Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause ein erstes Gesetz zugeleitet, das sich mit der Durchführung des Wehrbeitrags befaßt. Sie hat gestern die Gelegenheit wahrgenommen, in einer grundsätzlichen Erklärung sich zu den vielfältigen Fragen zu äußern, die in Zusammenhang mit diesem deutschen Wehrbeitrag stehen.
Die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union ist der Auffassung, daß dieses jetzt, zumindest innenpolitisch, die ernsteste und bedeutsamste Stunde seit dem Bestehen dieser I Bundesrepublik ist, da der Neuaufbau von Streitkräften in diesem Staate für sein Gefüge und für seine Zukunft schicksalhaft ist. Der Ernst dieser Stunde wird, so hoffen war, die Beratungen nicht nur dieses Freiwilligengesetzes, sondern auch der endgültigen Gesetze, die uns noch bevorstehen, begleiten.
Gerade deshalb, weil wir dieser Frage eine besondere Bedeutung beimessen, haben wir es bedauert, daß der Start dieses Kurzgesetzes nicht unter besonders guten Sternen gestanden hat. Wir haben uns anläßlich der Debatte über den Haushalt des Ministeriums für Verteidigung bereits mit dieser Angelegenheit befaßt. Es wäre wünschenswert, wenn gerade in der Frage des Verteidigungsbeitrags die Momente der Psychologie, die Imponderabilien eine Berücksichtigung fänden, auf die das deutsche Volk sicher Anspruch erheben darf nach allem, was es gerade auf diesem Gebiete mitgemacht hat. Die Empfindlichkeit, mit der weite Kreise des Volkes und gerade der jungen Generation auf alle Fragen reagieren, die mit der Aufstellung einer Bundeswehr zusammenhängen, darf wohl nach allem, was geschehen ist, als ein Zeichen einer gewissen Reife und einer aus Erfahrung gewonnenen Skepsis gelten. Wir sollten das nicht immer negativ sehen, sondern wir sollten hierin auch ein Moment sehen, das geeignet ist, den demokratischen Staat zu stützen.
Wir haben es besonders bedauert, daß es die Bundesregierung unterlassen hat, dieses Kurzgesetz nach der Kritik, die es im Bundesrat, zu Recht oder zu Unrecht, erfahren hat, in einer etwas veränderten Form vorzulegen. Es ist vielleicht eine Ehre
1 für die Juristen dieses Hohen Hauses, daß man ihnen zutraut, jene Änderungen vorzunehmen, zu denen sich die Juristen der Bundesregierung offenbar nicht in der Lage gesehen haben. Aber, meine Damen und Herren, der Respekt vor der Zweiten Kammer hätte es meines Erachtens doch erforderlich gemacht, die Frage einer Umarbeitung des Gesetzes noch im Schoße der Bundesregierung zu erörtern.
Wenn wir auch der Meinung sind, daß hier der eine oder andere mehr oder weniger bedeutsame Fehler vorgekommen ist, so können wir uns jedoch nicht der Meinung anschließen, daß dieses Gesetz grundsätzlich verfehlt sei. Gewiß, wir sind der Auffassung — und ich hatte schon einmal die Ehre, das vor diesem Hohen Hause zu vertreten —, daß der Aufbau deutscher Streitkräfte in Ruhe vor sich gehen muß, daß wir uns Zeit lassen sollen und daß eine Überstürzung sich weder militärisch noch politisch auszahlt. Aber wir sind andererseits der Meinung, daß dann, wenn man in Ruhe an die Beratungen herangehen will, man jedenfalls einmal den ersten Schritt tun muß. Wenn man gar nichts tut, wenn man die Zeit verstreichen läßt, dann baut man nicht in Ruhe auf, sondern man pflegt in Ruhe sozusagen den Müßiggang. Das aber können wir aus außenpolitischen Gründen und auch im Hinblick auf die Zeit, die die Aufstellung einer Bundeswehr benötigt, nicht verantworten. Wir sind der Meinung, daß die endgültigen Gesetze, unter denen das Soldatengesetz an erster Stelle steht, nur in Ruhe beraten werden können.
Wir freuen uns, daß die Bundesregierung in dem gleichen Zeitpunkt, in dem hier in diesem Hause I das Freiwilligengesetz als vorläufiges Gesetz beraten wird, bereits im Bundesrat das endgültige Soldatengesetz eingebracht hat. Wir werden also nicht auf eine unbestimmte Zeit vertröstet, sondern wir sehen bereits, daß die Terminierung des Freiwilligengesetzes zum 31. März 1956 wirklich der äußerste Termin ist, zu dem wir rechnen können, daß das endgültige Soldatengesetz von beiden Kammern des deutschen Parlaments verabschiedet sein wird; ja, wir hoffen, daß dies schon ein gutes Stück eher möglich sein wird. Damit ist die Vorläufigkeit des heute zur Beratung stehenden Gesetzes betont.
Dieses Gesetz dient nur der Vorbereitung des eigentlichen Aufbaus der deutschen Bundeswehr. Es ist damit noch nicht das erste Wehrgesetz. Aber es ist das erste Ausführungsgesetz zu den Pariser Verträgen, zu deren unmittelbarer Ausführung sich die Fraktion der CDU/CSU auch in dieser Stunde bekennt. Wir sind der Meinung: man kann nicht sagen, hier sei grundsätzlich überstürzt gehandelt worden, wenn etwa im österreichischen Nationalrat bereits das erste Wehrgesetz mit der Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei über die Bühne gegangen ist.
Das uns jetzt vorliegende Gesetz, das wir im Prinzip bejahen, ist in der Form durchaus nicht so, daß es unsere Zustimmung finden kann. Wir sind der Meinung, daß es im Ausschuß gründlich bearbeitet werden muß, wobei die Bedenken, die nicht nur in der Öffentlichkeit und im Bundesrat, sondern auch schon in früheren Debatten dieses Hauses zum Ausdruck kamen, ihre Berücksichtigung finden müssen. Der Charakter des Freiwilligengesetzes als eines Vorschaltgesetzes muß klar heraus-
gearbeitet werden. Die Begrenzung nach der Zeit ist von der Bundesregierung bereits vorgenommen worden. Wir haben uns gefreut, daß der Herr Verteidigungsminister am gestrigen Tage auch eine klare Begrenzung nach der Zahl und nach dem Zweck ausgesprochen hat. Wenn der Herr Verteidigungsminister die Zahl von 6000 Freiwilligen, die er gestern genannt hat, bereits in einem früheren Zeitpunkt öffentlich genannt hätte, wären sicherlich viele Besorgnisse zerstreut worden. Denn 6000, das ist nicht viel mehr als nur 1 % des gesamten Umfangs, den die deutsche Bundeswehr einmal annehmen soll. In diesem Verhältnis sind die Besorgnisse, die anfänglich aufgetaucht sind, sicherlich nicht so schwerwiegend. Man wird nicht bestreiten können — zum mindesten bestreiten es meine politischen Freunde nicht —, daß an den Ausbau des Ministeriums, an die Vertretung beim Atlantikpakt und bei der Westeuropäischen Union, an den Besuch von Akademien, an die Sichtung der Außenhilfe, an die Aufstellung bodenständiger Einrichtungen und an die Vorbereitung von Auswahllehrgängen schon jetzt herangegangen werden muß, wenn man wirklich mit Überlegung und in Ruhe diese Dinge tun will.
Wenn wir dieses Freiwilligengesetz betrachten, so fällt uns im Zusammenhang mit der Vorläufigkeit dieses Gesetzes und dem vorläufigen Status, den die Soldaten dieses Gesetzes haben werden — ein Status, verglichen mit demjenigen eines Beamten auf Probe — unter anderem auf, daß bereits die Formulierung eines Eides vorgelegt ist. Die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union wird sich die Frage, ob in der künftigen Bundeswehr ein Fahneneid sein soll oder nicht, ernsthaft überlegen. Es gibt Gründe, die für die eine, und Gründe, die für die andere Lösung sprechen. Wir sind aber der Meinung, daß diese Frage in Ruhe überlegt und entschieden werden muß. Wir sind weiter der Meinung, daß diese Frage nicht bei diesem Kurzgesetz vorentschieden werden kann und daß es sich sehr merkwürdig ausmachen würde, wenn man jetzt einen Eid verlangt, hernach im endgültigen Gesetz ihn aber nicht mehr verlangen würde oder ihn in einer anderen Form verlangen würde, so daß die Soldaten zweimal vereidigt werden müßten. Wir sind deshalb der Meinung, daß für die Dauer dieses Kurzgesetzes an die Stelle des sonst für die Beamten üblichen Eides eine schriftliche Verpflichtung mit gleicher rechtlicher Wirkung treten soll.
Wir haben weiter mit großer Freude aus der Erklärung der Bundesregierung entnommen, daß sie die Frage der Verwaltung und auch die Frage der Spitzengliederung der Bundeswehr kommenden Beratungen und einer gesetzlichen Entscheidung dieses Hohen Hauses unterstellen will. Verdächte, daß sozusagen bei Nacht und Nebel eine unmittelbare Bundeswehrverwaltung — gegen die wir im Prinzip nichts einzuwenden haben — aufgebaut werden soll, sind damit zerstreut. Das Hohe Haus wird in einem Gesetz zu entscheiden haben, wie und in welchem Rahmen diese Bundeswehrverwaltung aufgebaut werden soll, wie und in welchem Rahmen auch eine Beteiligung der Länder am Wehrersatzwesen, die sicherlich notwendig ist, möglich gemacht werden kann. Diese Fragen sind heute noch nicht zu behandeln. Aber ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, daß nicht nur die Verwaltung unten, sondern daß auch die Organisation des Verteidigungsministeriums und die Spitzengliederung der Bundeswehr
Angelegenheiten sind, die dieses Hohe Haus beschäftigen müssen.
Die Bundesregierung will sich offenbar gar nicht auf ihre verfassungsmäßige Organisationsgewalt berufen. Wir freuen uns darüber; denn wenn schon in der Präsidialdemokratie Amerika diese Fragen durch Gesetz geregelt werden, dann ist das, glaube ich, in der parlamentarischen Demokratie Deutschland politisch erst recht notwendig.
Wir möchten bei dieser Gelegenheit heute schon ankündigen, daß wir für die endgültige Wehrgesetzgebung eine Koordinierung aller Stellen, die mit den Fragen der Verteidigung zusammenhängen, für notwendig halten. Wir glauben, daß diese Koordinierung zweckmäßig in einer Institution ihren Ausdruck findet, die man vielleicht Bundesverteidigungsrat nennen darf, eine Institution, die nicht von entscheidender, aber von beratender Funktion für denjenigen sein soll, der den Oberbefehl über die deutschen Streitkräfte ausüben wird.
Als nächste Frage, die wir im Zusammenhang mit der Gesetzgebung im allgemeinen zu behandeln haben, erhebt sich die Frage der Verfassungsänderung; sie wurde auch in der Erklärung der Bundesregierung angesprochen. Mit Recht hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß die Frage eines Notstandsartikels und die Frage einer Militärgerichtsbarkeit einer Verfassungsänderung bedürfen. Wir sind mit der Bundesregierung der Meinung, daß es für die Durchführung des Kurzgesetzes wie auch des Soldatengesetzes, für die Aufstellung der Bundeswehr unmittelbar also und auch für die Regelung der Frage des Oberbefehls einer Verfassungsänderung juristisch nicht bedarf. Wir ergänzen diese Meinung aber dahin, daß wir sie politisch für zweckmäßig und notwendig halten und uns gern dafür einsetzen werden, zusammen mit allen, ich betone: mit allen Parteien dieses Hohen Hauses jene Ergänzungen des Grundgesetzes vorzunehmen, die notwendig sind, um auch nach außen sichtbar zu machen, welche Bedeutung ein Wehrbeitrag für die Zukunft haben wird.
Eine Frage, die speziell mit diesem Gesetz hier noch einmal in die Debatte geworfen wurde, obwohl sie von der Regierung in diesem Gesetz nicht aufgegriffen wurde, ist die Frage des Personalausschusses, zu der im einzelnen noch ein anderer Redner meiner Fraktion sprechen wird. Ich möchte dieser Frage ganz besondere Bedeutung beimessen. Wir sind der Auffassung, daß — nachdem zehn Jahre lang die Männer, die für Spitzenstellungen in Frage kommen, nicht mehr in einer normalen Laufbahn gestanden sind, man also nicht mit Sicherheit weiß, wie sie sich in diesen zehn Jahren bewährt haben, da außerdem auf allen, die früher einmal tätig waren, nicht aus Schuld, sondern aus Schicksal die Schatten der Vergangenheit liegen, die aufgehellt werden müssen — ein solcher Ausschuß notwendig ist, notwendig zur Prüfung all derer, die im Dienstgrad eines Obersten oder in der Dienststellung eines Regimentskommandeurs und vielleicht auch eines selbständigen Abteilungskommandeurs später und jetzt eine Verwendung finden sollen. Dieser Personalausschuß scheint uns notwendig zu sein für die Zeit des Aufbaues dieser Bundeswehr, bis wieder normale Verhältnisse und normale Beförderungsmöglichkeiten vorliegen. Nach reiflicher Prüfung neigt die Fraktion der CDU/CSU der Auffassung zu, daß es zweckmäßig ist, diesen Personalausschuß im Gesetz zu verankern. Ich möchte hierauf besonders hinweisen.
Neben diesem Gesetz, das uns vorgelegt worden ist, hat uns die Bundesregierung in grundsätzlichen Erklärungen ihre Meinung zur Frage des Verteidigungsbeitrages dargelegt. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo sich im Anschluß an diese Erklärung auch das Hohe Haus nicht mit den Einzelheiten, aber mit den grundlegenden Gedanken zu befassen hat, die für die kommende deutsche Bundeswehr maßgebend sein müssen. Unbestritten dessen, was an außenpolitischen Meinungsverschiedenheiten bei früheren Debatten in diesem Hause zutage getreten ist und was auch heute noch nicht aufgehoben ist, besteht, glaube ich, doch in allen Teilen dieses Hohen Hauses die Meinung, daß nichts anderes uns veranlassen kann, noch einmal Waffen in die Hand zu nehmen, als die bittere Notwendigkeit des Selbstschutzes unseres Volkes.
Weil es diese bittere Notwendigkeit in der internationalen Lage, in der wir uns befinden, gibt, weil nur nüchterne, ruhige Überlegung uns zu diesem Schritt gezwungen hat, wenden wir uns gegen jegliche ideologische Verbrämung oder Mythologisierung der neuen Streitkräfte, die wir aufbauen wollen. Wir wollen gar nichts als die kühle Überzeugung von der Notwendigkeit der Notwehr in unserem Volke wecken und bestärken.
Wir müssen dies um so mehr tun, als der Aufbau dieser Streitkräfte in einem geteilten Deutschland erfolgt und damit zweifellos nicht frei von Tragik ist. Denn wir müssen nunmehr im westlichen Deutschland das nachholen, was in der Ostzone unter sowjetischem Diktat längst geschehen ist. Dieses Gefühl der Spaltung Deutschlands, die es leider in diesem Augenblick nicht ermöglicht, eine einheitliche deutsche Armee für das ganze Deutschland aufzustellen, darf uns nicht verlassen und soll uns eine Verpflichtung sein, in aller unserer politischen Arbeit auf den Tag hinzuwirken, der die Wiedervereinigung unseres Volkes in Frieden und Freiheit bringen wird.
Wir empfinden es auch als bitter, daß in dieser Stunde, da wir darangehen, deutsche Soldaten unter die Fahnen zu berufen, es immer noch eine ungenannte Zahl von Kriegsgefangenen gibt, die im Osten hinter Stacheldraht gehalten werden. Unsere heiße Hoffnung richtet sich darauf, daß es gerade in diesem Augenblick, wo ein gewisser Hoffnungsschimmer auftaucht, möglich sein wird, sie bald wieder in unserer Mitte zu begrüßen.
Denn die Voraussetzung normaler oder gar freundschaftlicher Beziehungen zwischen unserem Volk und einem anderen ist die Heimkehr unserer Kriegsgefangenen.
Ebenso aber wenden wir unseren Blick mit Sorge auch nach dem Westen. Die Zahl der Kriegsverurteilten ist im Vergleich zum Osten gering. Aber es geht hier doch um das nach unserer Überzeugung nicht in allen Fällen überzeugend gesprochene Recht, und wir glauben, daß zehn Jahre nach Friedensschluß diese Frage mit einer großzügigen Geste beendet werden sollte.
Wir stehen in einer Auseinandersetzung, die zweifellos nicht nur eine wirtschaftliche und eine militärische, sondern die zuerst und zuletzt eine geistige ist. Es ist eine festgefügte Ideologie, die uns aus einer gewissen Himmelsrichtung entgegentritt und die auch in unserem Volke und noch mehr in den übrigen Staaten des westlichen Europa auf Propaganda ausgeht und die Menschen zu gewinnen sucht. Meine Damen und Herren, nichts wäre falscher, als nun unsererseits zu meinen, wir müßten hier eine Ideologie künstlich schaffen und dagegenstellen. Unsere junge Generation ist nach allem, was sie erlebt hat, feindlich und skeptisch gegen Ideologien eingestellt und gegen jedes Pathos. Wir wollen an die Stelle des Pathos einer nationalistischen Ara etwas anderes setzen: das Ethos der Freiheit und die Pflicht zu ihrem Schutz. Und wir wollen in dieser Stunde neu beginnen.
Natürlich drängt sich in einem Volk, das eine gewisse soldatische Tradition hat, die Frage auf
— und sie wird ja von den verschiedensten Verbänden aufgeworfen —, wie wir zu den Traditionen stehen, die in unserem Volke auf militärischem Gebiete vorhanden sind. Es ist klar, daß in diesem Lande, zu dessen jüngster Geschichte der preußische Staat Wesentliches im Guten und im Bösen beigetragen hat, diese Frage von mancher Seite besonders angeschnitten wird. Ich glaube, sie kann nicht im Stile irgendwelcher Versammlungen der einen oder der anderen Seite gelöst werden.
Es läßt sich nicht leugnen, daß von markanten Persönlichkeiten der preußischen Geschichte, etwa zur Zeit der Befreiungskriege, aber auch früher und später, echte sittliche Werte verwirklicht worden sind. Aber ebenso läßt es sich auch nicht leugnen, daß der Weg, den Deutschland unter preußischer Führung. genommen hat, in Blut und Tränen und in einer Katastrophe geendet hat.
Diese beiden Tatsachen, meine Damen und Herren, müssen wir sehen; denn ich glaube, daß es sich hier doch darum handelt,
daß eine echte Tragik über unserer deutschen Geschichte schattet
und daß diese echte Tragik etwas ist, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben.
— Sollten Sie, meine Damen und Herren, eine andere Meinung haben, so steht es Ihnen zu, sie hier auszuführen und zu begründen, und ich werde sie in größerer Ruhe anhören, als Sie die meine angehört haben.
— Meine Damen und Herren, das Unglück der Geschichte des Jahres 1918 können Sie leider auch nicht bestreiten, und ich glaube, wenn wir in einer Objektivität, die uns in diesem Zeitalter sehr schwer fällt, weil wir noch zu nahe daran sind, über diese Dinge sprechen, dann sollten wir uns doch darüber einigen, daß es eine echte Tragik ist,
die über der jüngeren deutschen Geschichte — und ich meine nicht erst die seit 1933 — liegt, und daß wir versuchen müssen, mit dieser Tragik und mit der Spaltung des deutschen Geschichtsbewußtseins fertig zu werden. Denn es läßt sich nicht leugnen, daß bis in unsere Tage etwa die geistige Wende des Jahres 1848 immer noch ihre Bedeutung hat und daß wir mit diesen Problemen nicht dadurch fertig geworden sind, daß man die Diskussion darüber in einer Diktatur verboten hat.
Dieses gespaltene Geschichtsbewußtsein der Deutschen ist, glaube ich, nach diesem Kriege noch dadurch verstärkt worden, daß Hunderttausende von Heimatvertriebenen Heimat bei uns gefunden haben, die niemals im Deutschen Reiche von 1871 gelebt haben, die aber ebenso ehrwürdige und achtungswerte und lebenswerte Traditionen mitbringen, wie es die einheimische Bevölkerung, wie es insbesondere die Bevölkerung in jenen Teilen Deutschlands tut, die früher zum Königreich Preußen gehört haben.
Wir müssen uns dazu entschließen, jede echte Tradition, die auf deutschem Volksboden gewachsen ist, ob es die in Preußen, ob es die in meiner bayerischen Heimat, ob es die in anderen Teilen Deutschlands war, ernst zu nehmen und die Spaltung, die vielfache Zerklüftung, die in unserem Volke besteht, als ein tragisches Erbe anzusehen. Durch die gemeinsame Bewältigung der Gegenwart wollen wir die Spaltungen der Vergangenheit überwinden helfen, damit unsere Jugend in dieser und der nächsten Generation zu einem einheitlicheren Staats- und Geschichtsbewußtsein kommt, als wir es selber bis in unsere Tage noch haben.
— Meine Damen und Herren, wenn es uns nicht gelingen würde, so wäre es tief traurig. Den Versuch, glaube ich, sollten wir jetzt machen. Die Tat sache, daß wir an einem Neubeginn unserer politischen und auch unserer militärischen Geschichte stehen, hat doch diese Chance in sich, wenn sie beherzt von allen Teilen ergriffen wird. Wollen wir hoffen, daß uns auch die Lösung dieser Frage gerade dadurch gelingt, daß ja Streitkräfte ein integrierendes Moment für einen Staat sind.
— Meine Damen und Herren, es ist nicht immer ganz leicht, sich bei so vielen Privatunterhaltungen durchzusetzen.
Wenn wir von den positiven geistigen Grundlagen sprechen, die für eine künftige deutsche Bundeswehr maßgebend sind, so müssen wir uns der Tatsache erinnern, daß unser Volk wie das ganze westliche Europa — sehe ich von den Radikalismen links und rechts ab, die den demokratischen Staat verneinen — von drei Strömungen getragen wird. Es sind die christlichen, die liberalen und die sozialistischen Demokraten, die das neue Deutschland und die das westliche Europa gemeinsam tragen und gestalten, und was diesen drei geistigen Strömungen unserer Tage gemeinsam ist, muß die Grundlage künftiger deutscher Streitkräfte werden. Skeptiker, die heftigen Debatten dieses Hohen Hauses beiwohnen, sind mitunter der Meinung, das sei nicht viel. Ich möchte meinen, das, was uns eint, ist hoffentlich immer noch mehr als das, was uns trennt. Zumindest ist es mehr als das,
) was uns die Propagandisten der Tyrannei geistig entgegensetzen können, und es ist ausreichend, um uns in dieser Bundesrepublik zu einigen gegen die Gefahren aus dem Osten.
Das erste, was uns allen in diesem Hohen Hause gemeinsam ist, ist das Bekenntnis zur Freiheit als der Grundlage des privaten und öffentlichen Lebens.
Diese Freiheit ist uns kein leerer Wahn. Gewiß, sie ist leider in. den Jahren vor 1933 als Begriff weitgehend entleert worden. Wäre sie das nicht, dann wäre das Jahr 1933 gar nicht möglich gewesen. Aber in der Bitternis der Jahre, die nachher über uns gekommen sind, vor der Tatsache, daß der Stacheldraht in den letzten zwei Jahrzehnten zum Symbol unseres Zeitalters geworden ist, hat die Freiheit wieder einen echten Wert und einen echten Klang bekommen. Vielleicht hängt man ihr nicht mehr so romantisch an, wie das vor hundert Jahren noch der Fall war. Aber die ernste Verpflichtung, sie zu verteidigen, die in dem Begriff der Freiheit für jeden Bürger liegt, kommt uns heute mehr als früher zum Bewußtsein, wu wir flach dem Wesen der Freiheit nicht einen Professor der Philosophie fragen wollen, sondern einen Heimkehrer, der 10 Jahre in Sibirien verbracht hat. Das ist die Freiheit, die wir meinen, die wir lieben, diese Freiheit, die großen Teilen unseres Volkes lange genommen war und heute noch genommen ist und die zu schützen wir berufen sind.
Das zweite, was wir alle in gemeinsamer Liebe umfassen, ist unsere Heimat. Wir Einheimischen, denen diese Heimat geblieben ist, die Vertriebenen noch mehr, 'die ihre geliebte Heimat verloren haben, wir alle haben doch besonders schätzen gelernt, was uns diese deutsche Heimat bedeutet.
Wir wollen uns nicht in Pathos verlieren.
Wir wollen hier nicht in Worten, die man nationalistisch deuten mag, sprechen. Wir wollen diesen Wert der Heimat herausstellen als eine Grundlage, die auch den letzten Mann und die letzte Frau in unserem Volke mit ihrem Gefühl umgreift und die auch die Grundlage dessen ist, was wir zu verteidigen haben.
Es ist in diesem Zusammenhang einmal die Frage aufgeworfen worden, ob denn dieses Leben in unserer Bundesrepublik überhaupt wert sei, verteidigt zu werden, ob diese Freiheit, ob diese Heimat ein lebenswertes Leben ermögliche. Nun, meine Damen und Herren, nachdem es der Politik der Bundesregierung gelungen ist, die wirtschaftlichen Fragen zwar nicht zu lösen, die wirtschaftliche Lage aber doch wesentlich zu verbessern, ist vielleicht diese Frage in ihrer brennenden Aktualität zurückgetreten. Prinzipiell bleibt sie. sicherlich auch heute. Wir haben die beruhigenden Erklärungen der verantwortlichen Minister zu einem früheren Zeitpunkt gehört, daß der Wohlstand unseres Volkes nicht angetastet werden soll durch die Maßnahmen, die notwendig sind, um neue Streitkräfte aufzubauen. Aber sosehr wir diese Erklärung begrüßen, so möchten meine politischen Freunde doch unterstreichen, daß für sie zwar der
Lebensstandard eine wichtige politische Größe darstellt, aber keineswegs zum Götzen unseres Jahrhunderts werden darf. Wohlstand ist gut und notwendig, die Freiheit aber steht uns noch höher; und beides zusammen ist das, was wir erstreben. Aber ich glaube, gerade die Politik des Herrn Professors Erhard hat uns deutlich genug bewiesen, daß die Chance der Freiheit auch eine Chance des Wohlstandes ist. Wenn wir also die Freiheit verteidigen, verteidigen wir damit auch den Wohlstand unseres Volkes. Aber wir möchten es noch einmal unterstreichen, daß die Werte, zu deren Verteidigung wir aufrufen, im letzten geistige und sittliche Werte sind. Wir haben mit Freuden festgestellt, daß es gerade die Heimatvertriebenen waren, also zweifellos die Ärmsten in unserem Volke, die, obwohl sie am wenigsten Besitz haben, die Notwendigkeit einer Verteidigung vielleicht von allen Gruppen unseres Volkes als erste erkannt haben.
Wenn ich von den beiden Zielen der Verteidigung der Freiheit und der Heimat gesprochen habe, dann möchte ich trotz allem, was geschehen ist, noch das dritte Ziel nennen, von dem ich glaube, daß wir es in den Mittelpunkt unserer Gedanken stellen müssen: das Wort Europa. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, der die Mehrheit dieses Hauses zu dienen suchte, in der wir die Verwirklichung und Vorwegnahme einer größeren politischen Einheit sahen, ist nicht Wirklichkeit geworden. Der Weg, den wir gehen mußten, ist der Weg zur Schaffung — rechtlich gesprochen — einer neuen deutschen Nationalarmee. Ich möchte auch in dieser Stunde betonen, daß meine politischen Freunde lieber deutsche Kontingente in einer europäischen Armee gesehen hätten.
Ich möchte betonen, daß diese deutsche Nationalarmee nicht aus dem Willen dieses Hauses, sondern aus einer Entscheidung der Französischen Kammer erwachsen ist.
Wir hoffen deshalb, daß diese neue deutsche Bundeswehr nicht Anlaß zu Mißtrauen gibt in jenem Land, das an seiner Schaffung mehr beteiligt war als unser eigenes Volk.
Wenn wir nun aber auch in der Form einer eigenen deutschen Armee den Aufbau von Streitkräften vornehmen, so heißt das doch nicht, daß wir uns geistig von dem Ziel trennen, ein vereintes Europa zu schaffen. Auch in einer deutschen Armee soll, wie in den anderen Armeen dieses Kontinents, einem künftigen Europa und seiner gemeinsam zu verteidigenden Freiheit Dienst geleistet werden. Wenn wir das Bekenntnis zu diesem Europa heute auch noch nicht auf die Fahnen unserer Bundeswehr schreiben können, so soll es doch in den Herzen unserer jungen deutschen Soldaten leben.
Gehen wir nun an den Aufbau einer deutschen Bundeswehr heran, so erhebt sich die doppelte Frage: wird diese deutsche Armee nicht wieder eine Gefahr für die Freiheit, für die demokratische Ordnung unseres Landes? Aber es wird uns nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland die Frage entgegenhalten: Werdet ihr, so wie ihr Deutschen nun einmal seid, alles sehr gründlich zu machen, am Ende die Armee nicht so demokratisieren, daß sie nicht mehr so schlagkräftig ist, wie sie es einstens gewesen ist?
— Meine Damen und Herren, auch diese Frage ist mir z. B. in Amerika verschiedentlich vorgehalten worden; die Kollegen Ihrer Partei, die mit mir drüben waren, werden Ihnen das bestätigen.
Wir stehen hier vor einer besonderen Situation. Deutschland hatte seit alten Zeiten eine gute Armee. Wir haben heute im Anfang und in der Entwicklung zweifellos eine gute Demokratie. Aber wir haben in Deutschland noch nie zu gleicher Zeit eine gute Armee und eine gute Demokratie und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden gehabt, wie es andere demokratische Nationen kennen. Meine Damen und Herren, hier scheint mir die eigentliche Aufgabe zu liegen: eine Bundeswehr aufzubauen, die an Schlagkraft früheren deutschen Armeen nicht nachsteht, die sich aber nicht nur in den demokratischen Staat einfügt, die sich nicht absondert, keinen Staat im Staate darstellt, sondern die diesen demokratischen Staat auch aus innerer Gesinnung heraus mit trägt und hält. Das ist die Aufgabe, die vor uns steht.
Das deutsche Volk verfügt sicherlich über eine Reihe soldatischer Begabungen. Ich glaube, wir sollten es in dieser Stunde einmal aussprechen, daß diese soldatische Begabung unseres Volkes ein positiver Wert ist.
Wenn es bei uns im politischen Leben sehr häufig an der Gabe des Maßes gefehlt hat, die diese soldatische Begabung auf den richtigen Ort gestellt und auf diesen Ort beschränkt hat, so ist das eine traurige Erscheinung, die wir auch auf anderen Gebieten erlebt haben und der wir nach allen Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit mit Ruhe entgegentreten wollen. Wir sollen dabei nicht zu sehr Angst haben vor der Gefahr, daß ein neuer Militarismus im Entstehen sei. Wir wollen uns einmal nüchtern fragen: was steckt denn eigentlich hinter diesem Schlagwort vom Militarismus?
Soldatentum und Militarismus sind prinzipiell zwei ganz verschiedene Dinge. Ich glaube, daß im Militarismus im wesentlichen zwei Dinge stehen: eine Entartung innerhalb des militärischen Gefüges und eine Entartung im Verhältnis des Militärs zum Staate. Hier liegt sogar die eigentliche Gefahr. Das Spezifische und eigentlich Gefährliche des Militarismus liegt nicht im militärischen Bereich selber, sondern in der Übertragung militärischen Denkens auf den politischen Bereich. Durch das absolute Königtum, durch das ihm dienende Beamtentum ist diese Gefahr militärischen Denkens, also einer Ordnung des politischen Lebens nach militärischen Grundsätzen, aktuell geworden. In der jüngsten Vergangenheit wurde es dies noch mehr als früher.
Wir müssen uns darüber klarwerden, daß es zwei verschiedene Strukturprinzipien gibt, nach denen der demokratische Staat und nach denen die Armee aufgebaut wird. Wir müssen diese beiden Bereiche trennen; denn wenn wir den Bereich des Politischen und Militärischen nicht auseinanderhalten, wenn wir ihre verschiedenen Strukturprinzipien nicht anerkennen, wird entweder der Bürger militarisiert oder der Soldat bis zur Dienstunfähigkeit verbürgerlicht. Beides wollen wir nicht.
Die Demokratie baut sich von unten nach oben auf. Ihr Element ist die Wahl. Das Militär baut sich von oben nach unten auf. Es beruht auf Befehl und Gehorsam und wird in aller Zukunft darauf beruhen müssen. Denn kein Kompanieführer kann seine Mannschaft vor einem Angriff darüber ab-
stimmen lassen, ob er die Höhe 506 von Osten oder von Westen nehmen soll. Hier liegen verschiedene Strukturprinzipien vor, die wir in ihrer Reinheit anerkennen müssen. Deshalb halte ich auch das Wort von der demokratischen Armee für kein glückliches Wort. Es gibt keine demokratische Armee, aber es gibt eine Armee im demokratischen Staat, und es gibt eine Armee, gebildet aus Offizieren und Soldaten, die überzeugte Träger dieses demokratischen Staates sind. In dem Verhältnis aber des militärischen und des politischen Bereichs gilt die Beschränkung des Militärs auf das Militärische, da gilt der Primat der Politik und der Vorrang der zivilen Führung, der zivilen Führung durch eine zivile Leitung der Bundeswehr und durch eine stark ausgebaute parlamentarische Kontrolle.
Diese Frage und damit auch die Frage des Oberbefehls und des Notstands sind Fragen, die von großer Wichtigkeit sind, die wir aber im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht lösen können und nicht lösen wollen. Für den Aufbau genügt es, daß die 6000 neuen Soldaten dem Verteidigungsminister unterstehen. Für die endgültige Lösung der Frage des Oberbefehls vertritt die Fraktion der CDU/CSU die Meinung, daß die Stellung des Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt nicht verkürzt werden sollte, daß er keineswegs in die Rolle eines „Charaktermajors" gedrängt werden sollte, daß andererseits klar zum Ausdruck kommen muß, daß nach dem Grundgesetz der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt.
Aber es ist nicht nur mit einer politischen Abgrenzung und mit einer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Sicherung des Vorrangs des Politischen vor dem Militärischen getan. Es geht auch um die Einordnung des Soldatenstandes in das soziale Gefüge unseres Volkes. Es hat eine Zeit gegeben, in der der Soldatenberuf der erste Stand war und in der man seine Bedeutung sicherlich überschätzt hat, in der die Uniform das wichtigste Gesellschaftskleidungsstück des Mannes war. Wir wollen eine solche Zeit nicht wieder zurückhaben. Auf diese Übertreibung der Bedeutung der Uniform und Überspitzung der Wertung des Soldaten haben wir nun eine Zeit erlebt, in der das Gegenteil eingetreten ist, in der man weitgehend den Soldaten unterbewertet hat. Wir haben diese Entwicklung bedauert. Wir wenden uns mit Entschiedenheit gegen jede Diffamierung des deutschen Soldaten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Wir wünschen allerdings auch nicht seine Glorifizierung, sondern wir sind der Meinung, daß der Beruf des Soldaten ein Stand des Volkes ist, dessen Ehre, Ansehen und Geltung so groß sein sollen wie die eines jeden anderen Standes, nicht mehr und nicht weniger.
Wir wünschen nicht, daß das öffentliche Leben erneut uniformiert wird. Wir haben mit Schrecken einmal festgestellt, was wirklicher Militarismus in diesem Volke bedeutet hat, als nämlich militärische Ordnungen in einen Bereich übertragen wurden, wo sie gar nicht hingehären. Der BDM im Gleichschritt, das war doch der Triumph des Militarismus und die Pervertierung eines echten Soldatentums. Wir wollen, daß die Uniform, die der deutsche Soldat trägt, die er trägt nicht nur als Arbeitskleid des Soldaten, sondern die er auch trägt als Symbol des Schutzes der Nation, diese Uniform, die ein echtes
und achtenswertes Symbol ist, nicht wieder zum Idol wird, dem die Nation nachläuft und das es anbetet. Wir wollen auch die Uniform in unserem Volke auf den Platz stellen, auf den sie gehört. Wir glauben, daß es sehr schön war, wenn in der deutschen Reichswehr im Jahre 1925 sich der Offizier vom Mann nur durch das kleine Kennzeichen des Gürtels unterschieden hat. Wir wollen nicht die Wiederkehr eines Christbaumschmuckes, wie ihn etwa ein Luftwaffenoffizier des Jahres 1939 zu tragen hatte.
Diese Uniform, über die man manches sagen kann, hebt auch soziale Gegensätze auf und ist zweifellos auch ein kleines Mittel zum Werden eines echten demokratischen Lebens, wenn wir sie in diesem Sinne betrachten.
Es geht in diesem ganzen Bereiche darum, daß wir die sittlichen Werte des Soldatentums, zu denen wir uns grundsätzlich bekennen, mit den sittlichen Werten des demokratischen Staates verschmelzen. Wenn uns das gelingt, dann, glaube ich, ist die Integration dieser unserer Demokratie für die Zukunft sichergestellt. Wir stehen hier vor der schwierigsten Aufgabe, einer Aufgabe, von der wir alle gewünscht hatten, daß sie erst in einer ferneren Zukunft gestellt werden würde. Aber da sie uns nun einmal vom Schicksal gestellt worden ist, dürfen wir uns ihr nicht entziehen, und ich hoffe, daß wir sie gemeinsam zu lösen und zu bewältigen vermögen. Wir werden uns dabei daran erinnern, daß der Soldat ein Bürger ist und ein Bürger bleibt, daß aber die Armee nicht mit der Nation gleichzusetzen ist, sondern nur einen Teil dieser Nation darstellt. Wir wollen uns auch daran erinnern, daß Disziplin nichts mit iDiktatur und Disziplinlosigkeit nichts mit Demokratie zu tun hat, daß gerade der demokratische Staat, der ein Staat der Freiheit ist, von der inneren Disziplin seiner Bürger statt vom äußeren Zwange lebt.
Wenn ich die Lage unserer jungen Generation in diesem Augenblick bedenke, so weiß ich, daß diese junge Generation mit vielen inneren Vorbehalten an die Frage eines Wehrdienstes herantritt. Meine Damen und Herren, daß es keine blinde Begeisterung und gar keinen Fanatismus mehr gilbt, daß man nicht mehr mit Sturmgebraus und Wogenprall für Preußens oder Deutschlands Gloria auszuziehen gewillt ist, das ist kein Fehler, das ist ein Fortschritt. Es ist ein Fortschritt im Leben unseres Volkes, daß es seinen eigentlichen Sinn in der freiheitlichen Ordnung seines demokratischen Staates sieht und daß es nur .aus innerem Pflichtbewußtsein und aus der Not der Stunde bereit ist, jene Opfer zu bringen, die eine Wehrpflicht nun einmal verlangt. Der freiheitliche Geist, der in anderen demokratischen Staaten schon immer zu Hause war — ich denke etwa an die benachbarte Schweiz, wo der einzelne sein Gewehr im Schranke stehen hat als Symbol der Bereitschaft, die Freiheit, die er mit dem Stimmzettel schafft, auch mit dem Gewehr zu verteidigen —, soll auch in unserem Volke einziehen. Wehrpflicht auf der Grundlage der unbedingten Notwendigkeit zur Verteidigung und zum Schutz der Freiheit, das ist das, was wir wünschen. Auf einem Kriegerdenkmal in Amerika fand ich die Worte: „While we put on the soldier, we did not lay aside the citizen — Als wir den Soldaten anzogen, haben wir den Bürger nicht ausgezogen." Ich glaube, das ist ein Grundsatz, der auch in unserem Staate gelten sollte. Das heißt nicht den Soldaten verbürgerlichen, aber das heißt den Staatsbürger im Soldaten am Leben erhalten und neu erwecken.
Wenn wir in der konkreten Gegenwart die Eingliederung von Streitkräften in unseren Staat sehen, dann möchten wir klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß es für diese unsere Bundeswehr keine Sonderstellung in diesem Staate gibt, daß das Bekentnis zu diesem demokratischen Staat eine Selbstverständlichkeit sein muß. Auch die Bundeswehr steht unter der schwarz-rot-goldenen Fahne, die einzig und allein die Gegenwart unserer Bundesrepublik und die Zukunft eines in Freiheit geeinten Deutschlands verkörpert.
Wir wollen in keiner Weise irgendeine Gösch oder irgendeinen Vorbehalt. Es gibt nur eine Nationalfahne. Zu der stehen wir, und wer diese bekämpft, erweist diesem Staat den allerschlechtesten Dienst.
Für den inneren Aufbau dieser deutschen Bundeswehr hat sich die Bundesregierung zum landsmannschaftlichen Prinzip bekannt. Wir unterstreichen diese Erklärung der Bundesregierung und brauchen ihr nicht viel hinzuzufügen. Sie wird es im besonderen ermöglichen, die Vielgestalt echter Traditionen in unserer Bundeswehr lebendig werden zu lassen und einen 'besonderen inneren Zusammenhalt zu bilden. Für eine Armee, die auf Verteidigung beruht, scheint uns dieses Gefüge das zweckmäßigste zu sein.
Damit sind wir bei der inneren Ordnung dieser unserer neuen Bundeswehr. Wir haben von den Reformen gehört, die im Amte Blank erwogen wurden, und ich kann als ein Mann, der den ganzen Krieg über Soldat gewesen ist, nur sagen: ich stehe diesen Reformen mit der größten Sympathie gegenüber, zugleich aber auch mit ebenso großer Skepsis. Denn wir wissen, die Wirklichkeit einer militärischen Ordnung läßt sich nicht immer und überall nach Idealen ordnen. Ein alter Offizier hat vor einigen Wochen zu mir gesagt: Ja, wir haben früher alles falsch gemacht; ihr werdet jetzt richtig machen. Ich habe ihm geantwortet: Weder habt ihr früher alles falsch gemacht, noch wird es uns beim besten Willen gelingen, in Zukunft alles richtig zu machen. Man muß die Dinge doch mit Maß und Ziel sehen. Man muß wissen, daß man bei einer Organisation von einer halben Million Menschen nicht alles bis zur letzten Einzelheit vorplanen kann und den Geist des letzten Unteroffiziers und Feldwebels bestimmen kann. Aber es kommt darauf an, daß wir die Geleise so richtig stellen, daß der Zug im ganzen richtig fährt, daß wir die Gefahrenpunkte aufzeigen, daß dann, wenn irgendwo ein Mißgriff erfolgt — und Mißgriffe werden sich nie vermeiden lassen —, er sofort ausgemerzt werden kann.
Wir alle, die wir Soldaten waren, haben den Stumpfsinn der Organisation und die Allmacht des Ausbilders erlebt, die wir alle nicht völlig beseitigen können. Man könnte •darüber viel reden. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt noch Gelegenheit hierzu sein. Wir wären aber schlechte Volksvertreter, wenn wir die Sorge der jungen Generation und auch die Sorge der Eltern vor solchen Gefahren verschwiegen und wenn wir ihnen nicht unsere Aufmerksamkeit zuwendeten.
Ich möchte dabei einmal ganz deutlich betonen: es ist ein merkwürdiges Vorurteil in weiten Kreisen, daß Militarismus, in diesem Fall als eine Entartung der inneren Ordnung des soldatischen Lebens ge-
sehen, ein Vorrecht der Generale, Obristen und anderen hohen Offiziere sei. Nach aller Erfahrung sieht der normale Soldat im Friedenseinen Oberst und seinen General nur, wenn es mal ganz schiefgeht. Normalerweise ist es so, daß die Armee dem Soldaten in der Gestalt seines Ausbilders, seines Unteroffiziers, seines Feldwebels, seines jungen Leutnants und allenfalls noch seines Hauptmanns begegnet. Deshalb, glaube ich, sollten wir einmal davon absehen, unser Offizierkorps mit dem Vorwurf des Militarismus zu belasten, zumal da wir uns doch daran erinnern können, daß der größte Militarist der Geschichte nicht ein General, sondern ein Gefreiter war.
Das mag uns zeigen, daß die Gefahr einer geistigen Entartung in allen Schichten des militärischen Dienstes und, wie ich ausdrücklich betonen möchte, sogar außerhalb des militärischen Raumes möglich ist; denn ich habe auch Militaristen gekannt, die nie Soldaten gewesen sind.