Rede von
Fritz
Berendsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige kurze Ausführungen zu dem vorliegenden Gesetz, und zwar lediglich zu der Frage, ob die Zwecke, die die Regierung mit diesem Gesetz verfolgt, durch dieses kurze Gesetz erreicht werden können und welche Wirkung es voraussichtlich auf diejenigen hat, die es ansprechen will. Ich darf ferner gleich zu Beginn meiner Ausführungen darauf hinweisen, daß ein Preuße zu Ihnen spricht, jemand, der auf die Traditon und Geschichte seines Landes sehr stolz ist, der andererseits aber glaubt, bei Beginn der Wiederaufstellung einer neuen deutschen Wehrmacht 'den Blick nicht auf das richten zu sollen, was hinter uns liegt, sondern auf das, was vor uns liegt, auf Europa, auch unter Überspringung der Mainlinie, wenn nötig.
Ich darf nun das Freiwilligengesetz ein wenig genauer unter die Lupe nehmen und untersuchen, ob es geeignet ist, diejenigen Zwecke zu erreichen, die wir damit vorhaben, oder nicht. Der erste Gedanke ist: das Gesetz ist ein provisorisches Gesetz. Schon eine zeitliche Begrenzung auf den 31. März 1956 macht dies sehr deutlich. Die im Hause vorgeschlagene Begrenzung des Gesetzes auf den 31. Dezember dieses Jahres möchte ich ablehnen. Dieses Gesetz soll doch so bald Wie möglich durch das uns allen schon bekannte, sehr umfangreiche Soldatengesetz abgelöst werden. Wir würden uns selber als Parlament meiner Ansicht nach in Zeitnot und Zeitdruck bringen, wenn wir hier vor dem Zwinge ständen, sehr schnell zu arbeiten. Ich möchte also darum bitten, daß wir hier dem Vorschlag der Regierung folgen und das Gesetz bis zum 31. März 1956 limitieren.
Ein weiteres Merkmal des Provisoriums ist der verhältnismäßig eng gezogene Geltungsbereich des Freiwilligengesetzes. Es bezieht sich, worauf im einzelnen noch zu kommen sein wird, lediglich auf einige tausend Freiwillige. Es dient deshalb nur der Vorbereitung zum Aufbau der neuen Wehrmacht. Ferner haben wir, das Hohe Haus, es doch völlig in der Hand, durch haushaltsmäßige Beschränkung der Mittel für die Durchführung dieses Gesetzes darauf hinzuwirken, daß der gedachte Rahmen nicht überschritten wird. Ich glaube also, daß es von Ihnen allen gebilligt wird, wenn ich die Behauptung wage, daß mit diesem Freiwilligengesetz nur die rechtliche Möglichkeit geschaffen wird, den Aufbau der Wehrmacht in Angriff zu nehmen, ohne dabei die endgültigen Konzeptionen auch nur in einer Hinsicht vorwegzunehmen oder diese in nicht mehr abänderbarer Form zu beieinflussen. Sein Hauptzweck ist meiner Ansicht nach, unseren Vertragspartnern zu beweisen, daß die Bundesrepublik gewillt ist, ihrer aus den Verträgen entstandenen Verpflichtung rasch und möglichst ohne Verzug nachzukommen. Trotz der vielfach bemängelten Kürze ist, glaube ich, sein Rahmen weit genug gezogen. Es enthält alle unbedingt notwendigen Voraussetzungen, um den ersten Anforderungen zu entsprechen.
Eine dieser Anforderungen ist, daß nach Verabschiedung dieses Gesetzes der Bundesrepublik die Möglichkeit gegeben wird, mit der Einstellung freiwilliger Soldaten zu beginnen. Der Ton liegt meiner Meinung nach hierbei auf dem Wort „Soldaten" und auf dem Wort „beginnen". Mit diesem Gesetz soll und muß der erste Schritt zur Aufstellung der Wehrmacht getan werden.
Wenn auch der Charakter des Gesetzes, wie schon so oft betont wurde, alle Merkmale des Vorläufigen trägt, so ist das auf Grund dieses Gesetzes in Gang gesetzte Handeln des Verteidigungsministeriums nicht mehr rückgängig zu machen. Ich glaube, diese Feststellung ist von Bedeutung, da sich wohl sonst kein ehemaliger Soldat entschließen würde, auf Grund dieses Gesetzes eine gesicherte Position aufzugeben. Es muß also völlig klar sein, daß es uns durch Erlaß dieses Gesetzes mit der Erfüllung der Verträge ernst ist. Es sollen Tatsachen geschaffen werden, die über die nur rechtlichen Vorarbeiten hinausgehen.
Das Gesetz bestimmt, wie Sie wissen, daß der vorläufige Status der Freiwilligen bis zum Erlaß des Soldatengesetzes derjenige eines Beamten auf Probe sein soll, längstens jedoch bis zum erfogreichen Absolvieren einer Eignungsübung, die die Dauer von vier Monaten nicht übersteigen soll. Danach sollen die Freiwilligen den Charakter eines Beamten auf Lebenszeit erwerben, sofern sie Berufssoldaten werden wollen.
Mit dieser Regelung soll versucht werden, einen Weg zu finden, um die Forderungen nach einem schnellen Beginn mit den Rechtsgrundlagen in Einklang zu bringen, ohne hierdurch die endgültige Festsetzung des zukünftigen Status vorwegnehmen zu wollen. Ich glaube also, daß die hier vorgeschlagene globale Übernahme des Beamtenrechts als eine sinnvolle und wohl einzig mögliche Lösung angesehen werden kann. Die im Gesetz vorgeschriebene „sinngemäße" Anwendung des Beamtenrechts ermöglicht dabei die Berücksichtigung der besonderen Aufgaben eines Soldaten, die sich sicherlich von denen eines Beamten in vieler Beziehung unterscheiden.
Die im Bundesrat gegen diese Regelung erhobenen Bedenken kann ich nicht teilen. Bel den Freiwilligengesetz handelt es sich nicht um die Regelung eines Teilproblems, sondern um eine allerdings sehr kurzfristig gegebene Möglichkeit, ohne Zeitverlust gewisse personelle Voraussetzungen für die von uns demnächst zu treffende Endlösung zu schaffen.
Ferner wurde eingewendet, das Beamtenrecht werde den militärischen Notwendigkeiten in keiner Weise gerecht. Zugegeben, wenn durch dieses Gesetz Truppenverbände — also Kompanien und Bataillone — aufgestellt werden sollten, dann wäre dieser Einwand sicherlich stichhaltig. Das ist jedoch, wie wir alle wissen, nicht der Fall. Durch dieses Gesetz werden Stäbe und Lehrgänge geschaffen, auf Grund dieses Gesetzes erfolgt die Besetzung von internationalen Stäben durch Einzelpersonen. Kurz, bei der auf die Dauer von Monaten befristeten Geltung dieses Gesetzes vermag ich nicht einzusehen, daß sich hier — etwa in der Gehorsamsfrage — Schwierigkeiten ergeben könnten. Auch ein Beamter unterliegt der Gehorsamspflicht.
Ich möchte ferner zum Ausdruck bringen, daß die vom Bundesrat geäußerten Bedenken, daß ein Beamter jederzeit die Möglichkeit hat, die Verwaltungsgerichte anzurufen, und dies auf militärischem Gebiet zu unmöglichen Verhältnissen führen würde, nicht zutreffen. Auch dem Soldaten kann und soll nicht verwehrt werden, bei Rechtsverletzungen, durch die seine persönlichen Rechte berührt werden, Rechtsschutz zu suchen. Im übrigen steht dieser Rechtsschutz den Beamten ohnehin auf Grund des Art. 19 des Grundgesetzes zu. Das Beamtengesetz funktioniert seit eh und je. Warum sollte es für eine kurze Übergangszeit, z. B. bei uniformierten Lehrgangsteilnehmern, nicht funktionieren? Ferner darf ich, in Kenntnis der Soldatenmentalität, gerade bei den durch dieses Gesetz zu erfassenden, freiwillig sich meldenden Soldaten mit Sicherheit annehmen, ,daß sie an die ihnen übertragenen Aufgaben und Pflichten mit voller Passion und viel gutem Willen herangehen werden. Für Menschen, für die in dieser Situation, in der ja ein militärischer Einsatz gegen den Feind nicht vorgesehen ist, das nach dem Beamtengesetz vorgeschriebene Gehorsamsverhältnis dem Staate gegenüber nicht ausreicht, wäre in den Reihen der Freiwilligen meiner Ansicht nach kein Platz.
Für die Übergangszeit erscheint also der vorgeschlagene Status des Beamten auf Probe durchaus angemessen. Mit ihm ergibt sich ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, das meines Erachtens den Soldaten den erforderlichen Schutz in vollem Umfang bietet. Entlassungsgründe sind doch nur einmal schwerwiegende Dienstvergehen, die durch einen Verwaltungsakt mit Entlassung geahndet werden — wobei unter Umständen sogar eine Klärung durch ein Verwaltungsgericht angestrebt werden kann —, weiter mangelnde Bewährung, nicht ausreichende Eignung usw., kurz Tatsachen, derentwegen die Probezeit gerade eingeführt werden soll, und schließlich Dienstunfähigkeit, die sich entweder erst während der Probezeit herausstellt oder in ihrem Verlauf eintritt. Bei einer durch Dienstunfall eingetretenen Dienstunfähigkeit besteht im übrigen Anspruch auf Versetzung in den Ruhestand nach § 46 des Bundesbeamtengesetzes mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen in bezug auf Ruhegehalt, Hinterbliebenenversorgung, Unfallfürsorge usw. Bei allen anderen Ursachen einer eintretenden Dienstunfähigkeit bleiben selbstverständlich alle Rechte aus dem § 31 des Bundesbeamtengesetzes erhalten.
Um alle trotz meiner oben gemachten Ausführungen vielleicht noch bestehenden Zweifel hinsichtlich der Rechtsstellung der auf Grund dieses Gesetzes einzuberufenden Freiwilligen zu beseitigen, darf ich noch einmal zusammenfassen: Die Freiwilligen werden zunächst in eine Rechtsstellung berufen, die der eines Beamten auf Probe entspricht. Die Entscheidung über die Übernahme in die Rechtsstellung eines Beamten auf Lebenszeit fällt nach Ablauf der auf vier Monate befristeten Probezeit. Das in den Ausschußberatungen zu erreichen, ist jedenfalls die Absicht meiner politischen Freunde, wenn dieses Gesetz. wie ich wohl mit Sicherheit annehmen darf, diese heutige Feuerprobe besteht.
Verzeihen Sie, wenn ich die, oben angeschnittenen Punkte in so ausführlicher Form behandelt habe. Ich glaube aber, daß es erforderlich war, hier einmal klar auszusprechen. welche Rechte der Freiwillige mit Eintritt in die Wehrmacht auf Grund dieses Freiwilligengesetzes erwirbt. Damit aber auch genug von den Rechten.
Jetzt einiges zu den Pflichten. Im Gesetz heißt es, daß der Soldat die Pflicht hat. treu zu dienen, Vaterland und Freiheit unter Einsatz seiner Person tapfer zu verteidigen. Als ich das Gesetz zum ersten Mal las. war mir nicht recht klar, warum man diesen doch nicht in Kompanien usw. zusammengefaßten Soldaten diese Verpflichtung hier besonders auferlegen will. Das ist doch eigentlich eine Verpflichtung. die jedem Staatsbürger obliegt, der Vaterland und Freiheit liebt. Nach Lesen des Soldatengesetzes gehe ich wohl nicht fehl in der Annahme, daß hier der § 6 einfach vorgezogen wurde, um schon in diesem Gesetz unmißverständlich klar zum Ausdruck zu bringen. daß hier nicht Beamte auf Probe, sondern wirkliche leibhaftige Soldaten angesprochen werden und gemeint sind. Wenn diese meine Annahme stimmt. bin ich persönlich der Meinung, daß gegen die oben angeführte Formulierung schon im Freiwilligengesetz keine Einwände erhoben werden sollten. Es ist gut, völlig klar zum Ausdruck zu bringen, was gemeint ist.
Dasselbe gilt für den Diensteid der Soldaten, dessen Wortlaut ich als bekannt voraussetze. Es wird noch eingehender Beratungen in den zuständigen Ausschüssen bedürfen, um in dieser Frage zu einer einhelligen Meinung zu kommen. Es ist daher wohl verfrüht, schon hier einer endgültigen Meinung Ausdruck zu geben. Ich persönlich kann mir einen Soldaten — ich meine einen Berufssoldaten — nicht vorstellen, der nicht durch einen feierlichen Eid gebunden wäre. Ich sehe in dieser Eidesformel die erforderliche Bindung an das Grundgesetz unserer demokratischen Ordnung. Ich glaube ferner, daß die Aufnahme dieser Eidesformel in das Freiwilligengesetz nicht ein unnötiger und übereilter Vorgriff auf das Soldatengesetz bedeutet, sondern eine absolute Notwendigkeit ist. Diese meine persönliche Ansicht möchte ich wie folgt untermauern. Die rasche Verabschiedung des Freiwilligengesetzes ist doch recht wesentlich mitbedingt durch die Erwägung, daß eine möglichst baldige Abordnung von Offizieren in die NATO-Stäbe im allgemeinen militärischen Interesse dringend erforderlich ist. Nach europäischen Begriffen ist jedoch der Soldateneid mit der in ihm liegenden höheren Verpflichtung das besondere Merkmal des Soldaten. Die deutschen Angehörigen der NATO-Stäbe können daher nicht im Status eines Halbzivilisten in Erscheinung treten. Soviel zu dieser Frage.
Ich komme nun zur Frage der Besoldung und Einstufung der Freiwilligen nach Dienstalter auf Grund der besonderen militärischen Notwendigkeiten. Soweit mir bekannt ist, sind die zwischen den einzelnen Ministerien bisher gepflogenen Verhandlungen auf diesem Gebiet durchaus befriedigend verlaufen. Wir werden uns in dieser Frage bei der Beratung des Gesetzes wahrscheinlich noch sehr ins einzelne gehend den einzelnen Laufbahnen und altersmäßigen Abgrenzungen der Dienstränge zu beschäftigen haben. An dieser Stelle sei lediglich erwähnt, daß die eintretenden Freiwilligen mit der ihnen zugesagten Besoldung meines Erachtens vornehmlich im Vergleich mit der Beamtenbesoldung und den in der freien Wirtschaft gezahlten Bezügen im ganzen gesehen, zufrieden sein können.
— Noch etwa sieben Minuten, wenn Sie so freundlich sind, zuzuhören.