Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau dankbar, daß er bei der Einbringung des Regierungsentwurfs die Notwendigkeit einer Neuordnung mit einer Darstellung des derzeitigen Zustandes unseres Bau- und Bodenrechts begründet hat. Wir wären dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau noch dankbarer gewesen, wenn er mit Rücksicht auf die Entschließung, die der Bundestag am 28. März vorigen Jahres gefaßt hat, stärkeren Nachdruck darauf gelegt hätte, den Gesetzentwurf wenigstens annähernd zu dem Termin vom 30. September 1950, den der Bundestag in dieser Entschließung festgesetzt hat, einzubringen. Damals hat der Bundestag folgendes beschlossen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten dem Haus den Text unserer Entschließung in die Erinnerung zurückrufen. Die Bundesregierung wurde ersucht,
1. bis zum 30. September 1950 einen Gesetzentwurf über die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsneubaues und für den Wiederaufbau vorzulegen;
2. in diesem Gesetzentwurf Bestimmungen zu treffen, die gegebenenfalls unter Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes
— und ich möchte gerade diesen Punkt unserer Entschließung unterstreichen —
die schnelle, wirksame, endgültige und zu günstigen Preisen mögliche Enteignung von Grundstücken vorsehen.
Der Herr Bundesminister hat gesagt, daß die Bundesregierung schweren Herzens, aber mit leichter Hand — wir sehen darin eigentlich einen logischen Widerspruch — diesen Gesetzentwurf
vorgelegt habe. Wenn wir uns ihn in seinem Inhalt anschauen, müssen wir sagen, daß das schwere Herz und die leichte Hand wahrscheinlich bestimmend dafür gewesen sind, daß trotz der langen Bearbeitung dieser Vorlage eigentlich eine sehr unentwickelte Frucht dabei herausgekommen ist. Obwohl wir inzwischen im Hause Erfahrungen darüber gewonnen haben, daß es oft vorkommt, daß Anträgen des Hauses, die mit Terminen versehen sind, seitens der Bundesregierung nicht, die genügende Beachtung geschenkt wird, glauben wir, daß die Länge der Zeit leider nicht förderlich für den Inhalt, die Form und die Gestalt dieses Gesetzentwurfes gewesen ist. Wenn vielleicht der Zeitraum, den wir für die Bearbeitung gesetzt hatten, stärker beachtet worden wäre, hätten sich die Beteiligten einschließlich der Vertreter des Bundesrats wohl mehr daran erinnert, daß in den letzten Tagen vor der endgültigen Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes in der gemeinsamen Beratung zwischen den Mitgliedern des Wohnungsausschusses des Bundestages und des gleichen Ausschusses des Bundesrats doch eine fast einmütige Auffassung über die in dieser Frage bestehenden Notwendigkeiten gegeben war. Die Länge der Zeit ist in diesem Zusammenhang, so glauben wir, eigentlich unheilbringend gewesen und hat zu der uns heute vorliegenden Fassung des Gesetzes geführt, die uns leider sehr wenig befriedigt. Auch der Papierverbrauch, der mit dem Zustandekommen dieses Gesetzes verbunden war, hat leider nicht positivere Formulierungen bewirkt, sondern eher das Gegenteil. Es sollen ja wohl acht bis zehn, wenn nicht gar dreizehn Entwürfe zur endgültigen Formung dieser Materie innerhalb der Bundesregierung oder des Bundesministeriums vorgelegt worden sein.
Doch, meine Damen und Herren, wir wollen uns mit dem Grundsätzlichen dieses Gesetzes beschäftigen. Nach einer allgemeinen Betrachtung fürchten wir sagen zu müssen, daß dieses Gesetz in seiner Formung allzusehr den Interessen des Individuums in einer Überspitzung rechtsstaatlicher Gesichtspunkte bis zur formalistischen Gestaltung seines Inhalts Rechnung trägt. Wir glauben, daß die Kriegszerstörungen in unseren Gemeinden und die Verpflichtung insonderheit der öffentlichen Hand, mit allen Mitteln den Wiederaufbau unseres schwer zerstörten Vaterlandes zu fördern, vor allem aber auch die Interessen unserer heimatvertriebenen Mitbürger in der Formung des Gesetzes stärkeren Ausdruck finden und die Notwendigkeiten des Gemeinwohls mehr in den Vordergrund rücken müssen, als es bei dem Gesetz in seiner jetzigen Fassung der Fall ist. Wir wissen dabei sehr wohl zwischen dem berechtigten Schutz allen echten Arbeitseigentums und dem Besitz, der etwaigen spekulativen Erwägungen dienen soll, zu unterscheiden. Gegenüber den begründenden Ausführungen meines Vorredners möchte ich sagen, wir glauben keineswegs, daß wir ein Bodenrecht zu schaffen haben, das die berechtigten Interessen des Arbeitseigentums außer acht läßt. Bei der Regelung der Entschädigungsbemessung ist es nach unserer Auffassung von entscheidender Bedeutung, daß das gesichert wird, was auf eigener Leistung beruht, und daß bei der Preisfestsetzung alles ausgeschlossen wird, was etwa heute oder früher aus spekulativen Erwägungen bei der Bodenpreisbemessung eingebracht worden ist.
Im übrigen haben wir auch grundsätzlich gegenüber der Formung dieses Gesetzentwurfes Bedenken, weil wir in ihm keine genügenden Vorschriften sehen, um das schwerwiegende Problem, das im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau unserer zerstörten Gemeinden auftritt, nämlich die Sicherung der notwendigen Gemeinbedarfsflächen zugunsten der Gemeinden, durch eine Regelung zu lösen, die für die öffentliche Hand tragbar wäre. Wir müssen sowohl bei der Entschädigungshöhe für etwa enteigneten Grundbesitz als auch bei der Erlangung der nötigen Gemeinbedarfsflächen daran denken, daß unsere öffentlichen Mittel infolge der vielfachen Beanspruchungen, die von allen Seiten an sie herantreten, beschränkt sind. Jede Erhöhung eines Bodenpreises bedeutet eine Vermehrung der Baukosten, die letzten Endes zu Lasten der öffentlichen Hand geht. Wir müssen bei der Preisregulierung das Gemeinwohl in dem Sinne in den Vordergrund stellen, daß zwar das berechtigte Interesse des Grund- und Bodenbesitzers nicht verletzt wird, daß aber auch an keinen eine Zuwendung erfolgt, auf die er nicht aus eigener Leistung Anspruch hat.
Uns befriedigt auch nicht, Herr Bundesminister, die Regelung, die wegen des Rechtszuges getroffen ist. Wir anerkennen zwar, daß die Bundesregierung sich bemüht hat, eine Vereinheitlichung herbeizuführen. Wir haben jedoch nach wie vor allerschwerste Bedenken dagegen, daß der im Gesetzentwurf vorgeschriebene Weg mit den Baulandkammern bei den Landgerichten beschritten wird, weil wir erstens glauben, daß bei der heutigen Regelung die sachlichen und personellen Voraussetzungen für die Besetzung dieser Kammer nicht gegeben sind, und weil wir zweitens glauben, daß wir im Streitverfahren nicht die schnelle Entscheidung erreichen, die im Verwaltungsverfahren möglich ist. Doch diese Dinge mögen in der Diskussion und in der Ausschußberatung im einzelnen geprüft und vertieft werden.
Wir haben mit großem Bedauern davon Kenntnis genommen, daß der Bundesrat in seiner Stellungnahme den dritten, vierten und fünften Abschnitt des ursprünglichen Gesetzentwurfes der Bundesregierung kurzerhand gestrichen hat. Bei allem Verständnis, das wir trotz unserer sehr eingeschränkten Zustimmung auch für die berechtigten Interessen der regionalen Verbände unserer Bundesrepublik haben, glauben wir nicht, daß es möglich ist, das Verfahrensrecht etwa den 11 Ländern zu überlassen und den frischfröhlichen Zustand, wie wir ihn bis heute haben, vielleicht auf Dauer und auf Ewigkeit fortzusetzen.
Auch der Entwurf der CDU' befriedigt uns nicht. Wir sehen aber in ihm ebenso wie in dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorgelegt hat, eine Grundlage der Diskussion. So will ich mit meinen Ausführungen unsere Bereitschaft bekunden, beide Vorlagen als Beratungsgrundlage zu betrachten. Dabei haben wir die Absicht, wesentliche Veränderungen und, wie wir glauben, Verbesserungen im Interesse des deutschen Wiederaufbaus anzubringen. Wir wollen wirksame Maßnahmen zum Ausschluß aller Spekulationsgewinne aus früheren Jahren und wollen ein einfaches und schnelles Verfahren einführen. Ich stimme mit meinem Vorredner durchaus darin überein, daß das Enteignungsverfahren nur die gesetzliche Androhung gegenüber demjenigen sein kann, der nicht guten Willens ist. Wir sollten versuchen, den für den Wiederaufbau und Neubau unserer deutschen Heimat erforderlichen Boden in möglichst weitem Umfang durch Verhandlungen der Beteiligten zu ge-
winnen. Wir sollten gesetzliche Vorschriften schaffen, die denjenigen, die heute den Grund und Boden in der Hand haben, deutlich machen, daß sie nicht mehr als den auf ihren eigenen Leistungen beruhenden Preis fordern können, daß sie jedenfalls im Enteignungsverfahren nicht mehr als diesen Preis bekommen werden.
Wir wollen mit unserer Mitarbeit und mit unseren Anträgen, die wir in der Ausschußberatung zu stellen haben, den Anforderungen unserer Zeit dienen; wir wollen aber auch den Erkenntnissen dienen, die sich aus moderner Planung für unsere Zeit ergeben. Wir wollen nicht verhehlen, daß wir gegen die vorläufige Regelung, die der Gesetzentwurf vorsieht, allerschwerste Bedenken haben. Es wäre von der größten Bedeutung, das Baurecht einschließlich des Umlegungs- und Planungsrechts grundsätzlich auf bundesgesetzlicher Ebene zu regeln. Aber wir wollen den Weg mitgehen, um das zu erreichen, was vorläufig möglich ist, weil wir andererseits genau wissen, wie schwer es im Schoße dieser Bundesregierung und ihrer Mehrheit sein wird, die mit' dem Enteignungsproblem zusammenhängenden Fragen wirklich in eine Übereinstimmung mit den Notwendigkeiten zu bringen, die sich auf Grund unserer volkswirtschaftlichen Probleme ergeben. Wir wollen dafür gern noch etwas Zeit geben, wenn diese Zeit dazu beitragen könnte, daß wir vor Ablauf der Wahlperiode dieses Hauses ein Baurechtsgesetz verabschieden können. Wir sind nicht der Meinung, daß mit dieser vorläufigen Regelung der Baulandbeschaffung etwa unserem Verlangen Genüge getan ist, das auch unsere Freunde von der anderen Seite des Hauses im Wohnungsausschuß und im Wiederaufbauausschuß einmütig unterstützen. Wir richten in Übereinstimmung mit den anderen Mitgliedern dieser Ausschösse an den Herrn Bundesminister den dringenden Appell, in seinem Ministerium sowohl nach der personellen als auch nach der sachlichen Seite die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine Vorlage betreffend das gesamte Baurecht in absehbarer Zeit an den Bundestag herangebracht und zum Abschluß gebracht werden kann.
Unsere Stellungnahme zu dem Gesetz ergibt sich eindeutig aus der Auffassung, daß Bodenbesitz ein anderes ist denn der Besitz beliebig vermehrbarer Ware. Es ist ein Pfand in den Händen des Bodenbesitzers, das zum Wohle der Allgemeinheit für die Schaffung gesunder Wohnungen, Heimstätten und öffentlicher Anlagen — zum niedrigsten Kostenpreis, der überhaupt möglich ist — eingesetzt werden muß. Es sollte hier keinen Raum geben für die Befriedigung erwerbswirtschaftlicher Erwartungen, sondern das Gesetz sollte nur dienen der Erfüllung gemeinsamer Verpflichtungen aller Deutschen, auf daß wir auch hier die Wunden heilen können, die uns der Krieg und der Wahnsinn derjenigen, die leider auch Deutsche waren, geschlagen haben. Wir brauchen dazu ein Enteignungsrecht, um denjenigen gegenüber, die glauben, daß sie sich den Notwendigkeiten unserer Zeit und unseres Volkes verschließen könnten, das Recht der Gesamtheit unseres Volkes auf Herausgabe desjenigen durchzusetzen, das im Interesse unseres Volkes für den Wiederaufbau benötigt wird.