Meine Damen und Herren! Einige Punkte der Kritik des Herrn Kollegen Meyer kann ich mir selbst zu eigen machen, bei anderen lege ich die Kritik von genau der entgegengesetzten Seite an. Ich bin mit dem Herrn Kollegen Meyer durchaus einig, wenn er sagt, man solle das gesamte Bau- und Bodenrecht bundeseinheitlich regeln. Ich stimme ihm darin zu, daß hier auch zu der Behandlung der Materie im Ministerium etwas Kritisches zu sagen ist. Den großen Entwurf haben wir im vorigen Sommer bekommen. Dann hat man dieses Baulandbeschaffungsgesetz herausgenommen, das aber durch die dreizehn Gesetzentwürfe hindurch wohl eine Odyssee mitgemacht hat, so daß wahrscheinlich der Verfasser des ursprünglichen Gesetzentwurfs den nunmehr vorliegenden Entwurf nicht mehr wiedererkennen wird.
Ich bin mit dem Herrn Kollegen Meyer auch darin einig, daß die Absicht im vorigen Jahre durchaus dahin ging, ein Baulandbeschaffungsgesetz nicht nur für den Wohnungsbau, sondern auch für den Wiederaufbau zu schaffen. Weil wir das wollten, haben wir die entsprechenden Enteignungsbestimmungen aus dem ersten Entwurf des Bundeswohnungsbaugesetzes herausgenommen. Wir waren der Auffassung, daß man gerade den Wiederaufbau unserer Städte fördern müsse durch die Regulierung und bundesgesetzliche Regelung der bisherigen Enteignungsbestimmungen alter Art, der Länderregelungen und dessen, was sich nach 1945 ergeben hat.
Wenn man schon hier in diesem Gesetzentwurf eine Regelung für den Gemeinbedarf trifft, dann muß man davon ausgehen, daß man, soweit dieser Gemeinbedarf — und das wird der größte Teil sein — sich auf die Verbreiterung der Straßen, Durchlüftung der Stadtkerne bezieht, nicht an der neuen Bauflucht stehenbleiben kann und das, was an Grundstücken im Privatbesitz dahintersteckt, den bisherigen Länderregelungen oder der Regelung nach altem Recht überlassen kann. Man muß dann auch das regeln, und ich spreche die Erwartung aus, daß es uns im Ausschuß gelingen wird, die entsprechenden Vorschläge in das Gesetz hineinzubringen.
Meine Damen und Herren! Was wir in dem Gesetzentwurf vermissen, das ist eine gewisse Rangfolge der Enteignung. Ich habe den Eindruck, als ob nun der Entwurf, fußend auf dem vom vorigen Jahre, etwas zu sehr im luftleeren Raum konstruiert worden ist und auf die Bedürfnisse der Praxis des Wiederaufbaues zu wenig Rücksicht nimmt. ich bin der Meinung, daß zunächst einmal, wenn man enteignen will, das Land der öffentlichen Hand herangezogen werden muß,
und ich bin der Meinung, daß man hier auch an dem Landbesitz etwa der Bundesbahn, der nicht zu Betriebszwecken notwendig ist, nicht vorbeikommt. Sie sträubt sich mit Händen und Füßen dagegen. Sie hat eine ganze Reihe von Grundstücken, die auch als Bauland geeignet sind. Auch dieser öffentliche Besitz muß zunächst herangezogen werden. Dann muß eine weitere Rang- oder Stufenfolge dadurch geschaffen werden, daß wir an die Trümmergrundstücke herankommen, zweitens an die Baulücken, drittens an das Land an ausgebauten Straßen. Ich bin der Meinung, daß man unerschlossenes Bauland nur dann enteignen soll, wenn sonst kein Weg gegeben ist, um etwa Kleinsiedlungen und Eigenheime zu erstellen.
Aber wenn man sich etwa mit der Enteignung der Trümmergrundstücke beschäftigt, muß man — hier widerspreche ich dem Herrn Kollegen Meyer —, davon ausgehen, daß der Eigentümer des Trümmergrundstücks sein Haus, sein Gebäude
durch den Krieg verloren hat; er kann nicht damit rechnen, daß er eine Entschädigung durch den Lastenausgleich bekommt; im Gegenteil, wir haben eine ganze Reihe von Fällen, in denen die Trümmergrundstücke noch zum Lastenausgleich beitragen müssen. Ich sehe da keinen Weg, wie man diese Leute in ihren Besitzverhältnissen, in ihren Vermögenswerten noch mehr einschränken soll. Ich bin andererseits der Meinung, daß man, gerade zur Förderung des Wiederaufbaues, diese Leute mehr unterstützen sollte, und ich glaube, ehe man an die Enteignung eines solchen Grundstücks herangeht, muß man dem Besitzer einen Weg weisen, wie er selber wieder aufbauen kann,
d. h. man muß gerade aus städtebaulichen Gründen diesen Leuten bevorzugt mit der Hergabe von Landesmitteln dienen.
Es ist leider festzustellen, daß in den meisten unserer Städte die Planungsämter und die Verwaltungen allgemein sich viel zuwenig um diese Dinge
kümmern und den an sich aufbauwilligen Trümmergrundstücksbesitzern viel zuwenig Hilfe geben.
Überlegen Sie sich einmal, wieviel Gelände an ausgebauten Straßen zur Verfügung steht! Ich glaube, der Ausschuß wird gut daran tun, sich aus einer Reihe von Großstädten eine Übersicht geben zu lassen. Ich kann Ihnen aus meiner Heimatstadt Wuppertal sagen, daß wir nicht weniger als 197 km Straßenfronten an ausgebauten Straßen haben und an Baulücken, die durch Kriegseinwirkung entstanden sind. Wenn Sie davon all das abziehen, was auf Grund der neuen Planung als Bauland nicht mehr verwertbar ist, dann können wir an ausgebauten Straßen immerhin soviel Menschen ansiedeln, daß die Einwohnerzahl unserer Stadt die Halbe-Millionen-Grenze überschreiten würde; aber diesen Ehrgeiz haben wir gar nicht. Das beweist, daß man für den mehrgeschossigen Bau zunächst einmal unter allen Umständen auf dieses Land an ausgebauten Straßen zurückgreifen muß, mit anderen Worten, daß man nicht neues Gelände zu erschließen braucht. Man sollte also nicht im Wege der Enteignung Gelände erwerben, um auf ihm drei- oder viergeschossige Mietwohnhäuser aufzubauen.
Bezüglich des unerschlossenen Geländes müssen wir uns überlegen, welchen Zwecken es jetzt dient. Ist es landwirtschaftlich genutzt, dann gibt es sehr große Schwierigkeiten. Ich glaube nicht, daß wir es uns leisten können, in erheblichem Umfange landwirtschaftlich genutztes Gelände zu nehmen. Das zwingt uns dann automatisch dazu, uns etwa die Landschaftsschutzbestimmungen vorzunehmen und hier Änderungen zu treffen. Das können wir, weil in vielen Großstädten nach dem Kriege auch Baumbestände abgeholzt worden sind, und ich kann mir vorstellen, daß eine Aufforstung durch Obstbäume in Gärten sehr viel dienlicher ist, als wenn man etwa wieder Kiefern oder Laubbäume anpflanzt.
Eine wichtige Gruppe, die uns beim Wiederaufbau außerordentlich hemmt, ist im Gesetz unberücksichtigt geblieben. Ich meine die Restitutionsgrundstücke. Der Ausschuß wird sich überlegen müssen, ob nicht die Möglichkeit besteht, die Enteignung, die dann vielleicht nur durch die öffentliche Hand zu vollziehen wäre, auch auf Restitutionsgrundstücke auszudehnen. Sollte das in diesem Gesetz nicht möglich sein, dann müßten wir dafür ein besonderes Gesetz vorsehen, denn dazu ist die Zustimmung der Hohen Kommission notwendig. Die Tatsache, daß brachliegende Grundstücke eben wegen der Restitution dem Zugriff nicht zugänglich sind, hemmt uns beim Wiederaufbau in sehr starkem Maße.
Ich vermisse in dem Gesetz einen Hinweis an die Grundstückseigentümer — in dem Entwurf der Abgeordneten Lücke und Genossen ist das dankenswerterweise geschehen — auf die Möglichkeiten, die im Gesetz über das Wohnungseigentum liegen.
Eine ganze Reihe von ausgebombten Grundstücksbesitzern hätte die Möglichkeit, wiederaufzubauen durch die Hereinnahme Dritter, die eine Wohnung oder eine gewerbliche Einheit erwerben wollen, und zwar gerade auf dem Wege des Wohnungseigentums und des Teileigentums. Für viele dieser Grundstücksbesitzer kommt dadurch das Kapital, das jetzt gewissermaßen tot in ihren Grundstücken liegt, wieder zum Leben.
Wir werden ferner prüfen müssen, wieweit diese Bestimmungen mit der jetzt in Gang befindlichen Umlegung in Einklang zu bringen sind. Wir haben in allen Ländern die Landesaufbaugesetze. Die Umlegungsbestimmungen variieren nicht allzu sehr. Aber das Durchführungsverfahren ist außerordentlich kompliziert und dauert viele Monate. Erst kommt der Leitfaden, dann kommen die Durchführungspläne, und dann muß die Sache erst Instanzen durchlaufen, auch auf der Ebene der Selbstverwaltung. Wenn man also auch Grundstücke, die nur dem Wiederaufbau, also weniger dem Wohnungsbau dienen sollen, mit hereinnehmen will, dann muß auch diese Frage geklärt werden.
Meine Damen und Herren, es ist hier auch viel über den Grundstückspreis und die Entwicklung der Grundstückspreise geredet worden. Im Gesetz wird von dem zulässigen Höchstpreis gesprochen; das ist der Stoppreis, der seinerseits auf Gutachten der Preisbehörden oder Sachverständiger basiert. Diese Gutachten haben ihrerseits die Preissammlung aus den letzten Jahrzehnten zur Grundlage, und Sie können feststellen, daß der Verkehrswert, also der gemeine Wert, manchmal unter diesem Stoppreis liegt. Die große Frage ist die: Was geschieht, wenn man den Preisstopp beseitigen würde? Ich bin der Meinung, daß im Stadtkern die Preise erheblich sinken würden,
während in den besseren Wohnvierteln draußen die Preise allerdings steigen würden. Letzteres könnte uns gleichgültig sein, denn das ist keine Angelegenheit des Wiederaufbaus und auch keine Angelegenheit des sozialen Wohnungsbaus. Wir wären auf diesem Gebiete einen wesentlichen Schritt weiter, wenn man erreicht hätte, daß der Wert der Grundstücke und der Wert auch der Trümmergrundstücke bei der Finanzierung des Wiederaufbaus auch dem Erwerber voll angerechnet würden. Solange in vielen Ländern dieser Wert überhaupt nicht, in anderen nur mit einer Verzinsung angerechnet wird, die netto nachher 2 % ausmacht, ist ein Grundstücksumsatz überhaupt nicht möglich. Würden wir den Grundstücksmarkt ankurbeln, dann brauchten wir sehr häufig gar nicht zu Enteignungsmaßnahmen zu greifen.
Ich bin nun der Meinung, daß man gerade aus dem vorhin genannten Grunde, nämlich daß man den Trümmergrundstücksbesitzer nicht noch schlechter behandeln kann, als er durch das Schicksal und die Nachkriegszeit schon behandelt worden
ist, eine Sonderregelung für die Gemeinden nicht generell treffen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß man gewisse Ausnahmebestimmungen vorsieht. Aber eine Bevorzugung der Gemeinden darf nach meinem Dafürhalten nicht erfolgen.
Ich bedaure mit dem Kollegen Meyer, daß der Bundesrat die Verfahrensvorschriften bei Enteignungsbehörden und auch die Vorschriften über den Rechtsweg gestrichen hat. Andererseits bin ich im Gegensatz zu ihm der Auffassung, daß die Baulandkammern — eine Konstruktion, wie sie das Gesetz jetzt vorsieht —, besetzt mit Richtern der ordentlichen Gerichte und der Verwaltungsgerichte, ein durchaus geeignetes Instrument sind. Ich bin nicht der Ansicht, Kollege Meyer, daß das Verfahren bei den Verwaltungsgerichten schneller geht. Ich glaube vielmehr, daß es noch langwieriger sein wird, einmal, weil die Verwaltungsrichter außerordentlich überlastet sind, zum andern, weil sie weitab vom Schuß sitzen. Die Baulandkammern im Bereich der Landgerichte sind nahebei. Ihnen stehen sofort Sachverständige zur Verfügung, die die notwendigen Kenntnisse auf dem Grundstücksmarkt haben. Das Interesse der öffentlichen Hand wird durch die Verwaltungsrichter gewahrt, die den Behördengang besser kennen. Andererseits ist es nicht richtig, wenn man erklärt, das sei eine ureigene Sache der Verwaltungsgerichte, weil es sich um Anordnungen der Verwaltung handele. Nein, in vielen Fällen wird die Enteignungsbehörde nur, sagen wir einmal, eine Clearingstelle für den Übergang von Grundeigentum aus privater Hand in andere private Hand sein.
Ich glaube also, daß die Konstruktion des Rechtsweges im Entwurf gut ist. Ich bin auch der Meinung, daß gerade die Bestimmungen über die Ausführungsanordnung richtig sind. Ich weiß allerdings im Augenblick nicht, wie wir im Ausschuß zu einer einheitlichen Meinung kommen sollen; aber ich nehme gern zur Kenntnis, daß der Herr Kollege Meyer für seine Fraktion die Bereitwilligkeit erklärt hat, positiv mitzuarbeiten. Nach den Erfahrungen, die wir in unseren Ausschüssen gemacht haben, werden wir die Probleme sicher in loyaler und sachlicher Weise zu klären versuchen und werden dann hoffentlich in ganz kurzer Zeit dem Hause unsere Vorschläge machen können.