Rede von
Dr.
Kurt Georg
Kiesinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ja. Wir wissen alle, welche Rolle der amerikanische Senat spielt; er soll die ungeheure Machtfülle bremsen, die der vom Volk gewählte Präsident bekommen hat. Ich will hier kein staatsrechtliches Kolleg halten. Wir wissen, daß die Verfassung von Amerika weniger auf den demokratischen Vorstellungen der Zeit der französischen Revolution beruht als auf den Gedankengängen Montesquieus, der alles andere als in diesem Sinne demokratisch dachte. Aber das nur am Rande.
Bei uns, Herr Kollege Erler, ist zwar durch das konstruktive Mißtrauensvotum die Stellung des Kanzlers außerordentlich stark, aber mein Kollege Dr. Krone hat Ihnen bereits zugerufen: Vergessen Sie denn das Parlament? Das Parlament hat es in der Hand, den Kanzler zu kontrollieren und ihn abzuberufen, wenn es mit seiner Politik nicht mehr einverstanden ist.
Sie machen immer nur einen Fehler: Weil wir mit seiner Politik einverstanden sind und Sie nicht, verwechseln Sie sich mit dem Ganzen des Parlaments.
Selbstverständlich ist es durchaus erwägenswert, die militärische Machtfülle in einer Hand durch institutionelle Sicherungen, die wir uns gemeinsam Überlegen wollen, auszubalancieren. Dagegen spricht niemand. Wir beklagen nur, daß bei all unseren Debatten, statt daß zum konkreten Problem sachlich geredet wird, immer wieder 'die große Anklage ertönt: die Regierungskoalition gefährdet die Demokratie! Wenn Ihnen ein Gesetz aus irgendeinem Grund nicht paßt oder weil Ihnen dieses Gesetz nicht genug Garantien für gewisse Sicherungsnotwendigkeiten zu geben scheint, greifen Sie sofort ganz hoch hinauf und rufen: Mißachtung der Opposition, Verletzung der Rechte und der Sicherungen der Demokratie! Das ist es doch, was wir und, davon bin ich überzeugt, auch die deutsche Öffentlichkeit endlich aus diesen Debatten verschwinden sehen wollen. Keine gegenseitigen Anklagen, sondern sachliche Diskussion!