Rede:
ID0209301700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2093

  • date_rangeDatum: 28. Juni 1955

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    2. Deutscher Bundestag — 93. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. Juni 1955 5223 93. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. Juni 1955. Beurlaubte Abgeordnete (Anlage) . . . . 5303 A Eintritt des Abg. Berg in den Bundestag . 5223 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) (Drucksachen 1467, 1499) 5223 C Zur Sache: Dr. Jaeger (CDU/CSU) . 5223 C, 5230 B Erler (SPD) 5230 A, 5281 D, 5284 D, 5291 C, 5297 A, 5301 C Ollenhauer (SPD) 5231 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5236 A von Manteuffel (Neuß) (FDP) . . 5237 B Feller (GB/BHE) 5244 B Matthes (DP) 5247 C Berendsen (CDU/CSU) 5252 B Unterbrechung der Sitzung . 5255 B Dr. Arndt (SPD) . . . 5255 B, 5273 C, D Blank, Bundesminister für Verteidigung 5263 C Dr. Kliesing (CDU/CSU) 5264 B Heye (CDU/CSU) 5267 C Dr. Mende (FDP) . . . 5272 B, 5273 C, D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 5284 C Kiesinger (CDU/CSU) . . .. 5291 B, C, D, 5.300 C, 5301 C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 5291 D Unterbrechung der Sitzung . . 5301 D Zur Abstimmung: Dr. Menzel (SPD) 5302 A Stücklen (CDU/CSU) 5302 A, C Überweisung an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit, an den Ausschuß für Beamtenrecht und den Rechtsausschuß 5302 B Beschlußfassung über den Antrag Druck- sache 1499 5302 C, D Nächste Sitzung 5302 D Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 89. Sitzung 5302 B Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5303 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den I Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 89. Sitzung Seite 4973 B Zeile 12 ist zu lesen: Frau Kalinke (DP) 4981 B Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich D. Dr. Gerstenmaier 15. August Dr. Blank (Oberhausen) 30. Juli Dr. Pohle (Düsseldorf) 30. Juli Dr. Vogel 30. Juli Albers 23. Juli Dr. Graf Henckel 23. Juli Dr. Jentzsch 23. Juli Koenen (Lippstadt) 16. Juli Morgenthaler 16. Juli Pelster 16. Juli Dr. Dr. h. c. Pünder 9. Juli Schuler 9. Juli Griem 2. Juli Held 2. Juli Margulies 2. Juli Scheel 2. Juli Eberhard 1. Juli Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. Juli Berlin 30. Juni Elsner 30. Juni Dr. Gille 30. Juni Frau Kalinke 30. Juni Frau Keilhack 30. Juni Mühlenberg 30. Juni Müller (Wehdel) 30. Juni Neuburger 30. Juni Rademacher 30. Juni Schulze-Pellengahr 30. Juni Müller (Erbendorf) 29. Juni Dannemann 28. Juni Dr. Eckhardt 28. Juni Dr. Friedensburg 28. Juni Dr. Gleissner (München) 28. Juni Heiland 28. Juni Frau Dr. Jochmus 28. Juni Dr. Kather 28. Juni Klingelhöfer 28. Juni Kunz (Schwalbach) 28. Juni Dr. Leiske 28. Juni Lemmer 28. Juni Meyer-Ronnenberg 28. Juni Frau Dr. Maxsein 28. Juni Müser 28. Juni Raestrup 28. Juni Schloß 28. Juni Schmidt (Hamburg) 28. Juni Schoettle 28. Juni Dr. Starke 28. Juni Wehking 28. Juni Zühlke 28 Juni b) Urlaubsanträge Dr. Dresbach vom 4. bis zum 16. Juli
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Feller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der außenpolitischen Debatte anläßlich der Großen Anfrage der SPD zur Frage der Wiedervereinigung hat der Sprecher meiner Fraktion ausgeführt, daß sich die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE zur Vertragstreue und damit auch zur Durchführung der mit den Pariser Verträgen von uns, der Bundesrepublik, übernommenen Verpflichtungen bekenne. Heute stehen wir davor, aus diesem Standpunkt die ersten praktischen Konsequenzen zu ziehen. Ein Witzbold in meiner Fraktion hat seine Auffassung so formuliert: Wer A sagt, muß auch B sagen, und wer Adenauer sagt, muß auch Blank sagen. Aber das soll nicht etwa die Begründung dafür sein, wenn wir unsere Bereitschaft erklären, diesen gesetzgeberischen Start des Herrn Verteidigungsministers dadurch zu unterstützen, daß wir zunächst der Überweisung des vorliegenden Freiwilligengesetzentwurfs in die zuständigen Ausschüsse zustimmen.
    Wir hätten uns selbst und auch der Sache der Wehrgesetzgebung gerne einen besseren Start gewünscht, bei dem wir hätten mithelfen können. Wir wollen der Hoffnung Ausdruck geben — um im Bilde zu bleiben —, daß dieses Gesetzgebungswerk im Verlaufe der Strecke, die es zu durchlaufen hat, einiges von dem wieder gutmacht, was es durch seinen unglücklichen Start an Prestige in der Öffentlichkeit eingebüßt hat. Dieser Wunsch ist um so stärker, als wir immer noch nicht ganz einzusehen vermögen, warum wir eigentlich diesen schlechten Anlauf nehmen mußten.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Vorkommandos „Auf die Plätze!" und „Fertig!" waren doch schon so lange gegeben, daß etwas Hieb- und Stichfesteres als dieser Freiwilligengesetzentwurf beim Kommando „Los!" hätte auf die Reise gehen können.
    Das Soldatengesetz liegt uns nun seit einigen Tagen vor. Seine Durchsicht zeigt doch, daß es sich inhaltlich nicht so sehr von dem unterscheidet, was nach den jahrelangen Vorbesprechungen im Sicherheitsausschuß von uns allen erwartet wurde, als daß wir nicht gleich die Arbeit damit hätten beginnen können und dann auch nicht viel später damit zu Rande gekommen wären. Vielleicht hätte man einige besondere Paragraphen über die Vorwegeinberufung von Freiwilligen hineinschreiben können. Aber wie man es auch im einzelnen gemacht hätte, uns wäre bei einem solchen Verfahren, offen gesagt, etwas wohler gewesen als bei den drei isoliert dastehenden Paragraphen des Freiwilligengesetzes. Denn dann hätte uns niemand, weder in der Öffentlichkeit noch im Bundesrat, dessen Einwände wir nicht allzuleicht nehmen dürfen, sagen können, wir stellten die Weichen für eine Fahrt, von der wir nicht genau sagen könnten, wohin sie uns führt. Wir meinen allerdings, daß wir diesen Vorwurf nur dadurch entkräften können, daß wir nun nicht einfach nein sagen und nichts in der Sache tun, sondern daß wir in der festen Absicht an die Arbeit in den Ausschüssen gehen, das Bestmögliche aus der Sache zu machen.
    Einigen Mut dazu gibt uns die gestrige Erklärung der Bundesregierung, vor allem die Erklärung, daß sie bereit ist, die verfassungsrechtliche Regelung einiger Fragenkomplexe zu betreiben, die hier schon genannt worden sind: die Frage des Oberbefehls, die Frage der landsmannschaftlichen Gliederung, die Frage der Wehrverwaltung, die Frage des Notstandsrechts und die der Militärgerichtsbarkeit. Auch wir halten die verfassungsrechtliche Regelung dieser Fragenkomplexe für unerläßlich und sind bereit, geschlossen dabei mitzuwirken. Ich möchte das hier entgegen andersartigen in der Presse angestellten Vermutungen ausdrücklich feststellen. Denn wir fühlen uns an die Erklärung gebunden, die der Berichterstatter Herr Dr. von Merkatz in der Debatte vom 26. Februar 1954 im Namen aller Koalitionsparteien abgegeben hat, und vermögen nicht einzusehen, was uns etwa aus dieser Bindung befreien könnte.

    (Sehr gut! rechts. — Sehr wahr! beim GB/BHE.)

    Allerdings glauben wir, daß der Inhalt der genannten Begriffe einer eindeutigen Klärung bedarf und diese sofort zu erfolgen hätte. Denn sonst, meine Damen und Herren, würde allerdings die Zusicherung der Bundesregierung zu einer leeren Floskel erniedrigt werden, die uns dann alle doppelt ins Unrecht vor der Öffentlichkeit setzte, vor der ja die Erklärung des 26. Februar 1954 abgegeben wurde, und vor uns selbst, die wir damals im Vertrauen auf diese Vereinbarung für die Ergänzung des Grundgesetzes gestimmt haben.
    Lassen Sie mich wenigstens mit ein paar Sätzen unseren Standpunkt zu den genannten Fragen umreißen. Wir gehören nicht zu denen, die ein besonders starkes Interesse an der Wahrung landsmannschaftlicher Sonderrechte haben könnten. Denn das Schicksal hat uns gelehrt, daß die großen geschichtlichen Vorgänge darauf keinerlei Rücksicht nehmen

    (Sehr richtig! beim GB/BHE)



    (Feller)

    und daß wir, wenn es ums Ganze geht — und darum geht es in militärischen Dingen letzten Endes ja immer —, auch nur das Ganze sehen dürfen.

    (Zustimmung beim GB/BHE.)

    Wir glauben aber, von den Kollegen, denen diese Fragen besonders am Herzen liegen, annehmen zu können, daß auch sie das Ganze sehen und ihre Forderungen nicht über das Maß des auch uns vertretbar Erscheinenden hinaus steigern werden. Wir glauben außerdem, daß sich bei aller Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Gesichtspunkte, die schon in der Regierungserklärung von gestern ausführlich erwähnt worden sind, die an dieser Frage Interessierten andererseits auch zu einer verfassungsrechtlichen Regelung der Wehrverwaltung bereit finden werden, die uns über die rechtlichen Unsauberkeiten hinwegbringt, die wir trotz der Erklärung der Bundesregierung bei der Errichtung der nachgeordneten Behörden entstehen sehen und auf die ja nicht ganz unberechtigterweise auch der Bundesrat aufmerksam gemacht hat. Wir meinen allerdings, daß auf die Dauer ohne eine bundeseinheitliche Wehrverwaltung nicht auszukommen sein wird.
    Schließlich zur Frage des Oberbefehls. Es wird sicherlich nicht leicht sein, darin eine übereinstimmende Meinung in diesem Hohen Hause oder auch nur bei den notwendigen zwei Dritteln seiner Mitglieder zu erzielen. Aber ich meine, das letztere sollte möglich sein. Dabei beziehe ich auch die Opposition mit in meine Vorstellung ein.
    Lassen Sie mich bitte rein persönlich und ohne damit die endgültige Stellungnahme aller meiner Freunde zu präjudizieren, bekennen, daß meine Vorstellungen dahin gehen, auf die Regelung der Weimarer Verfassung zurückzugreifen und dementsprechend dem Bundespräsidenten den Oberbefehl über die Streitkräfte der Bundesrepublik zu übertragen. Ich will hierbei gar nicht von Tradition sprechen; denn wir wissen, daß einmal abgerissene Traditionen sehr schwer wiederherzustellen sind. Ich möchte auch vor allen Dingen nicht in den Verdacht geraten, an irgendeiner Stelle und in irgendeiner Weise restaurieren zu wollen.
    Aber auch der Einwand, daß eine solche Regelung die parlamentarische Kontrolle erschwere, scheint mir deshalb nicht stichhaltig zu sein, weil ja, wie hier schon ausgeführt worden ist, auch nach der Weimarer Verfassung alle Maßnahmen des Reichspräsidenten als Oberbefehlshaber der Gegenzeichnung des Reichskanzlers oder des Reichswehrministers bedurften. Meine politischen Freunde und ich sind durchaus entschlossen, alle parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten zu wahren. Aber ich meine, daß wir dafür an andere Möglichkeiten und Wege denken und uns solche überlegen müssen, als daß wir ausgerechnet durch Übertragung des Oberbefehls auf eine andere Stelle als den Bundespräsidenten diesem Anliegen gerecht zu werden suchen. Wenn wir das täten, würden wir nach meiner Auffassung zumindest bei einem Teil unseres Volkes das Mißtrauen bestärken, das ohnehin gegen eine neue Wehrmacht und alles, was damit zusammenhängt, a priori nun einmal vorhanden ist. Geben wir ihm doch die Gewißheit, daß letzte und schwerste Entscheidungen nur von der höchsten Stelle getroffen werden können, die unser Staat kennt, und von dem Manne, der hoffentlich stets von einem so breiten Vertrauen getragen sein wird, wie es sich bei der Wahl des Bundespräsidenten im vergangenen Jahr erfreulicherweise über alle Parteien hinweg gezeigt hat. Ich meine, wir sollten über diese Frage nur aus letzter Verantwortung vor unserem Gewissen entscheiden und ein von da her bestimmtes offenes Gespräch miteinander führen.
    Eine Gewissensentscheidung — und nicht eine politische Überlegung — wird es auch sein müssen, die uns entscheiden läßt, ob wir unseren künftigen Soldaten die Leistung eines Eides zumuten können, wenn wir bedenken, welche Konflikte sich daraus in der Vergangenheit für den einzelnen ergeben haben und wieviel Unklarheit in der Beurteilung solcher Konflikte leider heute noch in unserem Volke herrscht. Ich glaube, daß wir uns im Sicherheitsausschuß alle von derartigen Überlegungen haben leiten lassen, als wir zu der übereinstimmenden Auffassung gelangt waren, daß wir auf den Eid verzichten und an seine Stelle eine feierliche Verpflichtung treten lassen könnten.
    Lassen Sie mich gerade an dieser Stelle einmal an die Arbeiten des Sicherheitsausschusses erinnern, die zwar nur vorbereitenden Charakter hatten, aber doch in vielen Fragen so viel Übereinstimmung unter seinen Mitgliedern einerseits und mit den Mitarbeitern der damaligen Dienststelle Blank andererseits gezeitigt haben, daß einem angesichts des vorliegenden Gesetzentwurfs und der Diskussion des heutigen Tages eine leise Wehmut beschleichen muß und die Frage auftaucht: Wozu?
    Gewiß, manches von diesen Arbeiten hat seinen Niederschlag in dem Entwurf des Soldatengesetzes und auch in der hier schon behandelten kleinen Schrift des Verteidigungsministeriums vom künfttigen deutschen Soldaten gefunden. Ich bin nicht geneigt, den Herrn Verteidigungsminister so hart wegen dieser Schrift zu kritisieren, wie es hier schon geschehen ist, weil ich ihre Zusammenstellung und viele ihrer Teile als sehr gut gelungen anerkennen muß. Aber eine uneingeschränkte Anerkennung kann ich für diese Schrift doch auch nicht aussprechen, und ich muß mich dem anschließen, was der Herr Kollege Ollenhauer gesagt hat: es macht zum mindesten den Eindruck, als ob man sich bei der Abfassung dieser Schrift doch nicht ganz bewußt gewesen wäre, was parlamentarische Kontrolle beim Neuaufbau einer Wehrmacht in unserem Staat zu bedeuten hat.

    (Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)

    Ich möchte hier wohlwollend annehmen, daß vielleicht eine gewisse Gedankenlosigkeit mit am Werke war. Es ist vielleicht dieselbe Gedankenlosigkeit, die wir schon beobachten konnten, wenn wir uns darüber beschweren mußten — Herr Kollege von Manteuffel hat es vorhin wieder getan —, daß Mitteilungen über Maßnahmen auf dem Gebiete der Wehrpolitik uns allen, aber auch besonders den Mitgliedern des Sicherheitsausschusses, sehr oft, ich möchte beinahe sagen, meistens auf dem Wege über die Presse zukommen.
    Ich will hier einmal, um auf die kleine Broschüre vom künftigen Soldaten zurückzukommen, ganz bewußt — ich betone: ganz bewußt — ein relativ unbedeutendes und nicht sehr gravierendes Beispiel herausgreifen, das als Beweis für die Richtigkeit meiner Kritik von vorhin dienen kann. Im Kapitel „Laufbahn" werden unter anderem die Militärmusiker und die Musikmeister im Offiziers-


    (Feller)

    status erwähnt. Nun, ich erinnere mich nicht — und ich glaube, daß mich meine Erinnerung auch nicht trügt —, daß dieses Parlament oder sein dafür zustandiger Ausschuß einmal zum Ausdruck gebracht hätte, daß man Militärkapellen für die neue Wehrmacht als unentbehrlich ansieht. Darüber wird — darin sind wir uns doch alle einig — wie in vielen anderen Fragen auch nur dieses Parlament zu entscheiden haben, wenn es darum geht, die Haushaltsmittel für die neuen Streitkräfte zu bewilligen. Es mag sein, daß man dann Spielmannszüge, Musikkapellen, Wachregimenter und ähnliche andere Einrichtungen für notwendig ansehen wird; es mag aber auch sein, daß sich manche aus der sich ständig verändernden Wirklichkeit unserer militärischen und politischen Lage gewonnenen Erkenntnisse durchsetzen werden, die uns veranlassen, unsere beschränkten Mittel in ganz anderer Weise einzusetzen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur einmal das Wort „Luftschutz" und „Schutzmaßnahmen für die zivile Bevölkerung" aufgreifen, worüber wir in der gestrigen Regierungserklärung für unsere Vorstellungen bedauerlich wenig zu hören bekommen haben. Wir werden all das im einzelnen zu verantworten haben. Diese Verantwortung nach allen Richtungen hin, nicht ein kleinliches Hineinreden und Herumschnüffeln in allen militärischen Planungen sind Sinn und Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle, die man deshalb auch in kleinen Fragen und aus Unbedachtsamkeit nicht einfach übergehen sollte.
    In der Diskussion über den Oberbefehl wird oft auch auf die gefährliche Sonderstellung hingewiesen, die die Reichswehr im Weimarer Staat eingenommen hat. Ich glaube, daß diese nicht so sehr auf den Bestimmungen der damaligen Verfassung beruhte, sondern auf den politischen Umständen, unter denen die Reichswehr entstand und sich entwickelte, aus einer unveränderten Tradition, und nicht zuletzt auf dem ängstlichen Bemühen, gewisse Vorgänge in ihrem Bereich vor der Öffentlichkeit und auch vor dem Parlament zu verbergen. Möge doch alles geschehen, um derartige Erscheinungen bei unserer neuen Wehrmacht unmöglich zu machen. Aber das liegt ausschließlich in unserer Hand, ob Koalition oder Opposition; denn wenn die Politik einmal von diesem Instrument Gebrauch machen müßte, dann würde es nicht mehr um die Interessen des einen oder des anderen Teils unseres Volkes, sondern um die Freiheit und die Existenz von uns allen gehen.
    Ein Wort noch zur zivilen Leitung, von der in der Regierungserklärung die Rede ist. Sie ist nicht dadurch garantiert, daß der Verteidigungsminister keine Generalsuniform trägt und sich auch sonst eines zivilen Verhaltens befleißigt. Lassen Sie uns gerade in dieser Hinsicht etwas von unseren westlichen Vertragspartnern lernen, und ich bin überzeugt, sie werden uns darüber bestimmt keine Vorhaltungen machen. Vielleicht räumt aber auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte manche Befürchtung, die uns aus der europäischen Vergangenheit beschleichen könnte, aus, wenn wir einmal die Feststellung treffen, daß im Zeitalter der technisierten Kriegführung die Generäle selbst zu Warnern und Skeptikern werden. Ich brauche hier nicht auf ausländische Beispiele hinzuweisen, sondern möchte aus der jüngeren deutschen Vergangenheit wenigstens einen Namen nennen, der für viele steht, nämlich den Namen Beck.
    Zurück zu dem vorliegenden Entwurf des Freiwilligengesetzes. Ich weiß nicht, ob es für die Schaffung des Vertrauens in die parlamentarische Kontrolle des Militärischen und deren Sicherung von Vorteil wäre, es in der parlamentarischen Bearbeitung zu unterlassen, dem Gesetz noch mehr den Charakter des Vorläufigen und streng Begrenzten zu geben. Dem würde es dienen, wenn zu der zeitlichen Begrenzung auf den 31. März 1956 auch die zahlenmäßige gegeben würde, wie sie die Regierung in ihrer gestrigen Erklärung selbst vorgenommen hat, nämlich die Begrenzung auf 6000 Mann. Meine Fraktion jedenfalls wird darauf drängen. Darüber hinaus sehen wir auch keinen Grund, der uns daran hindern könnte, die Aufgaben genau zu umreißen, zu denen unter Geltung dieses Gesetzes Freiwillige eingestellt werden sollen.
    Über die Rechtsstellung dieser Freiwilligen ist hier schon so viel gesagt worden, daß ich mir nähere Ausführungen ersparen will. Auch wir halten sie für ungenügend geklärt und werden auf eine Verbesserung drängen. Das verlangt die Fairneß gegenüber den Männern, die sich schon jetzt für den Aufbau zur Verfügung stellen, und die Notwendigkeit, die Besten dafür zu gewinnen.
    Auch für ihre eventuelle Versorgung muß entsprechend Vorkehrung getroffen werden. Allerdings können wir uns schwer vorstellen, daß für die neuen Truppen andere Versorgungsgrundsätze gelten sollen als für die Opfer der letzten Kriege. Sollten die geltenden Versorgungsgrundlagen nicht als ausreichend erscheinen, dann müßten sie eben in dem gewünschten Sinn verbessert werden; denn es ist undenkbar, daß zwei Klassen von Versorgungsberechtigten entstehen, ebensowenig wie wir uns eine zweifache Versorgungsverwaltung leisten können. Es darf nicht dahin kommen, daß die Millionen von Kriegsopfern mit ihren Verbänden voll Mißgunst der neuen Wehrmacht gegenüberstehen. Das würde sich auch auf die Jugend negativ auswirken, die es zwar nicht für „Wehr und Waffen" zu begeistern, aber doch von der Notwendigkeit des Wehrdienstes zu überzeugen gilt.
    Lassen Sie mich nun etwas zu dem viel diskutierten Personalausschuß sagen. Auch wir meinten immer und meinen es heute noch — wir freuen uns, daß wir uns darin überraschenderweise in völliger Übereinstimmung mit allen unseren Koalitionspartnern befinden —, daß es richtig wäre, Aufgaben und Kompetenzen des Personalgutachterausschusses gesetzlich festzulegen. Es ist nun einmal so, daß die Wiedereinstellung führender Offiziere von den verschiedensten Seiten und unter den verschiedensten Gesichtspunkten argwöhnisch beobachtet werden wird. Die Mitglieder des Personalausschusses tragen eine schwere Verantwortung. Jeder Fehlgriff, der sich vielleicht erst nach Jahren als solcher herausstellt, wird ihnen zur Last gelegt werden. Wenn ihre Verantwortlichkeit nicht im Gesetz klar abgegrenzt ist, wird die Tätigkeit im Personalausschuß schwer zumutbar sein. Das bedeutet nicht, daß wir der Auffassung wären, die Mitglieder des Personalausschusses müßten unbedingt von irgendeinem parlamentarischen Gremium gewählt werden. Was uns gegenüber derartigen Vorstellungen im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die wir ja von der Richterwahl her kennen, bedenklich machen sollte, wird klar, wenn man hört, daß auch schon der Bundesrat den Anspruch erhebt, bei der Auswahl der Mitglieder des Personalausschusses mitzuwirken.


    (Feller)

    Es gibt einen weiteren Grund für die gesetzliche Festlegung der Aufgaben und Kompetenzen des Personalausschusses. Man muß denjenigen Bewerbern, die der Ablehnung durch ,den Ausschuß verfallen, die Gewißheit geben, das dies nach Recht und Gesetz geschehen ist. Selbst der Einwand, man könne dem Personalausschuß keine durch Gesetz gesicherte Dauerexistenz geben, zieht nicht, auch dann nicht, wenn man ihn inhaltlich anerkennt; denn selbst dann ließe sich dem gesetzestechnisch Rechnung tragen. Man braucht die Bestimmungen über den Personalausschuß nicht unbedingt in das Freiwilligengesetz oder in das Soldatengesetz oder in beide hineinzunehmen, sondern kann, wenn notwendig, dazu ein eigenes Gesetz schaffen.

    (Abg. Erler: Sehr richtig!)

    Wir hoffen, daß die Regierung uns umgehend den Entwurf eines entsprechenden Gesetzes über Aufgaben und Kompetenzen des Personalausschusses vorlegt.

    (Abg. Erler: Sehr gut!)

    Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich es nicht unterlassen, zu einigen Ausführungen Stellung zu nehmen, die Herr Dr. Jaeger heute früh
    gemacht hat Dazu fühle ich mich als Historiker
    und als Süddeutscher berufen und verpflichtet. Preußen besteht nicht mehr und wird wahrscheinlich nie wieder erstehen. Um so mehr verdient es ein gerechtes und historisch objektives Urteil.

    (Beifall.)

    Mit so oberflächlichen Bemerkungen wie denen, die Herr Dr. Jaeger — er ist leider nicht anwesend — heute morgen über Preußen gemacht hat, werden wir ihm aber nicht gerecht, auch nicht unserer eigenen Vergangenheit, die — dessen brauchen wir uns nicht zu schämen — mehr, als Herr Dr. Jaeger vielleicht wahrhaben will, ohne die geschichtlichen Leistungen des Preußentums undenkbar wäre.

    (Erneuter Beifall.)

    Es ist mir völlig unverständlich, wie Herr Dr. Jaeger stich gewissermaßen zum Beweise seiner Anschauungen ausgerechnet ,auf das Jahr 1918 beziehen konnte, dessen geschichtliche Bedeutung sich doch nicht auf Preußen beschränkt und sich schon gar nicht aus preußischen Elementen, weder im guten noch im bösen, erklären läßt, sondern aus einer geistesgeschichtlichen und soziologischen Entwicklung, die sich in alien Völkern der Erde und in allen deutschen Stämmen, auch in Bayern, ausgewirkt hat.

    (Beifall.)

    Lassen Sie es damit genug sein, zumal da Herr Dr. Jaeger, mit dem ich mich gerne noch weiter über diese Frage auseinandersetzen würde, nicht anwesend ist.
    Es ist schon einiges über den Zusammenhang
    zwischen den Fragen der allgemeinen Sozialordnung und Sozialpolitik und denen der sozialen
    Sicherstellung und sozialen Eingliederung unserer
    neuen Soldaten ausgeführt worden. Vielleicht wird
    noch einer meiner Freunde nachher ausführlicher
    dazu Stellung nehmen. Ich möchte hier nur feststellen, daß nach unserer Auffassung eine Gesundung unserer sozialen Ordnung im 'allgemeinen die
    unerläßliche Voraussetzung für die soziale Eingliederung der neuen Soldaten und eine unerläßliche
    Voraussetzung für einen erfolgversprechenden
    Aufbau der neuen Streitkräfte überhaupt bildet.

    (Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

    Das veranlaßt uns wieder, darauf hinzuweisen, daß es uns eigenartig erscheint, wenn man hier lange und umfängliche Ausführungen über die Notwendigkeit einer sozialen Eingliederung der neuen Soldaten macht, wenn man aber nicht in der gleichen Weise und bei jeder Gelegenheit seine Bereitschaft sichtbar werden läßt, auch den Opfern der vergangenen Kriege, den Kriegsgeschädigten, Vertriebenen und Flüchtlingen, den Weg zu- einer wirklichen sozialen Eingliederung zu bereiten.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    In diesen Zusammenhang gehört auch die dringende Notwendigkeit der schnellen Bearbeitung der zweiten Novelle zum Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes.
    Lassen Sie mich zum Schluß nochmals erklären, daß wir bereit sind, daran mitzuwirken, daß aus dem schlechten Anfang dieses Gesetzgebungswerks ein besseres Ende und aus dem unzulänglichen Gesetzentwurf eine brauchbare Grundlage für den Aufbau unserer neuen Streitkräfte wird. Wir hoffen aber, daß hinsichtlich dieser und aller mit der Wehrverfassung zusammenhängenden Fragen allen Beteiligten noch ausreichende Gelegenheit zu einer freien und gründlichen Aussprache gegeben sein wird.

    (Beifall beim GB/BHE und in der Mitte.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Matthes.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Matthes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Einbringung des Freiwilligengesetzes und die damit verbundene Erklärung der Bundesregierung bedeuten nach der Ratifizierung der Pariser Verträge den ersten Schritt, der deutscherseits wehrpolitisch bezüglich der Auswirkung der Verträge zu erfolgen hat. Schon bei der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse der Berliner Außenministerkonferenz im Deutschen Bundestag am 25. Februar 1954 sagte unser Freund Dr. von Merkatz namens der Fraktion der Deutschen Partei, daß es für uns im Hinblick auf die kommenden freiwillig übernommenen Verpflichtungen kein Schwanken gebe, und erklärte dann wörtlich: „Es muß jetzt, wenn Europa und unser Land überleben sollen, die Politik der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu einem Erfolg gebracht werden."
    Wir haben uns mit dieser Erklärung zur Erfüllung der Verpflichtungen auf schnellstem Wege bekannt. Dennoch drängt sich uns nach der wehrpolitischen Erklärung des gestrigen Tages die, Frage auf: Warum ist man eigentlich nicht früher mit dem Freiwilligengesetz herausgekommen? Warum hat man den Gegnern der Pariser Verträge Gelegenheit gegeben, der Regierung zu unterstellen, daß sie absichtlich manche Dinge im Halbdunkel lassen wolle? Schweigen ist nicht immer Gold, man kann es auch übertreiben, und nach unserer Auffassung war es nicht erforderlich. Die Bundesregierung hat, wie ihre gestrige Erklärung zeigt, nichts zu verbergen. Sie hätte damit sich viel Kritik und der deutschen Öffentlichkeit viel Ärger und Verdruß ersparen können. Der Aufbau von Streitkräften ist nach den bösen Erfahrungen der Vergangenheit eine viel zu bedeutsame, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit erfassende Frage, als daß es angängig wäre, sie ohne eine umfassende Klarheit über die Grundsätze und ohne Übereinstimmung hinsichtlich der Durchführung zu lösen.


    (Matthes)

    L) An den Anfang dieser Arbeit gehörte daher eine Darlegung der Gesamtkonzeption und die Zustimmung nicht nur der gesetzgebenden Organe des Bundes, sondern auch der breiten deutschen öffentlichkeit, aber nicht einfach die Zuleitung und Einbringung des sogenannten Freiwilligengesetzes beim Bundesrat bzw. beim Deutschen Bundestag. Denn es muß doch der Bundesregierung darauf ankommen, gerade für diesen Teil ihres Regierungsprogramms die überzeugte Mitarbeit des deutschen Volkes sowie seiner parlamentarischen Vertreter zu gewinnen und zu erhalten.
    Gewiß ist mit der Ratifizierung und Inkraftsetzung des Pariser Vertragswerks die Frage der Aufstellung von Streitkräften der Bundesrepublik dem Grunde nach positiv entschieden; aber diese Entscheidung hat bisher in stärkerem Maße eine Wirkung nach außen als nach innen gehabt. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Regierung, Klarheit darüber zu schaffen, wie sie sich den Aufbau der Streitkräfte vorstellt. Sie hat das jetzt getan, zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in den wesentlichsten Zügen. Das deutsche Volk weiß heute wenigstens, was beabsichtigt ist.
    Meine politischen Freunde und ich begrüßen die Ausführungen des Verteidigungsministers. Aber ich will keineswegs damit sagen, daß wir, meine Freunde und ich, geneigt sind, jeden programmatischen Satz der Regierungserklärung blanko zu unterschreiben. Wir behalten uns vielmehr vor, alle Einzelheiten sorgfältigst zu prüfen, die in den künftigen, uns vorzulegenden Gesetzentwürfen geregelt werden sollen. Aber wir wollen auch keinen Zweifel daran lassen, daß wir die Grundsätze der Wehrpolitik und der Wehrverfassung, wie sie der
    Herr Bundesverteidigungsminister gestern hier entwickelt hat, für richtig halten und sie deshalb bejahen. Wir bejahen sie, weil diese Grundsätze nach unserer Überzeugung mit Militarismus nichts, aber auch rein gar nichts zu tun haben.
    Über das innere Gefüge unserer künftigen Streitkräfte ist schon ungeheuer viel geschrieben und geredet worden. Auch im Sicherheitsausschuß dieses Hohen Hauses hat uns diese Frage in der Vergangenheit stärkstens beschäftigt. Das war, nimmt man alles in allem, zur Vorklärung mancher Meinungen sicherlich sehr gut. Wir vermögen daher keineswegs die von der Bundesregierung geübte Zurückhaltung bei der Einbringung des Freiwilligengesetzes zu verstehen, das ja dafür verschiedentlich, und nicht zu Unrecht, als Blitzgesetz angesprochen wurde. Auch der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung vom 10. Juni gegen die überhastete Vorlage des Gesetzes wenden müssen. Bei aller Eile, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt, darf keineswegs die innenpolitische Sorgfalt darunter leiden, eben weil dieses Gesetz befristet ist und nichts fragwürdiger ist als Vorläufigkeiten.
    Fragwürdig ist keineswegs unsere Auffassung zu den Grundfragen der Wehrpolitik, zu dem inneren Gefüge. Eine Truppe, die in dem Geiste aufgebaut und herangebildet werden soll, die nach so strengen demokratischen Regeln in den Staat eingebaut werden soll, wie es in unseren verschiedensten Ausschußberatungen in den letzten Jahren immerhin übereinstimmend zum Ausdruck kam, eine solche Truppe läßt sich zu militärischen Abenteuern nicht mißbrauchen. Im Gegenteil, wenn wir die gegenwärtige Lage nüchtern betrachten, müssen wir feststellen: Es wird keine leichte Aufgabe sein, die Streitkräfte auch nur zu einem brauchbaren Instrument einer wirksamen Verteidigung zu machen. Schon hier zeigen sich zwei Welten und scheiden sich immer wieder die Geister. Die jüngste Vergangenheit hat uns leider Gottes dafür eine Fülle an Beweisen geliefert.
    Meine Freunde und ich bejahen aus innerster Überzeugung in unserer Einstellung zu Volk und Staat den Wehrwillen. Wir halten es für einen elementaren, von der Geschichte hundertfach bezeugten Grundsatz und für bitterste Wahrheit: Ein Volk, das in einer waffenstarrenden Welt geachtet sein und das sich selber achten will, muß bereit sein, sich gegen fremde Angreifer zur Wehr zu setzen. Andernfalls wird es nicht einmal seine materielle Existenz auf die Dauer behaupten können, von der Freiheit ganz zu schweigen. Das sei allen denen gesagt, die das Argument ins Feld führen, Aufwendungen für die Verteidigung seien unproduktiv. Auch wir wissen, daß es an sich nützlicher wäre, weiterhin Wohnungen anstatt Kasernen zu bauen. Auch wir sähen es lieber, wenn die anderen zum Teil bis an die Zähne bewaffneten Länder abrüsteten und wir dadurch der Sorge enthoben würden, für unsere militärische Sicherheit selbst etwas zu tun. Aber können wir darauf bauen, daß sich die rauhe Wirklichkeit nach unseren Wünschen richten wird? Man darf doch nicht die Dinge auf den Kopf stellen und etwa behaupten wollen, die Bundesrepublik brauche nur waffenlos zu bleiben, dann werde die allgemeine Abrüstung todsicher folgen. Wir sind zehn Jahre waffenlos geblieben, und was ist seitdem geschehen?
    Im übrigen wird der Aufbau deutscher Streitkräfte auf jeden Fall — das ist der Wunsch des gesamten Hohen Hauses — in so langsamen Etappen vor sich gehen, daß er einer Welt, die überall guten Willens wäre, niemals im Wege stehen könnte. Für uns wäre es nicht schwer, jederzeit alles auf null zurückzudrehen, wenn wir gewiß sein könnten, fortan in einer friedliebenden Welt zu leben.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit, ohne gleichzeitige Bereitschaft, dafür im Ernstfall mit innerer Bereitschaft einzustehen. Selbst die kleine Schweiz hat eine in aller Welt bewunderte schlagkräftige Landesverteidigung, bei der jeder Bürger bis zum 65. Lebensjahr dienend mitzuwirken hat. Das ist wahrlich kein Geschenk des Weltfriedens, sondern von diesem von uns immer wieder zu bewundernden Volke mit seinen berühmten bürgerlichen demokratischen Freiheiten und von seinem Wohlstand opferbereit geschaffen und traditionsgebunden erhalten.
    Meine Damen und Herren, auf diesem Hintergrund muß man den ganzen Komplex der Wiederbewaffnung sehen, bevor man sich mit Einzelfragen befaßt. Wir müssen den Mut haben, manche angenehmen Illusionen zu zerstören, vor allem die Illusion, daß die Bundesrepublik im Windschatten der Weltpolitik ungestört und unbekümmert ihren Geschäften nachgehen könne, weil schon nichts geschehen werde. Wir hoffen ja auch alle miteinander, daß nichts geschehen wird.
    Allerdings geben wir uns auch nicht etwa der anderen Illusion hin, daß unser Volk mit Begeisterung auf den Augenblick wartet, da es seine ersten Söhne wieder in Uniform sehe. Dazu hat es in den vergangenen Jahren zu bittere Erfahrungen machen müssen. Es hat erleben müssen, wie die Uniform, die der deutsche Soldat in Ehren getragen


    (Matthes)

    hat — in Ehren trotz allem —, beschimpft und verhöhnt worden ist, nicht nur von den einstigen Siegern, sondern leider auch von manchen Leuten im eigenen Volke.

    (Sehr richtig! rechts.)

    So etwas vergißt man nicht leicht.
    Und auch das sei in dieser Stunde ganz klar ausgesprochen: Wir von der Deutschen Partei haben uns zum geistig wahren Soldatentum bekannt von Anfang an,

    (Bravo! rechts)

    als wir damit noch durchaus gegen den Strom der herrschenden Meinung schwammen.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Deshalb haben Sie auch einen Redner nach Goslar zur „Stahlhelm"-Tagung abgestellt!)

    — Entschuldigen Sie, Sie können keinen Beweis antreten, daß ein Redner meiner Fraktion als Redner auf dem „Stahlhelm"-Tag in Goslar gesprochen hätte. Mir ist das nicht bekannt,

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Professor Dr. Brühler!)

    bis zur Stunde jedenfalls nicht. Aber Sie werden
    vielleicht nachher den direkten Beweis antreten, und wir sind dann gern bereit, unsere Antwort darauf zu erteilen.

    (Abg. Dr. Brühler: Was ich gesagt habe, hätte jeder Sozialdemokrat sagen können!)

    Meine Damen und Herren, haben nicht in den verflossenen zehn Jahren die ehemaligen Soldaten aller Dienstgrade, unter ihnen die große Zahl der Berufssoldaten aller Dienstgrade, bis zur Stunde trotz Diffamierung, Verbitterung, Enttäuschung selbstlos und uneigennützig ihre Pflicht in unserem Staat erfüllt wie jeder andere Staatsbürger und darüber hinaus trotzdem auch an ihrem Soldatentum festgehalten? Haben nicht in allen Fraktionen, sei es des Bundestages, der Landtage, der Kreistage, der Stadtparlamente oder Gemeindeparlamente, Soldaten aller Dienstgrade seit Jahren verantwortungsbewußte Mitarbeit durch die Tat bewiesen? Liegen nicht zahlreiche Auslassungen ehemaliger Soldaten — von wenigen Unbelehrbaren, ewig Gestrigen abgesehen — vor, wie die des ehemaligen Generals Crüwell vom ehemaligen Deutschen Afrikakorps auf dem Treffen dieses Korps im Jahre 1950, wo General Crüwell wörtlich erklärte:
    Man soll gegenüber unserer jungen Demokratie nicht in verneinende Kritik verfallen, sondern helfen, wo man helfen kann.
    Das ist die Stimme der konstruktiven Kräfte und eine klare Absage an den unfruchtbaren und planlosen Radikalismus von links und von rechts. Wer vermag angesichts der vielen Beweise ehrlicher Mitarbeit noch von Militaristen zu sprechen? Die Fraktion der Deutschen Partei legt auf eine Klärung des Begriffs „Militarismus" Wert. Wir verstehen darunter nicht die Diffamierung bestimmter Berufsgruppen oder Gesellschaftsschichten, sondern ganz einfach den Tatbestand, daß alle Bereiche des staatlichen Lebens den militärischen Bedürfnissen untergeordnet und die Schlüsselstellungen des Staates mit Offizieren oder besonders militärfrommen Zivilisten besetzt werden. Diese Militarisierung eines Staatswesens enthält, wie die Geschichte beweist, größte Gefahren. Wir begrüßen es daher, daß
    in der Grundkonzeption der gestrigen Erklärung ' der Bundesregierung eine eindeutige Abkehr von solchem Überwuchern des Militärischen im Staate enthalten ist.
    Mit aller Deutlichkeit habe ich seitens meiner politischen Freunde von der Deutschen Partei zu erklären, daß wir und die mit uns zum Soldatentum sich bekennenden Deutschen die leidenschaftlichsten Verfechter des Friedens sind, eines Friedens jedoch der Freiheit, des Rechtes und der Sicherheit. Ich treffe für die Deutsche Partei in diesem Zusammenhang mit Nachdruck die Feststellung: Das deutsche Soldatentum in seiner Gesamtheit ist erhaben über jeden Angriff auf seine Ehre. Wir sind der Überzeugung, daß nur ein Staat, der auch die ehemaligen Soldaten als Träger eines Wehrgeistes würdigt und anerkennt, das Recht und die Möglichkeit hat, den Wehrwillen eines Volkes aufzurufen. Dieser Überzeugung leben wir nicht allein, sondern mit uns viele andere Völker in der Welt. Ich erinnere nur an das Beispiel der Veteranenvereine in Amerika, deren vornehmstes Ziel die Pflege alter Traditionen ist. Der amerikanische Botschafter in Bonn, Dr. C o n a n t , hat in seiner Rede anläßlich der Jahresfeier des Geburtstages von Washington die uns vor wenigen Tagen übermittelt wurde, vor amerikanischen Offizieren in Deutschland von der Pflege der Tradition und von dem ehemaligen amerikanischen Soldaten als dem Bürger-Soldaten gesprochen und gesagt, daß die gesamte Tradition der Vereinigten Staaten für die Erhaltung der Demokratie und Freiheit im eigenen Lande und für die Schlagkraft der amerikanischen Streitkräfte selbst sowie für den einzelnen Soldaten wichtig ist; anderenfalls wäre keine Garantie dafür gegeben, daß die Armee eine wirklich verläßliche Streitkraft für den Staat darstelle. Das sind allerdings andere Worte als die, die wir bezüglich Tradition vor kurzem in diesem Saale in der Feierstunde am 17. Juni von Herrn Professor Dr. Ritter zu hören bekommen haben.

    (Zustimmung bei der DP.)

    Uns ist es Gewißheit, daß ein Volk sich selbst aufgibt, wenn es seine guten Überlieferungen aufgibt. Deshalb haben wir auch in der gestrigen Regierungserklärung mit besonderer Genugtuung den Satz vernommen: Der deutsche Soldat hat tapfer, brav und gehorsam seine Pflicht getan. Das unterstreichen wir doppelt. Aus diesem Grunde möchte ich es nicht allzu wörtlich nehmen, wenn der Herr Bundesverteidigungsminister gestern erklärte, daß wir die Streitkräfte sozusagen aus dem Nichts heraus aufzustellen hätten. Gewiß, wir müssen neue Formen finden. Wir können und wollen nicht neuen Wein in alte Schläuche gießen, aber so wie der neue Wein auf alten Rebstöcken wächst, so werden auch aus den künftigen Kompanien und Regimentern nur dann brauchbare Einheiten werden, wenn sie von den alten Soldatentugenden der Ehre und Treue, der Pflichterfüllung und des Gehorsams, der Tapferkeit und Kameradschaft erfüllt sind. Meine Damen und Herren, uns ist es traurige Gewißheit, daß diese Tugenden heute nicht hoch im Kurs stehen; denn heute wird Verdienen groß geschrieben und Dienen ganz klein.

    (Zuruf von der SPD: Daran sind Sie mit schuld!)

    Man wird nun einmal Soldat, um zu dienen, und nicht, um zu verdienen. Aber man mag noch so nüchtern und sachlich denken, — wenn niemand mehr bereit ist, der Gemeinschaft zu dienen, muß


    (Matthes)

    jede menschliche Gemeinschaft auf die Dauer zerfallen, und dann wird auch das Verdienen problematisch. Egoismus allein ist Sprengstoff für jedes Volk. Wenn wir uns zu Deutschland, zu einem in Einheit und Freiheit wiederzuvereinigenden Deutschland bekennen, haben wir ein bewußtes Ja zum Dienen an Volk und Vaterland zu sagen. Es scheint uns, daß manchen Menschen im Westen diese Begriffe nicht mehr so deutlich bewußt sind, während der 17. Juni 1953 vor aller Welt bewiesen hat, daß in Deutschland Kräfte aufzustehen vermögen, die bereit sind, für die Freiheit ihr Leben zu opfern.
    Die Deutsche Partei betont daher aus ihrer konservativen Gesinnung heraus, daß sie in den künftigen Streitkräften mehr sieht als eine Schutztruppe nach außen. Sie kann und muß darüber hinaus die Keimzelle für das Wiedererstarken des Gemeinschaftsgefühls werden. Die jungen Menschen aller Stände werden wieder erkennen, daß sie Glieder eines Volkes und diesem Volke auch verpflichtet sind. Das eine haben wir so bitter nötig wie das andere. Daß auch mit dem Begriff der Gemeinschaft wirklich Mißbrauch getrieben worden ist, darf uns nicht dazu verleiten, ihn in die Rumpelkammer verstaubter Gefühle zu verbannen. Wir sind überzeugt, daß auch die Jugend in ihrer Mehrheit einsichtig genug sein wird, die Notwendigkeit, sagen wir ruhig: die sittliche Pflicht des Dienstes für die Gemeinschaft zu erkennen. Man behauptet von dieser Jugend, sie neige dazu, das Für und Wider einer Sache nüchtern abzuwägen. Nun gut, sie soll wägen! Um so weniger wird sie sich dann von billigen antimilitaristischen Parolen blenden lassen. Allerdings will und muß die Jugend wissen, was es zu verteidigen gilt. Darum muß alle Wehrpolitik eingebettet sein in eine staatliche Ordnung, die die Würde und Freiheit des Menschen und soziale Gerechtigkeit gewährleistet.
    Die Regierung hat sich aus Gründen, die wir billigen können, darauf beschränkt, ihre grundsätzliche Auffassung in den Fragen der Wehrpolitik und Wehrverfassung darzulegen. Es ist klar, daß sich bei der praktischen Verwirklichung dieser Prinzipien eine Fülle von Gesetzesvorlagen und Problemen ergeben wird. Als Sprecher meiner Fraktion habe ich darauf hinzuweisen, daß sich eine Erwiderung unseres Fraktionsvorsitzenden Dr. von Merkatz, wie Herr Kollege Ollenhauer sie vorhin ad absurdum führte, im Hinblick auf die auch heute schon mehrfach zitierte Erklärung als Berichterstatter am 26. Februar erübrigt. Die Antwort ist bereits in der gestrigen Erklärung der Bundesregierung enthalten, wo die drei Fragenkomplexe aufgeführt worden sind, weshalb wir das Grundgesetz zu ändern hätten. Zu den sich ergebenden verfassungsrechtlichen Fragen der kommenden Wehrgesetzgebung sprechen wir schon heute unsere Bereitwilligkeit aus, die Dinge sehr ernst zu betrachten und mit zu bearbeiten. Wir werden sie sehr sorgfältig prüfen und es an der Mitarbeit nicht fehlen lassen.
    An dieser Stelle aber kann ich mich heute auf eine kurze zusammenfassende Stellungnahme beschränken. Die Fraktion der Deutschen Partei tritt aus voller Überzeugung für den Grundsatz ein, daß die Streitkräfte ein Instrument der Staatspolitik werden und bleiben müssen, nicht mehr und nicht weniger. Wir wünschen daher, daß sie ziviler Leitung und parlamentarischer Kontrolle unterstellt werden. Der Einschaltung eines Personalausschusses bei der ersten Besetzung der obersten Kommandostellen stimmt die Fraktion der Deutschen Partei nicht zu. Die Einsetzung des Personalausschusses würde nach unserer Auffassung ein unberechtigtes Mißtrauen gegen die Bundesregierung und insbesondere gegen den Bundesverteidigungsminister einschließen.

    (Zustimmung bei der DP.)

    Außerdem bedeutet sie die Schaffung eines Sonderrechts, das sich ausschließlich gegen den Soldatenstand richtet.

    (Beifall bei der DP.)

    Meine politischen Freunde und ich sind davon überzeugt, daß die Regierung bei der Auswahl der oberen Kommandeure die Erfahrungen menschlicher und charakterlicher Art, die wir in der Vergangenheit machen mußten, berücksichtigen wird.. Diese Frage muß ausschließlich unter die Verantwortung des zuständigen Ministers gestellt werden, dessen Sorgfaltspflicht in besonderer Weise der parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen ist. Wir halten aber ein Verfahren, wie es mit einem Personalausschuß vorgeschlagen wird, für verfehlt, weil es die Gefahr in sich birgt, daß gerade hierdurch in die Personalpolitik ein gefährliches Element der Politisierung hineingebracht wird.

    (Zustimmung bei der DP.)

    Wir fordern mit aller Entschiedenheit, daß die Truppe nicht in den Machtstreit der Parteien hineingezogen und gar zu einem Instrument der Parteipolitik, Konfession oder irgendwelcher sonstiger Interessengruppen gemacht wird.

    (Erneute Zustimmung bei der DP.)

    Nach den vielen trüben Erfahrungen der letzten I Jahre bei der Klassifizierung unseres Volkes und der Gesinnungsschnüffelei sind unsere Bedenken nur zu gut verständlich.
    Eine gewichtige Rolle spielt auch für uns die Frage des Oberbefehls über die aufzustellenden Streitkräfte. Bereits seit den Tagen der konstitutionellen Verfassung ist der Begriff des Oberbefehls und der Kommandogewalt verfassungsrechtlich unklar geworden. In dem berühmten Buch des Staatsrechtlers Marschall von Bieberstein ist die Frage der Gegenzeichnung und der Kommandogewalt in ihrer geschichtlichen Entwicklung mit bester Dokumentation wiedergegeben worden. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß über diesen Begriff rechtlich und politisch vollkommene Klarheit geschaffen werden muß. Wir können uns hierbei auch nicht an das Vorbild der Weimarer Verfassung anlehnen, denn aus dem Zusammenhang des Art. 47 und vor allen Dingen des Art. 48 Abs. 2 der Weimarer Verfassung ergibt sich deutlich, daß die Frage des Oberbefehls in dieser Verfassung im traditionellen, konstitutionellen Sinne geregelt war. Nach unserem Grundgesetz wäre eine Regelung im gleichen Sinne wie in der Weimarer Verfassung nicht ohne Verfassungsänderung durchführbar. Die Fraktion der Deutschen Partei bejaht dagegen die Auffassung, die der Herr Verteidigungsminister in seiner gestrigen Erklärung dem Hohen Hause dargelegt hat. Danach kann vom Oberbefehl im traditionellen Sinne weder rechtlich noch politisch gesprochen werden.
    Wir bejahen den Grundgedanken der Regierungserklärung, daß die Wehrmacht genau so wie jede andere Funktion der Exekutive in das Ge-


    (Matthes)

    füge des Grundgesetzes eingepaßt werden muß. Das heißt: für die Exekutivmaßnahmen im militärischen Bereich gelten dieselben rechtlichen Regeln wie für jede andere Exekutivmaßnahme, sei es auf dem Gebiete der Regierung, der Gesetzgebung, der Verwaltung oder gar der Rechtsprechung. Alle Akte, die der Gegenzeichnung bedürfen, werden auch auf dem militärischen Gebiet so behandelt, wie das nach dem Grundgesetz für Akte im zivilen Bereich erforderlich ist. Demzufolge stehen dem Staatsoberhaupt als Repräsentanten des ganzen Volkes alle die Ehrenrechte und Befugnisse zu, die ihm nach dem Grundgesetz gegenüber der zivilen Verwaltung zukommen. Wir legen hierbei Wert darauf, daß seine Stellung als Staatsoberhaupt bei allen Demonstrationen militärischer Art hervorgehoben wird. Man kann das die Übertragung des repräsentativen Oberbefehls nennen, in dem ein symbolischer Beziehungspunkt für die überparteiliche Aufgabe der Wehrmacht zum Ausdruck kommt. Ich weise aber darauf hin, daß die Fraktion der Deutschen Partei durch die Verwendung dieses Begriffes keine politische und keine rechtliche Unklarheit hinsichtlich der tatsächlichen Befugnisse, die das Grundgesetz für die Exekutive
    festlegt, aufkommen lassen will. Damit ist nicht vorweggenommen, wie diese Frage endgültig bei einer Verfassung des Deutschen Reiches entschieden wird.
    Was die Wehrverwaltung angeht, so wünschen meine Freunde, daß sie den zivilen Behörden übertragen wird. Wir können uns dabei auch auf die Erfahrungen aus der Zeit vor 1914 stützen. Das System der zivilen Verwaltung für die Streitkräfte hat sich in den verschiedensten Staaten durchaus bewährt. Dabei wird die verfassungsrechtliche Frage der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sehr sorgsam zu prüfen sein. Was von den Länderverwaltungen durchgeführt werden kann, sollte ihnen überlassen bleiben, natürlich unter dem Gesichtspunkt, daß eine solche Regelung vernünftig und praktikabel sein muß. Wir haben zur Lösung dieser Frage ganz besondere Vorstellungen und werden unsere Vorschläge hierzu bei der Beratung der kommenden Gesetzentwürfe in den verschiedenen Ausschüssen unterbreiten.
    Nicht unerwähnt wollen meine Freunde lassen, daß wir bei erforderlichen Einstellungen für die Wehrverwaltung in erster Linie auch auf die Schwerbeschädigten, die stellenlosen älteren Angestellten und die noch nicht untergebrachten ehemaligen Berufssoldaten zurückgreifen sollten. Wir legen das unserem Herrn Verteidigungsminister und den zuständigen Ressortministern dringend ans Herz. Wir bitten schon heute darum, daß dieses unser Anliegen, das sicherlich auch — wie die Vergangenheit bewiesen hat — das Anliegen aller Fraktionen des Hohen Hauses ist, im Laufe der Zeit Berücksichtigung findet.
    Daß die staatsbürgerlichen Rechte des Soldaten, soweit das mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist, gewahrt werden sollen, haben wir gern gestern vernommen. Das entspricht voll und ganz unseren Wünschen. Dieses Kapitel wird uns ja noch eingehend bei der Beratung des zur Vorlage kommenden Soldatengesetzes beschäftigen, so daß ich mir versagen kann, heute darauf einzugehen. Genau so verdienen nach unserer Auffassung bei der weiteren Gesetzgebung die in der Ausbildung stehenden jungen deutschen Menschen, die ihren Wehrdienst zu leisten haben, unseren besonderen Schutz und unsere besondere Aufmerksamkeit.
    Die Berufung ziviler unabhängiger Richter als Vorsitzende der Disziplinar- und Strafgerichte insbesondere halten wir für eine gute Lösung.
    Mit ganz besonderem Interesse habe ich die Absicht der Bundesregierung verfolgt, bei der Aufstellung und Stationierung der Verbände landsmannschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Ich schließe mich hier den Wünschen der bayrischen Freunde an, daß dieses Prinzip so weit als irgend möglich verwirklicht wird. Es entspricht nicht nur bewährter Tradition, sondern ist auch geeignet, das innere Gefüge der Truppe — um diesen Begriff zu wiederholen — zu festigen. Landsmannschaftliche Zusammengehörigkeit hat sich in der Geschichte des deutschen Soldatentums, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, immer als ein besonders festes Band der Kameradschaft, Treue und Hingabe erwiesen. Ich bin aber überzeugt, daß es bei Betrachtung dieser Frage noch eingehender Überlegungen bedarf, wie den berechtigten Wünschen der heimatvertriebenen Jugend in dieser Richtung entsprochen werden kann und muß.
    Wir begrüßen es, daß den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Länder durch eine bereits getroffene Vereinbarung zwischen Bund und Ländern Rechnung getragen wird. Hier sehen wir eine willkommene Gelegenheit, bei der Vergebung von öffentlichen Aufträgen die bisher von der Konjunktur weniger begünstigten Gebiete entsprechend zu berücksichtigen. Ich nenne hier nur die Länder Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Holstein, Bayern und denke dabei nicht zuletzt an die Zonenrandgebiete.
    Die Bundesregierung hat zu unserer Freude gestern erneut versichern lassen, daß dieses Gesetz nur eine Übergangsregelung darstellen solle. Wir nehmen diese Mitteilung zur Kenntnis und werden die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen.

    (Abg. Niederalt: Sehr aufmerksam!)

    Die Fraktion der Deutschen Partei kann sich nicht damit einverstanden erklären, daß mit dem Freiwilligengesetz Soldaten geschaffen werden, deren Pflicht gegenüber Staat und Volk nicht durch einen Eid gebunden wird. Wir wenden uns ausdrücklich gegen den Vorschlag, an die Stelle des Eides eine feierliche Verpflichtung treten zu lassen. Bei allem Respekt vor theologischen und ethischen Bedenken, die geltend gemacht werden und worden sind, können wir uns als konservative Politiker nicht mit einer intellektualisierenden Betrachtung dieser Frage einverstanden erklären. Wir haben das große Mißtrauen, daß sich hinter diesen religiösen, ethischen Argumenten ganz andere Motive verbergen, nämlich vor allem das Motiv, daß man der Bundesrepublik als provisorischem Staatswesen gegenüber nur eine provisorische Treueverpflichtung habe. Mit Recht ist eingewendet worden, daß der Eid in der Vergangenheit nach seiner Säkularisierung in steigendem Maße mißbraucht worden ist und zu einem reinen Formalakt abzusinken droht. Diese Entwicklung müssen wir aufhalten und dem tiefen Ernst der Verpflichtung, die im Eide liegt, wieder den rechten Platz in unserem Staatswesen zuweisen. Die Entwertung des Eides kann nicht durch einen noch so großen Zeitablauf geheilt werden. Der Eid, der in einer fragwürdigen Gesellschafts-


    (Matthes)

    ) und Staatsordnung fehl am Platze ist und durch Mißstände und durch den moralisch-rechtlichen Verfall entwertet worden ist, gewinnt die ihm seiner Natur nach zukommende Bedeutung wieder in einem Staatswesen, dessen Ordnung sich in Übereinstimmung mit seiner hohen ethischen Bedeutung befindet. Wir sind davon überzeugt, daß auf die Bundesrepublik Deutschland die hohen Voraussetzungen zutreffen, die für die Abforderung eines Eides vorhanden sein müssen. Ich verweise hierbei ausdrücklich auf die Präambel des Grundgesetzes.
    Bezüglich der Frage der Besoldung wird später bei Behandlung dieser Frage im Ausschuß vieles zu sagen sein. Ich will es mir heute versagen, darauf einzugehen. Schon heute fühlen sich meine Freunde veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß wir im Hinblick auf Heranziehung besonders befähigter, charakterfester Führungskräfte, die dank ihrer besonderen Tatkraft und Fähigkeiten bereits im zivilen Sektor gutbezahlte Positionen innehaben, vor großen Schwierigkeiten stehen werden. Wirtschaftliche und sozialpolitische Gesichtspunkte werden bei Behandlung dieser Frage hart im Raume stehen. Wir wollen die Frage, wie 'gesagt, heute nicht vertiefen.
    Nun zum Schluß! Die Deutsche Partei weist in dieser Stunde mit allem Nachdruck darauf hin, daß das wichtigste Ziel unserer Politik die Wiederherstellung des Friedens in Europa und in der Welt ist. Grundlage und Voraussetzung dieses Friedens ist die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit und Sicherheit. Wir sind uns bewußt, daß die Kräfte des deutschen Wehrbeitrages isoliert betrachtet diese Sicherheit niemals gewährleisten können. Nur in Verbindung mit der in den Pariser Verträgen, in Verbindung mit der in der atlantischen Gemeinschaft geschaffenen Einheit Europas auf dem Gebiete der Verteidigung gewinnen die geringen deutschen Streitkräfte ihre Bedeutung.
    Die Fraktion der Deutschen Partei ist welt davon entfernt, die Frage der Sicherheit nur als eine militärische Frage zu betrachten. Die Frage der Sicherheit ist in erster Linie eine politische Frage. Die Lösung dieser großen politischen Probleme kann nur erfolgen, wenn wir konsequent den Weg fortsetzen, der mit einer gefestigten Einheit Europas die Grundlage für eine Entspannung zwischen Ost und West schafft, erhält und im Sinne des Friedens fortentwickelt.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)