Herr Abgeordneter Brandt ist also offensichtlich hier und nicht in Berlin; dafür sind 'die nicht in Berlin ansässigen Mitglieder des Ausschusses in Berlin.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung möchte ich folgendes mitteilen: Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat soll als Punkt 2 eingeschoben werden die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft, Nrn. 2320, 2089 der Drucksachen, nachdem die Ausschußberatungen abgeschlossen sind.
Dann ist mir weiter ein Initiativgesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Dr. Müller , Faßbender, Tobaben, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Dr. Glasmeyer, Donhauser und Genossen über die Zahlung von Frühdruschprämien zugegangen. Da wir als Punkt 2 der gedruckten Tagesordnung die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 anstehen haben, darf ich Ihnen im Interesse der Vereinfachung vorschlagen, daß wir diesen Initiativgesetzentwurf ebenfalls mit erledigen und gleichfalls an den Ausschuß überweisen, damit wir zu einer einheitlichen Bearbeitung kommen. — Das Haus ist einverstanden.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 8. Juni 1951 die Anfrage Nr. 190 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Finanzielle Lage des Rundfunksenders „Radio Bremen" — Nr. 2272 der Drucksachen — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2342 vervielfältigt.
Ich rufe zunächst Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Strauß und Genossen betreffend ERP-Mittel für den Fremdenverkehr .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von höchstens 20 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Strauß.
Strauß , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, anläßlich dieser Interpellation die Frage des Wiederaufbaus eines konkurrenzfähigen deutschen Fremdenverkehrswesens und seiner staatlichen Förderung hier ausführlich zu besprechen. Es ist auch nicht die Aufgabe, anläßlich dieser Interpellation hier, wie früher einmal geschehen, über die wirtschaftliche, politische, kulturelle und soziale Bedeutung des Fremdenverkehrs zu sprechen. Es handelt sich hier um eine Spezialfrage; es handelt sich darum, ob von seiten des Bundes und noch mehr von seiten der amerikanischen ERP-Verwaltung anerkannt wird, daß auch der Fremdenverkehr, besonders diejenigen Betriebe, die vor allem für die Aufnahme und Unterbringung von Ausländern geeignet sind, wegen seiner Bedeutung als wesentlicher Wirtschaftszweig für den Ausgleich unserer Zahlungsbilanz und für die Verbesserung unserer Handelsbilanz fördernswert ist.
Ich darf dazu einige wenige Zahlen geben. Es sind schon im Laufe der letzten Jahre bei der Ausschüttung der Gegenwertmittel der 1. und der 2. Tranche Zuwendungen an den Fremdenverkehr in Form von Krediten erfolgt. Darüber wird vermutlich der Vertreter des Wirtschaftsministeriums Auskunft geben.
Uns interessiert in diesem Zusammenhang ein kurzer Überblick über den Erlös aus dem AusländerFremdenverkehr. Der Ausländer-Fremdenverkehr ist erst im Laufe des Jahres 1949 wieder in nennenswertem Umfange angelaufen. Für das Sommerhalbjahr 1949 lagen ungefähr 180 000 Ausländermeldungen mit rund 420 000 Übernachtungen vor. Im Winterhalbjahr 1949/50 sind es bereits 250 000 Meldungen mit 538 000 Übernachtungen. Für das Sommerhalbjahr 1950 beziffern sich die Ausländermeldungen auf rund 700 000, die Übernachtungszahl auf etwa 1,5 Millionen.
Der Devisenerlös aus dem Ausländer-Fremdenverkehr wird für das Jahr 1949, für das nur Schätzungen vorliegen, mit etwa 20 Millionen Dollar angenommen werden können. Im Jahre 1950 werden seit Mai von der Bank deutscher Länder statistische Unterlagen gesammelt, die für die Zeit von Mai 1950 bis einschließlich Oktober 1950 einen Devisenerlös von ca. 20 158 000 Dollar nachweisen. Wenn der Umsatz für die restlichen sechs Monate des Jahres 1950 gegenüber der Hauptsaison von Mai bis Oktober um etwa 20 % geringer ist, so kommen wir immer noch auf einen Gesamterlös von ca. 36 Millionen Dollar oder etwa 151 Millionen DM.
Es ist selbstverständlich, daß diese 36 Millionen Dollar für das Jahr 1950 gegenüber der gesamten Außenhandelsbilanz mit einem Gesamtexportwert von mindestens 2 Milliarden Dollar nur einen kleinen Teil ausmachen. Wir müssen uns aber daran erinnern, daß gerade dieser kleine Teil noch
wesentlich steigerungsfähig ist und daß in den normalen Zeiten vor dem zweiten Weltkriege die Deviseneinnahmen aus dem Fremdenverkehr jährlich 350 bis 400 Millionen Mark betragen haben. Es läßt sich hier von meiner Seite aus nichts Genaues über den zukünftigen Finanzbedarf für den Wiederaufbau unseres Fremdenverkehrswesens sagen. Es ist aber sicher, daß die Kredite in der bisher gewährten Größenordnung das Minimum sein sollten, um die erheblichen Kriegs- und die fast noch erheblicheren Besatzungsschäden allmählich ausgleichen zu helfen. Aus einem Überblick ergeben sich folgende Zahlen:
Vor dem Kriege waren im Bundesgebiet insgesamt ca. 450 000 Betten für ,den Fremdenverkehr verfügbar, am 1. Juli 1949 hatten wir in der amerikanisch-englischen Zone etwa 140 000 Betten, in der französischen Zone etwa 35 000 Betten; wenn man die Jugendherbergen mit hereinnimmt, kommen noch einmal 20 000 Betten hinzu.
Am 1. Oktober 1949 hatten wir in der amerikanisch-englischen Zone 185 000 Betten, in der französischen Zone 50 000 Betten, in den Jugendherbergen etwa 20 000 Betten, also insgesamt etwa 240 000 Betten. Am 1. April 1950 waren etwa 250 000 Betten, am 1. Januar 1951 etwa 275 000 Betten -verfügbar.
Das Ziel, das von seiten des Wirtschaftsministeriums und von seiten der Fremdenverkehrsverbände, des Hotel- und Gaststättenverbandes angestrebt wird, ist, im Laufe des Jahres 1952 etwa wieder 330 000 Betten verfügbar zu haben. Die Schätzung, wonach die Kriegsschäden bei Fremdenverkehrsbetrieben sich insgesamt auf 1,4 Milliarden DM belaufen, dürfte wohl die richtige Zahl erreichen. Es ist eine ebenso bekannte Tatsache, daß die Besatzungsschäden gerade an den besten Beherbergungsbetrieben, an den besten Hotels, Gaststätten, Kurheimen usw. besonders groß sind, die zum Teil noch von den Besatzungsmächten beschlagnahmt sind, zum Teil nach jahrelanger Beschlagnahme und demgemäß weitgehend erfolgter Unbrauchbarmachung freigemacht worden sind. Die Besitzer sind trotz der durch das Besatzungskostenamt gewährten Entschädigungen aus eigener Kraft und angesichts der allgemeinen Lage auf dem Kapitalmarkt nicht in der Lage, ihren Betrieb wiederaufzubauen.
In diesem Zusammenhang habe ich mit Interesse eine Zusammenstellung in der letzten Nummer der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" gelesen, wonach für Besatzungsschäden im Besatzungskostenhaushalt etwa 77 Millionen DM vorgesehen waren, von denen nur 34 Millionen DM verausgabt worden sind. Ich glaube, daß das Finanzministerium einmal diese Frage etwas näher überprüfen sollte, um festzustellen, ob nicht die Entschädigung gerade auch bei diesem Zweige etwas schneller und vielleicht etwas großzügiger erfolgen könnte, weil der Wiederaufbau dieser Betriebe letzten Endes auch der Produktivität unserer Wirtschaft und in erster Linie dem Ausgleich unserer Zahlungsbilanz dient.
Wir haben mit Erstaunen, ich möchte beinahe sagen: mit Besorgnis gerade aus den Gegenden des deutschen Fremdenverkehrs vernommen — ob es nun das Rheinland, das Moselland, der Schwarzwald, Baden, Württemberg oder Bayern ist, alle diese Gegenden sind in gleichem Maße auf diesen Wirtschaftszweig angewiesen; Hunderttausende von Menschen leben dort davon; kaum ein Wirtschaftszweig ist so lohnintensiv wie gerade das Fremdenverkehrsgewerbe, so häßlich dieses Wort ist —, daß nach den hoffnungsvollen Ansätzen bei der Ausschüttung der ersten und der zweiten Tranche aus den ERP-Gegenwertmitteln bei der Ausschüttung der dritten Tranche der Fremdenverkehr überhaupt gestrichen worden ist. Die Bundesregierung ist deshalb von seiten der Öffentlichkeit — nicht nur von seiten der sogenannten Interessenten — kritisiert worden, weil der Fremdenverkehr als ein ebenfalls exportfördernder Zweig — wenn auch indirekter Art — hier unterdrückt worden ist, und wir haben uns erlaubt, folgende Fragen an die Bundesregierung zu stellen, um deren möglichst genaue Beantwortung wir bitten:
1. Entspricht es den Tatsachen, daß bei der Ausschüttung der dritten Tranche der ERP-
Gegenwertmittel kein Posten für Fremdenverkehr vorgesehen ist?
2. Warum hat die Bundesregierung, wenn diese
Annahme zutrifft, - diesen Standpunkt eingenommen? Oder ist von der amerikanischen
ERP-Verwaltung ,die 'Streichung der Mittel
für den Fremdenverkehr veranlaßt worden? Wir wären an einer besonders genauen Beantwortung dieser Frage sehr interessiert, weil damit auch Verantwortlichkeit und Zuständigkeit in dieser Hinsicht einmal genau herausgestellt werden sollen, da dies in der deutschen Öffentlichkeit leider zu oft durcheinandergeworfen wird.
3. Teilt die Bundesregierung den Standpunkt der Interpellanten, daß die Zuteilung von Krediten an den Fremdenverkehr eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit bedeutet?
Hier handelt es sich — was wohl auch das Wirtschaftsministerium zugestehen muß — um mehr als etwa um die Vertretung der Interessen eines Wahlkreises. Es handelt sich um mehr auch als um die Vertretung der Interessen eines Wirtschaftszweiges. Es geht hier in erster Linie darum, einen Beitrag zu leisten und die Bundesregierung zu diesem Beitrag zu veranlassen, daß der Fremdenverkehr, der vor dem zweiten Weltkrieg wieder zu so ansehnlicher Höhe emporgewachsen war, nun auch jetzt, nach diesem Kriege, in möglichst kurzer Zeit wiederaufgebaut und daß auf allen Gebieten und besonders auf dem Gebiet der Kreditgewährung das Menschenmögliche dazu getan wird.
Viertens würde uns in diesem Zusammenhang interessieren, wie hoch die bisher dem Fremdenverkehr zur Verfügung gestellten ERP-Mittel sind. Von der Statistik und dem Überblick über die Vergangenheit und von der Begründung allein, warum in der dritten Tranche für den Fremdenverkehr nichts ausgeschüttet ist, haben wir nichts. Darum interessiert uns hier die fünfte Frage — und die Antwort darauf — ganz besonders. Ich muß sie hier mündlich noch etwas abgewandelt wiedergeben. Es interessiert uns, ob in absehbarer Zeit — und wenn, dann möglichst genau, wann — mit der Ausschüttung einer vierten Tranche aus den ERP-Gegenwertmitteln zu rechnen ist und ob die Bundesregierung glaubt, es bei der amerikanischen ERP-Verwaitung durchsetzen zu können, daß bei der Ausschüttung der vierten Tranche wiederum Gegenwertmittel für den Wiederaufbau von Fremdenverkehrsbetrieben gewährt werden, oder ob die Bundesregierung einen gegenteiligen Standpunkt einnimmt. Es ist leider eine Tatsache,
daß durch die Unterbrechung der Ausschüttung von ERP-Gegenwertmitteln für den Fremdenverkehr nicht nur die Genehmigung neuer Kreditanträge sehr jäh unterbrochen worden ist, sondern daß auch bereits fest zugesagte Kredite nicht mehr ausgezahlt oder die weitere Auszahlung teilweise ausgezahlter Kredite unterbrochen worden ist. Mancher Unternehmer, mancher Kreditbittsteller hat auf die Zusage hin eine Erweiterung oder eine Modernisierung seines Betriebes vorgenommen und stand auf einmal sehr unangenehm überrascht vor der Tatsache, daß sein Projekt nicht weiter durchgeführt werden konnte, weil entgegen aller Erwartung keine Mittel aus der dritten Tranche geflossen sind. Wir würden besonderen Wert darauf legen, daß gerade die angefangenen Projekte durch eine Hilfsfinanzierung wenigstens zu Ende geführt werden können. Wir bitten deshalb die Bundesregierung um Auskunft, ob es möglich ist und ob sie bereit ist, aus Mitteln der STEG oder aus dem Zinsaufkommen der bisher für Fremdenverkehrszwecke gewährten ERP-Kredite Mittel zur Überbrückung der Finanzierung der dringendsten Projekte des Fremdenverkehrs bereitzustellen, und zwar für die Unterstützung sowohl solcher Projekte, die bereits begonnen worden sind, als auch solcher, für deren Durchführung bereits neue Anträge anstehen und die als besonders dringlich von den Landeswirtschaftsmministerien bezeichnet worden sind.
Lassen Sie mich zum Abschluß, nachdem es sich hier nicht allein um eine Frage der wirtschaftlichen Förderung handelt, noch einen Gesichtspunkt erwähnen. Ich habe vor wenigen Tagen aus dem Bereich von Garmisch-Partenkirchen, einem der Hauptfremdenverkehrsgebiete des deutschen Bundesgbiets, die Zuschrift eines Fachmannes auf lem Gebiet des Fremdenverkehrs erhalten, der im Laufe der letzten Wochen die Schweiz, Italien und Frankreich bereist hat. Er teilt mir folgendes mit, was ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nun verlesen möchte:
Sowohl in der Schweiz wie auch in Italien besteht reges Interesse für Reisen nach Deutschland, besonders Bayern. Aber leider sind die Bestimmungen für das Einreisevisum so schwer und lästig, daß Reisen nur in seltenen Fällen durchgeführt werden. Die Kosten für das Einreisevisum betragen z. B. einschließlich der Einholungsspesen in der Schweiz 15 Schweizer Franken. Hierzu sind eine Unzahl von Formularen und Erklärungen zu unterfertigen. Schließlich müssen Paß und Papiere an die alliierten Steilen oder deutschen Konsulate eingesandt werden und nimmt die Erledigung zwei bis drei Wochen in Anspruch. Der Endeffekt ist, wie mir
- so schreibt er —
die Reisebüroinhaber immer wieder erklärten, daß die Reisenden auf eine Reise nach Deutschland verzichten und sich zu einer Reise nach Österreich, Italien oder Frankreich entschließen, welche keinen Visumzwang haben und somit einfach bereist werden können. Und wir warten hier auf den internationalen Fremdenverkehr, machen kostspielige Auslandspropaganda und stürzen uns in große Unkosten, oft in Schulden, um den Auslandsgast bestens aufnehmen zu können.
Sowohl in moderner und guter Einrichtung, Gastlichkeit, Küche als auch in bezug auf Preiswürdigkeit sind die Hotels in Deutschland denen im Ausland mindestens gleichwertig, ja überlegen. Es ist einzig und allein der. Visumzwang, welcher unsern Auslandsverkehr stoppt und ist dieser Visumzwang für Deutschland, das einzige Land von Westeuropa, deklassierend und gewiß nicht den Zielen des ERP und des Schumanplanes entsprechend.
Nachdem wir immer gewünscht haben, daß bei einem federführenden Ministerium der Bundesregierung die Fragen des Fremdenverkehrs zusammengefaßt werden, wäre für uns von großer Bedeutung, wenn auch diese Frage einmal von der Bundesregierung aufgegriffen und etwas vorwärtsgetrieben würde. Die Förderung dieser ganzen Angelegenheit leidet ohne Zweifel darunter, daß ein Teil der Aufgaben vom Verkehrsministerium, ein anderer Teil vom Wirtschaftsministerium wahrgenommen wird. An das, was in dieses Schema nicht hineinpaßt, denkt dann praktisch überhaupt keine Stelle. Es wäre sehr notwendig, die Inangriffnahme dieser Aufgaben neben der wirtschaftlichen, Unterstützung einmal mit allem Nachdruck zu betreiben, damit nicht der Ausländer, der bei uns einreisen will, mehr Schikanen ausgesetzt ist und mehr Formulare auszufüllen hat als bei der Einreise in irgendein anderes Land. Auch dieser Bestandteil des Fremdenverkehrswesens ist für uns von erheblicher Bedeutung. So würde ich den Herrn Wirtschaftsminister, den Herrn Innenminister und das Auswärtige Amt sehr nachdrücklich darum bitten, dafür zu sorgen, daß für den Ausländer bei der Einreise nach Deutschland die gleichen. Bedingungen wie bei der Einreise in andere europäische oder amerikanische Länder gelten. Wir bemühen uns vergeblich um die Förderung des Fremdenverkehrs, wenn nicht auf diesem Gebiet erheblich Remedur' geschaffen wird.