Gut! Dann kann ich Ihnen nur sagen, und ich lege Wert darauf, daß dieser Tatbestand Ihren zynisch lachenden Gesichtern gegenüber geklärt wird: Als ich gefragt wurde — und ich rufe hier meine Fraktion, ich rufe meinen Kollegen Krone 2. um Zeugen auf —: Herr Kollege Krone, war es nicht so, daß wir uns lange darüber unterhalten haben, ob ich in diese Debatte eingreifen sollte oder nicht?
— Das genügt ja wohl!
— Natürlich! Ich wollte ja nur zeigen, von welchem
Ungeist dieses Haus mehr und mehr befallen ist,
von welcher Atmosphäre des Mißtrauens, der Entstellungen und Unterstellungen.
Daß wir in einer so wichtigen Frage wie dieser uns nicht in Ruhe und Sachlichkeit unterhalten können, ohne von vornherein verleumdet zu werden, das, meine Herren, ist nicht unsere, sondern Ihre Schuld.
Ich wiederhole: ich hatte nicht beabsichtigt, in diese Debatte einzugreifen; aber die Entwicklung der Debatte, die Bestimmung des Klimas gleich durch die einleitenden Worte des Herrn Kollegen Ollenhauer haben mich dann veranlaßt, den Bitten meiner Freunde zu entsprechen. Ich habe bis zuletzt sogar noch mit einem anderen Kollegen aus der Fraktion darüber verhandelt, ob nicht lieber er an meiner Stelle das Wort nehmen wollte, weil ich glaubte, daß er zu bestimmten Fragen besser Stellung nehmen könne als ich. So war es.
Was hat Herr Kollege Ollenhauer zu Anfang getan? Er hat in ungewöhnlich polemischer Weise behauptet, in der außenpolitischen Situation, in der sich die Welt befinde, kenne die Regierung nur eine einzige Sorge: dieses Freiwilligengesetz. Sie versuche es durchzusetzen ohne Rücksicht auf die möglichen Konsequenzen für die Frage der Wiedervereinigung. Sie bewege sich auf geisterhafte Weise in einer Welt, als ob seit dem Jahre 1952 nichts geschehen wäre. Sie dränge auf die Aufstellung von deutschen Divisionen im Zeitalter des Atomkrieges, der das Ganze völlig gespenstisch mache. Er ging über zu den gegenwärtigen NATO-Luftmanövern, erzählte, daß alarmierende Nachrichten vorlägen, aus denen sich ergebe, daß in einem zukünftigen Krieg die Zivilbevölkerung der eigentlich Leidtragende sein werde, und er ließ durchblicken, daß auf diese Weise das ganze Verhalten der Regierung nicht nur töricht und närrisch, sondern geradezu unverantwortlich sei.
Das war die Einleitung. — Ich danke Ihnen für Ihr
„Sehr richtig"; es bestätigt meine Auffassung. —
Dann hat Herr Kollege Ollenhauer sehr deutlich gesagt: Das allein schon veranlaßt uns, von vornhere in dieses Gesetz ohne Rücksicht auf weitere Argumente abzulehnen. — Meine Damen und Herren, dieses „von vornherein" ist es und war es, das es in den vergangenen Jahren unmöglich gemacht hat, daß wir zusammenkamen.
Ich habe sehr sorgfältig zugehört, was dann von einzelnen Rednern der Sozialdemokratie gesagt wurde, und ich habe manches Argument auch mit Respekt gehört. Natürlich sind wir uns über viele Dinge einig, natürlich teilen wir gemeinsame Sorgen. Aber um nun eine ernsthafte Atmosphäre zu schaffen, verehrter Herr Kollege Ollenhauer, hätten Sie nicht s o beginnen dürfen! Uns zu unterstellen, daß wir nicht das Problem der Wiedervereinigung berücksichtigten, uns zu unterstellen, daß wir nur diese eine Sorge des Freiwilligengesetzes kennten, uns zu unterstellen, daß wir unsere ganze Politik nicht, wie wir es hundert-und hundertmal gesagt hatten — wir haben uns doch nun wahrhaftig oft genug in diesem Raume miteinander herumgeschlagen —, in eine große politische Konzeption hineinstellten, die allein der Sicherung des Friedens, der Freiheit und der Wiedervereinigung des deutschen Volkes dient, — das uns unterstellen zu lassen, lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab.
Sie haben das Wort des Kanzlers kritisiert, oder Sie haben kritisch daran erinnert, als er davon sprach, — —
- Natürlich dürfen Sie das! Es kommt immer nur auf die Art und Weise an und vor allem darauf, ob Sie von vornherein etwas für bare Münze nehmen wollen oder es als Lüge, als Phrase abtun wollen.
Der Kanzler sprach damals davon, er sei der Überzeugung, daß mit der Verwirklichung dieser unserer Politik der Friede in unserem Raume gesichert werde. Hohngelächter auf Ihrer Seite war die Antwort! Ja, meine Damen und Herren, das ist unsere Überzeugung, und wenn wir diese Überzeugung nicht hätten, hätten wir diese Politik nicht gemacht.
Sie mögen uns entgegenhalten: „Ihr irrt! Ihr lauft Gefahr, mit dieser Politik das Gegenteil zu erreichen!" Bitte, dann wollen wir uns miteinander auseinandersetzten.
Herr Kollege Erler — und Herr Arndt — hat heute wieder das Sicherheitsproblem angeschnitten und von der „Illusion der Sicherheit für die Bundesrepublik" gesprochen. Nicht um die Sicherheit für die Bundesrepublik — muß ich's immer erneut wiederholen? — geht es. Wenn von uns das Problem der Sicherheit ins Auge gefaßt wird, dann geht es um die Sicherheit eines wiedervereinigten Deutschland, weil wir nicht wollen, daß die Wiedervereinigung erkauft wird um den Preis der Sicherheit und der Freiheit dieses wiedervereinigten Deutschland.
Herr Kollege Erler hat in dem Zusammenhang gesagt, das sei etwa das einzige, was auf diese Weise nicht zu erlangen sei. Natürlich kann man keine absolute Sicherheit erringen. In dieser Welt sind die Dinge leider Gottes zu kompliziert, als daß man eine hundertprozentige Garantie schaffen könnte. Aber bei Ihrer Konzeption vermissen wir etwas! Meine Herren, wir sind auch nicht blind, wir wissen, daß es gar keine so einheitliche Konzeption der Sozialdemokratischen Partei gibt,
wir wissen, wie stark die Auseinandersetzungen in Ihren Reihen gerade im Hinblick auf das Problem der Sicherheit sind.
— Richtig! Wenn Sie das sehen, Herr Kollege Metzger, dann geben Sie es doch auch zu und proklamieren Sie nicht von dieser Stelle aus eine Politik der Fassade, hinter der Sie die eigene Unsicherheit und die eigene Spaltung der Meinungen verstecken!
Das Problem, um das es wirklich geht, ist tatsächlich folgendes: Wie machen wir eine Politik, bei der wir das Anliegen unserer — und wenn ich „unsere" sage, dann meine ich: der gesamtdeutschen — Sicherheit und Freiheit verbinden mit dem Anliegen, Gesamtdeutschland herzustellen? Und unsere Sicherheit ist unlösbar verbunden mit der Sicherheit der westlichen Welt. Denn ohne die Sicherheit der westlichen Welt ist unsere eigene Sicherheit nicht zu garantieren.
Infolgedessen mußten wir mit der westlichen Welt gemeinsame Politik machen.
Von Ihnen ist uns — es war Ihr gutes Recht als Opposition, das zu tun — immer wieder entgegengehalten worden: „Aber auf diese weise leidet das Anliegen der deutschen Wiedervereinigung Schaden; denn wir können als Deutsche nicht eine Politik des militärischen Bündnisses mit den westlichen Mächten machen und zugleich das Anliegen der Wiedervereinigung vorwärtstreiben." Wir haben Ihnen diese These stets bestritten. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß nichts Sie berechtigt, zu sagen: „Es gibt nur die Wahl zwischen der deutschen — gesamtdeutschen — Bündnislosigkeit oder dem Verzicht auf die Wiedervereinigung." Wir haben Sie auf das Unkluge einer solchen Argumentation gegenüber der östlichen Welt aufmerksam gemacht. Wir haben Ihnen immer wieder gesagt: Warum wählen Sie für die Politik eine Arbeitshypothese, die von vornherein von dem ungünstigsten Denkbaren ausgeht?
Wie es einmal sein wird, das wird der Gang der Ereignisse beweisen. Ich habe schon jüngst bei unserem kleinen Scharmützel hier darauf hingewiesen, daß, was Voraussagen und ihre Erfüllung oder Nichterfüllung anbetrifft, in diesen Jahren des Bestehens der Bundesrepublik, Sie meine Damen und Herren von der Opposition, sehr schlecht abschneiden.
Wenn nichts anderes als diese eine Tatsache vorläge, würden wir allein schon daraus das Vertrauen schöpfen können, daß unsere Politik die richtige ist. Dabei meine ich das nicht anmaßend, wirklich nicht. Auch ich mache mir Sorgen, jeder von uns macht sie sich. Ich beanspruche nicht für mich — und keiner von uns tut es —, daß wir die mathematische Garantie der Richtigkeit unserer Politik haben.
— Ich tue genau das, verehrter Herr Kollege Lütkens, was Ihre Kollegen getan haben, und ich tue es, weil Ihre Kollegen mich dazu herausgefordert haben. Hätten Sie sich ganz konkret auf das Freiwilligengesetz beschränkt, dann stünde ich jetzt nicht hier.
Ich stehe ja hier, weil sich wieder einmal gezeigt hat, daß Ihre Opposition gegen das Freiwilligengesetz, das durchaus problematisch ist — ich gebe es zu —, eben in Wahrheit von vornherein von jenem Nein getragen ist, das Sie, Herr Kollege Ollenhauer, heute früh gesprochen haben und das die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren zu allem, was wir außenpolitisch unternommen haben, gesagt hat. Das ist eine tragische Tatsache. Aber haben Sie doch Verständnis dafür, daß das auch Ihre sachlichen und konkreten Argumente selbst da, wo sie einmal richtig sein sollten, schwächt, und warum sollten sie nicht auch einmal richtig sein, Herr Ollenhauer? Ich gebe es Ihnen sogar zu. Von vornherein muß man doch annehmen, daß es sich um ein Scheingefecht handelt, daß es sich auch bei diesen konkreten Argumenten um nichts anderes handelt als um die Unterstützung Ihres großen, von vornherein ausgesprochenen Nein zu unserer Politik.
So schien es auch heute wieder zu sein.
Ich gebe durchaus zu, daß Herr Kollege Arndt
recht hat wenn er sagt daß die Aufstellung eines
Heeres verfassungsrechtliche Vorsorge für die Gefahren, die notwendigerweise und kraft einer
Eigengesetzlichkeit aus einer solchen Aufstellung
erwachsen, herausfordern wird. Alle diese Probleme, wie man institutionelle Sicherungen schaffen kann, sind ohne Zweifel ernst. Auch vieles von
dem, was Kollege Erler vorgetragen hat, betrifft
ohne jeden Zweifel ernsthafte Probleme. Das alles
wird entschieden werden können. Nur geht Ihr
Argument dahin: Entweder alles oder nichts; entweder jetzt von vornherein in toto ein mustergültiges Gesetz, in dem das, was Sie uns hier erzählt
haben, mit Meisterschaft verarbeitet ist, oder überhaupt nicht anfangen! Meine Damen und Herren,
warum sagen Sie das? Weil Sie nicht wie uns der
Druck belastet, daß eine Politik, die begonnen worden ist, die man für richtig hält, auch fort- und
zu Ende geführt werden muß.
Sie können es sich leichtmachen, weil Sie ja diese Politik von vornherein und in ihrer ganzen Konzeption ablehnen.
Welche Faust? Ach, verehrter Herr Kollege, ich fürchte, es ist viel eher so, daß wir alle eine Faust im Nacken haben,
aber nicht die, von der Sie gesprochen haben.
Zum Sicherheitskomplex noch einmal in aller Kürze: Es ist davon gesprochen worden, die Manöver bewiesen, daß es zunächst nur eine Sorge gebe, die Sorge für den Schutz der Zivilbevölkerung. Sicher, auch uns bewegt diese Sorge.
Aber wir sehen sie weit umfassender, als Sie es heute
dargestellt haben. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, daß unsere Politik der Erhaltung des Frie-
dens dienen soll. Das ist der eigentliche Schutz der Zivilbevölkerung.
Aus Ihren Reihen selbst kann man oft genug hören: Was treibt ihr denn da alles, im Zeitalter des Atomkrieges ist doch ein Krieg gar nicht wahrscheinlich, warum also diese Divisionen, diese 12 „lumpigen" deutschen Divisionen? So hat sich einer Ihrer führenden Leute bei den Wahlkämpfen in Niedersachsen ausgedrückt.
Wenn Sie so denken, dann sollten Sie nicht Kriegsgespenster zur Beunruhigung unseres Volkes an die Wand malen!
Wenn Sie so denken, dann sollten Sie Manöver, die für einen Ernstfall gedacht sind, den wir durch unsere Politik gerade verhindern wollen, nicht als einen möglichen oder gar drohenden Fall darstellen.
Sie haben schon einmal mit einem solchen Argument Unglück gehabt. Ich glaube, es war Herr Erler, der vor einiger Zeit seine Beunruhigung darüber ausdrückte, daß die Anlage der alliierten Manöver nicht genügend Vertrauen schenke, daß die alliierten Truppen im Falle eines Angriffs auch fest wie ein Fels stehen würden. Ja, meine Damen und Herren, die alliierten Truppen mußten ihre Manöver nach dem Stand der damaligen militärischen Situation anlegen. Das wollen wir ja ändern. So wie die Dinge lagen und liegen, konnte ein alliiertes Manöver gar nicht anders angelegt sein als so, daß uns dabei unbehaglich wird. Damit uns nicht mehr unbehaglich ist, wollen wir unseren Verteidigungsbeitrag leisten.
Es mag sein, daß das Atomzeitalter tatsächlich dahin kommt, daß, wie Sir Winston Churchill in seiner großen Rede im Unterhaus meinte, die Atomwaffen sich gegenseitig ausschalten. Darin liegt sogar ein Trost für uns alle. Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, daß die Erreichung einer Art Gleichstandes der nuklearen Rüstungen dazu beitragen wird, einem Angriffslustigen sehr davon abzuraten, diese Waffe selbst einzusetzen, wenn er damit rechnen muß, daß an ihm Vergeltung geübt wird. Churchill sprach davon, daß das in vier, vielleicht schon in zwei Jahren so sein könne. Dann ist — der Kollege Mende hat mit Recht schon darauf hingewiesen — ein Zustand erreicht, in dem die herkömmlichen, die traditionellen Waffen von allergrößter Bedeutung sind.
Auch ich bin überzeugt, daß sich heute eine Macht nur sehr schwer dazu entschließen würde, einen allgemeinen Krieg, einen Weltkrieg zu entfesseln. Die Gefahr eines lokalen, zeitlich und dem Waffeneinsatz nach beschränkbaren Krieges ist immer da. Sie ist auch in Europa da. Man darf diesen Gedanken nicht außer acht lassen, wenn um die deutsche Sicherheit geredet wird. Ich weiß ganz genau, daß in Ihren Reihen zu diesem Punkt zwei verschiedene Auffassungen vorherrschen. Die eine Auffassung, die ich schon einmal kritisiert habe, sagt: Wir bauen unsere Sicherheit ein in ein System der kollektiven Sicherheit. Ich habe das genannt: unser Schicksal auf ein papierenes Fundament stellen; denn Pakte allein, Verträge allein sichern in dieser Zeit unser Schicksal nicht. Diese Pakte sind nur der Schlußstein, die Ergänzung, das Letzte. Aber vorhergehen müssen echte Verteidigungsvorkehrungen, die im Ernstfall auch dafür sorgen werden, daß ein möglicher Gegner, wenn ihn eine Angriffslust zu einem derartig beschränkbaren kriegerischen Abenteuer ankommt, sich sagt: Das Risiko ist für mich zu groß. Es ist also keine Illusion über eine westdeutsche oder eine gesamtdeutsche Sicherheit. Jedes Staatswesen hat zu jeder Zeit die erste Pflicht gehabt, seine eigene Existenz mit allen Kräften, die ihm zur Verfügung stehen, zu sichern. Diese Aufgabe übernehmen auch wir, nichts anderes!
Ich will mich mit dem einverstanden erklären, was von Herrn Dr. Arndt gesagt worden ist: Es geht bei der Aufstellung des Heeres gar nicht um die Frage des „Vorrangs der Politik." Er hat völlig recht; natürlich geht es um den Vorrang der richtigen Politik und um den Vorrang der richtigen Politiker, d. h. der Männer, die eine verantwortungsbewußte Politik machen. Aber das ist ja auch unsere Auffassung; darüber sind wir uns völlig einig. Wir sind auch bereit, die notwendigen Vorkehrungen dafür zu treffen.
Ihre Kritik hat sich mit Wucht gegen das Freiwilligengesetz gerichtet. Ich habe auch da zwei verschiedene Nuancen gehört. Herr Kollege Arndt hat von vornherein gesagt, es sei in der Regierungserklärung alles abgelehnt worden, was auch nur den Namen einer Wehrverfassung verdiene. Herr Kollege Erler hat gesagt, es sei manches Diskussionswertes, manches Bejahenswertes darin; er hat nur kritisiert, daß davon bei dem Freiwilligengesetz noch nichts zu finden sei. Auch hier finde ich, daß mit einem richtigen Grundanliegen wieder eine maßlose Übersteigerung polemischer Anklage verbunden war.
Ich will nur ein Beispiel herausgreifen. Herr Kollege Arndt hat davon gesprochen, daß in der Wei- mayer Zeit der Reichstag gegenüber dem Verteidigungsminister eine viel stärkere Stellung gehabt habe als dieses Parlament gegenüber dem Verteidigungsminister heute. Stimmt denn das? Es wurde angeführt, daß damals der Wehrminister abberufbar war, daß er vom Parlament direkt gestürzt werden konnte, während der Verteidigungsminister heute nicht gestürzt werden kann, es sei denn, daß man den 'Kanzler zwingt, ihn zu entlassen, bzw. daß er mit einem Sturz des Kanzlers ebenfalls fällt. Kann man in jenem parlamentarischen System der Weimarer Zeit, in jener maßlosen — echt deutschen — Auswucherung des parlamentarischen Gedankens Stärke finden? Wir haben damals nicht von den alten Demokratien England und den Vereinigten Staaten gelernt. Wir haben es wieder einmal besser machen wollen als alle anderen. Perfektionismus wurde getrieben. Warum hat dieser Staat schließlich sein eigenes Fundament untergraben? Das Parlament selbst hat sich damals ausgeschaltet, weil es durch eine Vielzahl von Parteien — und vielfach von unechten Parteien — sich selbst die Kraft zur Entscheidung nahm.
Das war wahrscheinlich nicht die Schuld ,der Männer, die in jenem Parlament saßen, sondern es war auf die Grundanlage jenes Parlamentarismus der Weimarer Zeit zurückzuführen. Darum haben gerade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, so sehr für die Einführung des konstruktiven Mißtrauensvotums ins Grundgesetz gekämpft,
allerdings in der Erwartung, daß ein anderer als
Konrad Adenauer Bundeskanzler werden würde!
Damit bin ich bei dem Argument des Herrn Kollegen Erler, ,der sich mit seinen Freunden darüber beklagt hat, daß man unter allen Umständen die SPD ausschalten wolle. Meine Damen und Herren, denken Sie doch an die Geschichte dieses Parlaments seit dem Jahre 1949! Die große Enttäuschung Ihrer Fraktion und Ihrer Partei darüber, daß es anders kam, daß eben nicht Kurt Schumacher, sondern Konrad Adenauer Bundeskanzler wurde, hat von Anfang an die Atmosphäre hier vergiftet.
Wir haben gehofft, 'daß Sie über diese Enttäuschung hinwegkommen würden. Sie sind bis auf
den heutigen Tag nicht darüber hinweggekommen.
— Verehrter Herr Kollege Ollenhauer, wer schließt hier von sich auf andere?
— Ach, Herr Kollege Ollenhauer, ich werde Ihnen nicht zurückgeben, was Sie getan haben. Ich werde auch nicht sagen, was Sie eben gesagt haben. Ich werde auch nicht sagen, wie ich das, was Sie zur Einleitung Ihrer heutigen Rede gesagt haben, bewerte.
Ich würde Sie bitten, sich auch im Verhältnis unter uns einer parlamentarischen Sprechweise zu bedienen.
Nun wird gesagt, der Bundeskanzler sei das Haupthindernis für ein Zusammenkommen, für eine Zusammenarbeit. Sie haben seine Bemerkung heute, daß er auf eine demokratische Zusammenarbeit auch von seiten der SPD gehofft habe, sofort wieder so aufgenommen, wie Sie vorhin meine eigenen Versicherungen zu Beginn meiner Ausführungen gedeutet haben.
Sie haben ihm unterstellt, daß er eine Unwahrheit sagte oder daß er Sie sogar bezichtigen wolle, Sie hätten sich auf undemokratische Weise außerhalb unserer Gemeinschaft gestellt.
— Das hat er nicht getan!
— Ich brauche es nicht nachzulesen, ich habe es ganz genau im Ohr.
— Er hat Ihnen gesagt, er habe auf Ihre demokratische Mitarbeit gehofft.
Was wir alle unter demokratischer Mitarbeit verstehen, meine Damen und Herren von der Opposition, ist lediglich dies — —
— Ich habe hier den Text, damit nun auch das klargestellt wird. „Ich hatte", so hat der Herr Bundeskanzler wörtlich gesagt, „noch immer gehofft, daß es möglich sein würde, .die sozialdemokratische Fraktion zur Mitarbeit auf dem Boden der Demokratie zu gewinnen."
— Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie in jeden
Satz etwas hineinargwöhnen was man ganz bestimmt bei harmloser Interpretation nicht herauslesen kann, dann kann ich Ihnen wirklich nicht helfen. Was wir — und das versichere ich Ihnen von dieser Stelle aus noch einmal ganz deutlich — darunter verstehen, ist folgendes: daß Ihre Politik, Ihre Außenpolitik in Zukunft eben nicht von vornherein durch das große Nein bestimmt sei, sondern daß Sie sich doch endlich entschließen könnten, den Versuch zu einer gemeinsamen Mitarbeit und gerade hier bei dieser wichtigen Gesetzgebungsmaterie zu machen.
— Sie können nicht sagen, daß es nie versucht worden ist. Ich will keineswegs sagen, daß die Schuld etwa nur auf Ihrer Seite läge. Im Verlaufe einer tragischen Entwicklung von sechs Jahren oder mehr werden natürlich die Verhältnisse immer schlimmer; das verfilzt sich, das erstarrt. Wir haben ja oft genug dazu aufgerufen, daß wir gemeinsam versuchen sollten, diesen Zustand zu überwinden.
— Was soll da unbequem werden, verehrter Herr Kollege? Ich sage Ihnen noch einmal in aller Offenheit und aller Klarheit: wir wünschen eine solche Zusammenarbeit, und wir verschließen uns auch Argumenten nicht, von denen wir spüren, daß sie aus einer echten Sorge um das gemeinsame Anliegen stammen. Dazu haben wir in den Ausschüssen des Bundestages reichlich Gelegenheit, und Sie werden mir auch zugeben, daß Sie von dieser Gelegenheit in den vergangenen Jahren mitunter — leider oft genug beschränkt auf die Atmosphäre des Ausschusses — Gebrauch gemacht haben.
Ich kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal folgendes sagen. Wir werden bei dem Freiwilligengesetz, das, wie gesagt, durchaus seine
Problematik hat, an unserer Gesamtkonzeption festhalten. Wir werden die Politik, die wir wollen und die Sie nicht wollen, fortsetzen, weil wir sie für richtig und gut halten. Sie nennen das, Herr Kollege Erler, Restauration. Geben Sie dem Kinde den Namen, den Sie wollen! Unsere Politik ist nach unserer Meinung eine Politik der Sicherung der Lebensgrundlagen des ganzen deutschen Volkes, und wenn Sie das Restauration nennen wollen, bitte, tun Sie es!
Noch ein anderer Punkt. In dieser Debatte ist mir reichlich viel zum Problem der Kriegsdienstverweigerung gesprochen worden. Ja, das ist ein ernstes Problem. Das Grundgesetz hat dieses Recht anerkannt. Aber was der Herr Kollege Arndt dazu ausgeführt hat, das klang bedenklich ins Gefährliche hinüber. Wie wollen Sie das autonome Gewissen — ja, Herr Kollege Arndt, wir müssen es respektieren — feststellen? Wollen Sie demjenigen, der Ihnen sagt: „Aus meinem autonomen Gewissen heraus lehne ich die Wehrpflicht ab", die autonome Verantwortungslosigkeit zugestehen?
Sie haben vom irrenden Gewissen und seinem Rechte gesprochen. Gut, im Grundsatz richtig. Aber überblicken Sie nicht auch die Gefahr eines zum Irrtum dirigierten Gewissens?
Ich gebe zu, Sie haben am Schluß noch auf diese
Gefahr hingewiesen. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat Ihnen ja konkret gesagt, um was es geht.
Sie haben das verschwiegen, Herr Kollege Arndt. Sie haben, obwohl Sie es wissen, nicht gesagt, daß es in England, in den Vereinigten Staaten eine lang-bewährte Praxis gibt.