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ID0209304400

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    2. Deutscher Bundestag — 93. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. Juni 1955 5223 93. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. Juni 1955. Beurlaubte Abgeordnete (Anlage) . . . . 5303 A Eintritt des Abg. Berg in den Bundestag . 5223 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) (Drucksachen 1467, 1499) 5223 C Zur Sache: Dr. Jaeger (CDU/CSU) . 5223 C, 5230 B Erler (SPD) 5230 A, 5281 D, 5284 D, 5291 C, 5297 A, 5301 C Ollenhauer (SPD) 5231 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5236 A von Manteuffel (Neuß) (FDP) . . 5237 B Feller (GB/BHE) 5244 B Matthes (DP) 5247 C Berendsen (CDU/CSU) 5252 B Unterbrechung der Sitzung . 5255 B Dr. Arndt (SPD) . . . 5255 B, 5273 C, D Blank, Bundesminister für Verteidigung 5263 C Dr. Kliesing (CDU/CSU) 5264 B Heye (CDU/CSU) 5267 C Dr. Mende (FDP) . . . 5272 B, 5273 C, D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 5284 C Kiesinger (CDU/CSU) . . .. 5291 B, C, D, 5.300 C, 5301 C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 5291 D Unterbrechung der Sitzung . . 5301 D Zur Abstimmung: Dr. Menzel (SPD) 5302 A Stücklen (CDU/CSU) 5302 A, C Überweisung an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit, an den Ausschuß für Beamtenrecht und den Rechtsausschuß 5302 B Beschlußfassung über den Antrag Druck- sache 1499 5302 C, D Nächste Sitzung 5302 D Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 89. Sitzung 5302 B Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5303 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den I Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 89. Sitzung Seite 4973 B Zeile 12 ist zu lesen: Frau Kalinke (DP) 4981 B Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich D. Dr. Gerstenmaier 15. August Dr. Blank (Oberhausen) 30. Juli Dr. Pohle (Düsseldorf) 30. Juli Dr. Vogel 30. Juli Albers 23. Juli Dr. Graf Henckel 23. Juli Dr. Jentzsch 23. Juli Koenen (Lippstadt) 16. Juli Morgenthaler 16. Juli Pelster 16. Juli Dr. Dr. h. c. Pünder 9. Juli Schuler 9. Juli Griem 2. Juli Held 2. Juli Margulies 2. Juli Scheel 2. Juli Eberhard 1. Juli Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. Juli Berlin 30. Juni Elsner 30. Juni Dr. Gille 30. Juni Frau Kalinke 30. Juni Frau Keilhack 30. Juni Mühlenberg 30. Juni Müller (Wehdel) 30. Juni Neuburger 30. Juni Rademacher 30. Juni Schulze-Pellengahr 30. Juni Müller (Erbendorf) 29. Juni Dannemann 28. Juni Dr. Eckhardt 28. Juni Dr. Friedensburg 28. Juni Dr. Gleissner (München) 28. Juni Heiland 28. Juni Frau Dr. Jochmus 28. Juni Dr. Kather 28. Juni Klingelhöfer 28. Juni Kunz (Schwalbach) 28. Juni Dr. Leiske 28. Juni Lemmer 28. Juni Meyer-Ronnenberg 28. Juni Frau Dr. Maxsein 28. Juni Müser 28. Juni Raestrup 28. Juni Schloß 28. Juni Schmidt (Hamburg) 28. Juni Schoettle 28. Juni Dr. Starke 28. Juni Wehking 28. Juni Zühlke 28 Juni b) Urlaubsanträge Dr. Dresbach vom 4. bis zum 16. Juli
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    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Arndt, die Frage, wer recht hat und wer in der Politik die richtige Konzeption hat, wird am Ende doch von der Geschichte entschieden werden. Da die Regierung von den Koalitionsparteien getragen wird, hat sie das gute Recht, die Meinung der Mehrheit dieses Hauses als die verbindliche Meinung herauszustellen. Es ist der Opposition sehr viel Gelegenheit gegeben, hier und anderswo ihre gegenteilige Auffassung kundzutun.

    (Abg. Dr. Arndt: Also Mehrheitssoldaten!)

    — Nein, das wäre ein Unglück, Herr Kollege Arndt, wenn es eine Koalitionsarmee gäbe, die vielleicht viele Jahre später durch eine Oppositionsarmee abgelöst wird, wenn die Opposition ihrerseits plötzlich Regierungspartei geworden ist. Nein, das wäre ein Unglück, das wollen wir nicht. Ich werde auf die Frage im Verlaufe der Debatte noch zurückkommen.
    Das Freiwilligengesetz wird auch von uns in dieser Form, wie es vorliegt, nicht akzeptiert. Wir behalten uns vor, im Ausschuß entsprechende Änderungsanträge einzubringen, wie das soeben Herr Kollege Heye auch für sich angekündigt hat. Ich


    (Dr. Mende)

    könnte mir beispielsweise denken, daß eine Begrenzung nach Zeit und Umfang im Gesetz erscheint, vielleicht also der erste Absatz so gefaßt wird:
    Zur Vorbereitung des Aufbaus der Wehrmacht in der Bundesrepublik Deutschland werden in beschränktem Umfang, höchstens bis zur Personalstärke von 6000 Mann, Freiwillige eingestellt.
    Damit haben wir die Beschränkung auch im Umfang nicht nur in der Regierungserklärung, sondern im Gesetz selbst.
    Im übrigen ließe sich noch manches zu der Problematik des Eides und der Frage sagen, ob Treue für sich allein stehen soll oder ob Treue nicht einen Adressaten braucht. Treue ist immer ein zweiseitiges Verhältnis. Wenn ich mir die Nachkriegsgesetzgebung nach jedem Krieg ansehe, komme ich zu der Meinung, daß die Treue in der Vergangenheit von unten nach oben oft strapaziert, selten aber von oben auch nach unten gewahrt worden ist. Die Frage „Vaterland", die Frage „Volk" sind Einzelheiten, die nicht in der ersten Lesung, sondern erst in der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfes hier im Hause besprochen werden sollen. Die Frage des Eides hat deswegen viele Menschen überrascht, weil ursprünglich der Ausschuß für Europäische Sicherheit — nunmehr der Ausschuß für Verteidigung — einstimmig eine Vereidigung wegen der Problematik des Eides abgelehnt hat. Der Eid ist in der Vergangenheit so oft mißbraucht worden, daß es — so war auch die Meinung des verstorbenen Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers — vielleicht eine gewisse Zeit braucht, bis man wieder mit der Ernsthaftigkeit, die wir einem Eid wünschen, an eine Vereidigung herantreten könnte.
    Die Bundesregierung war anderer Auffassung; es muß darüber noch gesprochen werden. Die Vereidigung auf das Grundgesetz erfüllt immerhin eine Forderung, die wir seinerzeit schon im Ausschuß erhoben haben: keine Vereidigung auf eine Person — das war ja das Unglück der Vergangenheit —, sondern Vereidigung auf eine Institution. Was bietet sich als Institution mehr an als die Grund- und Freiheitsrechte unseres Grundgesetzes, die als subjektiv-öffentliche Rechte eine starke Stellung haben und die uns gerade in dem weltweiten Konflikt zwischen Ost und West von der anderen Seite unterscheiden, die Grund- und Freiheitsrechte einfach negiert? Daß die Präambel sich durch ihre sittliche Verpflichtung, für die Wiedervereinigung Deutschlands zu arbeiten, besonders eignet, versteht sich von selbst.
    Hier ist heute vormittag von dem ersten Sprecher der CDU/CSU, dem Abgeordneten Jaeger, von der „Bundeswehr" gesprochen worden. Es ist Ihnen bekannt, daß wir Freien Demokraten für eine andere Bezeichnung sind und dieser neuen Wehrmacht nicht den Ausdruck „Gesamtstreitkräfte" geben wollen, ein Wortungeheuer, das sich kaum in denausländischen Sprachgebrauch übersetzen läßt. Wir wollen auch nicht die Unterteilung in Landstreitkräfte, Seestreitkräfte und Luftstreitkräfte. Wir wollen zu der traditionellen Bezeichnung zurückkehren, die in der Weimarer Nationalversammlung und im Reichstag unbestritten war: Wehrmacht mit der Unterteilung Heer, Marine und Luftwaffe. Einige haben vielleicht außenpolitische Sorgen, daß aus der Vergangenheit der Wehrmacht des nationalsozialistischen Reiches Mißdeutungen möglich wären. Wir haben uns sehr gefreut, als wir in unserer Fraktionssitzung am Freitag erfuhren, daß der Herr Bundeskanzler solche außenpolitische Bedenken nicht hat. Wir werden daher bei der Lesung im Ausschuß die Änderung der Bezeichnung „Streitkräfte" in „Wehrmacht" vorschlagen.
    Wer sich etwas näher für die Wehrgesetzgebung der Weimarer Nationalversammlung und des Reichstags interessiert, dem empfehle ich, das Protokoll der 88. Reichstagssitzung vom 18. März 1921 nachzulesen, als eindeutig sowohl von den Parteien der Regierung wie der Opposition die Bezeichnung „Wehrmacht" akzeptiert wurde. Damals hat sich lediglich ein Streit entsponnen, ob man die Bezeichnung „Deutsche Wehrmacht" oder die andere „Wehrmacht der Deutschen Republik" wählen sollte. Hier stritten der Abgeordnete von Gallwitz und der Abgeordnete Schöpflin. Auch ihr Onkel, Herr Kollege Stücklen, der Albgeordnete Stücklen der Weimarer Nationalversammlung hat als Berichterstatter für das erste Wehrgesetz sehr genau die Vorstellung der Weimarer Nationalversammlung entwickelt.
    Ich muß sagen, es ist sehr, sehr eindrucksvoll, wie sich damals in einer schwierigen Zeit — 1919, 1920, 1921—Weimarer Nationalversammlung und Reichstag fast drei Jahre die Mühe gemacht haben, eine gute Wehrgesetzgebung in Gang zu bringen. Daß später der politische Mißbrauch erfolgte, war nicht die Schuld jener, die damals mit großem Fleiß jene Wehrgesetze verabschiedet haben.
    Herr Kollege Jaeger hat von der Bundeswehr gesprochen. Ich glaube, ich trete den Feuerwehrleuten nicht zu nahe, wenn ich hier die Meinung ausdrücke, ,daß „Bundeswehr" zu sehr Assoziationen mit der Feuerwehr hervorruft und daß „Wehrmacht" auch der Tradition wesentlich mehr gerecht wird.

    (Fortgesetzte Zurufe von der SPD.)

    Der Herr Kollege Jaeger hat gesagt, er sei gegen die Mythologisierung und gegen die ideologische Verbrämung der neuen Wehrmacht. Nun, meine Fraktion und ich sind der Meinung, daß man ohne eine Symbolkraft eine Wehrmacht nicht aufbauen kann. Ich hoffe nicht, daß Herr Kollege Jaeger das damit gemeint hat. Eine Uniform kann nämlich nicht nur ein Arbeitsanzug sein, den man wie einen Monteuranzug nach Dienstschluß in den Spind hängt, wonach man sich aller Rechte und Pflichten ledig dünkt. Eine Uniform muß jedenfalls nach unseren soldatischen Vorstellungen ihren Träger auch nach dem Dienst zur Wahrung gewisser ethischer Prinzipien verpflichten.

    (Zurufe von der SPD.)

    Es geht auch nicht an, den soldatischen Dienst als Job zu betrachten. Man hat da in Korea sehr, sehr bittere Erfahrungen gemacht. Man kann eben den Soldaten nicht nur als einen Mann betrachten, der einen guten Job hat; vielmehr gehört etwas mehr dazu, den Belastungen eines modernen Krieges seelisch und körperlich zu widerstehen. Ich erinnere nur an das Verhalten der türkischen Brigade in Korea, deren Haltung und Kampfführung über jedes Lob erhaben waren, weil die türkischen Soldaten aus einer inneren Überzeugung und aus einer Symbolkraft schöpften. In den Vereinigten Staaten ist es nicht anders. Der Herr Bundeskanzler hat sich in Ankara in der Kriegsschule schon von dieser Symbolkraft überzeugen können, die den türkischen Soldaten antreibt, und in Amerika von der Kraft,


    (Dr. Mende)

    die der amerikanische Bürger ,aus dem Sternenbanner schöpft: kein Amtszimmer, das nicht mit dem Sternenbanner geschmückt ist, keine Amtshandlung am Morgen, die nicht mit einer Verneigung vor dem Sternenbanner beginnt. Man ist überhaupt beeindruckt, wenn man in Washington feststellt, wie viel diese junge Demokratie aus der Geschichte, aus der Vergangenheit an Symbolen als Mahnung für die kommenden Generationen aufstellt.
    Ich bin daher der Meinung, daß auch die deutschen Verbände wieder Symbole haben sollen, Regimentsfahnen, Divisionsstander in den Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold und geschmückt — als Emblem der Wehrmacht — mit dem Schinkelschen Zeichen des „Eisernen Kreuzes", das 142 Jahre deutscher soldatischer Geschichte maßgeblich mitbestimmt hat.
    Der Herr Kollege Jaeger hat dann, was vielleicht nicht in die heutige Debatte hineingehörte, Preußen apostrophiert. Mehrere Redner haben sich veranlaßt gefühlt, dazu Stellung zu nehmen. Ich muß, damit diese Äußerungen nicht unwidersprochen im Raume bleiben, einiges zu der unglücklichen Formulierung des Kollegen Jaeger sagen. Er
    hat dem Sinne nach ausgeführt, daß die preußische Geschichte in Blut und Tränen endete, hat also preußische Geschichte mehr oder minder mit Blut und Tränen identifiziert. Preußen hat in seiner Geschichte Licht und Schatten wie jeder andere Staat auch. Es geht nicht an, daß man einen Staat durch den alliierten Kontrollratsbefehl Nr. 46 einfach auslöschen und so tun will, als wenn es 300 Jahre preußischer Geschichte im norddeutschen Raum nicht gegeben hätte.

    (Beifall rechts und vereinzelt beim GB/BHE und in der Mitte.)

    Ich befürchte auch außenpolitische negative Rückwirkungen, wenn ein Abgeordneter im Parlament — entschuldigen Sie, wenn ich das etwas drastisch sage — sich anmaßt, so einseitige Geschichtsurteile zu fällen.

    (Sehr richtig! bei der FDP und beim GB/ BHE. — Abg. Dr. Strosche: Unmögliche Urteile!)

    Man soll nämlich nicht vergessen, daß es in den Vereinigten Staaten, in dem Staat Norddakota, eine Hauptstadt gibt, die Bismarck heißt, daß zehn Städte in den Vereinigten Staaten den Namen Friedrichsburg tragen, daß in den Vereinigten Staaten der Geist des preußischen Generals von Steuben heute noch lebendig ist. Wir wären glücklich, wenn er die gleiche Wirksamkeit entfalten könnte wie der Geist des französischen Generals Lafayette. Wir wissen, daß es in Pennsylvanien eine Stadt gibt, die King of Prussia heißt und — ich bitte, nun genau zuzuhören — daß an dem Stadtwappen der Stadt King of Prussia steht: „Benannt nach Friedrich dem Großen, dem ersten europäischen Fürsten, der die Vereinigten Staaten anerkannte."
    Preußen war ein Bundesstaat mit der demokratischsten Selbstverwaltung. Ich brauche Ihnen nur vom Stein, Hardenberg und Scharnhorst zu nennen. Preußen war 1918 bis 1932 ein Bollwerk der deutschen Demokratie zum Unterschied von manchem anderen Land, auch von einem Land, in dem Hitler die ersten Anhänger fand und in dem er schließlich den Namen „Stadt der Bewegung" verkündete.

    (Heiterkeit und Beifall.)

    Näheres ist nachzulesen in dem Werk des Oxforder Geschichtsprofessors Allan Bullock „Hitler, eine Studie über die Tyrannei". Ich fürchte nämlich, wenn das Urteil des Kollegen Jaeger draußen bekannt wird, daß es dann Herr Ulbricht noch einfacher hat, Preußen für seine Zwecke ideologisch zu mißbrauchen, einen Tauroggen-Mythos zu züchten, wie er das bereits bei der Rede zum 140. Jahrestag der Völkerschlacht am Völkerschlachtdenkmal von Leipzig im Jahre 1953 getan hat.
    Lassen Sie mich nun noch auf eine zweite psychologische Frage eingehen, die auch Kollege Heye eben angeschnitten hat: die Frage der noch nicht heimgekehrten ehemaligen Soldaten sowohl im Osten wie im Westen. Unter den 200 Inhaftierten in den westlichen Anstalten befinden sich leider immer noch 50, die als Angehörige der Wehrmacht auf Grund eines Urteils aus den ersten Jahren nach dem Kriege in die alliierten Haftanstalten gekommen sind. Ich habe den Herrn Bundeskanzler, bevor er nach den Vereinigten Staaten fuhr, in einem Telegramm erneut gebeten, die Frage abschließend zu lösen, weil sie bei der Betrachtung der Frage des Handelns auf Befehl und des soldatischen Gehorsams eine große Rolle spielen wird. Man kann einer Mutter nicht zumuten, ihren 19-oder 20jährigen Sohn Soldat werden zu lassen, bevor nicht die Fragen des Handelns auf Befehl und der Verantwortlichkeiten eindeutig gelöst und auch für den zweiten Weltkrieg zehn Jahre danach abgeschlossen sind.

    (Abg. Dr. Strosche: Sehr gut!)

    Ich rede niemandem das Wort, der etwa im wahrsten Sinne des Wortes Verbrecher geworden ist. Wenn ich für die 50 Soldaten spreche, die noch im Westen inhaftiert sind, meine ich jene, die durch die besondere Situation des Krieges in Handlungen verstrickt wurden, für die sie wenigstens jetzt, zehn Jahre danach, mildernde Umstände und Gnade verdienen.
    Welch groteske Situation! Ein Gauleiter ist am 4. Juni auf Parole Board aus Landsberg nach Kassel entlassen worden. Die Malmedy-Gefreiten und beinamputierten Waffen-SS-Offiziere wie Herr Diefenthal aus Euskirchen sind weiterhin in Haft, und man hat bisher alle Gnadenanträge abgelehnt. Ich frage Sie, wer wohl mehr Schuld auf sich geladen hat: der junge Mann, der in die Verstrickung militärischer Handlungen auf Grund von Befehlen gekommen ist, denen er gehorchen mußte, oder jene, die die geistigen Urheber dessen gewesen sind, dessen wir uns alle tief zu schämen haben.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Die kriegen ja schon die Pensionen!)

    Meine Damen und Herren, einige Worte auch noch zu der Frage, die jetzt angeschnitten worden ist: Entwicklung des Soldatischen nach 1945. Ich weiß, daß ein Teil hier im Hause das nicht gern hört. Aber ich werde, solange ich in diesem Hause bin, nie aufhören, davon zu reden, daß auch deutsche Politiker und nicht nur die Alliierten 1945 große Fehler begangen haben, als sie aus dem Heldenkult der Vergangenheit in die Kriegsverbrecherpsychose der Nachkriegszeit gefallen sind

    (Beifall rechts und beim GB/BHE)

    und Soldatentum und Militarismus vermengt haben ohne Erkenntnis der weltweiten Wesensunterschiede zwischen einem Militaristen und einem Soldaten. Wir begrüßen die Regierungserklärung, die


    (Dr. Mende)

    das ethische Opfer der Soldaten anerkennt und ausspricht, daß der Soldat in seinem ethischen Opfer gewürdigt werden muß unabhängig von dem politischen System, unter dem er die Opfer gebracht hat, selbst dann, wenn er in seinem guten Glauben in so maßloser Weise mißbraucht wurde.
    Aber, Herr Bundeskanzler, bei der Feststellung allein kann es nicht bleiben. Es bedarf einer ideellen und einer materiellen Wiedergutmachung! Hier sind in der Frage der Gesetzgebung für die ehemaligen Berufssoldaten, für die Heimkehrer, für die Kriegsopfer noch manche Novellen nachzuholen. Die Stimmung in Hannover beim Heimkehrertreffen, Herr Bundeskanzler — der Herr Bundesminister Professor Oberländer wird es Ihnen berichtet haben —, war nicht so, daß man aus diesen Verbänden eine großartige Unterstützung unseres Wehrwesens erwarten kann, da diese Verbände der Meinung sind, daß wegen fiskalischer Bedenken noch nicht alles an materiellen Leistungen erfolgt ist, was man ihnen bei ihrer Heimkehr in Friedland in schöngeistigen Reden versprochen hat.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    Man sollte da ruhig etwas großzügiger verfahren. Vielleicht sollte man auch ressortmäßig eine glücklichere Konstruktion wählen zur ideellen und materiellen Betreuung dieses riesigen Personenkreises von vielen Millionen Menschen, indem man einem der Herren Sonderminister — sie beklagen sich ja alle, daß sie keine echten Aufgaben haben —

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    den Auftrag zu einer Koordinierung dieser verschiedenen Aufgaben gibt und so etwas Ähnliches
    schafft, wie es in Frankreich das Ministerium der
    anciens combattants darstellt, d. h. eine Institution, die sich der besonderen Betreuung der Weltkriegsteilnehmer, Kriegsbeschädigten, Witwen und Waisen annimmt. Eine solche Institution habe ich vor drei Jahren bei der Kriegsopferdebatte schon angeregt. Sie ist leider bisher nicht gekommen. Es wäre für einen Sonderminister eine dankbare Aufgabe, die ideelle und materielle Betreuung dieser riesigen Personenkreise zu seinem Ressort zu machen.
    Wie ist denn die jetzige Situation bei den jungen Menschen? Ich bin pessimistisch bezüglich des Kommens der jungen Menschen. Denn was sagt der Vater, der ehemalige Oberst, zu seinem Sohn, der gerade das Abitur gemacht hat?

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Der Dank des Vaterlandes war gewiß!)

    Du kannst vieles werden, mein Sohn, Arzt, Anwalt, Ingenieur, Kaufmann. Aber ich warne dich, denselben Beruf auszuüben, den dein Vater unter dem Kaiser begann, unter Ebert und Noske fortführte, unter Hindenburg fortführte, auch unter Hitler, und für den er sich 1945 vor einem Tribunal als Militarist verantworten mußte! Und so sagt auch der alte Oberfeldwebel, der Stabsfeldwebel seinem 17jährigen Sohn, der gerade die Lehre beendet hat: Du darfst alles werden; aber überlege dir, ob du den Beruf wählst, den dein Vater im Jahre 1921 wählte, den er 1928 ausübte, 1933 usw., wofür er im Jahre 1945 nicht mehr das Amt des städtischen Gasablesers ausüben durfte, denn das war bereits öffentlicher Dienst!
    Meine Damen und Herren, das sind noch psychologische Hypotheken, über die wir einfach nicht hin-wegdiskutieren können. Wir werden sehr leicht die
    höheren Dienstgrade bekommen, auch noch die mittleren. Aber eine Kompanie besteht bekanntlich aus zwei Offizieren, 32 Unteroffizieren und 150 Mann; bei der Batterie ist es ähnlich, auch diese muß man haben. Hier ist also ideelle und materielle Wiedergutmachung notwendig, um die Hypothek abzutragen, die leider in einer sehr kurzsichtigen Rachepolitik von außen und innen uns auferlegt wurde. Vergessen wir nicht, meine Damen und Herren, daß 1947 in einer großen deutschen politischen Zeitung über den deutschen Soldaten gestanden hat:
    Sie standen in Frankreich und Polen, sie standen an Wolga und Don;
    sie haben geraubt und gestohlen, und wissen jetzt nichts mehr davon.
    Und die letzte Strophe lautete:
    Das ist der Ruhm der Soldaten: Helden in Saus und Braus! Und alles, was sie verbrachen, das löffeln wir jetzt aus!
    Das ist zu vielen noch bekannt, als daß man mit einer Handbewegung und einer einfachen Erklärung darüber hinweggehen könnte.

    (Abg. Dr. Strosche: Sehr gut!)

    Nun zu der Frage des Gesamtaufbaus! Fehlkonstruktionen allgemeiner Art rächen sich dadurch, daß man nachher mehr Nervenkraft verbraucht. Daß beispielsweise der Herr Bundesfinanzminister mit den Finanzministern der Länder in ständigem Streit liegt, daß der Vorsitzende des Finanzausschusses, der sehr verehrliche Kollege Wellhausen, und der Bundesfinanzminister, ja sogar der Vermittlungsausschuß sich ständig in der Frage des Finanzwesens streiten müssen, liegt an der nach unserer Auffassung unglücklichen Konstruktion der Finanzverwaltung im Grundgesetz. Aber hier, wie gesagt, wird nur mit Nervenkraft bezahlt. Bei einer Fehlentwicklung auf dem Gebiete des Wehrwesens zahlt man dann später meistens mit Blut und Tränen; das ist der Unterschied.

    (Abg. Euler: Sehr wahr!)

    Daher sollte man — möglichst in Zusammenarbeit mit allen die Demokratie tragenden politischen Kräften Deutschlands — das Gesamtgefüge sehr klug aufbauen. Wir wehren uns dagegen, daß die Wehrmacht ein Teil der Exekutive ist. Das hört sich so leichthin an. Der Kollege Arndt hat schon in sehr fundierten Erklärungen gewisse Unterschiede aufgezeigt, wenn ich auch nicht in allen Konsequenzen mit ihm einig bin. Ich darf es aber nochmals wiederholen: Der Beamte verfügt, er gibt Weisungen, er sitzt am grünen Tisch. Der Soldat befiehlt und ist Herr über Leben und Tod anderer, wenn er den Schießbefehl gibt. Hier liegt doch ein wesentlicher Unterschied zwischen den Funktionen des Beamten und des Soldaten. Daher kann man nicht so leichthin sagen, die Wehrmacht sei ein Teil der Exekutive. Weil eben eine Wehrmacht eine erhebliche Veränderung des gesamten soziologischen Gefüges einer Demokratie mit sich bringt, muß auch ganz klar im Grundgesetz geregelt sein, wer der Träger der höchsten Kommandogewalt über diese halbe Million Mann Waffenträger ist.
    Sie wissen, daß hier ein Antrag der Freien Demokraten auf Änderung des Grundgesetzes vorliegt wie auch entsprechende Zusagen der Koalitionsparteien und der Bundesregierung im Protokoll des Bundestages. Ich brauche das nicht zu widerholen, was schon Kollege von Manteuffel gesagt hat.


    (Dr. Mende)

    Wir werden eine Konstruktion finden müssen, die Ihren Bedenken, Herr Kollege Arndt, Rechnung trägt. Wir wollen nicht mehr die Wiederholung der Machtzusammenballung beim Reichspräsidenten mit dem Immediatrecht, mit dem Staat im Staate, der sich daraus entwickelte. Wir wollen aber auch nicht eine Schwergewichtsverlagerung nach der Exekutive hin, sondern wir glauben, daß hier nicht nur durch die Gegenzeichnung, sondern vielleicht auch durch andere, weitere Konstruktionen eine gesunde Balance der Gewalten durchgeführt werden kann. In jedem Falle aber gehört diese Regelung in das Grundgesetz.
    Und, Herr Kollege Arndt: wenn es eine sittliche Verpflichtung gibt, Fehlkonstruktionen dadurch zu vermeiden, daß man selber eben an dieser Verfassungsänderung mitwirkt, dann, glaube ich, ist diese Verpflichtung für das ganze Haus, auch für die Opposition, gegeben, und wir werden nicht müde werden, Herr Kollege Arndt, Ihre Partei aufzufordern, bei den Grundlagen, vor allem bei der Gestaltung des Oberbefehls, durch Ihre verantwortlichen Stimmen eine Fehlkonstruktion zu vermeiden, und jene Lösung zu wählen, die der Demokratie am meisten dient
    Wir werden auch weiter an unserem Vorschlag festhalten, einen Bundesverteidigungsrat oder einen Verteidigungssenat einzurichten, wobei allerdings bedacht werden muß: Will man diesen Verteidigungsrat als ein Organ eigener Art, muß man auch hier eine Änderung des Grundgesetzes vornehmen; denn man kann die Bundesregierung aus ihrer Kollektivverantwortung ebensowenig lösen wie den Regierungschef aus seiner Verantwortung für die Richtlinien der Politik. Will man also die amerikanische Konstruktion des National Security Council, die ebenfalls auf einem Gesetz basiert, dann muß man das Grundgesetz ändern. Will man das aber nicht, dann muß man wenigstens eine Konstruktion wählen, wie sie das Wirtschaftskabinett jetzt schon darstellt, das heißt ein Verteidigungskabinett, dem neben dem Regierungschef sein Stellvertreter, die Minister des Innern, des Auswärtigen, der Wirtschaft, der Finanzen und der Verteidigung angehören, als vorbereitendes Gremium der Entscheidungen, von denen die Bundesregierung insgesamt nicht befreit werden kann; die letzte Verantwortung wird bei der Bundesregierung und dem Regierungschef verbleiben müssen.
    Es wird sich auch empfehlen, eine solche Konstruktion, ein Kollegium zu wählen, um das militärische Nachrichtenwesen, das ja in der heutigen Zeit der ideologischen Spannungen zwangsläufig gleichzeitig ein politisches Nachrichtenwesen ist, nicht einem Mann, sondern einem Gremium zu unterstellen, damit das militärische Nachrichtenwesen, das immerhin mit einem Gesamthaushalt von fast 30 Millionen DM pro Jahr operieren kann, außerhalb jeder Gefahr des parteipolitischen Mißbrauchs steht.
    Hier werden wir sehr aufmerksam die Frage der Unterstellung des militärischen und politischen Nachrichtendienstes verfolgen. Wir wünschen, daß er einem Kollegium unterstellt wird und daß Vertrauensleute aller Fraktionen des Hauses, auch der Opposition, Gelegenheit haben, wichtige Nachrichten rechtzeitig zu erfahren und nicht erst aus der Tagespresse, wobei selbstverständlich als Korrelat dazu die besonders strenge Verpflichtung zur Geheimhaltung gesetzlich fixiert werden müßte.
    Einige Worte zu der nächsten Organisation: Oberbefehl — Verteidigungsrat — Verteidigungsministerium. Hier ist schon vom Kollegen von Manteuffel die amerikanische Erfahrung dargelegt worden, die sehr gut ist. Über dem gesamten amerikanischen Wehrwesen wölbt sich ein Dach ziviler Verantwortung. Das geht so weit, daß nicht nur der Wehrminister ein Zivilist ist, sondern auch die drei Oberbefehlshaber von Heer, Marine und Luftwaffe Zivilisten, d. h. Unterstaatssekretäre sind. Als der Präsident Eisenhower sein Amt antrat, haben die Militärs, in der Annahme, ein General werde nun die Konstruktion umändern, versucht, Militärs zu Oberbefehlshabern von Heer, Marine und Luftwaffe zu machen. Das hat Präsident Eisenhower, eben weil er als General die Wichtigkeit des Primats des Zivilen kannte, abgelehnt, und es verblieb bei der 150jährigen Tradition.
    Wir sollten aus dieser Konstruktion das entnehmen, was der deutschen wehrverfassungsrechtlichen Entwicklung entspricht. Wir sollten vor allem auf sehr peinliche Kompetenzabgrenzungen achten. Das Ministerium des Bundesministers Blank wird doch ein Mammutministerium werden, und zwar zwangsläufig: denn er hat ja nicht nur über eine
    halbe Million Uniformträger Weisungs- und Kommandorecht — nicht nur mittelbares, sondern auch unmittelbares, wie er gestern erklärte —, sondern da hängen doch mindestens an der Verwaltung mittelbar und unmittelbar eine Million Zivilisten. Hier entsteht die Frage: Wie kann ein solches Mammut-ressort so verwaltet werden, daß es nicht durch eine gewisse Eigengesetzlichkeit sich immer mehr dem entfremdet, der die Verantwortung gegenüber dem Parlament zu tragen hat?
    Es ist kein Geheimnis, daß in der früheren Dienststelle Blank und dem sich jetzt im status nascendi befindenden Bundesministerium für Verteidigung eine spannungsgeladene Atmosphäre herrscht. Man sollte gerade in einem Ministerium für Verteidigung nicht die spannungsgeladene Atmosphäre eines überhitzten Dampfkessels vorfinden, sondern die kühle Ruhe der römischen Senatoren und athenischen Archonten. Ich hoffe sehr, daß es Ihnen gelingt. Vielleicht ist da auch mancher Wechsel notwendig; denn es ist verständlich, daß Ihre Mitarbeiter ziviler wie militärischer Art in den vier Jahren Planungsarbeit reichlich nervös werden mußten. Ich habe in der Debatte des Februar dem Herrn Bundeskanzler und dem jetzigen Herrn Bundesminister für Verteidigung empfohlen, tunlichst darauf zu achten, daß in dieser höchsten Spitze sowohl Angehörige höchster Stäbe wie aber auch die Offiziere und Unteroffiziere der Front mitarbeiten können. Und Herr Kollege Erler hat es ja schon in der letzten Debatte dargelegt, daß man nicht nur immer die hören sollte, die im zweiten Weltkrieg nur am grünen Tisch saßen, sondern auch die, die die Haut zu Markte — so sagte Herr Erler wörtlich — getragen haben.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich darf wiederholen, was ich dem Herrn Bundeskanzler sagte: An den katastrophalen Fehlentscheidungen des zweiten Weltkrieges war nicht nur „der größte Feldherr aller Zeiten", der Gefreite Hitler, schuldig; auch ein großer Teil seiner militärischen Umgebung hat zumindest deswegen, weil er nicht wagte, auch gelegentlich nein zu sagen, einen großen Teil moralischer Schuld auf sich geladen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



    (Dr. Mende)

    Ich möche gern, daß sich in einem solchen Amt Menschen befinden, die den Mut haben, gelegentlich Bedenken zu äußern, und die den Versuch machen, politische und militärische Notwendigkeiten zu koordinieren. Es wäre verhängnisvoll, Herr Bundeskanzler — wir haben in Deutschland leider die Neigung dazu —, daß auf das „Jawohl, mein Führer!" das „Ja, Herr Bundeskanzler!" folgen könnte.

    (Sehr richtig! rechts und bei der SPD.)

    Es empfiehlt sich, rechtzeitig auf diese Frage hinzuweisen, und ich hoffe, daß nicht nur die Herren aus OKH, OKL, OKM und OKW, die sich gegenseitig nachgeholt haben, entscheidend sind, sondern auch jene Leute, die die Praxis erlebt haben. Hier muß eine gesunde Mischung der notwendigen höheren Wehrmachtstäbe und der Fronterfahrungen erfolgen; um so besser wird 'das Ergebnis der Arbeit des Ministeriums sein.
    Oswald Spengler hat einmal in einer Rede vor der akademischen Jugend in Würzburg im Jahre 1924 darauf hingewiesen, daß wir Deutschen leider immer zur Theorie neigen und so wenig der Empirie, der Praxis, Raum geben. Er sagte: Da gibt es Menschen, 'die über die Funktionen der Wirtschaft, über volkswirtschaftliche Fragen wissenschaftlich arbeiten, aber nicht einmal ein Hüttenwerk von innen gesehen haben; und es gibt Menschen, die glänzende Konstruktionen verfassungsrechtlicher Art wissenschaftlich diskutieren, aber nicht wissen, wie ein Reichsministerium organisiert ist und funktioniert. Also hier zwischen der bei uns leider oft übertriebenen Theorie und der Empirie und Praxis eine gesunde Synthese zu finden, wird Aufgabe des Ausschusses sein, der bei der Spitzengliederung ja I noch ein sehr maßgebliches Wort mitzureden hat.
    Ein Letztes zu der Frage der Pressepolitik. Ich glaube, Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben zu Unrecht den Vorwurf erhoben, daß jene Broschüre bekanntgegeben worden sei, ohne daß das Parlament sie gekannt habe.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Im Ausschuß für europäische Sicherheit ist in drei Jahren unter sehr maßgeblicher, imponierender Beteiligung Ihrer Kollegen Erler, Mellies, Carlo Schmid, Gleisner und Menzel, um nur einige zu nennen, das an Grundzügen zustande gekommen, was hier veröffentlicht ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich erinnere nur daran, daß wir drei Arbeitskreise hatten.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Wir anderen wissen doch nichts! Dieser Ausschuß ist doch immer vertraulich, auch in Nichtigkeiten!)

    — Über Fragen des inneren Gefüges, über die Frage, ob man den Unteroffizier mit „Herr Unteroffizier" oder mit „Unteroffizier Müller" anreden sollte, ist ohne weiteres bei den Fraktionen zu sprechen die Möglichkeit gewesen. Vertraulich sind doch nur die wirklich militärischen Geheimnisse. Das, was Sie mir jetzt entgegenhalten, ist kein Argument. Im übrigen werden wir uns ja in Kürze über die Frage des Geheimhaltungsschutzes und der Geheimhaltungsbestimmungen unterhalten.
    Damit komme ich zum Bundestagsausschuß für Verteidigung. Der Ausschuß für Verteidigung hat eingehend das innere Gefüge behandelt. Wir haben
    uns eine Stunde darüber unterhalten, ob es „Herr Unteroffizier Müller" oder „Unteroffizier Müller" heißen sollte. Als ich sagte: Herr Kollege Carlo Schmid, ist das nicht etwas sehr viel, was wir den Randproblemen hier an Zeit widmen? da erklärten Sie: Es sind durchaus nicht periphere Probleme; es sind wichtige Probleme. Und wie lange haben wir uns darüber unterhalten, ob die Soldaten in Holz- oder Metallbetten, übereinander oder nebeneinander schlafen sollten! Wir haben aber bei unseren Debatten den strategischen Planungen leider nicht genügend Raum gegeben. Es geht nicht an, daß Fragen der Sicherheit der deutschen Bevölkerung, Fragen der katastrophalen strategischen Situation Deutschlands, wie sie auch jetzt wieder bei den Manövern der „Carte blanche" sichtbar werden, nur durch Publizisten in Deutschland behandelt werden. Nein, wir haben die Pflicht, sie v o r den Publizisten zu behandeln.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Sonst macht's doch keiner!)

    Ich bin den Publizisten dankbar, aber nicht ihre Pflicht wäre es, nicht Weinsteins und Paul Sethes Pflicht wäre es, uns darauf hinzuweisen; unsere Pflicht wäre es, diese Planungen zu erfahren und zu beraten.

    (Abg. Blachstein: Sie tagen geheim hinter verschlossenen Türen!)

    Man kann nicht als Argument, daß wir über große strategische Fragen im Ausschuß nicht mehr viel erfahren, etwa die Erklärung gelten lassen: Ja, der frühere stellvertretende Landesvorsitzende der CDU aus Hamburg und Bundestagsabgeordnete Schmidt-Wittmack war auch Mitglied des Ausschusses und hat sich in Kenntnis aller strategischen Planungen, die er aus dem Vortrag des Generals Heusinger erfahren hatte, dann nach drüben abgesetzt. Man kann nicht den Hoch- und Landesverrat eines Abgeordneten zum Grund nehmen, uns nichts mehr über die grundsätzlichen strategischen Probleme zu sagen. Ich hoffe, daß das auch in Zukunft kein echter Grund sein wird.
    Einige Worte zu dem, was gerade Weinstein, aber auch andere anschnitten, die Frage: Hat sich nicht in der nuklearen Strategie seit der Planung der EVG vieles verändert? Sind nicht unsere Planungen schlechthin überflüssig geworden? Haben klassische Waffen überhaupt noch eine Existenzberechtigung? Ich habe schon im Februar darauf hingewiesen, daß die Entwicklung der modernen Luftwaffe nicht, wie es der General Douhet 1935 vorausgesagt hat, zu einer völligen Umwandlung der Strategie geführt hat. Natürlich Strukturveränderungen, aber die klassische Bewaffnung ist nicht schlechthin überflüssig geworden. Das gilt nach der Meinung der Strategen aller Richtungen auch heute noch. Die Strategie wird sich durch die nuklearen Waffen wesentlich ändern; die Verbände werden aufgelockert werden, sie werden noch unabhängiger vom Nachschub werden müssen, sie werden noch verwundbarer sein. Wir werden vieles umplanen müssen, aber die klassische Bewaffnung ist durch die nuklearen Waffen nicht schlechthin unsinnig geworden.

    (Abg. Dr. Mommer: Und was ist mit dem Schutz der Zivilbevölkerung?)

    — Daß der Schutz der Zivilbevölkerung im Mittelpunkt aller unserer Überlegungen stehen muß und
    daß neben dem Planen der mobilen Verbände auch


    (Dr. Mende)

    das Planen des Schutzes der Zivilbevölkerung, der Heimatverteidigung usw. einen großen ideellen und materiellen Raum einnehmen muß, versteht sich von selbst.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Wir sind der Auffassung, daß der Friede am ehesten gewahrt ist, wenn dem einen mächtigen politischen und militärischen Block des Ostens ein ebenso starker politischer und militärischer Block des Westens gegenübersteht, damit keiner von beiden in die Versuchung kommt, einen risikolosen Angriff zu wagen. Daß also in einer Gleichgewichtigkeit der politischen und militärischen Potenzen die Chance des Friedens bleibt, so wie kürzlich auch Churchill gesagt hat, die Furcht vor den Waffen sei nunmehr die Tochter des Friedens geworden. Wenn es trotz aller Planungen doch zum casus belli kommen sollte, dann — geben wir uns keiner Illusion hin! — wird Deutschland in jedem Fall Atombombenversuchsfeld beider Parteien werden, und dann gibt es eine nachhaltige Verteidigung Europas mit Schutz der Zivilbevölkerung kaum noch; denn das jetzige Manöver der Carte blanche beweist, daß man aus strategischen Gründen rücksichts- und gnadenlos 50, 100, 300 Atombomben
    wirft. Die andere Seite wird sie auch werfen. Genau so wie auf Caën, Falaise und Lisieux die Liberator-Bomber aus 7 km Höhe ihre Bombenlast abluden ohne Rücksicht darauf, wieviel Zehntausende der französischen Bevölkerung mit getötet wurden, so wird auch die Strategie eines atomaren Weltkrieges gnadenlos hinweggehen über das Schicksal derer, die zwischen den Fronten liegen. Das ist eine bittere Erkenntnis, aber es hat keinen Sinn, sich hier in unserer politischen und geographischen Lage Illusionen hinzugeben. Darum wollen wir durch gewisse Maßnahmen prohibitiv wirken, d. h. durch Schaffung des Gleichgewichts den Casus belli möglichst nicht eintreten lassen; denn der ist für uns ohnehin tödlich.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schmid [Frankfurt].)

    Aber, meine Damen und Herren, in dem Augenblick, in dem wir in den atlantischen Planungsstäben sitzen, im Atlantischen Rat vertreten durch den Außenminister, im Militärausschuß vertreten durch unsere militärischen Fachleute, in der Standing Group, wie ich hoffe, auch bald, haben wir doch die Chance der Mitgestaltung und Mitberatung. Ich lege Ihnen die Frage vor: Wann haben wir wohl mehr die Furcht zu hegen, verbrannte Erde zu werden, wenn man bei der atlantischen Planung drüben auf die Existenz von einer halben Million deutscher Soldaten und auf ihre Angehörigen Rücksicht nehmen muß oder wenn man, ohne sich um unser Schicksal zu kümmern, mit dem Boden Deutschlands schalten und walten kann, wie man will?

    (Zuruf von der SPD: Die Frage ist falsch!)

    Die letzte Chance, überhaupt noch den Casus belli zu verhindern, haben wir, wenn wir im Atlantischen Rat ebenso warnend unsere Stimme zur Wahrung unserer eigenen Interessen erheben können, wie es England im Korea-Fall und im Indochina-Fall auch getan hat, wo die englische Politik verhindert hat, daß sich der Interventionismus durchgesetzt hat. Ich sehe also darin ein großes Element der Friedenssicherung, nämlich in der Rücksichtnahme der atlantischen Planung auf unsere Verbände und ihre Angehörigen und in der
    Chance des Mitredens. Politik ist schon Mitbestimmung des eigenen Schicksals! Im Atlantischen Rat sitzen bedeutet: Mitbestimmen auch über das Schicksal, das sich aus dem Casus belli eines Tages für uns ergeben könnte. Hier haben wir also die letzte Möglichkeit, an den Hebeln noch das für die politische und geographische Lage Deutschlands Günstigste herauszuholen. Daß wir bei den kommenden Aufstellungen natürlich darauf Rücksicht nehmen werden, daß mancher Gedanke eines Oberst von Bonin vielleicht gar nicht so abwegig ist — wenn ich auch sein Gesamtkonzept ablehne —, daß dem also in den Jahren 1955/1956/1957 mehr Rechnung getragen werden muß als in den Jahren 1951/1952, als diese nuklearen Waffen noch nicht in diesem Maße vorhanden waren, das ist eine Selbstverständlichkeit für jeden Militärfachmann.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zu dem sagen, was der Kollege Matthes heute bezüglich des Personalausschusses gesagt hat. Herr Kollege Matthes, es ist sehr einfach, sich heute hinzustellen und zu sagen: Wir wollen keinen Personalausschuß, weil wir keine neue Entnazisierung wollen. — Aber das verschiebt doch erheblich die -Verantwortlichkeiten! Es war der Herr Bundeskanzler, der aus gutem Grund den Wunsch hatte, allen politisch verantwortlichen Kräften in Deutschland die Chance der Auswahl zu geben. Das ist übrigens in der Geschichte nicht neu. Nach dem preußischen Krieg — man verzeihe mir, wenn ich wieder von Preußen spreche — hat auch die preußische Armee sich eine Prüfung gefallen lassen müssen. Es war sehr interessant, festzustellen, wie sich die Offiziers beim Zusammenbruch von Tilsit benommen haben — vorher und nachher —, und es ist kein Offizier in der preußischen Armee weiter oder wieder in den Dienst gekommen, der sich nicht vor einer solchen Ehrenkammer verantworten mußte. Angesichts vieler Erscheinungen, Herr Kollege Matthes, die es im Krieg an Servilität gegenüber dem „größten Feldherrn aller Zeiten" und nach dem Krieg an Kameradenverrat in manchen Gefangenenlagern gegeben hat, halte ich es für richtig, daß diejenigen, die später Verantwortung für viele Jahre und für viele Tausende unserer Söhne tragen werden, unter dem Licht der Demokratie erst einmal bestehen müssen. Nur so können wir verhindern, daß Menschen, die vielleicht tapfere Soldaten waren wie Remer oder Ramcke oder Rudel, die aber politisch ein Unglück für die Demokratie in Deutschland wären, auch nur die Chance haben, irgendwie wieder militärische Kommandos zu erhalten.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Es wird Aufgabe dieses Ausschusses, es wird Aufgabe der Regierung sein, zu verhindern, daß daraus ein Untersuchungsausschuß, etwa mit diskriminierenden Methoden, wird.. Im übrigen: jeder, der bei einem Betrieb sich bewirbt, muß sich vorstellen und muß sich gelegentliche Prüfungen gefallen lassen. Wir haben unlängst in Köln einen Intendanten gewählt, einen sehr tüchtigen und bewährten Intendanten. Er mußte vor dem Gremium des Rundfunkrats von 21 Personen und dem Verwaltungsrat von 7 Mitgliedern zwei Stunden Rede und Antwort stehen. Das ist das gute Recht eines Aufsichtsgremiums, vor der Entscheidung sich ein Urteil zu bilden. Ich sehe nichts Diskriminierendes im Personalausschuß, sondern das, was in der Wirtschaft die selbstverständlichste Einrichtung ist.


    (Dr. Mende)

    Ich bitte daher, in Zukunft nicht mehr die Verbindung „Personalausschuß — neue Entnazisierung" zu bringen. Das ist außerdem wider die Wünsche des Herrn Bundeskanzlers, und Ihre Fraktion, Herr Kollege Matthes, läßt es sich doch immer sehr angelegen sein, eiligst die Wünsche des Kanzlers zu erfüllen.
    Nun zu der Frage: was bekommen wir für Menschen durch das Freiwilligen-Gesetz, das ja nur einen vorübergehenden Status schafft. Ich sehe wie Kollege Heye die Gefahr, daß wir die Besten nicht bekommen. Ich freue mich über die Feststellung in der Regierungserklärung, daß nach 1945 viele ehemalige Berufssoldaten sich neu geregt haben. Wir wollen die haben, die nach 1945, wo und in welcher Beschäftigung auch immer, zugepackt haben. Wir wollen aber nicht jene Wartestandstypen, die die Hände in den Schoß gelegt und auf eine neue Konjunktur gewartet haben.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die Gefahr besteht allerdings, daß wir die Wartestandstypen, die nirgendwohin Bindungen haben, bekommen, dagegen nicht jene befähigten Offiziere und Unteroffiziere, die längst in der Wirtschaft so honoriert werden, daß sie — auch nach der Beratung mit ihrer Frau — keinen Anlaß mehr sehen, ihre sichere Position in der Wirtschaft mit dem sehr unsicheren Status des Soldaten auf Probe einzutauschen. Es wird hier die Aufgabe sein, die Sicherung zu verstärken. Im übrigen werden die Besten nur kommen — das ist schon gesagt worden —, wenn wir sie neben dem Ideellen auch materiell so stellen, daß der Beruf wieder attraktiv wird.
    Wie stark neben allen Gesetzen der kommende Offizier und Unteroffizier auch typenbildend wirkt, das haben Sie alle erfahren, meine Herren. Es kommt weniger auf das Gesetz an als auf die Persönlichkeit, die das Recht des Kommandos über Untergebene hat. Wir wissen doch, wie Scharnhorst, Moltke, Gneisenau, der Marschall Vorwärts Blücher, Seydlitz vor dem 1. Weltkrieg, wie von Richthofen und Boelcke im 1. Weltkrieg typenbildend waren, wir wissen, wie in der Reichswehr Seeckt und Groener typenbildend waren, wobei ich mir kein Urteil erlauben möchte — da sind Berufenere hier —, ob im Positiven oder Negativen; oder Guderian und Rommel im 2. Weltkrieg. Es kommt darauf an, jene Menschen zu finden, die auf Grund ihrer Persönlichkeitswerte jenen Typus des militärischen Vorgesetzten erziehen, der von uns gewünscht wird, d. h. der nichts von seinen Untergebenen verlangt, was er nicht jederzeit selbst zu geben bereit ist, und der die Achtung vor der Menschenwürde und den Grundrechten der Demokratie als die höchste Pflicht unserer heutigen Zeit ansieht.
    Ob nun dieser Personalausschuß gesetzlich erwähnt werden soll oder nicht, das wird erst noch entschieden werden müssen. Unsere Fraktion neigt dazu, seine gesetzliche Erwähnung und damit Verankerung vorzuschlagen, nicht dagegen ein besonderes Gesetz über den Personalausschuß, weil wir glauben, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts nicht so permanent gelöst werden sollte wie etwa durch das Personalvertretungsgesetz. Denn die Mitbestimmung bei den Beförderungen usw. hat ja zum Teil die Exekutive, zum Teil haben wir sie selbst durch das Budgetrecht und die Tätigkeit des Ausschusses für Verteidigung.
    Ob man noch den vom Kollegen Paul vorgeschlagenen vom Parlament gewählten Militärinspekteur vorsieht, wie er sich in Schweden bewährt hat, ist auch eine Frage, die wir noch zu lösen haben. Herr Kollege Paul hat aus dem schwedischen Beispiel vorgeschlagen, jenen vom Parlament gewählten Militärinspekteur auch hier einzurichten, der das Recht zur unangemeldeten Inspektion in allen Verbänden hat und dem Parlament unmittelbar in regelmäßigen Zeitabständen über seine Erfahrungen und Beobachtungen zu berichten hat.
    Einige Worte noch zur Wehrverwaltung. Ich begrüße mit meiner Fraktion die Einrichtung einer bundeseigenen Verwaltung. Ich begrüße noch mehr die Loslösung der Verwaltung vom Militärischen und ihre Eingliederung in das Zivile. Denn was wir in der Wehrmachtverwaltung an Mißwirtschaft, Korruption und frontfremden Handlungen erlebt haben, das könnte ein besonderes Werk der Kriegsgeschichte füllen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich darf Ihnen nur als ein Beispiel der Unsinnigkeit heeres- oder wehrmachtsverwaltungsmäßiger Planung die Tatsache nennen, daß im Winter 1941 zu Weihnachten für jeden Mann eine Flasche Wein, eine halbe Flasche Sekt und eine halbe Flasche Kognak nach der Ostfront geschickt wurden. Was jeder Weinkaufmann in Deutschland als das Primitivste weiß, daß man bei Frost von schon 6 oder 8 Grad keinen Wein mehr verschicken darf, das hat die deutsche Wehrmachtverwaltung nicht gewußt. Sie hat Millionen von Flaschen Wein an die Ostfront mit ihren 30, 40, 50 Grad Kälte geschickt mit dem Erfolg, daß das Ganze ein einziger zerplatzter großer Haufen auf jedem Bahnhof der Frontabschnitte war.
    Trachten wir also danach, die Wirtschaft einzuschalten, zivile Elemente, die besser mit dem umgehen können, was man ihnen anvertraut, die das Gefühl haben, daß es ihr Geld und Gut ist, das sie verwirtschaften, und nicht einen Mann, der das Gefühl hat: das gehört mir ja nicht, damit kann ich großzügig umgehen.
    Vielleicht wird es zweckmäßig werden, sich die großen Vorarbeiten beispielsweise der verschiedenen Fachverbände der Wirtschaft, des Bundesverbandes der deutschen Industrie, zunutze zu machen, um das Beschaffungswesen klug zu regeln, nicht so zu regeln, Herr Bundesminister, wie es beim Bundesgrenzschutz gemacht wurde, wo wir für 20 000 Uniformen 43 Firmen in 11 Ländern beteiligen mußten mit dem Ergebnis einer erheblichen Verteuerung und einer Fehlkalkulation ersten Ranges. Also bitte keine überspitzten föderalistischen Anwandlungen und die Bitte an die Kollegen: Es muß nicht unbedingt jeder Kollege aus seinem Wahlkreis Herrn Blank auch eine Firma für die Lieferung anbieten.
    Das Problem der Wehrmachtsaufträge in einer Rüstung von Milliarden ist überhaupt ein sittliches Problem. Ich habe die große Sorge, daß gewisse Erscheinungen der deutschen Nachkriegszeit, wie wir sie bei den Besatzungsbauten zur Genüge kennengelernt haben, sich jetzt auch in die deutsche Aufrüstung hineinschleichen könnten. Ich bitte daher zu überlegen, ob man nicht im Bundesministerium für Verteidigung eine Stelle zur Bekämpfung von Korruption und Mißwirtschaft einrichten sollte. Das ist keine besondere Institution — Herr


    (Dr. Mende)

    Kollege Jacobi hat seinerzeit in Nordrhein-Westfalen als beauftragter Kommissar für Korruption und Mißwirtschaft fast 5000 Fälle bearbeitet —, es ist nur ein kleiner Apparat mit einigen Oberstaatsanwälten mit dem Ermittlungsrecht nötig. Aber schon seine Existenz wird prohibitiv wirken, d. h. wird manchen, der auf Kosten unserer Söhne Rüstungsspekulationen treiben will, dorthin bringen, wohin er gehört. Ich werde mir erlauben, diesen Vorschlag der Einrichtung eines Amtes zur Bekämpfung von Korruption und Mißwirtschaft, den ich vor drei Jahren dem Herrn Bundesminister bereits schriftlich mit einzelnen Unterlagen vorgelegt habe und der auch vom Kollegen Jacobi und anderen unterstützt wurde, erneut wieder aufzugreifen.
    Bei der weiteren Gesetzgebung werden wir Freien Demokraten sehr darauf achten, daß beim Sachleistungsgesetz nicht der Mißbrauch des Reichsleistungsgesetzes wiederkehrt und daß man beim Landbeschlagnahmerecht nicht wieder die Achtung vor dem Eigentum so aushöhlt, wie das in der Vergangenheit geschehen ist. Wenn jedoch enteignet werden muß, dann soll man tunlichst Ersatz aus dem Besitz des Bundes und der Länder stellen. Der Bund ist schon jetzt der größte Unternehmer der deutschen Wirtschaft geworden. Er soll nicht noch größer werden, indem er große Latifundien auch noch auf militärischem Sektor sein eigen nennen kann.
    Zu der Kriegsdienstverweigerung will ich nur daran erinnern, Herr Kollege Arndt, daß die Beratungen im Parlamentarischen Rat keineswegs ein so eindeutiges Urteil erlauben. Soweit ich die Protokolle des Parlamentarischen Rates kenne, hat man aus der Parallele der Mennoniten, Baptisten und anderer an ein Kriegsdienstverweigerungsrecht aus religiösen oder dem Religiösen verwandten ethischen Motiven gedacht. Ich weiß auch, daß damals die ganze Fragwürdigkeit des Kriegsdienstverweigerungsrechts diskutiert wurde. Herr Kollege Carlo Schmid hat sich an der Debatte sehr nachhaltig beteiligt, ebenso auch andere. Ein Redner meiner Partei sprach von einem Massenverschleiß des Gewissens, den man erleben würde, von der Tatsache, daß im technisierten Krieg der Dienst mit der Waffe kaum noch als so mörderisch angesehen werden könnte — und das ist doch der letzte Grund: man will nicht töten — wie das Fabrizieren von Bomben, mit denen man Zehntausende tötet. Ich glaube also nicht, daß man das Kriegsdienstverweigerungsrecht so einseitig auslegen kann — jedenfalls nach unserer Auffassung —, wie es Herr Kollege Arndt eben hier dargetan hat.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nunmehr abschließen mit einem Appell an die Frage des Rechts. Helmut Lindemann schreibt heute in der „Stuttgarter Zeitung":
    Am Anfang der abendländischen Rechtsgeschichte stehen Moses, Lykurg und Solon, jene beiden noch im Dämmerschein der Legende, dieser bereits im hellen Licht der Geschichte. Allen gemeinsam und dem Werk der drei Männer gleichermaßen wesentlich ist das Wissen um die Würde der Gesetzgebung, um den göttlichen Ursprung des Rechtes, das immer neu zu gestalten und zu verwalten allerdings den Menschen aufgegeben ist, dessen Würde zu mißachten aber schreckliche Strafen und j eden-falls den Verfall des Gemeinwesens nach sich zieht.
    Ich hätte mir gewünscht, daß die geistigen Autoren des Freiwilligengesetzes auch im Schillerjahr die Gesetzgebung des Lykurgos und des Solon gelesen hätten. Sie hätten sich da vielleicht mehr Gedanken über die Frage der Wehrgesetzgebung gemacht, als in dem unglücklichen Freiwilligengesetz — unglücklich in seiner Art und wie es eingebracht wurde — leider sichtbar wurde.
    Leonard Nelson, der Ihnen ja nahesteht, schrieb die „Rechtswissenschaft ohne Recht". Ein anderer schrieb nach 1945 „von der Degeneration und von der Regeneration des Rechts", und wir alle haben erlebt — und haben uns nach 1945 bitter darüber beklagt —, daß man das Recht zur Dirne der Politik erniedrigt hat. Es kam so weit — ohne einen Aufstand der deutschen Universitätsprofessoren —, daß man sagen konnte: Des Führers Wille ist Gesetz, und Tausende haben das dann leider mit ihrem Leben bezahlen müssen.
    Meine Damen und Herren, es ist die Gefahr, daß man auch heute wieder versucht, das Recht zur Dienerin der Politik zu erniedrigen. Das Recht ist nicht die Dienerin der Politik, sondern zusammen mit der Freiheit das höchste zu schützende Gut unserer Zeit und Politik ist ja wohl nach Platons
    Politeia die Lehre und Anwendung jener Grundsätze, wie man am besten ein Gemeinwesen führt und regiert zum größtmöglichen Wohl aller unter Wahrung der größtmöglichen Freiheiten für alle. So klassisch kann man Politik nur definieren, wenn man sich zum ewig göttlichen, zum Naturrecht und zum positiven Recht bekennt. Man kann nicht nur die Nationalhymne singen, man muß sich auch innerlich dazu bekennen. Nicht nur Einigkeit, was für die Wehrgesetzgebung wünschbar wäre, auch Recht und Freiheit der politischen und parlamentarischen Entscheidung, nur das kann das Motto der Wehrgesetzgebung der nächsten Zeit für uns alle sein.

    (Beifall bei der FDP und den anderen Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Kollege Dr. Mende hat soeben vor diesem Hause mit klaren und zutreffenden Argumenten das Todesurteil über das Freiwilligengesetz in der von der Bundesregierung vorgelegten Fassung ausgesprochen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Diese Art der Gesetzesvorlage, über die wir heute schon gesprochen haben und noch weiterhin sprechen müssen, verstößt im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Würde des Rechtes und damit auch gegen die Würde des Gesetzgebers;

    (Abg. Arnholz: Sehr gut!)

    denn auch der Bundesrat ist ein Teil des Gesetzgebers. Wir haben ihn hier vor der Tribüne des deutschen Volkes auch in seinen Rechten zu schützen und zu verteidigen, wenn er gekränkt wird.
    Es ist ein wahres Glück, daß wir außer dem Freiwilligengesetz dann doch noch als verspätete Begründung die Regierungserklärung am gestrigen Tage bekommen haben. Sonst hätte der Debatte heute so ziemlich jede Substanz gefehlt, sonst würde ,dieses Freiwilligengesetz in seiner ganzen


    (Erler)

    Nacktheit und Bloßheit vor uns stehen und damit noch deutlicher vor unserem Volk und vor uns allen sichtbar werden, daß diese Vorlage unter gar keinen Umständen geltendes Gesetz werden kann und werden darf. Wer eigentlich auf den Bänken dieses Hauses hat heute für diese Vorlage der Regierung gesprochen? Niemand! Ich habe hier !buchstäblich nur Opposition in der Koalition gehört, und ich wäre wirklich erfreut, wenn wir diese Opposition in der Koalition nicht nur hören, sondern bei den entscheidenden Abstimmungen dann vielleicht auch einmal sehen würden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Verteidigungsminister hat gestern ein schlechtes Gesetz mit einer ganzen Reihe von guten Vorsätzen für die Zukunft vertreten. Die Vorsätze in allen Ehren; es sind eine ganze Reihe von Gedanken in der Regierungserklärung aufgeklungen, um die zu diskutieren es sich lohnt, wie die heutige Debatte gezeigt hat. Aber es kommt nach allem, was wir erlebt haben, nicht auf die Vorsätze an, sondern es kommt auf die Sicherung der Durchführung dieser Absichten an.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da ist uns auch nach der Regierungserklärung selbst bisher immer noch nicht sichtbar geworden, wo jene gesetzlichen Sicherungen geschaffen, wo jene Grundpfeiler in die Ordnung unseres Grundgesetzes eingebaut werden, die vorhanden sein müssen, bevor ein bewaffnetes Instrument entsteht; denn hinterher können Sie die durch den Aufbau einer bewaffneten Ordnung sich verändernde gesellschaftliche Verfassung gar nicht mehr in die richtige Form bringen, wenn Sie das nicht an den Anfang setzen.
    Die Sicherungen, von denen ich sprach, die uns allen unabweisbar erscheinen, finden sich jedenfalls in der uns vorgelegten Fassung des Freiwilligengesetzes nicht. Dieses Freiwilligengesetz soll der Regierung Handlungsfreiheit geben; die einzige Beschränkung ist ein Termin. Was nützt ein Termin? Sie haben selbst oft und oft hier erlebt, wie rasch dann, wenn man uns allen eine Sache dringlich gemacht hat, ein solcher Termin verlängert worden ist. Meine Damen und Herren, mit dem Aufbau der Wehrordnung dürfen Sie erst beginnen, wenn Sie die entscheidenden rechtlichen Fundamente für den Standort eines Wehrinstrumentes in der 'demokratischen Wirklichkeit geschaffen haben, nicht vorher. Was die Regierung nach diesem Gesetz entgegennehmen würde, wäre die Ermächtigung zum Handeln, teils direkt auf Grund des Gesetzes, teils durch die Ermächtigung zum Erlaß von weiteren Verordnungen.
    Wir sind damit zu einem innerpolitischen Problem von größter Tragweite vorgedrungen. Der Herr Kollege Dr. Jaeger sprach mit Recht von der Empfindlichkeit der deutschen Jugend auf diesem Gebiet, und er hielt es — und ich teile seine Meinung — für ein Zeichen der Reife dieser Jugend, daß sie mit großer Skepsis alles das beobachte, was da entsteht und was eines Tages auch Leistungen von ihr zu fordern imstande ist. Aber gerade wenn wir uns über diese Geistesverfassung derer, auf die es letzten Endes 'ankommen wird, vollkommen im klaren sind, dann müssen wir doch begreifen, wie besonders schädlich in dieser Situation unbegründete Eile ist.
    Meine Damen und Herren, an die große Aufgabe, die Sie sich und damit uns allen gestellt haben, kann man nur mit einem Höchstmaß an Nüchternheit und frei von jeder Mystik rund Verbrämung herangehen. Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, daß ich mich, wenn ich auch mit weiten Teilen der Reden, ,die jene beiden Kollegen, von denen ich jetzt sprechen werde, heute hier gehalten haben, nicht einverstanden bin, dennoch über den in den Jungfernreden der Kollegen Berendsen und Kliesing großenteils zum Ausdruck gekommenen Geist der Nüchternheit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung, zum Gespräch gefreut habe. Beide werden natürlich durchaus begreifen, daß sie, wenn sie sich hier ins parlamentarische Gefecht begeben haben — jedem von uns ist es ja einmal so gegangen, daß er von einer gewissen Nervosität befallen war —, damit rechnen müssen: Wer eine scharfe Klinge schlägt, der bekommt ab und zu auch einen Kratzer lab. Das werde ich mir nachher mindestens bei einem der beiden Herren, nämlich bei dem Kollegen Kliesing, herausnehmen müssen, obwohl es seine Jungfernrede war.
    Wenn wir an die Aufgabe dieser Verwirklichung, wie Sie sagen, der Pariser Verträge herangehen — sie sind eine Realität, sie sind in der Welt, sie sind da —, wenn wir uns über die Meinungsverschiedenheiten unterhalten, die nach wie vor zwischen dieser und jener Seite des Hauses über die Zweckmäßigkeit dieser Verträge bestehen, dann lassen Sie sich bitte eins gesagt sein: Selbst wer ein Anhänger der Politik des Bundeskanzlers ist, selbst wer die Verträge in jeder Weise für richtig hält, der sollte dennoch die Verpflichtung begreifen, an den Anfang der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland eine richtige und eine gute Gesetzgebung zu setzen und nicht ein gefährliches Provisorium.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf die Gleise, die jetzt gelegt werden, kommt es an.
    Man sage uns nicht: es ist ein lächerlicher Prozentsatz der künftigen Streitkräfte! Meine Damen und Herren, machen wir uns doch gar nichts vor: von den ersten 6000 hängt es ab, wie der Rest des Ganzen später aussehen wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das gilt für die Personen, und das gilt für die Institutionen. Deshalb dürfen Sie weder die Institutionen noch die Personen allein zur Disposition der Bundesregierung oder auch des Verteidigungsministeriums stellen, sondern Sie müssen sich in beiden das entscheidende Wort des Gesetzgebers vorbehalten.
    Das ist das, was man, glaube ich, als allgemeinen Gesichtspunkt vor diese ganze Debatte um den innerpolitischen Fragenkomplex stellen muß.
    Es ist — und in der viel zitierten Broschüre des Verteidigungsministeriums wird ,das hervorgehoben — eine ganze Reihe von Versprechungen gerade gegenüber der jungen Generation über den Zustand gemacht worden, in dem sich die bewaffnete Macht künftig befinden wird. Die Zeitschrift der evangelischen Jugend, die „Junge Stimme", hat in diesem Zusammenhang einige sorgenvolle Fragen an den Herrn Verteidigungsminister gerichtet. Ich finde, diese Fragen sind so wichtig, daß wir sie durchaus aufgreifen sollten. Die „Junge Stimme" wollte unter anderem wissen: Sind eigentlich alle


    (Erler)

    bisherigen Erklärungen noch voll glaubwürdig, wenn der Anfang der Gesetzgebung nicht in Übereinstimmung mit dem steht, was in den Bundestagsausschüssen besprochen worden ist? Denn, meine Damen und Herren — ich wiederhole hier noch einmal ausführlich die Erklärung —, nicht einmal der Gedanke eines dem jetzigen Freiwilligengesetz auch nur von fern ähnlich sehenden Gesetzes ist jemals im Sicherheitsausschuß des Bundestages besprochen worden, zu keiner Zeit und zu keiner Stunde. Es ist wichtig, das zu wissen, damit wir begreifen, daß dieser Akt der Gesetzgebung mit Recht Mißtrauen erweckt hat, weil er mit einer Zerstörung der Atmosphäre begann, in der man früher eine gewisse Bereitschaft zu erkennen glaubte, daß die künftigen gesetzgeberischen Akte der Bundesregierung in ihren großen Linien mit dem Ausschuß des Parlamentes besprochen würden, bevor sie den weiteren Weg in der normalen Maschine der Gesetzgebung machen würden. Von dieser Absicht war nie die Rede.
    Das zweite, was hierher gehört, ist die Stellung jener Männer im Verteidigungsministerium, deren Namen für die junge Generation geradezu zu einem
    Symbol für die guten Absichten nicht für die
    bösen — geworden sind. Ich will einen nennen: den Grafen Baudissin, der von der Bundesregierung beauftragt worden ist, überall, landauf, landab, der jungen Generation ihre Absichten auf diesen Gebieten darzulegen, und der wahrscheinlich nur dadurch einen großen Teil an Skepsis bei manchen jungen Leuten hat überwinden können, daß er sich wacker und mannhaft für eine bestimmte Konzeption ides Geistes, der inneren und äußeren Verfassung dieser Streitkräfte eingesetzt hat. Wir hören mit Bestürzung, daß bei der Umorganisation des Ministeriums die Bedeutung und das Gewicht dieses Mannes erheblich verkürzt worden sind,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und sehen darin für uns einen Anlaß zu größter Wachsamkeit. Allein Erklärungen des Ministers, so gut gemeint sie sein mögen, können uns nicht jene Sicherheit schaffen, die wir in einer Organisation des Ministeriums sehen würden, in der sich die Bedeutung dieser Fragen für jeden von uns deutlich sichtbar abzeichnen könnte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ein Punkt, der heute hier umstritten gewesen ist—ich will mich gar nicht zum Inhalt, sondern nur zur Methode äußern —, ist z. B. die Frage des Eides. Mit einer Reihe von Gründen — es gibt für, es gibt wider — war der Sicherheitsausschuß des Bundestages übereinstimmend zu 'der Erkenntnis gekommen, man solle nicht den Eid +an den Beginn der Aufstellung von Streitkräften stellen, sondern eine andere Form der Verpflichtung wählen. Ob nun diese oder der Eid, das ist im Augenblick nicht die Frage, darüber können wir uns noch später unterhalten. Aber die Frage, die mich hier bewegt, ist, daß beim ersten gesetzgeberischen Vorgehen der Bundesregierung eine monatelange Diskussion in einem Ausschuß dieses Hauses einfach als nichtexistent vom Tisch gefegt worden ist, ohne ein Wort der Begründung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Regierung will es so. „J` y suis, j' y reste",
    „hier bin ich, und hier bleibe ich", war ungefähr die
    Position der Bundesregierung zu diesem Gesetz mit
    allem, was an Kritik inzwischen dazu vorgebracht worden ist.
    Gestatten Sie mir ein Wort zu dem Zwischenspiel am heutigen Vormittag. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß er gehofft habe, die Sozialdemokratie zur Mitarbeit auf dem Boden der Demokratie zu gewinnen. Meine Damen und Herren, was soll das heißen? Wenn der Herr Bundeskanzler, so wie es da steht, darin seine Meinung ausdrückt, daß die Sozialdemokraten bisher in Deutschland nicht auf dem Boden der Demokratie mitgearbeitet hätten,

    (Zuruf von der Mitte: Hat er nicht gesagt!)

    dann stellt er damit ein Drittel der Nation außerhalb dieses Staates. Aber das hat er zu verantworten, nicht wir.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Das will er ja! — Abg. Arnholz: Wilhelm II in neuer Auflage!)

    Meine Damen und Herren, die demokratische Legitimation, der Kampf um Freiheit und Recht, der Kampf für eine rechtsstaatliche Gestaltung nicht erst nach den bitteren Erfahrungen in der nationalsozialistischen und der kommunistischen Gewaltherrschaft, sondern auch vorher schon,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    das gehört weiß Gott zu den größten Traditionen der deutschen Sozialdemokratie.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich weiß, daß ich wahrscheinlich auch aus dem Herzen meiner Parteifreunde spreche. Aber nehmen Sie es wirklich als das ganz persönliche Bekenntnis eines Mannes hin: Diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers hat mich auf das tiefste persönlich verletzt.

    (Beifall bei der SPD. — Unruhe und Zurufe von der Mitte: Oh! Oh! — Gegenruf des Abg. Dr. Mommer: Eine Unverschämtheit!)

    Es muß doch wohl noch möglich sein, daß ein Mann seiner Sorge um die Entwicklung in unserem Volke hier an dieser Stelle Ausdruck gibt! Wo denn sonst?!

    (Zuruf rechts: Es kommt nur darauf an, wie!)

    — Ja eben, das bitte ich gelegentlich dem Herrn Bundeskanzler zu sagen!
    Meine Damen und Herren, es sind heute eine ganze Reihe kritischer Reden zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gehalten worden. Der Herr Kollege Dr. Arndt hat — genau wie ich das auch jetzt mit großer Freude feststelle — die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses gehabt, und so manches Argument hat sicher Einfluß auch auf den späteren Gang der Dinge. Ich weiß, daß wir dennoch gelegentlich Treueschwüre hören werden. Nun, auch das gehört zur politischen Auseinandersetzung. Aber in dieser Debatte um den Zwischenfall hat nun einer unserer Jungfernredner es für gut befunden, an einen früheren Zwischenfall zu erinnern. Weil es ungut ist, wenn hier ein falscher Eindruck im Raum stehenbleibt, möchte ich mich zu diesem Zwischenfall noch einmal äußern.
    Ich habe vor mir ein Dokument, das die Unterschriften zweier bedeutender Männer trägt, des verstorbenen Vorsitzenden der Sozialdemokrati-


    (Erler)

    schen Partei Deutschlands, Dr. Kurt Schumacher, und des Herrn Bundeskanzlers, Dr. Konrad Adenauer. Dieses Dokument bezieht sich auf den Zwischenfall, der hier vorhin heraufbeschworen worden ist gewissermaßen als eine Generalentschuldigung für künftige und spätere Entgleisungen. So dürfen wir das nicht behandeln. Es lautet:
    In der Sitzung des Bundestages vom 24. auf den 25. November war der Bundeskanzler der Ansicht, daß ohne Eintritt der Bundesrepublik in die Ruhrbehörde ein Demontagestop nicht zu erreichen sei. Die SPD war der Ansicht, daß ein Demontagestop auch ohne bedingungslosen Eintritt in die Ruhrbehörde zu erreichen sei.
    Der Bundeskanzler ist überzeugt, daß sich die sozialdemokratische Fraktion bei ihrer Haltung von der Überzeugung hat leiten lassen, auf diese Weise das Beste für das deutsche Volk zu leisten, und hält Formulierungen, die anders verstanden worden sind, nicht aufrecht. Dr. Schumacher ist seinerseits der Auffassung, daß der Bundeskanzler überzeugt war, daß nur der Eintritt der Bundesrepublik in die Ruhrbehörde den Demontagestop bewirken könne. Er hält daher den Zwischenruf „Bundeskanzler der Alliierten" nicht aufrecht.
    Meine Damen und Herren, wenn zwei Männer in dieser Weise einen Zwischenfall, bei dem die Reihenfolge der Ereignisse hier auch noch klargestellt worden ist, aus der Welt geschafft haben, dann sollte es niemanden im politischen Leben in Deutschland geben, der diesen Vorfall wieder ausgräbt, um gewissermaßen für die Zukunft immer wieder daraus das Recht abzuleiten, nun erneut mit irgendwelchen persönlichen Unterstellungen arbeiten zu können. Jener Vorfall ist durch eine beiderseitige Erklärung beigelegt worden, in der der Herr Bundeskanzler zuerst seine Äußerung zurücknahm. Ich finde es unfair, daß man zu Lasten eines Toten einseitig nun nur dessen Äußerung wieder ausgräbt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben diese Frage hier erörtert anläßlich des das deutsche Volk bewegenden Problems: Gibt es in bestimmten Lebensfragen der Nation die Möglichkeit, die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit der entscheidenden, diesen Staat — ob in Opposition .oder Regierung — tragenden demokratischen Kräfte? Nach dem, was ich heute vormittag hier wieder erlebt habe, gestatten Sie mir, daß ich eine Überzeugung ausspreche, die Ihnen sicher nicht gefallen mag, aber in der ich nach vielen Ereignissen der letzten Monate bestärkt worden bin. Es gibt tatsächlich ein Haupthindernis für eine Zusammenarbeit der großen staatstragenden Kräfte in den Lebensfragen der Nation. Das Hindernis liegt nämlich dort, wo seit einer Reihe von Jahren bewußt darauf hingearbeitet worden ist, diesen Staat nach innen und außen ohne und sogar gegen die Sozialdemokratie zu bauen, auch wenn man gelegentlich einmal Beschwörungen über eine sagenhafte Zusammenarbeit ausspricht, die ja durch die Form, in der man jeweils erst Tatsachen schafft und hinterher zum Anschluß auffordert, von Anfang an entwertet werden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir wissen alle, wo diese Kraft ist, eine Kraft, die soweit wirkt, daß jetzt schon der künftige bremische Wahlkampf trotz der unbestrittenen Aufbauleistungen der sozialdemokratisch geführten Stadtregierung in Bremen im wesentlichen nur unter der Parole stattzufinden hat: Wie bringen wir alle anderen Kräfte, auch die, die mit der Sozialdemokratie in Bremen bisher zusammengearbeitet haben, nun dazu, künftig die Sozialdemokratie aus der Verantwortung in diesem Stadtstaat herauszudrängen? — Das ist doch nur ein Beispiel in einer ganzen Kette von Ereignissen. Ich will Ihnen ganz offen sagen, daß viele sehr persönliche Gespräche mit einer Reihe Ihrer Freunde mich in der Erkenntnis bestärkt haben, daß das Haupthindernis für eine Zusammenarbeit zwischen den großen demokratischen Kräften in Lebensfragen der Nation nichts anderes ist als die Person des Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer.

    (Anhaltender starker Beifall bei der SPD. — Lebhafte Zurufe und Bewegung bei der CDU/CSU. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)