Rede von
Heinz
Matthes
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Einbringung des Freiwilligengesetzes und die damit verbundene Erklärung der Bundesregierung bedeuten nach der Ratifizierung der Pariser Verträge den ersten Schritt, der deutscherseits wehrpolitisch bezüglich der Auswirkung der Verträge zu erfolgen hat. Schon bei der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse der Berliner Außenministerkonferenz im Deutschen Bundestag am 25. Februar 1954 sagte unser Freund Dr. von Merkatz namens der Fraktion der Deutschen Partei, daß es für uns im Hinblick auf die kommenden freiwillig übernommenen Verpflichtungen kein Schwanken gebe, und erklärte dann wörtlich: „Es muß jetzt, wenn Europa und unser Land überleben sollen, die Politik der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu einem Erfolg gebracht werden."
Wir haben uns mit dieser Erklärung zur Erfüllung der Verpflichtungen auf schnellstem Wege bekannt. Dennoch drängt sich uns nach der wehrpolitischen Erklärung des gestrigen Tages die, Frage auf: Warum ist man eigentlich nicht früher mit dem Freiwilligengesetz herausgekommen? Warum hat man den Gegnern der Pariser Verträge Gelegenheit gegeben, der Regierung zu unterstellen, daß sie absichtlich manche Dinge im Halbdunkel lassen wolle? Schweigen ist nicht immer Gold, man kann es auch übertreiben, und nach unserer Auffassung war es nicht erforderlich. Die Bundesregierung hat, wie ihre gestrige Erklärung zeigt, nichts zu verbergen. Sie hätte damit sich viel Kritik und der deutschen Öffentlichkeit viel Ärger und Verdruß ersparen können. Der Aufbau von Streitkräften ist nach den bösen Erfahrungen der Vergangenheit eine viel zu bedeutsame, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit erfassende Frage, als daß es angängig wäre, sie ohne eine umfassende Klarheit über die Grundsätze und ohne Übereinstimmung hinsichtlich der Durchführung zu lösen.
L) An den Anfang dieser Arbeit gehörte daher eine Darlegung der Gesamtkonzeption und die Zustimmung nicht nur der gesetzgebenden Organe des Bundes, sondern auch der breiten deutschen öffentlichkeit, aber nicht einfach die Zuleitung und Einbringung des sogenannten Freiwilligengesetzes beim Bundesrat bzw. beim Deutschen Bundestag. Denn es muß doch der Bundesregierung darauf ankommen, gerade für diesen Teil ihres Regierungsprogramms die überzeugte Mitarbeit des deutschen Volkes sowie seiner parlamentarischen Vertreter zu gewinnen und zu erhalten.
Gewiß ist mit der Ratifizierung und Inkraftsetzung des Pariser Vertragswerks die Frage der Aufstellung von Streitkräften der Bundesrepublik dem Grunde nach positiv entschieden; aber diese Entscheidung hat bisher in stärkerem Maße eine Wirkung nach außen als nach innen gehabt. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Regierung, Klarheit darüber zu schaffen, wie sie sich den Aufbau der Streitkräfte vorstellt. Sie hat das jetzt getan, zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in den wesentlichsten Zügen. Das deutsche Volk weiß heute wenigstens, was beabsichtigt ist.
Meine politischen Freunde und ich begrüßen die Ausführungen des Verteidigungsministers. Aber ich will keineswegs damit sagen, daß wir, meine Freunde und ich, geneigt sind, jeden programmatischen Satz der Regierungserklärung blanko zu unterschreiben. Wir behalten uns vielmehr vor, alle Einzelheiten sorgfältigst zu prüfen, die in den künftigen, uns vorzulegenden Gesetzentwürfen geregelt werden sollen. Aber wir wollen auch keinen Zweifel daran lassen, daß wir die Grundsätze der Wehrpolitik und der Wehrverfassung, wie sie der
Herr Bundesverteidigungsminister gestern hier entwickelt hat, für richtig halten und sie deshalb bejahen. Wir bejahen sie, weil diese Grundsätze nach unserer Überzeugung mit Militarismus nichts, aber auch rein gar nichts zu tun haben.
Über das innere Gefüge unserer künftigen Streitkräfte ist schon ungeheuer viel geschrieben und geredet worden. Auch im Sicherheitsausschuß dieses Hohen Hauses hat uns diese Frage in der Vergangenheit stärkstens beschäftigt. Das war, nimmt man alles in allem, zur Vorklärung mancher Meinungen sicherlich sehr gut. Wir vermögen daher keineswegs die von der Bundesregierung geübte Zurückhaltung bei der Einbringung des Freiwilligengesetzes zu verstehen, das ja dafür verschiedentlich, und nicht zu Unrecht, als Blitzgesetz angesprochen wurde. Auch der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung vom 10. Juni gegen die überhastete Vorlage des Gesetzes wenden müssen. Bei aller Eile, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt, darf keineswegs die innenpolitische Sorgfalt darunter leiden, eben weil dieses Gesetz befristet ist und nichts fragwürdiger ist als Vorläufigkeiten.
Fragwürdig ist keineswegs unsere Auffassung zu den Grundfragen der Wehrpolitik, zu dem inneren Gefüge. Eine Truppe, die in dem Geiste aufgebaut und herangebildet werden soll, die nach so strengen demokratischen Regeln in den Staat eingebaut werden soll, wie es in unseren verschiedensten Ausschußberatungen in den letzten Jahren immerhin übereinstimmend zum Ausdruck kam, eine solche Truppe läßt sich zu militärischen Abenteuern nicht mißbrauchen. Im Gegenteil, wenn wir die gegenwärtige Lage nüchtern betrachten, müssen wir feststellen: Es wird keine leichte Aufgabe sein, die Streitkräfte auch nur zu einem brauchbaren Instrument einer wirksamen Verteidigung zu machen. Schon hier zeigen sich zwei Welten und scheiden sich immer wieder die Geister. Die jüngste Vergangenheit hat uns leider Gottes dafür eine Fülle an Beweisen geliefert.
Meine Freunde und ich bejahen aus innerster Überzeugung in unserer Einstellung zu Volk und Staat den Wehrwillen. Wir halten es für einen elementaren, von der Geschichte hundertfach bezeugten Grundsatz und für bitterste Wahrheit: Ein Volk, das in einer waffenstarrenden Welt geachtet sein und das sich selber achten will, muß bereit sein, sich gegen fremde Angreifer zur Wehr zu setzen. Andernfalls wird es nicht einmal seine materielle Existenz auf die Dauer behaupten können, von der Freiheit ganz zu schweigen. Das sei allen denen gesagt, die das Argument ins Feld führen, Aufwendungen für die Verteidigung seien unproduktiv. Auch wir wissen, daß es an sich nützlicher wäre, weiterhin Wohnungen anstatt Kasernen zu bauen. Auch wir sähen es lieber, wenn die anderen zum Teil bis an die Zähne bewaffneten Länder abrüsteten und wir dadurch der Sorge enthoben würden, für unsere militärische Sicherheit selbst etwas zu tun. Aber können wir darauf bauen, daß sich die rauhe Wirklichkeit nach unseren Wünschen richten wird? Man darf doch nicht die Dinge auf den Kopf stellen und etwa behaupten wollen, die Bundesrepublik brauche nur waffenlos zu bleiben, dann werde die allgemeine Abrüstung todsicher folgen. Wir sind zehn Jahre waffenlos geblieben, und was ist seitdem geschehen?
Im übrigen wird der Aufbau deutscher Streitkräfte auf jeden Fall — das ist der Wunsch des gesamten Hohen Hauses — in so langsamen Etappen vor sich gehen, daß er einer Welt, die überall guten Willens wäre, niemals im Wege stehen könnte. Für uns wäre es nicht schwer, jederzeit alles auf null zurückzudrehen, wenn wir gewiß sein könnten, fortan in einer friedliebenden Welt zu leben.
Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit, ohne gleichzeitige Bereitschaft, dafür im Ernstfall mit innerer Bereitschaft einzustehen. Selbst die kleine Schweiz hat eine in aller Welt bewunderte schlagkräftige Landesverteidigung, bei der jeder Bürger bis zum 65. Lebensjahr dienend mitzuwirken hat. Das ist wahrlich kein Geschenk des Weltfriedens, sondern von diesem von uns immer wieder zu bewundernden Volke mit seinen berühmten bürgerlichen demokratischen Freiheiten und von seinem Wohlstand opferbereit geschaffen und traditionsgebunden erhalten.
Meine Damen und Herren, auf diesem Hintergrund muß man den ganzen Komplex der Wiederbewaffnung sehen, bevor man sich mit Einzelfragen befaßt. Wir müssen den Mut haben, manche angenehmen Illusionen zu zerstören, vor allem die Illusion, daß die Bundesrepublik im Windschatten der Weltpolitik ungestört und unbekümmert ihren Geschäften nachgehen könne, weil schon nichts geschehen werde. Wir hoffen ja auch alle miteinander, daß nichts geschehen wird.
Allerdings geben wir uns auch nicht etwa der anderen Illusion hin, daß unser Volk mit Begeisterung auf den Augenblick wartet, da es seine ersten Söhne wieder in Uniform sehe. Dazu hat es in den vergangenen Jahren zu bittere Erfahrungen machen müssen. Es hat erleben müssen, wie die Uniform, die der deutsche Soldat in Ehren getragen
hat — in Ehren trotz allem —, beschimpft und verhöhnt worden ist, nicht nur von den einstigen Siegern, sondern leider auch von manchen Leuten im eigenen Volke.
So etwas vergißt man nicht leicht.
Und auch das sei in dieser Stunde ganz klar ausgesprochen: Wir von der Deutschen Partei haben uns zum geistig wahren Soldatentum bekannt von Anfang an,
als wir damit noch durchaus gegen den Strom der herrschenden Meinung schwammen.
— Entschuldigen Sie, Sie können keinen Beweis antreten, daß ein Redner meiner Fraktion als Redner auf dem „Stahlhelm"-Tag in Goslar gesprochen hätte. Mir ist das nicht bekannt,
bis zur Stunde jedenfalls nicht. Aber Sie werden
vielleicht nachher den direkten Beweis antreten, und wir sind dann gern bereit, unsere Antwort darauf zu erteilen.
Meine Damen und Herren, haben nicht in den verflossenen zehn Jahren die ehemaligen Soldaten aller Dienstgrade, unter ihnen die große Zahl der Berufssoldaten aller Dienstgrade, bis zur Stunde trotz Diffamierung, Verbitterung, Enttäuschung selbstlos und uneigennützig ihre Pflicht in unserem Staat erfüllt wie jeder andere Staatsbürger und darüber hinaus trotzdem auch an ihrem Soldatentum festgehalten? Haben nicht in allen Fraktionen, sei es des Bundestages, der Landtage, der Kreistage, der Stadtparlamente oder Gemeindeparlamente, Soldaten aller Dienstgrade seit Jahren verantwortungsbewußte Mitarbeit durch die Tat bewiesen? Liegen nicht zahlreiche Auslassungen ehemaliger Soldaten — von wenigen Unbelehrbaren, ewig Gestrigen abgesehen — vor, wie die des ehemaligen Generals Crüwell vom ehemaligen Deutschen Afrikakorps auf dem Treffen dieses Korps im Jahre 1950, wo General Crüwell wörtlich erklärte:
Man soll gegenüber unserer jungen Demokratie nicht in verneinende Kritik verfallen, sondern helfen, wo man helfen kann.
Das ist die Stimme der konstruktiven Kräfte und eine klare Absage an den unfruchtbaren und planlosen Radikalismus von links und von rechts. Wer vermag angesichts der vielen Beweise ehrlicher Mitarbeit noch von Militaristen zu sprechen? Die Fraktion der Deutschen Partei legt auf eine Klärung des Begriffs „Militarismus" Wert. Wir verstehen darunter nicht die Diffamierung bestimmter Berufsgruppen oder Gesellschaftsschichten, sondern ganz einfach den Tatbestand, daß alle Bereiche des staatlichen Lebens den militärischen Bedürfnissen untergeordnet und die Schlüsselstellungen des Staates mit Offizieren oder besonders militärfrommen Zivilisten besetzt werden. Diese Militarisierung eines Staatswesens enthält, wie die Geschichte beweist, größte Gefahren. Wir begrüßen es daher, daß
in der Grundkonzeption der gestrigen Erklärung ' der Bundesregierung eine eindeutige Abkehr von solchem Überwuchern des Militärischen im Staate enthalten ist.
Mit aller Deutlichkeit habe ich seitens meiner politischen Freunde von der Deutschen Partei zu erklären, daß wir und die mit uns zum Soldatentum sich bekennenden Deutschen die leidenschaftlichsten Verfechter des Friedens sind, eines Friedens jedoch der Freiheit, des Rechtes und der Sicherheit. Ich treffe für die Deutsche Partei in diesem Zusammenhang mit Nachdruck die Feststellung: Das deutsche Soldatentum in seiner Gesamtheit ist erhaben über jeden Angriff auf seine Ehre. Wir sind der Überzeugung, daß nur ein Staat, der auch die ehemaligen Soldaten als Träger eines Wehrgeistes würdigt und anerkennt, das Recht und die Möglichkeit hat, den Wehrwillen eines Volkes aufzurufen. Dieser Überzeugung leben wir nicht allein, sondern mit uns viele andere Völker in der Welt. Ich erinnere nur an das Beispiel der Veteranenvereine in Amerika, deren vornehmstes Ziel die Pflege alter Traditionen ist. Der amerikanische Botschafter in Bonn, Dr. C o n a n t , hat in seiner Rede anläßlich der Jahresfeier des Geburtstages von Washington die uns vor wenigen Tagen übermittelt wurde, vor amerikanischen Offizieren in Deutschland von der Pflege der Tradition und von dem ehemaligen amerikanischen Soldaten als dem Bürger-Soldaten gesprochen und gesagt, daß die gesamte Tradition der Vereinigten Staaten für die Erhaltung der Demokratie und Freiheit im eigenen Lande und für die Schlagkraft der amerikanischen Streitkräfte selbst sowie für den einzelnen Soldaten wichtig ist; anderenfalls wäre keine Garantie dafür gegeben, daß die Armee eine wirklich verläßliche Streitkraft für den Staat darstelle. Das sind allerdings andere Worte als die, die wir bezüglich Tradition vor kurzem in diesem Saale in der Feierstunde am 17. Juni von Herrn Professor Dr. Ritter zu hören bekommen haben.
Uns ist es Gewißheit, daß ein Volk sich selbst aufgibt, wenn es seine guten Überlieferungen aufgibt. Deshalb haben wir auch in der gestrigen Regierungserklärung mit besonderer Genugtuung den Satz vernommen: Der deutsche Soldat hat tapfer, brav und gehorsam seine Pflicht getan. Das unterstreichen wir doppelt. Aus diesem Grunde möchte ich es nicht allzu wörtlich nehmen, wenn der Herr Bundesverteidigungsminister gestern erklärte, daß wir die Streitkräfte sozusagen aus dem Nichts heraus aufzustellen hätten. Gewiß, wir müssen neue Formen finden. Wir können und wollen nicht neuen Wein in alte Schläuche gießen, aber so wie der neue Wein auf alten Rebstöcken wächst, so werden auch aus den künftigen Kompanien und Regimentern nur dann brauchbare Einheiten werden, wenn sie von den alten Soldatentugenden der Ehre und Treue, der Pflichterfüllung und des Gehorsams, der Tapferkeit und Kameradschaft erfüllt sind. Meine Damen und Herren, uns ist es traurige Gewißheit, daß diese Tugenden heute nicht hoch im Kurs stehen; denn heute wird Verdienen groß geschrieben und Dienen ganz klein.
Man wird nun einmal Soldat, um zu dienen, und nicht, um zu verdienen. Aber man mag noch so nüchtern und sachlich denken, — wenn niemand mehr bereit ist, der Gemeinschaft zu dienen, muß
jede menschliche Gemeinschaft auf die Dauer zerfallen, und dann wird auch das Verdienen problematisch. Egoismus allein ist Sprengstoff für jedes Volk. Wenn wir uns zu Deutschland, zu einem in Einheit und Freiheit wiederzuvereinigenden Deutschland bekennen, haben wir ein bewußtes Ja zum Dienen an Volk und Vaterland zu sagen. Es scheint uns, daß manchen Menschen im Westen diese Begriffe nicht mehr so deutlich bewußt sind, während der 17. Juni 1953 vor aller Welt bewiesen hat, daß in Deutschland Kräfte aufzustehen vermögen, die bereit sind, für die Freiheit ihr Leben zu opfern.
Die Deutsche Partei betont daher aus ihrer konservativen Gesinnung heraus, daß sie in den künftigen Streitkräften mehr sieht als eine Schutztruppe nach außen. Sie kann und muß darüber hinaus die Keimzelle für das Wiedererstarken des Gemeinschaftsgefühls werden. Die jungen Menschen aller Stände werden wieder erkennen, daß sie Glieder eines Volkes und diesem Volke auch verpflichtet sind. Das eine haben wir so bitter nötig wie das andere. Daß auch mit dem Begriff der Gemeinschaft wirklich Mißbrauch getrieben worden ist, darf uns nicht dazu verleiten, ihn in die Rumpelkammer verstaubter Gefühle zu verbannen. Wir sind überzeugt, daß auch die Jugend in ihrer Mehrheit einsichtig genug sein wird, die Notwendigkeit, sagen wir ruhig: die sittliche Pflicht des Dienstes für die Gemeinschaft zu erkennen. Man behauptet von dieser Jugend, sie neige dazu, das Für und Wider einer Sache nüchtern abzuwägen. Nun gut, sie soll wägen! Um so weniger wird sie sich dann von billigen antimilitaristischen Parolen blenden lassen. Allerdings will und muß die Jugend wissen, was es zu verteidigen gilt. Darum muß alle Wehrpolitik eingebettet sein in eine staatliche Ordnung, die die Würde und Freiheit des Menschen und soziale Gerechtigkeit gewährleistet.
Die Regierung hat sich aus Gründen, die wir billigen können, darauf beschränkt, ihre grundsätzliche Auffassung in den Fragen der Wehrpolitik und Wehrverfassung darzulegen. Es ist klar, daß sich bei der praktischen Verwirklichung dieser Prinzipien eine Fülle von Gesetzesvorlagen und Problemen ergeben wird. Als Sprecher meiner Fraktion habe ich darauf hinzuweisen, daß sich eine Erwiderung unseres Fraktionsvorsitzenden Dr. von Merkatz, wie Herr Kollege Ollenhauer sie vorhin ad absurdum führte, im Hinblick auf die auch heute schon mehrfach zitierte Erklärung als Berichterstatter am 26. Februar erübrigt. Die Antwort ist bereits in der gestrigen Erklärung der Bundesregierung enthalten, wo die drei Fragenkomplexe aufgeführt worden sind, weshalb wir das Grundgesetz zu ändern hätten. Zu den sich ergebenden verfassungsrechtlichen Fragen der kommenden Wehrgesetzgebung sprechen wir schon heute unsere Bereitwilligkeit aus, die Dinge sehr ernst zu betrachten und mit zu bearbeiten. Wir werden sie sehr sorgfältig prüfen und es an der Mitarbeit nicht fehlen lassen.
An dieser Stelle aber kann ich mich heute auf eine kurze zusammenfassende Stellungnahme beschränken. Die Fraktion der Deutschen Partei tritt aus voller Überzeugung für den Grundsatz ein, daß die Streitkräfte ein Instrument der Staatspolitik werden und bleiben müssen, nicht mehr und nicht weniger. Wir wünschen daher, daß sie ziviler Leitung und parlamentarischer Kontrolle unterstellt werden. Der Einschaltung eines Personalausschusses bei der ersten Besetzung der obersten Kommandostellen stimmt die Fraktion der Deutschen Partei nicht zu. Die Einsetzung des Personalausschusses würde nach unserer Auffassung ein unberechtigtes Mißtrauen gegen die Bundesregierung und insbesondere gegen den Bundesverteidigungsminister einschließen.
Außerdem bedeutet sie die Schaffung eines Sonderrechts, das sich ausschließlich gegen den Soldatenstand richtet.
Meine politischen Freunde und ich sind davon überzeugt, daß die Regierung bei der Auswahl der oberen Kommandeure die Erfahrungen menschlicher und charakterlicher Art, die wir in der Vergangenheit machen mußten, berücksichtigen wird.. Diese Frage muß ausschließlich unter die Verantwortung des zuständigen Ministers gestellt werden, dessen Sorgfaltspflicht in besonderer Weise der parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen ist. Wir halten aber ein Verfahren, wie es mit einem Personalausschuß vorgeschlagen wird, für verfehlt, weil es die Gefahr in sich birgt, daß gerade hierdurch in die Personalpolitik ein gefährliches Element der Politisierung hineingebracht wird.
Wir fordern mit aller Entschiedenheit, daß die Truppe nicht in den Machtstreit der Parteien hineingezogen und gar zu einem Instrument der Parteipolitik, Konfession oder irgendwelcher sonstiger Interessengruppen gemacht wird.
Nach den vielen trüben Erfahrungen der letzten I Jahre bei der Klassifizierung unseres Volkes und der Gesinnungsschnüffelei sind unsere Bedenken nur zu gut verständlich.
Eine gewichtige Rolle spielt auch für uns die Frage des Oberbefehls über die aufzustellenden Streitkräfte. Bereits seit den Tagen der konstitutionellen Verfassung ist der Begriff des Oberbefehls und der Kommandogewalt verfassungsrechtlich unklar geworden. In dem berühmten Buch des Staatsrechtlers Marschall von Bieberstein ist die Frage der Gegenzeichnung und der Kommandogewalt in ihrer geschichtlichen Entwicklung mit bester Dokumentation wiedergegeben worden. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß über diesen Begriff rechtlich und politisch vollkommene Klarheit geschaffen werden muß. Wir können uns hierbei auch nicht an das Vorbild der Weimarer Verfassung anlehnen, denn aus dem Zusammenhang des Art. 47 und vor allen Dingen des Art. 48 Abs. 2 der Weimarer Verfassung ergibt sich deutlich, daß die Frage des Oberbefehls in dieser Verfassung im traditionellen, konstitutionellen Sinne geregelt war. Nach unserem Grundgesetz wäre eine Regelung im gleichen Sinne wie in der Weimarer Verfassung nicht ohne Verfassungsänderung durchführbar. Die Fraktion der Deutschen Partei bejaht dagegen die Auffassung, die der Herr Verteidigungsminister in seiner gestrigen Erklärung dem Hohen Hause dargelegt hat. Danach kann vom Oberbefehl im traditionellen Sinne weder rechtlich noch politisch gesprochen werden.
Wir bejahen den Grundgedanken der Regierungserklärung, daß die Wehrmacht genau so wie jede andere Funktion der Exekutive in das Ge-
füge des Grundgesetzes eingepaßt werden muß. Das heißt: für die Exekutivmaßnahmen im militärischen Bereich gelten dieselben rechtlichen Regeln wie für jede andere Exekutivmaßnahme, sei es auf dem Gebiete der Regierung, der Gesetzgebung, der Verwaltung oder gar der Rechtsprechung. Alle Akte, die der Gegenzeichnung bedürfen, werden auch auf dem militärischen Gebiet so behandelt, wie das nach dem Grundgesetz für Akte im zivilen Bereich erforderlich ist. Demzufolge stehen dem Staatsoberhaupt als Repräsentanten des ganzen Volkes alle die Ehrenrechte und Befugnisse zu, die ihm nach dem Grundgesetz gegenüber der zivilen Verwaltung zukommen. Wir legen hierbei Wert darauf, daß seine Stellung als Staatsoberhaupt bei allen Demonstrationen militärischer Art hervorgehoben wird. Man kann das die Übertragung des repräsentativen Oberbefehls nennen, in dem ein symbolischer Beziehungspunkt für die überparteiliche Aufgabe der Wehrmacht zum Ausdruck kommt. Ich weise aber darauf hin, daß die Fraktion der Deutschen Partei durch die Verwendung dieses Begriffes keine politische und keine rechtliche Unklarheit hinsichtlich der tatsächlichen Befugnisse, die das Grundgesetz für die Exekutive
festlegt, aufkommen lassen will. Damit ist nicht vorweggenommen, wie diese Frage endgültig bei einer Verfassung des Deutschen Reiches entschieden wird.
Was die Wehrverwaltung angeht, so wünschen meine Freunde, daß sie den zivilen Behörden übertragen wird. Wir können uns dabei auch auf die Erfahrungen aus der Zeit vor 1914 stützen. Das System der zivilen Verwaltung für die Streitkräfte hat sich in den verschiedensten Staaten durchaus bewährt. Dabei wird die verfassungsrechtliche Frage der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sehr sorgsam zu prüfen sein. Was von den Länderverwaltungen durchgeführt werden kann, sollte ihnen überlassen bleiben, natürlich unter dem Gesichtspunkt, daß eine solche Regelung vernünftig und praktikabel sein muß. Wir haben zur Lösung dieser Frage ganz besondere Vorstellungen und werden unsere Vorschläge hierzu bei der Beratung der kommenden Gesetzentwürfe in den verschiedenen Ausschüssen unterbreiten.
Nicht unerwähnt wollen meine Freunde lassen, daß wir bei erforderlichen Einstellungen für die Wehrverwaltung in erster Linie auch auf die Schwerbeschädigten, die stellenlosen älteren Angestellten und die noch nicht untergebrachten ehemaligen Berufssoldaten zurückgreifen sollten. Wir legen das unserem Herrn Verteidigungsminister und den zuständigen Ressortministern dringend ans Herz. Wir bitten schon heute darum, daß dieses unser Anliegen, das sicherlich auch — wie die Vergangenheit bewiesen hat — das Anliegen aller Fraktionen des Hohen Hauses ist, im Laufe der Zeit Berücksichtigung findet.
Daß die staatsbürgerlichen Rechte des Soldaten, soweit das mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist, gewahrt werden sollen, haben wir gern gestern vernommen. Das entspricht voll und ganz unseren Wünschen. Dieses Kapitel wird uns ja noch eingehend bei der Beratung des zur Vorlage kommenden Soldatengesetzes beschäftigen, so daß ich mir versagen kann, heute darauf einzugehen. Genau so verdienen nach unserer Auffassung bei der weiteren Gesetzgebung die in der Ausbildung stehenden jungen deutschen Menschen, die ihren Wehrdienst zu leisten haben, unseren besonderen Schutz und unsere besondere Aufmerksamkeit.
Die Berufung ziviler unabhängiger Richter als Vorsitzende der Disziplinar- und Strafgerichte insbesondere halten wir für eine gute Lösung.
Mit ganz besonderem Interesse habe ich die Absicht der Bundesregierung verfolgt, bei der Aufstellung und Stationierung der Verbände landsmannschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Ich schließe mich hier den Wünschen der bayrischen Freunde an, daß dieses Prinzip so weit als irgend möglich verwirklicht wird. Es entspricht nicht nur bewährter Tradition, sondern ist auch geeignet, das innere Gefüge der Truppe — um diesen Begriff zu wiederholen — zu festigen. Landsmannschaftliche Zusammengehörigkeit hat sich in der Geschichte des deutschen Soldatentums, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, immer als ein besonders festes Band der Kameradschaft, Treue und Hingabe erwiesen. Ich bin aber überzeugt, daß es bei Betrachtung dieser Frage noch eingehender Überlegungen bedarf, wie den berechtigten Wünschen der heimatvertriebenen Jugend in dieser Richtung entsprochen werden kann und muß.
Wir begrüßen es, daß den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Länder durch eine bereits getroffene Vereinbarung zwischen Bund und Ländern Rechnung getragen wird. Hier sehen wir eine willkommene Gelegenheit, bei der Vergebung von öffentlichen Aufträgen die bisher von der Konjunktur weniger begünstigten Gebiete entsprechend zu berücksichtigen. Ich nenne hier nur die Länder Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Holstein, Bayern und denke dabei nicht zuletzt an die Zonenrandgebiete.
Die Bundesregierung hat zu unserer Freude gestern erneut versichern lassen, daß dieses Gesetz nur eine Übergangsregelung darstellen solle. Wir nehmen diese Mitteilung zur Kenntnis und werden die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen.
Die Fraktion der Deutschen Partei kann sich nicht damit einverstanden erklären, daß mit dem Freiwilligengesetz Soldaten geschaffen werden, deren Pflicht gegenüber Staat und Volk nicht durch einen Eid gebunden wird. Wir wenden uns ausdrücklich gegen den Vorschlag, an die Stelle des Eides eine feierliche Verpflichtung treten zu lassen. Bei allem Respekt vor theologischen und ethischen Bedenken, die geltend gemacht werden und worden sind, können wir uns als konservative Politiker nicht mit einer intellektualisierenden Betrachtung dieser Frage einverstanden erklären. Wir haben das große Mißtrauen, daß sich hinter diesen religiösen, ethischen Argumenten ganz andere Motive verbergen, nämlich vor allem das Motiv, daß man der Bundesrepublik als provisorischem Staatswesen gegenüber nur eine provisorische Treueverpflichtung habe. Mit Recht ist eingewendet worden, daß der Eid in der Vergangenheit nach seiner Säkularisierung in steigendem Maße mißbraucht worden ist und zu einem reinen Formalakt abzusinken droht. Diese Entwicklung müssen wir aufhalten und dem tiefen Ernst der Verpflichtung, die im Eide liegt, wieder den rechten Platz in unserem Staatswesen zuweisen. Die Entwertung des Eides kann nicht durch einen noch so großen Zeitablauf geheilt werden. Der Eid, der in einer fragwürdigen Gesellschafts-
) und Staatsordnung fehl am Platze ist und durch Mißstände und durch den moralisch-rechtlichen Verfall entwertet worden ist, gewinnt die ihm seiner Natur nach zukommende Bedeutung wieder in einem Staatswesen, dessen Ordnung sich in Übereinstimmung mit seiner hohen ethischen Bedeutung befindet. Wir sind davon überzeugt, daß auf die Bundesrepublik Deutschland die hohen Voraussetzungen zutreffen, die für die Abforderung eines Eides vorhanden sein müssen. Ich verweise hierbei ausdrücklich auf die Präambel des Grundgesetzes.
Bezüglich der Frage der Besoldung wird später bei Behandlung dieser Frage im Ausschuß vieles zu sagen sein. Ich will es mir heute versagen, darauf einzugehen. Schon heute fühlen sich meine Freunde veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß wir im Hinblick auf Heranziehung besonders befähigter, charakterfester Führungskräfte, die dank ihrer besonderen Tatkraft und Fähigkeiten bereits im zivilen Sektor gutbezahlte Positionen innehaben, vor großen Schwierigkeiten stehen werden. Wirtschaftliche und sozialpolitische Gesichtspunkte werden bei Behandlung dieser Frage hart im Raume stehen. Wir wollen die Frage, wie 'gesagt, heute nicht vertiefen.
Nun zum Schluß! Die Deutsche Partei weist in dieser Stunde mit allem Nachdruck darauf hin, daß das wichtigste Ziel unserer Politik die Wiederherstellung des Friedens in Europa und in der Welt ist. Grundlage und Voraussetzung dieses Friedens ist die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit und Sicherheit. Wir sind uns bewußt, daß die Kräfte des deutschen Wehrbeitrages isoliert betrachtet diese Sicherheit niemals gewährleisten können. Nur in Verbindung mit der in den Pariser Verträgen, in Verbindung mit der in der atlantischen Gemeinschaft geschaffenen Einheit Europas auf dem Gebiete der Verteidigung gewinnen die geringen deutschen Streitkräfte ihre Bedeutung.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist welt davon entfernt, die Frage der Sicherheit nur als eine militärische Frage zu betrachten. Die Frage der Sicherheit ist in erster Linie eine politische Frage. Die Lösung dieser großen politischen Probleme kann nur erfolgen, wenn wir konsequent den Weg fortsetzen, der mit einer gefestigten Einheit Europas die Grundlage für eine Entspannung zwischen Ost und West schafft, erhält und im Sinne des Friedens fortentwickelt.