bei der EVG gegeben.
Daß sie also partout in den nächsten Wochen Soldaten werden und daß sie in Uniform aufkreuzen, ist gar keine zwingende Notwendigkeit. Die Aufgabe kann auch so gelöst werden. Ich finde, daß vielleicht doch ein bißchen dieser Unfug der internationalen Soldatengewerkschaft dahinter steckt, nur den als vollwertig anzuerkennen, der mit dem entsprechenden Lametta erscheint. Der Auftrag einer demokratischen Regierung, die dem Pakt angehört, muß völlig genügen.
Schließlich, meine Damen und Herren: Das Gesetz ist sogar undurchführbar. Sie haben nämlich vorgesehen — nicht Sie, die Bundesregierung hat vorgesehen; Sie sind ja an dieser Sünde weitgehend unschuldig —, also die Bundesregierung hat vorgesehen, daß die Männer, die zu Lehrgängen usw. ins Ausland gehen und für bestimmte innere Verwendungen vorgesehen sind, Beamte auf Probe werden. Dazu brauchen Sie nach unserem Haushaltsrecht Beamtenplanstellen, und diese Beamtenplanstellen können Sie nicht im Rahmen einer Vorwegbewilligung anfordern,
sondern dazu brauchen Sie einen Nachtragshaushaltsplan. Wenn Sie dieses Freiwilligengesetz wirklich durchführen wollen, wenn es nicht eine leere, hohle Demonstration bleiben soll, was vielleicht noch das beste ist, was man ihm wünschen könnte, bräuchten Sie dazu außerdem einen ordentlichen Haushaltsplan mit den entsprechenden Stellen.
Die Ansicht, die ich eben vorgetragen habe, stammt gar nicht von mir, sie ist von Herrn Bundesfinanzminister Schäffer in seinem Schreiben
vom 6. Juni 1955 an den Haushaltsausschuß niedergelegt. Der hat es nämlich besser gewußt und hat für alle die Leute, um die es sich da handelt, nur die Rechtsstellung von Angestellten in Vergütungsgruppen vorgesehen, weil er genau gewußt hat, daß er für Beamtenverwendungen dieser Leute Beamtenstellen braucht, und die hat er nicht.
Meine Damen und Herren, schon allein das zeigt, daß hier die linke Hand gar nicht weiß, was die rechte tut. Wenn die Regierung schon Gesetze einbringt, müssen sie wenigstens gekonnt sein. Das ist nicht einmal gekonnt, und dazu wird die Regierung doch schließlich bezahlt.
Unter diesen Umständen eilt das Gesetz überhaupt nicht. Es hat Zeit, bis die Bundesregierung uns den nächsten Nachtragshaushaltsplan vorgelegt hat. Eher kann sie mit der Ausführung überhaupt nicht beginnen. Aus diesem Grunde sollten wir uns Zeit nehmen und von der Regierung verlangen, daß sie uns vor dem Haushaltsgesetz die ganze wesentliche Reihe der verfassungspolitisch wichtigen
rechtlichen Ordnungen vorlegt. Dann können wir
das zusammen in Ruhe miteinander bearbeiten. Unter diesen Umständen meine ich, daß diese Vorlage nicht beratungsfähig ist. Die sozialdemokratische Fraktion wird daher die Überweisung an die Ausschüsse ablehnen. Es fehlen alle Voraussetzungen dafür, Voraussetzungen rechtlicher und sogar, wie ich Ihnen eben gezeigt habe, auch haushaltsrechtlicher Art.
Zum Schluß noch, meine sehr verehrten Damen und Herren: Damit auf alle Fälle Klarheit besteht, weil ich ja angesichts der Mehrheitsverhältnisse dieses Hauses befürchten muß, daß Sie trotz unseres Widerspruchs diese Vorlage in die Ausschüsse verweisen, möchten wir wenigstens dafür sorgen, daß dann nicht der Mantel des Geheimnisses über die Beratungen gebreitet wird. Wir erwarten wenigstens, daß das Mindestmaß an demokratischer Offenheit gewahrt wird, indem diese Gesetzesvorlage dann im Ausschuß beraten wird wie jedes normale andere Gesetz auch. Daher beantragen wir hiermit ausdrücklich, den Beschluß des Bundestages vom 11. November 1953 für den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit für die Beratungen des Gesetzentwurfs über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften aufzuheben. Ich hoffe, daß Sie mindestens für dieses Anliegen Verständnis haben werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht beabsichtigt, in die heutige Debatte einzugreifen.
— Lieber Herr Mellies, sehen Sie, das ist so typisch
für Ihre Haltung! Wenn einer die Wahrheit sagt
— und diese Wahrheit kann Ihnen von meinen
Freunden in der Fraktion bezeugt werden; es
kann Ihnen bezeugt werden, daß ich erst heute nachmittag, nachdem ich gerade zurückgekommen war, gefragt worden bin, ob ich angesichts der Entwicklung der Debatte nicht doch das Wort ergreifen wolle —, Sie unterstellen dann sofort, daß man lügt, und das ist das Unglück in diesem Hause!
Schon mit den einleitenden Worten, die Herr Kollege Ollenhauer gesprochen hat, ist das Klima dieser heutigen Debatte bestimmt worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Kiesinger, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön!
Nur zum Tatsächlichen erlaube ich mir die Frage, ob Sie nicht heute vormittag, als ich meine Wortmeldung abgab, ausdrücklich Wert darauf gelegt haben, unmittelbar hinter mir zu sprechen, worauf ich bei der Abgabe meiner Wortmeldung gebeten habe, danach noch einmal sprechen zu dürfen. Das war Ihnen doch bekannt?
Meine Herren, Sie lachen völlig zur Unzeit, und Sie lachen völlig unartig. Genau so ist es gewesen.
Als ich hier heraufkam, um zu sehen, wer reden wollte, sah ich, daß erstaunlicherweise mein Name auf dem Papier stand.
Wer den Namen daraufgesetzt hatte — der zu dieser Zeit amtierende Präsident sitzt hier unten, vielleicht gibt er Auskunft darüber —, weiß ich nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Kiesinger, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Abgeordneter!
Ich kann Ihrer Unwissenheit abhelfen. Ein Mitglied Ihrer Fraktion kam zu mir herauf und sagte, ich möchte Sie nach Herrn Erler in die Rednerliste einschreiben.
Gut! Dann kann ich Ihnen nur sagen, und ich lege Wert darauf, daß dieser Tatbestand Ihren zynisch lachenden Gesichtern gegenüber geklärt wird: Als ich gefragt wurde — und ich rufe hier meine Fraktion, ich rufe meinen Kollegen Krone 2. um Zeugen auf —: Herr Kollege Krone, war es nicht so, daß wir uns lange darüber unterhalten haben, ob ich in diese Debatte eingreifen sollte oder nicht?
— Das genügt ja wohl!
— Natürlich! Ich wollte ja nur zeigen, von welchem
Ungeist dieses Haus mehr und mehr befallen ist,
von welcher Atmosphäre des Mißtrauens, der Entstellungen und Unterstellungen.
Daß wir in einer so wichtigen Frage wie dieser uns nicht in Ruhe und Sachlichkeit unterhalten können, ohne von vornherein verleumdet zu werden, das, meine Herren, ist nicht unsere, sondern Ihre Schuld.
Ich wiederhole: ich hatte nicht beabsichtigt, in diese Debatte einzugreifen; aber die Entwicklung der Debatte, die Bestimmung des Klimas gleich durch die einleitenden Worte des Herrn Kollegen Ollenhauer haben mich dann veranlaßt, den Bitten meiner Freunde zu entsprechen. Ich habe bis zuletzt sogar noch mit einem anderen Kollegen aus der Fraktion darüber verhandelt, ob nicht lieber er an meiner Stelle das Wort nehmen wollte, weil ich glaubte, daß er zu bestimmten Fragen besser Stellung nehmen könne als ich. So war es.
Was hat Herr Kollege Ollenhauer zu Anfang getan? Er hat in ungewöhnlich polemischer Weise behauptet, in der außenpolitischen Situation, in der sich die Welt befinde, kenne die Regierung nur eine einzige Sorge: dieses Freiwilligengesetz. Sie versuche es durchzusetzen ohne Rücksicht auf die möglichen Konsequenzen für die Frage der Wiedervereinigung. Sie bewege sich auf geisterhafte Weise in einer Welt, als ob seit dem Jahre 1952 nichts geschehen wäre. Sie dränge auf die Aufstellung von deutschen Divisionen im Zeitalter des Atomkrieges, der das Ganze völlig gespenstisch mache. Er ging über zu den gegenwärtigen NATO-Luftmanövern, erzählte, daß alarmierende Nachrichten vorlägen, aus denen sich ergebe, daß in einem zukünftigen Krieg die Zivilbevölkerung der eigentlich Leidtragende sein werde, und er ließ durchblicken, daß auf diese Weise das ganze Verhalten der Regierung nicht nur töricht und närrisch, sondern geradezu unverantwortlich sei.
Das war die Einleitung. — Ich danke Ihnen für Ihr
„Sehr richtig"; es bestätigt meine Auffassung. —
Dann hat Herr Kollege Ollenhauer sehr deutlich gesagt: Das allein schon veranlaßt uns, von vornhere in dieses Gesetz ohne Rücksicht auf weitere Argumente abzulehnen. — Meine Damen und Herren, dieses „von vornherein" ist es und war es, das es in den vergangenen Jahren unmöglich gemacht hat, daß wir zusammenkamen.
Ich habe sehr sorgfältig zugehört, was dann von einzelnen Rednern der Sozialdemokratie gesagt wurde, und ich habe manches Argument auch mit Respekt gehört. Natürlich sind wir uns über viele Dinge einig, natürlich teilen wir gemeinsame Sorgen. Aber um nun eine ernsthafte Atmosphäre zu schaffen, verehrter Herr Kollege Ollenhauer, hätten Sie nicht s o beginnen dürfen! Uns zu unterstellen, daß wir nicht das Problem der Wiedervereinigung berücksichtigten, uns zu unterstellen, daß wir nur diese eine Sorge des Freiwilligengesetzes kennten, uns zu unterstellen, daß wir unsere ganze Politik nicht, wie wir es hundert-und hundertmal gesagt hatten — wir haben uns doch nun wahrhaftig oft genug in diesem Raume miteinander herumgeschlagen —, in eine große politische Konzeption hineinstellten, die allein der Sicherung des Friedens, der Freiheit und der Wiedervereinigung des deutschen Volkes dient, — das uns unterstellen zu lassen, lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab.
Sie haben das Wort des Kanzlers kritisiert, oder Sie haben kritisch daran erinnert, als er davon sprach, — —
- Natürlich dürfen Sie das! Es kommt immer nur auf die Art und Weise an und vor allem darauf, ob Sie von vornherein etwas für bare Münze nehmen wollen oder es als Lüge, als Phrase abtun wollen.
Der Kanzler sprach damals davon, er sei der Überzeugung, daß mit der Verwirklichung dieser unserer Politik der Friede in unserem Raume gesichert werde. Hohngelächter auf Ihrer Seite war die Antwort! Ja, meine Damen und Herren, das ist unsere Überzeugung, und wenn wir diese Überzeugung nicht hätten, hätten wir diese Politik nicht gemacht.
Sie mögen uns entgegenhalten: „Ihr irrt! Ihr lauft Gefahr, mit dieser Politik das Gegenteil zu erreichen!" Bitte, dann wollen wir uns miteinander auseinandersetzten.
Herr Kollege Erler — und Herr Arndt — hat heute wieder das Sicherheitsproblem angeschnitten und von der „Illusion der Sicherheit für die Bundesrepublik" gesprochen. Nicht um die Sicherheit für die Bundesrepublik — muß ich's immer erneut wiederholen? — geht es. Wenn von uns das Problem der Sicherheit ins Auge gefaßt wird, dann geht es um die Sicherheit eines wiedervereinigten Deutschland, weil wir nicht wollen, daß die Wiedervereinigung erkauft wird um den Preis der Sicherheit und der Freiheit dieses wiedervereinigten Deutschland.
Herr Kollege Erler hat in dem Zusammenhang gesagt, das sei etwa das einzige, was auf diese Weise nicht zu erlangen sei. Natürlich kann man keine absolute Sicherheit erringen. In dieser Welt sind die Dinge leider Gottes zu kompliziert, als daß man eine hundertprozentige Garantie schaffen könnte. Aber bei Ihrer Konzeption vermissen wir etwas! Meine Herren, wir sind auch nicht blind, wir wissen, daß es gar keine so einheitliche Konzeption der Sozialdemokratischen Partei gibt,
wir wissen, wie stark die Auseinandersetzungen in Ihren Reihen gerade im Hinblick auf das Problem der Sicherheit sind.
— Richtig! Wenn Sie das sehen, Herr Kollege Metzger, dann geben Sie es doch auch zu und proklamieren Sie nicht von dieser Stelle aus eine Politik der Fassade, hinter der Sie die eigene Unsicherheit und die eigene Spaltung der Meinungen verstecken!
Das Problem, um das es wirklich geht, ist tatsächlich folgendes: Wie machen wir eine Politik, bei der wir das Anliegen unserer — und wenn ich „unsere" sage, dann meine ich: der gesamtdeutschen — Sicherheit und Freiheit verbinden mit dem Anliegen, Gesamtdeutschland herzustellen? Und unsere Sicherheit ist unlösbar verbunden mit der Sicherheit der westlichen Welt. Denn ohne die Sicherheit der westlichen Welt ist unsere eigene Sicherheit nicht zu garantieren.
Infolgedessen mußten wir mit der westlichen Welt gemeinsame Politik machen.
Von Ihnen ist uns — es war Ihr gutes Recht als Opposition, das zu tun — immer wieder entgegengehalten worden: „Aber auf diese weise leidet das Anliegen der deutschen Wiedervereinigung Schaden; denn wir können als Deutsche nicht eine Politik des militärischen Bündnisses mit den westlichen Mächten machen und zugleich das Anliegen der Wiedervereinigung vorwärtstreiben." Wir haben Ihnen diese These stets bestritten. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß nichts Sie berechtigt, zu sagen: „Es gibt nur die Wahl zwischen der deutschen — gesamtdeutschen — Bündnislosigkeit oder dem Verzicht auf die Wiedervereinigung." Wir haben Sie auf das Unkluge einer solchen Argumentation gegenüber der östlichen Welt aufmerksam gemacht. Wir haben Ihnen immer wieder gesagt: Warum wählen Sie für die Politik eine Arbeitshypothese, die von vornherein von dem ungünstigsten Denkbaren ausgeht?
Wie es einmal sein wird, das wird der Gang der Ereignisse beweisen. Ich habe schon jüngst bei unserem kleinen Scharmützel hier darauf hingewiesen, daß, was Voraussagen und ihre Erfüllung oder Nichterfüllung anbetrifft, in diesen Jahren des Bestehens der Bundesrepublik, Sie meine Damen und Herren von der Opposition, sehr schlecht abschneiden.
Wenn nichts anderes als diese eine Tatsache vorläge, würden wir allein schon daraus das Vertrauen schöpfen können, daß unsere Politik die richtige ist. Dabei meine ich das nicht anmaßend, wirklich nicht. Auch ich mache mir Sorgen, jeder von uns macht sie sich. Ich beanspruche nicht für mich — und keiner von uns tut es —, daß wir die mathematische Garantie der Richtigkeit unserer Politik haben.
— Ich tue genau das, verehrter Herr Kollege Lütkens, was Ihre Kollegen getan haben, und ich tue es, weil Ihre Kollegen mich dazu herausgefordert haben. Hätten Sie sich ganz konkret auf das Freiwilligengesetz beschränkt, dann stünde ich jetzt nicht hier.
Ich stehe ja hier, weil sich wieder einmal gezeigt hat, daß Ihre Opposition gegen das Freiwilligengesetz, das durchaus problematisch ist — ich gebe es zu —, eben in Wahrheit von vornherein von jenem Nein getragen ist, das Sie, Herr Kollege Ollenhauer, heute früh gesprochen haben und das die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren zu allem, was wir außenpolitisch unternommen haben, gesagt hat. Das ist eine tragische Tatsache. Aber haben Sie doch Verständnis dafür, daß das auch Ihre sachlichen und konkreten Argumente selbst da, wo sie einmal richtig sein sollten, schwächt, und warum sollten sie nicht auch einmal richtig sein, Herr Ollenhauer? Ich gebe es Ihnen sogar zu. Von vornherein muß man doch annehmen, daß es sich um ein Scheingefecht handelt, daß es sich auch bei diesen konkreten Argumenten um nichts anderes handelt als um die Unterstützung Ihres großen, von vornherein ausgesprochenen Nein zu unserer Politik.
So schien es auch heute wieder zu sein.
Ich gebe durchaus zu, daß Herr Kollege Arndt
recht hat wenn er sagt daß die Aufstellung eines
Heeres verfassungsrechtliche Vorsorge für die Gefahren, die notwendigerweise und kraft einer
Eigengesetzlichkeit aus einer solchen Aufstellung
erwachsen, herausfordern wird. Alle diese Probleme, wie man institutionelle Sicherungen schaffen kann, sind ohne Zweifel ernst. Auch vieles von
dem, was Kollege Erler vorgetragen hat, betrifft
ohne jeden Zweifel ernsthafte Probleme. Das alles
wird entschieden werden können. Nur geht Ihr
Argument dahin: Entweder alles oder nichts; entweder jetzt von vornherein in toto ein mustergültiges Gesetz, in dem das, was Sie uns hier erzählt
haben, mit Meisterschaft verarbeitet ist, oder überhaupt nicht anfangen! Meine Damen und Herren,
warum sagen Sie das? Weil Sie nicht wie uns der
Druck belastet, daß eine Politik, die begonnen worden ist, die man für richtig hält, auch fort- und
zu Ende geführt werden muß.
Sie können es sich leichtmachen, weil Sie ja diese Politik von vornherein und in ihrer ganzen Konzeption ablehnen.
Welche Faust? Ach, verehrter Herr Kollege, ich fürchte, es ist viel eher so, daß wir alle eine Faust im Nacken haben,
aber nicht die, von der Sie gesprochen haben.
Zum Sicherheitskomplex noch einmal in aller Kürze: Es ist davon gesprochen worden, die Manöver bewiesen, daß es zunächst nur eine Sorge gebe, die Sorge für den Schutz der Zivilbevölkerung. Sicher, auch uns bewegt diese Sorge.
Aber wir sehen sie weit umfassender, als Sie es heute
dargestellt haben. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, daß unsere Politik der Erhaltung des Frie-
dens dienen soll. Das ist der eigentliche Schutz der Zivilbevölkerung.
Aus Ihren Reihen selbst kann man oft genug hören: Was treibt ihr denn da alles, im Zeitalter des Atomkrieges ist doch ein Krieg gar nicht wahrscheinlich, warum also diese Divisionen, diese 12 „lumpigen" deutschen Divisionen? So hat sich einer Ihrer führenden Leute bei den Wahlkämpfen in Niedersachsen ausgedrückt.
Wenn Sie so denken, dann sollten Sie nicht Kriegsgespenster zur Beunruhigung unseres Volkes an die Wand malen!
Wenn Sie so denken, dann sollten Sie Manöver, die für einen Ernstfall gedacht sind, den wir durch unsere Politik gerade verhindern wollen, nicht als einen möglichen oder gar drohenden Fall darstellen.
Sie haben schon einmal mit einem solchen Argument Unglück gehabt. Ich glaube, es war Herr Erler, der vor einiger Zeit seine Beunruhigung darüber ausdrückte, daß die Anlage der alliierten Manöver nicht genügend Vertrauen schenke, daß die alliierten Truppen im Falle eines Angriffs auch fest wie ein Fels stehen würden. Ja, meine Damen und Herren, die alliierten Truppen mußten ihre Manöver nach dem Stand der damaligen militärischen Situation anlegen. Das wollen wir ja ändern. So wie die Dinge lagen und liegen, konnte ein alliiertes Manöver gar nicht anders angelegt sein als so, daß uns dabei unbehaglich wird. Damit uns nicht mehr unbehaglich ist, wollen wir unseren Verteidigungsbeitrag leisten.
Es mag sein, daß das Atomzeitalter tatsächlich dahin kommt, daß, wie Sir Winston Churchill in seiner großen Rede im Unterhaus meinte, die Atomwaffen sich gegenseitig ausschalten. Darin liegt sogar ein Trost für uns alle. Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, daß die Erreichung einer Art Gleichstandes der nuklearen Rüstungen dazu beitragen wird, einem Angriffslustigen sehr davon abzuraten, diese Waffe selbst einzusetzen, wenn er damit rechnen muß, daß an ihm Vergeltung geübt wird. Churchill sprach davon, daß das in vier, vielleicht schon in zwei Jahren so sein könne. Dann ist — der Kollege Mende hat mit Recht schon darauf hingewiesen — ein Zustand erreicht, in dem die herkömmlichen, die traditionellen Waffen von allergrößter Bedeutung sind.
Auch ich bin überzeugt, daß sich heute eine Macht nur sehr schwer dazu entschließen würde, einen allgemeinen Krieg, einen Weltkrieg zu entfesseln. Die Gefahr eines lokalen, zeitlich und dem Waffeneinsatz nach beschränkbaren Krieges ist immer da. Sie ist auch in Europa da. Man darf diesen Gedanken nicht außer acht lassen, wenn um die deutsche Sicherheit geredet wird. Ich weiß ganz genau, daß in Ihren Reihen zu diesem Punkt zwei verschiedene Auffassungen vorherrschen. Die eine Auffassung, die ich schon einmal kritisiert habe, sagt: Wir bauen unsere Sicherheit ein in ein System der kollektiven Sicherheit. Ich habe das genannt: unser Schicksal auf ein papierenes Fundament stellen; denn Pakte allein, Verträge allein sichern in dieser Zeit unser Schicksal nicht. Diese Pakte sind nur der Schlußstein, die Ergänzung, das Letzte. Aber vorhergehen müssen echte Verteidigungsvorkehrungen, die im Ernstfall auch dafür sorgen werden, daß ein möglicher Gegner, wenn ihn eine Angriffslust zu einem derartig beschränkbaren kriegerischen Abenteuer ankommt, sich sagt: Das Risiko ist für mich zu groß. Es ist also keine Illusion über eine westdeutsche oder eine gesamtdeutsche Sicherheit. Jedes Staatswesen hat zu jeder Zeit die erste Pflicht gehabt, seine eigene Existenz mit allen Kräften, die ihm zur Verfügung stehen, zu sichern. Diese Aufgabe übernehmen auch wir, nichts anderes!
Ich will mich mit dem einverstanden erklären, was von Herrn Dr. Arndt gesagt worden ist: Es geht bei der Aufstellung des Heeres gar nicht um die Frage des „Vorrangs der Politik." Er hat völlig recht; natürlich geht es um den Vorrang der richtigen Politik und um den Vorrang der richtigen Politiker, d. h. der Männer, die eine verantwortungsbewußte Politik machen. Aber das ist ja auch unsere Auffassung; darüber sind wir uns völlig einig. Wir sind auch bereit, die notwendigen Vorkehrungen dafür zu treffen.
Ihre Kritik hat sich mit Wucht gegen das Freiwilligengesetz gerichtet. Ich habe auch da zwei verschiedene Nuancen gehört. Herr Kollege Arndt hat von vornherein gesagt, es sei in der Regierungserklärung alles abgelehnt worden, was auch nur den Namen einer Wehrverfassung verdiene. Herr Kollege Erler hat gesagt, es sei manches Diskussionswertes, manches Bejahenswertes darin; er hat nur kritisiert, daß davon bei dem Freiwilligengesetz noch nichts zu finden sei. Auch hier finde ich, daß mit einem richtigen Grundanliegen wieder eine maßlose Übersteigerung polemischer Anklage verbunden war.
Ich will nur ein Beispiel herausgreifen. Herr Kollege Arndt hat davon gesprochen, daß in der Wei- mayer Zeit der Reichstag gegenüber dem Verteidigungsminister eine viel stärkere Stellung gehabt habe als dieses Parlament gegenüber dem Verteidigungsminister heute. Stimmt denn das? Es wurde angeführt, daß damals der Wehrminister abberufbar war, daß er vom Parlament direkt gestürzt werden konnte, während der Verteidigungsminister heute nicht gestürzt werden kann, es sei denn, daß man den 'Kanzler zwingt, ihn zu entlassen, bzw. daß er mit einem Sturz des Kanzlers ebenfalls fällt. Kann man in jenem parlamentarischen System der Weimarer Zeit, in jener maßlosen — echt deutschen — Auswucherung des parlamentarischen Gedankens Stärke finden? Wir haben damals nicht von den alten Demokratien England und den Vereinigten Staaten gelernt. Wir haben es wieder einmal besser machen wollen als alle anderen. Perfektionismus wurde getrieben. Warum hat dieser Staat schließlich sein eigenes Fundament untergraben? Das Parlament selbst hat sich damals ausgeschaltet, weil es durch eine Vielzahl von Parteien — und vielfach von unechten Parteien — sich selbst die Kraft zur Entscheidung nahm.
Das war wahrscheinlich nicht die Schuld ,der Männer, die in jenem Parlament saßen, sondern es war auf die Grundanlage jenes Parlamentarismus der Weimarer Zeit zurückzuführen. Darum haben gerade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, so sehr für die Einführung des konstruktiven Mißtrauensvotums ins Grundgesetz gekämpft,
allerdings in der Erwartung, daß ein anderer als
Konrad Adenauer Bundeskanzler werden würde!
Damit bin ich bei dem Argument des Herrn Kollegen Erler, ,der sich mit seinen Freunden darüber beklagt hat, daß man unter allen Umständen die SPD ausschalten wolle. Meine Damen und Herren, denken Sie doch an die Geschichte dieses Parlaments seit dem Jahre 1949! Die große Enttäuschung Ihrer Fraktion und Ihrer Partei darüber, daß es anders kam, daß eben nicht Kurt Schumacher, sondern Konrad Adenauer Bundeskanzler wurde, hat von Anfang an die Atmosphäre hier vergiftet.
Wir haben gehofft, 'daß Sie über diese Enttäuschung hinwegkommen würden. Sie sind bis auf
den heutigen Tag nicht darüber hinweggekommen.
— Verehrter Herr Kollege Ollenhauer, wer schließt hier von sich auf andere?
— Ach, Herr Kollege Ollenhauer, ich werde Ihnen nicht zurückgeben, was Sie getan haben. Ich werde auch nicht sagen, was Sie eben gesagt haben. Ich werde auch nicht sagen, wie ich das, was Sie zur Einleitung Ihrer heutigen Rede gesagt haben, bewerte.
Ich würde Sie bitten, sich auch im Verhältnis unter uns einer parlamentarischen Sprechweise zu bedienen.
Nun wird gesagt, der Bundeskanzler sei das Haupthindernis für ein Zusammenkommen, für eine Zusammenarbeit. Sie haben seine Bemerkung heute, daß er auf eine demokratische Zusammenarbeit auch von seiten der SPD gehofft habe, sofort wieder so aufgenommen, wie Sie vorhin meine eigenen Versicherungen zu Beginn meiner Ausführungen gedeutet haben.
Sie haben ihm unterstellt, daß er eine Unwahrheit sagte oder daß er Sie sogar bezichtigen wolle, Sie hätten sich auf undemokratische Weise außerhalb unserer Gemeinschaft gestellt.
— Das hat er nicht getan!
— Ich brauche es nicht nachzulesen, ich habe es ganz genau im Ohr.
— Er hat Ihnen gesagt, er habe auf Ihre demokratische Mitarbeit gehofft.
Was wir alle unter demokratischer Mitarbeit verstehen, meine Damen und Herren von der Opposition, ist lediglich dies — —
— Ich habe hier den Text, damit nun auch das klargestellt wird. „Ich hatte", so hat der Herr Bundeskanzler wörtlich gesagt, „noch immer gehofft, daß es möglich sein würde, .die sozialdemokratische Fraktion zur Mitarbeit auf dem Boden der Demokratie zu gewinnen."
— Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie in jeden
Satz etwas hineinargwöhnen was man ganz bestimmt bei harmloser Interpretation nicht herauslesen kann, dann kann ich Ihnen wirklich nicht helfen. Was wir — und das versichere ich Ihnen von dieser Stelle aus noch einmal ganz deutlich — darunter verstehen, ist folgendes: daß Ihre Politik, Ihre Außenpolitik in Zukunft eben nicht von vornherein durch das große Nein bestimmt sei, sondern daß Sie sich doch endlich entschließen könnten, den Versuch zu einer gemeinsamen Mitarbeit und gerade hier bei dieser wichtigen Gesetzgebungsmaterie zu machen.
— Sie können nicht sagen, daß es nie versucht worden ist. Ich will keineswegs sagen, daß die Schuld etwa nur auf Ihrer Seite läge. Im Verlaufe einer tragischen Entwicklung von sechs Jahren oder mehr werden natürlich die Verhältnisse immer schlimmer; das verfilzt sich, das erstarrt. Wir haben ja oft genug dazu aufgerufen, daß wir gemeinsam versuchen sollten, diesen Zustand zu überwinden.
— Was soll da unbequem werden, verehrter Herr Kollege? Ich sage Ihnen noch einmal in aller Offenheit und aller Klarheit: wir wünschen eine solche Zusammenarbeit, und wir verschließen uns auch Argumenten nicht, von denen wir spüren, daß sie aus einer echten Sorge um das gemeinsame Anliegen stammen. Dazu haben wir in den Ausschüssen des Bundestages reichlich Gelegenheit, und Sie werden mir auch zugeben, daß Sie von dieser Gelegenheit in den vergangenen Jahren mitunter — leider oft genug beschränkt auf die Atmosphäre des Ausschusses — Gebrauch gemacht haben.
Ich kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal folgendes sagen. Wir werden bei dem Freiwilligengesetz, das, wie gesagt, durchaus seine
Problematik hat, an unserer Gesamtkonzeption festhalten. Wir werden die Politik, die wir wollen und die Sie nicht wollen, fortsetzen, weil wir sie für richtig und gut halten. Sie nennen das, Herr Kollege Erler, Restauration. Geben Sie dem Kinde den Namen, den Sie wollen! Unsere Politik ist nach unserer Meinung eine Politik der Sicherung der Lebensgrundlagen des ganzen deutschen Volkes, und wenn Sie das Restauration nennen wollen, bitte, tun Sie es!
Noch ein anderer Punkt. In dieser Debatte ist mir reichlich viel zum Problem der Kriegsdienstverweigerung gesprochen worden. Ja, das ist ein ernstes Problem. Das Grundgesetz hat dieses Recht anerkannt. Aber was der Herr Kollege Arndt dazu ausgeführt hat, das klang bedenklich ins Gefährliche hinüber. Wie wollen Sie das autonome Gewissen — ja, Herr Kollege Arndt, wir müssen es respektieren — feststellen? Wollen Sie demjenigen, der Ihnen sagt: „Aus meinem autonomen Gewissen heraus lehne ich die Wehrpflicht ab", die autonome Verantwortungslosigkeit zugestehen?
Sie haben vom irrenden Gewissen und seinem Rechte gesprochen. Gut, im Grundsatz richtig. Aber überblicken Sie nicht auch die Gefahr eines zum Irrtum dirigierten Gewissens?
Ich gebe zu, Sie haben am Schluß noch auf diese
Gefahr hingewiesen. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat Ihnen ja konkret gesagt, um was es geht.
Sie haben das verschwiegen, Herr Kollege Arndt. Sie haben, obwohl Sie es wissen, nicht gesagt, daß es in England, in den Vereinigten Staaten eine lang-bewährte Praxis gibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Arndt, ich muß den Ausdruck „Unverschämtheiten" als unparlamentarisch zurückweisen.
Sehen Sie, Kollege Arndt sagt in diesem Augenblick: „Herr Kiesinger hat mich der Lüge bezichtigt". Was habe ich gesagt? Ich habe gesagt, Sie haben bei Ihren Ausführungen verschwiegen,
— d. h. Sie haben es zu sagen unterlassen, daß es eine solche Praxis gibt.
Das entscheidende Problem der Behandlung der Kriegsdienstverweigerung liegt nämlich da. Es liegt bei jener Verfassungspraxis, die wir in Großbritannien, die wir in den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben: Wie stellt man fest oder wie beweist ein Kriegsdienstverweigerer, daß er nicht
aus Verantwortungslosigkeit, sondern aus echter Gewissensnot sein Nein zum Kriegsdienst sagt?
Darüber muß vor diesem Volk in aller Klarheit und Offenheit gesprochen werden.
Ich bin weit davon entfernt, Sie der Lüge zu bezichtigen. Ich verlange nur, daß, wenn schon ein Problem besprochen wird, es dann auch wirklich unter allen Aspekten betrachtet wird. Wohin kämen wir, wenn jeder nur das herausholte, was für seine eigene Ansicht günstig erscheint?
Wir wissen also genau, wie ernst dieses Problem ist, und wir wollen diesem Ernst auch voll Rechnung tragen.
Das Freiwilligengesetz ist ja nur ein kleines Problem im Zusammenhang der großen Fragen, die uns beschäftigen. Hätten Sie sich darauf beschränkt, uns Ihre Sorgen und Ihre Bedenken dagegen vorzutragen — wie es zum Teil geschehen ist —, so hätte es keinen Anlaß zu dieser Diskussion gegeben. Weil Sie es aber auf diese Ihre Weise getan haben — wie Sie es schon so oft in den Kämpfen früher praktiziert haben —, mußte zum Schluß ein deutliches Wort auch von mir gesagt werden. Sie wissen ganz genau — die Verantwortlichen unter Ihnen ganz anders, als es bei dieser Debatte herauskommt —, wie uns hier in diesen Bänken das Problem beschäftigt. Sie wissen — und die Ausführungen meiner Kollegen haben es auch von Anfang an dargetan —, daß keiner der sachlichen Gesichtspunkte, um die es auch Ihnen geht, von uns übersehen würde, und Sie wissen ganz genau, daß wir alle hier auf den Bänken dieser Seite gewillt sind, diese Problematik zu bewältigen und mit Ihnen zusammen zu bewältigen, wenn Sie nur wollen.
Wieweit wir im einzelnen das Parlament einschalten, wieweit die institutionellen Sicherungen, von denen gesprochen wurde, ausgebaut werden sollen, sind Fragen, über die man sich streiten kann. Institutionelle Sicherungen allein tun es ganz gewiß nicht. Die Weimarer Verfassung hatte institutionelle Sicherungen in Hülle und Fülle, und sie ist doch zugrunde gegangen, keineswegs nur von außen her. Was zuletzt einen Staat garantiert und eine Verfassung auf ein festes und sicheres Fundament stellt, das ist der Wille aller, bei den wichtigen Lebensfragen des Staates und der Nation nach allen Kräften zusammenzuwirken.
Es ist uns vorgehalten worden: Was wäre in England geschehen, wenn eine Frage an den englischen Premier gestellt worden wäre, wie sie an den Bundeskanzler in Amerika gestellt worden ist? Ja, meine Damen und Herren, drüben gibt es eben eine gemeinsame Außenpolitik, und diese gemeinsame Außenpolitik ist so stark, daß ein Regierungswechsel im großen und ganzen den außen-
politischen Kurs beläßt. Deswegen ist es nicht schwer, den Oppositionsführer in einer politischen Mission irgendwo hinzuschicken. Bei uns klafft aber jene Kluft, von der Herr Kollege Arndt gesprochen hat. Sie können nicht einfach fortfahren mit der ewigen Anschuldigung, daß an dieser Kluft wir, die Regierungskoalition, die alleinige Schuld trügen. Das ist vor der Geschichte nicht wahr.
Für die Zukunft — und dieses Wort soll festgehalten sein — beteure ich noch einmal,
an uns wird es nicht liegen,
wenn Sie bei der schweren Frage des Aufbaus eines deutschen Heeres und allem, was damit zusammenhängt, nicht mitwirken. Die Tür für Sie steht offen; aber man kann eine Tür nicht mit dem großen Nein betreten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tür zur Mitwirkung der Sozialdemokratischen Partei an der Gestaltung künftiger deutscher Streitkräfte stünde offen, allerdings nur unter einer Voraussetzung: am Anfang dürfte nicht das große Nein stehen.
Wir wollen uns einmal über diese Frage in aller Ruhe und Sachlichkeit unterhalten, weil das ein Lehrstück für die Beziehungen von Regierung und Opposition in einem demokratischen Staat ist. Ist es denn wirklich so, wie aus diesem Ultimatum des Kollegen Kiesinger zu entnehmen ist — denn in der Sache ist das eins,
natürlich! —, daß in einem demokratischen Staatswesen die Mitwirkung der Opposition bei den Einzelheiten von Gesetzen und die selbstverständliche Verpflichtung und das selbstverständliche Recht der. Opposition zur Teilnahme an den staatlichen Institutionen davon abhängen, daß diese Opposition bestimmte Gesetzesvorlagen der Regierung billigt oder ablehnt?
Das gibt es doch nirgends.
Nicht mehr und nicht weniger stand in dem Schlußsatz des Kollegen Kiesinger, als daß Mitwirkung — —
— Bitte, dann sagen Sie hier ganz klar, daß Sie der Sozialdemokratischen Partei das Recht auf Einflußnahme auf die Gesetzgebung und auf Teilnahme an den staatlichen Institutionen, die entstehen, auch dann nicht bestreiten, wenn wir aus allgemeinpolitischen Gründen einem bestimmten Gesetzgebungswerk unsere Zustimmung verweigern. Das muß in einem demokratischen Staat möglich sein.
— Bitte, um diese Selbstverständlichkeit, Herr Kollege Kiesinger, ging es bei den letzten Sätzen und um gar nichts anderes. Das wollten wir hier noch einmal, weil es uns gewissermaßen bestritten worden ist — —
— Gut, ich freue mich, wenn Sie nein sagen. Wir werden Gelegenheit haben, Sie an dieses Wort zu erinnern.
Dann war die Rede davon, woran es denn liege, daß die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition in den Lebensfragen der Nation so sehr leide.
Es ist das Jahr 1949 heraufbeschworen worden. Die meisten von uns waren schon im 1. Deutschen Bundestag. Ich glaube, wir erinnern uns noch alle, wie vor dem Zusammentritt des 1. Deutschen Bundestages wobei es ganz gleichgültig ist, ob eine Bereitschaft zu einer anderen Haltung als der der Opposition bei der Sozialdemokratie überhaupt vorhanden gewesen wäre; das will ich jetzt gar nicht diskutieren — alle entscheidenden Abreden
— nicht nur über die Regierungsbildung, sondern sogar in solchen Fällen gemeinsamer Staatlichkeit wie der Wahl des Bundespräsidenten — schon zum Gegenstand der künftigen Koalitionsabsprachen gemacht worden sind.
Mit diesem Unstern fing es leider an. Sicher, in einem für alle, auch für uns schmerzlichen Prozeß haben sich die Dinge im Laufe der letzten Jahre immer weiter zugespitzt. Aber Hand aufs Herz: Ist das ein Anlaß für jene Regierung, die über eine sichere Mehrheit in diesem Hause verfügt, für jene Partei, die allein die Mehrheit dieses Hauses darstellt, nun bei den gesetzgeberischen Vorlagen, bei dem, was man tut, der Opposition immer wieder und wieder zu sagen: Die Gemeinsamkeit besteht darin, daß ihr mit uns stimmt?
Meine Damen und Herren, Sie haben beim Freiwilligengesetz, Sie haben bei der Art, wie der Herr Bundeskanzler seine Auslandsreisen vorbereitet, Sie haben bei der Art, wie der Herr Bundeskanzler außenpolitische Entscheidungen zu fällen pflegt, ohne Sie, ja manchmal sogar ohne das Kabinett zu fragen,
doch selbst Gelegenheit genug bekommen, zu erleben, wie die Vorbereitung der Gemeinsamkeit eben nicht beschaffen sein kann.
Gemeinsamkeit kann nur dadurch wachsen, daß man bereit ist — und diese Bereitschaft haben wir —, miteinander zu sprechen, bevor die Entscheidungen gefallen sind, und nicht hinterher; das ist doch das Wesentliche.
PO Meine Damen und Herren, Kollege Kiesinger sprach allgemein von der Politik, nicht nur von den speziellen Fragen dieses Gesetzes. Wieweit sich bei diesem Gesetz die gemeinsame Linie der Ablehnung einiger Ungeheuerlichkeiten im Ausschuß durchsetzen wird, wird sich zeigen, hoffe ich. Jetzt ging es aber um die Gemeinsamkeit in wichtigen Grundfragen der nationalen Existenz, zu denen unstreitig die großen Fragen der Außenpolitik gehören, und Kollege Kiesinger hat sich ihnen sehr stark zugewandt. Da sind und bleiben wir der Meinung, daß es mit zu der Verantwortung der Regierung gehört — sie trägt die Verantwortung in diesem Land, und das ist eine Verpflichtung —, sich um die Herstellung der Gemeinsamkeit aller demokratischen Kräfte durch das Gespräch mit diesen Kräften vor politischen, insbesondere außenpolitischen Aktionen zu bemühen und nicht erst hinterher.
Nun noch zu einigen Einzelheiten dessen, was uns Kollege Kiesinger vorgetragen hat. Er hat gesagt, wir sollten davon absehen, Kriegsgespenster an die Wand zu malen. Meine Damen und Herren, wenn in der Bundesrepublik Deutschland zum erstenmal ein Gesetz diskutiert wird, das sich auf die Aufstellung von Streitkräften bezieht, würden wir grob fahrlässig handeln, wenn wir in diesem Zusammenhang nicht allgemein einen Blick auf die Weltkarte und auf das, was sich in der Welt heute abspielt, werfen würden, zumal über unseren Häuptern am Himmel immerhin einiges passiert ist. Das gehört mit dazu.
— Kollege Kiesinger, wenn wir diese Dinge nur aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erfahren, dann zeigt das eben, daß diese Fragen bedauerlicherweise nicht den großen Vorbildern der Debatten des englischen Unterhauses folgend vom Regierungschef aufgeworfen werden, so daß wir sie, mit den Informationen der Regierung versehen, hier diskutieren könnten.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu der Aufforderung machen, keine Kriegsgespenster an die Wand zu malen. Der andere Teil der Ausführungen des Kollegen Kiesinger ging gerade darauf hinaus, wie eilig wir es mit der Aufstellung dieser Streitkräfte eigentlich haben müßten, um der wie eh und je drohenden Gefahr aus dem Osten nun endlich widerstehen zu können. Sie sehen, wie hier zwei Argumente einander buchstäblich widersprechen. Ich finde jedenfalls, daß unser Freund Ollenhauer heute nicht mehr und nicht weniger als seine Pflicht getan hat,
wenn er auch die Verabschiedung des Freiwilligengesetzes in die augenblickliche gesamtpolitische Situation gestellt hat.
In diesem Zusammenhang ist der Ausspruch kritisiert worden — ich weiß gar nicht, ob er wörtlich so gefallen ist, will es aber dem Sinne nach jetzt einmal so auffassen —: schon allein die außenpolitische Sinnlosigkeit des Unterfangens, mit
dem Freiwilligengesetz, etwa mit den 6000 Mann, gegen diese Gefahren etwas ausrichten zu wollen, sollte genügen, das Gesetz abzulehnen. Meine Damen und Herren, Sie mögen dieses Argument billigen oder mißbilligen, ich finde, tauf die Entscheidung der Probleme, vor denen Sie stehen, hat das bei Ihrer uns bekannten außenpolitischen Konzeption gar keinen Einfluß und braucht es auch nicht zu haben; denn auch die außenpolitischen Erwägungen verpflichten Sie doch nicht, innenpolitisch die Demokratie in Gefahr zu bringen. Darauf kommt es doch an.
Auch die Meinungsverschiedenheiten auf dem Gebiete der Außenpolitik, auch die Verschiedenheiten, die es sonst in diesem Hause zwischen Regierung und Opposition gibt, brauchen kein Anlaß zu sein, die Argumente, die vom Standpunkt der Sicherheit der Demokratie im Zusammenhang mit dem Entstehen der bewaffneten Macht von der Opposition hier vorgetragen werden, gewissermaßen nicht ernstzunehmen.
Zu der Unterstellung — das gehört zu dem Kapitel der Entstellungen und Unterstellungen, von denen der Kollege Kiesinger so leidenschaftlich gesprochen hat —, daß wir eigentlich alle diese Argumente nur erfunden hätten, um in Wahrheit den außenpolitischen Kampf von dieser Ecke zu führen, um die Verträge damit noch aus den Angeln zu heben, lassen Sie mich folgendes sagen. Meine Damen und Herren, was Sie nicht von uns verlangen können, ist, daß wir durch Abstimmungen die Pariser Verträge nachträglich ausdrücklich billigen. Das ist das eine. Auf der anderen Seite wissen wir doch — das ist doch gesagt worden —, daß die Verträge völkerrechtlich verbindlich eingegangen sind. Sie sind eine Realität. Auf der Grundlage dieser Realität ist die Opposition auch dort, wo es sich gewissermaßen um solche Zustimmungsgesetze handelt, verpflichtet, auf den Inhalt dessen, was auf der Grundlage dieser Realität wächst, gestaltend Einfluß zu nehmen. Das ist doch selbstverständlich.
— Sehen Sie, da kommt schon wieder die alte Vorstellung zum Vorschein: Das heißt also, wir müssen dem zustimmen. Warum denn?
— Nein! Deshalb nicht, weil dieses Gesetz, das von Ihnen wie von uns hier zerfetzt worden ist, beratungsunfähig ist. Die Regierung soll ein anständiges Gesetz vorlegen.
— Ja, wenn Sie die Gründe immer wieder neu liefern, ist das nicht unsere Schuld. Die Regierung kann sich in diesen Dingen ja tauch einmal vernünftig benehmen.
Die Grundfrage ist doch: Wenn Sie nach Ihrer politischen Konzeption fest entschlossen sind, die Bundesrepublik zu bewaffnen, muß das auf diese gefährliche Weise geschehen, wie das jetzt mit dem Freiwilligengesetz angefangen hat? Da meine ich: Nein!
Wir haben vorhin vom System oder von dem Klima — System wäre zu weitgehend — der Unterstellungen und Entstellungen gesprochen. Da ist neulich einmal in diesem Hause jemand aufgestanden und hat gesagt, das 'deutsche Volk könne nach den Vorstellungen der Sozialdemokratie von einem Sicherheitssystem, das nur auf Pakte gegründet sei, gar keine Sicherheit finden. Das ist auch eine solche Unterstellung; denn selbstverständlich — und das wissen Sie doch — haben wir immer gesagt,
daß auch in einem System der kollektiven Sicherheit neben diesen Pakten 'der eigene Beitrag der Deutschen unentbehrlich ist.
— Nicht ich, die Partei hat es gesagt. Nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntnis!
Die Partei hat es gesagt, und der Parteivorsitzende hat es gesagt.
Da kommt jetzt wieder etwas Interessantes, die andere Unterstellung, die auch vorhin hier kam: Die Sozialdemokraten verbergen hinter der Fassade ihrer Argumente nur ihre eigene Unsicherheit.
— Ich finde, eine Partei kann stolz darauf sein, wenn wenigstens in ihren Reihen die Diskussion der Grundfragen der Politik der Nation möglich ist; und wenn sie dann nach reiflicher Diskussion, nachdem sie ihre Meinung gebildet hat, den Sprecher der Fraktion für die Partei die gemeinsam erarbeitete Linie vortragen läßt, dann sollten Sie diese Meinung der Partei ernstnehmen und nicht noch mit allen möglichen Argumenten abzuwerten versuchen.
Meine Damen und Herren, unsere Partei ist eben keine Befehlsausgabemaschine,
und wir sind sehr froh darüber. Die deutsche Sozialdemokratische Partei ist nämlich, auch wenn mancher das vielleicht gelegentlich in seinem Bewußtsein etwas verdrängt, immer ein Stück lebendiger Demokratie in diesem Lande gewesen, und das ist unser Stärke.
Also das, Kollege Kiesinger, mit der Fassade, das war ein böses Wort, genau wie jenes Wort von den Pakten allein, auf die angeblich die SPD vertraue.
Inzwischen hat sich der Herr Bundeskanzler, nachdem er hier im Bundestag durch die Sozialdemokraten und durch seine eigene erfreuliche Wißbegierde genug Aufklärung darüber bekommen hat, was ein System kollektiver Sicherheit ist, in einer Unterschrift beim Präsidenten Eisenhower dazu verstanden, hineinzuschreiben, daß der Platz eines
unabhängigen Deutschland in einem System der kollektiven Sicherheit angestrebt werde.
Herr Kiesinger, ich stelle fest — und ich 'bin über diese Feststellung erfreut —, daß 'der Herr Bundeskanzler in diesen Fragen manchmal viel elastischer ist als das Gros seiner Fraktion.
— Meine Damen und Herren, in manchen Fragen, sage ich, leider. Ich bedaure nur, daß er diese Entscheidungen immer so allein fällt.
Es wäre viel vernünftiger, man würde vorher darüber mit ihm reden können; dann ließe sich manches noch vorher etwas abstimmen, um Mißverständnisse und Unterstellungen zu vermeiden, die ja leider — und hier nehme ich mein Wort von vorhin auf — gelegentlich auch dem Herrn Regierungschef unterlaufen. Ich habe vorhin — ich habe mich davon überzeugt. Kollege Kiesinger — absolut richtig, auf's I-Tüpfelchen richtig zitiert. Damit ist also erwiesen, daß die Worte des Herrn Bundeskanzlers von heute früh — ich hatte es mitgeschrieben, und Sie haben es nachher, damit ich es prüfen konnte, freundlicherweise noch einmal vorgelesen — leider tatsächlich so schlimm waren, wie es uns heute früh vorkam.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte hier wirklich nur daran erinnern, daß es da leider eine ganze Reihe von nie richtig beglichenen Rechnungen gibt. Das fing damit an, daß der damalige Oppositionsführer Dr. Schumacher dem Herrn Bundeskanzler einmal mit der Bitte um Stellungnahme ein Programm von 20 Punkten dargelegt hat — das ist nie beantwortet worden —,
und das ging schließlich damit weiter, daß ein sehr prominenter Abgeordneter auf der Tribüne des Bundestages eines Vertrauensbruchs geziehen wurde und daß nach mehrmaliger Mahnung nach sechs Monaten dann in einem Brief, aber nicht von der Tribüne des Bundestages, dieser Vorwurf zurückgenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, ich erwähne das nur, damit Sie begreifen, daß wir etwas betroffen sind, wenn man die Atmosphäre der Unterstellungen und der Entstellungen etwas zu einseitig der Sozialdemokratie anzulasten versucht. Ich will ganz offen sagen: Es gehe ein jeder in sich.
Wir sind allzumal Sünder und ermangeln des Ruhms.
— Jawohl! Aber dann müssen wir auch an der Spitze der Regierung mit dieser Gewissenserforschung anfangen. Vielleicht können Sie mit dem Herrn Bundeskanzler kraft Ihrer parlamentarischen Macht darüber einmal ein vernünftiges Wort reden.
Es ist hier gesagt worden, wir verfolgten bei den Vorschlägen, die wir Ihnen gemacht haben, und zwar seit anderthalb Jahren gemacht haben, die Politik des Alles-oder-Nichts. Darum geht es doch überhaupt nicht! Es geht darum, daß nicht ein einziger Mann in Uniform gesteckt wird und eine Waffe in die Hand bekommt, bevor Sie die wesentlichsten verfassungspolitischen Grundlagen für die Einordnung der bewaffneten Macht in den Staat beschlossen haben; nicht mehr und nicht weniger. Das hat nichts zu tun mit einer Politik des „Alles oder Nichts". Das hat aber sehr viel zu tun mit einer Sicherung der Demokratie vor den Gefahren, die mit neuen Machtinstrumenten zwangsläufig verbunden sind. Niemand im Ausland, auch von Ihren Vertragspartnern, verlangt, daß Sie etwa die Demokratie in Deutschland der scheinbaren Pflicht der Außenpolitik aufopfern. Infolgedessen wahren Sie auch das Ansehen, — jawohl, auch das Ansehen der deutschen Demokratie, den Kredit der deutschen Demokratie dadurch, daß Sie in dieser heiklen Frage sich nur zu einer guten und durchdachten Gesetzgebung entschließen und nicht zur Durchführung überhasteter Akte.
Kollege Kiesinger sprach mit Bezug auf die Weimarer Republik von der Rechtsstellung des Verteidigungsministers. Ich glaube, eines sollte uns klar sein: Das Grundgesetz so, wie es geschaffen worden ist, sieht nun einmal so aus, daß es eine außerordentliche Machtfülle in zwei Hände legt, in die Hände eines Mannes. Ich will mich jetzt gar nicht kritisch dazu äußern; ich stelle das nur fest. Das ist zu einer Zeit geschehen, als noch niemand daran dachte, daß in diese Hände auch einmal eine bewaffnete Macht gelegt wird.
Infolgedessen müssen wir nach dem, was in jeder Demokratie üblich ist, uns Gedanken darüber machen, wie wir mit dem Entstehen eines neuen Stückes großer Macht die Gewichte in unserem Staat so verteilen, daß nicht eine ungute, eine, ich möchte sagen: unerträgliche Machtzusammenballung in zwei Händen eines einzigen Mannes erfolgt, wobei es völlig gleichgültig ist, wie dieser Mann heißt. Jeder Bundeskanzler wäre, mit dieser Machtfülle ausgestattet, immer erneut der Versuchung des Mißbrauchs der Macht ausgesetzt. Das ist eine menschliche Eigenschaft.
— Es hat auch in der Weimarer Republik ein Parlament gegeben. Meine Damen und Herren, erwarten Sie doch nicht alles nur von der Existenz des Parlaments. Wenn die übrigen verfassungsrechtlichen Institutionen nach der einen oder anderen Seite Schwergewicht haben, dann wirkt sich das doch auch auf das Parlament aus.
— Von der letzten Wahl spreche ich doch jetzt gar nicht, sondern ich bitte Sie, dafür zu sorgen, daß wir nicht bei der jetzt neu entstehenden Frage der bewaffneten Macht in diesem Staate zuviel Macht allein auf eine Person konzentrieren, weil wir allmählich begreifen müssen — dank auch der Erfahrungen der letzten Jahre, die nicht unbedingt nur mit der Persönlichkeit dieses Kanzlers zusammen-
hängen —, wie schmal in Deutschland der Grat ist, der eine lebendige Demokratie von einem autoritär geführten Staat trennt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Heren! Nur noch ein paar Sätze in Erwiderung auf Herrn Kollegen Erler, und zwar mit der Absicht, zu helfen, die Debatte so weit wie möglich zum Sachlichen hinzuführen.
Es war kein Ultimatum; natürlich nicht! Das große Nein, von dem ich gesprochen habe, bedeutete ganz einfach: Man muß erwarten, daß, wenn man jemanden einlädt, dieser jemand vielleicht sagt: „Nun gut, ich will kommen; ich bin mit vielem, was ihr da treibt, nicht einverstanden, und ich werde mein kräftiges Wörtlein dagegen sagen!" Aber wenn man so wie heute bei der Eröffnung der Debatte durch Herrn Kollegen Ollenhauer sofort gesagt bekommt: „Wir lehnen von vornherein alles ab", dann ist man eben versucht, zu resignieren und zu sagen: So kann es zu nichts führen!
Die Tür steht auf. Sie können durch diese Tür hineingehen; Sie können sogar mit dem großen Nein durch diese Tür hineingehen. Nur wird dabei nichts herauskommen, weder für Sie noch für uns.
— Wenn wir es gemeinsam ernsthaft versuchen, Herr Kollege Schmid! Ich habe Ihnen immer und immer wieder persönlich und ich habe es auch in diesem Hause immer wieder gesagt, ich bin wirklich ehrlich bemüht, daß wir zu dieser Zusammenarbeit kommen.
Nun, ich bin zäh; ich muß an einem bestimmten Punkte wieder einhaken.
Herr Kollege Erler hat von „Unterstellungen" gesprochen. Er hat gesagt, ich hätte unterstellt, daß die Sozialdemokratie eben nur Pakte wolle und unser Schicksal auf ein papierenes Fundament stellen wolle. Ja! Ich wollte Sie herausfordern, zu sagen, wie Sie sich das Problem der deutschen Sicherheit denken, und wollte von Ihnen hören, wie Sie im Rahmen dieser kollektiven Sicherheit sich jene Verteidigungsrealitäten vorstellen, um die es doch geht. Geht es etwa nur um die zwölf deutschen Divisionen? Herr Kollege Erler, Sie wissen es genau so gut wie ich, daß die Sicherheit Westeuropas und damit unsere eigene Sicherheit wesentlich von der Frage abhängt, wieweit es notwendig ist, die Stützpunkte der maritimen Mächte in den westeuropäischen Raum hinein zu verlegen. Wenn Sie ein bündnisloses Deutschland fordern, ein Deutschland, aus dessen Raum diese Stützpunkte zu entfernen wären, dann erhebt sich die Frage: Ist dann Westeuropa überhaupt noch zu verteidigen? Wir haben Ihnen die Auffassungen der militärischen Experten entgegengehalten, daß das nicht der Fall sei. Ich kann mich nicht erinnern, zu irgendeiner Zeit, bei irgendeiner Debatte in diesem Hause von Ihnen eine Gegenvorstellung gehört zu haben. Gerade das hätte uns außerordentlich interessiert. Denn, Herr Kollege Erler, wenn es uns wirklich gelänge, dieses Problem einmal zu klären, wenn Sie uns überzeugend darlegen könnten: „Westeuropa und damit auch ein wiedervereinigtes Deutschland läßt sich verteidigen, auch wenn solche Stützpunkte der maritimen Mächte sich in Europa überhaupt nicht
mehr befinden werden oder sich in einer dünnen Randzone Europas verflüchtigen", dann bekäme unser Gespräch zu diesem Problem endlich einmal echten Gehalt, statt daß nur aneinander vorbeideklamiert wird.
Sie haben bei der Gelegenheit gesagt, wir sollten Sie ernst nehmen, Ihre Fraktion sei keine Befehlsmaschine, und ich hätte da alle möglichen Unterstellungen über Uneinigkeit hinter der Fassade gemacht. Das habe ich doch nur deswegen getan, weil wir ganz genau spüren, Herr Kollege Erler, daß manches Argument, das sonst von manchem Ihrer Fraktion auch hier in der Debatte gebracht werden könnte und von Ihnen vielleicht auch gerne gebracht würde, nicht gebracht wird, weil vorher diese Bereinigung hinter der Fassade vorgenommen wird.
Sie sagten, die SPD sei keine Befehlsmaschine. Ich will gar keine solche Bezichtigung machen und habe eine solche nicht gemacht.
Aber es gibt einen Gradmesser der Beweglichkeit der einzelnen Fraktionen in diesem Hause. Wir haben seit 1949 — hundert und etliche namentliche Abstimmungen hier gehabt. Meine Damen und Herren, prüfen Sie nach, in welchen Fraktionen dieses Hauses diese namentlichen Abstimmungen fast stets in völliger Uniformität vollzogen worden sind.
Das muß ich Ihnen leider Gottes entgegnen; es ist einfach eine geschichtliche Wahrheit.
— Herr Blachstein, natürlich ist es eine olle Kamelle. Aber eine olle Kamelle verliert deswegen nicht an Wahrheitsgehalt, weil sie wiederholt werden muß.
Aber zum Schluß möchte ich noch die Gedankengänge Herrn Erlers zu der Gefahr behandeln, daß zuviel Macht in die Hand eines Mannes gelegt werde, in diesem Zusammenhang zuviel militärische Macht. Sie sagen, bei der Schaffung des Grundgesetzes habe man nicht daran gedacht, daß es eines Tages auch wieder Soldaten geben werde. Sie müssen aber zugeben, daß Sie damals in Erinnerung an die Weimarer Zeit gern und nachdrücklich diese Macht in die Hand eines Mannes gelegt haben.
Sie haben mehrfach die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika zitiert. Herr Erler, bleiben Sie konsequent! Sie haben auf das Vorbildliche dieser Verfassung hingewiesen. Sie wissen genau so gut wie ich, wieviel mehr Macht dort ein Mann, auch im Militärischen hat, nämlich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der vom Parlament in keiner Weise abhängig ist, sondern vom Volk gewählt wird und der nur vom Volk in extremen Fällen zurückgerufen werden könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Kiesinger, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön.
Kollege Kiesinger, darf ich fragen, ob Ihnen außer dem allgemeinen Unterschied zwischen einer präsidialen und einer parlamentarischen Demokratie auch bekannt ist, daß der so starke Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika keinen einzigen Leutnant ernennen und keinen einzigen Offizier befördern kann ohne die Zustimmung des zuständigen Ausschusses des Senats?
Ja. Wir wissen alle, welche Rolle der amerikanische Senat spielt; er soll die ungeheure Machtfülle bremsen, die der vom Volk gewählte Präsident bekommen hat. Ich will hier kein staatsrechtliches Kolleg halten. Wir wissen, daß die Verfassung von Amerika weniger auf den demokratischen Vorstellungen der Zeit der französischen Revolution beruht als auf den Gedankengängen Montesquieus, der alles andere als in diesem Sinne demokratisch dachte. Aber das nur am Rande.
Bei uns, Herr Kollege Erler, ist zwar durch das konstruktive Mißtrauensvotum die Stellung des Kanzlers außerordentlich stark, aber mein Kollege Dr. Krone hat Ihnen bereits zugerufen: Vergessen Sie denn das Parlament? Das Parlament hat es in der Hand, den Kanzler zu kontrollieren und ihn abzuberufen, wenn es mit seiner Politik nicht mehr einverstanden ist.
Sie machen immer nur einen Fehler: Weil wir mit seiner Politik einverstanden sind und Sie nicht, verwechseln Sie sich mit dem Ganzen des Parlaments.
Selbstverständlich ist es durchaus erwägenswert, die militärische Machtfülle in einer Hand durch institutionelle Sicherungen, die wir uns gemeinsam Überlegen wollen, auszubalancieren. Dagegen spricht niemand. Wir beklagen nur, daß bei all unseren Debatten, statt daß zum konkreten Problem sachlich geredet wird, immer wieder 'die große Anklage ertönt: die Regierungskoalition gefährdet die Demokratie! Wenn Ihnen ein Gesetz aus irgendeinem Grund nicht paßt oder weil Ihnen dieses Gesetz nicht genug Garantien für gewisse Sicherungsnotwendigkeiten zu geben scheint, greifen Sie sofort ganz hoch hinauf und rufen: Mißachtung der Opposition, Verletzung der Rechte und der Sicherungen der Demokratie! Das ist es doch, was wir und, davon bin ich überzeugt, auch die deutsche Öffentlichkeit endlich aus diesen Debatten verschwinden sehen wollen. Keine gegenseitigen Anklagen, sondern sachliche Diskussion!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, schließe ich die Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften , Drucksache 1467. Absprachegemäß unterbreche ich vor der Abstimmung die Sitzung um eine halbe Stunde bis auf 20.45 Uhr pünktlich.
Die Sitzung wird um 20 Uhr 47 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Es ist beantragt Überweisung des Gesetzentwurfs über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften — Drucksache 1467 — an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Beamtenrecht und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung. — Abgeordneter Menzel!
Für den Fall der Ausschußüberweisung — gegen unsere Stimmen — beantragen wir: auch Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Haushaltsausschuß!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Stücklen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz dem Sicherheitsausschuß als federführendem Ausschuß überwiesen werden soll, weiter dem Beamtenrechtsausschuß und dem Rechtsausschuß. Wir halten es nicht für nötig, daß dieses Gesetz dem Haushaltsausschuß oder dem Ausschuß für innere Verwaltung überwiesen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wenn keine Einigkeit darüber besteht, dann ist es das einfachste, darüber abzustimmen. Ich frage das Haus: ist es damit einverstanden, daß der Gesetzentwurf an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit als federführenden Ausschuß überwiesen wird?
— Gut! Wer dafür ist, daß dieser Gesetzentwurf dem Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit als federführendem Ausschuß überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit beschlossen.
Ausschuß für Beamtenrecht zur Mitberatung! — Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit beschlossen.
Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht! — Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit beschlossen.
Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, zur Mitberatung! — Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Haushaltsausschuß! — Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen.
Es liegt weiter der selbständige Antrag auf Drucksache 1499 vor; er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 11. November 1953 über die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 4 der Geschäftsordnung — Drucksache 54 — wird für den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit hinsichtlich der Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes über idle vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) — Drucksache 1467 — aufgehoben.
Der Antrag ist durch den Abgeordneten Erler in seiner Rede schon begründet worden. Wird das Wort gewünscht? — Abgeordneter Stücklen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat es uns durch ihr vorgefaßtes Nein nicht leicht gemacht, diesem Antrag zuzustimmen. Wir sind aber der Meinung, daß diese Materie in der Öffentlichkeit beraten werden soll. Wir stimmen diesem Antrag zu. Ich möchte die Einschränkung machen: es ist durchaus möglich, daß bei der Beratung der Materie eine Situation auftritt, die es erforderlich macht, die Beratungen des Ausschusses für vertraulich zu erklären. Wir behalten uns eine entsprechende Beschlußfassung im Ausschuß vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das letzte ist ganz selbstverständlich. Es ist eine allgemeine Regel der Geschäftsordnung: wenn ein Ausschuß in seiner Mehrheit es im staatspolitischen Interesse für richtig und notwendig hält, für bestimmte Themata die Vertraulichkeit zu beschließen, hat er immer das Recht, das zu tun.
Wir kommen also zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 1499 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Mit großer Mehrheit angenommen.
Damit sind wir am Ende ,der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die 94. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 6. Juli 1955, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.