Meine Damen und Herren, zurück zum Freiwilligengesetz und den damit im Zusammenhang stehenden innen- und sicherheitspolitischen Fragen.
Wir haben es, glaube ich, heute alle, ohne Unterschied der Partei, bedauert — so habe ich es von fast allen Rednern gehört —, daß dieses Gesetz dem Bundestag von der Bundesregierung unterbreitet worden ist, ohne daß sie es mit einer Silbe der Kritik im Bundesrat, der Kritik im Bundestag, der Kritik in der Öffentlichkeit angepaßt hätte. Der
,l Bundesrat ist nicht einmal einer schriftlichen Stellungnahme für würdig befunden worden.
Meine Damen und Herren! Sie alle treiben — und ich glaube Ihnen, daß Sie fest davon überzeugt sind — Ihre Außenpolitik unter dem Gesichtspunkt der Gewinnung von Vertrauen in ein demokratisches Deutschland. Sie können sicher sein, daß diese Methode der Bundesregierung ge- ' rade dem Vertrauen in die deutsche Demokratie nicht genutzt, sondern geschadet hat.
Doch nun zu einigen Sicherheitskomplexen, die in dieser Debatte, und zwar eigentlich auch durch eine Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers eingeleitet, anklangen. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: wenn idle sozialdemokratische Politik befolgt worden wäre, dann würden 50 Millionen Deutsche in der Bundesrepublik und weitere 18 Millionen in der sowjetischen Besatzungszone wie Lämmer zur Schlachtbank geführt. Das hat er gesagt am gleichen Tage, als wir in den Zeitungen lesen konnten, wie ein bewaffneter Konflikt sich auswirkt, der mit der sozialdemokratischen Außenpolitik nun weiß Gott nicht das Geringste zu tun hat.
In den Manövern der "Carte blanche", den Luftmanövern über dem westeuropäischen Raum, sind am ersten Tage allein auf das Gebiet der Bundesrepublik 50 Atombomben geworfen worden, und in 'der ganzen Zeit der Manöver fielen hier in Zentraleuropa 171 Atombomben auf den Verteidiger und weitere 164 auf den Angreifer. Zusammen waren es 335.
Meine Damen und Herren, sollten wir — das Wort vom Gespenstigen unserer Situation ist ja heute schon einmal ausgesprochen worden — sollten wir nicht in dieser Situation, gerade wenn wir uns auch mit dem innenpolitischen Problem der Schaffung von Streitkräften befassen, begreifen, daß auch die Zugehörigkeit zum Atlantikpakt genau so wenig wie die Nichtzugehörigkeit zum Atlantikpakt entscheidend ist dafür, ob unser Volk überlebt oder nicht?
Sicherheit ist ungefähr das einzige, was Sie mit dieser Wehrorganisation auch nicht erreichen.
Die wirkliche Sicherheit unserer Völker liegt nur in der Chance einer Politik, die von der Menschheit die drohende Gefahr des kollektiven Selbstmordes mit den Atomwaffen — vor dieser schauerlichen Perspektive stehen wir alle, 'Sie und wir! — nimmt.
— Eben; das gebe ich Ihnen zu, Frau Kollegin Dr. Weber, und gerade deshalb finde ich es in dieser Situation wirklich völlig 'deplaciert, wenn man etwa sagt: Ihr Sozialdemokraten wollt also gar nichts tun, ihr wollt einfach abwarten.
Das, was heute kein Warten verträgt, ist der entscheidende Komplex dier weltpolitischen Entspannung.
Was zum zweiten heute kein Warten verträgt — und da will ich Ihnen sogar in einem Gedanken recht geben, den ich gleich einmal weiterspinne — für den Fall, daß diese Entspannung, nicht durch unsere 'Schuld, scheitern sollte, ist, daß das Wichtigste zuerst getan wird. Wenn idle Manöver uns aber eins gezeigt haben, meine Damen und Herren, dann dies, daß das Wichtigste heute und hier nicht die 6000 Freiwilligen sind, sondern das Wichtigste ist zunächst der Schutz der Zivilbevölkerung!
In ihrer Gefährdung hat das den absoluten Vorrang an Geld, an Organisation, an Planung. Wo ist die Organisation, auch im Rahmen der Pariser Verträge, wenn Sie es so wollen, für die Ausnutzung des Luftwarndienstes der Alliierten auch für die Zwecke der eigenen Bevölkerung? Wo ist die Planung für diese Dinge? Wo hören wir etwas, was überhaupt noch an Möglichkeiten besteht, um selbst in der Stunde größter Gefahr wenigstens einen Teil der Bevölkerung dem nackten Überleben zu erhalten? Wie sieht es mit den Schutzzonen aus? Wie sieht es mit den baulichen Vorkehrungen aus? Ichsage das nicht, um Panik zu säen, sondern um
uns in die schauerliche Realität von heute hinein
zustellen. Da, finde ich, gibt es keinen größeren Widerspruch als den zwischen der schnellen Verabschiedung des Freiwilligengesetzes in seiner unausgegorenen Form auf der einen Seite und der Ablehnung der sozialdemokratischen Forderungen auf Bereitstellung ausreichender Mittel für den Schutz der Zivilbevölkerung in der vergangenen Haushaltsdebatte auf der anderen Seite.
Im Freiwilligengesetz bzw. in der Begründung, die uns mündlich hier gegeben worden ist, in der Regierungserklärung — im Gesetz kommt das nicht vor —, ist mit Recht von der Teilnahme deutscher Sachverständiger und deutscher Vertreter in den Stäben der Atlantikorganisation ausgegangen worden. Sicher haben die Atommanöver 'der Luftstreitkräfte gezeigt, was alles an augenblicklichen Risiken für den Fall eines Aufeinanderprallens der beiden großen Blöcke sich aus unserer Lage ergibt. Da möchte ich angesichts der schicksalentscheidenden Bedeutung dieser Fragen denen, die nun auf Grund welcher Rechtsvorschriften auch immer von der Bundesregierung zur Atlantikorganisation entsandt werden — einige sind auch schon da —, gleich eines in aller Deutlichkeit mit auf den Weg geben: Der Atlantikpakt darf mit der Zusammenkunft der dortigen Militärs und der dortigen Vertreter der Exekutive nicht ein Klub zur gegenseitigen Geheimhaltung der militärischen Fragen vor den einheimischen Parlamenten werden.
Diese Gefahr ist nämlich heute in einer Reihe solcher internationaler Organisationen unzweifelhaft vorhanden. Da versammeln sich die Sachverständigen — das brauchen gar nicht immer Soldaten zu sein; es können auch Bürokraten sein — und fangen ihre Besprechungen erst einmal damit an, daß sie sich feierlich gegenseitig Geheimhaltungsvorschriften auferlegen; und dann kommen die Delegierten nach Hause und sagen: Ja, sagen dürfen wir euch leider nicht, wie es dort weitergegangen ist; denn die NATO hat's verboten. Meine Damen und Herren, wir haben bei unserer Studienreise durch die Vereinigten Staaten ein
Parlament kennengelernt, das sich dies einfach nicht gefallen läßt, und das ist der Senat der USA. Da würde ich tatsächlich dafür plädieren, daß wir Herrn Blank und vor allem auch dem Außenminister etwas mit auf den Weg geben. Die Beziehungen zur NATO sind politische und nicht nur militärische Fragen, und ein sehr wesentliches Wort muß in der ganzen Struktur dieser Dinge vom Außenminister gesprochen werden können; nicht die Berichte der Militärs allein, sondern auch die Berichte der diplomatischen Beamten müssen die Entschlüsse der Regierung in diesen Fragen beeinflussen können. Wir haben da schmerzliche Erfahrungen mit dem System der früheren Militärattachés von 1914 gemacht; man braucht nur einmal nachzulesen, wie Deutschland damals in den Weltkrieg hineingeraten ist. Da also möchten wir Ihnen mit auf den Weg geben: Weisen Sie Ihre Männer an, bei allen Partnern Klarheit zu schaffen, daß, abgesehen von technischen Fragen, die einer natürlichen Geheimhaltung bedürfen und deren politische Auswirkungen völlig untergeordnet sind, alle großen Fragen der Strategie von ihnen mit den berufenen Vertretern der Volksvertretung erörtert werden müssen.
— Sie schweigen. Nehmen Sie sich ein Beispiel an jenem Parlament, das in einer fast 200jährigen Geschichte an diesem Rechte nie hat rütteln lassen! Die Grundfragen der Strategie sind immer auch und gerade Grundfragen der Politik. Das können Sie nicht voneinander trennen, und da darf es vor den Organen des Parlaments auf diesem Gebiete keine Geheimnisse geben!
1 Nun komme ich zu den hier im Zusammenhang mit dem Gesetz zu behandelnden Problemen der inneren demokratischen Ordnung. Mein Freund Dr. Arndt hat bereits von den Voraussetzungen gesprochen, die geschaffen sein müssen, bevor ein militärisches Instrument entsteht, damit es sich nicht nach Art des Wildwuchses selbst seinen Platz in der Gesellschaft schafft, sondern damit ihm der Platz vom Gesetzgeber zugewiesen wird. Herr Verteidigungsminister, da möchte ich noch einmal sehr nachdrücklich sagen: Maßstab für die gesetzlichen Regelungen kann nicht das sein, was bei engherzigster Auslegung das Grundgesetz allenfalls noch zwingend vorschreibt, sondern Maßstab kann nur das sein, was vom Standpunkte der Erhaltung und Sicherung einer lebensfähigen demokratischen Ordnung in diesem Staat politisch zwingend geboten ist.
— Nein, ich habe heute hier Klänge gehört, Herr Kollege Krone, die bereits auf eine engherzige Auslegung des Grundgesetzes hinausgingen. Man hat untersucht: Was schreibt eigentlich das Grundgesetz vor? Müssen wir überhaupt, oder ist es ein Gnadenakt? Auf diese Debatte sollten wir gar nicht erst eingehen, sondern die Regierung sollte von sich aus sagen: Wir sind bereit, alle wesentlichen Fragen durch das Parlament auf dem Wege der Gesetzgebung entscheiden zu lassen.
Dann halben wir das klar. Wir können uns nicht mit dem zufriedengeben, was ein Sprecher der Freien Demokraten gesagt hat: er hoffe nun auf eine Einlösung der Koalitionsvereinbarungen, die
Herr von Merkatz am 26. Februar 1954 hier vorgetragen hat. Meine Damen und Herren, wier vor Enttäuschungen sicher sein will, der muß begreifen, daß eben Koalitionsvereinbarungen keine Verfassung zu ersetzen imstande sind.
Damals, als diese Erklärung abgegeben wurde, war man doch offensichtlich der Meinung, daß mindestens diese drei Punkte, die einer Regelung in der Verfassung bedürften, vor dem praktischen Beginn der Aufstellung von Streitkräften hätten geregelt werden müssen und nicht hinterher. Jetzt ist anders herum verfahren worden, und wir haben uns nun mit den drei großen Fragenkomplexen der zivilen Leitung, der parlamentarischen Kontrolle und der Personalauslese zu befassen.
Ich möchte zur zivilen Leitung zusätzlich zu dem, was mein Freund Dr. Arndt schon vorgetragen hat, noch darauf aufmerksam machen, daß nur ein wirkliches, echtes Organisationsgesetz, das die Organisation des Ministeriums und die Spitzengliederung der Streitkräfte regelt, eine vom Parlament auch zu überwachende zivile Leitung einer solchen Organisation schaffen kann.
In der Haushaltsdebatte hat der Herr Verteidigungsminister ein stolzes Wort ausgesprochen. Es zeugt von sehr großem Zutrauen darin, daß er glaubt, diese Aufgabe wirklich anpacken und meistern zu können. Ich fürchte, jeder Minister, ganz gleich wie er beschaffen ist, würde scheitern, wenn er sich allein auf dieses wohlgemute Wort stützt, das da heißt: „Die zivile Leitung ist gesichert, solange ich als Zivilist Minister bin." Das reicht nicht aus! Wenn Sie einen Minister in eine im wesentlichen militärische Apparatur einfach einmauern, dann fallen eine Reihe von wichtigen Entscheidungen zwangsläufig im Sinne des gesamten Klimas der Behörde und nicht im Sinne des verzweifelt vielleicht um jeden Punkt seines Programms gegenüber der eigenen Bürokratie kämpfenden Ministers. Auch dafür gibt es Erfahrungen. Auch die zivilen Minister in der Weimarer Republik haben nicht ausgereicht, die Reichswehr davor zu bewahren, eigene Machtaspirationen zu entwickeln und sich weitgehend aus der demokratischen Verfassungswirklichkeit hinauszustehlen und ein Eigenleben zu schaffen. .
Daher muß das Ministerium ein ziviles Ministerium sein und nicht nur der Minister ein Zivilist, und daher muß die eigentliche militärische Organisation nicht in das Ministerium eingebaut, sondern unter das Ministerium gestellt werden. Das ist die richtige Lösung.
Ein völlig andere Frage ist es, ob in einem solchen Ministerium die Sachkundigen, die man braucht, nun unbedingt ihr ganzes Leben lang nur in zivilen Dienststellungen verbracht haben müssen, ob für bestimmte Aufgaben dort auch die Sachkunde eines Mannes mit einer militärischen Vergangenheit nützlich ist. Natürlich! Warum denn nicht? Das ist gar nicht das Problem. Das Entscheidende aber ist, daß es sich dabei um die zivile Dienststelle handelt, in der der Mann in seiner gegenwärtigen Funktion und nicht in seiner früheren Laufbahn tätig ist. Das ist der Unterschied.
Wir wünschen, daß ein solches Gesetz in Ihrem Interesse uns Klarheit schafft über das, was da beabsichtigt ist. Ich weiß, daß es nichts hilft, wenn man in einem solchen Ministerium etwa an die Stelle 'der Generale nun nur die entsprechenden Bürogenerale setzen würde, auch wenn sie alle Volljuristen wären. Da gibt es auch eine gewisse Betriebsblindheit. Die lebendige Beziehung zu der übrigen Gesellschaft, auch zu den übrigen Ministerien, ein wechselseitiger Austausch von Sachkennern und Sachkundigen von einem Ressort zum andern scheinen mir gerade für diese Arbeiten besonders nützlich und erwünscht zu sein. Wir wollen ferner nicht vergessen, daß letztlich der Haushalt, den wir zu beschließen haben, auch uns ein Mitspracherecht sogar bezüglich der Feingliederung einer solchen Organisation geben muß.
In dem Katalog von Vorfragen, die alle offen sind und von denen eigentlich keine offen bleiben sollte, bevor der erste Mann Uniform anzieht, haben wir uns schon ausführlich zu dem Problem des Oberbefehls geäußert und zu den Problemen: wer ernennt eigentlich die Leute, die da eine Aufgabe übertragen, und wer entscheidet unter Umständen darüber, wann in einem Notstand bestimmte Maßnahmen — und welche — zulässig sind? Wie ist es mit der Erklärung des Verteidigungszustands? Was hat es mit den Grundrechten auf sich? Das können Sie doch nicht einfach auf den Rücken des Soldaten abladen und ihn in dieses Zwielicht hineinstellen, statt das Problem der Grundrechte der Verfassung gegenüber dem Staatsbürger allgemein und dem Waffenträger im besonderen auf eine einwandfreie gesetzliche Weise zu klären! Wie sieht es mit der Ministerverantwortlichkeit aus? Auch die Frage des Verteidigungsrats ist hier heute von verschiedenen Seiten zur Debatte gestellt worden. Sollte nicht das Grundgesetz eine Bestimmung enthalten, wie lange höchstens die von Ihnen ja ins Grundgesetz hineingeschriebene Wehrpflicht dauern darf und wie stark maximal die Streitkräfte sein dürfen, um ein Überwuchern dieser Institution von vornherein auszuschalten? Welche Rechte und Befugnisse muß im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Bundestagsausschuß als Verfassungsorgan bekommen? Wie sieht es mit dem Personalausschuß — ich werde noch darüber sprechen — aus? Muß nicht die Wehrverwaltung, wenn sie wirklich im Einvernehmen mit den Ländern funktionsfähig gemacht werden soll, durch ein Gesetz entstehen, das auch der Zustimmung des Bundesrats bedarf? Das alles ist der große Katalog der offenen Fragen und zeigt Ihnen sehr deutlich, welch einen lückenhaften Torso man Ihnen mit diesem Anfang zugemutet hat.
Ich möchte mich noch etwas der Spezialfrage der parlamentarischen Kontrolle zuwenden. Sie haben das Gesetz bekommen, aber der Ergänzungshaushalt, der Ihnen Einblick darüber gibt — nicht durch unverbindliche Erklärungen, sondern durch Nachweise der Stellen und der zu verausgabenden Gelder —, was die Regierung in der nächsten Zeit mit dem Gesetz zu tun beabsichtigt, ist Ihnen nicht zu Gesicht gekommen. Denn die Vorlage des Herrn Bundesfinanzministers, die ja kein ordentlicher Haushaltsplan ist, sondern eine Ermächtigung durch zwei Ausschüsse vorsah, können Sie nicht als einen ordentlichen Nachtragshaushaltsplan in diesem Sinne ansehen.
Das ist die eine Seite: parlamentarische Kontrolle durch den Haushalt, meine Damen und Herren, nehmen Sie das sehr ernst! Ein Parlament kapituliert, das es nicht auf dem Wege der Haushaltsgesetzgebung der Regierung unmöglich macht, neue Institutionen zu schaffen, bevor das Parlament die Mittel dafür bereitgestellt hat.
Die Regierung hatte lange genug Zeit, das vorzubereiten.
Damit soll man uns doch nicht kommen. Das war doch nun wirklich vorauszusehen, von wann ab ungefähr Sie nach dem bestimmten Terminkalender anfangen wollten, nach dem Inkrafttreten der Verträge mit der Aufstellung von Streitkräften zu beginnen. Das war vorauszusehen. — Sie schütteln den Kopf! Nach den Planungen der Dienststelle und nach den früheren Erklärungen des Bundeskanzlers sollten die 12 Divisionen eigentlich schon zwei Jahre fertig sein. Da hätte es doch mindestens möglich sein sollen, die Gesetze zu diesem Zeitpunkt fertig zu machen, wenn man schon nicht die Divisionen schaffen konnte.
Nun unsere eigene Arbeit! Unser Ausschuß — das wird seine Aufgabe sein — wird sich überlegen müssen, wie er von Stund an seine Arbeiten künftig anpackt. Ohne Unterausschüsse, ohne einen Stab von der Regierung unabhängiger Sachbearbeiter und Berater kommen Sie zu keiner wirksamen Ausübung der Kontrolltätigkeit.
Der Ausschuß muß auch die Möglichkeit haben, Experten zu hören, die nicht im Verteidigungsministerium sitzen. Er muß auch — da greife ich jetzt eine Kontroverse mit dem Herrn Minister aus dem Ausschuß auf — die Möglichkeit haben, einen militärischen Sachverständigen nach seiner eigenen Meinung zu fragen, selbst wenn sein Vorgesetzter danebensitzt. Es ist dann immer noch Sache des Vorgesetzten, den Ausschuß von der Meinung der Regierung zu überzeugen. Der Ausschuß muß die Möglichkeit haben, sich ein rundes Bild von der Lage zu machen und in diesen Schicksalsfragen nicht nur die Meinung der Regierungsexperten gefiltert vorgelegt zu bekommen. Eigene Meinungsbildung für die Fassung der politischen Beschlüsse des Parlaments ist unentbehrlich für diese Arbeit.
Der Ausschuß sollte ein Verfassungsorgan sein, so daß er nicht von der Gnade der Geschäftsführung abhängig ist und Fragen auch aufgreifen kann, wenn sie ihm nicht durch eine Vorlage zugewiesen sind. Der Ausschuß sollte darüber hinaus — ich freue mich, daß diese Idee hier allgemeinen Anklang gefunden hat — diejenige Körperschaft sein, die in engstem Zusammenhang mit jenem Parlamentsbeauftragten steht, den wir schaffen müssen, der für uns und in unserem Namen Zugang zu allen militärischen Institutionen, Einrichtungen und Personen hat, etwa nach dem großartigen Beispiel Schwedens.
Aber, meine Damen und Herren, eines wollen wir dabei nicht vergessen. Die schönsten Absichten nützen uns nichts, wenn wir dabei nicht ein paar Tugenden entfalten, die da heißen: Zähigkeit, der
1 für uns alle selbstverständliche Fleiß, die unentbehrliche Neugier, die dazu gehört, daß das Parlament sich wirklich unterrichtet und es wagt, auch die Beantwortung unbequemer Fragen von der Regierung zu erzwingen.
Das Parlament kann diese Aufgabe nur lösen, wenn es sich im ganzen gegenüber der Regierung solidarisch fühlt, auch wenn die Regierungsmehrheit in diesem Hause selbstverständlich die Politik der Regierung trägt und stützt; das ist ihr gutes Recht. Aber die Kontrollfunktion können Sie nur ausüben, wenn Sie sich in dieser Kontrollfunktion nicht als Organ der Regierung, sondern als der Aufpasser gegenüber der Regierung fühlen. Sonst kann es nie funktionieren.
Da lassen Sie mich hier, dieweil viele Fragen unbeantwortet geblieben sind — die Regierung schweigt sich einfach aus — noch einmal ein Wort zu dem Problem der Nachrichtendienste sagen. Ich habe in der Haushaltsdebatte davon gesprochen. Das einzige, was wir wissen, steht in der Zeitung, und ich habe den Eindruck, daß wir wirklich schlecht beraten wären, wenn wir diese Nachrichtenfrage nach den Grundsätzen der Organisation der „Schwarzen Hand" behandelten, womit ich nicht etwa eine ganz bestimmte Hand meine — das könnte naheliegen, aber so bösartig bin ich gar nicht —; es sind ja mehrere Hände, die da beteiligt sind.
Meine Damen und Herren, wir müssen dafür sorgen, daß die sehr große Machtposition, die damit innerpolitisch entsteht, von Anfang an nach dem Willen des Gesetzgebers geordnet wird. Vor mir liegt ein interessantes Gesetz. Es heißt:
Hiermit wird unter dem nationalen Sicherheitsrat ein zentraler Nachrichtendienst mit einem Direktor an der Spitze geschaffen. Der Direktor wird vom Präsidenten ernannt mit dem Rat und der Einwilligung des Senats.
Und dann kommt hinterher sogar, wieviel Geld er bekommt, und dann kommt die gesamte Organisation, die hier in dem Gesetz steht: der Status in den bewaffneten Streitkräften, die Befugnisse dieser Behörde anderen gegenüber, Amtshilfefragen, Zusammenarbeit mit anderen Diensten ähnlicher Art, wie sieht's mit der Polizei aus, wie geschieht die Auswertung usw. usw. Das ist alles keine Geheimwissenschaft, sondern das können Sie sich hier in der Bundestagsbibliothek geben lassen. Es steht in der Sammlung der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten, und zwar im National Security Act von 1947.
Meine Damen und Herren, warum denn diese Geheimniskrämerei? Wir haben schon einmal davon gesprochen. Die Bundesregierung soll uns endlich einmal sagen, welche gesetzlichen Vorhaben sie auch in dieser Frage in ihrer Schublade hat, nachdem es die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß angeblich zum 1. Juli ein bestimmter Apparat in deutsche Dienste übernommen werden soll.
Nun zu der Frage, in der wir heute die größte Übereinstimmung gefunden haben, zum Personalausschuß. Von einem Kollegen ist hier gesagt worden — und er bezieht sich damit auf die Zweckbestimmung, die die Bunderegierung dem Freiwilligengesetz jetzt in ihrer mündlichen Erklärung gegeben hat —, daß das Freiwilligengesetz ja gewissermaßen gerade für die Auslandsverwendung gebraucht wird. Ja, meine Damen und Herren, gerade da ist doch der Personalausschuß besonders wichtig!
Wenn wir also wirklich der Meinung sind, daß —und das war heute die fast übereinstimmende Meinung des Hauses; es gab sehr wenige abweichende Meinungen — diese Frage einer gesetzlichen Regelung bedarf, dann hätten wir — diese Meinung war der Bundesregierung übrigens bekannt — erwarten können, daß vor dem Freiwilligengesetz diesem Hause ein Gesetz über den Personalausschuß vorgelegt worden wäre.
Damit wäre von vornherein ein anderes Klima entstanden und vor der deutschen Öffentlichkeit der Wille dokumentiert worden, daß die Auswahl der Männer, auf die es ankommt, von Anfang an in den richtigen, vom Parlament gewollten Bahnen verläuft.
Mir ist gelegentlich gesagt worden, die Forderung sei neu. Das ist gar nicht wahr. Lesen Sie bitte das Protokoll der heute schon öfter zitierten Bundestagssitzung vom 26. Februar 1954 nach! Da steht ja alles drin. Ich glaube also, daß es in Ihrem Interesse liegt, wenn — damit nicht Ihre Absichten in Mißkredit geraten — dieses Problem möglichst bald und möglichst gut gesetzlich geregelt wird, und zwar auf alle Fälle so, daß Sie nicht etwa die Diskussion um das Freiwilligengesetz mit dieser Frage belasten. Diese hier hat Vorrang.
Ein solches Gesetz müßte klären, wie der Personalausschuß zusammengesetzt wird. Über die einzelnen Modalitäten kann man selbstverständlich miteinander sprechen, aber eines kann ich mir schlechterdings nicht vorstellen: daß das Gesetz einen Sinn hat, wenn Sie nicht in irgendeiner Weise dafür sorgen, daß der Bundestag mindestens zum Schluß noch sein Wort zu der Zusammensetzung dieses Ausschusses sagen kann. Denn sonst, wenn Sie das allein in den Händen der Regierung lassen — Mißtrauen ist in diesen Fragen leider angebracht —, wird der Ausschuß eben nach Belieben verändert, wenn er einmal unbequeme Entscheidungen fällt oder Meinungsäußerungen von sich gibt.
Daß dieser Ausschuß als Filter zu wirken hätte, daß niemand, der diesen Ausschuß nicht positiv durchlaufen hat, in bestimmten Stellungen verwendet werden darf, ist ja heute unbestritten. Nur ein Kollege hat hier gesagt, man sollte mit einem solchen Ausschuß doch nicht die Entnazifizierung noch einmal aufwärmen. Aber, meine Damen und Herren, worauf kommt es denn hier an? Wenn das, was Sie da schaffen, überhaupt einen Sinn haben soll, dann kann es doch nicht der Sinn sein, ein Versorgungsinstitut für die Angehörigen der früheren Wehrmacht zu schaffen.
Es ist sicher eine wichtige Aufgabe, sich um diese früheren Wehrmachtsangehörigen zu kümmern; das ist aber ein völlig anderes Problem der Gesetzgebung. Wenn Sie jedoch hier Neuland schaffen
wollen, dann muß doch folgende Maxime vor diesem Ausschuß stehen: Wir haben ja niemanden zu entfernen, sondern die Demokratie hat zu entscheiden, wen sie gebrauchen kann! — Das ist eine völlig andere Frage.
Und weil das wichtig ist — nicht nur für die Leute oben; der Geist, der unten herrscht, ist mitunter für die Betroffenen viel schmerzlicher spürbar —, sollte dieser Personalausschuß auch die Richtlinien mit erarbeiten, die für die Annahme der anderen, nachgeordneten Personen gebraucht werden. Aber er muß unabhängig sein, er muß seinen eigenen Stab haben und muß Einsicht in alle Unterlagen haben.
— Ich stelle es nur noch einmal fest; in diesem Punkt sind wir uns mit Ihnen einig. Was ich vermisse, ist nur das Gesetz, Herr Kollege Kunze; denn der Herr Verteidigungsminister hat ausdrücklich gesagt: Es braucht kein Gesetz. — Es braucht ein Gesetz, weil nur das Gesetz die Sicherheit gibt, dalß dei Ausschuß nicht kurzerhand hand so, wie er durch die Regierung geschaffen worden ist, von der Regierung auch wieder in die Wüste geschickt wird.
— Meine Damen und Herren, ich habe auch schon einmal eine Koalitionserklärung gehört, die bis zum heutigen Tage, obwohl sie anderthalb Jahre alt ist, nicht in die Tat umgesetzt worden ist.
— Wir haben seinerzeit auch eine Regierungserklärung hier in diesem Hause gehört, als wir das Heimkehrergesetz beschlossen haben; und wie es um die Ausführung dieses Gesetzes steht, wissen Sie genau so gut wie ich.
— Herr Kollege Krone, warum wollen Sie uns nur auf die Regierungserklärung beschränken, wenn es nicht mehr bedarf als eines Stück guten Willens, um diese Frage gesetzlich zu regeln? Das muß doch möglich sein.
Wenn wir über dieses Gesetz sprechen und es scheitert, dann scheitert es doch im wesentlichen nur daran, weil Sie es nicht wollen. Das ergibt sich doch nun hinlänglich aus dem ganzen bisherigen Gang der Debatte. Machen wir uns doch darüber gar nichts vor.
Hier ist heute über das Verhältnis von Soldat und Politik zueinander gesprochen worden. Damit sind wir zwangsläufig bei dem großen Problem der Rechtsstellung der Soldaten. Verschiedentlich klang der Satz an, daß wir die Problematik: bewaffnete Macht auf der einen Seite und Demokratie auf der anderen durch keine noch so gute Absicht auflösen
können, daß eben auf der einen Seite Befehl und Gehorsam stehen und auf der anderen Diskussion und Abstimmung. Was gefährlich ist, meine Damen und Herren, ist die Übertragung der militärischen Lebensform von Befehl und Gehorsam auf die Politik, dort, wo sie nichts zu suchen hat. Daß das nie wieder geschieht, ist im wesentlichen eine Frage des Selbstbewußtseins dieses Parlaments. Denn wenn das Parlament sich erst einmal angewöhnt, unter Umständen über seine eigentliche innere Überzeugung hinweg den Willen der Regierung fast als eine Art Befehl aufzufassen, dann ist die Grenzlinie zum Nachgeben auf diesem Gebiet schon überschritten.
Daher möchte ich Sie alle nachdrücklich darum bitten, in diesen Fragen zu Ihrer Überzeugung zu stehen und sich Argumenten von der Regierungsbank nur dann zu beugen, wenn es nicht um eine Frage der Disziplin, sondern wirklich darum geht, daß Sie sich in der Sache haben überzeugen lassen.
Die anderen Probleme, die hier zitiert worden sind, wollen 'wir in dieser vorgerückten Stunde nicht noch einmal ausführlich erörtern. Da ist das Maß der Meinungsverschiedenheiten nicht allzu groß. Die staatsbürgerlichen Rechte, die Vertrauensleute, die politische Betätigung, das alles ist hüben und drüben verhältnismäßig gleichartig beurteilt worden. Aber es gibt doch ein paar Punkte, zu denen ich noch eine Bemerkung machen möchte.
Der Herr Kollege D r. Mende hat sich zu den ethischen Prinzipien des Uniformträgers geäußert. Die Uniform in allen Ehren; aber ich bin tatsächlich nicht der Überzeugung, daß das Bewußtsein, ethische Pflichten zu haben, in irgendeiner Weise an das Tragen dieser oder jener Uniform gebunden werden kann.
Dann ist hier vom gleichen Redner zu der Broschüre, die wir alle kennen, gesagt worden, es sei selbstverständlich das Recht der Bundesregierung, die Meinung der Mehrheit als verbindlich zu vertreten. Es ist das Recht der Bundesregierung, ihre Meinung zu sagen, und es ist das Recht der Bundesregierung, ihre Politik zu machen. Ich bestreite, daß es das Recht der Bundesregierung ist, Steuergelder für die Propaganda der Regierungsparteien zu benutzen; das ist ein großer Unterschied.
Hier gibt es eine Grenzlinie. Daher möchte ich nur bitten, für die Zukunft zu diskutieren, daß wir bei allem, was sich um den Problemkreis der staatsbürgerlichen Erziehung bewegt, genau darauf achten, wo die Staatsbürgerkunde aufhört und wo die Propaganda für die jeweils regierende Regierungskoalition anfängt. Diese Grenzlinie muß sauber eingehalten werden.
Sie haben mit dem Freiwilligengesetz auch auf dem Gebiete der Rechtsstellung der Soldaten bisher nur Versprechungen erkennen lassen. Es heißt: das kommt alles im Soldatengesetz. Die meisten Redner haben die Lückenhaftigkeit dieser Lösung besonders betont. Ich möchte noch einmal sagen, daß wir auch das nicht auf dem Rücken derer austragen dürfen, die es angeht. Die ganze Sache wird
sehr schlecht, wenn Sie das Zwielicht der Institutionen auch auf die in diesen Institutionen tätigen Menschen erstrecken. Das darf nicht passieren. Deshalb gehört an den Anfang eine saubere, klare und ordentliche Gesetzgebung und nicht dieser Kurzakt, den wir da vor uns finden, zumal darin die Tendenz liegt, in viel zu großem Ausmaße, als es manchem unter Ihnen lieb ist, einfach an Vergangenes anzuknüpfen.
Ich will hier nicht die reizvolle Diskussion aufgreifen, die sich zwischen den Kollegen Dr. Mende und Dr. Jaeger um den Namen dessen, was da entstehen soll, abgespielt hat. Ich finde, daß auch in dieser Diskussion zu einem Teil ein Stück des allgemeinen Charakters des Wiedererstehenlassens des Vergangenen, der Restauration zum Ausdruck kommt, die etwas über diesem Zeitalter und daher zwangsläufig auch über diesem Saale schwebt.
— Sehen Sie, das ist eben eine Frage des Stichtages, wieweit Sie zurückgehen wollen.
— Herr Kollege Mende, ich wollte nur eine Ergänzung bringen. Die Debatten von 1919 mögen Sie richtig zitiert haben; aber in der Weimarer Republik hieß das Ding gar nicht Wehrmacht: das kam erst später; damals hieß es Reichswehr, und niemand hatte den Gedanken, man könne sie mit der Feuerwehr verwechseln. Eine Luftwaffe hat es 1919 gar nicht gegeben, sondern die kam erst 1935.
— Aber wohlgemerkt: das alles sind tempi passati, und zum Teil sind das Fragen, die, weiß Gott, heute nicht ausdiskutiert werden müssen. Mich hat es nur etwas belustigt.
Immerhin, wenn ich einmal unter dem Stichwort Restauration das Freiwilligengesetz unter die Lupe nehme, fällt mir daran eine Tendenz auf. Wenn ich die Regierungserklärung richtig verstanden habe, ist es aber nicht so gemeint. Eine Klarstellung wäre jedoch ganz nützlich. Es scheint nach dem Gesetz nämlich so, als ob im wesentlichen daran gedacht sei, die neu Einzustellenden in den gleichen Rängen und Würden zu verwenden, die sie früher gehabt haben. Die Regierungserklärung hatte hier einen anderen Ton. Ich möchte ganz eindeutig unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes von vorhin — wenn Sie Neuland betreten wollen, können Sie nicht einfach das Alte wiedererstehen lassen — sagen, daß vergangene Ränge angesichts der völlig anderen Situation und Dimension, um die es dabei geht, für die künftige Verwendung auf keinen Fall maßgebend sein können, schon wenn Sie einmal daran denken, was in den letzten Kriegsmonaten alles an Rängen gesündigt worden ist. Es hat auch noch eine umgekehrte Seite. Wie mancher ist in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft trotz guter Kenntnisse und hervorragender Fähigkeiten daran gehindert worden, an den Platz zu gelangen, der ihm normalerweise zugefallen wäre! Das kann man ja auch nicht einfach vererben, sondern hier muß nach beiden Seiten begonnen werden.
Wir sind damit bei den Personalfragen. Das Stichwort Zusammenarbeit, das hier so oft beschworen worden ist, darf ich noch einmal ansprechen. Die Bundesregierung hat ihren Apparat in Bonn im wesentlichen ohne, ja, ich möchte fast sagen, gegen die SPD geschaffen; denn Sozialdemokrat zu sein, war bei den meisten Behörden schon eine Art negativer Steckbrief.
— Meine Damen und Herren, angesichts der Art und Weise des Aufbaues des hiesigen Apparats können Sie nicht erwarten, daß wir einen Vorschußvorrat an Vertrauen aufbringen, daß es jetzt plötzlich, da es um eine sehr wichtige, mit Macht zusammenhängende Institution geht, besser werden soll. Da wird die Bundesregierung von sich aus zu beweisen haben, daß sie entschlossen ist, auf diesem Gebiet eine andere Praxis zu beginnen; denn sonst wird zwangsläufig das, was Sie schaffen, nichts anderes als die Armee der Regierung und wird damit angesichts der Situation in unserem Volke auf jeden Fall, für welchen Zweck auch immer, völlig untauglich.
Meine Damen und Herren, das Freiwilligengesetz wird in Wahrheit gar nicht gebraucht. Darüber Mt unser Freund Ollenhauer schon gesprochen. Zur Übernahme von Material z. B. ist nach der Regierungserklärung selbst die Zuständigkeit ziviler Stellen vorgesehen. Ähnliche Stäbe wie die, die man bei der NATO braucht, hat es doch auch schon beim Interimsausschuß bei der EVG gegeben.
Daß sie also partout in den nächsten Wochen Soldaten werden und daß sie in Uniform aufkreuzen, ist gar keine zwingende Notwendigkeit. Die Aufgabe kann auch so gelöst werden. Ich finde, daß vielleicht doch ein bißchen dieser Unfug der internationalen Soldatengewerkschaft dahinter steckt, nur den als vollwertig anzuerkennen, der mit dem entsprechenden Lametta erscheint. Der Auftrag einer demokratischen Regierung, die dem Pakt angehört, muß völlig genügen.
Schließlich, meine Damen und Herren: Das Gesetz ist sogar undurchführbar. Sie haben nämlich vorgesehen — nicht Sie, die Bundesregierung hat vorgesehen; Sie sind ja an dieser Sünde weitgehend unschuldig —, also die Bundesregierung hat vorgesehen, daß die Männer, die zu Lehrgängen usw. ins Ausland gehen und für bestimmte innere Verwendungen vorgesehen sind, Beamte auf Probe werden. Dazu brauchen Sie nach unserem Haushaltsrecht Beamtenplanstellen, und diese Beamtenplanstellen können Sie nicht im Rahmen einer Vorwegbewilligung anfordern,
sondern dazu brauchen Sie einen Nachtragshaushaltsplan. Wenn Sie dieses Freiwilligengesetz wirklich durchführen wollen, wenn es nicht eine leere, hohle Demonstration bleiben soll, was vielleicht noch das beste ist, was man ihm wünschen könnte, bräuchten Sie dazu außerdem einen ordentlichen Haushaltsplan mit den entsprechenden Stellen.
Die Ansicht, die ich eben vorgetragen habe, stammt gar nicht von mir, sie ist von Herrn Bundesfinanzminister Schäffer in seinem Schreiben
vom 6. Juni 1955 an den Haushaltsausschuß niedergelegt. Der hat es nämlich besser gewußt und hat für alle die Leute, um die es sich da handelt, nur die Rechtsstellung von Angestellten in Vergütungsgruppen vorgesehen, weil er genau gewußt hat, daß er für Beamtenverwendungen dieser Leute Beamtenstellen braucht, und die hat er nicht.
Meine Damen und Herren, schon allein das zeigt, daß hier die linke Hand gar nicht weiß, was die rechte tut. Wenn die Regierung schon Gesetze einbringt, müssen sie wenigstens gekonnt sein. Das ist nicht einmal gekonnt, und dazu wird die Regierung doch schließlich bezahlt.
Unter diesen Umständen eilt das Gesetz überhaupt nicht. Es hat Zeit, bis die Bundesregierung uns den nächsten Nachtragshaushaltsplan vorgelegt hat. Eher kann sie mit der Ausführung überhaupt nicht beginnen. Aus diesem Grunde sollten wir uns Zeit nehmen und von der Regierung verlangen, daß sie uns vor dem Haushaltsgesetz die ganze wesentliche Reihe der verfassungspolitisch wichtigen
rechtlichen Ordnungen vorlegt. Dann können wir
das zusammen in Ruhe miteinander bearbeiten. Unter diesen Umständen meine ich, daß diese Vorlage nicht beratungsfähig ist. Die sozialdemokratische Fraktion wird daher die Überweisung an die Ausschüsse ablehnen. Es fehlen alle Voraussetzungen dafür, Voraussetzungen rechtlicher und sogar, wie ich Ihnen eben gezeigt habe, auch haushaltsrechtlicher Art.
Zum Schluß noch, meine sehr verehrten Damen und Herren: Damit auf alle Fälle Klarheit besteht, weil ich ja angesichts der Mehrheitsverhältnisse dieses Hauses befürchten muß, daß Sie trotz unseres Widerspruchs diese Vorlage in die Ausschüsse verweisen, möchten wir wenigstens dafür sorgen, daß dann nicht der Mantel des Geheimnisses über die Beratungen gebreitet wird. Wir erwarten wenigstens, daß das Mindestmaß an demokratischer Offenheit gewahrt wird, indem diese Gesetzesvorlage dann im Ausschuß beraten wird wie jedes normale andere Gesetz auch. Daher beantragen wir hiermit ausdrücklich, den Beschluß des Bundestages vom 11. November 1953 für den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit für die Beratungen des Gesetzentwurfs über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften aufzuheben. Ich hoffe, daß Sie mindestens für dieses Anliegen Verständnis haben werden.