Rede von
Gertrud
Strohbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Ich nehme es zur Kenntnis, Herr Präsident!
— sieht vor, daß Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen sind.
Was sowohl von alliierter Seite als auch von der Bundesregierung in dieser Hinsicht in den letzten Monaten in Westdeutschland geschieht, steht im absoluten Gegensatz
zu diesem Artikel .des Grundgesetzes und ist geeignet, in der Bevölkerung die größte Beunruhigung und Sorge über die künftige Entwicklung hier in Deutschland hervorzurufen.
Das gibt uns Veranlassung, dieses Problem erneut in diesem Hause aufzugreifen. Meine Fraktion hat schon mehrmals versucht, den Bundestag zu einer Stellungnahme zu diesen Fragen zu veranlassen. Das erstemal geschah dies mit unserem Antrag vom 5. Dezember 1949, in dem wir der Bundesregierung fünf Fragen vorgelegt haben, die wir beantwortet wissen wollten, um zu erfahren, inwieweit die Bundesregierung Verpflichtungen bezüglich ,der Wiederaufrüstung Westdeutschlands eingegangen ist. Der Herr Bundeskanzler hat damals in der Sitzung vom 16. Dezember 1949 auf jede unserer Fragen mit Nein geantwortet,
wobei besonders die fünfte Frage hervorzuheben ist, in der es hieß:
Beabsichtigt der Bundeskanzler, den westlichen Alliierten die Bereitschaft der Bundesregierung zur Aufstellung einer westdeutschen Streitmacht in irgendeiner Form zum Ausdruck zu bringen?
Ich betone ausdrücklich, auch auf diese Frage hat Herr Dr. Adenauer mit Nein geantwortet. Vielleicht haben manche Menschen in Westdeutschland dieses Nein geglaubt, weil sie es nämlich sehr gern glauben möchten, weil die Menschen in Westdeutschland Furcht haben vor dem, was aus dieser Entwicklung über unser Land und über unser Volk kommen muß.
Aber die das glaubten, haben sich bald eines andern belehren lassen müssen. Die Nachrichten über militärische Beratungen und Maßnahmen militärischer Natur wurden immer häufiger, so daß dann z. B. am 4. Oktober 1950 der Bruderrat der
Bekennenden Kirche Deutschlands in einem Brief
an Bundeskanzler Dr. Adenauer feststellen mußte:
Wir haben zuverlässige Nachricht, daß am 1. Oktober dieses Jahres Generäle der alten deutschen Wehrmacht in einem Organisationsstab die Aufstellung eines deutschen Truppenkontingents erörtert haben und die Rüstungsindustrie entsprechende Aufträge erhielt. Dies alles geschieht nach monatelangen Vorbereitungen hinter dem Rücken des deutschen Volkes, das im Unklaren darüber gelassen wird, wie weit hier ohne seinen Willen Tatsachen geschaffen wurden, die nicht wieder rückgängig zu machen sind.
Ich muß Sie in diesem Zusammenhang an die heftigen Auseinandersetzungen um das sogenannte Sicherheitsmemorandum erinnern, das Bundeskanzler Dr. Adenauer dem amerikanischen Hohen Kommissar übergeben hat. Die „Stuttgarter Zeitung" vom 18. Oktober 1950 hat„ in einem Artikel des damaligen Innenministers Dr. Heinemann das folgende festgestellt:
In einem Interview 'des Bundeskanzlers vom
18. August in der „New York Times" wurde
von der Notwendigkeit starker deutscher Verteidigungskräfte gesprochen. Am 29. August übergab der Bundeskanzler dem amerikanischen Hohen Kommissar ein Sicherheitsmemorandum, das auf der Außenministerkonferenz am 12. September beraten werden sollte. Im Pressedienst der Bundesregierung vom 31. August wurde eine Reutermeldung aus London zitiert, wonach das Memorandum des Kanzlers u. a. den Vorschlag einer europäischen Armee enthielt ... Am 19. 'September übergaben die Außenminister ihr Kommuniqué, in dem es heißt: ,,Die Minister haben . . . zur Kenntnis genommen, daß in jüngster Zeit in Deutschland ... Stimmen laut geworden sind, die eine deutsche Beteiligung an einer gemeinsamen Streitmacht zum Schutze der europäischen Freiheit befürworten."
Diese Stimmen aus Deutschland, die hier erwähnt sind das möchte ich ausdrücklich feststellen —, waren nicht Stimmen aus dem deutschen Volke, das waren bestenfalls Stimmen aus dem Kreis um Bundeskanzler Dr. Adenauer.
— Das brauche ich nicht zu lernen, das höre ich jeden Tag bei den Frauen und Müttern in ganz Westdeutschland.
Der Rücktritt von Innenminister Dr. Heinemann ist ein Protest gegen die tatsächliche Remilitarisierungspolitik des Bundeskanzlers gewesen. Dieser Rücktritt von Innenminister Dr. Heinemann hat eindeutig die wirkliche Volksmeinung in Westdeutschland gekennzeichnet, die in zwei Worten unmißverständlich zum Ausdruck kommt, nämlich in den Worten: „Ohne uns!"
Am 8. Dezember 1950 hat meine Fraktion einen neuen Antrag gestellt, der sich mit dieser Materie befaßt und der die Bundesregierung verpflichten sollte, den an den Abgeordneten Blank sowie die ehemaligen Generale Speidel und Heusieger ergangenen Auftrag, Verhandlungen mit Vertretern der Hohen Kommission über militärische Fragen zu führen, zurückzuziehen. In der Sitzung vom
24. Januar 1951 hat der Herr Abgeordnete Schröter beantragt, über diesen unseren Antrag zur Tagesordnung überzugehen.
Er hat dabei Ihre Zustimmung gefunden, und damit tragen Sie die Mitverantwortung für alles, was inzwischen in dieser Frage geschehen ist.
Das gleiche Schicksal erlitt ein Zentrumsantrag, der das Recht zur Kriegsdienstverweigerung betrifft, in der Sitzung vom 1. Februar 1951.
Meine Damen und Herren! Wie die deutsche Jugend über die Frage der Remilitarisierung Westdeutschlands denkt, das ist, glaube ich, sehr eindeutig. In den letzten Tagen sind sich sehr stark widersprechende Berichte in den deutschen Zeitungen über die Meldung für den sogenannten Grenzschutz und für die sogenannte Bereitschaftspolizei erschienen. Klar ist, daß die Mehrzahl der sich dort Meldenden unentwegte Militaristen im Alter von über 40 Jahren sind, daß aber die deutsche Jugend den Wahren Charakter des Grenzschutzes und der Bereitschaftspolizei richtig eingeschätzt hat. Dieser Charakter ist besonders darin zum Ausdruck gekommen, daß der Innenminister Lehr 'bereits dazu übergegangen ist, das Bundes= gebiet in Wehrkreise, Wehrersatzinspektionen, Wehrbezirkskommandos usw. einzuteilen. Die Stadt Lübeck hat außerdem die grausame Wirklichkeit bereits zu spüren bekommen, indem dort für den Grenzschutz Kasernen beschlagnahmt wurden, wodurch etwa 1 800 Menschen das Obdach genommen wurde.
Nach Meldungen der französischen Zeitung „Le Monde" vom 19. Januar 1951
beträgt die Zahl der in den Arbeitsdienstformationen der westlichen Besatzungsmächte zusammengefaßten Deutschen 30 000 Mann, die dort militärisch bewaffnet und ausgebildet werden.
Gerade gestern hat in der Stuttgarter Zeitung — ich glaube auch in anderen Zeitungen des Bundesgebietes — eine diesbezügliche Meldung gestanden, die die Zahl sogar noch viel höher angibt.
Sie stellt ausdrücklich fest, daß die deutsche Jugend dort militärisch ausgebildet und im Falle eines Krieges wie Soldaten behandelt werden soll. Außerdem liegt uns eine Aufforderung der amerikanischen Luftwaffe an. ehemalige deutsche Flieger vor, in der es heißt:
Sie werden hiermit aufgefordert, sich zu einer Aussprache bei der USAir Force in Königstein im Taunus zu melden, da Beiträge und Berichte von Einzelpersonen für unsere Aufgabe von großer Wichtigkeit sind. Der Aufenthalt wird mehrere Tage dauern. Es wird alles bezahlt. Verhinderung wird nur mit zwingender Begründung anerkannt. In diesem Falle wird ein neuer Termin gestellt.
Es ist ganz klar, was die USAir Force in diesen Aussprachen wissen will. Die deutschen Flieger haben Erfahrung im Angriffskrieg gegen den Osten, die sich jetzt die USAir Force zunutze machen will.
Wir wissen aus den vergangenen Monaten: Alle anständigen jungen Deutschen, christliche, sozialistische, Gewerkschaftsjugend,
die Jugend aller Richtungen lehnt die Remilitarisierung ab. Aufgabe dieses Hauses wäre es, die Jugend bei ihrem Widerstand gegen die Einbeziehung in fremde Kriegspläne zu bestärken und zu unterstützen.
Ihre Haltung aber führt dazu, daß die deutsche Jugend sich vom Bundestag und der Bundesregierung im Stich gelassen fühlt. Mehr noch! Seit dem 9. Januar dieses Jahres werden auf dem Petersberg Geheimverhandlungen über sogenannte militärtechnische Fragen geführt. Die „Frankfurter Allgemeine" schreibt dazu, daß vom Knopf des Infanteristen bis zum Panzer alles beraten werde, was die deutsche Aufrüstung betreffe. Diejenigen aber, die das alles mit ihrem Gut und Blut zu bezahlen haben werden, sollen darüber bis zuletzt im unklaren gelassen werden.
Wir sind der Meinung,
daß das unter allen Umständen verhindert werden muß.
Die Generale Speidel und Heusinger sind dabei, Deutschland den fremden Kriegsherren auszuliefern.
Unser Antrag, die Bundesregierung solle diesen Auftrag an Speidel und Heusinger zurücknehmen, wurde von Ihnen mit der Begründung abgelehnt, es gebe in Westdeutschland keine Remilitarisierung. Wir betonen: Die Generale Speidel und Heusinger sind bei diesen Verhandlungen niemals Beauftragte des deutschen Volkes;
sie sind höchstens Beauftragte des Bundeskanzlers Adenauer.
Damit das Volk nicht erfährt,
was über sein Schicksal entschieden wird, hat das Bundespresseamt bei Beginn dieser Verhandlungen erklärt, daß eine Berichterstattung über den Gang dieser Verhandlungen unerwünscht sei. Die kommunistischen Zeitungen in Westdeutschland sind ja mehr verboten als erlaubt
und können daher über das, was hier vorgeht, gar nicht berichten. Die anderen Zeitungen haben dieser Aufforderung mehr oder weniger freiwillig Folge geleistet, mehr oder weniger freiwillig deswegen, weil damit ja auch die Zuweisungen aus der Marshallplanhilfe für diese Zeitungen verknüpft sind.
Trotzdem haben die „Nürnberger Nachrichten" am 5. Mai berichtet, daß amtliche Stellen in London mitgeteilt hätten, die Bundesrepublik habe den westlichen Alliierten die Aufstellung einer westdeutschen Armee in Stärke von 150 000 Mann und
einer starken taktischen Luftwaffe mit Hunderten von leichten Bombern und Jägern zur Abwehr einer möglichen sowjetischen Aggression vorgeschlagen.
„Es wird in diesen Kreisen erwartet", so heißt es weiter, „daß die Westmächte den deutschen Vertretern klarmachen werden, daß die Vorschläge der Bundesrepublik insbesondere hinsichtlich der Luftwaffe allzu ehrgeizig seien", um den angeblich hochtrabenden Plänen gleich den nötigen Dämpfer aufzusetzen. Vielerlei ist in dieser Meldung aus London noch enthalten, was in der deutschen Bevölkerung große Beunruhigung hervorgerufen hat.
Manche Maßnahmen gerade in den letzten Tagen und Wochen, vor allem auch die im Hammelburger Gebiet, haben in unserer Bevölkerung alarmierend gewirkt, und ich muß schon sagen: Angesichts aller dieser Tatsachen ist es ungeheuerlich, daß sich das Ministerium Kaiser erlaubt, in der sogenannten „Warnung vor der Volksbefragung" -erneut die Behauptung aufzustellen, es gebe in Westdeutschland keine Remilitarisierung.
Die Amerikanerin Dorothy Thompson hat vor einigen Tagen in einem Zeitungsartikel festgestellt, die Aufrüstungspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika gleiche dem Selbstmord. Jawohl, meine Damen und Herren, aber dem Selbstmord des deutschen Volkes, das davon in allererster Linie betroffen und das das erste Opfer sein würde, wenn es sich dagegen nicht entschieden zur Wehr setzt.
Unser Antrag dient dem Zweck,
endlich klarzustellen, daß das deutsche Volk die Remilitarisierung Westdeutschlands nicht will.
Meine Damen und Herren, wenn Sie immer wieder
behaupten, Westdeutschland sei bedroht, dann sage
ich Ihnen: dazu haben Sie nicht das mindeste Recht!
Die Deutsche Demokratische Republik hat Ihnen schon mehr als einmal das Angebot gemacht,
gemeinsam zu prüfen, worin diese Bedrohung bestehen soll. Sie haben dieses Angebot abgelehnt.
Damit haben Sie sich des Rechtes beraubt, eine
solche Behauptung immer von neuem aufzustellen.
Ich möchte dem Herrn Präsidenten noch einen Antrag unserer Fraktion vorlegen,
der sich mit der Angelegenheit in Hammelburg befaßt, die wir nicht als durch die Zeitungsmeldungen der letzten Tage erledigt betrachten können. Der Antrag lautet:
Die Bundesregierung wird verpflichtet, die von
der amerikanischen Besatzungsmacht geforderte Beschlagnahme von 153 Quadratkilometern fruchtbaren Ackerlandes und die damit verbundene totale Räumung von 8 Gemeinden zum Zwecke der Erweiterung des früheren Truppenübungsplatzes Hammelburg um das Vierfache seiner bisherigen Größe abzulehnen. Der Bundestag untersagt darüber hinaus der Bundesregierung, der amerikanischen Besatzungsmacht anderweitiges Ersatzgelände zur Anlage von Truppenübungsplätzen zur Verfügung zu stellen.
Ich bitte Sie, diesen Anträgen im Interesse der Erhaltung des Friedens
für das deutsche Volk zuzustimmen.