Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 153. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Herrn Schriftführer.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Richter für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Dr. Schmidt (Niedersachsen) für 10 Wochen wegen einer Studienreise in die USA.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Erteilung des beantragten Urlaubs einverstanden ist.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Kalbfell, Berlin, Dr. Koch, Kurlbaum, Dr. Oesterle, Schütz, Hagge, Dr. von Campe, Dr. Orth, Lenz, Kemper, Kiesinger, Dr. Tillmanns und die Mitglieder des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films: Dr. Vogel, Brunner, Muckermann, Nellen, Dr. Nowack, Dr. Ott, Marx, Bromme, Erler, Mayerhofer, Stücklen, Dr, Kreyssig, Brandt.
Herr Abgeordneter Brandt ist also offensichtlich hier und nicht in Berlin; dafür sind 'die nicht in Berlin ansässigen Mitglieder des Ausschusses in Berlin.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung möchte ich folgendes mitteilen: Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat soll als Punkt 2 eingeschoben werden die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft, Nrn. 2320, 2089 der Drucksachen, nachdem die Ausschußberatungen abgeschlossen sind.
Dann ist mir weiter ein Initiativgesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Dr. Müller , Faßbender, Tobaben, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Dr. Glasmeyer, Donhauser und Genossen über die Zahlung von Frühdruschprämien zugegangen. Da wir als Punkt 2 der gedruckten Tagesordnung die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 anstehen haben, darf ich Ihnen im Interesse der Vereinfachung vorschlagen, daß wir diesen Initiativgesetzentwurf ebenfalls mit erledigen und gleichfalls an den Ausschuß überweisen, damit wir zu einer einheitlichen Bearbeitung kommen. — Das Haus ist einverstanden.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 8. Juni 1951 die Anfrage Nr. 190 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Finanzielle Lage des Rundfunksenders „Radio Bremen" — Nr. 2272 der Drucksachen — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2342 vervielfältigt.
Ich rufe zunächst Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Strauß und Genossen betreffend ERP-Mittel für den Fremdenverkehr .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von höchstens 20 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Strauß.
Strauß , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, anläßlich dieser Interpellation die Frage des Wiederaufbaus eines konkurrenzfähigen deutschen Fremdenverkehrswesens und seiner staatlichen Förderung hier ausführlich zu besprechen. Es ist auch nicht die Aufgabe, anläßlich dieser Interpellation hier, wie früher einmal geschehen, über die wirtschaftliche, politische, kulturelle und soziale Bedeutung des Fremdenverkehrs zu sprechen. Es handelt sich hier um eine Spezialfrage; es handelt sich darum, ob von seiten des Bundes und noch mehr von seiten der amerikanischen ERP-Verwaltung anerkannt wird, daß auch der Fremdenverkehr, besonders diejenigen Betriebe, die vor allem für die Aufnahme und Unterbringung von Ausländern geeignet sind, wegen seiner Bedeutung als wesentlicher Wirtschaftszweig für den Ausgleich unserer Zahlungsbilanz und für die Verbesserung unserer Handelsbilanz fördernswert ist.
Ich darf dazu einige wenige Zahlen geben. Es sind schon im Laufe der letzten Jahre bei der Ausschüttung der Gegenwertmittel der 1. und der 2. Tranche Zuwendungen an den Fremdenverkehr in Form von Krediten erfolgt. Darüber wird vermutlich der Vertreter des Wirtschaftsministeriums Auskunft geben.
Uns interessiert in diesem Zusammenhang ein kurzer Überblick über den Erlös aus dem AusländerFremdenverkehr. Der Ausländer-Fremdenverkehr ist erst im Laufe des Jahres 1949 wieder in nennenswertem Umfange angelaufen. Für das Sommerhalbjahr 1949 lagen ungefähr 180 000 Ausländermeldungen mit rund 420 000 Übernachtungen vor. Im Winterhalbjahr 1949/50 sind es bereits 250 000 Meldungen mit 538 000 Übernachtungen. Für das Sommerhalbjahr 1950 beziffern sich die Ausländermeldungen auf rund 700 000, die Übernachtungszahl auf etwa 1,5 Millionen.
Der Devisenerlös aus dem Ausländer-Fremdenverkehr wird für das Jahr 1949, für das nur Schätzungen vorliegen, mit etwa 20 Millionen Dollar angenommen werden können. Im Jahre 1950 werden seit Mai von der Bank deutscher Länder statistische Unterlagen gesammelt, die für die Zeit von Mai 1950 bis einschließlich Oktober 1950 einen Devisenerlös von ca. 20 158 000 Dollar nachweisen. Wenn der Umsatz für die restlichen sechs Monate des Jahres 1950 gegenüber der Hauptsaison von Mai bis Oktober um etwa 20 % geringer ist, so kommen wir immer noch auf einen Gesamterlös von ca. 36 Millionen Dollar oder etwa 151 Millionen DM.
Es ist selbstverständlich, daß diese 36 Millionen Dollar für das Jahr 1950 gegenüber der gesamten Außenhandelsbilanz mit einem Gesamtexportwert von mindestens 2 Milliarden Dollar nur einen kleinen Teil ausmachen. Wir müssen uns aber daran erinnern, daß gerade dieser kleine Teil noch
wesentlich steigerungsfähig ist und daß in den normalen Zeiten vor dem zweiten Weltkriege die Deviseneinnahmen aus dem Fremdenverkehr jährlich 350 bis 400 Millionen Mark betragen haben. Es läßt sich hier von meiner Seite aus nichts Genaues über den zukünftigen Finanzbedarf für den Wiederaufbau unseres Fremdenverkehrswesens sagen. Es ist aber sicher, daß die Kredite in der bisher gewährten Größenordnung das Minimum sein sollten, um die erheblichen Kriegs- und die fast noch erheblicheren Besatzungsschäden allmählich ausgleichen zu helfen. Aus einem Überblick ergeben sich folgende Zahlen:
Vor dem Kriege waren im Bundesgebiet insgesamt ca. 450 000 Betten für ,den Fremdenverkehr verfügbar, am 1. Juli 1949 hatten wir in der amerikanisch-englischen Zone etwa 140 000 Betten, in der französischen Zone etwa 35 000 Betten; wenn man die Jugendherbergen mit hereinnimmt, kommen noch einmal 20 000 Betten hinzu.
Am 1. Oktober 1949 hatten wir in der amerikanisch-englischen Zone 185 000 Betten, in der französischen Zone 50 000 Betten, in den Jugendherbergen etwa 20 000 Betten, also insgesamt etwa 240 000 Betten. Am 1. April 1950 waren etwa 250 000 Betten, am 1. Januar 1951 etwa 275 000 Betten -verfügbar.
Das Ziel, das von seiten des Wirtschaftsministeriums und von seiten der Fremdenverkehrsverbände, des Hotel- und Gaststättenverbandes angestrebt wird, ist, im Laufe des Jahres 1952 etwa wieder 330 000 Betten verfügbar zu haben. Die Schätzung, wonach die Kriegsschäden bei Fremdenverkehrsbetrieben sich insgesamt auf 1,4 Milliarden DM belaufen, dürfte wohl die richtige Zahl erreichen. Es ist eine ebenso bekannte Tatsache, daß die Besatzungsschäden gerade an den besten Beherbergungsbetrieben, an den besten Hotels, Gaststätten, Kurheimen usw. besonders groß sind, die zum Teil noch von den Besatzungsmächten beschlagnahmt sind, zum Teil nach jahrelanger Beschlagnahme und demgemäß weitgehend erfolgter Unbrauchbarmachung freigemacht worden sind. Die Besitzer sind trotz der durch das Besatzungskostenamt gewährten Entschädigungen aus eigener Kraft und angesichts der allgemeinen Lage auf dem Kapitalmarkt nicht in der Lage, ihren Betrieb wiederaufzubauen.
In diesem Zusammenhang habe ich mit Interesse eine Zusammenstellung in der letzten Nummer der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" gelesen, wonach für Besatzungsschäden im Besatzungskostenhaushalt etwa 77 Millionen DM vorgesehen waren, von denen nur 34 Millionen DM verausgabt worden sind. Ich glaube, daß das Finanzministerium einmal diese Frage etwas näher überprüfen sollte, um festzustellen, ob nicht die Entschädigung gerade auch bei diesem Zweige etwas schneller und vielleicht etwas großzügiger erfolgen könnte, weil der Wiederaufbau dieser Betriebe letzten Endes auch der Produktivität unserer Wirtschaft und in erster Linie dem Ausgleich unserer Zahlungsbilanz dient.
Wir haben mit Erstaunen, ich möchte beinahe sagen: mit Besorgnis gerade aus den Gegenden des deutschen Fremdenverkehrs vernommen — ob es nun das Rheinland, das Moselland, der Schwarzwald, Baden, Württemberg oder Bayern ist, alle diese Gegenden sind in gleichem Maße auf diesen Wirtschaftszweig angewiesen; Hunderttausende von Menschen leben dort davon; kaum ein Wirtschaftszweig ist so lohnintensiv wie gerade das Fremdenverkehrsgewerbe, so häßlich dieses Wort ist —, daß nach den hoffnungsvollen Ansätzen bei der Ausschüttung der ersten und der zweiten Tranche aus den ERP-Gegenwertmitteln bei der Ausschüttung der dritten Tranche der Fremdenverkehr überhaupt gestrichen worden ist. Die Bundesregierung ist deshalb von seiten der Öffentlichkeit — nicht nur von seiten der sogenannten Interessenten — kritisiert worden, weil der Fremdenverkehr als ein ebenfalls exportfördernder Zweig — wenn auch indirekter Art — hier unterdrückt worden ist, und wir haben uns erlaubt, folgende Fragen an die Bundesregierung zu stellen, um deren möglichst genaue Beantwortung wir bitten:
1. Entspricht es den Tatsachen, daß bei der Ausschüttung der dritten Tranche der ERP-
Gegenwertmittel kein Posten für Fremdenverkehr vorgesehen ist?
2. Warum hat die Bundesregierung, wenn diese
Annahme zutrifft, - diesen Standpunkt eingenommen? Oder ist von der amerikanischen
ERP-Verwaltung ,die 'Streichung der Mittel
für den Fremdenverkehr veranlaßt worden? Wir wären an einer besonders genauen Beantwortung dieser Frage sehr interessiert, weil damit auch Verantwortlichkeit und Zuständigkeit in dieser Hinsicht einmal genau herausgestellt werden sollen, da dies in der deutschen Öffentlichkeit leider zu oft durcheinandergeworfen wird.
3. Teilt die Bundesregierung den Standpunkt der Interpellanten, daß die Zuteilung von Krediten an den Fremdenverkehr eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit bedeutet?
Hier handelt es sich — was wohl auch das Wirtschaftsministerium zugestehen muß — um mehr als etwa um die Vertretung der Interessen eines Wahlkreises. Es handelt sich um mehr auch als um die Vertretung der Interessen eines Wirtschaftszweiges. Es geht hier in erster Linie darum, einen Beitrag zu leisten und die Bundesregierung zu diesem Beitrag zu veranlassen, daß der Fremdenverkehr, der vor dem zweiten Weltkrieg wieder zu so ansehnlicher Höhe emporgewachsen war, nun auch jetzt, nach diesem Kriege, in möglichst kurzer Zeit wiederaufgebaut und daß auf allen Gebieten und besonders auf dem Gebiet der Kreditgewährung das Menschenmögliche dazu getan wird.
Viertens würde uns in diesem Zusammenhang interessieren, wie hoch die bisher dem Fremdenverkehr zur Verfügung gestellten ERP-Mittel sind. Von der Statistik und dem Überblick über die Vergangenheit und von der Begründung allein, warum in der dritten Tranche für den Fremdenverkehr nichts ausgeschüttet ist, haben wir nichts. Darum interessiert uns hier die fünfte Frage — und die Antwort darauf — ganz besonders. Ich muß sie hier mündlich noch etwas abgewandelt wiedergeben. Es interessiert uns, ob in absehbarer Zeit — und wenn, dann möglichst genau, wann — mit der Ausschüttung einer vierten Tranche aus den ERP-Gegenwertmitteln zu rechnen ist und ob die Bundesregierung glaubt, es bei der amerikanischen ERP-Verwaitung durchsetzen zu können, daß bei der Ausschüttung der vierten Tranche wiederum Gegenwertmittel für den Wiederaufbau von Fremdenverkehrsbetrieben gewährt werden, oder ob die Bundesregierung einen gegenteiligen Standpunkt einnimmt. Es ist leider eine Tatsache,
daß durch die Unterbrechung der Ausschüttung von ERP-Gegenwertmitteln für den Fremdenverkehr nicht nur die Genehmigung neuer Kreditanträge sehr jäh unterbrochen worden ist, sondern daß auch bereits fest zugesagte Kredite nicht mehr ausgezahlt oder die weitere Auszahlung teilweise ausgezahlter Kredite unterbrochen worden ist. Mancher Unternehmer, mancher Kreditbittsteller hat auf die Zusage hin eine Erweiterung oder eine Modernisierung seines Betriebes vorgenommen und stand auf einmal sehr unangenehm überrascht vor der Tatsache, daß sein Projekt nicht weiter durchgeführt werden konnte, weil entgegen aller Erwartung keine Mittel aus der dritten Tranche geflossen sind. Wir würden besonderen Wert darauf legen, daß gerade die angefangenen Projekte durch eine Hilfsfinanzierung wenigstens zu Ende geführt werden können. Wir bitten deshalb die Bundesregierung um Auskunft, ob es möglich ist und ob sie bereit ist, aus Mitteln der STEG oder aus dem Zinsaufkommen der bisher für Fremdenverkehrszwecke gewährten ERP-Kredite Mittel zur Überbrückung der Finanzierung der dringendsten Projekte des Fremdenverkehrs bereitzustellen, und zwar für die Unterstützung sowohl solcher Projekte, die bereits begonnen worden sind, als auch solcher, für deren Durchführung bereits neue Anträge anstehen und die als besonders dringlich von den Landeswirtschaftsmministerien bezeichnet worden sind.
Lassen Sie mich zum Abschluß, nachdem es sich hier nicht allein um eine Frage der wirtschaftlichen Förderung handelt, noch einen Gesichtspunkt erwähnen. Ich habe vor wenigen Tagen aus dem Bereich von Garmisch-Partenkirchen, einem der Hauptfremdenverkehrsgebiete des deutschen Bundesgbiets, die Zuschrift eines Fachmannes auf lem Gebiet des Fremdenverkehrs erhalten, der im Laufe der letzten Wochen die Schweiz, Italien und Frankreich bereist hat. Er teilt mir folgendes mit, was ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nun verlesen möchte:
Sowohl in der Schweiz wie auch in Italien besteht reges Interesse für Reisen nach Deutschland, besonders Bayern. Aber leider sind die Bestimmungen für das Einreisevisum so schwer und lästig, daß Reisen nur in seltenen Fällen durchgeführt werden. Die Kosten für das Einreisevisum betragen z. B. einschließlich der Einholungsspesen in der Schweiz 15 Schweizer Franken. Hierzu sind eine Unzahl von Formularen und Erklärungen zu unterfertigen. Schließlich müssen Paß und Papiere an die alliierten Steilen oder deutschen Konsulate eingesandt werden und nimmt die Erledigung zwei bis drei Wochen in Anspruch. Der Endeffekt ist, wie mir
- so schreibt er —
die Reisebüroinhaber immer wieder erklärten, daß die Reisenden auf eine Reise nach Deutschland verzichten und sich zu einer Reise nach Österreich, Italien oder Frankreich entschließen, welche keinen Visumzwang haben und somit einfach bereist werden können. Und wir warten hier auf den internationalen Fremdenverkehr, machen kostspielige Auslandspropaganda und stürzen uns in große Unkosten, oft in Schulden, um den Auslandsgast bestens aufnehmen zu können.
Sowohl in moderner und guter Einrichtung, Gastlichkeit, Küche als auch in bezug auf Preiswürdigkeit sind die Hotels in Deutschland denen im Ausland mindestens gleichwertig, ja überlegen. Es ist einzig und allein der. Visumzwang, welcher unsern Auslandsverkehr stoppt und ist dieser Visumzwang für Deutschland, das einzige Land von Westeuropa, deklassierend und gewiß nicht den Zielen des ERP und des Schumanplanes entsprechend.
Nachdem wir immer gewünscht haben, daß bei einem federführenden Ministerium der Bundesregierung die Fragen des Fremdenverkehrs zusammengefaßt werden, wäre für uns von großer Bedeutung, wenn auch diese Frage einmal von der Bundesregierung aufgegriffen und etwas vorwärtsgetrieben würde. Die Förderung dieser ganzen Angelegenheit leidet ohne Zweifel darunter, daß ein Teil der Aufgaben vom Verkehrsministerium, ein anderer Teil vom Wirtschaftsministerium wahrgenommen wird. An das, was in dieses Schema nicht hineinpaßt, denkt dann praktisch überhaupt keine Stelle. Es wäre sehr notwendig, die Inangriffnahme dieser Aufgaben neben der wirtschaftlichen, Unterstützung einmal mit allem Nachdruck zu betreiben, damit nicht der Ausländer, der bei uns einreisen will, mehr Schikanen ausgesetzt ist und mehr Formulare auszufüllen hat als bei der Einreise in irgendein anderes Land. Auch dieser Bestandteil des Fremdenverkehrswesens ist für uns von erheblicher Bedeutung. So würde ich den Herrn Wirtschaftsminister, den Herrn Innenminister und das Auswärtige Amt sehr nachdrücklich darum bitten, dafür zu sorgen, daß für den Ausländer bei der Einreise nach Deutschland die gleichen. Bedingungen wie bei der Einreise in andere europäische oder amerikanische Länder gelten. Wir bemühen uns vergeblich um die Förderung des Fremdenverkehrs, wenn nicht auf diesem Gebiet erheblich Remedur' geschaffen wird.
Zur Beantwortung der Interpellation hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Interpellanten, daß der Fremdenverkehr im gesamten Bundesgebiet seit der Währungsreform eine starke Zunahme erfuhr und daß ihm in Erfüllung seiner wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Aufgaben eine, durchaus zu beachtende Bedeutung zuzumessen ist. Die Bundesregierung hat daher durch Zuführung zentral steuerbarer Kapitalmarktmittel den Wiederaufbau und die Instandsetzung der Hotels, Fremdenheime, Kuranstalten und ähnlicher Einrichtungen des Fremdenverkehrs in beachtlichem Ausmaß unterstützt. Dieses geschah besonders im Hinblick auf die Rolle dieser Einrichtungen als Devisenbringer.
In Erkenntnis dieser Sachlage hat die Bundesregierung in ihrem ursprünglichen Vorschlag zur Aufteilung der dritten ERP-Tranche nach dem Stand vom 3. 7. bzw. 26. 8. 1950 für den Fremdenverkehr den Betrag von 25 bis 30 Millionen DM vorgesehen. Mit einer Zuteilung in dieser Höhe wäre es möglich gewesen, das Fremdenverkehrsgewerbe in seinem Wiederaufbaustreben weiter nachhaltig zu unterstützen.
Leider konnte diese Absicht nicht durchgeführt werden. Die Marshallplanverwaltung sah nämlich in ihrem Memorandum vom 19. 7. 50 eine starke Kürzung der ursprünglich erwarteten Mittel vor. Das Memorandum enthielt zwar in seinem als Diskussionsgrundlage gedachten Aufteilungsvorschlag noch eine beachtliche Summe für den Fremdenverkehr. Dieser Vorschlag ging jedoch von der Möglichkeit aus, mit innerdeutschen Mitteln ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm in Höhe von einer Milliarde DM aufzustellen. Bekanntlich wurde dieser Vorschlag auf Grund der Wirtschaftsentwicklung seit der KoreaKrise unmöglich.
In den nachfolgenden Verhandlungen stellte sich heraus, daß die ECA nunmehr nur noch für die Grundstoffsektoren der Wirtschaft wie Elektrizitätswirtschaft, Kohlenbergbau, Eisen und Stahl, Wohnungsbau und für Berlin ERP-Mittel freizugeben beabsichtigte. Bei dieser Entscheidung waren volkswirtschaftlich vordringlichste Gebiete wie Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, Seeschiffbau, Forschung und Exportindustrie unberücksichtigt geblieben. Es bedurfte daher außerordentlich schwieriger Verhandlungen, die Bereitschaft der ECA zu wecken, um auch für andere Sektoren als die der Grundstoffindustrie angehörenden gewisse, wenn auch völlig unzureichende Mittel zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht möglich gewesen, diese Bereitschaft auch für den Fremdenverkehr zu erreichen.
Mit der Beantwortung der Frage 1 sind indirekt auch die Fragen 2 und 3 erledigt.
Zu Frage 4 ist zu bemerken, daß der Fremdenverkehr in der ersten ERP-Tranche Kredite in Höhe von 1,1 Millionen DM, in der zweiten einschließlich Berlin mit 25,5 Millionen DM enthalten war.
Zur Frage 5 ist leider festzustellen, daß eine vierte Tranche aus ERP-Mitteln in der bisherigen Form nicht mehr zu erwarten ist. Zwar liegen Äußerungen führender amerikanischer Persönlichkeiten vor, die eine gewisse Weiterführung der Marshallplanhilfe — wenn auch in anderer Form — erhoffen lassen, doch ist nicht anzunehmen, daß dabei Gegenwerte anfallen werden, die dem Fremdenverkehr als Kredithilfe zugeführt werden könnten.
Die Bundesregierung ist ihrerseits bereit, aus STEG-Erlösen oder aus dem Zinsaufkommen bisher gewährter ERP-Kredite Mittel für die Weiterfinanzierung bereits im Rahmen des ERP-Programms anfinanzierter Projekte des Fremdenverkehrs bereitzustellen, soweit eine Prüfung im Einzelfalle ergibt, daß ohne die Gewährung einer weiteren Kreditrate eine Gefährdung der bisherigen Investition eintreten würde.
Aus Zinserträgen bisher gewährter ERP-Kredite wurden zwischenzeitlich für die Weiterfinanzierung begonnener Fremdenverkehrsprojekte 1,2 Millionen DM neu bereitgestellt. Weiterhin ist beabsichtigt, aus Iden in Kürze zu erwartenden STEG-Erlösen noch einmal 3 Millionen für die Weiterfinanzierung einzusetzen.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Wird eine Besprechung gewünscht? —
— Ich sehe keine 50 Abgeordneten, die eine Besprechung wünschen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung , der deutschen Wirtschaft; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Nrn. 2320 und 2089 der Drucksachen).
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Ich habe diese Berichterstattung für unseren Fraktions- und Ausschußkollegen Stegner übernommen. In den Beratungen der Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Geld und Kredit und im Haushaltsausschuß — drei Ausschüsse waren an der Beratung des Gesetzentwurfs beteiligt — ist eine gewisse Straffung und Konkretisierung des ursprünglichen Regierungsentwurfs erfolgt. Beispielsweise ist die Übernahme von Bürgschaften durch den Bundesminister der Finanzen — es geht um eine Generalermächtigung bis zur Höhe von 500 Millionen DM — an die Bedingung geknüpft worden, „daß eine Finanzierung dieser Vorhaben in anderer Weise nicht möglich ist und ein allgemeines volkswirtschaftliches Interesse an der Durchführung solcher Maßnahmen besteht." Das schien uns als eine zusätzliche Sicherung auch deswegen notwendig, weil wir nicht wünschten, daß bei ,den derzeitigen Kapitalmarktverhältnissen von dem Instrument der Bürgschaftsübernahme etwa für bundeseigene Interessen übermäßig Gebrauch gemacht werden könnte.
Ferner ist ein neuer § 2 eingefügt worden, der verlangt, daß die nach dem § 1 übernommenen
Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen in dem Nachweis der Bundesschuld aufgeführt werden.
Zum dritten soll nach einer Entschließung, die auf den Wunsch der Ausschüsse zurückgeht und die ich dem Herrn Präsidenten anschließend zur Mitabstimmung bei der dritten Lesung des Gesetzes übergeben darf, der Bundesminister der Finanzen verpflichtet werden, vierteljährlich über die übernommenen Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen in den Ausschüssen für Wirtschaftspolitik und Geld und Kredit zu 'berichten. Das ist vom Bundesminister der Finanzen in den Ausschüssen auch zugesagt worden.
Darüber hinaus war in den Ausschüssen erörtert worden, ob nicht auch noch die Richtlinien, nach denen diese Bürgschaften oder Gewährleistungen durch das Bundesfinanzministerium übernommen werden sollten, vorher den Ausschüssen vorgelegt werden sollten. Wir haben uns in den Ausschüssen schließlich dem Argument nicht verschließen können, daß es sich hier um eine große Zahl von völlig verschieden gelagerten Einzelfällen handelt, bei denen eine Ausarbeitung einheitlicher Richtlinien gar nicht möglich ist, sondern von Fall zu Fall anders verfahren werden muß. Wir werden aber Wert darauf legen, daß bei den vierteljährlichen Berichterstattungen vor den Ausschüssen für Wirtschaftspolitik und für Geld und Kredit die Richtlinien, nach denen die Übernahme
von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen erfolgt, bekanntgegeben und dort auch diskutiert werden.
Ich darf noch hinzufügen, daß die Notwendigkeit, eine solche Ermächtigung an die Bundesregierung zu erteilen, wohl am besten dargetan wird durch einen Hinweis auf die mit diesen Bürgschaften und Sicherheitsleistungen verfolgten Zwecke. Die Bürgschaften oder Gewährleistungen dürfen übernommen werden zur Förderung der deutschen Wirtschaft, zur Minderung der Arbeitslosigkeit, der Notlage der Vertriebenen sowie zur Durchführung anderer Notmaßnahmen. Es sind also ausgesprochen volkswirtschaftlich oder sozialpolitisch vordringliche Unternehmen, und die bis jetzt vorgesehenen Projekte zeigen das auch sehr deutlich. Der Hauptteil der in Aussicht genommenen Bürgschafts- und Sicherheitsleistungen ist der Konsolidierung des Schwerpunktprogramms des vergangenen Jahres in Höhe von 300 Millionen DM vorbehalten.
Ich darf dazu bemerken, daß die in der Begründung aufgemachte Rechnung über den Gesamtbedarf an Bürgschaften nicht ganz korrekt addiert ist. Denn die in Höhe von 70 Millionen vorgesehenen Bürgschaften und die Garantien für die Unterbringung der im Rahmen des Schwerpunktprogramms ausgegebenen Schuldurkunden in Höhe von 240 Millionen DM können nicht zusammengezählt werden, weil sie sich in der Regel überdecken, so daß also der noch freie Betrag, der in der Begründung mit 142 Millionen DM aufgeführt ist, in Wirklichkeit erfreulicherweise noch etwas größer ist.
Daneben ist, ebenfalls zurückgehend auf einen Beschluß ides Bundestages, die Übernahme - von Filmbürgschaften in Höhe von 20 Millionen DM vorgesehen. In diesen Fällen wird der Bundestag mit einem andern Ausschuß jeweils noch kontrollierend eingreifen.
Schließlich ist im Rahmen des vordringlichen Energieprogramms der Bundesregierung eine Anleihebürgschaft für die Inn-Werke AG. in Höhe von 28 Millionen DM vorgesehen. Es kommt hinzu, daß jetzt im Rahmen des Programms zur Ausweitung unserer Engpässe in den Grundstoffindustrien von diesen Bürgschaften Gebrauch gemacht werden muß, zum Beispiel für die AugustThyssen-Hütte. Aus diesem Grunde ist die Materie außerordentlich eilbedürftig. Daher soll das Gesetz heute in zweiter und dritter Lesung beraten und verabschiedet werden.
Die Meinung der Ausschüsse geht dahin, daß mit dem Einbau der Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Verwendung und mit der von Ihnen noch anzunehmenden Entschließung über die regelmäßige Berichterstattung alle Vorkehrungen getroffen worden sind, damit entsprechend den wichtigen mit diesem Gesetze verfolgten Zwecken bei der Übernahme von Bürgschaften und Sicherheitsleistungen zu Lasten ides Bundes mit all der Sorgfalt, die wir verantworten können, verfahren wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich rufe auf § 1. — Das Wort wird offenbar nicht gewünscht. Ich kann wohl gleich die übrigen Paragraphen mit aufrufen. — § 2, — § 3, — § 4, —Einleitung und Überschrift. —Keine
Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen zur allgemeinen Besprechung? — Keine! Einzelbesprechung: §§ 1 bis 4, — Einleitung und Überschrift. — Auch keine Wortmeldung. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen im übrigen einstimmig angenommen.
Ich bitte 'nun die Damen und Herren, die der von Herrn Abgeordneten Preusker vorgetragenen Entschließung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 und
Beratung des Antrages der Abgeordneten Dr. Dr. Müller , Faßbender, Tobaben, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Dr. Glasmeyer, Donhauser und Genossen betreffend Entwurf eines Gesetzes über die Zahlung von Frühdruschprämien (Nr. 2340 der Drucksachen).
Ich bin darüber unterrichtet worden, daß eine Verständigung dahin zustande gekommen ist, diese Gesetzentwürfe ohne Aussprache dem zuständigen Ausschuß zu überweisen. Darf ich annehmen, daß das Haus einverstanden ist? — Wünscht die Regierung den Gesetzentwurf zu begründen? — Offenbar nicht. Ich schlage Ihnen die Überweisung beider Vorlagen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. Wer wünscht das Gesetz zu begründen? — Das Tempo des Hauses überrollt alle Planungen. Ich bitte um einen Augenblick Geduld zur Klärung.
— Zurückzustellen?
— Meine Damen und Herren, zur Klärung. der Frage, wer das Gesetz begründen wird, darf ich diesen Punkt der Tagesordnung zunächst zurückstellen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Regelung der Bereitstellung von Bauland (Nr. 2281 der Drucksachen);
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Lücke und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschaffung von Bauland (Nr. 2300 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 120 Minuten für die erste Beratung vor.
Das Wort hat der Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Baulandbeschaffungsgesetz, das Ihnen als zweites Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaues vorgelegt worden ist, beruht auf einem einstimmigen Beschluß des Bundestages vom 28. März 1950, der damals gleichzeitig mit der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes gefaßt wurde und durch den die Bundesregierung ersucht wurde, bis zum 30. September 1950 einen Gesetzentwurf über die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsneubaues und für den Wiederaufbau vorzulegen und in diesem Gesetzentwurf Bestimmungen zu treffen, die gegebenenfalls unter Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes die schnelle, wirksame, endgültige und zu günstigen Preisen mögliche Enteignung von Grundstücken vorsehen.
Dieses Gesetz hat sich als notwendig erwiesen, weil der derzeitige Rechtszustand auf dem Gebiet der Enteignung überhaupt und der Enteignung für den Wohnungsbau insbesondere ungewöhnlich unbefriedigend ist. Die alten Enteignungsbestimmungen der verschiedenen Ländergesetze, die ja zum Teil sehr alt sind — aus den 70er Jahren stammen oder noch älter sind — und für ganz andere Zwecke bestimmt waren, genügen dafür nicht. Es hat sich auch gezeigt, daß die landesrechtlichen Bestimmungen, die in den Wiederaufbaugesetzen enthalten sind, heute als überholt angesehen werden müssen. Für die Zwecke des Wohnungsbaus hat man sich auf die Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot vom 9. Dezember 1919 gestützt, die einen von der Landeszentralbehörde bestellten Bezirkswohnungskommissar ermächtigte, geeignete Grundstücke gegen angemessene Entschädigung zu enteignen, wenn für Klein- und Mittelwohnungen Bau- und Gartenland in passender Lage zu angemessenen Preisen nicht zur Verfügung stand. Die Enteignung erfolgte durch formlosen Bescheid an den Eigentümer. Der Enteignungsbescheid des Bezirkskommissars war endgültig. Nur gegen die Festsetzung der Entschädigung konnte eine von der Landeszentralbehörde zu bestimmende Berufungsbehörde angerufen werden.
Diese Enteignungsbestimmung hat bis zum Erlaß einer Verordnung der Besatzungsmächte — also über 20 Jahre lang — Rechtskraft behalten, die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit betraf, und ist dann weiter durch den Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes aufgehoben worden. Dies ist durch mehrere höchstrichterliche Entscheidungen bestätigt worden.
Nun haben die Länder versucht, das Enteignungsrecht in ihren Wiederaufbaugesetzen zu regeln, beinahe alle Länder in verschiedener Art und Weise. Aber sie sind alle entweder an der Militärgesetzgebung über die Verwaltungsgerichte oder am Grundgesetz gescheitert. Auch darüber bestehen höchstrichterliche Entscheidungen. Daraus ergibt sich für die Enteignung für die Zwecke des Wohnungsbaues folgender Zustand: Zunächst muß eine Verwaltungsbehörde über die Enteignung überhaupt entscheiden. Diese Entscheidung kann im vollen Rechtszug der Verwaltungsgerichtsbarkeit angefochten werden. Dann kann ein ordentliches Gericht über die Höhe der Entschädigung entscheiden, wenn es angerufen wird. Auch diese Entscheidung kann wieder im ganzen ordentlichen Rechtsgang angefochten werden. Das bedeutet, daß eine Entscheidung über eine Enteignung jahrelang hinausgeschoben werden kann. Das ist — von allen Sachverständigen völlig unbestritten — für die Aufgaben des Wohnungsbaus und des Wiederaufbaus unserer Städte vollkommen unerträglich.
Nun hat die Bundesregierung, insbesondere mein Ressort, die Arbeit an einem Entwurf, der diese Fragen regeln soll, sehr frühzeitig — gleich nach der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes — aufgenommen. Die Arbeiten gehen in den April 1950 zurück. Wir haben zunächst geprüft, ob wir nicht durch ein allgemeines Baugesetz einen sehr großen Fragenkomplex gleichzeitig regeln können. Es hat sich herausgestellt, daß in einem allgemeinen Städtebaugesetz so schwierige rechtliche und praktische Fragen aufgeworfen werden,, daß wir uns für diese Arbeit, die von sehr großer Bedeutung sein wird, lange Zeit lassen müssen. Vordringlich aber war das Baulandbeschaffungsgesetz. Die Herren vom Wohnungsausschuß erinnern sich, daß im allerersten Entwurf des Wohnungsbaugesetzes schon Enteignungsbestimmungen standen. Wir haben sie weggelassen', und das mit gutem Grund. Denn wenn es vom Mai 1950 bis zum Juni 1951 gedauert hat, bis Ihnen dieses Gesetz vorgelegt werden konnte, so beruht das nicht auf bösem Willen der Bundesregierung oder der Bürokratie, sondern es liegt daran, daß die Probleme der Enteignung außerordentlich schwierig sind und sehr sorgfältig durchgearbeitet werden müssen. Das ist allerdings in dem Ihnen vorliegenden Entwurf, der auch in dauernder Fühlung mit dem Wohnungsausschuß und den interessierten Herren entstanden ist, geschehen.
Ich darf nun zu dem Leitgedanken des Gesetzentwurfs einiges bemerken. Der Zweck liegt darin, in einem ebenso einfachen wie schnellen, aber auch gerechten und dem Eigentümer vollen Schutz gewährenden Rechtsverfahren dem Wohnungsbau das für die nächste Zeit benötigte Bauland zur Verfügung zu stellen, und zwar sowohl für den Neubau an den Stadträndern oder in den ländlichen Bezirken, wie vor allem auch für den Wiederaufbau unserer zerstörten Stadtkerne. Dabei haben wir uns entschlossen, alle diejenigen umstrittenen Fragen wegzulassen und sie zunächst der Regelung der Landesgesetzgebung zu überlassen, die die Verabschiedung des Gesetzes verzögern würden, wie Umlegung, Zusammenlegung, Planung, Grundstücksbewertung, unentgeltliche Bedarfsflächenabtretung. Diese Sachgebiete werden dem umfassenderen Gesetz vorbehalten. Diese Aufgaben —
Umlegung, Zusammenlegung —, die vor allem beim Wiederaufbau in Frage kommen, sind landesgesetzlich geregelt, sie sind aber innerhalb des Landesrechts nicht ohne die Möglichkeit der Enteignung durchzusetzen.
Die Bundesregierung ist an dieses Gesetz nicht leichten Herzens herangegangen.
— Es war ja nicht das schwere Herz, das die Vorlage des Gesetzentwurfs so lange verzögert hat, sondern es waren die technischen Schwierigkeiten, Herr Kollege Meyer. Das Eigentum ist nun einmal ein Eckstein unserer Grundrechte, und Eingriffe in das Eigentum müssen sehr wohl überlegt und mit entsprechenden Rechtsgarantien versehen werden.
Die Enteignung beschränkt sich auf die Bereitstellung von Gelände zur Errichtung von Wohngebäuden und der erforderlichen Gemeindebedarfsflächen. Luxuswohnungen sind selbstverständlich ausgeschlossen. Die Bauabsichten des Eigentümers werden geschützt. Er kann die Enteignung abwenden, wenn er das Grundstück binnen eines Jahres selbst bebaut. Es ist auch Vorsorge getroffen, daß nicht etwa planlos enteignet wird oder große Vorräte von Land in die öffentliche Hand kommen. Wir haben vorgesehen, daß nur solche Grundstücke enteignet werden können, die nach den Ergebnissen der Ortsplanung für eine Bebauung geeignet sind. Zur Behebung der Wohnungsnot kann die Enteignung zugunsten eines jeden Bauwilligen erfolgen, der glaubhaft macht, daß er das Grundstück alsbald bebauen wird. Damit wird entsprechend dem Ersten Wohnungsbaugesetz der gesamte Wohnungsbau und nicht nur ein Teilgebiet erfaßt werden.
Die Enteignung erfolgt nur gegen angemessene Entschädigung. Ich brauche für diejenigen Damen und Herren, die sich mit den Fragen beschäftigt haben, hier nicht anzudeuten, wie ungeheuer schwierig die Grundstücksbewertung insbesondere der Ruinen- und Trümmergrundstücke ist. Hier ist eine Obergrenze durch die heute noch geltenden gesetzlichen Stoppreise gezogen. Im übrigen dürfte der gemeine Wert maßgebend sein. Hier müssen wir der Praxis weitgehenden Entwicklungsraum geben, um dann vielleicht später mit gesetzlichen Regelungen einzugreifen.
Die Entschädigung ist grundsätzlich in Geld in der Form einer Barzahlung zu gewähren. In bestimmten Fällen soll sie aber so durchgeführt werden, daß anderes Land gegeben wird, vor allem dann, wenn bäuerlicher Besitz oder gärtnerisch genutzte Grundstücke in Frage kommen. Umstritten ist die Bestimmung, die es den Gemeinden — als Ausnahmefall — gestattet, die Entschädigung in zehn Jahresraten abzutragen. Die Bundesregierung hat geglaubt, von dieser Bestimmung nicht absehen zu können, weil bei den Umlegungen beim Neuaufbau der zerstörten Städte so große Summen anfallen, daß nicht abzusehen ist, wie die Gemeinden heute in der Lage sein sollten, sie auf den Tisch zu legen.
Wir haben über das Verfahren Bestimmungen vorgesehen und sind dann, ich glaube, zu einer brauchbaren und interessanten Lösung hinsichtlich des Rechtsschutzes gekommen. Das Gesetz überträgt die Enteignung einer Verwaltungsbehörde. Der Rechtszug aber ist ein einheitlicher über die Enteignung als solche und über die Entschädigung als solche und geht an neu zu schaffende Baulandkammern bei den Landgerichten und bei den Oberlandesgerichten. So glauben wir einen richtig ausgewogenen, richtig abgesteckten Weg gefunden zu haben, der sowohl dem Interesse der Allgemeinheit an einer raschen Entscheidung als auch dem Interesse des Einzelnen an einem ausgiebigen Rechtsschutz entspricht.
Das Gesetz hat dem Bundesrat vorgelegen. Der Bundesrat hat die Anträge von vier Bundesratsausschüssen, die sich zum Teil überschnitten, zum Teil widersprachen, angenommen. In der Bundesratsfassung ist von dem Gesetz eigentlich nicht viel mehr übrig geblieben als die Überschrift. Aber ich glaube, daß diese Schwierigkeiten im Laufe der gesetzlichen Prozedur weiter ausgeglichen werden können. Ich nehme an, daß das Gesetz dem Ausschuß überwiesen wird. Gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf der Regierung ist von einer Fraktion des Hohen Hauses ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt worden. Ich glaube, daß aus diesem Entwurf Formulierungen und materielle Anregungen in den Regierungsentwurf übernommen werden können.
Ich habe nur die eine Hoffnung, daß wir hier in der parlamentarischen Arbeit mit dieser schwierigen Materie wenigstens so rasch fertig werden, daß das Gesetz für die Bausaison des nächsten Jahres noch rechtzeitig Rechtskraft erlangt.
Zur Begründung des zweiten Gesetzentwurfes hat das Wort Herr Abgeordneter Funk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor einem Jahr, am 28. März 1950, hat der Bundestag in einer Entschließung zum Ausdruck gebracht, daß die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsbaues beschleunigt gesetzlich geregelt werden müsse. Über die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes besteht kein Zweifel. Die Schwierigkeit der Materie brachte es aber mit sich, daß die Vorverhandlungen sich immer wieder in die Länge zogen. Draußen im Land war der Schrei nach Bauland wahrzunehmen, Siedlungen sollten und wollten gebaut werden, die Städte warteten auf Wiederaufbau, und in zahlreichen Fällen fehlte es an notwendigem Bauland.
Bei dieser Sachlage hat sich eine Gruppe meiner politischen Freunde, nachdem die Fertigstellung des Regierungsentwurfs sich fast ein Jahr verzögerte, entschlossen, einen Gesetzentwurf zur Beschaffung von Bauland auszuarbeiten. Unsere Arbeit begann etwa vor einem halben Jahr. Nach unserer Meinung muß die Baulandenteignung so geschehen, daß sie nichts anderes ist als eine Weiterentwicklung der bisherigen Enteignungsgesetze.
Grundsätzlich muß gesagt werden, daß die Schaffung von Wohnraum ein Anliegen der Allgemeinheit ist, so daß sie den Eingriff in das Privateigentum durchaus rechtfertigt. Es war dabei zu berücksichtigen, daß der Bauwillige es nicht allein in der Hand haben darf, das Verfahren auf ein Grundstück zu lenken, das ihm gerade als das richtige erscheint. Vielmehr soll die Enteignungsbehörde, die schließlich zu einer vernünftigen Lenkung der Bautätigkeit in Richtung auf geignetes Gelände mitberufen ist, die Möglichkeit haben, auch ein anderes, besser geeignetes Grundstück zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Im Vordergrund steht für uns der Bauwillige. Sein Bauvorhaben ist zunächst einmal zu prüfen. Es muß unter allen Umständen zuerst geklärt werden, ob nicht andere Wege, insbesondere der freihändige Grundstückskauf oder die Hilfe der öffentlichen Hand, zum Ziele führen würden. Erst dann entsteht die Frage, ob das vom Bauwilligen begehrte Grundstück der Enteignung unterliegen soll. Wir legen Wirt darauf, daß zunächst Gelände an anbaufähigen Straßen oder wenigstens solches Gelände erfaßt wird, das bereits verplant ist. Bei der Heranziehung anderer Grundstücke, deren Baulandeigenschaft immerhin nicht mehr selbstverständlich ist, muß sich die Enteignungsbehörde mit anderen behördlichen Stellen ins Benehmen setzen. Die Grundsätze vernünftiger Planung müssen unter allen Umständen eingehalten werden, schon um volkswirtschaftlich verfehlte Investitionen zu vermeiden. Die Einschaltung anderer Behörden wird naturgemäß manchmal das Verfahren recht erschweren. Wir haben jedoch durch das Setzen von Fristen dafür gesorgt, daß derartige Vorfragen beschleunigt geklärt werden.
Wir haben uns bemüht, unseren Entwurf in einzelne kurze Vorschriften aufzugliedern, vielfach unter Verzicht auf die Regelung von Teilfragen, zu deren Entscheidung sich die Enteignungsbehörde an den von uns am Anfang des Entwurfs herausgestellten Begriff der Baulandenteignung halten muß. Auf jeden Fall darf eine Baulandenteignung immer nur im Rahmen des allgemeinen Wohles zulässig sein.
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage der Entschädigung. Die Entschädigung muß unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten festgesetzt werden. Das wird nicht immer leicht sein. Keinesfalls darf es dahin kommen, daß die Baulandenteignung ein bevorzugtes Mittel wird, um wesentlich billiger als im freien Erwerb ein Grundstück in die Hand zu bekommen.
Hier muß gleiches Recht für alle gelten.
Die Entschädigung muß angemessen sein. Der Begriff der angemessenen Entschädigung ist anerkanntermaßen in der bisherigen Rechtsprechung zum Enteignungsrecht bereits weitgehend geklärt. Dem Enteigneten soll nicht ein ihn einseitig belastendes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt werden; andererseits darf er aber auch sein Eigentumsrecht nicht rücksichtslos ausnützen. Die Entschädigung soll für beide Teile einen billigen und gerechten Ausgleich ihrer Interessen schaffen. Nur so wird dem Grundgesetz Genüge getan. Die Enteignungsbehörde, die schließlich eine Instanz mit besonderer Sachkunde sein soll und sein wird, müßte hier die Funktion der Preisbehörde wahrnehmen.
Um das Enteignungsverfahren nicht übermäßig in die Länge zu ziehen, haben wir Fristen vorgesehen, die zu einer Straffung und Beschleunigung des Verfahrens führen sollen. Auf jeden Fall müßte nach unserer Auffassung die Höhe der Entschädigung durch das ordentliche Gericht im Einklang mit Art. 14 des Grundgesetzes geprüft werden können. Um eine Zweigleisigkeit zu vermeiden, schlagen wir vor, bei den Landgerichten eine Kammer, für Baulandsachen zu bilden. Diese müßte unserer Auffassung nach mit zwei Richtern des Landgerichts und einem Verwaltungsrichter besetzt sein. In zweiter Instanz entscheidet das Oberlandesgericht, das unter bestimmten Voraussetzungen die Angelegenheit auch vor den Bundesgerichtshof bringen kann.
Wir glauben, daß allein das Vorhandensein der Möglichkeit, in das Privateigentum durch Baulandenteignung einzugreifen, in vielen Fällen dazu führen wird, daß sich ein Grundstückseigentümer, der sich bisher weigerte, sein Gelände herzugeben, nunmehr bereitfinden wird, das Grundstück freihändig zu verkaufen, wenn er es nicht selbst bebauen kann. Wir erhoffen von diesem Gesetz also vor allen Dingen eine solche mittelbare Wirkung.
Meine Damen und Herren, ich bin selbst Landwirt. Diesen Entwurf hat eine ganze Reihe meiner bäuerlichen Freunde mit unterschrieben. Wir sind der Meinung, daß Eigentum verpflichtet. Seine Verpflichtung zeigt sich besonders da, wo Eigentum zur Schaffung von Wohnraum in andere Hände übergehen muß, um einem großen sozialen Ziel zu dienen.
Es geht uns hier um die Verwirklichung einer sozialen Forderung, die über den Wohnungsbau hinausreichend unserer weiteren sozialen Gesetzgebung den Weg bereiten soll.
Ich stelle den Antrag auf Überweisung des Entwurfs an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht federführend, gleichzeitig an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Ich eröffne die allgemeine Besprechung der ersten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Meyer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau dankbar, daß er bei der Einbringung des Regierungsentwurfs die Notwendigkeit einer Neuordnung mit einer Darstellung des derzeitigen Zustandes unseres Bau- und Bodenrechts begründet hat. Wir wären dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau noch dankbarer gewesen, wenn er mit Rücksicht auf die Entschließung, die der Bundestag am 28. März vorigen Jahres gefaßt hat, stärkeren Nachdruck darauf gelegt hätte, den Gesetzentwurf wenigstens annähernd zu dem Termin vom 30. September 1950, den der Bundestag in dieser Entschließung festgesetzt hat, einzubringen. Damals hat der Bundestag folgendes beschlossen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten dem Haus den Text unserer Entschließung in die Erinnerung zurückrufen. Die Bundesregierung wurde ersucht,
1. bis zum 30. September 1950 einen Gesetzentwurf über die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsneubaues und für den Wiederaufbau vorzulegen;
2. in diesem Gesetzentwurf Bestimmungen zu treffen, die gegebenenfalls unter Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes
— und ich möchte gerade diesen Punkt unserer Entschließung unterstreichen —
die schnelle, wirksame, endgültige und zu günstigen Preisen mögliche Enteignung von Grundstücken vorsehen.
Der Herr Bundesminister hat gesagt, daß die Bundesregierung schweren Herzens, aber mit leichter Hand — wir sehen darin eigentlich einen logischen Widerspruch — diesen Gesetzentwurf
vorgelegt habe. Wenn wir uns ihn in seinem Inhalt anschauen, müssen wir sagen, daß das schwere Herz und die leichte Hand wahrscheinlich bestimmend dafür gewesen sind, daß trotz der langen Bearbeitung dieser Vorlage eigentlich eine sehr unentwickelte Frucht dabei herausgekommen ist. Obwohl wir inzwischen im Hause Erfahrungen darüber gewonnen haben, daß es oft vorkommt, daß Anträgen des Hauses, die mit Terminen versehen sind, seitens der Bundesregierung nicht, die genügende Beachtung geschenkt wird, glauben wir, daß die Länge der Zeit leider nicht förderlich für den Inhalt, die Form und die Gestalt dieses Gesetzentwurfes gewesen ist. Wenn vielleicht der Zeitraum, den wir für die Bearbeitung gesetzt hatten, stärker beachtet worden wäre, hätten sich die Beteiligten einschließlich der Vertreter des Bundesrats wohl mehr daran erinnert, daß in den letzten Tagen vor der endgültigen Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes in der gemeinsamen Beratung zwischen den Mitgliedern des Wohnungsausschusses des Bundestages und des gleichen Ausschusses des Bundesrats doch eine fast einmütige Auffassung über die in dieser Frage bestehenden Notwendigkeiten gegeben war. Die Länge der Zeit ist in diesem Zusammenhang, so glauben wir, eigentlich unheilbringend gewesen und hat zu der uns heute vorliegenden Fassung des Gesetzes geführt, die uns leider sehr wenig befriedigt. Auch der Papierverbrauch, der mit dem Zustandekommen dieses Gesetzes verbunden war, hat leider nicht positivere Formulierungen bewirkt, sondern eher das Gegenteil. Es sollen ja wohl acht bis zehn, wenn nicht gar dreizehn Entwürfe zur endgültigen Formung dieser Materie innerhalb der Bundesregierung oder des Bundesministeriums vorgelegt worden sein.
Doch, meine Damen und Herren, wir wollen uns mit dem Grundsätzlichen dieses Gesetzes beschäftigen. Nach einer allgemeinen Betrachtung fürchten wir sagen zu müssen, daß dieses Gesetz in seiner Formung allzusehr den Interessen des Individuums in einer Überspitzung rechtsstaatlicher Gesichtspunkte bis zur formalistischen Gestaltung seines Inhalts Rechnung trägt. Wir glauben, daß die Kriegszerstörungen in unseren Gemeinden und die Verpflichtung insonderheit der öffentlichen Hand, mit allen Mitteln den Wiederaufbau unseres schwer zerstörten Vaterlandes zu fördern, vor allem aber auch die Interessen unserer heimatvertriebenen Mitbürger in der Formung des Gesetzes stärkeren Ausdruck finden und die Notwendigkeiten des Gemeinwohls mehr in den Vordergrund rücken müssen, als es bei dem Gesetz in seiner jetzigen Fassung der Fall ist. Wir wissen dabei sehr wohl zwischen dem berechtigten Schutz allen echten Arbeitseigentums und dem Besitz, der etwaigen spekulativen Erwägungen dienen soll, zu unterscheiden. Gegenüber den begründenden Ausführungen meines Vorredners möchte ich sagen, wir glauben keineswegs, daß wir ein Bodenrecht zu schaffen haben, das die berechtigten Interessen des Arbeitseigentums außer acht läßt. Bei der Regelung der Entschädigungsbemessung ist es nach unserer Auffassung von entscheidender Bedeutung, daß das gesichert wird, was auf eigener Leistung beruht, und daß bei der Preisfestsetzung alles ausgeschlossen wird, was etwa heute oder früher aus spekulativen Erwägungen bei der Bodenpreisbemessung eingebracht worden ist.
Im übrigen haben wir auch grundsätzlich gegenüber der Formung dieses Gesetzentwurfes Bedenken, weil wir in ihm keine genügenden Vorschriften sehen, um das schwerwiegende Problem, das im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau unserer zerstörten Gemeinden auftritt, nämlich die Sicherung der notwendigen Gemeinbedarfsflächen zugunsten der Gemeinden, durch eine Regelung zu lösen, die für die öffentliche Hand tragbar wäre. Wir müssen sowohl bei der Entschädigungshöhe für etwa enteigneten Grundbesitz als auch bei der Erlangung der nötigen Gemeinbedarfsflächen daran denken, daß unsere öffentlichen Mittel infolge der vielfachen Beanspruchungen, die von allen Seiten an sie herantreten, beschränkt sind. Jede Erhöhung eines Bodenpreises bedeutet eine Vermehrung der Baukosten, die letzten Endes zu Lasten der öffentlichen Hand geht. Wir müssen bei der Preisregulierung das Gemeinwohl in dem Sinne in den Vordergrund stellen, daß zwar das berechtigte Interesse des Grund- und Bodenbesitzers nicht verletzt wird, daß aber auch an keinen eine Zuwendung erfolgt, auf die er nicht aus eigener Leistung Anspruch hat.
Uns befriedigt auch nicht, Herr Bundesminister, die Regelung, die wegen des Rechtszuges getroffen ist. Wir anerkennen zwar, daß die Bundesregierung sich bemüht hat, eine Vereinheitlichung herbeizuführen. Wir haben jedoch nach wie vor allerschwerste Bedenken dagegen, daß der im Gesetzentwurf vorgeschriebene Weg mit den Baulandkammern bei den Landgerichten beschritten wird, weil wir erstens glauben, daß bei der heutigen Regelung die sachlichen und personellen Voraussetzungen für die Besetzung dieser Kammer nicht gegeben sind, und weil wir zweitens glauben, daß wir im Streitverfahren nicht die schnelle Entscheidung erreichen, die im Verwaltungsverfahren möglich ist. Doch diese Dinge mögen in der Diskussion und in der Ausschußberatung im einzelnen geprüft und vertieft werden.
Wir haben mit großem Bedauern davon Kenntnis genommen, daß der Bundesrat in seiner Stellungnahme den dritten, vierten und fünften Abschnitt des ursprünglichen Gesetzentwurfes der Bundesregierung kurzerhand gestrichen hat. Bei allem Verständnis, das wir trotz unserer sehr eingeschränkten Zustimmung auch für die berechtigten Interessen der regionalen Verbände unserer Bundesrepublik haben, glauben wir nicht, daß es möglich ist, das Verfahrensrecht etwa den 11 Ländern zu überlassen und den frischfröhlichen Zustand, wie wir ihn bis heute haben, vielleicht auf Dauer und auf Ewigkeit fortzusetzen.
Auch der Entwurf der CDU' befriedigt uns nicht. Wir sehen aber in ihm ebenso wie in dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorgelegt hat, eine Grundlage der Diskussion. So will ich mit meinen Ausführungen unsere Bereitschaft bekunden, beide Vorlagen als Beratungsgrundlage zu betrachten. Dabei haben wir die Absicht, wesentliche Veränderungen und, wie wir glauben, Verbesserungen im Interesse des deutschen Wiederaufbaus anzubringen. Wir wollen wirksame Maßnahmen zum Ausschluß aller Spekulationsgewinne aus früheren Jahren und wollen ein einfaches und schnelles Verfahren einführen. Ich stimme mit meinem Vorredner durchaus darin überein, daß das Enteignungsverfahren nur die gesetzliche Androhung gegenüber demjenigen sein kann, der nicht guten Willens ist. Wir sollten versuchen, den für den Wiederaufbau und Neubau unserer deutschen Heimat erforderlichen Boden in möglichst weitem Umfang durch Verhandlungen der Beteiligten zu ge-
winnen. Wir sollten gesetzliche Vorschriften schaffen, die denjenigen, die heute den Grund und Boden in der Hand haben, deutlich machen, daß sie nicht mehr als den auf ihren eigenen Leistungen beruhenden Preis fordern können, daß sie jedenfalls im Enteignungsverfahren nicht mehr als diesen Preis bekommen werden.
Wir wollen mit unserer Mitarbeit und mit unseren Anträgen, die wir in der Ausschußberatung zu stellen haben, den Anforderungen unserer Zeit dienen; wir wollen aber auch den Erkenntnissen dienen, die sich aus moderner Planung für unsere Zeit ergeben. Wir wollen nicht verhehlen, daß wir gegen die vorläufige Regelung, die der Gesetzentwurf vorsieht, allerschwerste Bedenken haben. Es wäre von der größten Bedeutung, das Baurecht einschließlich des Umlegungs- und Planungsrechts grundsätzlich auf bundesgesetzlicher Ebene zu regeln. Aber wir wollen den Weg mitgehen, um das zu erreichen, was vorläufig möglich ist, weil wir andererseits genau wissen, wie schwer es im Schoße dieser Bundesregierung und ihrer Mehrheit sein wird, die mit' dem Enteignungsproblem zusammenhängenden Fragen wirklich in eine Übereinstimmung mit den Notwendigkeiten zu bringen, die sich auf Grund unserer volkswirtschaftlichen Probleme ergeben. Wir wollen dafür gern noch etwas Zeit geben, wenn diese Zeit dazu beitragen könnte, daß wir vor Ablauf der Wahlperiode dieses Hauses ein Baurechtsgesetz verabschieden können. Wir sind nicht der Meinung, daß mit dieser vorläufigen Regelung der Baulandbeschaffung etwa unserem Verlangen Genüge getan ist, das auch unsere Freunde von der anderen Seite des Hauses im Wohnungsausschuß und im Wiederaufbauausschuß einmütig unterstützen. Wir richten in Übereinstimmung mit den anderen Mitgliedern dieser Ausschösse an den Herrn Bundesminister den dringenden Appell, in seinem Ministerium sowohl nach der personellen als auch nach der sachlichen Seite die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine Vorlage betreffend das gesamte Baurecht in absehbarer Zeit an den Bundestag herangebracht und zum Abschluß gebracht werden kann.
Unsere Stellungnahme zu dem Gesetz ergibt sich eindeutig aus der Auffassung, daß Bodenbesitz ein anderes ist denn der Besitz beliebig vermehrbarer Ware. Es ist ein Pfand in den Händen des Bodenbesitzers, das zum Wohle der Allgemeinheit für die Schaffung gesunder Wohnungen, Heimstätten und öffentlicher Anlagen — zum niedrigsten Kostenpreis, der überhaupt möglich ist — eingesetzt werden muß. Es sollte hier keinen Raum geben für die Befriedigung erwerbswirtschaftlicher Erwartungen, sondern das Gesetz sollte nur dienen der Erfüllung gemeinsamer Verpflichtungen aller Deutschen, auf daß wir auch hier die Wunden heilen können, die uns der Krieg und der Wahnsinn derjenigen, die leider auch Deutsche waren, geschlagen haben. Wir brauchen dazu ein Enteignungsrecht, um denjenigen gegenüber, die glauben, daß sie sich den Notwendigkeiten unserer Zeit und unseres Volkes verschließen könnten, das Recht der Gesamtheit unseres Volkes auf Herausgabe desjenigen durchzusetzen, das im Interesse unseres Volkes für den Wiederaufbau benötigt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Einige Punkte der Kritik des Herrn Kollegen Meyer kann ich mir selbst zu eigen machen, bei anderen lege ich die Kritik von genau der entgegengesetzten Seite an. Ich bin mit dem Herrn Kollegen Meyer durchaus einig, wenn er sagt, man solle das gesamte Bau- und Bodenrecht bundeseinheitlich regeln. Ich stimme ihm darin zu, daß hier auch zu der Behandlung der Materie im Ministerium etwas Kritisches zu sagen ist. Den großen Entwurf haben wir im vorigen Sommer bekommen. Dann hat man dieses Baulandbeschaffungsgesetz herausgenommen, das aber durch die dreizehn Gesetzentwürfe hindurch wohl eine Odyssee mitgemacht hat, so daß wahrscheinlich der Verfasser des ursprünglichen Gesetzentwurfs den nunmehr vorliegenden Entwurf nicht mehr wiedererkennen wird.
Ich bin mit dem Herrn Kollegen Meyer auch darin einig, daß die Absicht im vorigen Jahre durchaus dahin ging, ein Baulandbeschaffungsgesetz nicht nur für den Wohnungsbau, sondern auch für den Wiederaufbau zu schaffen. Weil wir das wollten, haben wir die entsprechenden Enteignungsbestimmungen aus dem ersten Entwurf des Bundeswohnungsbaugesetzes herausgenommen. Wir waren der Auffassung, daß man gerade den Wiederaufbau unserer Städte fördern müsse durch die Regulierung und bundesgesetzliche Regelung der bisherigen Enteignungsbestimmungen alter Art, der Länderregelungen und dessen, was sich nach 1945 ergeben hat.
Wenn man schon hier in diesem Gesetzentwurf eine Regelung für den Gemeinbedarf trifft, dann muß man davon ausgehen, daß man, soweit dieser Gemeinbedarf — und das wird der größte Teil sein — sich auf die Verbreiterung der Straßen, Durchlüftung der Stadtkerne bezieht, nicht an der neuen Bauflucht stehenbleiben kann und das, was an Grundstücken im Privatbesitz dahintersteckt, den bisherigen Länderregelungen oder der Regelung nach altem Recht überlassen kann. Man muß dann auch das regeln, und ich spreche die Erwartung aus, daß es uns im Ausschuß gelingen wird, die entsprechenden Vorschläge in das Gesetz hineinzubringen.
Meine Damen und Herren! Was wir in dem Gesetzentwurf vermissen, das ist eine gewisse Rangfolge der Enteignung. Ich habe den Eindruck, als ob nun der Entwurf, fußend auf dem vom vorigen Jahre, etwas zu sehr im luftleeren Raum konstruiert worden ist und auf die Bedürfnisse der Praxis des Wiederaufbaues zu wenig Rücksicht nimmt. ich bin der Meinung, daß zunächst einmal, wenn man enteignen will, das Land der öffentlichen Hand herangezogen werden muß,
und ich bin der Meinung, daß man hier auch an dem Landbesitz etwa der Bundesbahn, der nicht zu Betriebszwecken notwendig ist, nicht vorbeikommt. Sie sträubt sich mit Händen und Füßen dagegen. Sie hat eine ganze Reihe von Grundstücken, die auch als Bauland geeignet sind. Auch dieser öffentliche Besitz muß zunächst herangezogen werden. Dann muß eine weitere Rang- oder Stufenfolge dadurch geschaffen werden, daß wir an die Trümmergrundstücke herankommen, zweitens an die Baulücken, drittens an das Land an ausgebauten Straßen. Ich bin der Meinung, daß man unerschlossenes Bauland nur dann enteignen soll, wenn sonst kein Weg gegeben ist, um etwa Kleinsiedlungen und Eigenheime zu erstellen.
Aber wenn man sich etwa mit der Enteignung der Trümmergrundstücke beschäftigt, muß man — hier widerspreche ich dem Herrn Kollegen Meyer —, davon ausgehen, daß der Eigentümer des Trümmergrundstücks sein Haus, sein Gebäude
durch den Krieg verloren hat; er kann nicht damit rechnen, daß er eine Entschädigung durch den Lastenausgleich bekommt; im Gegenteil, wir haben eine ganze Reihe von Fällen, in denen die Trümmergrundstücke noch zum Lastenausgleich beitragen müssen. Ich sehe da keinen Weg, wie man diese Leute in ihren Besitzverhältnissen, in ihren Vermögenswerten noch mehr einschränken soll. Ich bin andererseits der Meinung, daß man, gerade zur Förderung des Wiederaufbaues, diese Leute mehr unterstützen sollte, und ich glaube, ehe man an die Enteignung eines solchen Grundstücks herangeht, muß man dem Besitzer einen Weg weisen, wie er selber wieder aufbauen kann,
d. h. man muß gerade aus städtebaulichen Gründen diesen Leuten bevorzugt mit der Hergabe von Landesmitteln dienen.
Es ist leider festzustellen, daß in den meisten unserer Städte die Planungsämter und die Verwaltungen allgemein sich viel zuwenig um diese Dinge
kümmern und den an sich aufbauwilligen Trümmergrundstücksbesitzern viel zuwenig Hilfe geben.
Überlegen Sie sich einmal, wieviel Gelände an ausgebauten Straßen zur Verfügung steht! Ich glaube, der Ausschuß wird gut daran tun, sich aus einer Reihe von Großstädten eine Übersicht geben zu lassen. Ich kann Ihnen aus meiner Heimatstadt Wuppertal sagen, daß wir nicht weniger als 197 km Straßenfronten an ausgebauten Straßen haben und an Baulücken, die durch Kriegseinwirkung entstanden sind. Wenn Sie davon all das abziehen, was auf Grund der neuen Planung als Bauland nicht mehr verwertbar ist, dann können wir an ausgebauten Straßen immerhin soviel Menschen ansiedeln, daß die Einwohnerzahl unserer Stadt die Halbe-Millionen-Grenze überschreiten würde; aber diesen Ehrgeiz haben wir gar nicht. Das beweist, daß man für den mehrgeschossigen Bau zunächst einmal unter allen Umständen auf dieses Land an ausgebauten Straßen zurückgreifen muß, mit anderen Worten, daß man nicht neues Gelände zu erschließen braucht. Man sollte also nicht im Wege der Enteignung Gelände erwerben, um auf ihm drei- oder viergeschossige Mietwohnhäuser aufzubauen.
Bezüglich des unerschlossenen Geländes müssen wir uns überlegen, welchen Zwecken es jetzt dient. Ist es landwirtschaftlich genutzt, dann gibt es sehr große Schwierigkeiten. Ich glaube nicht, daß wir es uns leisten können, in erheblichem Umfange landwirtschaftlich genutztes Gelände zu nehmen. Das zwingt uns dann automatisch dazu, uns etwa die Landschaftsschutzbestimmungen vorzunehmen und hier Änderungen zu treffen. Das können wir, weil in vielen Großstädten nach dem Kriege auch Baumbestände abgeholzt worden sind, und ich kann mir vorstellen, daß eine Aufforstung durch Obstbäume in Gärten sehr viel dienlicher ist, als wenn man etwa wieder Kiefern oder Laubbäume anpflanzt.
Eine wichtige Gruppe, die uns beim Wiederaufbau außerordentlich hemmt, ist im Gesetz unberücksichtigt geblieben. Ich meine die Restitutionsgrundstücke. Der Ausschuß wird sich überlegen müssen, ob nicht die Möglichkeit besteht, die Enteignung, die dann vielleicht nur durch die öffentliche Hand zu vollziehen wäre, auch auf Restitutionsgrundstücke auszudehnen. Sollte das in diesem Gesetz nicht möglich sein, dann müßten wir dafür ein besonderes Gesetz vorsehen, denn dazu ist die Zustimmung der Hohen Kommission notwendig. Die Tatsache, daß brachliegende Grundstücke eben wegen der Restitution dem Zugriff nicht zugänglich sind, hemmt uns beim Wiederaufbau in sehr starkem Maße.
Ich vermisse in dem Gesetz einen Hinweis an die Grundstückseigentümer — in dem Entwurf der Abgeordneten Lücke und Genossen ist das dankenswerterweise geschehen — auf die Möglichkeiten, die im Gesetz über das Wohnungseigentum liegen.
Eine ganze Reihe von ausgebombten Grundstücksbesitzern hätte die Möglichkeit, wiederaufzubauen durch die Hereinnahme Dritter, die eine Wohnung oder eine gewerbliche Einheit erwerben wollen, und zwar gerade auf dem Wege des Wohnungseigentums und des Teileigentums. Für viele dieser Grundstücksbesitzer kommt dadurch das Kapital, das jetzt gewissermaßen tot in ihren Grundstücken liegt, wieder zum Leben.
Wir werden ferner prüfen müssen, wieweit diese Bestimmungen mit der jetzt in Gang befindlichen Umlegung in Einklang zu bringen sind. Wir haben in allen Ländern die Landesaufbaugesetze. Die Umlegungsbestimmungen variieren nicht allzu sehr. Aber das Durchführungsverfahren ist außerordentlich kompliziert und dauert viele Monate. Erst kommt der Leitfaden, dann kommen die Durchführungspläne, und dann muß die Sache erst Instanzen durchlaufen, auch auf der Ebene der Selbstverwaltung. Wenn man also auch Grundstücke, die nur dem Wiederaufbau, also weniger dem Wohnungsbau dienen sollen, mit hereinnehmen will, dann muß auch diese Frage geklärt werden.
Meine Damen und Herren, es ist hier auch viel über den Grundstückspreis und die Entwicklung der Grundstückspreise geredet worden. Im Gesetz wird von dem zulässigen Höchstpreis gesprochen; das ist der Stoppreis, der seinerseits auf Gutachten der Preisbehörden oder Sachverständiger basiert. Diese Gutachten haben ihrerseits die Preissammlung aus den letzten Jahrzehnten zur Grundlage, und Sie können feststellen, daß der Verkehrswert, also der gemeine Wert, manchmal unter diesem Stoppreis liegt. Die große Frage ist die: Was geschieht, wenn man den Preisstopp beseitigen würde? Ich bin der Meinung, daß im Stadtkern die Preise erheblich sinken würden,
während in den besseren Wohnvierteln draußen die Preise allerdings steigen würden. Letzteres könnte uns gleichgültig sein, denn das ist keine Angelegenheit des Wiederaufbaus und auch keine Angelegenheit des sozialen Wohnungsbaus. Wir wären auf diesem Gebiete einen wesentlichen Schritt weiter, wenn man erreicht hätte, daß der Wert der Grundstücke und der Wert auch der Trümmergrundstücke bei der Finanzierung des Wiederaufbaus auch dem Erwerber voll angerechnet würden. Solange in vielen Ländern dieser Wert überhaupt nicht, in anderen nur mit einer Verzinsung angerechnet wird, die netto nachher 2 % ausmacht, ist ein Grundstücksumsatz überhaupt nicht möglich. Würden wir den Grundstücksmarkt ankurbeln, dann brauchten wir sehr häufig gar nicht zu Enteignungsmaßnahmen zu greifen.
Ich bin nun der Meinung, daß man gerade aus dem vorhin genannten Grunde, nämlich daß man den Trümmergrundstücksbesitzer nicht noch schlechter behandeln kann, als er durch das Schicksal und die Nachkriegszeit schon behandelt worden
ist, eine Sonderregelung für die Gemeinden nicht generell treffen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß man gewisse Ausnahmebestimmungen vorsieht. Aber eine Bevorzugung der Gemeinden darf nach meinem Dafürhalten nicht erfolgen.
Ich bedaure mit dem Kollegen Meyer, daß der Bundesrat die Verfahrensvorschriften bei Enteignungsbehörden und auch die Vorschriften über den Rechtsweg gestrichen hat. Andererseits bin ich im Gegensatz zu ihm der Auffassung, daß die Baulandkammern — eine Konstruktion, wie sie das Gesetz jetzt vorsieht —, besetzt mit Richtern der ordentlichen Gerichte und der Verwaltungsgerichte, ein durchaus geeignetes Instrument sind. Ich bin nicht der Ansicht, Kollege Meyer, daß das Verfahren bei den Verwaltungsgerichten schneller geht. Ich glaube vielmehr, daß es noch langwieriger sein wird, einmal, weil die Verwaltungsrichter außerordentlich überlastet sind, zum andern, weil sie weitab vom Schuß sitzen. Die Baulandkammern im Bereich der Landgerichte sind nahebei. Ihnen stehen sofort Sachverständige zur Verfügung, die die notwendigen Kenntnisse auf dem Grundstücksmarkt haben. Das Interesse der öffentlichen Hand wird durch die Verwaltungsrichter gewahrt, die den Behördengang besser kennen. Andererseits ist es nicht richtig, wenn man erklärt, das sei eine ureigene Sache der Verwaltungsgerichte, weil es sich um Anordnungen der Verwaltung handele. Nein, in vielen Fällen wird die Enteignungsbehörde nur, sagen wir einmal, eine Clearingstelle für den Übergang von Grundeigentum aus privater Hand in andere private Hand sein.
Ich glaube also, daß die Konstruktion des Rechtsweges im Entwurf gut ist. Ich bin auch der Meinung, daß gerade die Bestimmungen über die Ausführungsanordnung richtig sind. Ich weiß allerdings im Augenblick nicht, wie wir im Ausschuß zu einer einheitlichen Meinung kommen sollen; aber ich nehme gern zur Kenntnis, daß der Herr Kollege Meyer für seine Fraktion die Bereitwilligkeit erklärt hat, positiv mitzuarbeiten. Nach den Erfahrungen, die wir in unseren Ausschüssen gemacht haben, werden wir die Probleme sicher in loyaler und sachlicher Weise zu klären versuchen und werden dann hoffentlich in ganz kurzer Zeit dem Hause unsere Vorschläge machen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist hier mit Recht üblich, in der ersten Lesung Grundsätzliches herauszustellen. So gestatten Sie mir, zu den beiden Entwürfen, die zur Debatte stehen, auch etwas Grundsätzliches zu sagen. Es stoßen hier, und zwar in einer seltenen Schärfe, das Privateigentum und die Ansprüche der öffentlichen Hand oder die sozialen Fragen aufeinander. Wir müssen uns bei dieser Vorlage bewußt sein, daß es in erster Linie gilt, die Interessen der privaten Eigentümer zu schützen. Ich bin im .Gegensatz zu dem Herrn Vertreter der Sozialdemokratischen Partei der Meinung, daß wir den Art. 14 unserer Verfassung im Auge haben müssen, wenn wir diese Frage entscheiden wollen. Die Vorlagen der Regierung und auch des Abgeordneten Lücke sind derart, daß man auf ihnen aufbauen kann. Wir sind deshalb der Meinung, daß diese beiden Entwürfe den Ausschüssen überwiesen werden sollten.
Ich möchte hier aber mit allem Nachdruck feststellen, daß es gilt, das öffentliche Interesse nicht dadurch zu befriedigen, daß man das private Interesse, das Privateigentum, hintanstellt. Wir müssen für Wohnungen sorgen. Alle Bemühungen — die wir auch unterstützen und von jeher von unserer Gruppe aus unterstützt haben —, in reichlichem Maße Wohnungen herzustellen, sind zum Teil durch die schwierigen Enteignungsbestimmungen des vorigen Jahrhunderts behindert. Wir müssen deshalb unser Augenmerk in erster Linie darauf richten, wie wir diese Enteignungsbestimmungen modern gestalten und den Forderungen der Praxis entsprechend ändern sollen. Wir müssen jedoch unbedingt im Auge behalten, daß das Privateigentum nicht verletzt wird. Ob das in der Regierungsvorlage und in der anderen Vorlage, über die wir heute zu entscheiden haben, in vollem Umfang geschehen ist, will ich jetzt nicht untersuchen. Das würde zu weit führen. Es wird im Ausschuß Gelegenheit geben, das mit aller Gründlichkeit zu besorgen. Wir müssen den Wohnungsbau fördern; aber wir dürfen den Wohnungsbau nicht auf Kosten des Privateigentums und der privaten Rechte fördern.
— Und der Steuerzahler!
— Das sind ja natürlich immer wieder besondere Auffassungen, die wir in dieser Richtung haben, Herr Kollege Meyer. Wir dürfen das Gesamtinteresse — so wesentlich es ist und sosehr wir darauf bedacht sein müssen, es zu befriedigen —doch nicht dadurch in den Vordergrund stellen, daß wir ein allzu großes Opfer von dem Privateigentümer fordern.
Wir müssen im Auge behalten, daß in jedem Grundstück, das der einzelne hat, ob es nun in der Stadt oder auf dem Lande ist,
doch eine sehr große Arbeit steckt und daß die Arbeitsleistung des einzelnen, die dazu geführt hat, dieses Grundstück zu erwerben und zu erhalten, jetzt nicht dadurch beeinträchtigt werden darf, daß dieses Grundstück schließlich in die Hand eines anderen gebracht wird, der sich dann bequem als Eigentümer in das Bett hineinlegen kann, das ihm andere gemacht haben.
Ich gebe ohne weiteres zu, daß es auch auf diesem Gebiet eine Frage der Gerechtigkeit gibt, daß es auch Pflichten gibt, daß das Eigentum Pflichten einschließt. Aber die Gesetzgebung darf die Erfüllung der Pflichten nicht in einer solchen Weise bestimmen, daß die berechtigten Forderungen der Eigentümer irgendwie vergewaltigt werden. Ich glaube, wir sind uns in diesem Punkte auf der Seite der Koalition vielfach einig, und ich hoffe, daß diese Dinge unter Berücksichtigung der Privatinteressen,
unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Eigentümer erledigt werden. Wir werden in den Ausschüssen in dieser Richtung mitarbeiten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage des Wiederaufbaus ist ein Anliegen allererster Ordnung offensichtlich für alle
Parteien dieses Hauses. Wenn man aber die vorliegenden Gesetzentwürfe sieht, so scheint mir die Blickrichtung dabei nicht ganz in Ordnung zu sein. Diese Gesetzesentwürfe tun so und unterstellen, daß der private Eigentümer von Grundbesitz von vornherein zunächst nicht bereit sei, seinen Grund und Boden für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Ich gebe gern zu, daß eine Bestimmung erforderlich ist, durch die man ihn im Ernstfalle, wenn es notwendig ist, und zwar ziemlich rasch, zwingen kann. Aber sehen wir uns einmal die Verhältnisse an, wie sie liegen. Da hat der Herr Kollege Wirths eben manches treffende Wort ausgeführt, das ich nicht wiederholen will. Aber vor allen Dingen muß man sich einmal überlegen: Ist es zweckmäßig, daß man so viel, wie es bisher geschehen ist, neue Siedlungen außerhalb der Ortskerne baut und so viel neues Land, das bisher Acker- oder Weideland gewesen ist, für diese Zwecke zur Verfügung stellt? — In ' erster Linie sollten wir darangehen, die Kerne der Städte und der Dörfer wieder aufzubauen, die während des Krieges zerstört worden sind.
Am meisten wird Widerstand geleistet, wenn Land zur Verfügung gestellt werden soll, bei dem es sich um bisher noch nicht als Baugelände benutzte Grundstücke handelt. Es ist aber unzweckmäßig, 'solche Grundstücke in größerem Maße heranzuziehen. Wenn man durch die zerstörten Ortschaften fährt, sieht man überall, daß die Ortskerne noch zerstört daliegen und daß draußen neue Siedlungen mit einem riesigen, überflüssigen Aufwand für die Kanalisation, für die Anlage der Straßen, für die In-Benutzungnahme der Grundstücke entstehen, die dann den landwirtschaftlichen Zwecken nicht mehr zur Verfügung stehen, weiter für die Aufschließungskosten, für die Versorgungsleitungen aller Art. Wenn dann hinterher die Leute, die angesiedelt werden, dort wohnen, dann müssen sie für den Verkehr innerhalb der Ortschaft, für Straßenbahn, Vorortbahn usw. noch ungefähr ebensoviel Geld ausgeben wie für ihre Wohnung, wenigstens immer dann, wenn es normal große Familien sind. Viel besser wäre es doch, dieses Land nicht in Anspruch zu nehmen und die Städte nicht so über Gebühr auszuweiten, wie es bisher vielfach, gerade nach dem Kriege, der Fall gewesen ist. Es wäre besser, erst die Ortskerne wieder aufzubauen.
Warum geschieht das nicht? Wenn das bisher nicht geschehen ist, so liegt das nicht daran, daß das Land nicht zur Verfügung steht, sondern daran, daß man nicht den richtigen Leuten die richtigen Zuschüsse gegeben hat. Die Leute, die ihren Besitz dort verloren haben, wären im allgemeinen — von einzelnen Fällen abgesehen — gern bereit, selber wiederaufzubauen. Aber sie bekommen bisher in weit geringerem Maße von der öffentlichen Hand gegebene Zuschüsse als die Gesellschaften, Gemeinschaften aller Art, die Genossenschaften, die jetzt neu gebaut haben, obwohl sie nichts verloren haben. Und gerade diese melden ihren Bedarf an.
Ich bin der Ansicht, daß zunächst das Geld, das die öffentliche Hand für den Wiederaufbau zur Verfügung stellt, denen zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden muß, die den Besitz verloren haben.
Denn es wäre ungerecht, dem einen das Land zu nehmen, um es dem anderen zu geben, damit er aufbauen kann. Ich vermag kein öffentliches Interesse anzuerkennen, das durch Enteignungsbestimmungen unterstützt werden muß, Bauland Kriegsgeschädigten zu nehmen, um es Wohlhabenderen billig zu geben.
— Nein, wir haben das auch zu berücksichtigen. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen, inwiefern es in diesem Gesetz Berücksichtigung finden kann. Ich kann das auch sofort machen. Es muß bei der Herauskristallisierung des Begriffes „öffentliches Interesse" berücksichtigt werden, daß, wenn die Eigentümer mit öffentlicher Hilfe in der Lage sind, ihren Besitz wieder aufzubauen, sie den Vorzug verdienen, und nicht andere Leute.
— In Ihrem Entwurf steht es drin, Herr Kollege Lücke. Ich hätte es, wenn Sie jetzt nicht den Zwischenruf gemacht hätten, an späterer Stelle gesagt, daß aus diesem Grunde Ihrem Entwurf bei weitem der Vorzug gegenüber dem Regierungsentwurf zu geben ist, der der KPD alle Freude machen sollte.
— Ja, ich bin enttäuscht, daß diese Regierung uns einen solchen Entwurf vorlegt, der den privaten und .berechtigten Interessen der Eigentümer so wenig Rechnung trägt.
Man muß im übrigen dabei bedenken, daß der Wiederaufbau viel mehr durch die Tätigkeit der Baubehörden als durch die Renitenz der Eigentümer behindert worden ist. Wenn Sie sich einmal aus der Ortsnähe die Verhältnisse der zerstörten Städte und der Praxis ansehen, wie sie etwa ein Anwalt hat oder jeder Abgeordnete haben sollte, dann wissen Sie ganz genau, daß in den allermeisten Fällen die Planung allein vier oder fünf Jahre die Eigentümer daran gehindert hat, wieder etwas aus ihrem Grund und Boden zu machen, daß man sie zum Teil mit Hilfe der Besteuerung unfähig dazu gemacht hat, ihren Grund und Boden wieder zu bebauen.
Das Baugesetz sollte aber auch Ausschlußfristen für Bausperren setzen, damit endlich der Eigentümer über sein Land wieder verfügen kann. Bisher kann die eine Bausperre an die andere gereiht werden. Gerade in dieser Richtung ist, da es Landesgesetze sind, die die Grundlage dafür geben, eine Vereinheitlichung der Gesetze absolut erforderlich.
Nun zu der Art der Entschädigung: Nach der Regierungsvorlage ist auf Antrag des Interessenten Landentschädigung erforderlich. Genau umgekehrt müßte es sein: Auf Antrag des Enteigneten müßte eine Entschädigung durch die Hergabe anderen Landes möglich sein. Denn man sollte sich darüber klar sein, daß es nicht gleichgültig ist, ob einer Geld an Stelle von Grund und Boden bekommt. Es liegt auch im Sinne der Bewirtschaftung, daß es dem zu Enteignenden nicht gleichgültig sein kann, ob er ein anderes Stück Land oder ob er Geld an Stelle seines Landes bekommt. Es müßte also genau umgekehrt sein, als es der Regierungsentwurf vorsieht.
Völlig unverständlich ist mir außerdem, wie der Regierungsentwurf hinsichtlich der Entschädigungeinen Unterschied machen kann je nach der Person des Empfängers. Es sollte klar sein, daß jemand,, der etwas gegen Entschädigung hergeben muß, auch sofort Entschädigung verlangen kann. Daß aber nun die Entschädigung auf zehn Jahre ver-
teilt werden kann, wenn der Empfänger des zu enteignenden Grundstücks eine Gemeinde ist, beweist, welche fiskalische und bürokratische Gesichtspunkte bei der Vorlage dieses Entwurfs Pate gestanden haben.
Im übrigen mag man über das Stockwerkseigentum denken, wie man will. Ich halte es nicht gerade für eine glückliche Erfindung. Nachdem es aber einmal da ist, vermag ich nicht einzusehen, warum der zu Enteignende auf Antrag nicht das Recht bekommen soll, Stockwerkseigentum zu erhalten.
— Steht bei Ihnen drin, Herr Kollege Lücke; ich begrüße es, daß Sie es hineingesetzt haben. Ich würde es — freuen Sie sich schon im voraus! —jetzt auch sagen. Ich bin überhaupt der Ansicht, daß nur Ihr Entwurf und nicht der Entwurf der Regierung eine Plattform für die weitere Diskussion sein sollte.
Wenn man aber das Stockwerkseigentum nicht verlangt, sondern nur ein Wohnrecht auf beschränkte Zeit, warum sieht man das nicht als Entschädigung für die Enteignung vor? Man muß doch aus der alltäglichen Praxis wissen, daß gerade die Trümmergrundstückseigentümer sehr gern auf solche Vorschläge eingehen und daß sie sehr gern bereit sind, auf ihr Eigentum zu verzichten, wenn sie für die Zeit ihres Lebens für sich selbst oder auch zur Vermietung eine Wohnung bekommen. Das alles übersieht die Regierung. Deshalb kann man sich dem Eindruck, der nahezu zwingend ist, nicht entziehen, daß es ein Gesetz ist, das nicht im öffentlichen Interesse liegt, sondern der Bequemlichkeit der Behörden dient.
— So scharf muß man es formulieren! Sie sind nicht der Anwalt, der alle Tage die Beschwerden von Leuten hört, die sich gerade über die Gebarung von Baubehörden beklagen, die dem Wiederaufbau unserer Städte bedeutend mehr im Wege gestanden haben als der Hausbesitz und der Grundbesitz, gegen den man sich jetzt wendet. Das ist nämlich die verkehrte Blickrichtung, von der ich eingangs gesprochen habe. Nicht die Besitzer von Grund und Boden wehren sich gegen den Wiederaufbau, sondern ' die Schwierigkeiten kommen von ganz anderer Seite her. Es gibt einige, die im Wege stehen mögen, und gegen diese mögen die Enteignungsbestimmungen Anwendung finden. Man muß aber auch in das Gesetz so viel Hemmungen für die Enteignung einbauen, daß die Enteignung nicht leichtfertig und überflüsig angewandt werden kann. Die Enteignung muß bloß dazu dienen, den Mißbrauch des Eigentums zu verhindern, sie darf aber nicht :die Idee des Eigentums aushöhlen und untergraben, die letzten Endes bald bloß noch darin besteht, sich obrigkeitlich verwalten zu lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Regierungsentwurf lehnt die Zentrumsfraktion ab. Mit dem Entwurf der Herren Lücke und Genossen sind wir insoweit einverstanden, als wir glauben, daß im Laufe der weiteren Beratung ein durchaus brauchbares Gesetz daraus entstehen kann. Es trägt im wesentlichen schon Züge, mit denen man völlig einverstanden sein kann; und in 'Einzelheiten kann es korrigiert werden.
Zu diesen notwendigen Korrekturen gehört es auch, glaube ich, daß man den Rechtszug etwas anders gestalten muß, als Sie, Herr Lücke, ihn vorsehen. Das Notwendige ist nicht eine Revisionsinstanz, sondern eine zweite Tatsacheninstanz, eine Berufungsinstanz. Wenn nur zwei Instanzen, dann sind wir der Ansicht, daß es zwei Tatsacheninstanzen — also eine Berufungsinstanz — sein müßten. Dann kann man auf die Revision verzichten. Wenn Sie aber auf die Revision wegen der Rechtseinheitlichkeit Wert legen, dann mag es angehen, daß man entweder eine Sprungrevision oder zusätzlich als dritte Instanz eine Revision zuläßt; Sprungrevision dann, wenn eine der Prozeßparteien mehr Wert auf die Revision als auf die Berufung legt.
Liegen weitere Wortmeldungen vor?
— Herr Abgeordneter Dr. Brönner wünscht das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf beschreiten wir eines der schwierigsten Rechtsgebiete: das Gebiet der Rechte und Pflichten des Eigentums; und weiter behandeln wir wiederum eine der wichtigsten sozialen Fragen. Wir sind uns darüber klar, daß die Bindungen im Grundgesetz unter allen Umständen einzuhalten sind. Wir haben lange Erörterungen darüber angestellt, ob das Grundgesetz geändert werden müßte, um ein wirksames und brauchbares Baulandbeschaffungsgesetz zu ermöglichen, oder ob wir es auch im Rahmen des Grundgesetzes erreichen. Wir sind uns darüber einig geworden, in Rahmen des Grundgesetzes das Äußerste zu versuchen, um ein schnelles und wirksames Verfahren durchführen zu können.
Zunächst einiges über den Begriff des Eigentums. Ich will mich nicht über den Inhalt dieser beiden Gesetzentwürfe verbreiten, weil der Inhalt schon von verschiedenen Rednern dargelegt worden ist; aber ich glaube über das Eigentum und seinen Begriff einige grundsätzliche Ausführungen machen zu müssen. Das Eigentum ist im Grundgesetz gewährleistet, aber das Eigentum verpflichtet auch nach dem Grundgesetz. Die Schranken nach hüben und drüben sind durch Gesetz zu bestimmen.
Da wird man sagen können: Je ärmer und notleidender ein Volk ist, desto größer ist die Verpflichtung des Eigentums, und je reicher ein Volk ist, desto mehr kann man das Eigentum respektieren und auf freien Wegen gehen lassen. Dieser Grundgedanke ist für unsere Betrachtung, wie wir das notwendige Bauland beschaffen wollen, maßgebend.
Wir brauchen das Bauland für die Kleinsiedlung, für das Eigenheim, für das Wohnungseigentum, für den Wiederaufbau der Städte. Wir brauchen diese Baulandbeschaffung, besonders um den Heimatvertriebenen und denen, die in den Städten ein Heim verloren haben, einen leichteren, sichereren und schnelleren Weg zu schaffen, damit sie wieder zu Eigentum, damit sie wieder zu einer Wohnung kommen.
Das Eigentum, das hier angepackt werden muß, muß also im Rahmen des Art. 14 des Grundgesetzes behandelt werden. Eine Vorschrift dieses Artikels ist vor allem hervorzuheben; sie lautet, daß die Gesetzgebung, die Verwaltung und Rechtsprechung den Grundrechten entsprechen muß. Das Eigentum ist ein Grundrecht, das nach Art. 19 in seinem
Wesensgehalt nicht angetastet werden darf. Daher müssen wir die Entschädigung für das enteignete Grundstück usw., überhaupt die ganze Enteignung, nach den im Grundgesetz geltenden Vorschriften beschließen.
Wir haben bei der Beratung über diesen Entwurf weiter verlangt, daß endlich ein bundeseinheitliches Gesetz zur Beschaffung von Bauland herausgebracht wird. Wir haben zwar fast in allen Ländern Enteignungsgesetze. Es hat sich aber herausgestellt, daß einerseits die Vielfalt und dann wiederum die Schwierigkeit und die Langwierigkeit der Durchführung dieser Enteignung eben ein bundeseinheitliches, schnell arbeitendes Baulandenteignungsgesetz notwendig machen.
Wir wissen auch, daß in diesem Gesetz noch mancherlei Mängel enthalten sind, einmal der Mangel, daß der Wertzuwachs und die Grundrente durch das Gesetz nicht erfaßt werden.
Wir wären am liebsten auch an diese Seite des Problems herangegangen; aber nach Prüfung der vielfältigen Fragen kamen wir zu der Überzeugung, es handle sich um ein so schwieriges und so umfangreiches Gebiet, daß wir es nicht so schnell bewältigen können, wie wir diesen Gesetzentwurf durchbringen möchten. Es ist außerdem eine steuerliche Angelegenheit, eine Frage, die durch eine Wertzuwachssteuer oder auf ähnliche Weise einmal geregelt werden soll oder geregelt werden muß.
Ferner brauchen wir ein einheitliches Bundesbaugesetz. , Wenn heute ein Baumeister einer Stadt vom Süden nach dem Norden umzieht, dann muß er erst 'anfangen, die Baugesetze der einzelnen Länder zu studieren. Daher brauchen wir — ähnlich wie das Erste Bundeswohnungsbaugesetz und wie das Baulandbeschaffungsgesetz — ein Bundesbaurecht, das in einem einheitlichen Gesetzentwurf von unserem Ministerium in allernächster Zeit vorgelegt werden sollte. Die Grundarbeiten dafür liegen vor. Wir haben eine Menge von Aufsätzen über dieses Gebiet in die Hand bekommen. Vielleicht legen wir Ihnen auch vom Ausschuß eine Entschließung bei der zweiten und dritten Beratung dieses Gesetzentwurfs vor, wonach die Regierung aufgefordert wird, diesen Gesetzentwurf in einer bestimmten Zeit vorzulegen.
Meine verehrten Frauen und Männer! Wir sind uns klar darüber, daß wir damit eine der wichtigsten sozialen Aufgaben in Angriff nehmen, ähnlich wie beim Ersten Wohnungsbaugesetz. Bei diesem Gesetz haben wir im Ausschuß einheitlich zusammengearbeitet. Wir haben Ihnen von allen Fraktionen aus einen einheitlichen Antrag vorgelegt. Ich bin der Überzeugung, wir werden auch dieses überaus schwierige Gesetz in unserem Ausschuß für Wohnungsbau und in dem für Bau- und Bodenrecht so geschlossen und einheitlich behandeln, daß wir wiederum mit einem gemeinsamen Antrag vor Sie hintreten können. Wir glauben, daß die Unterlagen, die wir von zwei Seiten vorgelegt bekommen haben, uns reichliches und wertvolles Material liefern und daß durch diese beiden Anträge eine Bereicherung in die Beratung hineingekommen ist. Es soll keine Konkurrenz sein; aber wir sahen uns, gerade weil der Gesetzentwurf so lange auf sich warten ließ, verpflichtet, selbst etwas zu erarbeiten. So haben wir eine wertvolle Grundlage, wir haben den Willen zur Zusammenarbeit und wir werden bestimmt diesen Gesetzentwurf einheitlich beraten und dem Hohen Hause möglichst bald als Antrag vorlegen können.
Weitere Wortmeldungen liegen aber jetzt nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung.
Meine Damen und Herren, es ist Überweisung an die Ausschüsse für Bau- und Bodenrecht, für Wiederaufbau und Wohnungswesen und für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt.
— Herr Abgeordneter Dr. Müller wird wahrscheinlich Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragen.
— Weil die Landwirtschaft sehr stark beteiligt ist. Der Antrag ist verständlich. Darf ich unterstellen, daß Überweisung an alle vier Ausschüsse erfolgen soll?
Wer ist für Überweisung an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen? — Das Haus ist einmütig dafür. Wer ist für Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht?
— Ich bitte um die Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist beschlossen.
Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten? — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Die Überweisung ist abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, es gibt keine Anzweiflung, aber da offenbar einige Damen und Herren meine Fragestellung nicht verstanden hatten, bitte ich noch einmal, ein Handzeichen zu geben, wenn Sie Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wünschen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit wie vorhin. Der Antrag ist abgelehnt. Federführend, darf ich annehmen, ist der Ausschuß für Bau- und Bodenrecht.
Ich bitte, freundlichst davon Kenntnis zu nehmen, daß die Antragsteller zu Punkt 3 der Tagesordnung — betreffend Ergänzung des Grundgesetzes, Nr. 2303 der Drucksachen — gebeten haben, diesen Punkt heute abzusetzen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 86 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Nr. 2288 der Drucksachen).
Ich möchte darauf hinweisen, daß nach einer mir gewordenen Mitteilung eine Vereinbarung darüber zustande gekommen ist, den Gesetzentwurf ohne Begründung und Aussprache dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Vertreter des Bundesrates hat mich gebeten, darauf hinzuweisen, daß er bereit sei, den Entwurf mündlich zu begründen. Ich verweise auf die schriftliche Begründung. Ich darf annehmen, daß Überweisung an den Haushaltsausschuß erfolgt. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Dauer bestimmter Patente ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz (Nr. 2299 der Drucksachen). (Erste Beratung: 110. Sitzung.)
Der Ältestenrat schlägt eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoogen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Hoogen , Berichterstatter! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Vorschriften des deutschen Patentgesetzes genießt ein Patent eine Schutzdauer von 18 Jahren. Die Frist beginnt mit dem auf die Anmeldung folgenden Tag, und der Schutz tritt nach der Veröffentlichung in Kraft. Das ist die Regelung, wie sie im Patentgesetz getroffen ist. Während des Krieges, in den Jahren 1942 und 1943, sind Vereinfachungsbestimmungen erlassen worden. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß der Wirtschaftsrat seinerzeit einstimmig ein Gesetz beschlossen hat, durch welches die Patentschutzrechte zum 31. Dezember 1949 auslaufen sollten, und daß sie auch ausgelaufen sind. Man war damals aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Gründen einmütig der Auffassung, daß Patente nicht verlängert werden sollten. Das Reichspatentamt hat in der Zeit vom Oktober 1944 bis zur Begründung des Deutschen Patentamtes in München am 1. Oktober 1949 nicht gearbeitet. Das hatte zur Folge, daß auch keine Patentschriften veröffentlicht werden konnten, was wiederum zur Folge hatte, daß eine bestimmte Kategorie von Erfindern praktisch nicht den Schutz ihrer Patente genoß, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen verpflichtet waren, ihre Patente geheimzuhalten, nicht nur die Patentschriften, die auf das Patent bezüglichen Unterlagen, sondern auch die Produkte: Das war für die Regierung Veranlassung, diese bestimmte Kategorie von Patenten zur Verlängerung um die Zeit von rund 5 Jahren vorzuschlagen. Sie finden die Begründung dieser Regierungsvorlage in der Drucksache Nr. 1730. Ich darf im Interesse der Abkürzung der Verhandlungen darauf Bezug nehmen.
Der Ausschuß ist diesem Gesetzentwurf mit einer redaktionellen Änderung, die Sie in der Drucksache Nr. 2299 vorfinden, und mit einer sachlichen Änderung, nämlich einer Fristverlängerung von zwei Monaten auf vier Monate, inhaltlich in vollem Umfange beigetreten.
Der Ausschuß hat mich aber — und ich darf hervorheben: einstimmig — beauftragt, bei dieser Gelegenheit als Berichterstatter noch folgendes zu sagen. Die Frage der Verlängerung von Patenten in dem eben erwähnten ganz bestimmten kleinen Umfange, weil er in diesem Falle aus Rechtsgründen nötig zu sein schien, hat natürlich auch die Frage nach sich gezogen, ob nicht eine allgemeine Patentverlängerung eintreten solle. Damit hat sich, wie ich eben schon sagte, bereits der Wirtschaftsrat in seinen Beratungen über das. Erste und Zweite Überleitungsgesetz sehr eingehend befaßt. Diejenigen Damen und Herren des Hohen Hauses, die dem Wirtschaftsrat angehört haben, darf ich daran erinnern. Der Wirtschaftsrat ist damals einmütig, wie ich schon sagte, zu der Auffassung gekommen, daß es aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen nicht richtig sei, eine Verlängerung der
Patente allgemein oder im Einzelfall vorzunehmen Dieser Auffassung des Wirtschaftsrates hat sich der Patentrechtsausschuß dieses Hohen Hauses — wiederum einstimmig — angeschlossen, und zwar aus folgenden Gründen.
Ich darf, bevor ich diese Gründe erörtere, vorausschicken, daß der Patentrechtsausschuß in seinen monatelangen Beratungen die Vertreter aller Gruppen, die mit Patentrecht und gewerblichem Rechtsschutz zu tun haben, angehört hat. Ich darf aber auch darauf hinweisen, daß sich der Patentrechtsausschuß bei der Entscheidung der Frage naturgemäß nicht von den Gründen der einen oder anderen Gruppe irgendwie hat leiten lassen, sondern daß er sich bei seiner Entscheidung von der Rücksicht auf das Ganze hat leiten lassen.
Meine Damen und Herren, zu einer Frage des Patentrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes, insbesondere zur Frage der Patente, kann man einen verschiedenen Standpunkt einnehmen, je nachdem, auf welcher Seite man steht, ob man auf der Seite der Erfinder steht oder auf der Seite derjenigen, in der Industrie vor allen Dingen, die die Patente nutzen und verwerten. Auf den einen oder den andern Standpunkt konnte sich der Ausschuß natürlich nicht stellen, sondern er mußte sich fragen und hat sich gefragt, was im Interesse der gesamten deutschen Wirtschaft — unabhängig davon, ob die eine oder die andere Gruppe Opfer bringen muß, denn Opfer muß sie sicher bringen — das Richtige ist. Das hier zu erklären, hat der Ausschuß mich ausdrücklich beauftragt, und ich habe mich dieses Auftrags entledigt.
Ich bitte Sie namens des Ausschusses, dem Antrag Drucksache Nr. 2299 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in der zweiten Beratung auf: § 1. Zu § 1 ist ein Änderungsantrag angekündigt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schuler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Patentausschuß hat eine Entscheidung nach dem Rechtsstandpunkt getroffen, was ich durchaus anerkenne. Aber ich darf auf die Patentinhaber hinweisen, die durch einen Notstand, hervorgerufen durch Einberufung zum Wehrdienst während des Krieges und durch den Rohstoffmangel nach dem Kriege, ihre Patente nicht haben auswerten können. Der Patentinhaber hat zum Beispiel 1936 das Patent erworben. Dann kam eine Anlaufzeit, dann kam' der Krieg, nach dem Kriege Materialmangel, und jetzt sind schon 15 Jahre verflossen, so daß er nur noch drei Jahre Ausnutzungsfrist hätte. Das ist zu wenig. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeiten für eine Verlängerung der Schutzrechte reichen keineswegs aus. Das würde zu dem Ergebnis führen, daß die freien, angestellten und handwerklichen Erfinder mit ihren alten Patentrechten vollkommen an die Wand gedrückt werden. Die Industrie mag mehr oder weniger ausschließlich daran interessiert sein, daß nur solche Altpatente verlängert werden, die von dem früheren Reichspatentamt nicht mehr veröffentlicht oder bekanntgemacht werden konnten. Dagegen sollen die Altpatente, die während des Krieges nicht ausgewertet werden durften, aus nicht zu rechtfertigenden Gründen einfach unter den Tisch fallen. Dabei haben gerade diese Patente nicht nur mindestens das gleiche Recht, sondern
nach meiner Auffassung darüber hinaus sogar noch einen weit höheren Anspruch auf eine Verlängerung des Schutzes.
Es ist doch ganz offenkundig, daß bei der jetzt vorgesehenen Regelung die Inhaber von Patenten, die während des Krieges und in der Nachkriegszeit aus den eben geschilderten Gründen nicht ausgewertet werden konnten, schwere Einbußen erleiden müssen. Das Handwerk und der gewerbliche Mittelstand weisen einen beachtlichen Teil gerade solcher Patentanmelder auf. Für diese Kreise ist eine Verlängerung der Schutzdauer für Altpatente über die vorgesehenen 18 Jahre hinaus um mindestens weitere fünf Jahre, wenn nicht sogar um zehn Jahre angebracht und geboten.
Ich will Ihnen aus den Schreiben von Handwerksbetrieben, die in großer Zahl vorliegen, nur drei Beispiele bekanntgeben. Die Strickerei Alois Elender in Rosenheim erklärt:
Die Fabrikation mußte während des Krieges
eingestellt werden, da Reparaturarbeiten für
die Wehrmacht ausgeführt werden mußten. Schmiedemeister Wilhelm Wiemer in Rheidt im Siegkreis schreibt:
Die Jahre 1940 bis 1947 brachten mir in der Anfertigung des Handwendepfluges eine vollkommene Betriebsruhe.
Die Schlosserei Karl Wallenreiter in Ausgburg teilt mit:
Das Patent konnte während der Kriegszeit wegen der Kriegsbewirtschaftungsmaßnahmen und auch während der Nachkriegszeit bis zur Währungsumstellung nicht verwendet werden.
Meine Damen und Herren, so sehen die Fälle in der Praxis aus. Sie werden aber durch den Gesetzentwurf bisher überhaupt nicht berücksichtigt. Dabei muß darauf hingewiesen werden, daß durch eine Verlängerung der Schutzdauer für Altpatente, deren Auswertung durch Kriegs- und Nachkriegsfolgen unmöglich war, niemand geschädigt würde. Auch nach dem ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 wurden sämtliche Schutzrechte um fünf Jahre verlängert.
Wenn im übrigen der Einwand erhoben werden sollte, daß die Nachprüfung der infolge der Kriegsverhältnisse nicht ausgenutzten Patente zu große Schwierigkeiten bereite, so muß ich entgegenhalten, daß dieser Einwand nicht stichhaltig ist. Etwaige Schwierigkeiten im Einzelfalle wiegen jedenfalls in keiner Weise die Tatsache auf, daß es sich um viele Hunderte, wenn nicht sogar Tausende wirtschaftlich wertvoller Patente handelt, deren Auswertung durch Kriegs- und Nachkriegsfolgen vollständig oder in erheblichem Umfang verhindert werden würde, wenn Sie den vorgelegten Gesetzentwurf jetzt annehmen. Auch ist zu berücksichtigen, daß es sich hierbei meistens um die Erfindungen von Handwerkern handelt, die für den Bedarf der Bevölkerung durchaus von großer praktischer Bedeutung sind.
Schließlich muß darauf hingewiesen werden, daß das Gesetz Nr. 8 der Alliierten Hohen Kommission für ausländische Besitzer deutscher Patente die Verlängerung der Schutzdauer um 10 Jahre bereits vorschreibt. Aus welchem Grunde sollen unsere deutschen Altpatentinhaber schlechter gestellt werden? Nur die Anpassung an das Gesetz Nr. 8 der Alliierten Hohen Kommission kann eine angemessene Lösung bringen. Hierbei müßte allerdings die Einschränkung gemacht werden, daß die
Verlängerung nur für die Zeit zugestanden wird,
in der die Patente nicht ausgenutzt werden konnten. Es ist wichtig, daß die gesetzliche Festlegung möglichst der Regelung im gesamten Westeuropa angepaßt wird. Schon im Hinblick auf das zu erwartende gesamteuropäische Patentamt sollte man sich heute bereits darauf einstellen.
Unser Abänderungsantrag für die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Dauer bestimmter Patente lautet:
I. In § 1, Abs. 1 wird als Ziffer 3 angefügt:
3. Patente, die am 1. 9. 1939 in Kraft waren oder zwischen dem 1. 9. 1939 und dem 1. 10. 1949 angemeldet wurden und aus Gründen des Kriegszustandes nicht in normalem Umfang ausgewertet werden konnten.
II. § 2, Abs. 1 erhält folgende Fassung:
In den Fällen des § 1, Abs. 1, Ziffern 1 und 2 hat die Verlängerung die Wirkung, daß der Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis einschließlich 7. Mai 1950 nicht auf die Patentdauer angerechnet wird.
In § 2 wird als Abs. 1 eingefügt:
In den Fällen des § 1, Abs. 1, Ziffer 3 beträgt die Dauer der Verlängerung 8 Jahre. In § 2 wird der bisherige Abs. 2 Abs. 3; der bisherige Abs. 3 wird Abs. 4.
Ich bitte das Hohe Haus, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Ich habe zwar formell nur § 1 aufgerufen; wir können aber auch den § 2 als aufgerufen betrachten.
— Ich weiß es; Sie kommen noch dran. — Ich wollte nur der Form genügen und auch den § 2 ebenfalls zur Besprechung stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt den eben gestellten Antrag aus folgenden Gründen. Ein Patent stellt ja ebenso wie meinetwegen ein Laden oder ein Immobilienbesitz eine Existenzgrundlage dar. Für die Kriegsschäden an letzteren gibt es den Lastenausgleich. Ein Patent jedoch, das die Existenzgrundlage eines einzelnen gewesen ist, kann nicht zum Lastenausgleich angemeldet werden. Der Schaden, der dem Betreffenden durch die Kriegsauswirkungen angetan worden ist, wird in keiner Weise ersetzt. Aus diesem Grunde sehen wir in dem Entwurf des Gesetzes eine einseitige Benachteiligung derer, die Patente während des Krieges aus kriegsbedingten Gründen nicht ausnutzen konnten.
Wir stimmen daher dem Antrage zu. Wir werden auch dem Gesetz zustimmen, wenn der Antrag durchgeht. Sollte der Antrag nicht durchgehen, so können wir dem Gesetz wegen einer offensichtlichen Ungerechtigkeit nicht zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich als Berichterstatter nochmals zu den beiden Anträgen Stellung nehme. Zunächst darf ich Herrn Kollegen Decker sagen, daß ich es sehr bedauere, daß er seine Einwendungen im Ausschuß nicht vorgetra-
gen hat, wenngleich er nicht stimmberechtigtes Mitglied des Ausschusses ist.
— Ja, es hätte aber genügt, Herr Kollege Decker, wenn Sie Ihre Einwendungen im Ausschuß vorgetragen hätten, auch wenn Sie sich an der Beschlußfassung nicht beteiligen konnten.
Die Begründung, die Herr Kollege Schuler seinem Antrag gegeben hat, ist uns nicht neu. Es bestand die Frage, ob man die Patente, die aus wirtschaftlichen Gründen während des Krieges und in der Nachkriegszeit nicht ausgenutzt werden konnten, verlängern sollte oder nicht. Gerade mit dieser Frage, die ja in einschlägigen Fachkreisen seit Jahren bestens bekannt ist und die auch dem Wirtschaftsrat schon zur Beratung und Entscheidung vorgelegen hat, haben wir uns sehr eingehend befaßt und haben sie, wenn auch schweren Herzens, verneint.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen kurz die Gründe vortragen, auf deren Vortrag ich als Berichterstatter zunächst verzichtet hatte, die für den Ausschuß maßgebend waren, so zu entscheiden und auch die Verlängerung der Patente, von denen Herr Kollege Schuler sprach, abzulehnen. Herr Kollege Schuler hat gemeint, man müsse diesem Ansuchen einer Interessentengruppe von Rechts wegen stattgeben. Das ist nicht so. Von Rechts wegen verhält es sich nämlich folgendermaßen. Ein Patent gewährt dem Patentinhaber das Recht, allein sein patentiertes Produkt herzustellen und zu vertreiben; und zweitens übt es eine Sperrwirkung aus. Das ist der Rechtsinhalt eines Patentes. Keineswegs gibt das Patent dem Patentinhaber ein Recht darauf, daß er es nun auch wirtschaftlich verwerten kann. Das ist sein wirtschaftliches Risiko. Soviel zu dieser Frage.
Es wird gesagt, die Nichtverlängerung der Patente hemme den Export. Im Gegenteil, meine Damen und Herren, sie fördert sogar den Export, weil ja dadurch immerhin, was die Erfinder natürlich nicht wollen, gewisse Patente frei werden und, da die Lizenzgebühren entfallen, billiger werden. Es war eben ein allgemein wirtschaftlicher Grund, weshalb wir uns früher und auch heute gegen die Verlängerung ausgesprochen haben.
Des weiteren wird sehr viel mit dem Gesetz Nr. 8 der Alliierten Hohen Kommission operiert. Auch dieser Hinweis ist nur scheinbar richtig. Ich darf diejenigen, die sich dafür besonders interessieren, darauf hinweisen, daß die Ausländer, die durch das Gesetz Nr. 8 scheinbar bevorzugt sind, ja durch die deutsche Gesetzgebung des Dritten Reiches benachteiligt waren und den Standpunkt vertreten: das ist erst unsere Wiedergutmachung. Um das im einzelnen erläutern zu können, müßte ich das vortragen, was ich im Ausschuß bereits als Berichterstatter vorgetragen habe, und ich müßte Ihnen hier die Verordnungen aus den Jahren 1942 und 1943 erläutern. Das würde aber zu weit führen.
Meine Damen und Herren, ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt ist folgender. Die Rechtssicherheit ist zweifellos ein sehr hohes Rechtsgut. Wenn der Wirtschaftsrat im Jahre 1948 einstimmig beschlossen hat, die Patente nicht zu verlängern, und wenn im Vertrauen auf dieses Gesetz in der gesamten deutschen Wirtschaft, nicht nur in der deutschen Industrie, sondern überall, wirtschaftliche Maßnahmen getroffen worden sind, dann muß sich darauf das gesamte Volk verlassen können.
Ich halte es nicht für erträglich, wenn wir ein Gesetz beschließen, das im Gegensatz zu dem Gesetz aus dem Jahre 1949 steht. Das würde das Vertrauen des Volkes in die Tätigkeit des Gesetzgebers auf das stärkste erschüttern. Insbesondere aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Anträgen nicht stattzugeben, auch nicht dem Antrage, die Angelegenheit nochmals in den Ausschuß zurückzuverweisen. Denn all die Gründe, die hier vorgebracht werden und noch vorgebracht werden könnten, sind — ich bitte Sie, mir das zu glauben, meine Damen und Herren — im Ausschuß nicht nur in einer Sitzung, sondern in zahlreichen Sitzungen des längeren und breiteren erörtert worden. Ich bitte Sie, versichert zu sein, daß es für den Ausschuß eine sehr billige und bequeme Entscheidung gewesen wäre, generell alle Patente zu verlängern. Aus Verantwortung für die Gesamtwirtschaft haben wir uns zu der gegenteiligen Auffassung bekannt; und wir glauben diese Verantwortung auch tragen zu können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu § 1 und § 2.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Abänderungsantrag zu § 1, der von den Abgeordneten Schuler und Dr. Decker begründet worden ist. Wer für die Annahme dieses Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann lasse ich abstimmen über § 1 in der Fassung des Ausschusses. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist angenommen.
§ 2. Ich lasse abstimmen über den Abänderungsantrag, der soeben begründet wurde. Wer für dessen Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 2. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ist angenommen.
§§ 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Damit sind diese Bestimmungen in zweiter Beratung beschlossen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich eröffne die Einzelbesprechung. Ich rufe auf die §§ 1 bis 7, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen eine Stimme angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2316 der Drucksachen).
.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Tenhagen als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe über die Drucksachen Nrn. 2130 und 2316 betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts Bericht zu erstatten.
Die Regierungsvorlage wurde in der 136. Sitzung dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen. Dieser Ausschuß hat sich in vier Sitzungen mit der Materie befaßt. Er schlägt Ihnen vor, dem vorliegenden Gesetzentwurf mit den aus der vom Ausschuß gemachten Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen, im übrigen unverändert nach der Vorlage zuzustimmen und die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich will über die vorgenommenen Änderungen kurz Bericht erstatten. Die Neufassung des Gewerbesteuergesetzes war notwendig. Sie ist von den Gemeinden besonders lebhaft begrüßt worden, weil ja insbesondere sie dieses Gesetz handhaben müssen. Deswegen legen sie naturgemäß auf eine möglichst einheitliche Gesetzgebung Wert.
Durch das Gesetz werden die während des Krieges ergangenen Vereinfachungsverordnungen im wesentlichen aufgehoben. Das ergibt sich aus Art. III § 4.
Zu Art. I § 1 Ziffern 1 bis 3 kann ich berichten, daß die Fassung der Regierungsvorlage vom Ausschuß angenommen wurde. Eine Änderung tritt bei Ziffer 4 ein; sie betrifft § 6 Abs. 2. Nachdem verschiedene Formulierungsvorschläge gemacht worden waren, wurde nach eingehender Beratung eine Einigung erzielt. Es ist nunmehr in Abänderung der Fassung der Regierungsvorlage, allerdings nicht in voller Übereinstimmung mit den Wünschen des Bundesrats, die Formulierung so getroffen, daß hinter dem zweiten Satz des § 6 Abs. 2 folgender Zusatz eingefügt wird:
die Landesregierung kann die Zustimmungsbefugnis auf die nach Landesrecht zuständige Behörde übertragen.
Der Satz 3 erhält dann folgenden Wortlaut:
Die Richtlinien, unter welchen Voraussetzungen diese Zustimmung zu erteilen ist, erläßt die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung.
Das entsprach insbesondere dem Wunsch der Kommunalvertreter; denn hiermit ist die Möglichkeit zu einer Delegierung auf die nächste Ebene gegeben. Damit wird eine Verkürzung des Weges in der Selbstverwaltung von der untersten Stufe zum obersten Organ der Gesetzgebung und letztlich auch eine Verwaltungsvereinfachung erreicht, nach der wir ja auch bei unseren Gesetzeswerken streben sollten.
Zu Ziffer 5 kann ich berichten, daß der Text der Regierungsvorlage erhalten geblieben ist.
In Ziffer 6 wurde hinsichtlich des § 8 Buchstabe a) — ebenfalls auf Wunsch der Gemeinden — eine Neuregelung eingebaut. Es handelt sich hier darum, daß nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Pachtzinsen für eine Betriebsstätte der Gewerbesteuer in derjenigen Gemeinde unterliegen sollen, in der diese Betriebsstätte liegt, und nicht, wie es bisher der Fall war, in derjenigen Gemeinde, in der der Verpächter wohnte und in der er bisher auch zur Steuer veranlagt wurde. Das bedeutet also eine Aufteilung des Steueraufkommens zwischen der Wohngemeinde des Betriebsinhabers und der Gemeinde, in der der Betrieb seinen Sitz hat.
Im Ausschuß entwickelte sich eine Debatte über die Höhe des Prozentsatzes, nach dem das Steueraufkommen aufgeteilt werden sollte. Der Wunsch der Gemeinden ging .dahin, 75 % des Aufkommens derjenigen Gemeinde zu belassen, in der der Betrieb seinen Sitz hat. Da es sich aber in jedem Fall um gegriffene Zahlen handelt, hat der Ausschuß eine 50%ige Aufteilung festgelegt, damit sich diese Bestimmung des Gesetzes erst einmal einspielen kann.
Zu Buchstabe b) ist ebenfalls eine Änderung vorgeschlagen. Sie ist im wesentlichen dadurch bedingt, daß hinsichtlich der Gewerbesteuer eine Gleichstellung der Personengesellschaften mit Körperschaften erreicht werden soll.
Ziffer 7 wurde hinsichtlich der Buchstaben a), b) und c), abgesehen von einigen kleinen redaktionellen Änderungen, die keine sachliche Bedeutung haben, unverändert angenommen.
Die Ziffer 8 bringt die Anpassung des Gewerbesteuerrechts an die neuen Bestimmungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Das ist also eine Änderung, die jetzt mit Rücksicht auf die gesamte Steuergesetzgebung notwendig geworden ist.
Eine längere Debatte entbrannte über die in Ziffer 9 angeschnittene Frage: Vergangenheits-
und Gegenwartsbesteuerung? Der Ausschuß hat es für richtig gehalten, zu dieser Frage noch einmal die Sachverständigen der kommunalen Spitzenverbände zu hören. Das ist auch geschehen. An der Beratung haben dann sowohl die Vertreter des Städtetags, Städtebundes und Gemeindetags als auch Länder- und Bundesvertreter teilgenommen. Die Experten legten in der Mehrzahl Gewicht darauf, daß die durch die Vereinfachungsverordnung am 31. März 1943 eingeführte Gegenwartsbesteuerung beibehalten werden möge. Es kam zum Ausdruck, daß darin zweifellos einige Nachteile lägen; aber man war sich auch darüber einig, daß es kaum möglich sein werde, eine Fassung zu finden, die in vollem Umfang allen Anforderungen genüge. Bei der Abstimmung im Ausschuß ergab sich nur eine Stimme gegen die gefundene Lösung.
Zu Ziffer 10 ist zu berichten, daß die Regierungsvorlage unverändert angenommen wurde.
Ziffer 11 bringt eine Anpassung der Gewerbesteuer an die Körperschaftsteuer. Der Ausschuß hat eine von der Regierungsvorlage abweichende Formulierung angenommen, die Sie aus der Drucksache Nr. 2316 ersehen können. Da es ein verhältnismäßig langer Text ist, darf ich mir wohl ersparen, ihn im einzelnen vorzutragen. Es handelt sich um die Abs. 4 und 5, die unter Ziffer 11 aufgeführt sind.
Die Ziffern 12 bis 16 sind in der Fassung der Regierungsvorlage verabschiedet worden.
Ziffer 17 bringt mit dem § 17 a die sogenannte Mindeststeuer neu in das Gewerbesteuergesetz. Auch über die Frage der Mindeststeuer wurde im. Ausschuß zunächst eine grundsätzliche Debatte geführt. Die Mehrheit des Ausschusses beschloß, sich der Regierungsvorlage anzuschließen und die Mindeststeuer nunmehr in das Gewerbesteuerrecht mitaufzunehmen. Der Ausschuß hat die Vorlage der Bundesregierung insofern beibehalten, als im Gesetz selbst die Möglichkeit erhalten blieb, daß Gemeinden auf die Erhebung der Mindeststeuer verzichten, wenn das Aufkommen aus der Mindeststeuer in einem zu ungünstigen Verhältnis zu der Verwaltungsarbeit steht, die zur Erfassung dieser Mindeststeuer notwendig wird. Hieran sollte un-
bedingt festgehalten werden, obwohl der Bundesrat diese Möglichkeit nicht eingeräumt wissen wollte.
Die Ziffern 18 und 21 der Regierungsvorlage wurden angenommen.
Dasselbe gilt für Ziffer 22 a.
In Ziffer 22 b wurde in Abänderung der Regierungsvorlage die Freigrenze, die beispielsweise im Lande Nordrhein-Westfalen bereits seit 1946 gilt und die nunmehr auf Wunsch der Bundesregierung für die gesamte Bundesrepublik Geltung haben soll, wieder auf die bis vor der Vereinfachungsverordnung übliche Freigrenze zurückrevidiert, und zwar auf 24 000 DM bzw. 7200 DM.
Eine weitere Änderung ist in Ziffer 23 b erfolgt. § 24 b Abs. 3 betrifft die Frage der Zusammensetzung der Lohnsumme. Es heißt im Gesetz:
Zur Lohnsumme gehören nicht:
Beträge, die gezahlt worden sind an
a) Lehrlinge, die auf Grund eines schriftlichen Lehrvertrags eine ordnungsmäßige Ausbildung erfahren,
b) Arbeitnehmer, für die ein Einstellungszwang nach dem Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter besteht,
c) Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, . . . .
Die Vereinfachungsverordnung von 1943 hat bestimmt, daß auch diese Beträge mit zur Lohnsummensteuer zu veranlagen sind. Durch Ausschußbeschluß wurde nunmehr der vor der Vereinfachungsverordnung geltende Gesetzeszustand wiederhergestellt. Wenn das Hohe Haus sich der Meinung des Ausschusses anschließt, werden also in Zukunft diese Beträge — die Lehrlingsvergütungen sowie die Lohnbeträge für Schwerbeschädigte, für die Einstellungszwang besteht, oder für über 60 Jahre alte Arbeiter — nicht wieder zur Veranlagung herangezogen. Dieser Beschluß ist ebenfalls mit Mehrheit gefaßt worden.
Die Ziffern 24 bis 31 wurden — außer der Hinzufügung der Worte „außerhalb des Bundesgebietes" in Ziffer 31, was der Klarstellung der Abgrenzung dient — unverändert angenommen.
Mit der Ziffer 32 sind in das Gewerbesteuerrecht die Wandergewerbebetriebe neu aufgenommen worden. Auch diese waren durch die seinerzeitigen Vereinfachungsverordnungen herausgenommen worden. Die Bestimmungen wurden allerdings noch durch die aus der Fassung ersichtlichen Abs. 3 und 4 erweitert. Die Formulierung mag vielen von Ihnen etwas umständlich und vielleicht auch nicht besonders deutlich erscheinen. Aber die Bedenken, die auch im Ausschuß hinsichtlich der Formulierung geäußert wurden, konnten durch eine entsprechende Interpretierung von Vertretern des Bundesfinanzministeriums ausgeräumt werden.
Den Ziffern 33 und 34 wurde zugestimmt.
Zu Art. II ist zu sagen, daß es sich hier im wesentlichen um die Bestimmungen handelt, die die Gemeinden und die Steuerpflichtigen betreffen. Sie sind in Zusammenarbeit von Ländern und Gemeinden erarbeitet worden. Somit sind in diesem Artikel auch keine besonders erwähnenswerten Änderungen enthalten.
Bei Art. III ist zu § 5 zu bemerken, daß Abs. 2 eine neue Fassung erhalten hat. Die Lander können nach § 5 Abs. 2 die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer einschließlich der Vorauszahlungen auch nach dem 31. Dezember 1950 den Finanzämtern belassen oder übertragen, wenn die Gemeinden dies beantragen oder die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für die Erhebung durch die Gemeinden nicht gegeben sind. Diese Fassung haben wir für notwendig erachtet, weil es in sehr weiten Teilen des Bundesgebietes üblich ist, daß in den kleinen Gemeinden für diese Steuerarbeiten nicht ein besonderer Steuerfachmann beschäftigt wird. Es ist dort üblich und hat sich auch bestens bewährt, daß das Finanzamt für die Gemeinde diese gesamte Arbeit auf dem Steuersektor durchführt. Wir wollten in dem Gesetz die Möglichkeit für eine derartige Handhabe belassen. Es bestehen keine Bedenken, daß hier etwa irgendwelche Kompetenzen der einen oder anderen Stelle eingeengt werden.
Zu Art. IV sind keine besonderen Bemerkungen zu machen.
In Art. VI wurde § 8 Abs. 1 und 2 in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. Der Abs. 3 wurde neu wie folgt formuliert:
Die Vorschriften des § 1 über die Lohnsummensteuer gelten erstmals für die Lohnsumme des Kalendermonats, der nach Verkündung dieses Gesetzes beginnt.
Der Ausschuß hat es abgelehnt, ein Gesetz dieser Art mit rückwirkender Kraft zu erlassen.
Ich habe noch auf einige redaktionelle Änderungen hinzuweisen und bitte das gleich im Rahmen des Ausschußberichts erledigen zu dürfen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat in der 84. Sitzung außerhalb der Tagesordnung die Frage erörtert, ob auch im Gewerbesteuergesetz das Wort „Bundesgebiet" durch die Worte „Geltungsbereich des Grundgesetzes" ersetzt werden sollte. Die Frage ist grundsätzlich bejaht worden. Der Ausschuß hat sich dabei auf die Ausführungen, die der Abgeordnete Dr. Arndt über diese Grundsatzfrage in der 133. Vollversammlung gemacht hat, und auf das Protokoll der 59. Sitzung des Rechtsausschusses gestützt. Das Hohe Haus hätte also zu genehmigen, daß überall dort, wo in diesem Gesetz in Verbindung mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes das Wort „Bundesgebiet" gebraucht wird, die Fassung „Geltungsbereich des Grundgesetzes" tritt. Ich bitte den Herrn Präsidenten, dies für die Abstimmung vorzumerken.
Weiter ist in Art. I § 1 Ziffer 4 Buchstabe b) in der Überschrift an Stelle des Wortes „Wortlaut" das Wort „Fassung" zu setzen. An der gleichen Stelle ist in der zweiten Zeile eine Korrektur vorzunehmen. Anstatt „diese Zustimmung" muß es „die Zustimmung" heißen.
Eine weitere redaktionelle Änderung ist in Art. I Ziffer 19 vorzunehmen. In § 19 Abs. 3 Satz 2 ist hinter dem Wort „voraussichtlich" das Wort „für" einzufügen, so daß es dort heißt: „. . . der sich voraussichtlich für den laufenden Erhebungszeitraum ergeben wird".
In Art. I Ziffer 22 ist der § 23 Abs. 1 Satz 2 wie folgt zu ändern: „Die Gemeinde kann in einzelnen Fällen . . ."
Eine weitere Änderung ist in Art. I Ziffer 23 vorzunehmen. In § 24 Abs. 3 Ziffer 1 a) ist das Wort „haben" zu streichen, so daß es heißt:
Lehrlinge, die auf Grund eines schriftlichen,
Lehrvertrags eine ordnungsmäßige Ausbildung erfahren, . . .
In Art. III ist § 5 Abs. 2 zu ändern. Der Absatz begann bisher mit den Worten „Die Lander können . . .". Es muß heißen: „Das Land kann . . .".
An der gleichen Stelle muß es in Zeile 4 statt der Worte „den Finanzämtern" heißen: „dem Finanzamt". Auf Zeile 5 und 6 des genannten Absatzes muß es jetzt heißen: „. . .wenn die Gemeinde dies beantragt . . .". Ebenso ist in der letzten Zeile des Absatzes bei dem Wort „Gemeinden" das letzte „n" zu streichen.
In Art. IV Ziffer 2 a ist eine Ergänzung vorzunehmen. Hinter den Worten „im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen" ist das Wort „Bestimmungen" einzufügen. Es geht dann weiter: „durch die Worte ,die Landesregierung erläßt durch Rechtsverordnung Vorschriften"`. Auch das ist lediglich eine Verdeutlichung des jetzt vorliegenden Textes.
Eine letzte redaktionelle Änderung ist am Ende von Art. VI vorzunehmen. Dort ist die Ziffer —2.—nach außen zu ziehen.
Damit habe ich den Bericht des Ausschusses im wesentlichen erstattet. Zum Schluß habe ich die Bitte des Ausschusses vorzutragen, dem Gesetz in der vorliegenden Form mit den von mir vorgetragenen redaktionellen Änderungen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir jetzt gleich die redaktionellen Änderungen annehmen.
— Es ist so beschlossen. Ich schlage Ihnen vor, daß wir weiter annehmen, daß das Wort „Bundesgebiet" überall durch die Worte „Geltungsbereich des Grundgesetzes" ersetzt wird. — Auch das ist angenommen.
Dann erlaube ich mir die Anfrage, ob Abänderungsanträge zu erwarten sind. Ich frage, um nicht gezwungen zu sein, alle Ziffern aufzurufen.
— Zu welchen Punkten?
— Zu § 1, Ziffern 22 und 23. Dann kann ich bis dahin summarisch aufrufen.
Wir treten in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf Art. I § 1 Ziffern 1 bis 21. — Keine Wortmeldungen. Dann schließe ich die Aussprache insoweit. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 22. Werden Abänderungsanträge gestellt? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tenhagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe während meines Ausschußberichts schon darauf hingewiesen, daß bezüglich Ziffer 22 zu b) im Ausschuß ein Mehrheitsbeschluß dahingehend zustandegekommen ist, die Freigrenze nunmehr wieder auf 24 000 bzw. 7 200 DM zu erhöhen. Es ist das eine Frage, welche naturgemäß in erster Linie diejenigen angeht, die an der Gewerbesteuer interessiert sind, und das sind in diesem Falle die Gemeinden. Ich habe schon im Ausschuß darauf hingewiesen, daß für die Gemeinden dadurch wahrscheinlich nicht unerhebliche Steuerausfälle entstehen würden. In der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zwischenzeit habe ich durch den kommunalen Spitzenverband feststellen lassen, daß die jetzt vorgeschlagene Fassung beispielsweise für die Stadt Bochum einen Steuerausfall von 152 000 DM zur Folge haben würde, für die Stadt Dortmund einen Steuerausfall von 250 000 DM, für die Stadt Lüdenscheid von 42 5001 DM, für Mülheim von 78 000 DM; und in diesen Größenordnungen geht das weiter. Sie werden vielleicht sagen, meine Damen und Herren, das seien keine überwältigenden Beträge. Sie müssen aber bedenken — und derjenige, der selbst in der kommunalen Ebene tätig ist, wird das in vollem Umfang bestätigen können —, daß die Gemeinden heute schon am Ende ihrer Finanzkraft sind, und daß daher solche Beträge durchaus geeignet sind, die an sich schon auf sehr schwachen Füßen stehenden Etats der Gemeinden weitgehend zu erschüttern.
Auf der anderen Seite möchte ich noch auf folgendes aufmerksam machen. In den Gemeinden, in denen Lohnsummensteuer erhoben wird, "ist auf Grund einer Verordnung vom 7. Juli 1939 die Steuermeßzahl durchweg entschieden niedriger als in den Gemeinden, die Lohnsummensteuer nicht erheben. Die Meßzahl beträgt beispielsweise für die Gewerbesteuer nach Ertrag und Kapital, falls Lohnsummensteuer nicht erhoben wird, 250 vom Hundert, aber dort, wo sie erhoben wird, 200 vom Hundert. Das bedeutet, daß wir, wenn wir diese Freigrenze jetzt weiter erhöhen, den Gemeinden oder den Steuerpflichtigen, die dann neu unter diese Freigrenze fallen, ein doppeltes Geschenk machen, weil sie dann auch mit der Steuermeßzahl niedriger veranlagt sind als dort, wo Lohnsummensteuer nicht erhoben wird. Das ist eine in keiner Weise z-ti rechtfertigende Besserstellung von einzelnen Betrieben, und es ist auch eine für die Gesamtheit nicht zu rechtfertigende weitere Schwächung der kommunalen Finanzen.
Das sind die besonderen Gründe, aus denen heraus ich den Antrag stelle, auch hier in diesem Falle zu Art. I § 1 Ziffer 22 b die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich bitte Sie, diesem unserem Antrag zuzustimmen.
Wird das Wort hierzu gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über den Änderungsantrag. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Angenommen.
Ich lasse nunmehr über Ziffer 22 in der neu beschlossenen Fassung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte, ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 23. Das Wort hat der Abgeordnete Tenhagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu Ziffer 23 b haben wir die dringende Bitte — und unterstreichen das durch einen Antrag —, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich habe eben davon gesprochen, daß die finanziellen Auswirkungen, die mit dem vorhergehenden Antrag, dem Sie sich angeschlossen haben, ausgeräumt wurden, für die Gemeinden eine nicht vertretbare Belastung bedeuten. Das gilt in diesem Falle in wesentlich größerem Umfang erst recht.
Meine Damen und Herren! Im Ausschuß haben wir uns zunächst dem Antrag, die Formulierung so zu wählen, wie sie jetzt vorliegt, angeschlossen, und zwar aus wohlerwogenen Gründen. Ich erinnere daran; daß es sich dabei um die Freistellung der Beträge, die an Lehrlinge, an Schwerbeschädigte und an über 60 Jahre alte Arbeiter gezahlt werden, von der Lohnsummensteuer handelt. Wir haben uns im Ausschuß zu dieser Formulierung zunächst
einmal deswegen bekannt, weil wir der Auffassung sind, daß auch die Gemeinden einen Beitrag zur zusätzlichen Schaffung von Lehrstellen leisten sollten — eine Frage, die für die Allgemeinheit zweifellos von sehr großem Interesse ist —, um auch ihrerseits einen Anreiz dazu zu bieten, über 60 Jahre alte Arbeiter neu einzustellen oder weiter zu beschäftigen. Dasselbe gilt auch für die Schwerbeschädigten.
Wenn wir jetzt eine andere Auffassung vertreten, dann bedeutet das nicht, daß wir die von uns anfänglich vorgebrachten Gründe etwa nicht mehr als stichhaltig anerkennen würden. Daran hat sich für uns im Grundsatz nichts geändert. Die Änderung unserer Auffassung ist vielmehr dadurch bedingt, daß uns die finanzielle Auswirkung dieser Neufassung in vollem Umfange erst nachträglich bekanntgeworden ist. Nach sehr zuverlässigen und vorsichtigen Schätzungen des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums, die von dem Experten auf diesem Gebiete, Herrn Dr. Adenauer, aufgestellt wurden.
- dem kleinen Adenauer, einen großen haben wir ja nur —
beträgt der Steuerausfall allein im Lande Nordrhein-Westfalen, und zwar für die Gemeinden wohlverstanden, zirka 12 bis 14 Millionen DM.
Wenn ich Ihnen eine Zahl nennen darf, dann soll diese nur zur Erhärtung der Tatsache dienen, daß es sich wirklich um Summen in dieser Größenordnung handelt. Für die Stadt Dortmund würde die jetzige Fassung einen Steuerausfall von 1,4 Millionen, genau gerechnet 1 471 000 DM zur Folge haben, eine Belastung, die sich auch auf eine Stadt wie Dortmund bei deren angespannter Finanzlage, obwohl sich unser verehrter Freund Henßler größte Mühe gibt, einen ausgeglichenen Etat aufzustellen, einfach ruinös auswirken muß.
Ich bitte also, meine verehrten Damen und Herren, auch in diesem Falle den wirklich berechtigten Wünschen der Gemeinden Rechnung zu tragen. Wir erkennen nach wir vor den Gesichtspunkt an, der uns zunächst zu einer Zustimmung veranlaßt hat. Aber die finanziellen Bedenken scheinen uns doch so schwerwiegend zu sein, daß wir unsere erst andersgearteten Wünsche ihnen glauben unterordnen zu müssen. Ich darf Sie also herzlich und dringend bitten, auch diesem unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach. — Nun, wollen Sie oder wollen Sie nicht? Sie haben seit einer Minute das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht etwa, weil der Herr Kollege Tenhagen den Neffen des Herrn Bundeskanzlers als Kronzeugen aufgerufen hat, stimme ich seiner Auffassung zu, sondern aus allgemein sachlichen Erwägungen.
War das alternativ oder kontradiktorisch gemeint?
Ich stelle anheim. — Meine Damen und Herren, an sich bestehen gegen die Gewerbelohnsummensteuer berechtigte Bedenken, wie der Herr Kollege Tenhagen bereits vorgetragen hat. Ihre Wirkung auf den Arbeitsmarkt gilt als negativ; sie halte davon ab — so heißt es in der Kritik —, Kräfte einzustellen oder aber Kräfte zu behalten, wenn schlechte Geschäftszeiten kommen. Nun bin ich persönlich der Meinung, daß diese Gewerbelohnsummensteuer auch nur bestimmten Gemeindekategorien angepaßt und zuträglich ist. Sie ist 'entstanden in typischen Bergbaugegenden des Ruhrgebiets, wenn ein Schacht in einer bisher ländlichen Gegend niedergebracht wurde und wenn dann Bergbaulasten, Polizeilasten, Schullasten usw. erwuchsen. Dann wurden die Lohnsummen sozusagen in Parallelität zu diesen wachsenden Lasten als Besteuerungsgrundlage herangezogen. Ich halte die Gewerbelohnsummensteuer nicht für angebracht in Gegenden mit kapitalintensiver Wirtschaft. Ich würde sie beispielsweise für eine Stadt wie Köln für durchaus falsch halten.
Aber nun zu diesem Thema des Fortfalls der Befreiung von der Besteuerung. Es spricht mancherlei dafür, diese Gruppen mit ihren Lohnsummen grundsätzlich freizustellen, weil es sich hier um schwer vermittelbare Gruppen handelt, um Schwerbeschädigte und ältere Menschen. Über die Lehrlinge und ihre Einstellung möchte ich noch kein abschließendes Wort sagen. Man hört manchmal von einem Mangel an Lehrlingsstellen, manchmal aber auch, sogar immer wieder, von Lehrlingszüchtung.
Ein Wort zu den arbeitsmarktpolitischen Motiven für Steuerbefreiungen. Ich glaube, diese Dinge werden oft überschätzt. Arbeitsmarktpolitische Motive in der Steuerpolitik sind nicht neu. Ich darf daran erinnern, daß der Staatssekretär Fritz Reinhard seinerzeit die Bestimmung wieder einführte, daß 50 Mark einkommensteuerfrei blieben, damit man mehr Dienstmädchen beschäftige. Ob dann damals tatsächlich mehr Dienstmädchen beschäftigt worden sind, möchte ich bezweifeln.
— Verzeihen Sie, Herr Horlacher, ich weiß nicht, ob das in der Landwirtschaft geschehen ist; das konnte ich nicht so gut überschauen. Von meinem damaligen überschaubaren Bereich her bezweifle ich es.
Den Gemeinden ist nun freigestellt, ob sie die Gewerbelohnsummensteuer einführen wollen oder nicht. Sie hat auf alle Fälle subsidiären Charakter. Nun, schön — oder vielmehr: nicht schön, denn ich bin kein Freund der Gewerbelohnsummensteuer. Aber die Gemeinden, die sie nun einmal eingeführt haben, sind darauf eingestellt und können den Fortfall nicht ertragen. Ich muß also die Damen und Herren, die dem kommunalen Bereich ferner stehen oder ihm vielleicht sogar unfreundlich gegenüberstehen, doch darauf aufmerksam machen, daß die Gemeinden in eine sehr üble Lage hineinkommen, nämlich durch die — meines Erachtens unbedingt notwendige — Bundesfinanzpolitik. Der Bund muß auf die Deckung seines wachsenden Finanzbedarfs stärker bedacht sein, er muß den Ländern Einkommen- und Körperschaftsteuerteile wegnehmen, und es besteht die Gefahr, daß die Länder sich im Wege des inneren Finanzausgleichs durch Kürzung der Finanzzuweisungen oder durch Kürzung zweckgebundener Zuschüsse für echte Selbstverwaltungsaufgaben irgendwie an den Gemeinden und Gemeindeverbänden 'schadlos halten. Allein
aus diesem Gesichtspunkt der prekären kommunalen Finanzlage, die im Zeichen dessen, was ich mir eben anzudeuten erlaubte, noch prekärer werden wird, bin ich für meine Person dafür, dem Antrage der Sozialdemokratischen Partei zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sosehr wir im allgemeinen -den Ausführungen des Herrn Kollegen Tenhagen zustimmen, sind wir doch nicht damit einverstanden, daß in der Ziffer 23 b die Bestimmung unter 1 a gestrichen wird. Wir möchten nach wie vor daran festhalten, daß zur Lohnsumme solche Beträge nicht gehören sollen, die an Lehrlinge gezahlt worden sind, „die auf Grund eines schriftlichen Lehrvertrages eine ordnungsmäßige Ausbildung erfahren haben". Wir bitten deshalb darum, daß über diese Buchstaben a, b, c einzeln abgestimmt wird.
Die Begründung ergibt sich für uns daraus, daß zur Zeit alle Fraktionen des Hauses bemüht sind, in Durchführung des Bundesjugendplans die auf Gewinnung eines 20-Millionen-DM-Kredits gerichteten Bestrebungen zu unterstützen. Diese Mittel sollen für die Schaffung zusätzlicher Lehrstellen, die Lehrlingsausbildung und die Einstellung von Jugendlichen in ein ordentliches Ausbildungsverhältnis verwendet werden. Das entspricht unserem Grundsatz, den wir auch bei allen steuerlichen und allen übrigen Maßnahmen konsequent innehalten wollen. Wir dürfen deshalb keine Streichung vornehmen, die den Anreiz zur Lehrlingshaltung, der für die Erhöhung der Zahl der Lehrstellen so wesentlich ist, wieder aufheben würde.
Wir bitten deshalb um Einzelabstimmung, da wir beim Buchstaben a anderer Meinung als der Antragsteller sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Tenhagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind mit der Einschränkung, wie sie vom Abgeordneten Strauß vorgeschlagen wird, einverstanden. Ich ändere also unseren Antrag jetzt dahingehend ab, daß die Fassung der Regierungsvorlage in 1 a wiederhergestellt wird. Beträge, die an Lehrlinge gezahlt worden sind, ,,,die auf Grund eines schriftlichen Lehrvertrags eine ordnungsmäßige Ausbildung erfahren haben", bleiben also auch in Zukunft begünstigt.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann stimmen wir ab. — Abstimmungstechnisch ist es aber nicht ganz einfach.
— Wir müssen dahin ändern, b und c unter Ziffer 1 des Abs. 3 von § 24 zu streichen. — Sind die Antragsteller einverstanden, daß ich ihren Antrag so uminterpretiere?
— Der Antrag lautet also jetzt so: die Fassung unter den Buchstaben b und c zu streichen.
— Also den Rest der Ziffer 1 des Abs. 3 von § 24!
— Der Buchstabe a wird gestrichen; das ist eine rein redaktionelle Angelegenheit.
— Zur Abstimmung Herr Dr. Wellhausen.
Ich beantrage, auch über die Buchstaben b und c getrennt abzustimmen.
Von der Regierung her wird eben mitgeteilt, der letzte Satz müsse bleiben: „wenn beim einzelnen Arbeitnehmer ..." usw.
— Wir können vielleicht bis zur dritten Lesung alles so weit fertig machen, daß wir dann einen klaren Text haben.
Dann lasse ich abstimmen: Antrag auf 'Streichung des Buchstaben b. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Buchstabe b ist gestrichen.
Weiter: Antrag auf Streichung des Buchstaben c. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! — Das erste war -die Mehrheit. Der Buchstabe c ist gestrichen.
Nunmehr lasse ich abstimmen über die Ziffer 23 der Ausschußbeschlüsse in der neuen Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ziffern 24, — 25, — 26, — 27, — 28, — 29, —30, — 311, — 32, — 33, — 34. Damit ist der Art. I erschöpft. — Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. -
Art. II: § 2, — § 3. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe.
— Die Bestimmungen sind angenommen.
Art. III: § 4, — § 5. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe. - Angenommen.
Art. IV: § 6. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Die Bestimmungen sind angenommen.
Art. V: § 7; — Art. VI: § 8 — § 9, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Die Bestimmungen sind angenommen. Damit ist die zweite Lesung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Einzelbesprechung. — Ist der Text jetzt fertig?
Ich rufe auf Art. I § 1. — Wir können in Ziffer 23 zu § 1 auch den Nachsatz streichen. Es genügt, wie eben von der Regierungsbank erklärt wird, wenn der bisherige Buchstabe a stehen bleibt; das andere brauchen wir dann nicht. Wir können dies wohl, ohne es besonders zu beschließen, als redaktionelle Bemerkung annehmen.
Wer für die Annahme des Art. I ist, der die Bestimmungen des § 1 enthält, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Angenommen.
Art. II, — III, — IV, — V, — VI, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Nun zur Schlußabstimmung: Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Wir haben noch über den Antrag des Ausschusses abzustimmen, die Petitionen für erledigt zu erklären. Wer dafür ist, den bitte ich, .die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung. Werden 8 a und b gemeinsam begründet?
— Also zunächst Punkt 8 a:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Protest gegen Beschlagnahme .
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Kohl.
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Stadt Heilbronn wurde durch eine Verfügung des württembergisch-badischen Innenministeriums, die auf einer Anweisung der amerikanischen Armee beruht und die in Verhandlungen mit der deutschen zuständigen Stelle Blank zustande gekommen ist, angewiesen, ein weiteres Gelände für Besatzungszwecke zur Verfügung zu stellen. Heilbronn sowohl wie Weinsberg — um diese Städte handelt es sich hierbei — haben unter den Kriegseinwirkungen wie selten eine deutsche Stadt gelitten, und die Tatsache der Beschlagnahme dieses Geländes durch die amerikanische Armee löste in der Heilbronner und Weinsberger Bevölkerung berechtigte Empörung aus.
Bereits vor einiger Zeit wurden die in Heilbronn stehenden Kasernen, die zum Teil zerstört waren, wieder neu hergerichtet und das gegenüberliegende Gelände — bester Ackerboden — ohne Rücksicht auf den Einspruch der Stadtverwaltung und der Bevölkerung für Wohnungsbauten der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Bei der in Heilbronn herrschenden ungeheuren Wohnungsnot und in Rücksicht auf die Tatsache, daß das Krankenhaus in Heilbronn restlos zerstört ist und als Ersatz ein Teil der Irrenanstalt in Weinsberg in Anspruch genommen wird, wäre es viel zweckmäßiger und sozial gerechter gewesen, diese Kaserne zu verwenden, um diesen unhaltbaren Zustand zu beseitigen, als ausgerechnet große amerikanische Truppenverbände in das Gebiet dieser schwergeprüften Stadt zu verlagern.
Die Stadt Heilbronn hat sich infolge der Verluste, die sie in den letzten Kriegsjahren erlitten hat, weitgehend verschulden müssen. Diese Verschuldung wird auf Jahrzehnte hinaus als schwerer Druck auf der gesamten Bevölkerung lasten. Im Zusammenhang mit dieser Inanspruchnahme der Kasernen für Wohnbauzwecke der amerikanischen Armee wurden 25 Hektar städtischer und privater Grundbesitz beschlagnahmt. Bei der neuen Beschlagnahme handelt es sich um eine bedeutende Erweiterung des seit 1914 bestehenden Exerzierplatzes, was einer völligen Zerstörung des Heilbrönner und Weinsberger Waldbesitzes gleichkommt.
Die Besatzungsmacht verlangt zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Exerzierplatzgelände die Beschlagnahme von weiteren 450 Hektar Land, so daß praktisch für beide Städte nur noch ein Waldbesitz von 185 Hektar zu verzeichnen wäre, also etwa 20 °/o des Bestandes vom Jahre 1914. Die bisher für die Aufforstung dieses Waldes aufgewendeten Mittel sind bei dieser Beschlagnahm natürlich als verloren zu betrachen.
Nach bereits vorliegenden einwandfreien Gutachten ergibt sich,, ,daß bei einer Durchführung dieser Beschlagnahme klimatisch ungünstig sich auswirkende Veränderungen eintreten, und zwar vor allem auf die an den Wald angrenzenden Weinberggebiete. Ebenso besteht die Gefahr einer Versteppung; eine 'katastrophale Auswirkung auf die Was'serversorgu'ng und damit auf die hygienischen und wirtschaftlichen Gesamtverhältnisse der Bevölkerung wären die unausbleibliche Folge. Der Heilbronner und Weinsberger Stadtwald ist, nebenbei gesagt, noch das einzige Erholungsgebiet der dort ansässigen Bevölkerung.
Man 'muß in diesem Zusammenhang eine wirklich schon mehr als interessante Mitteilung des Herrn Bundesinnenministers Dr. Lehr zitieren, der mit stolzgeschwellter Brust am 25. Mai in Düsseldorf erklärte, daß die Bundesrepublik noch in diesem Jahr eine stärkere ausländische Garnison haben werde, als Deutschland in kaiserlichen Zeiten an Truppen hatte. Selbstverständlich hat dabei der Herr Bundesinnenminister vergessen, einmal dem deutschen Volke zu sagen, was diese Tatsache das deutsche Volk kostet.
Diese Beschlagnahme ist ohne Rücksicht auf die Belange der Bevölkerung durchgeführt worden. Nehmen wir dazu den gesamten Katalog der Fälle einer Wegnahme guten deutschen Bodens für Zwecke der Errichtung von Exerzierplätzen und Flugplätzen! Ich glaube, daß eine solche Zusammenstellung, wenn sie einmal dem Volke aufgedeckt würde, verheerend wirken wird. Setzen wir ein, daß bereits neue amerikanische Truppen, herzlich von Herrn Dr. Adenauer begrüßt, gelandet sind, setzen wir weiter ein, daß nach einer Notiz der „Passauer Neuen Presse"
6000 Holländer auf deutsche Kasten in Deutschland, auf deutschem Boden, ausgebildet werden sollen, — —
— Wir haben vorhin auch Ihren Fremdenrverkehrskatalog mit angehört, Herr Strauß! — Nehmen wir auch noch dazu, daß die französischen Truppen in Deutschland um "weitere 5 Divisionen verstärkt werden sollen!
Wir sind der Auffassung, daß der Protest der Bevölkerung in Heilbronn unter allen Umständen beachtet werden sollte. Wir haben bewußt unseren Antrag so gefaßt, daß er nicht erst in einem Ausschuß vergraben zu werden braucht. Wir beantragen eine sofortige Abstimmung über diesen Antrag im Plenum des Bundestags.
Ich rufe auf Ziffer 8 b der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Annullierung aller Verpflichtun-
gen der Bundesregierung betreffend Remilitarisierung .
Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Strohbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Westdeutschland —
Ich bitte um Vergebung, aber es heißt: Bundesrepublik Deutschland.
Ich nehme es zur Kenntnis, Herr Präsident!
— sieht vor, daß Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen sind.
Was sowohl von alliierter Seite als auch von der Bundesregierung in dieser Hinsicht in den letzten Monaten in Westdeutschland geschieht, steht im absoluten Gegensatz
zu diesem Artikel .des Grundgesetzes und ist geeignet, in der Bevölkerung die größte Beunruhigung und Sorge über die künftige Entwicklung hier in Deutschland hervorzurufen.
Das gibt uns Veranlassung, dieses Problem erneut in diesem Hause aufzugreifen. Meine Fraktion hat schon mehrmals versucht, den Bundestag zu einer Stellungnahme zu diesen Fragen zu veranlassen. Das erstemal geschah dies mit unserem Antrag vom 5. Dezember 1949, in dem wir der Bundesregierung fünf Fragen vorgelegt haben, die wir beantwortet wissen wollten, um zu erfahren, inwieweit die Bundesregierung Verpflichtungen bezüglich ,der Wiederaufrüstung Westdeutschlands eingegangen ist. Der Herr Bundeskanzler hat damals in der Sitzung vom 16. Dezember 1949 auf jede unserer Fragen mit Nein geantwortet,
wobei besonders die fünfte Frage hervorzuheben ist, in der es hieß:
Beabsichtigt der Bundeskanzler, den westlichen Alliierten die Bereitschaft der Bundesregierung zur Aufstellung einer westdeutschen Streitmacht in irgendeiner Form zum Ausdruck zu bringen?
Ich betone ausdrücklich, auch auf diese Frage hat Herr Dr. Adenauer mit Nein geantwortet. Vielleicht haben manche Menschen in Westdeutschland dieses Nein geglaubt, weil sie es nämlich sehr gern glauben möchten, weil die Menschen in Westdeutschland Furcht haben vor dem, was aus dieser Entwicklung über unser Land und über unser Volk kommen muß.
Aber die das glaubten, haben sich bald eines andern belehren lassen müssen. Die Nachrichten über militärische Beratungen und Maßnahmen militärischer Natur wurden immer häufiger, so daß dann z. B. am 4. Oktober 1950 der Bruderrat der
Bekennenden Kirche Deutschlands in einem Brief
an Bundeskanzler Dr. Adenauer feststellen mußte:
Wir haben zuverlässige Nachricht, daß am 1. Oktober dieses Jahres Generäle der alten deutschen Wehrmacht in einem Organisationsstab die Aufstellung eines deutschen Truppenkontingents erörtert haben und die Rüstungsindustrie entsprechende Aufträge erhielt. Dies alles geschieht nach monatelangen Vorbereitungen hinter dem Rücken des deutschen Volkes, das im Unklaren darüber gelassen wird, wie weit hier ohne seinen Willen Tatsachen geschaffen wurden, die nicht wieder rückgängig zu machen sind.
Ich muß Sie in diesem Zusammenhang an die heftigen Auseinandersetzungen um das sogenannte Sicherheitsmemorandum erinnern, das Bundeskanzler Dr. Adenauer dem amerikanischen Hohen Kommissar übergeben hat. Die „Stuttgarter Zeitung" vom 18. Oktober 1950 hat„ in einem Artikel des damaligen Innenministers Dr. Heinemann das folgende festgestellt:
In einem Interview 'des Bundeskanzlers vom
18. August in der „New York Times" wurde
von der Notwendigkeit starker deutscher Verteidigungskräfte gesprochen. Am 29. August übergab der Bundeskanzler dem amerikanischen Hohen Kommissar ein Sicherheitsmemorandum, das auf der Außenministerkonferenz am 12. September beraten werden sollte. Im Pressedienst der Bundesregierung vom 31. August wurde eine Reutermeldung aus London zitiert, wonach das Memorandum des Kanzlers u. a. den Vorschlag einer europäischen Armee enthielt ... Am 19. 'September übergaben die Außenminister ihr Kommuniqué, in dem es heißt: ,,Die Minister haben . . . zur Kenntnis genommen, daß in jüngster Zeit in Deutschland ... Stimmen laut geworden sind, die eine deutsche Beteiligung an einer gemeinsamen Streitmacht zum Schutze der europäischen Freiheit befürworten."
Diese Stimmen aus Deutschland, die hier erwähnt sind das möchte ich ausdrücklich feststellen —, waren nicht Stimmen aus dem deutschen Volke, das waren bestenfalls Stimmen aus dem Kreis um Bundeskanzler Dr. Adenauer.
— Das brauche ich nicht zu lernen, das höre ich jeden Tag bei den Frauen und Müttern in ganz Westdeutschland.
Der Rücktritt von Innenminister Dr. Heinemann ist ein Protest gegen die tatsächliche Remilitarisierungspolitik des Bundeskanzlers gewesen. Dieser Rücktritt von Innenminister Dr. Heinemann hat eindeutig die wirkliche Volksmeinung in Westdeutschland gekennzeichnet, die in zwei Worten unmißverständlich zum Ausdruck kommt, nämlich in den Worten: „Ohne uns!"
Am 8. Dezember 1950 hat meine Fraktion einen neuen Antrag gestellt, der sich mit dieser Materie befaßt und der die Bundesregierung verpflichten sollte, den an den Abgeordneten Blank sowie die ehemaligen Generale Speidel und Heusieger ergangenen Auftrag, Verhandlungen mit Vertretern der Hohen Kommission über militärische Fragen zu führen, zurückzuziehen. In der Sitzung vom
24. Januar 1951 hat der Herr Abgeordnete Schröter beantragt, über diesen unseren Antrag zur Tagesordnung überzugehen.
Er hat dabei Ihre Zustimmung gefunden, und damit tragen Sie die Mitverantwortung für alles, was inzwischen in dieser Frage geschehen ist.
Das gleiche Schicksal erlitt ein Zentrumsantrag, der das Recht zur Kriegsdienstverweigerung betrifft, in der Sitzung vom 1. Februar 1951.
Meine Damen und Herren! Wie die deutsche Jugend über die Frage der Remilitarisierung Westdeutschlands denkt, das ist, glaube ich, sehr eindeutig. In den letzten Tagen sind sich sehr stark widersprechende Berichte in den deutschen Zeitungen über die Meldung für den sogenannten Grenzschutz und für die sogenannte Bereitschaftspolizei erschienen. Klar ist, daß die Mehrzahl der sich dort Meldenden unentwegte Militaristen im Alter von über 40 Jahren sind, daß aber die deutsche Jugend den Wahren Charakter des Grenzschutzes und der Bereitschaftspolizei richtig eingeschätzt hat. Dieser Charakter ist besonders darin zum Ausdruck gekommen, daß der Innenminister Lehr 'bereits dazu übergegangen ist, das Bundes= gebiet in Wehrkreise, Wehrersatzinspektionen, Wehrbezirkskommandos usw. einzuteilen. Die Stadt Lübeck hat außerdem die grausame Wirklichkeit bereits zu spüren bekommen, indem dort für den Grenzschutz Kasernen beschlagnahmt wurden, wodurch etwa 1 800 Menschen das Obdach genommen wurde.
Nach Meldungen der französischen Zeitung „Le Monde" vom 19. Januar 1951
beträgt die Zahl der in den Arbeitsdienstformationen der westlichen Besatzungsmächte zusammengefaßten Deutschen 30 000 Mann, die dort militärisch bewaffnet und ausgebildet werden.
Gerade gestern hat in der Stuttgarter Zeitung — ich glaube auch in anderen Zeitungen des Bundesgebietes — eine diesbezügliche Meldung gestanden, die die Zahl sogar noch viel höher angibt.
Sie stellt ausdrücklich fest, daß die deutsche Jugend dort militärisch ausgebildet und im Falle eines Krieges wie Soldaten behandelt werden soll. Außerdem liegt uns eine Aufforderung der amerikanischen Luftwaffe an. ehemalige deutsche Flieger vor, in der es heißt:
Sie werden hiermit aufgefordert, sich zu einer Aussprache bei der USAir Force in Königstein im Taunus zu melden, da Beiträge und Berichte von Einzelpersonen für unsere Aufgabe von großer Wichtigkeit sind. Der Aufenthalt wird mehrere Tage dauern. Es wird alles bezahlt. Verhinderung wird nur mit zwingender Begründung anerkannt. In diesem Falle wird ein neuer Termin gestellt.
Es ist ganz klar, was die USAir Force in diesen Aussprachen wissen will. Die deutschen Flieger haben Erfahrung im Angriffskrieg gegen den Osten, die sich jetzt die USAir Force zunutze machen will.
Wir wissen aus den vergangenen Monaten: Alle anständigen jungen Deutschen, christliche, sozialistische, Gewerkschaftsjugend,
die Jugend aller Richtungen lehnt die Remilitarisierung ab. Aufgabe dieses Hauses wäre es, die Jugend bei ihrem Widerstand gegen die Einbeziehung in fremde Kriegspläne zu bestärken und zu unterstützen.
Ihre Haltung aber führt dazu, daß die deutsche Jugend sich vom Bundestag und der Bundesregierung im Stich gelassen fühlt. Mehr noch! Seit dem 9. Januar dieses Jahres werden auf dem Petersberg Geheimverhandlungen über sogenannte militärtechnische Fragen geführt. Die „Frankfurter Allgemeine" schreibt dazu, daß vom Knopf des Infanteristen bis zum Panzer alles beraten werde, was die deutsche Aufrüstung betreffe. Diejenigen aber, die das alles mit ihrem Gut und Blut zu bezahlen haben werden, sollen darüber bis zuletzt im unklaren gelassen werden.
Wir sind der Meinung,
daß das unter allen Umständen verhindert werden muß.
Die Generale Speidel und Heusinger sind dabei, Deutschland den fremden Kriegsherren auszuliefern.
Unser Antrag, die Bundesregierung solle diesen Auftrag an Speidel und Heusinger zurücknehmen, wurde von Ihnen mit der Begründung abgelehnt, es gebe in Westdeutschland keine Remilitarisierung. Wir betonen: Die Generale Speidel und Heusinger sind bei diesen Verhandlungen niemals Beauftragte des deutschen Volkes;
sie sind höchstens Beauftragte des Bundeskanzlers Adenauer.
Damit das Volk nicht erfährt,
was über sein Schicksal entschieden wird, hat das Bundespresseamt bei Beginn dieser Verhandlungen erklärt, daß eine Berichterstattung über den Gang dieser Verhandlungen unerwünscht sei. Die kommunistischen Zeitungen in Westdeutschland sind ja mehr verboten als erlaubt
und können daher über das, was hier vorgeht, gar nicht berichten. Die anderen Zeitungen haben dieser Aufforderung mehr oder weniger freiwillig Folge geleistet, mehr oder weniger freiwillig deswegen, weil damit ja auch die Zuweisungen aus der Marshallplanhilfe für diese Zeitungen verknüpft sind.
Trotzdem haben die „Nürnberger Nachrichten" am 5. Mai berichtet, daß amtliche Stellen in London mitgeteilt hätten, die Bundesrepublik habe den westlichen Alliierten die Aufstellung einer westdeutschen Armee in Stärke von 150 000 Mann und
einer starken taktischen Luftwaffe mit Hunderten von leichten Bombern und Jägern zur Abwehr einer möglichen sowjetischen Aggression vorgeschlagen.
„Es wird in diesen Kreisen erwartet", so heißt es weiter, „daß die Westmächte den deutschen Vertretern klarmachen werden, daß die Vorschläge der Bundesrepublik insbesondere hinsichtlich der Luftwaffe allzu ehrgeizig seien", um den angeblich hochtrabenden Plänen gleich den nötigen Dämpfer aufzusetzen. Vielerlei ist in dieser Meldung aus London noch enthalten, was in der deutschen Bevölkerung große Beunruhigung hervorgerufen hat.
Manche Maßnahmen gerade in den letzten Tagen und Wochen, vor allem auch die im Hammelburger Gebiet, haben in unserer Bevölkerung alarmierend gewirkt, und ich muß schon sagen: Angesichts aller dieser Tatsachen ist es ungeheuerlich, daß sich das Ministerium Kaiser erlaubt, in der sogenannten „Warnung vor der Volksbefragung" -erneut die Behauptung aufzustellen, es gebe in Westdeutschland keine Remilitarisierung.
Die Amerikanerin Dorothy Thompson hat vor einigen Tagen in einem Zeitungsartikel festgestellt, die Aufrüstungspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika gleiche dem Selbstmord. Jawohl, meine Damen und Herren, aber dem Selbstmord des deutschen Volkes, das davon in allererster Linie betroffen und das das erste Opfer sein würde, wenn es sich dagegen nicht entschieden zur Wehr setzt.
Unser Antrag dient dem Zweck,
endlich klarzustellen, daß das deutsche Volk die Remilitarisierung Westdeutschlands nicht will.
Meine Damen und Herren, wenn Sie immer wieder
behaupten, Westdeutschland sei bedroht, dann sage
ich Ihnen: dazu haben Sie nicht das mindeste Recht!
Die Deutsche Demokratische Republik hat Ihnen schon mehr als einmal das Angebot gemacht,
gemeinsam zu prüfen, worin diese Bedrohung bestehen soll. Sie haben dieses Angebot abgelehnt.
Damit haben Sie sich des Rechtes beraubt, eine
solche Behauptung immer von neuem aufzustellen.
Ich möchte dem Herrn Präsidenten noch einen Antrag unserer Fraktion vorlegen,
der sich mit der Angelegenheit in Hammelburg befaßt, die wir nicht als durch die Zeitungsmeldungen der letzten Tage erledigt betrachten können. Der Antrag lautet:
Die Bundesregierung wird verpflichtet, die von
der amerikanischen Besatzungsmacht geforderte Beschlagnahme von 153 Quadratkilometern fruchtbaren Ackerlandes und die damit verbundene totale Räumung von 8 Gemeinden zum Zwecke der Erweiterung des früheren Truppenübungsplatzes Hammelburg um das Vierfache seiner bisherigen Größe abzulehnen. Der Bundestag untersagt darüber hinaus der Bundesregierung, der amerikanischen Besatzungsmacht anderweitiges Ersatzgelände zur Anlage von Truppenübungsplätzen zur Verfügung zu stellen.
Ich bitte Sie, diesen Anträgen im Interesse der Erhaltung des Friedens
für das deutsche Volk zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage lediglich im Rahmen der Geschäftsordnung Übergang zur Tagesordnung über sämliche zu diesem Tagesordnungspunkt gestellten Anträge.
Das Wort zu diesem Antrag hat der Abgeordnete Renner.
Zu diesem Antrag möchte ich nur sagen, daß es der sechste oder siebende in derselben Linie ist, eine Klärung dieser Frage vor dem deutschen Volke zu verhindern.
Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.
Herr Abgeordneter Renner, Sie brauchen dazu die Unterstützung von fünf anwesenden Mitgliedern des Hauses. Wer unterstützt? — Die Unterstützung reicht aus.
— Die Sitzung wird fünf Minuten ausgesetzt. Die Abstimmung wird nach dem Wiederzusammentreten des Hauses vorgenommen werden.
Das Haus tritt um 12 Uhr 45 Minuten wieder zusammen.
Meine Damen und Herren, die Sitzung wird fortgesetzt.
Es wurde die Beschlußfähigkeit angezweifelt. Es scheint mir kein Zweifel daran zu bestehen, daß das Haus jetzt beschlußfähig ist.
Das geschäftsführende Präsidium ist einmütig dieser Auffassung.
Wir stimmen über den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung über die kommunistischen Anträge ab. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der kommunistischen Abgeordneten ist dieser Antrag auf Übergang zur Tagesordnung angenommen.
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die Sitzung nicht unnötig zu verlängern.
Ich rufe den letzten Punkt der Tagesordnung auf:(
Beratung der Übersichten Nr. 30 und Nr. 31 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen .
Wer für die Annahme der Empfehlungen des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages, die 154., auf Mittwoch, den 20. Juni, 14 Uhr, ein.
Ich schließe die 153. Sitzung des Deutschen Bundestages.